Egenb milien - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch

Die Seite wird erstellt Friedemann Benz
 
WEITER LESEN
Egenb milien - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Hebamme.ch
  Sage-femme.ch
  Levatrice.ch
  Spendrera.ch
  5 2014

Regenbogenfamilien
 egenb      milien
Homoparentalité
Egenb milien - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Publireportage

Pflege im Windelbereich
Cremes & Pasten waren gestern! Spray ist heute!

Eltern kennen die Problematik: Wunder Baby Po, unruhige Nächte, jedes Wickeln wird zur Tortur.
Der wunde Po schmerzt, besonders dann wenn man die Rückstände der aufgetragenen Cremes oder
Pasten entfernen muss. Die ohnehin gereizte Haut wird erneut durch die Reibung der Rückstands­-
entfernung geschädigt. Das muss nicht sein!

                                                          Wundschutz: Panthenol beruhigt gereizte Haut
                                                          und fördert das Abklingen von Rötungen
                                                          Nässeschutz: Zinkoxyd hält Nässe von der Babyhaut
                                                          fern
                                                          Hautschutz: Bienenwachs hinterlässt eine lang
                                                          anhaltende Schutzbarriere auf der Haut

                                                          Die Spray-Applikation ermöglicht eine einfache und
                                                          hygienische Anwendung. Keine offenen Cremedosen
                                                          mehr, keine Cremerückstände an Ihren Händen. Be-
                                                          sonders für unterwegs eine tolle Lösung für die Wickel-
                                                          tasche. Besonders wichtig: das Spray ist einhändig an-
                                                          wendbar. Somit haben Sie immer eine Hand frei um
                                                          Ihr Baby auf dem Wickeltisch festzuhalten.

                                                          Die spezielle Zusammensetzung weisst ein sehr gutes
                                                          Einziehverhalten auf. Anders wie bei Cremes oder
                                                          Pasten, bleiben keine Rückstände an Babys Po zurück,
                                                          welche beim nächsten Windelwechsel mühsam ent-
                                                          fernt werden müssen. Reibung im Wundbereich wird
                                                          vermieden und somit eine schnelle Regeneration un-
Das mit Kinderärzten speziell für Babys entwickelte       terstützt.
antidry® baby Wundschutz-Windelspray schützt, pflegt
und beruhigt gerötete und gereizte Babyhaut schnell
und lang anhaltend. Zudem beugt es dem Wundsein
im Windelbereich vor. Durch seine inno­vative Spray-
Applikation ist es DER neue Standard in der Babypflege!
Das antidry® baby Wundschutz-Windelspray ist para-
benfrei und wurde klinisch getestet. Der pH-Wert
wurde speziell an die Bedürfnisse von Säuglings- und
Kleinkinderhaut angepasst (pH-Wert: 7.3).

Durch die Kombination aus Zinkoxid, Panthenol und
Bienenwachs entsteht ein einzigartiger 3-Phasen-
Schutz welcher sowohl in der Vorbeugung als auch
Akut-Anwendung überzeugt:

    Weitere Informationen & Muster
    Kontaktieren Sie uns:
    marketingconsumer@merz.ch

         Merz Pharma (Schweiz) AG, 4123 Allschwil
Egenb milien - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Inhalt • Sommaire

Ausgabe 5                                                                                    Edition 5
Regenbogenfamilien                                                                           Homoparentalité

Aktuell                                                                       2             Actualité                                                                           28

Editorial Wolfgang Wettstein, Bern                                           5              Editorial Wolfgang Wettstein, Berne                                                 31

Dossier                                                                      4              Dossier                                                                             30
Regenbogenfamilien Maria von Känel, Zürich                                                  Familles Arc-en-Ciel Maria von Känel, Zurich
Wie mit Regenbogenfamilien umgehen?                                           7             A la recherche d’une sage-femme rassurante                                          33
Patricia Purtschert, Zürich                                                                  Josianne Bodart Senn, Gland
                                                                                             Note sur le devenir d’enfants nés par IAD avec                                      35
Fokus                                                                       10              un père d’origine transsexuelle Colette Chiland, Paris (F)
Über die Brüchigkeit der gesellschaftlichen
                                                                                             Pour une éducation à la diversité                                                   36
Toleranz – ein Kommentar Martin Dannecker, Berlin (D)
                                                                                             Entretien avec Vassilis Saroglou, Louvain-la-Neuve (B)

Mosaik                                                                     12
                                                                                             Focus                                                                               37
Respektvolle Geburtshilfe: die universellen 
                                                                                             Arcade sages-femmes à Genève:
Rechte von schwangeren und gebärenden Frauen
                                                                                             20 bougies et 60 000 bébés Viviane Luisier, Genève
The White Ribbon Alliance for Safe Motherhood, Washington, DC, (USA)
                                                                                             Infos sur la recherche                                                              39
Neues aus Wissenschaft und Forschung                                        16
Konsensus Geburtshilfliche Betreuung:                                                        Fédération                                                                          20
Sichere Prävention der primären Kaiserschnitt-
entbindung. Die Empfehlungen der ACOG.                                                       Sections                                                                            23
Inge Loos, Bern
                                                                                             En librairie                                                                        40
Fort- und Weiterbildung SHV                                                18

Verband                                                                    20

Sektionen                                                                   23

Thema der Ausgabe 6/2014                                                                     Thème de l’édition 6/2014
Zusammenarbeit in der Geburtshilfe                                                           Coopération en obstétrique
Erscheint Anfang Juni 2014                                                                   Parution début juin 2014

                                           112. Jahrgang |  112e année

                                           Geschäftsstelle | Secrétariat Rosenweg 25 C, Postfach, CH-3000 Bern 23, T +41 (0)31 332 63 40, F +41 (0)31 332 76 19
                                           info@hebamme.ch, www.hebamme.ch, www.sage-femme.ch Öffnungszeiten von Montag bis Freitag | Heures d’ouverture du lundi au
                                           vendredi 8:15–12:00 / 13:30–17:15 Offizielle Zeitschrift des Schweizerischen Hebammenverbandes | Journal officiel de la Fédération suisse
                                           des sages-femmes | Giornale ufficiale della Federazione svizzera delle levatrici | Revista uffiziala da la Federaziun svizra da las spendreras
                                           Erscheinungsweise 10 Mal im Jahr, Doppelausgaben im Januar / Februar und Juli /August | Parution 10 éditions par année, numéros doubles
                                           en janvier / février et en juillet /août

                                           Foto Titelseite Der SHV dankt Patricia Purtschert und Anelis Kaiser mit ihren Kindern Hannah Cecilia und Inti
                                           Photo couverture La FSSF remercie Patricia Purtschert et Anelis Kaiser avec leurs enfants Hannah Cecilia et Inti
Egenb milien - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Aktuell

                                                  Als Teil der Zusammenarbeit werden sich        des Mannes blieb der häufigste Grund
    Ja zur medizinischen                          die beiden Organisationen – entspre-           für die Behandlung. Soweit einige neue
                                                  chend den Perspektiven der euro­päischen       Ergebnisse der Statistik der medizinisch
    Grundversorgung                               Gesundheitspolitik Health 2020 – in die        unterstützten Fortpflanzung 2012 des
                                                  Debatten um die Gesundheitsförderung           Bundesamtes für Statistik (BFS).
    Abstimmung vom 18. Mai 2014: Der SHV          und die Qualität der Gesundheitsversor-        Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS)
    unterstützt den Bundes­beschluss über         gung einbringen. Die Partnerschaft will        Mehr Infos: www.bfs.admin.ch › Themen ›
    die medizinische Grundversorgung.             die kontinuierliche Weiterentwicklung          Gesundheit
                                                  des Pflege- und des Hebammenberufs in
    Der Verfassungsartikel deckt alle Gesund­     allen Ländern und auf allen Ebenen för-
    heitsberufe in der Grundversorgung ab         dern, also in Sachen Ausbildung, Berufs-
    und ebnet so den Weg für zukunfts-            ausübung, Management und Forschung             Nachgeburtliche
    trächtige Versorgungsmodelle – dies ist       sowie bei der Festlegung politischer
    im Interesse aller Gesundheitsberufe.         Prioritäten. Das EFNNMA wird dafür ihr         Betreuung: Qualität
    Während der ursprüngliche Text der Ini-       Netzwerk der nationalen Pflege- und
    tiative «Ja zur Hausarztmedizin» nur auf      Hebammenverbänden mobilisieren.                und Lücken
    die Hausarztmedizin zielte, ist der Ver-      www.sbk.ch › Verband
    fassungsartikel breiter ausgerichtet. Die     www.euro.who.int/de › Gesundheitsthemen ›
    offene Formulierung schafft Raum für          Gesundheit 2020
    neue Formen der Zusammenarbeit zwi-
    schen Ärzten, Pflegenden, medizinischen
    Praxisassistentinnen, Apothekern, Heb-
    ammen, Ergo- und PhysiotherapeutIn-           Umsetzung von
    nen, der Spitex und anderen Gesund-
    heitsberufen. So sind Bund und Kantone        «Gesundheit2020»
    verpflichtet, die medizinische Grundver-
    sorgung als Ganzes zu fördern. Dies dient     auf Kurs
    der gesamten Bevölkerung.
    Mehr Infos: www.hausarzt-ja.ch › Komitees ›   Die Strategie «Gesundheit2020» ist auf
    Unterstuetzende Organisationen                Kurs. Im letzten Jahr wurden acht von
                                                  zehn Prioritäten erfüllt. Für das laufende
                                                  Jahr hat das Eidgenössische Departement        Ein Studie zur nachgeburtlichen Betreu-
                                                  des Innern (EDI) zwölf neue Prioritäten        ung im Rahmen der COST-Aktion IS907:
    WHO verstärkt                                 definiert. Mit der Anfang 2013 verab-          «Childbirth: cultures, concerns and
                                                  schiedeten Strategie «Gesundheit2020»          consequences», März 2014, Hochschule
    Zusammenarbeit mit                            will der Bundesrat die Lebensqualität          Luzern, Soziale Arbeit.
                                                  sichern, die Chancengleichheit stärken,
    Pflege- und Hebam-                            die Versorgungsqualität erhöhen und die        Die Wichtigkeit der Unterstützung der
                                                  Transparenz verbessern. Zentrale Pfeiler       Mütter und Väter in der postnatalen
    menverbänden                                  bei der Umsetzung der Strategie sind die       Periode ist in der wissenschaftlichen Li-
                                                  Partizipation aller Akteure und transpa-       teratur anerkannt. In der Schweiz gibt es
    Das Regionalbüro für Europa der Welt­         rentes Vorgehen. Das EDI informiert            verschiedene Studien dazu, jedoch sind
    gesundheitsorganisation WHO und das           jährlich über den Stand der Umsetzung.         dies meist kleinere qualitative Studien
    Europäische Forum der nationalen Pflege-      Mehr Infos: www.bag.admin.ch › Gesunheit2020   mit regionalen Stichproben. Und die we-
    und Hebammen-Verbände (EFNNMA) ha-                                                           nigen vorhandenen quantitativen Stu-
    ben eine Vereinbarung unterzeichnet, um                                                      dien basieren häufig auf Sekundärdaten-
    die Pflege und das Hebammenwesen zu                                                          analysen oder fokussieren die Sicht der
    stärken. Das EFNNMA wird auch Beiträge        Medizinisch unter-                             Fachpersonen und nicht jene der Mütter.
    leisten zu einem Leitfaden der WHO über
    gute Pflege- und Hebammenpraxis, der          stützte Fortpflanzung                          Die vorliegende Studie füllt eine Lücke,
    derzeit vom WHO-Europa-Büro ausgear-                                                         indem sie die subjektive Sicht der Müt-
    beitet wird.                                  2012                                           ter in Bezug auf die Qualität und Lücken
    Die Regionaldirektorin von WHO Europa,                                                       der nachgeburtlichen Betreuung in der
    Zsuzsanna Jakab und Valentina Sarki-          Im Jahr 2012 haben sich in der Schweiz         Deutschschweiz mit einer quantitativen
    sova, Vorsitzende des EFNNMA-Steue-           6321 Paare einer medizinisch unterstütz-       Methodik erfragt. Sie leistet zudem ei-
    rungskomitees, unterzeichneten am 11.         ten Fortpflanzung unterzogen (2011:            nen Beitrag dazu, die gesundheitliche
    Februar das Memorandum, in dem die            6343 Paare) und 10 821 Behandlungs­            Versorgung von Müttern und Kindern
    Grundsätze der Zusammen­arbeit fest-          zyklen wurden begonnen, leicht mehr als        nach der Geburt an den Bedürfnissen
    gelegt werden. Der Leitfaden und ein          im Vorjahr. Bei mehr als einem Drittel der     dieser Frauen selbst zu messen und
    strategisches Grundsatzpapier werden          Behandlungen kam es zu Schwanger-              Massnahmen zu prüfen, die es erlauben,
    den Mitgliedstaaten von WHO Europa            schaften, die zu rund 2000 Geburten            die Gesundheitsversorgung an diesen
    im September 2014 vorgestellt.                führten. Bei nahezu jeder fünften Ent­         auszurichten.
                                                  bindung handelte es sich um eine               www.f-netz.ch › Aktuelles › Forschung
                                                  Mehrlingsgeburt. Die Unfruchtbarkeit

2   Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5  2014
Egenb milien - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Es ist deshalb sinnvoll, «gut betreute sel-
Statistisches Jahrbuch der Schweiz 2014                                                    tene Krankheiten» von «vernachlässig-
                                                                                           ten» zu unterscheiden. Die Empfehlun-
Die Ausgabe 2014 des «Statistischen Jahrbuchs der Schweiz» sowie                           gen halten sechs Kriterien fest, die eine
der «Taschenstatistik» sind seit Anfang März erhältlich.                                   solche Unterscheidung ermöglichen.
                                                                                           Gleichzeitig skizzieren die Empfehlun-
                                              Das traditionsreiche Statistische Jahr-      gen, welche Voraussetzungen Referenz-
                                              buch der Schweiz erscheint bereits im        zentren für die Abklärung und Behand-
                                              121. Jahrgang. Die Präsentation des          lung seltener Krankheiten zu erfüllen
                                              statistischen Materials in ausführlichen     hätten. Die SAMW tritt damit Befürch-
                                              Text-Kapiteln mit vielen Visualisierun-      tungen bezüglich einer unkontrollierten
                                              gen (durchgehend deutsch / französisch)      Ausweitung teurer medizinischer Mass-
                                              ermöglicht das Verständnis der grösse-       nahmen entgegen und möchte so dem
                                              ren Zusammenhänge. Im grossen Tabel-         «Nationalen Konzept Seltene Krankhei-
                                              len-Teil lässt sich die einzelne Zahl oder   ten» zu einer breiten Akzeptanz verhel-
                                              die bestimmte Zeitreihe nachschlagen.        fen.
                                              Ein Methodik-Teil gibt schliesslich Aus-     Mehr Infos: www.samw.ch › Publikationen ›
                                              kunft über die zugrundeliegenden Erhe-       Empfehlungen
Die beiden Publikationen des Bundesam-        bungen und definiert Fachbegriffe.
tes für Statistik (BFS) geben in kompakter    Das Statistische Jahrbuch ermöglicht so-
Form einen Überblick über sämtliche           mit in kompakter Form Quer- und Längs-
Themen des wirtschaftlichen und gesell-       schnitte über den Zustand der Schweiz        Schweizerische
schaftlichen Lebens in der Schweiz. Das       zu einem bestimmten Zeitpunkt und bil-
Jahrbuch ist der grosse, abgerundete          det durch den physischen «Datenträger»       Gesundheitsbefragung
Aufriss aus Texten, Diagrammen und            Buch die Garantie für die Dauerhaftig-
Tabellen, die Taschenstatistik das Kon-       keit der Information.                        2012
zentrat der wichtigsten statistischen         Mehr Infos: www.bfs.admin.ch › Aktuell ›
Informationen.                                Medienmitteilungen                           Mitte März sind die Resultate der Ge-
                                                                                           sundheitsbefragung 2012 veröffentlicht
                                                                                           worden.

                                                                                           Die Schweizerische Gesundheitsbefra-
Bernerinnen                                   SAMW veröffentlicht                          gung 2012 liefert Informationen über
                                                                                           den Gesundheitszustand der Bevölke-
gewinnen Bübchen-                             Empfehlungen                                 rung und dessen Bestimmungsfaktoren,
                                                                                           über Krankheitsfolgen, über die Inan-
Wissenschaftspreis                            «Seltene Krankheiten»                        spruchnahme des Gesundheitswesens
                                                                                           und über die Versicherungsverhältnisse.
2013 hat die deutsche Firma Bübchen           Heute sind weltweit rund 6000 bis 8000       Die periodische Wiederholung ermög-
zum 1. Mal den Bübchen-Wissenschafts-         seltene Krankheiten bekannt. Die Medi-       licht die Beobachtung von zeitlichen
preis für Hebammen gestiftet. Vom Auf-        zin hat oft Mühe, eine solche Krankheit      Veränderungen in diesen Themenberei-
ruf bis zum Einsendeschluss wurden            rechtzeitig zu erkennen und adäquat zu       chen und erlaubt, gesundheitspolitische
über 30 Arbeiten zu unterschiedlichsten       behandeln. In der Schweiz sind diverse       Massnahmen auf ihre Auswirkungen
Themen und mit verschiedensten Er-            Organisationen entstanden, die sich für      hin zu überprüfen.
kenntnissen eingereicht. Seit März 2014       die Belange von Menschen mit seltenen        Sie wird seit 1992 alle fünf Jahre durch
stehen nun auch die Gewinnerinnen             Krankheiten einsetzen, auch auf poli­        das Bundesamt für Statistik (BFS) durch-
fest.                                         tischer Ebene. Vor diesem Hintergrund        geführt. 2012 hat die fünfte Befragung,
Der 1. Preis ging an Jacqueline Wagner        hat der Bundesrat das Bundesamt für          die Teil des Erhebungsprogramms der
und Karin Stucky von der Berner Fach-         Gesundheit (BAG) beauftragt, in Zusam-       schweizerischen Volkszählung ist, statt-
hochschule (BFH). Ihre Arbeit, die sich mit   menarbeit mit den betroffenen Orga­          gefunden. Insgesamt beteiligten sich
«Traum(a)geburt – Risikofaktoren und          nisationen und Fachpersonen sowie mit        21 597 in einem Privathaushalt der
Screening-Möglichkeiten für posttrau-         den Kantonen ein «Nationales Konzept         Schweiz wohnhafte Personen ab 15 Jah-
matische Belastungsstörungen in der           Seltene Krankheiten» zu erarbeiten.          ren. Es handelt sich dabei um ein telefo-
postpartalen Phase» beschäftigt, über-        Im Hinblick darauf hat die SAMW nun          nisches Interview, gefolgt von einem
zeugte die Jury des Bübchen-Wissen-           Empfehlungen formuliert, wie der Gel-        schriftlichen Fragebogen.
schaftspreises auf der ganzen Linie.          tungsbereich eines solchen Konzepts          Mehr Infos: www.portal-stat.admin.ch/sgb2012/
Mehr Infos: Thieme.de › Themenwelten ›        definiert werden sollte. Angesichts der      files/de/00.xml
Hippokrates › Hebammenarbeit › Magazin        grossen Zahl von seltenen Krankheiten
                                              hat ein solches Konzept insbesondere
                                              dafür zu sorgen, dass diejenigen Patien-
                                              ten, die bisher besonders benachteiligt
                                              sind, vermehrt Unterstützung erhalten.

                                                                                                     5  2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch    3
Egenb milien - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Dossier

        Regenbogenfamilien
        Maria von Känel, Geschäftsführerin, Dachverband Regenbogenfamilien, Zürich

                       Anne und Julia Meier 1 sind seit fünfzehn Jahren ein          Der Wunsch, eine Familie zu gründen, ist sowohl für viele
                       Paar. Vor mehreren Jahren waren sie während zwei Jah-         gleichgeschlechtlich liebende Menschen als auch für
                       ren Pflegeeltern eines Mädchens. Das Zusammenleben            Paare mit einem Trans-Partner zentral, und sie gehen
                       mit einem Kind hat ihnen viel Freude bereitet und in          dafür unterschiedliche Wege. Für Frauenpaare wie Anne
                       der Folge ist in ihnen der Wunsch auf ein eigenes Kind        und Julia Meier sind ausländische Samenbanken eine Op-
                       gewachsen. Sie lesen Forschungsartikel und Studien            tion. Andere Frauenpaare suchen in ihrem Umfeld nach
                       zu Kindern, die bei gleichgeschlechtlichen Paaren auf­        einem geeigneten Mann für eine private Samenspende
                       gewachsen sind, und werden darin bestärkt, dass sich          oder bilden mit einem Mann eine Dreielternfamilie. Oder
                       ein Kind bei ihnen gut entwickeln kann. Sie überlegen         ein schwuler Single-Mann gründet mit einer lesbischen
                       sich, ein Kind zu adoptieren, schliesslich leben viele Kin-   Single-Frau eine Familie. Einige Paare nehmen Kinder zur
                       der in Heimen ohne Eltern. Aber leider geht das nicht,        Pflege auf, andere gründen mit einem gegengeschlecht-
                       denn vor sieben Jahren, gerade als das neue Partner-          lichen Paar eine Familie.
                       schaftsgesetz eingeführt wurde, haben sie ihre Partner-       Seit über 25 Jahren wird die Entwicklung von Kindern, die
                       schaft offiziell eintragen lassen. Vorher wäre es für         bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen, erforscht.
                       Anne oder Julia noch möglich gewesen, alleine ein Kind        Die europäischen und US-amerikanischen Studien sind
                       zu adoptieren; als eingetragene Partnerinnen ist ihnen        sich im Grundsatz einig: Kinder aus Regenbogenfamilien
                       das aber jetzt vom Gesetz untersagt. Nun machen sie           gedeihen genau so gut wie Kinder aus konventionellen
                       sich Gedanken über biologische Elternschaft. Anonyme          Familien. Neueste Studienergebnisse 2 kommen zusam­
                       oder bekannte Samenspende? Weil sie als Frauenpaar            mengefasst zu folgenden Erkenntnissen:
                       keinen Zugang zu einer schweizerischen Samenbank              – Die psychosexuelle Identitätsentwicklung von Kindern
                       haben, entscheiden sie sich für eine Samenbank im Aus-           aus Regenbogenfamilien verläuft analog zu Kindern
                       land, in Dänemark. Sie haben Glück und es klappt auf             mit heterosexuellen Eltern. Sie identifizieren sich mit
                       Anhieb: Anne wird bereits nach der ersten Insemination
                       in Dänemark schwanger und dann wird Lucy geboren.
                       Von nun an leben die drei als Familie – als Regenbogen-
                       familie.

                       Fachpersonen schätzen, dass in der Schweiz bis zu
                       30 000 Kinder in Regenbogenfamilien aufwachsen, also
                       in Familien, in denen sich mindestens ein Elternteil als
                       lesbisch, schwul, bisexuell, trans oder queer versteht.
                       Die Kinder können – wie im Beispiel von Anne und Julia
                       Meier – in eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft hin-
                       eingeboren, unter besonderen Umständen adoptiert (im
                       Ausland oder als Einzeladoption) oder als Pflegekinder
                       aufgenommen worden sein, oder sie können aus einer
                       vorangegangenen heterosexuellen Beziehungen stam-                     Maria von Känel ist Gründungsmitglied des Dach­
                       men. Einige Familien sind durch Leihmutterschaft im                   verbands Regenbogenfamilien (gegründet 2010) und
                       Ausland entstanden. Bei Familien, in denen Trans-Eltern               war bis 2013 als Vizepräsidentin tätig. Seit 2013 ist sie
                       beteiligt sind, kann deren Coming-out vor oder nach der               mit einem 50 %-Pensum dessen Geschäftsführerin.
                                                                                             Sie ist Mitgründerin von NELFA (Network of European
                       Familiengründung liegen. Somit können sie die biologi-
                                                                                             LGBT-Families Associations) und leitet die Schweizer
                       schen Eltern ihrer Kinder sein.
                                                                                             Partnerschaft im Grundvitg-Projekt «Being an LGBT
                                                                                             Parent as an Experience of Democracy and active
                                                                                             Citizenship». Sie hat 2011 die Nationale Tagung Regen-
                                                                                             bogenfamilien in Bern sowie 2013 die Fachtagung
                                                                                             «All Families Matter» in Zürich organisiert und ist Ini­
                                                                                             tiantin des International Family Equality Day (IFED),
    1
       Seit 2013 können gleichgeschlechtliche Paare                                         der jedes Jahr am ersten Sonntag im Mai weltweit
        einen gemeinsamen Namen tragen.                                                      ge­f eiert wird.
    2
       Präsentiert von den renommierten Forscherinnen
        Henny Bos und Charlotte Patterson anlässlich der                                     Maria von Känel lebt mit ihrer langjährigen Partnerin
        Fachtagung «All Families Matter», die im Juni 2013                                   und den gemeinsamen Kindern (5 und 7) im Zürcher
        an der Universität in Zürich stattfand.                                              Oberland.
        www.allfamiliesmatter.ch

4       Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5  2014
Egenb milien - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Editorial

   gewissen Aspekten ihrer Eltern und grenzen sich
   von anderen Aspekten ab. Zudem identifizieren sie
   sich mit ausserfamiliären Vorbildern, die sie selbst
   aussuchen.
– Homosexuelle Eltern unterscheiden sich von hetero-
   sexuellen Eltern dadurch, dass sie eine egalitärere
   Rollenaufteilung haben.                                    Wolfgang Wettstein
– Die psychische Gesundheit von Kindern hängt nicht          verantwortlicher Redaktor Hebamme.ch
   von der sexuellen Orientierung der Eltern ab.              Bern
– Die Abwesenheit von männlichen Rollenmodellen
   bei lesbischen Paaren verursacht keine negative Ent-
   wicklung bei Kindern.
                                                              Liebe Leserin, lieber Leser
Aus der Entwicklungspsychologie ist bekannt, dass für
das Wohlergehen des Kindes die Familienform keine             Seit Mitte der 1970er-Jahre hat in vielen europäischen
Rolle spielt. Entscheidend ist die Beziehungsqualität und     Ländern ein bedeutsamer gesellschaftlicher Wandel statt­
das Klima in der Familie, nicht das Geschlecht oder die       gefunden. Was in jener Zeit unmöglich schien und viele
sexuelle Orientierung der Eltern. Grundvoraussetzung
                                                              schwule Männer und lesbische Frauen nicht einmal zu
für die gesunde Entwicklung eines Kindes ist die Verfüg-
                                                              denken wagten, ist inzwischen in vielen Ländern Wirklich-
barkeit von (mindestens) einer konstanten Bezugsper-
son, die dem Kind emotionale Wärme und Halt gibt, ein         keit geworden: das Recht auf die eingetragene Partner-
tragfähiges soziales Umfeld schafft und es in seiner          schaft, das Recht auf Heirat und die fast schon selbst­
individuellen Entwicklung unterstützt.                        verständlich gewordene Präsenz von schwulen Männern
Den Kindern geht es also innerhalb des Familiensystems        und lesbischen Frauen in den Medien, in der Politik,
gut. Und wie sieht es ausserhalb der eigenen vier Wände       der Wirtschaft und anderen Bereichen des öffentlichen
aus? Regenbogenfamilien berichten mehrheitlich davon,         Lebens.
dass sie in ihrem sozialen Umfeld Anerkennung erfahren
und Unterstützung erhalten. Dennoch sehen sich viele          Was bei all diesen Veränderungen jedoch nicht vergessen
Familien – gerade mit Eintritt des Kindes ins Schulsys-       werden sollte, ist, dass sie das Resultat eines jahrzehnte­
tem – mit gesellschaftlichen Vorurteilen oder abwerten-       langen hartnäckigen politischen Kampfes sind. Ausgegan-
dem Verhalten gegenüber anderen Lebens- und Familien­         gen sind diese Veränderungen von der Schwulen-, Lesben-
formen konfrontiert. Kinder aus Regenbogenfamilien            und Frauenbewegung, die in den 1970er-Jahren begonnen
erleben, dass in Büchern, Diskussionen und Medien das
                                                              hat, gleiche Rechte für sich und die Akzeptanz ihrer Lebens-
Modell der Mutter / Vater / Kind-Familie vorherrscht, wäh-
                                                              formen einzufordern.
rend ihre eigene Lebensrealität kaum widergespiegelt
wird. Gleichzeitig werden sie von ihren Mitschülerinnen       Man sollte sich trotz der erreichten Errungenschaften je-
und Mitschülern häufig auf ihre Familienform angespro-        doch bewusst sein, dass sich Vorurteile gegenüber schwulen
chen. Insgesamt berichten Kinder aus Regenbogenfami-          Männern und lesbischen Frauen auch in einer sogenannt
lien aber nicht häufiger von Ausgrenzungen als andere
                                                              liberalen und toleranten Gesellschaft hartnäckig halten.
Kinder auch. Diese Tatsache wird dahingehend interpre-
tiert, dass ihre Eltern bewusst mit ihrer Familiensituation   So ist das Coming-out schwuler Männer und lesbischer
umgehen und die Kinder auf mögliche Herausforderun-           Frauen auch heute noch ein mit Irritationen, Verstörung
gen vorbereiten. Dennoch können sich Beleidigungen und        und Ablehnung verbundene Phase.
Ausgrenzungen aufgrund körperlicher Merkmale, der
                                                              Wie brüchig gesellschaftliche Toleranz ist und wie wenig
Herkunft, der religiösen Zugehörigkeit oder der Familien-
form sowie der Umstand, dass «schwule Sau» nach wie           es braucht, dass schwule Männer und lesbische Frauen
vor eines der gängigsten Schimpfwörter auf dem Pau-           Opfer von Gewalt, von gesellschaftlicher Ausgrenzung,
senplatz ist, auf das ganze Familiensystem belastend          blindem Hass und tätlicher Verfolgung werden – in
auswirken. Die Unsicherheiten in Bezug auf die rechtli-       Russland und auch in afrikanischen Ländern – sollte uns
che Absicherung können erschwerend hinzukommen.               alle aufhorchen lassen. Es geht dabei um das Recht des
                                                              Menschen, anders zu sein und zu lieben wen er möchte –
Seit dem 1. Januar 2007 können Frauen- und Männer-            es geht um Menschenrechte.
paare in der Schweiz ihre Partnerschaft eintragen lassen.
Der Gang aufs Zivilstandsamt bedeutet, dass ihre Bezie-
hung offiziell anerkannt und rechtlich in vielen Bereichen
der Ehe gleichgestellt wird. Dabei geht es um Rechte in
Bereichen wie Sozialversicherung, Erbschaft, Steuerrecht
oder Aufenthaltsrecht für ausländische Partnerinnen
und Partner.
                                                              Herzlich, Wolfgang Wettstein

                                                                                                 5  2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch   5
Egenb milien - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Dossier

                 Doch wenn es um Kinder geht, werden gleichgeschlecht-        aber nicht vor. Auch die Ungleichbehandlung in Bezug
                 liche Paare und deren Kinder anders behandelt. Gemäss        auf den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin besteht wei-
                 Artikel 28 des Partnerschaftsgesetzes sind Insemination      terhin, obschon die Nationale Ethikkommission (NEK) in
                 mit ärztlicher Unterstützung, Adoption und Stiefkindad-      ihrer kürzlich erfolgten Stellungnahme diese Einschrän-
                 option in der Schweiz gesetzlich verboten. Es besteht        kung als nicht mehr begründet erachtet und als Aus-
                 deshalb eine grosse Benachteiligung in Sachen Unter-         druck von Vorurteilen bewertet hat (NEK Stellungnahme
                 haltspflicht, Sorgerecht, Erbrecht oder dem Anspruch auf     22/2013, S. 38, 52 f.).
                 persönlichen Kontakt mit dem Kind nach einer Trennung        Der Dachverband Regenbogenfamilien sieht die vom
                 oder beim Tod des leiblichen Elternteils. Die sozialen       Bundesrat angestrebte Revision als ersten wichtigen
                 Eltern in Regenbogenfamilien haben keine Rechte – ge-        Schritt in die richtige Richtung. Weitere Schritte sollten
                 wisse Pflichten hingegen schon. Sollten sich nämlich         aber folgen. Dafür setzt sich der Verein im laufenden
                 Anne und Julia Meier eines Tages trennen, können sie         Vernehmlassungsprozess und in der Familienpolitik ein.
                 kein gemeinsames Sorgerecht beantragen; gleichzeitig
                 ist Julia aber verpflichtet, sich in angemessener Weise in
                 der Erfüllung der Unterhaltspflicht und in der Ausübung
                 der elterlichen Sorge zu beteiligen. Und im Fall, dass       Kontakt
                 Anne Meier frühzeitig verstirbt, kann Lucy nicht auto-       Dachverband Regenbogenfamilien
                 matisch bei Julia, ihrem zweiten Elternteil, verbleiben,     Postfach, 8000 Zürich
                 sondern es findet eine behördliche Prüfung statt. Die        info@regenbogenfamilien.ch
                 fehlenden rechtlichen Regelungen treffen vor allem die       N 079 611 06 71 (Maria von Känel)
                 Kinder. So hat Lucy Meier bei einer Trennung ihrer Eltern
                 kein institutionalisiertes Besuchsrecht und keinen An-
                 spruch auf Alimente und im Falle des Todes ihrer sozia-
                 len Mutter, Julia Meier, keinen gesetzlichen Anspruch        Referenzen
                 auf ein Erbe oder eine Halbwaisenrente.                      Bos HW, van Balen F, van den Boom DC (2007a)
                 Zumindest diese rechtlichen Lücken sollen nun geschlos-      Child adjustment and parenting in planned lesbian-parent
                 sen werden, wie Parlament und Bundesrat vorgeschlagen        families. American Journal of Orthopsychiatry, 77, 38–48.
                 haben. Die Stiefkindadoption soll in Zukunft nicht nur       Herrmann-Green LK & Herrmann-Green M (2008)
                 Ehepaaren, sondern auch Paaren in einer eingetragenen        Familien mit lesbischen Eltern in Deutschland. Zeitschrift für
                 Partnerschaft oder einer faktischen Lebensgemeinschaft       Sexualforschung, 21, S. 319–340.
                 offen stehen. Eine entsprechende Revision des Adopti-        Nationale Ethikkomission im Bereich der Human­m edizin
                 onsrechts ist derzeit in der Vernehmlassung. Sie vermin-     (2014) Stellungnahme Nr. 22/2013. Die medizinisch
                 dert die rechtliche Ungleichbehandlung von gleichge-         unterstützte Fortpflanzung. Ethische Über­legungen und
                 schlechtlichen Paaren wenigstens teilweise. Ein über die     Vorschläge für die Zukunft.
                 Stiefkindadoption hinausgehendes Adoptionsrecht für          Rupp M (Hrsg. 2009) Die Lebenssituation von Kindern
                 gleichgeschlechtliche Paare sieht der Bundesratsentwurf      in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Bundes­
                                                                              anzeiger Verlag, Köln.
                                                                              Tasker F & Patterson C J (2008) Research on gay and
                                                                              lesbian parenting: Retrospect and prospect. In: Tasker F &
                                                                              Bigner JJ (Eds.). Gay and Lesbian Parenting: New Directions.
      Der Dachverband Regen­bogenfamilien,                                    Haworth Press: New York, p. 9–34.
      der seit 2010 die Anliegen von Regenbogen-                              van Gelderen L, Bos H & Gartrell N, et al. (2012) Quality of
      familien vertritt, versteht sich als Ansprech-                          Life of Adolescents Raised from Birth by Lesbian Mothers.
      partner gegenüber Politik, Behörden und                                 Journal of Developmental & Behavioral Pediatrics. 33(1):1–7.
      Öffentlichkeit. Rechtliche Gleichstellung
      und soziale Anerkennung von Regenbogen-
      familien sind die Ziele des Vereins. Es wer-                            Literaturtipps
      den Informationsveranstaltungen und                                     Maxeiner A & Kuhl A (2010) Alles Familie! Vom Kind der
      Workshops rund um das Thema Regen­                                      neuen Freundin vom Bruder von Papas früherer Frau und
      bogenfamilien und Familiengründung orga-                                anderen Verwandten. Klett Kinderbuch­verlag, Leipzig.
      nisiert. Für Familien werden Beratungen und                             Thorn P & Hermann-Green L Die Geschichte unserer Familie.
      Treffen in allen Landesteilen der Schweiz                               Ein Buch für lesbische Familien mit Wunschkindern durch
      angeboten. Ausserdem besucht der Dach-                                  Samenspende. FamArt Verlag, Möhr­f elden.
      verband Regenbogenfamilien Schulen und                                  Bannwart B, Cottier M, Durrer C, Kühler A, Küng Z, Vogler A
      engagiert sich aktiv in der Familienpolitik.                            (Hrsg. 2013) Keine Zeit für Utopien? Perspek­t iven der Lebens-
      www.regenbogenfamilien.ch                                               formenpolitik im Recht. Dike Verlag AG, Zürich/St. Gallen.
                                                                              Caprez C (2012) Familienbande. Limmat Verlag, Zürich.
                                                                              Copur E (2008) Gleichgeschlechtliche Partnerschaft und
                                                                              das Kindeswohl. Stämpfli, Bern.

6   Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5  2014
Egenb milien - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Wie mit Regenbogenfamilien umgehen?
Wie für andere (werdende) Eltern so ist auch für queere Eltern die kompetente und
respekt­volle Begleitung während Schwangerschaft und Geburt von grösster Bedeutung.
Wie aber unterscheiden sie sich von jenen? Das Selbstverständnis und die Bedürfnisse von
queeren Eltern sind ganz unterschiedlich und allgemeingültige Aussagen sind darüber
weder möglich noch sinnvoll. Da die gesellschaftliche und rechtliche Situation von Regen­
bogenfamilien aber nach wie vor anders aussieht als diejenige von heterosexuellen Familien,
lassen sich für den Umgang mit Regenbogenfamilien einige hilfreiche «Faustregeln»
festhalten.

Patricia Purtschert, Zürich

Meine Partnerin und ich teilen uns, wie so viel andere           Queere Familien
Paare, gewisse Dinge nach unseren Vorlieben auf. Dazu            Regenbogenfamilien gibt es in unterschiedlichsten Kon-
gehört, dass sie lieber telefoniert als ich. Als wir vor einem   stellationen. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie nicht
Jahr auf der Suche nach einer Beleghebamme waren, hat            der herkömmlichen Vorstellung von Kernfamilie entspre-
das nicht selten zu Verwirrung geführt. Wenn sich meine          chen, die aus einer heterosexuellen Frau, einem hetero-
Partnerin telefonisch vorgestellt und die wichtigsten            sexuellen Mann und den gemeinsamen biologischen
Eckdaten kommuniziert hat, hörte ich sie sagen: «Nein,           Kindern besteht. Für queere Familien ist aber genau ihre
schwanger bin nicht ich, sondern meine Partnerin. Wir            jeweilige Konstellation real. Es ist deshalb zentral, dass
sind ein Paar und erwarten unser zweites Kind.» Je nach          ihre Familienform als selbstverständlich anerkannt wird.
Gegenüber folgte dann eine längere oder kürze Klärungs-          Dazu ein Beispiel: Lesbische Mütter werden oft nach dem
phase. Solche Erfahrungen häufen sich zurzeit im Berufs-         Vater ihrer Kinder gefragt. Auch wenn diese Frage meis-
alltag von Schweizer Hebammen. Regenbogenfamilien                tens nicht böse gemeint ist, kann sie mühsam und ver-
machen zwar immer noch einen vergleichsweise kleinen             letzend sein, weil sie suggeriert, dass eine Familie ohne
Teil der Bevölkerung aus, aber deutlich mehr lesbische,          Vater nicht vollständig sei. Auch einer Familie mit zwei
bisexuelle, queere und Trans-Frauen oder schwule, bise-          Vätern kann die ständige Frage nach der Mutter das Ge-
xuelle und Trans-Männer werden heutzutage Eltern. (Im            fühl geben, etwas Grundlegendes fehle dieser Familie.
Folgenden verwende ich, wenn ich von lesbischen,                 Dabei ist die Sache äusserst einfach: Regenbogenfami-
schwulen, bisexuellen, queeren oder Transgender-Eltern           lien vermitteln meist sehr schnell und klar, wie sie sich
spreche, den Begriff «queere Eltern», und wenn ich von           verstehen und wer zur Familie gehört. Hier muss man an-
ihren Familien spreche, die Begriffe «queere Familie»            setzen – und nicht bei den eigenen Familienbildern im
oder «Regenbogenfamilie».)                                       Kopf. Natürlich ist respektvolles Nachfragen bei Unklar-
                                                                 heiten möglich – aber mit der nötigen Sensibilität. Wenn
                                                                 eine Hebamme nach der genetischen Herkunft des Kin-
                                                                 des fragt, weil es einen medizinischen Grund dafür gibt,
                                                                 wird das ganz anders wahrgenommen, als wenn sie aus
                                                                 Neugier fragt, wie denn das Kind «gemacht worden» sei.
                                                                 Zum sensiblen Umgang mit queeren Familien gehört
                                                                 auch, auf ihren Sprachgebrauch zu hören. Wenn zwei les-
                                                                 bische Mütter vom «Samenspender» statt vom «Vater»
                                                                 sprechen, weil mit letzterem eine Rolle assoziiert wird,
                                                                 die es in ihrer Familie nicht gibt, ist es angebracht, diesen
                                                                 Begriff aufzunehmen. Auch den Begriff Co-Mutter, den
                                                                 manche für diejenige Mutter verwenden, die das Kind
                                                                 nicht ausgetragen hat, lehnen viele queere Eltern ab. Sie
                                                                 betonen, dass diese nicht weniger Mutter ist und deshalb
                                                                 auch so bezeichnet werden soll.
Patricia Purtschert ist Philosophin und Kultur­                  Wichtig ist auch, queere Eltern sichtbar zu machen und
wissenschaftlerin, u.a. mit dem Schwerpunkt Gender               ihnen das Gefühl zu geben, sie seien willkommen. Das
Studies. Sie arbeitet zurzeit an einem Forschungs­               bedeutet etwa, dass bei Geburtsvorbereitungskursen
projekt zur postkolonialen Schweiz an der ETH Zürich.            und Informationsveranstaltungen auch von der Partne-
                                                                 rin der Schwangeren und nicht nur vom Partner gespro-
                                                                 chen wird. Oder queere Eltern auf Websiten und Informa-
                                                                 tionsmaterialien von Geburtshäusern und Hebammen
                                                                 zu erwähnen. Allerdings reicht es nicht immer aus, die
                                                                 lesbische Mutter «dazuzuaddieren». Es kann beispiels-

                                                                                                         5  2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch   7
Egenb milien - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Dossier

                 weise sein, dass sich diese im Geburtsvorbereitungskurs      künftigen Vaters behandelt wird. Dieses Beispiel macht
                 manchmal lieber mit den schwangeren Frauen als mit           deutlich, wie wichtig es für die Hebamme zu wissen ist,
                 den Vätern austauscht. Queere Eltern ernst zu nehmen,        wer die Elternschaft übernehmen wird. Wer einfach auf
                 beinhaltet darum auch die Bereitschaft, die gewohnten        das bekannte «Mami-Papi-Kind»-Modell zurückgreift,
                 Abläufe anders zu gestalten.                                 wird dem angesprochenen Beispiel der Vierer-Konstella-
                                                                              tion nicht gerecht – einerseits, weil die eine Mutter und
                 Queere Elternschaften                                        der eine Vater ausgeschlossen werden, andererseits, weil
                 Die Situation jenes Elternteils, der keine genetische        die andere Mutter und der andere Vater wie ein hetero-
                 Beziehung zum Kind hat, ist in unserer Gesellschaft          sexuelles Paar behandelt werden, das sie nicht sind.
                 schwierig: oftmals muss er darum kämpfen, als Elternteil
                 gesehen zu werden. Für die Zusammenarbeit mit der            Queere Schwangerschaften
                 Hebamme ist es darum zentral, dass alle Eltern und zu-       Was Männer und Frauen ausmachen, das wird in unserer
                 künftigen Eltern als solche behandelt werden. Im Falle       Gesellschaft noch immer stark anhand heterosexueller
                 eines lesbischen Paares soll also die nicht-schwangere       Normen definiert: So heisst es, Frauen und Männer seien
                 Mutter selbstverständlich einbezogen werden. Bei Dreier-     verschieden und würden sich ergänzen. Frauen gelten
                 oder Viererkonstellationen ist wichtig, dass nicht eine      dann beispielsweise als emotional kompetent und für-
                 Unterscheidung zwischen denjenigen mit und denjeni-          sorglich, Männer hingegen als rational und durchset-
                 gen ohne genetischen Bezug zum Kind getroffen wird.          zungsfähig. Die feministische Bewegung thematisiert
                 Ein Beispiel dazu: Ein lesbisches Paar kriegt gemeinsam      schon seit Jahrzehnten, dass solche Aufteilungen höchst
                 mit einem schwulen Paar ein Kind. Die Väter werden das       problematisch und keineswegs von Natur aus gegeben
                 Kind eineinhalb Tage die Woche, die Mütter dreieinhalb       sind. Dennoch sind sie noch weit verbreitet. Was bedeu-
                 Tage die Woche betreuen. An den Wochenenden wech-            tet dies für queere Menschen?
                 seln sie sich ab. Alle vier verstehen sich als Eltern. Die   Erstens: Queere Beziehungen ticken oftmals anders als
                 nicht-schwangere Frau macht nun aber die Erfahrung,          heterosexuelle. Viele orientieren sich nicht am Modell
                 dass sie häufig nur als Partnerin der Mutter angesprochen    der Komplementarität, sondern eher an Vorstellungen
                 wird, während der schwule Freund, der der genetische         von Gleichheit. So zeigen Studien, dass Erwerbs- und
                 Vater ist, selbstverständlich als Vater gilt. Das verletzt   Haushaltsarbeit in homosexuellen Beziehungen egalitä-
                 sie, umso mehr als sie gemeinsam mit ihrer Partnerin die     rer aufgeteilt werden als in heterosexuellen. Für die Er-
                 Hauptarbeit leisten und das Kind grösstenteils betreuen.     eignisse um Schwangerschaft und Geburt bedeutet
                 Schwierig ist die Situation aber auch für denjenigen Vater   dies, dass die nicht-schwangere Frau die schwangere
                 ohne genetischen Bezug zum Kind, weil er von vielen          oftmals sehr nahe begleitet. Unter Umständen hat sie
                 nicht als Vater, sondern ebenfalls nur als Partner des zu-   auch bereits ein Kind geboren oder beschäftigt sich mit
                                                                              dem Gedanken, dies noch zu tun. Auch dadurch kann
                                                                              sich eine besondere Anteilnahme an den Vorgängen im
                                                                              Körper der Partnerin ergeben. Weiter ist die Sexualität

(
    Comment faire avec les familles arc-en-ciel ?                             von queeren Personen ein zentraler Punkt, der von der
    Par des exemples de configurations plus ou                                Norm abweicht. Für Fragen rund um Schwangerschaft,
    moins complexes, l’auteure montre pourquoi                                Geburt, Wochenbett, Verhütung und Sexualität ist es
    il faut sortir du schéma «Mère / père / enfant»                           deshalb hilfreich, wenn eine Hebamme ein Grundwissen
    pour suivre les familles «queer» sans les heurter                         über queere Sexualitäten hat oder zumindest die Bereit-
    ni les stigma­tiser.                                                      schaft mit sich bringt, über alternative Formen von Sexu-
    Evitons d’abord les questions qui font preuve                             alität zu sprechen. Auch bei Fragen rund um die Familien-
    d’une curiosité mal placée (y compris celles                              planung stellen sich für queere Eltern andere Fragen und
    portant sur la sexualité). Prenons en compte                              sie benötigen andere Informationen als heterosexuelle
    un certain nombre de réalités, entre autres:                              Paare. Ein lesbisches Paar möchte vielleicht erfahren, wie
    – Le partage des tâches est plus égalitaire au                           man selber eine Insemination vornimmt und auf welche
       sein des couples de même sexe.                                         Geschlechtskrankheiten der Samenspender getestet wer-
    – L a «deuxième» mère peut déjà avoir été mère                           den soll. Und ein Transmann möchte wissen, wann er mit
       elle-même ou désirer le devenir plus tard,                             der Verwendung von Testosteron, das er für die Schwan-
       si bien qu’elle se sent davantage proche du                            gerschaft abgesetzt hatte, wieder beginnen kann. Um
       corps de sa partenaire enceinte.                                       diesen Bedürfnissen gerecht werden zu können, ist es
    – Les lesbiennes ont tendance à s’écarter de                             wichtig, queere Familien in der Ausbildung und Weiter-
       l’image idyllique de la féminité supposée                              bildung von Hebammen zu thematisieren.
       «naturelle» de la femme enceinte: elles n’en                           Und schliesslich nehmen sich viele queere Frauen die
       sont pas pour autant moins mères.                                      Freiheit heraus, Aspekte von alternativen Weiblichkeiten
    – Les normes dominantes ne sont pas toujours                             oder von sogenannt «männlichen» Geschlechtsidentitä-
       appréciées par les couples hétérosexuels,                              ten für sich zu reklamieren. Manche schwangere Lesben
       car elles ne correspondent ni à leur quotidien                         haben deshalb (wie übrigens auch nicht wenige hetero-
       ni à leurs désirs. Cela est vrai aussi pour                            sexuelle Frauen) Schwierigkeiten, sich in den vorherr-
       les familles «queer».                                                  schenden Bildern von Schwangerschaft und Mutter-
                                                                              schaft wiederzuerkennen. Wurde mir beispielsweise
                                                                              gesagt, in der Schwangerschaft käme meine natürliche

8   Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5  2014
Weiblichkeit zum Ausdruck, hat mich das immer ratlos                     Die Arbeit mit Regenbogenfamilien macht es nötig, ver-
gemacht. Zu oft in meinem Leben wurde mir vermittelt,                    traute und als selbstverständlich geltende Vorstellungen
meine lesbische Lebensweise oder mein feministisches                     von Elternschaft und Familie infrage zu stellen. Das ist
Selbstverständnis seien «unnatürlich» – was soll ich nun                 nicht nur hilfreich im Umgang mit queeren Menschen.
damit anfangen, dass mein schwangerer Körper plötz-                      Es ermöglicht auch einen kritischen Blick auf dominante
lich wunderbar «natürlich» sein soll? Besonders schwie-                  Vorstellungen von Weiblichkeit, Männlichkeit, Eltern-
rig sind solche Norm-Bilder von Weiblichkeit für Trans-                  schaft und Familie. Nach wie vor sind sehr eingeschränkte
männer. Dazu wiederum ein Beispiel: Ein Transmann                        Vorstellungen davon vorherrschend, wie Familien aus­
sucht Wege, um seine Schwangerschaft mit seinem                          zusehen und wie Väter und Mütter sich zu verhalten
männlichen Selbstverständnis zusammenzubringen. Er                       haben. Dies, obwohl die Realität der meisten Familien
hüllt den wachsenden Bauch in weite Pullover oder be-                    anders aussieht. Die Erfahrungen von Single-Müttern
wegt sich so, als hätte er einen «Bierbauch». Eigentlich                 und -Vätern, Patchworkfamilien, Eltern mit Verbindun-
klappt das ganz gut, der Transmann arrangiert sich mit                   gen zu anderen Kulturen und queeren Menschen sowie
seinem neuen Körper und das Baby gedeiht in seinem                       von all denjenigen, bei denen sich solche Aspekte über-
Bauch. Anstrengend ist aber, dass ihm immer wieder na-                   schneiden, werden so an den Rand gedrängt. Die vorherr-
hegelegt wird, er müsse sich während der Schwanger-                      schenden Normen zielen aber auch an den Realitäten
schaft «weiblich» und «mütterlich» fühlen. Zuweilen er-                  und Wünschen von zahlreichen heterosexuellen Familien
innert ihn dies schmerzlich an die Zeit vor und während                  vorbei, die sich in jenen nicht wiedererkennen können
der Transition, als er darum kämpfen musste, mit dem                     oder wollen.
männlichen Pronomen und Vornamen angesprochen
und als Mann gesehen zu werden. Auch dieses Beispiel
zeigt, wie wichtig es im Umgang mit queeren Menschen                     Kontakt
ist, bestehende Vorstellungen hinter sich zu lassen. Um                  Dr. Patricia Purtschert
die Erfahrung eines schwangeren Transmannes ernst-                       Geschichte der modernen Welt
nehmen zu können, muss der Zusammenhang von                              ETH Zürich
                                                                         Clausiusstrasse 59, Raum RZ E 8.2, 8092 Zürich
Schwangerschaft und Geschlecht radikal neu angegan-
                                                                         www.phil.ethz.ch
gen werden.
                                                                         patricia.purtschert@gess.ethz.ch

            Besondere Familien … nicht besser, nicht schlechter –
            einfach anders!
            Die Unterrichtseinheit «Besondere Schwangerschaften und Familien» im Bachelor-
            Studiengang Hebamme, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW)

            Ilke Hasler, Dozentin BSc-Studiengang Hebamme, ZHAW, Winterthur

            Der gesellschaftliche Lebensentwurf von Regenbogen-                          auftrages. Abschliessend findet eine Diskussion mit einer
            familien ist im Hebammenstudium an der ZHAW im letz-                         Gynäkologin mit Arbeitsschwerpunkt Regenbogenfami-
            ten Theoriesemester Thema in der Unterrichtseinheit                          lien und einer Mutter aus einer Regenbogenfamilie statt.
            «Besondere Schwangerschaften und Familien». Dies                             Die Studentinnen profitieren dabei von den persönlichen
            unter dem Aspekt, dass Anderssein nicht nach dem                             Erfahrungen der beiden Diskussionsteilnehmerinnen und
            Kriterium besser oder schlechter, sondern als Vielfalt                       können weitere rechtliche und fachliche Fragen klären.
            von Menschen, Lebensentwürfen und Möglichkeiten zu
            bewerten ist.                                                                «Nicht besser, nicht schlechter – und gar nicht so an-
            In der Unterrichtseinheit analysieren die Studentinnen                       ders», lautet häufig das Resümee von Hebammenstu-
            die besonderen Bedürfnisse, Herausforderungen und                            dentinnen nach dem Unterricht. Wie jede andere Familie
            Schwierigkeiten von Regenbogenfamilien. Ebenso eruie-                        haben Regenbogenfamilien ein Anrecht auf eine bedürf-
            ren sie deren rechtliche und medizinische Voraussetzun-                      nisorientierte, respektvolle und professionelle Hebam-
            gen sowie disziplinäre und interdisziplinäre Unterstüt-                      menbetreuung. Dies bedingt Sensibilität und Offenheit
            zungsangebote. Ausserdem setzen sich die Studentinnen                        gegenüber nicht-traditionellen Familienformen und ein
            mit ihren eigenen Werten und Normen auseinander,                             spezifisches Fachwissen, um diese Familien im Rahmen
            um ihre Haltung zum Thema Regenbogenfamilien zu                              von Best Practice und entsprechend den Kompetenzen
            reflektieren.                                                                partizipativ und evidenzbasiert betreuen und beraten zu
            Neben einer Einführung ins Thema mit Inputvorlesung,                         können.
            Videosequenzen und Diskussionen beinhaltet der Unter-
            richt das Verfassen von Skripten anhand eines Studien-

                                                                                                                          5  2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch   9
Fokus

     Über die Brüchigkeit der gesell­­schaft­
     lichen Toleranz – ein Kommentar
     Martin Dannecker, Berlin (D)

                     Die deutsche Bundeskanzlerin, die hartnäckig an ihrer        Was sich am Widerstand gegen die volle rechtliche
                     ablehnenden Haltung zum Adoptionsrecht für lesbische         Gleichstellung von schwulen und lesbischen Beziehun-
                     Frauen und schwule Männer festhält, gratuliert dem           gen mit der Ehe ablesen lässt, ist die Brüchigkeit der
                     ehemaligen Profifussballer Thomas Hitzlsperger nach          in den vergangenen Jahren scheinbar durchgesetzten
                     dessen Interview in der Wochenzeitung «Die Zeit», in         gesellschaftlichen Toleranz gegenüber sexuellen und
                     dem er Anfang dieses Jahres die Öffentlichkeit darüber       geschlechtlichen Minderheiten. Diese Toleranz war, wie
                     informierte, dass er lieber mit einem Mann zusammenle-       sich jetzt herausstellt, für viele konservativ gestimmte
                     ben möchte – als ob Hitzlsperger Geburtstag gehabt           Heterosexuelle nicht mehr als ein kündbares Duldungs-
                     hätte. In Frankreich rottet sich nach der parlamentari-      verhältnis, das darauf baute, dass es die Schwulen und
                     schen Verabschiedung der von der sozialistischen Regie-      Lesben mit ihrem Anspruch auf Anerkennung nicht gar
                     rung durchgesetzten «Homo-Ehe» ein homophober Mob            zu weit treiben würden. Jetzt aber, wo die Forderung
                     zusammen, der die traditionelle Familie in Gefahr sieht.     nach einer völligen rechtlichen Gleichstellung immer
                     In England und Wales wurden dieser Tage die ersten Ehen      entschiedener erhoben wird und die Toleranz durch Ak-
                     von lesbischen Frauen und schwulen Männern geschlos-         zeptanz abgelöst werden soll, wird offenbar, dass diese
                     sen. Auf den Weg gebracht wurde das entsprechende Ge-        Form der Toleranz die Anerkennung anderer Sexualitä-
                     setz durch eine Koalition aus Konservativen und Libera-      ten und Lebensformen nie im Sinn hatte. Das Schnitt-
                     len. Der Widerstand gegen die von Premierminister David      muster dafür liefert die katholische Kirche, die nach ihrer
                     Cameron begeistert gefeierte rechtliche Gleichstellung       nach wie vor gültigen Lehre Schwule nur duldet, wenn
                     von Schwulen und Lesben ist in Grossbritannien ver-          sie ihre Sexualität nicht oder wenigstens mit gesenktem
                     gleichsweise milde ausgefallen. In Baden-Württemberg,        Haupt leben.
                     wo nach den Bildungsplänen der Landesregierung fä-
                     cherübergreifend über homosexuelle, bisexuelle und           Nun kann man sich natürlich fragen – und einige Kritiker
                     transgender Lebensformen informiert werden soll, um          der Forderung nach einer «Homo-Ehe» aus den Reihen
                     für diese Akzeptanz zu schaffen, wurde eine Online-Peti-     der Schwulen- und Lesbenbewegung haben das auch
                     tion lanciert, um das zu verhindern. In der Schweiz soll     getan –, ob hinter dem Verlangen nach dem Recht auf
                     eine Volksabstimmung darüber befinden, ob die Ehe als        Eheschliessung und Adoption nicht eine undurchschaute
                     eine für Männer und Frauen reservierte Institution in der
                     Verfassung verankert wird.

                     Diese Schlaglichter auf die europäische Landschaft zeigen,
                     wie disparat es im Hinblick auf die Rechte von lesbischen
                     Frauen und schwulen Männern in diesem Kulturkreis zu-
                     geht. Vor allem am vollen Adoptionsrecht entzündet sich
                     die Debatte. Dabei ist das Argument, dass Kinder zu ihrer
                     gedeihlichen Entwicklung in einer traditionellen Familie
                     aufwachsen sollten, schon längst obsolet. Denn nicht
                     wenige Kinder wachsen seit geraumer Zeit unter hetero-
                     sexuellen Vorzeichen nicht innerhalb einer traditionellen
                     Familie, sondern in Patchworkfamilien heran oder allein
                     mit ihren Müttern oder Vätern. Auch ist längst bekannt,
                     dass die traditionelle Familie keineswegs ein Garant für                     Martin Dannecker Dr. phil., war bis 2005 Professor
                     eine gedeihliche und ungestörte Kindheit ist. Nicht mehr                     und stellvertretender Direktor am Institut für Sexual-
                     ganz unbekannt ist inzwischen auch, dass sogenannte                          wissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt
                     Regenbogenfamilien ein ebenso guter Ort für Kinder sein                      am Main. Seine Forschungsschwerpunkte lagen auf
                                                                                                  den Gebieten männliche Homosexualität, HIV/Aids,
                     können wie Familien anderer Art.
                                                                                                  Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierungen.
                                                                                                  Gegenwärtig forscht er über Sexualität im Internet.
                                                                                                  Zu diesen und anderen Themen liegen von ihm zahl­
                                                                                                  reiche Publikationen vor. Martin Dannecker war lange
                                                                                                  Jahre Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesell-
                                                                                                  schaft für Sexualforschung und ist Mitherausgeber
                                                                                                  der im Psychosozial-Verlag erscheinenden «Beiträge
                                                                                                  zur Sexualforschung».

10   Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5  2014
Anpassung an die Heteronormativität steht. Von diesen        Abzulesen ist das an den Bildern, die nach den ersten
Kritikern wird die Befürchtung geäussert, dass nach der      Eheschliessungen von schwulen Männern und lesbischen
Durchsetzung der Ehe für Schwule und Lesben die Ehe          Frauen aus den Ländern, die dieses Recht eingeräumt ha-
auch unter diesen normativ zu einer besseren Lebens-         ben, in die Welt geschickt werden. Diesen Bildern eignet
form erhoben werden könnte. Das könnte dazu führen,          durchaus etwas Demonstratives. Aber man sollte sich
dass andere unter schwulen Männern und lesbischen            darüber nicht mokieren, sondern im Kopf behalten, dass
Frauen verbreitete Lebensformen als fragwürdig ange-         die demonstrative Zurschaustellung schwuler und lesbi-
sehen oder sogar diskreditiert werden. Diese Befürch-        scher Eheschliessungen in den Medien auf jene zurück-
tung ist deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil sich     gehen, die die Ehe für schwule und lesbische Menschen
in der Geschichte der Homosexuellenbewegung immer            für ein Unding halten bzw. gehalten haben.
wieder gezeigt hat, dass die von den gesellschaftlichen
Normalitätsvorstellungen besonders stark abweichen-          Abgesehen davon muten die Bilder, die von schwulen und
den schwulen Lebensformen oder Verhaltensweisen              lesbischen Eheschliessungen in den Medien auftauchen,
von den Homosexuellen selber exkludiert wurden. Des-         aber in höchstem Mass heterosexuell an. Auf diesen sind
halb ist die Möglichkeit auch nicht ganz ausgeschlos-        zwar zwei Frauen oder zwei Männer zu sehen. Aber an-
sen, dass statt der von Schwulen und Lesben so häufig        sonsten wirken sie so, als ob sie von einer heterosexuellen
beschworenen sexuellen Vielfalt im Zuge ihrer Forde-         Heiratsagentur in Szene gesetzt worden wären. Jeden-
rung nach der Durchsetzung der «Homo-Ehe» sich eine          falls in der Regel. Oft reicht es nicht einmal zur ironischen
an dieser orientierte Eindimensionalität der angestreb-      Brechung der traditionellen Eheschliessungszeremonien.
ten und als gelungen angesehenen Lebensform heraus-          Diese Kopien traditioneller Zeremonien durch homo­
stellt.                                                      sexuelle und lesbische Paare kommen meines Erachtens
                                                             dadurch zustande, dass es diesen zuvor nicht gelungen
Tatsächlich mussten die in einer Paarbeziehung leben-        ist, Formen zu finden, die nach innen (für das Paar) und
den Homosexuellen bislang immer nachweisen, dass ihre        nach aussen (für die FreundInnen und Familienmitglie-
Beziehungen dem Ideal einer sich gegenseitig achtenden       der) symbolisieren, dass sie es auch ohne Ehe ernst mitei-
Liebe entsprechen. Heterosexuellen Paaren wurde das          nander meinen. Warum nur braucht es den Akt der Ver-
Erreichen dieses Ideals zuerst einmal zugestanden. Sie       partnerung oder der Eheschliessung, um aus der Liebe,
mögen an diesem Ideal scheitern, aber ihnen wird konze-      die schwule Männer oder lesbische Frauen füreinander
diert, dass sie sich von ihm leiten lassen. Vor allem von    empfinden, ein Fest zu machen, zu dem Freundinnen und
schwulen Männern wurde, wegen des von einigen von            Freunde, Geschwister, Väter und Mütter eingeladen wer-
ihnen gepflegten sexuellen Lebensstils, häufig behaup-       den? Die gleiche Frage kann man sich auch für nichtver-
tet – und das keineswegs nur an Stammtischen –, sie          heiratete heterosexuelle Paare stellen. Denn auch diese
seien nicht liebes- und beziehungsfähig. Es ist deshalb      haben keine Form gefunden, die ihre Liebe zugleich nach
auch nicht überraschend, wenn gerade sie die Forderung       innen und aussen als dauerhaft gemeint akzentuiert. Ob-
nach einer gleichberechtigten Ehe gleichsam mit dem          wohl unverheiratete Paare, gleich ob homo- oder hetero-
Nachweis verbinden, dass auch sie liebend und verant-        sexuell, schon längst eine gesellschaftliche Selbstver-
wortungsvoll füreinander einstehen. Damit aber zeigen        ständlichkeit sind, feiern sie ihre Beziehung öffentlich erst
sie nur, wie tief verstört die Psychopathologisierung ih-    im Moment ihrer staatlichen Legitimierung. Das ist eine
rer Sexualität und ihrer Liebesbeziehungen sie zurückge-     durchaus merkwürdige gesellschaftliche Praxis, deren
lassen hat. Denn diese hatte ihnen ja genau das abge-        Bedeutung entschlüsselt werden sollte, weil sie nach wie
sprochen, was sie jetzt mit der Forderung nach einer         vor etwas über den unterschiedlichen Rang von «Bezie-
Eheschliessung auch für sich nachzuweisen versuchen,         hungen mit und ohne Trauschein» aussagt.
nämlich liebesfähig, beziehungsfähig und verantwor-
tungsvoll zu sein. Das waren homosexuelle Männer und         Eines aber dürfte durch die Reaktionen auf die Einfüh-
lesbische Frauen aber schon immer, auch wenn sich vor        rung der «Homo-Ehe» in Frankreich und die zahlreichen
allem die Sexual- und Liebesbeziehungen der homo­            homophoben Aktionen anderenorts, zu denen nach wie
sexuellen Männer von dem normativen heterosexuellen          vor auch die antihomosexuelle Gewalt gehört, klar ge-
Muster unterschieden.                                        worden sein: Durch die Anerkennung von Schwulen und
                                                             Lesben als rechtlich Gleiche ist die gleiche Gültigkeit die-
Es geht bei der Forderung nach der «Homo-Ehe» demnach        ser Sexualformen im psychischen Haushalt der Mehrheit
nicht nur um die rechtliche Gleichstellung, gegen die kein   noch lange nicht durchgesetzt und die Diskriminierun-
vernünftiger Mensch etwas einzuwenden vermag. Einer          gen sind keineswegs abgetragen. Dass diese in der Regel
Gruppe, die bis vor kurzem wegen ihrer sexuellen Orien-      subtiler geworden sind und die Homophobie tiefer ver-
tierung von der Eheschliessung und der mit ihr einherge-     drängt wurde als zuvor, ist freilich unzweifelhaft. Gerade
henden symbolischen Bedeutung ausgeschlossen wurde,          das macht es aber schwer, sie zu erkennen und sowohl
muss es bei ihrer Forderung nach der Ehe zwangsläufig        politisch als auch individuell adäquat auf sie zu reagieren.
auch für sie um mehr gehen als um die rechtliche Gleich-     Nicht auszuschliessen ist nach wie vor auch eine Wieder-
stellung. Die bisherige Aberkennung des Eherechts für        kehr des Verdrängten als offene Homosexuellenfeind-
schwule Männer und lesbische Frauen führte dann auch         lichkeit, wie wir sie gerade in Russland und in einigen an-
paradoxerweise dazu, dass die Eheschliessung für diese       deren Ländern der Welt beobachten.
eine grössere psychologische Bedeutung hat, als sie das
inzwischen für heterosexuelle Männer und Frauen hat.

                                                                                                     5  2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch   11
Sie können auch lesen