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i t W asser M h bar. a s c abw ZinCream Medinova® Die Vorteile auf einen Blick • Bewährter Wirkstoff Zinkoxid • Überlegene Galenik (Öl-in-Wasser)1 • Mit Wasser abwaschbar • Frei von Reizstoffen (Parfüm, ätherische Öle, Wollfett) • In klinischen Studien nachgewiesene Wirksamkeit und Verträglichkeit2,3 • Bei wunder Haut in jedem Alter • Bei milder und mittelschwerer Symptomatik kann auf ein Antibiotikum, Antimykotikum oder Kortikoid verzichtet werden • Nur in Apotheken und Drogerien erhältlich Referenzen 1. Götte, J., V. Della Casa, G. Pohlig, and F. Graf. 2000. Unterschiede in der Flüssigkeitsabsorption halbfester Dermatika. hautnah 26-28. 2. Ferrazini, G., R. R. Kaiser, S.-K. Hirsig Cheng, M. Wehrli, V. Della Casa, G. Pohlig, S. Gonser, F. Graf, and W. Jörg. 2002. ZinCream Medinova und Oxyplastin in der Behandlung von Windeldermatitis. Hautnah Schweiz 6: 1-3 3. Borelli S., G. Ferrazini, W. Jörg, U. Bader, W. Thürlimann, B. Winzeler, P. Liggenstorfer, S.A. Wagner, P. Grob, and S. Gonser 2006. Wirksame und gut verträgliche Therapie nässender Dermatosen. Dermatologie Praxis 3: 20-23. Gekürzte Fachinformation ZinCream Medinova® Z: 1 g Cremepaste enthält 200 mg Zinkoxid. Propylenglykol; Konserv.: Parabene (E 214, E 218, Butylparahydroxybenzat). I: Windeldermatitis, Intertrigo, kleinere Hautschäden, unterstüt- zende Behandlung von Wundrändern bei offenen Wunden. D: Windeldermatitis, Inter-trigo, kleinere Hautschäden: je nach Bedarf mehrmals täglich auftragen. Wundrandbehandlung: einmal täglich beim Verbandswechsel dünn auftragen. KI: Überempfindlichkeit auf einen der Inhaltsstoffe. UW: Bei bestimmungsgemässem Gebrauch sind in der Regel keine Nebenwir- kungen zu erwarten. Die Anwendung von ZinCream Medinova® kann Überempfindlichkeitsreaktionen zur Folge haben. P: Cremepaste 50 g. ZI: Medinova AG, 8050 Zürich. Liste D. Ausführliche Informationen entnehmen Sie bitte der Fachinformation unter www.swissmedicinfo.ch. Medinova AG • 8050 Zürich • www.medinova.ch
Inhalt • Sommaire Ausgabe 12 Edition 12 Social Media Les réseaux sociaux Aktuell 2 Actualité 30 Editorial Nadine Oberhauser 5 Editorial Nadine Oberhauser 33 Dossier 4 Dossier 32 Soziale Medien aus psychologischer Sicht Etre sage-femme au temps des réseaux sociaux betrachtet Daniel Süss Patricia Perrenoud Smartphone – der ständige Begleiter 8 Applications mobiles: contraintes ou nouvelles 36 beeinflusst die Mutter-Kind-Beziehung ressources indispensables? Chloé Avenal et al. Simona Baumann und Lucia Seiler Tenir un blog: quand le virtuel influence le réel 40 Literaturempfehlungen 12 Entretien avec 10lunes Mosaik 14 Infos sur la recherche 42 Kompetenzprofil: als Hebamme MSc denken und handeln Dorothée Eichenberger zur Bonsen et al. Fédération 23 Neues aus Wissenschaft und Forschung 18 Sections 24 Neues aus den Fachhochschulen 22 Formation continue FSSF 27 Verband 23 En librairie 39 Sektionen 24 Impressum 35 Fort- und Weiterbildung SHV 26 Buchtipp 21 Impressum 35 Thema der Ausgabe 1/2 2018 Thème de l’édition 1/2 2018 Gewalt unter der Geburt Les violences obstétricales Erscheint Anfang Januar 2018 Parution début janvier 2018 114. Jahrgang | 114 e année Geschäftsstelle | Secrétariat Rosenweg 25 C, 3007 Bern, T +41 (0)31 332 63 40, F +41 (0)31 332 76 19, info@hebamme.ch www.hebamme.ch, www.sage-femme.ch Öffnungszeiten Mo–Do 8.30–12 Uhr, 13.30–16.30 Uhr | Heures d’ouverture Lu-Je 8:30-12:00, 13:30-16:30 Offizielle Zeitschrift des Schweizerischen Hebammenverbandes | Journal officiel de la Fédération suisse des sages-femmes | Giornale ufficiale della Federazione svizzera delle levatrici | Revista uffiziala da la Federaziun svizra da las spendreras Erscheinungsweise 10 Mal im Jahr, Doppelausgaben im Januar / Februar und Juli /August | Parution 10 éditions par année, numéros doubles en janvier / février et en juillet /août Foto Titelseite Der SHV dankt Loredana d’Ambrosio und David Gobeli, Bern Photo couverture La FSSF remercie Loredana d’Ambrosio et David Gobeli, Berne
Aktuell Um den Dialog zwischen den Berufs- Fachtagung gruppen weiter zu intensivieren, wurde Sexuell übertragbare die Aktion Sympathieeinladung ins Le- «Akademisiertes ben gerufen. So lädt die Hebamme Infektionen nehmen zu ihre/n Sympathieärztin/-arzt oder die/ Hebammenwesen» der Frauenärztin/-arzt ihre/seine Sym- 2016 wurden insgesamt 542 HIV-Fälle, pathiehebamme zur gemeinsamen Fort- 2270 Gonorrhoe-Fälle, 733 Syphilis-Fälle 16. Februar 2018 | Mainz (D) bildung mit einem Sympathiegutschein und 11 013 Fälle von Chlamydien-Infek Die 4. Internationale Fachtagung der ein. So beträgt die Teilnahmegebühr der/ tionen verzeichnet. Die Stabilisierung bei Deutschen Gesellschaft für Hebam- des Eingeladenen nur noch Euro 85,– den HIV-Fällen bestätigte sich im vergan- menwissenschaft e. V. mit dem Titel (normale Congresskarte à Euro 165,–). genen Jahr zum zweiten Mal in Folge. «Akademisiertes Hebammenwesen – Anmeldung und weitere Informationen unter Bei den anderen sexuell übertragbaren Praxis und Wissenschaft» soll dem www.geburtshilfe-im-dialog.de Infektionen (STI) ist in der Schweiz wie fachlichen Austausch und der Vernet- auch im restlichen Europa seit mehreren zung von Hebammen und anderen Pro- Jahren eine Zunahme zu beobachten. fessionen im deutschsprachigen und Als eine Antwort auf diese Entwicklung europäischen Raum dienen, die sowohl Film «Kinder machen» hat das Bundesamt für Gesundheit die in der Forschung, der Lehre oder (ausser-) Safer-Sex-Regeln angepasst. Die erste klinischen Praxis tätig sind und an der Regel ist immer noch dieselbe: «Vaginal- Hebammenwissenschaft Interesse ha- und Analsex mit Kondom.» Damit kann ben. Professorin Cecily Begley wird als man die Übertragung von HIV verhin- Keynote-Speaker von ihren Erfahrungen dern und die Risiken für andere STI ver- in der Entwicklung von primärqualifizie- ringern. Die zweite Regel ist neu: «Und renden Bachelorstudiengängen in Irland weil’s jede(r) anders liebt: Mach jetzt berichten. Sie hat den Lehrstuhl in Nurs deinen persönlichen Safer-Sex-Check auf ing and Midwifery am Trinity College www.lovelife.ch.» Der Safer-Sex-Check in Dublin, Irland, inne sowie zahlreiche gibt personalisierte Empfehlungen ent- Mandate in nationalen Gremien und zur sprechend der individuellen Sexualität Entwicklung von Standards. ab. So können sich alle einfach über die Im Rahmen der Fachtagung werden For- Massnahmen in Bezug auf die HIV- und schungsergebnisse und wissenschaft- STI-Prävention informieren, die für sie lich-methodische Herausforderungen persönlich relevant sind. Der Fragebogen der Hebammenwissenschaft sowie re- ist anonym. Ein Film von Barbara Burger levanter angrenzender Wissenschaften Kamera Ulrich Grossenbacher Schnitt Christof Schertenleib, Maya Schmid Ton Balthasar Jucker, Ulrich Grossenbacher Musik Manuel Pasquinelli Grafik Jens Müller Quelle: Medienmitteilung des Bundesamtes für in Vorträgen und Posterpräsentationen Produktion FAIR & UGLY Koproduktion SRF Urs Augstburger www.kindermachen.ch Gesundheit vom 23. Oktober 2017 zur Diskussion gestellt. Alle Vorträge Kinoflyer_2.indd 2 13.10.17 10:39 werden simultan ins Deutsche und ins Englische übersetzt. Das Kinderkriegen, die angeblich «natür- Anmeldung und weitere Informationen unter lichste Sache der Welt», ist nicht immer Absolventin www.dghwi.de › 4. Internationale Fachtagung die einfachste. Sei es aufgrund biologi- scher Defizite der Eltern oder einer auf- des Studiengangs wendigen Karriere- oder Lebensplanung. Der Wunsch nach Nachwuchs bewegt Hebamme BSc Congress «Geburtshilfe sich heutzutage zwischen legitimem Be- dürfnis, individuellem Urinstinkt, gesell- an der BFH prämiert im Dialog» schaftlichem Druck und Lifestyle-Ent- scheidung. Der Dokumentarfilm «Kinder Über 340 Absolvierende der Bachelor-, 2./3. März 2018 | Mannheim (D) machen» schaut mit viel Sachkenntnis Master- und Weiterbildungsstudien- Der Congress «Geburtshilfe im Dialog», sowie eindrücklichen Bildern der Repro- gänge haben Ende Oktober im Kursaal organisiert von Pro Medico, der Medizi- duktionsmedizin und -industrie über die Bern den Abschluss ihres Studiums am nischen Fortbildungs- und Congress Schulter und ins Reagenzglas. Dabei geht Fachbereich Gesundheit der Berner Fach- gesellschaft mbH, widmet sich nächstes es weder darum, die Fortpflanzungsme- hochschule (BFH) gefeiert. Darunter auch Jahr dem Thema «Gemeinsam. In der Ge- dizin zu lobpreisen, noch sie zu stigmati- Martina Lemmke, Absolventin des Stu burtshilfe neue Wege gehen. Damit aus sieren. Dennoch sind in jedem Moment diengangs Hebamme BSc. Sie wurde vom Zuversicht Zukunft wird, sind wir mit die gesellschaftlichen, politischen und Schweizerischen Hebammenverband für dabei!». Eröffnet wird er mit einem be- vor allem auch ethischen Implikationen die beste Gesamtleistung ausgezeichnet. sonderen Vortrag: «Grenzerfahrungen – spürbar. Der Film läuft seit Ende Novem- Weitere Informationen unter Gipfel & Geburten. Berge versetzen. ber in den Deutschschweizer Kinos. www.gesundheit.bfh.ch › Über uns › News › Wunder erleben» von Reinhold Messner, Weitere Informationen unter www.kindermachen.ch 31. Oktober 2017 Extrembergsteiger, Abenteurer, Buchau- tor und Politiker. 2 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 12 2017
gewiesen. Die Forscherinnen präsentier- Neue IG nachhaltige ten hierfür Säuglingen in einer kurzen Notfallbroschüre Lernphase zusammengehörende Wörter Geburtshilfe und Objekte. Dabei kam heraus: Die zur häuslichen Gewalt erste Gruppe von Säuglingen, die nach Die Interessengemeinschaft nachhaltige der Lernphase einen längeren Mittags- Das Amt für soziale Sicherheit des Kan- Geburtshilfe (IG NGH) will die politischen schlaf absolvierten, zeigte danach Hirn- tons Solothurn setzt sich für die kontinu- und gesellschaftlichen Voraussetzungen reaktionen, die bisher nur von älteren ierliche Verbesserung der Bekämpfung für eine frauenzentrierte und nachhal- Kindern bekannt waren. Sie haben die von häuslicher Gewalt ein. Dieses Jahr tige Gesundheitsversorgung während gehörten Wörter und Objekte bereits in wurde eine Notfallbroschüre, die sowohl Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett einen Bedeutungszusammenhang set- Gefährder/innen und Opfer als auch Zeu- und Stillzeit schaffen. Am Gründungs zen können. gen und Fachpersonen der häuslichen anlass «Nachhaltige Geburt?» stellte die Dagegen erinnerten sich Kinder, die Gewalt anspricht, neu überarbeitet. Sie IG NGH Anfang November ihre Ziele und nach der Lernphase nicht geschlafen dient als Informationsgrundlage für die Massnahmen vor. Das Gremium mit Ver- haben, überhaupt nicht an die gehörten wichtigsten Anlaufstellen der häuslichen treterinnen und Vertretern aus Gesund- Wort-Objekt-Zuordnungen. Eine dritte Gewalt im Kanton Solothurn. Nebst ihrer heitswesen, Politik, Verbänden, Bildungs- Gruppe von Babys, die nach der Lern- Übersetzung in acht Sprachen enthält institutionen sowie engagierten Einzel- phase kurz geschlafen hatte, zeigte da- sie ebenfalls eine abtrennbare Notfall- personen ist interdisziplinär besetzt. Seit nach die für dreimonatige Kinder typi- karte mit den wichtigsten Nummern in einem Jahr arbeitet eine Expertengruppe scherweise erwarteten Hirnreaktionen. Visitenkartengrösse. an der Vorbereitung dieses Vereins. Sie Säuglinge verarbeiten also neu Erlerntes Ausgedruckte Exemplare können kostenlos setzt sich ein für intensiv während Schlafphasen. Gleich- bei Janine Schwegler, Amt für soziale Sicherheit – eine frauenzentrierte Geburtshilfe, die zeitig hängen die Gedächtnisentwick- des Kantons Solothurn, bestellt werden unter kinder- und familienfreundlich ist lung und der Spracherwerb natürlich janine.schwegler@ddi.so.ch oder heruntergeladen werden unter www.so.ch › Verwaltung › Departement – echte Wahlfreiheit zwischen verschie- nicht nur vom Schlaf ab, sondern viel des Innern › Amt für soziale Sicherheit › Prävention & denen Betreuungsmodellen während mehr von einem komplexen Wechsel- Gesundheitsförderung › Gewalt › Häusliche Gewalt › Schwangerschaft und Geburt spiel zwischen Erlebnissen und Eindrü- Notfallbroschüre Häusliche Gewalt – eine salutogene Geburtshilfe, die cken in wachem Zustand sowie Verar- Schwangerschaft und Geburt als na- beitungsprozessen im Schlaf. türliche Lebensprozesse versteht und Quelle: Info-Feed Frühe Kindheit vom Netzwerk die Erhaltung bzw. Förderung von Kinderbetreuung, News vom 4. September 2017 Gesundheit ins Zentrum stellt – eine bezahlbare Geburtshilfe, die volks- wirtschaftlich und individuell tragbar ist – eine Korrektur der bestehenden finan- ziellen und systemischen Fehlanreize Leuchtpyjama behandelt Neugeborene – die Schaffung geeigneter Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Rah- Allein, nackt und mit zum Schutz abge- der eingespeistes Licht gleichmässig über men der nachhaltigen Geburtshilfe. deckten Augen – so liegen Neugeborene die Stoffbahn verteilt, wie die Forscher Weitere Informationen unter im Brutkasten, wenn sie gegen Gelb- kürzlich in der Fachzeitschrift «Biomedi- www.nachhaltige-geburt.ch sucht behandelt werden. Die Bestrah- cal Optics Express» berichteten. lung mit blauem Licht im Brutkasten ist Die derart gewebten photonischen Tex- nötig, da sich bei der Neugeborenen- tilien lassen sich zu einem Strampelan- gelbsucht giftige Abbauprodukte des zug oder einem Schlafsack verarbeiten, Mittagsschlaf Blutfarbstoffs Hämoglobin in der Haut sodass der kleine Patient zugleich beklei- ablagern. Forscher der Eidgenössischen det ist, im Arm gehalten und gefüttert beeinflusst Materialprüfungs- und Forschungsan- werden kann. Und da der Pyjama für die stalt, Abteilung Biomimetic Membranes kommerzielle Anwendung so produziert Spracherwerb and Textiles, haben die wenig kinder- werden kann, dass er sein Licht lediglich tauglichen Prozedur nun massgeblich nach innen, also auf die Haut des Kindes Im ersten Lebensjahr wird beim Men- verbessert, indem sie die Behandlung abgibt, entfällt für das Neugeborene schen der wichtigste Grundstein für die mit den Bedürfnissen der Neugebore- auch das Tragen einer lästigen Schutz- gesamte Sprachentwicklung gelegt. Wis- nen kombinierten: Das Team um Luci- maske. Denn anders als im Brutkasten, senschaftliche Erkenntnisse zeigen im- ano Boesel entwickelte einen leuchten- bei dem das Therapielicht auf das Ge- mer wieder: Der kindliche Schlaf spielt den Pyjama für Babys. sicht des Säuglings fällt, erreicht die hierfür eine zentrale Rolle, und zwar Hierzu kreierten die Materialforscher kurzwellige Strahlung des Lichtpyjamas nicht nur dessen Zeitpunkt, sondern Textilien, in die optisch leitende Fasern die empfindlichen Babyaugen nicht. auch dessen Dauer. Dies haben Wissen- eingewoben sind. Als Lichtquelle für die Quelle: Medienmitteilung der Eidgenössischen schaftlerinnen des Max-Planck-Instituts lichtleitenden Fäden dienen batteriebe- Materialprüfungs- und Forschungsanstalt vom für Kognitions- und Neurowissenschaf- triebene LED. Gemeinsam mit herkömm- 31. Oktober 2017 ten in einer neuen Untersuchung nach- lichem Garn liessen sich die optischen Fasern zu einem Satinstoff verweben, 12 2017 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 3
Dossier Soziale Medien aus psychologischer Sicht betrachtet Neue Medien wurden schon immer mit viel Skepsis betrachtet. Früher war es das Fernsehen, heute sind es Games und Soziale Medien, von denen man wenig Gutes erwartet. Aus psycho logischer Sicht stellt sich die Frage, ob die Nutzung sozialer Medien den Individuen, sozialen Einheiten wie Paaren und Familien und schliesslich der Gesellschaft insgesamt eher Chancen oder Risiken bringt. Daniel Süss Soziale Medien resp. Social-Network-Seiten sind ein noch Demenz oder Hysterie? junges Phänomen. 2003 wurden z. B. LinkedIn und My Der Hirnforscher und Psychiater, Manfred Spitzer, betont Space lanciert, 2005 Facebook und YouTube. Zuerst ha- in seinen populären Büchern «Vorsicht Bildschirm!» (2005), ben die jungen Leute diese Plattformen für sich entdeckt. «Digitale Demenz» (2012) und «Cyberkrank!» (2015) die Die Jugendlichen nomadisieren dabei relativ kurzfristig Risiken der digitalen Medien. Er greift dabei selektiv auf auf neue Plattformen. So sind bei ihnen heute Instagram Forschungsbefunde zurück, die Gefahren einer unreflek- und Snapchat angesagt, während Facebook an Zulauf ver- tierten oder exzessiven Mediennutzung belegen. Andere liert (Waller et al., 2016). Dennoch wächst die Facebook- Studien, die aufzeigen, dass es auch positive Effekte gibt, Community weltweit immer noch beträchtlich, denn wenn man die Medien kompetent nutzt, werden igno- heute ziehen die älteren Semester nach. Die aktuelle For- riert, und die Schlussfolgerungen und Empfehlungen sind schung legt nahe, einen kritischen Optimismus anzu- so pointiert, dass sie Eltern eher verunsichern und hilflos wenden: Unter bestimmten Bedingungen sind die sozia- zurücklassen. len Medien eine Ressource für Wohlbefinden, gelingende Bspw. wird geraten, Kindern unter zwölf Jahren mög- Kommunikation, Verbundenheit und positive Entwick- lichst gar keine Bildschirmmedien in der Freizeit anzu- lung, unter anderen Bedingungen können sie zu Bezie- bieten. Das scheitert schon daran, dass heute praktisch hungskonflikten, reduziertem Selbstvertrauen und Ver- jede Schulklasse eine WhatsApp-Gruppe führt, auf der haltenssucht führen. die Lehrperson wichtige Informationen weitergibt, was früher in einer «Telefonalarmliste» über das Festnetz geschah. Und die jugendliche Freundesgruppe verein- bart ihre Treffen und Partybesuche über die Messenger Autor auf Sozialen Medien. Deshalb argumentieren andere Fachleute damit, dass die Menschen einer «digitalen Hysterie» (Milzner, 2016) oder einer «Digitalen Paranoia» (Kalbitzer, 2016) verfallen, wenn sie nur gebannt auf die Gefahren starren, statt den kompetenten Umgang mit den digitalen Medien zu fördern (Hartmann und Hun- dertpfund, 2015). Kompetenter Umgang heisst auch: in gewissen Situationen auf digitale Kommunikation und das unmittelbare Teilen von Ereignissen bewusst zu ver- zichten – z. B. im Gebärsaal. Langeweile vermeiden Soziale Medien haben das Verhältnis von Privatsphäre Daniel Süss, Prof. Dr. phil., ist Professor für Medien und Öffentlichkeit neu definiert. Momente der Lange- psychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte weile werden sofort mit einer Medienaktivität gefüllt, die Wissenschaften und Professor für Mediensozialisation und Reizdichte nimmt laufend zu. Kommunikatives Multitas Medienkompetenz an der Universität Zürich. Er lehrt und king, d. h. gleichzeitig mit mehreren Personen oder Grup- forscht zum Medienumgang von Kindern und Jugendlichen pen auf unterschiedlichen Kanälen zu kommunizieren, und zur Medienerziehung von Eltern und Lehrpersonen. 4 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 12 2017
Editorial scheint zwar effizient zu sein, aber es birgt die Gefahr, dass die emotionale Präsenz und die Aufmerksamkeit fragmentiert werden, dass die Ablenkung dazu führt, dass man feine Zwischentöne überhört und dass inhalt- liche Missverständnisse auftreten. Und: Menschen füh- len sich nicht wahrgenommen und wertgeschätzt, wenn das Gegenüber immer wieder auf fremde Kommunika Nadine Oberhauser tionsappelle aus dem Smartphone reagiert. Dies wird als Langjährige Hebammenausbildnerin, «Phubbing» bezeichnet: eine Wortneubildung aus Phone Haute Ecole de Santé Vaud, Lausanne und Snubbing, d. h. dem Telefon Aufmerksamkeit schen- ken und eine anwesende Person ignorieren (Genner, 2017, S. 70). Liebe Leserin, lieber Leser Wozu Soziale Medien genutzt werden Leung (2013) hat fünf Gruppen von Nutzungsmotiven Das Internet hat die sozialen Rollen radikal verändert, indem herausgearbeitet: Soziale und emotionale Bedürfnisse es alle möglichen Daten in Echtzeit verfügbar macht. Wir befriedigen; negative Gefühle ausdrücken; Bestätigung medizinischen Fachkräfte stehen vor zwiespältigen Heraus und Aufmerksamkeit erhalten; sich unterhalten; ko forderungen, denn wir möchten als Beraterinnen und Aus gnitive Bedürfnisse befriedigen. Was heisst dies? Das bildnerinnen nicht durch das Internet ersetzt werden, doch Pflegen von Profilen auf Sozialen Medien vermittelt ein Gefühl der sozialen Verbundenheit mit Freunden. Es gleichzeitig in der Lage sein, diese Daten zu nutzen und sie braucht nicht einmal eine aktive Resonanz, z. B. «Likes» gezielt nutzbar zu machen. Das Thema Social Media ist auf eine Nachricht, die man gepostet hat, sondern nur weitläufig, einige Aspekte davon werden in dieser Ausgabe schon das Bewusstsein, dass die (engeren und weniger behandelt. Dabei darf die Bedeutung des Phänomens Inter engen) Freunde etwas zur Kenntnis nehmen können, net keinesfalls ignoriert werden, doch eine kritische Nutzung genügt, um sich sozial unterstützt zu fühlen (Feng und ist unerlässlich. Das Datenangebot kann bei der Beratung, Hyun, 2012). Bekommt man noch zusätzlich aufmun- BiIdung und Begleitung unterstützend wirken, die zahllosen ternde Kommentare oder Anerkennung, dann erhöht Vorschläge und Möglichkeiten bergen aber auch das Risiko dies das Wohlbefinden. Das Risiko, dass man in eine einer missbräuchlichen oder falschen Nutzung. «Facebook-Depression» verfällt, weil man keine Reso- nanz erfährt oder einen ungünstigen sozialen Vergleich Die unterschiedlichen Blickwinkel in den Artikeln dieses Dos vornimmt, besteht vor allem dann, wenn man wenig siers beleuchten die Komplexität dieses Phänomens und eigene Beiträge veröffentlicht und vor allem die Profile den Platz, den es im Leben der Menschen einnimmt. Die Heb anderer Personen anschaut (Grosse Deters und Mehl, ammen sollten diese Netzwerke in Kenntnis ihrer Inhalte 2013). möglichst schlau nutzen, damit sie die von ihnen begleiteten Sichtbar auf der Bühne des sozialen Vergleichs Frauen gut beraten können. Ausserdem dienen diese Internet Der soziale Vergleich ist für die Menschen ein wichtiges angebote auch der Promotion des Berufs, als Schnittstelle Motiv, um die eigene soziale Position, das «soziale Ka für den Informationsaustausch und als vertrauenswürdige pital» (Bourdieu, 1983), einzuschätzen. Man evaluiert die Quelle von Berufswissen. Es ist wichtig für die Frauen, dass eigenen Fähigkeiten, die Überzeugungen, das Aussehen, sie sich zu Fragen, die sie betreffen, austauschen können, das soziale Netzwerk usw. im Vergleich mit anderen Men- doch dazu müssen sie nicht nur Meinungen kennenlernen, schen (Ellison et al., 2007; Steinfield et al., 2008). Was sondern auch sachdienliche Informationen erhalten. Es gibt durch Soziale Medien neuartig ist: Das eigene und fremde kein GPS für das Surfen im Internet oder in den sozialen soziale Kapital wird exakt quantifizierbar durch Indikato- ren wie Zeitpunkt, Anzahl und Form der Rückmeldungen, Netzwerken, was schade ist. Doch es gibt einige Leitlinien die man auf eigene Posts auf Sozialen Medien erhält oder zu klar definierten Orten, die einen Umweg wert sind. durch den Vergleich der Selbstinszenierung in Bildern Nun, denn: Gut verlinkt ist halb gewonnen! Machen Sie sich oder die Anzahl der Kontakte, Follower, Freunde, die man schlau, verlinken Sie sich gut und vor allem: Lösen Sie sich vorweisen kann. Dabei ist relevant, dass diese Indikatoren öffentlich sichtbar sind. auch wieder aus dem Netz, denn eine zu starke Vernetzung Dass vor allem junge Menschen der Selbstinszenierung behindert die klare Sicht und die positiven Erkenntnisse. viel Aufmerksamkeit widmen, ist mit verschiedenen Entwicklungsaufgaben erklärbar: In Sozialen Medien – aber nicht nur dort – wird an der Identitätsentwicklung gearbeitet, an der Auseinandersetzung mit dem sich zur Erwachsenengestalt wandelnden eigenen Körper und Herzlich, Nadine Oberhauser 12 2017 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5
Dossier seinem Aussehen, mit der Suche nach ersten intimen können (Willemse, 2016; Willemse et al., 2017). Aus- Kontakten und dem stolzen Zeigen von Freundschaften gangspunkt einer Verhaltenssucht in Bezug auf Soziale und Beziehungen. Mit Kommentaren zu Posts kann ge- Medien kann die Angst sein, etwas zu verpassen, was im flirtet werden, oft ungehemmter als im direkten Kontakt sozialen Umfeld läuft, wenn man nicht ständig online (Schade et al., 2013). Das Internet ist nicht nur eine Pro- ist. Dies führt dazu, dass man sich sehr unwohl fühlt, bebühne für soziale Resonanz, sondern es ist auch die wenn man offline ist, dass es einem schwerfällt, sich auf Hauptbühne, auf der wichtige Interaktionen zustande eine Aufgabe zu konzentrieren und man in Gedanken kommen. immer wieder abschweift zu den möglichen Ereignissen im digitalen Raum. Insbesondere Menschen, die schon Nutzung je nach Persönlichkeitsmerkmalen einmal Cybermobbing erlebt haben, können auch in den Das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit (McCrae Sog geraten, ständig kontrollieren zu müssen, ob etwas und John, 1992) wurde in Studien eingesetzt, um den Zu- Negatives über sie online verbreitet wird, d. h. die Sorge sammenhang zwischen Mediennutzung und Persönlich- um die Onlinereputation führt zu einer permanenten keitsmerkmalen zu untersuchen. Tendenziell neurotische Unruhe. (emotional instabile) Persönlichkeiten neigen eher dazu, Onlinesucht kann längerfristig dramatische Folgen ha- Einsamkeit mithilfe von Internetnutzung zu überbrücken. ben: unter anderem sozialer Rückzug, Übermüdung, Introvertierte Personen geben online mehr von sich preis problematisches Essverhalten, Leistungsrückgang und als face-to-face. Die mediale Distanz zu den Empfängern Bewegungsmangel. Eine Onlinesucht ist nie einfach erleichtert es sozial eher zurückhaltenden oder scheuen eine Folge der Mediennutzung, sondern sie hängt mit Menschen, sich zu zeigen. personen- und umweltbezogenen Faktoren zusammen Extravertierte Menschen nutzen Soziale Medien aber und ist oft mit Begleiterkrankungen wie Depressionen intensiver als introvertierte. Sie posten häufiger und verbunden. Die grosse Mehrzahl der Menschen nutzt ausführlicher und bauen ein umfangreicheres Kontakt- aber Soziale Medien, ohne Anzeichen von Verhaltens- netz auf. Ein guter Prädiktor für das Interesse an neuen sucht zu entwickeln. Sie haben gelernt, kompetent mit Medien ist ein hoher Wert beim Persönlichkeitsmerkmal den Medien umzugehen – d. h. so, dass sie ihre Bedürf- «Offenheit für neue Erfahrungen». Das ist ein Charak- nisse befriedigen können –, die Medien kreativ und viel- terzug, der bei jungen Menschen entwicklungsbedingt seitig für Information zu nutzen, Bildung, Unterhaltung ausgeprägt ist, weshalb sie auch eifrige frühe Nutzer und Kommunikation und negative Effekte zu kennen neuer digitaler Angebote sind. Aber auch bei Erwach und zu vermeiden. Kompetenter Medienumgang heisst senen gibt es hier Unterschiede: Wer generell offen ist, immer auch selbst- und sozialkompetent zu handeln wird auch Soziale Medien eher ausprobieren, unabhän- (Süss et al., 2013). gig vom Lebensalter. Deshalb gibt es auch zunehmend «Silver Surfer», d. h. Senioren mit viel Offenheit für di Offline sein können gitale Medien. Das Persönlichkeitsmerkmal Gewissen- Das Bedürfnis, andere wichtige Menschen am eigenen haftigkeit führt eher dazu, dass man zurückhaltend mit Alltag, insbesondere aber an besonderen Momenten Sozialen Medien umgeht, da man vermeiden will, durch des Glücks oder des Unglücks Anteil nehmen zu lassen, intensives Herumsurfen wichtige Verpflichtungen aufzu- um sich mitzufreuen oder um Mitgefühl und Trost zu schieben. Diese Prokrastination (Tendenz zum Aufschie- erfahren, ist etwas ganz Ursprüngliches und Humanes. ben) wird gerade durch die permanente Flut von Benach- Dass der Mensch seit zehn Jahren mit dem Smartphone richtigungen und Statusupdates aus dem Freundeskreis ein Instrument zur Hand hat, dass dies jederzeit und an gefördert. praktisch jedem Ort ganz einfach ermöglicht, ist neu Die Annahme, dass Soziale Medien Narzissmus auslösen und braucht noch eine bewusste kulturelle Regulie- oder verstärken können, konnte bisher nicht bestätigt rung. werden. Es gibt eher Hinweise, dass narzisstische Per- Wenn man während eines Erlebnisses immer bereits mit sönlichkeiten Soziale Medien intensiver nutzen, weil sie dem Gedanken beschäftigt ist, wie man das live doku- damit in kurzen Intervallen immer wieder Aufmerksam- mentieren und weiterverbreiten kann, dann tritt man keit erhalten können (Genner, 2017, S. 36). emotional aus der Situation auf eine Metaebene hinaus. Man nimmt den Blick eines Reporters des eigenen Lebens Vom Risiko der Verhaltenssucht ein, einer Kamerafrau, die den geeigneten Bildausschnitt Es gibt substanzunabhängiges Suchtverhalten (Grüsser und Winkel zur Dokumentation wählt und damit nicht und Thalemann, 2006). Digitale Medien können dabei mehr ganz im Erlebnis präsent ist. Dadurch entsteht die eine Rolle spielen. Entscheidend ist nicht die Menge und Gefahr, bedeutsame Erlebnisse innerlich zu verpassen Häufigkeit der Nutzung, sondern der Kontrollverlust. und damit auch nur oberflächlich zu verarbeiten. Multi- Während männliche Jugendliche und junge Männer tasking ist eine Illusion: Man kann gar nicht gleichzeitig durch Onlinegames gefährdet sind, in ein suchtartiges die volle Aufmerksamkeit an mehreren Orten haben, son- Verhalten zu geraten, sind es bei den Mädchen und jun- dern höchstens schnell den Fokus der Aufmerksamkeit gen Frauen eher die Sozialen Medien, die dazu führen hin- und herspringen lassen. Ein Aspekt von Medienkompetenz besteht also darin, jene Situationen erkennen zu können, in denen man offline gehen sollte, um ganz verfügbar zu sein für die eigenen Empfindungen und für die Empfindungen und Bedürfnisse der anwesenden Personen. Intimität und 6 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 12 2017
ungeteilte Aufmerksamkeit sind nicht möglich, wenn Je älter das Kind wird, desto bedeutsamer wird auch die man gleichzeitig auf Empfang steht für digitale Nach- Vorbildfunktion der Eltern im Umgang mit Medien. Ein richten anderer Menschen. Aspekt ist dabei der Schutz der Privatsphäre und das Recht am eigenen Bild. Wenn Mütter schon das Ultra- Beratung für Schwangere und junge Mütter schallbild des ungeborenen Kindes auf ihrem Facebook- Die heutigen Mütter sind zunehmend «Digital Natives» Profil hochladen und die Geburt und die ersten Tage und (Palfrey und Gasser, 2008). Sie sind mit digitalen Medien jeden weiteren Schritt des Kindes dokumentieren, dann aufgewachsen und sind es gewohnt, über Soziale Medien schaffen sie eine digitale Repräsentation ihres Kindes, mit ihren Freunden und Bekannten zu kommunizieren. die dessen Selbstbestimmungsrecht missachtet. Es ist Das Smartphone ist zum wichtigsten persönlichen Ob- zwar verständlich, dass stolze Eltern ihr Glück mit ihren jekt geworden und wird an jeden Ort mitgenommen. In Freunden teilen wollen, aber sie sollten Bilder ihrer Kin- der Geburtsvorbereitung sollte man sich bewusst mit der erst dann online stellen, wenn diese gross genug der Frage auseinandersetzen, welche Momente unge- sind, um dem zuzustimmen. teilte Aufmerksamkeit erfordern, sei es bei der Geburt und in den ersten Wochen, Monaten und Jahren des Kin- des. Der Aufbau einer sicheren Bindung des Kindes mit seinen ersten Bezugspersonen setzt voraus, dass es sich ganz wahrgenommen und gespiegelt fühlt. Wenn Müt- ter ihre Aufmerksamkeit vom Kind abwenden, während es ihnen zugewandt ist, dann kann dies verunsichernd wirken. Säuglinge können das noch nicht artikulieren, Kleinkinder hingegen schon, indem sie eifersüchtig auf das Smartphone der Mutter reagieren. Literatur Bourdieu, P. (1983) Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, Palfrey, J. und Gasser, U. (2008) Generation Internet. Die Digital soziales Kapital. In: Kreckel, R. (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten. Natives: Wie sie leben, was sie denken, wie sie arbeiten. München: Soziale Welt. Sonderband 2. Göttingen: Otto Schwartz & Co., Carl Hanser. 183–198. Schade, L. et al. (2013) Using Technology to Connect in Romantic Ellison, N. B. et al. (2007) The Benefits of Facebook «Friends». Relationships: Effects on Attachment, Relationship Satisfaction, Social Capital and College Students’ Use of Online Social Network and Stability in Emerging Adults. «Journal of Couple & Relation- Sites. «Journal of Computer-Mediated Communication»; 12, 4, ship Therapy», 12, 4, 314–338. 1143–1168. Spitzer, M. (2005) Vorsicht Bildschirm. Elektronische Medien, Feng, B. und Hyun, M. J. (2012) The Influence of Friends’ Instant Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft. München: Messenger Status on Individuals? Coping and Support Seeking. Droemer. «Communication Studies», 63, 5, 536–553. Spitzer, M. (2012) Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder Genner, S. (2017) On/Off. Risks and Rewards of the Anytime- um den Verstand bringen. München: Droemer. Anywhere Internet. Zürich: vdf Hochschulverlag. Spitzer, M. (2015) Cyberkrank. Wie das digitalisierte Leben Grosse Deters, F. G. und Mehl, M. R. (2013) Does Posting Facebook unsere Gesundheit ruiniert. München: Droemer. Status Updates Increase or Decrease Loneliness? An Online Social Steinfield, Ch. et al. (2008) Social capital, self-esteem, and use Networking Experiment. «Social Psychology and Personality of online social network sites: A longitudinal analysis. «Journal Science», 4(5), 579–586. http://spp.sagepub.com/content/4/5/579 of Applied Developmental Psychology»; 29, 6, 434–445. Grüsser, S. M. und Thalemann, C. N. (2006) Verhaltenssucht. Süss, D. et al. (2013) Medienpädagogik. Ein Studienbuch zur Diagnostik, Therapie, Forschung. Bern: Hans Huber. Einführung. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer VS. Hartmann, W. und Hundertpfund, A. (2015) Digitale Kompetenz. Waller, G. et al. (2016) JAMES – Jugend, Aktivitäten, Medien – Bern: hep Verlag. Erhebung Schweiz. Zürich: Zürcher Hochschule für Angewandte Kalbitzer, J. (2016) Digitale Paranoia. Online bleiben, ohne Wissenschaften. www.zhaw.ch/psychologie/james den Verstand zu verlieren. München: C.H.Beck. Willemse, I. (2016) Onlinesucht. Ein Ratgeber für Eltern, Betrof- Leung, L. (2013) Generational differences in content generation fene und ihr Umfeld. Bern: Hogrefe. in social media: The roles of the gratifications sought and of Willemse, I. et al. (2017) JAMESfocus. Onlineverhalten: unproble- narcissism. «Computers in Human Bevaior»; 29, 997–1006. matisch – risikohaft – problematisch. Zürich: Zürcher Hochschule McCrae, R. R. und John, O. P. (1992) An Introduction to the five- für Angewandte Wissenschaften. www.zhaw.ch/psychologie/ factors model and its applications. «Journal of Personality», jamesfocus June, 60(2), 175–215. Milzner, G. (2016) Digitale Hysterie. Warum Computer unsere Kinder weder dumm noch krank machen. Weinheim: Beltz. 12 2017 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 7
Dossier Smartphone – der ständige Begleiter beeinflusst die Mutter-Kind-Beziehung Kommt ein Kind auf die Welt, muss es sich plötzlich in einer ihm unbekannten Umgebung zurechtfinden. Das einzig Vertraute ist seine Mutter. Der enge Kontakt zueinander ist grund legend für die Ausbildung einer sicherheitsbietenden Bindungsbeziehung. Der wichtige Beziehungsaufbau wird immer mehr durch die mütterliche Smartphonenutzung geprägt. Das Smartphone ist zu einem ständigen Begleiter geworden. Den meisten Müttern ist dabei nicht bewusst, wie stark die diesbezügliche Ablenkung die Mutter-Kind-Beziehung, die mütterliche Feinfühligkeit und die kindliche Reizüberflutung beeinflussen kann. Simona Baumann und Lucia Seiler Menschen sind nach der Geburt äusserst schwach und Welche Methode wurde angewandt? nahezu hilflose Wesen. Ein wesentlicher Zeitraum der Die Autorinnen haben diese Thematik im Rahmen ihrer Frühentwicklung findet ausserhalb des Mutterleibes Bachelorarbeit aufgearbeitet. Folgende Forschungs- statt, und die unreif ausgebildeten Körper- und Verhal- frage wurde definiert: Welchen Einfluss hat die mütter tensfunktionen führen dazu, dass die Nähe zu erwach- liche Nutzung eines Smartphones im Wochenbett auf senen Betreuungspersonen eine äusserst wichtige Über- die Mutter-Kind-Beziehung? Mit ihrer themengeleiteten lebensstrategie darstellt (Ahnert, 2010). Zusätzlich muss Bachelorarbeit wurde das Ziel verfolgt, den Einfluss der sich das Neugeborene plötzlich in einer ihm unbekann- mütterlichen Smartphonenutzung in der Wochenbett- ten Umgebung zurechtfinden. Das Einzige, was es be- zeit auf die Mutter-Kind-Beziehung aufzuzeigen. reits kennt, ist seine Mutter. Der enge Kontakt schafft Mit vordefinierten Einschlusskriterien wurde auf den Vertrauen, das die Grundlage für die Ausbildung einer Datenbanken Medline, CINAHL, Midirs, PubMED und im sicherheitsbietenden Bindungsbeziehung zwischen der Nebis-Katalog recherchiert. Da das Thema der mütter Mutter und dem Neugeborenen darstellt. lichen Nutzung von Smartphones und deren Einfluss Eine Mutter, die übermässig viel Zeit mit ihrem Smart- auf die Mutter-Kind-Beziehung ein neueres Forschungs- phone verbringt, kann für ihr Neugeborenes physisch gebiet darstellt, zeigte die Datenbankrecherche keine anwesend sein und auch der Haut-zu-Haut-Kontakt relevanten Treffer. Aus diesem Grund wurde das Thema kann stattfinden, jedoch gehen dabei der Augenkontakt zur Bearbeitung in zwei grosse Hauptbereiche unterteilt. und die Kommunikation verloren. Beides sind essenzielle Der erste Teil beschäftigt sich mit der Mutter-Kind-Be- Elemente einer sicheren Mutter-Kind-Bindung. Durch ziehung, der zweite Teil mit der Smartphonenutzung die mütterliche Smartphonenutzung sind die Neuge und deren Einfluss auf das Neugeborene. borenen dem Mangel an mütterlicher Aufmerksamkeit ausgeliefert (Ante-Contreras, 2016). Hintergrund und Diskussion Laut Ante-Contreras (2016) sind sich die Wenigsten be- 2016 zählte die Schweiz 8 291 973 Einwohner (Wojtek, wusst, dass die Ablenkung durch das Smartphone ein 2017), davon besitzen 4,9 Mio. Menschen im Alter von Neugeborenes direkt beeinflussen kann oder sogar das 15 bis 74 Jahren ein Smartphone (Comparis-AG, 2016). Gefährdungspotenzial erhöht ist. Dies zeigen die seit Das Smartphone eroberte die Welt innert fünf Jahren. 2007 steigenden Unfallzahlen von Kindern unter fünf Im Vergleich dazu brauchte der Buchdruck von Johannes Jahren in den USA. Die Ärzteschaft hat den Verdacht, Gutenbergs zwei Jahrhunderte, um sich durchzusetzen. dass die Ablenkung durch das Smartphone während der Es lässt sich festhalten, dass heutzutage weltweit mehr Kinderbetreuung der Grund für die Unfälle ist (Stempel, Menschen ein Smartphone besitzen als eine Zahnbürste. 2012). Das Smartphone ist in der Gesellschaft zu einem Auch werden weltweit an einem Tag doppelt so viele ständigen Begleiter geworden, der auch in den intimsten Smartphones verkauft wie Babys geboren (Tuma und Momenten nicht mehr wegzudenken ist (Y&R Group McDermott, 2012). Switzerland, 2016). Laut einer Untersuchung der Y&R Group Switzerland (2016) nehmen 56 % der 15- bis 29-Jährigen das Smart- phone als Begleiter mit auf die Toilette. 60 % dieser Al- tersgruppe wollen auch in der Nacht erreichbar sein, und ein Drittel davon würde lieber auf Geschlechtsverkehr 8 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 12 2017
verzichten als ihre mobilen Geräte wegzulegen. Diese Autorinnen Untersuchung zeigt, dass an ein Leben ohne Smartphone nicht mehr zu denken ist. Um die Fragestellung der Bachelorarbeit beantworten zu können, wurde die mütterliche Smartphonenutzung mit der Mutter-Kind-Beziehung, der mütterlichen Fein- fühligkeit sowie der kindlichen Reizüberflutung mitei nander in Bezug gesetzt und diskutiert. Die daraus ge- wonnenen Ergebnisse wurden in Empfehlungen an die Hebamme zusammengefasst und in einem nächsten Schritt als Empfehlungen in Form eines Flyers an die Mutter umformuliert. Die Ergebnisse auf einen Blick Simona Baumann, Studierende des Bachelors tudienganges Hebamme an der Mutter-Kind-Beziehung: negative … Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Winterthur, Departement Hübner (2004) beschreibt in seinem Buch «Mobilfunk – Gesundheit, Institut für Hebammen. baumasi1@students.zhaw.ch die riskante Kommunikation», dass in der heutigen tech- Lucia Seiler, Studierende des Bachelorstudienganges Hebamme an der Zürcher nologisierten Zeit viel mehr Wert auf Beziehungen mit Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Winterthur, Departement Gesund- Mitmenschen gelegt werden muss. Denn der Mensch heit, Institut für Hebammen. seileluc@students.zhaw.ch hat die Tendenz, seine Aufmerksamkeit den technischen Geräten zu widmen, was besonders im Umgang mit Kindern bedenklich ist. Ein häufiges Benutzen von Smartphones beeinflusst folglich die Aufmerksamkeit austauschen können. Denn der Übergang zur Mutter- des Nutzers (Hübner, 2004). Wertvolle Zeit und Zuwen- schaft ist gemäss McDaniel et al. (2011) ein langfristiger dung für das Neugeborene, die zentral für die Entwick- Prozess und eine Umstrukturierung des Alltags. Beides lung einer stabilen Mutter-Kind-Beziehung sind, gehen beginnt bereits in der Schwangerschaft und hält bis somit verloren. Denn ein Neugeborenes kann noch nicht nach der Geburt an. Dieser Lebensumbruch gehört für selbst die Verantwortung für die externe Regulation viele Eltern zu den stressigsten Lebensereignissen. seiner körperlichen Bedürfnisse übernehmen und ist Soziale und familiäre Ressourcen sind der Schlüssel, um deshalb von seiner Bezugsperson abhängig (Levine und sich in dieser Zeit nicht von der Umwelt zu isolieren. Der Kline, 2013). Austausch auf sozialen Medien bietet Müttern die Mög- Hübner (2004) rät mit einem «Zeitort» zu einem bewuss- lichkeit, Ratschläge zur Mutterschaft zu erhalten, und ten Verzicht auf Smartphones, um kostbare persönliche vermittelt das Gefühl, verstanden und nicht alleine ge- Zeit mit seinem Neugeborenen zu gewinnen. Ein «Zeit lassen zu werden. Es ist jedoch kein Ersatz für ein physi- ort» ist eine ausgewählte Stunde am Tag, in der sich die sches Gespräch (Leung und Lee, 2004). Dieses finden Mutter mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit ihrem Neuge- Mütter in sogenannten Wiegestuben, auch Eltern-Kind- borenen widmet. Diese «Zeitorte» geben dem Neugebo- Gruppen genannt. Mütter treffen sich mit anderen renen ein Gefühl der Wertschätzung und stärken die Be- Müttern, es entstehen Freundschaften, ein reger Aus- ziehung zwischen der Mutter und dem Neugeborenem. tausch, verbunden mit lebensnaher, intensiver Eltern- Ausserdem hilft es der Mutter, zu reflektieren, wann der schulung (Verein Spielraum-Lebensraum Grabs, 2008). Smartphonekonsum angebracht ist und wann nicht. Dazu wurden bereits Apps wie «Moment» entwickelt, Feinfühligkeit die den täglichen Smartphonekonsum messen (Ante- Ainsworth (1974) beschreibt die vier wichtigen Kompo- Contreras, 2016). Vielen Müttern ist nicht bewusst, wie nenten der mütterlichen Feinfühligkeit: Wahrnehmung viel Zeit sie tatsächlich an ihren Smartphones verbringen der Signale, richtige Interpretation der Signale, ange- und dass sich dies negativ auf ihr Neugeborenes auswir- messene Antwort und prompte Antwort. Eine Mutter ken kann. kann zwar physisch für ihr Neugeborenes anwesend, zur selben Zeit aber distanziert und unfähig sein, auf des- … und positive Auswirkungen sen Bedürfnisse einzugehen (Ante-Contreras, 2016). Ein Die Ergebnisse zeigen jedoch auch positive Auswirkun- Beispiel kann die Situation nach der Geburt darstellen, gen der Smartphonenutzung auf die Mutter-Kind-Bezie- in der das Neugeborene nackt auf der Brust der Mutter hung. Die Studie von Leung und Lee (2004) hält fest, dass liegt. Ist die Mutter durch das Smartphone abgelenkt die virtuelle Verknüpfung mit anderen Personen die Le- und nimmt sie die Signale des Neugeborenen nicht bensqualität der Menschen erhöht. Zu einem weiteren wahr, kann sie diese weder interpretieren noch ange- positiven Aspekt der Internetnutzung kamen McDaniel messen und prompt darauf antworten. Deshalb sind die et al. (2011) in ihrer Studie. Das Kommunizieren von Müt- vier Komponenten von Ainsworth (1974) voneinander tern auf Plattformen stellt eine Unterstützung dar, da sie abhängig. sich über ihre neuen Aufgaben und Herausforderungen Das Neugeborene braucht eine Bezugsperson, die es ver- steht und die zu einem angebotenen Dialog bereit ist (Bowlby, 2014). Findet dieser Austausch nicht statt, wird es sich in sich zurückziehen (Levine und Kline, 2013). Ge- mäss Künster und Ziegenhain (2014) trägt jeder Erwach- 12 2017 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 9
Dossier sene das «intuitive Elternverhalten» in sich. Es ist nicht Die Ergebnisse zeigen, dass die mütterliche Smartphone- erlernbar und lässt einen instinktiv das Richtige tun. Die nutzung einen negativen Einfluss auf die Mutter-Kind- Ausprägung des «intuitiven Elternverhaltens» und die da- Beziehung und die Feinfühligkeit hat sowie zu einer Reiz- mit verbundene Feinfühligkeit sind unterschiedlich. Denn überflutung für das Neugeborenen führen kann. der Mangel an eigenen positiven Beziehungserfahrungen oder ungünstigen Lebenssituationen können «intuitives Empfehlungen für die Hebamme Elternverhalten» stören und den feinfühligen Umgang Mutter-Kind-Beziehung mit dem Neugeborenen beeinträchtigen. Die Hebamme sollte Um diese Ausprägung zu erheben und zu interpretieren, – der Mutter die Wichtigkeit der Mutter-Kind-Beziehung wurde das Messinstrument Skala elterliche Feinfühligkeit nahebringen und ihr aufzeigen, dass durch übermäs (SeF) entwickelt (Künster und Ziegenhain, 2014). Damit sige Smartphonenutzung wichtige Zeit mit ihrem Neu- wird das Verhalten der Hauptbezugsperson in der Inter- geborenen verloren geht. Die Hebamme kann den täg- aktion mit dem Neugeborenen beschrieben. Der Aus- lichen Smartphonekonsum der Mutter erfragen und tausch wird anhand von vier verschiedenen Dimensio- sie auf Apps hinweisen. nen auf einer siebenstufigen Skala von «sehr feinfühlig» – der Mutter die «Zeitorte» nach Hübner (2004) erklären bis «überhaupt nicht feinfühlig» dargestellt (Künster und ihr mögliche Beispiele wie das Stillen, Wickeln, Ba- und Ziegenhain, 2014). Zur Einschätzung der elterlichen den oder Massieren des Neugeborenen nennen. Verhaltensweisen wird nicht ein einmaliges, sondern ein – den positiven Aspekt der Internetnutzung auf das längerer Zeitraum und ein sich wiederholendes Verhal- Wohlbefinden der Mutter nicht vorenthalten, sie je- ten beobachtet. Die SeF ist ein erster guter Ansatz, um doch auf «Wiegestuben» aufmerksam machen. Denn einen Beitrag zur Gesundheitsförderung von Kindern der Austausch im Internet stellt keinen Ersatz für ein sowie präventiven Kinderschutz zu leisten (Künster und physisches Gespräch dar. Ziegenhain, 2014). Hebammen können beim Verdacht eines nicht einfühlsamen Verhaltens der Mutter die SeF Feinfühligkeit als Ressource nutzen. Die Hebamme sollte – die Mutter über die wichtigen Komponenten der Fein- Reizüberflutung fühligkeit aufklären. Dabei ist es wichtig, der Mutter Wenn bereits Erwachsene anfällig auf technologisierte aufzuzeigen, dass sie durch die Smartphoneablenkung Reize sind, dann sind Neugeborene umso mehr einer die Signale ihres Neugeborenen weder interpretieren Reizüberflutung ausgesetzt, denn ihre Sinnesorgane noch angemessen und prompt darauf antworten kann sind nach der Geburt offen und sie können die Umge- (Ainsworth, 1974). bungsgeräusche noch nicht einordnen (Verein Spielraum- – die Mutter sensibilisieren, mit ihrem Neugeborenen zu Lebensraum Grabs, 2008). Deshalb sind sie bei einer Reiz- sprechen und ihm ihr Handeln mit passenden Worten überflutung auf das Umfeld angewiesen. Die Mutter zu erklären. Die Hebamme selbst kann dabei ein Vor- kann durch ihre sanfte Stimme das Neugeborene in einer bild sein, indem sie bei den Untersuchungen mit dem Stressreaktion beruhigen, damit es sich nicht durch eine Neugeborenen spricht und ein feinfühliges Verhalten automatische Reaktion verschliesst. Ist sie durch das zeigt. Smartphone abgelenkt und erachtete sie anfällige Stör- – bei bestehendem Verdacht eines nicht einfühlsamen reize als unbedeutend oder nimmt sie diese selbst gar Verhaltens der Mutter die Ressource der SeF nutzen. nicht wahr, ist anzunehmen, dass die Mutter die Reiz- überflutung des Neugeborenen auch nicht realisieren Reizüberflutung kann (Levine und Kline, 2013). Dies kann fatale Folgen Die Hebamme sollte haben, denn das Kind wird in eine lebhafte Gemein- – der Mutter ihr Wissen über die kindliche Reizüberflu- schaft hineingeboren, die von Stress und Hektik geprägt tung weitergeben. ist. Früher oder später wird ein Neugeborenes ihr ausge- – der Mutter erklären, dass sie ein Vorbild für ihr Neuge- setzt sein. borenes ist. Somit soll die Mutter versuchen, nicht alle Es ist deshalb umso wichtiger, ein Vorbild zu sein, indem Tätigkeiten gleichzeitig zu tun. versucht wird, nicht alles gleichzeitig zu tun, sich Zeit ohne äussere Ablenkung einzuplanen, sich Ruhe zu gön- Relevanz für die Hebammenarbeit nen, um dann dem Neugeborenen ungeteilte Aufmerk- In naher Zukunft ist zu erwarten, dass beinahe jede Mut- samkeit zu schenken (Verein Spielraum-Lebensraum ter ein Smartphone besitzen wird. Die Aufklärung durch Grabs, 2008). Gemäss Hübner (2006) können sich Neu- die Hebamme ist somit von grosser Bedeutung und geborene erst ab einem gewissen Alter von Medien sollte bereits in der Schwangerschaft ein Thema sein. einwirkungen schützen und bewusst gesunde Gegen Eine kontinuierliche Betreuung durch die Hebamme gewichte aufbauen. stellt dabei einen Vorteil dar. Die Autorinnen haben die Erkenntnisse der Empfehlungen an die Hebamme für die Mutter in Form eines Flyers umformuliert. Dieser unter- stützt die Beratung der Fachpersonen, die mit der Mutter während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu tun haben. Zusätzlich kann er in Praxen und Spitälern aufgelegt werden, um Mütter unabhängig von einem Beratungsgespräch zu informieren. 10 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 12 2017
Bevor die Hebamme die genannten Empfehlungen aus- der Mutter fundierte Argumente gegeben werden, wes- spricht, ist es hilfreich, Hintergrundinformationen der halb sie gut über ihren Smartphonekonsum nachdenken Mutter zu erhalten mittels Fragen über ihren Smart soll. Langzeitstudien würden eine solidere Basis für die phonegebrauch, ihr Wissen, den Einfluss der Smartpho- Beratung von Müttern bieten und einen wichtigen Bei- nenutzung auf ein Neugeborenes sowie über die Res- trag zur Aufklärungsarbeit von Hebammen leisten. Ein sourcen aus ihrem sozialen Umfeld. Die Informationen Forschungsauftrag ist somit gegeben, nicht nur im Inte- helfen der Hebamme, die Empfehlungen individuell an resse der Neugeborenen, sondern der ganzen Gesell- die Mutter anzupassen. Diese sind keine Richtlinien für schaft. den richtigen Umgang mit dem Smartphone, sondern sollen die Mutter auf das Thema aufmerksam machen Dieser Artikel beruht auf der Bachelorthesis «Smartphone – und ihr Bewusstsein für die Smartphonenutzung schär- der ständige Begleiter, Einfluss auf die Mutter-Kind-Beziehung» fen. von 2017 der Autorinnen, die sie im Rahmen ihres Studiums an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften geschrieben haben. Ausblick: qualitative Langzeitstudien nötig Die Autorinnen sehen es als dringend notwendig, der Frage nachzugehen, welchen Einfluss die mütterliche Nutzung eines Smartphones auf die Mutter-Kind-Be ziehung hat. Obwohl dieses Thema in der Gesellschaft, in den Medien sowie in Büchern kritisch diskutiert wird, wurden bisher keine Studien durchgeführt. Aus diesem Grund wäre es sinnvoll, qualitative Langzeitstudien zu lancieren, damit der Einfluss über einen längeren Zeit- raum untersucht werden kann. Ausserdem soll die Aus- wirkung der Smartphonestrahlung auf das Neugeborene miteinbezogen werden, die aufgrund der begrenzten Res- sourcen der Bachelorarbeit nicht berücksichtigt werden konnte. Mit dem Einschliessen dieses Aspektes könnten Literatur Ahnert, L. (2010) Wieviel Mutter braucht ein Kind; Bindung – Leung, L. und Lee, P. S. N. (2004) Multiple determinants of life Bildung – Betreuung: öffentlich und privat. Heidelberg: Spektrum quality: the roles of Internet activities, use of new media, social Akademischer Verlag Heidelberg. support, and leisure activities, 13. April, 161–180. Hong Kong: Ainsworth, M. D. (1974) Feinfühligkeit versus Unfeinfühligkeit Telematics and Informatics. gegenüber Mitteilungen des Babys. In: Grossmann, K. E. und Levine, P. A. und Kline, M. (2013) Verwundete Kinderseelen Grossmann, K. (Hrsg.), Bindung und menschliche Entwicklung – heilen – Wie Kinder und Jugendliche traumatische Erlebnisse John Bowbly, Mary Ainsworth und die Grundlagen der Bindungs- überwinden können. 7. Auflage. München: Kösel-Verlag. theorie, 414–417. Stuttgart: Klett-Cotta. Stempel, P. (2012) Vernachlässigen Smartphonenutzer ihre Ante-Contreras, D. (2016) California State University, San Ber Kinder? RP Online, 5. Oktober, 1–6. nardino. Distracted Parenting: How Social Media Affects Parent- McDaniel, B. T. et al. (2011) New Mothers and Media Use: Asso Child Attachment, 1–61. San Bernardino: Office of Graduate ciations Between Blogging, Social Networking, and Maternal Studies, Juni. Well-Being. 18. November, 1509–1517. USA: Springer Science and Bowlby, J. (2014) Bindung als sichere Basis, Grundlagen und Business Media. Anwendungen der Bindungstheorie. 3. Auflage. München: Tuma, T. (2012) iPhone, also bin ich. «Der Spiegel», 2. Juli. Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG. Verein Spielraum-Lebensraum (2008) Neugeborene unter dem Comparis-AG. (2016) Drei von vier Schweizern sind smart unter- Einfluss von TV und Handy – Die Wirkung auf Babys und auf wegs. Medienmitteilung. www.comparis.ch › Über comparis.ch › die Mutter-Kind-Beziehung. Grabs: Verein Spielraum-Lebens- Medien › 22. Februar 2016 raum Grabs. Freuler, R. (2016) Eltern auf social Media – Das bleibt nicht in Wojtek, B. (2017) Aktuelle Einwohnerzahl Schweiz 2017. der Familie. «Neue Zürcher Zeitung», 20. November, 1–5. www.conviva-plus.ch › Einwohnerzahl. Hübner, E. (2006) Medien und Gesundheit – Was Kinder brauchen Y&R Group Switzerland (2016) Media Use Index 2016. und wovor man sie schützen muss. Berlin: Mayer, Johannes Verlag. www.media-use-index.ch › Publikationen › Kategorien › MUI › Hübner, E. (2004) Mobilfunk – die riskante Kommunikation. Media Use Index 2016. 3. erweiterte Auflage, 164–165). Druckhaus Müller GmbH. Künster, A. K. und Ziegenhain, U. (2014) Elterliche Feinfühlig- keit und kindliche Entwicklung – die Skala elterlicher Feinfühlig- keit als Praxistool zur Beratung junger Eltern. «Die Hebamme», März, 21–27. Klaus, M. und Klaus, P. (2003) Das Wunder der ersten Lebens wochen. 2. Ausgabe. München: Wilhelm Goldmann. 12 2017 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 11
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