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Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch 5 2014 Regenbogenfamilien egenb milien Homoparentalité
Publireportage Pflege im Windelbereich Cremes & Pasten waren gestern! Spray ist heute! Eltern kennen die Problematik: Wunder Baby Po, unruhige Nächte, jedes Wickeln wird zur Tortur. Der wunde Po schmerzt, besonders dann wenn man die Rückstände der aufgetragenen Cremes oder Pasten entfernen muss. Die ohnehin gereizte Haut wird erneut durch die Reibung der Rückstands- entfernung geschädigt. Das muss nicht sein! Wundschutz: Panthenol beruhigt gereizte Haut und fördert das Abklingen von Rötungen Nässeschutz: Zinkoxyd hält Nässe von der Babyhaut fern Hautschutz: Bienenwachs hinterlässt eine lang anhaltende Schutzbarriere auf der Haut Die Spray-Applikation ermöglicht eine einfache und hygienische Anwendung. Keine offenen Cremedosen mehr, keine Cremerückstände an Ihren Händen. Be- sonders für unterwegs eine tolle Lösung für die Wickel- tasche. Besonders wichtig: das Spray ist einhändig an- wendbar. Somit haben Sie immer eine Hand frei um Ihr Baby auf dem Wickeltisch festzuhalten. Die spezielle Zusammensetzung weisst ein sehr gutes Einziehverhalten auf. Anders wie bei Cremes oder Pasten, bleiben keine Rückstände an Babys Po zurück, welche beim nächsten Windelwechsel mühsam ent- fernt werden müssen. Reibung im Wundbereich wird vermieden und somit eine schnelle Regeneration un- Das mit Kinderärzten speziell für Babys entwickelte terstützt. antidry® baby Wundschutz-Windelspray schützt, pflegt und beruhigt gerötete und gereizte Babyhaut schnell und lang anhaltend. Zudem beugt es dem Wundsein im Windelbereich vor. Durch seine innovative Spray- Applikation ist es DER neue Standard in der Babypflege! Das antidry® baby Wundschutz-Windelspray ist para- benfrei und wurde klinisch getestet. Der pH-Wert wurde speziell an die Bedürfnisse von Säuglings- und Kleinkinderhaut angepasst (pH-Wert: 7.3). Durch die Kombination aus Zinkoxid, Panthenol und Bienenwachs entsteht ein einzigartiger 3-Phasen- Schutz welcher sowohl in der Vorbeugung als auch Akut-Anwendung überzeugt: Weitere Informationen & Muster Kontaktieren Sie uns: marketingconsumer@merz.ch Merz Pharma (Schweiz) AG, 4123 Allschwil
Inhalt • Sommaire Ausgabe 5 Edition 5 Regenbogenfamilien Homoparentalité Aktuell 2 Actualité 28 Editorial Wolfgang Wettstein, Bern 5 Editorial Wolfgang Wettstein, Berne 31 Dossier 4 Dossier 30 Regenbogenfamilien Maria von Känel, Zürich Familles Arc-en-Ciel Maria von Känel, Zurich Wie mit Regenbogenfamilien umgehen? 7 A la recherche d’une sage-femme rassurante 33 Patricia Purtschert, Zürich Josianne Bodart Senn, Gland Note sur le devenir d’enfants nés par IAD avec 35 Fokus 10 un père d’origine transsexuelle Colette Chiland, Paris (F) Über die Brüchigkeit der gesellschaftlichen Pour une éducation à la diversité 36 Toleranz – ein Kommentar Martin Dannecker, Berlin (D) Entretien avec Vassilis Saroglou, Louvain-la-Neuve (B) Mosaik 12 Focus 37 Respektvolle Geburtshilfe: die universellen Arcade sages-femmes à Genève: Rechte von schwangeren und gebärenden Frauen 20 bougies et 60 000 bébés Viviane Luisier, Genève The White Ribbon Alliance for Safe Motherhood, Washington, DC, (USA) Infos sur la recherche 39 Neues aus Wissenschaft und Forschung 16 Konsensus Geburtshilfliche Betreuung: Fédération 20 Sichere Prävention der primären Kaiserschnitt- entbindung. Die Empfehlungen der ACOG. Sections 23 Inge Loos, Bern En librairie 40 Fort- und Weiterbildung SHV 18 Verband 20 Sektionen 23 Thema der Ausgabe 6/2014 Thème de l’édition 6/2014 Zusammenarbeit in der Geburtshilfe Coopération en obstétrique Erscheint Anfang Juni 2014 Parution début juin 2014 112. Jahrgang | 112e année Geschäftsstelle | Secrétariat Rosenweg 25 C, Postfach, CH-3000 Bern 23, T +41 (0)31 332 63 40, F +41 (0)31 332 76 19 info@hebamme.ch, www.hebamme.ch, www.sage-femme.ch Öffnungszeiten von Montag bis Freitag | Heures d’ouverture du lundi au vendredi 8:15–12:00 / 13:30–17:15 Offizielle Zeitschrift des Schweizerischen Hebammenverbandes | Journal officiel de la Fédération suisse des sages-femmes | Giornale ufficiale della Federazione svizzera delle levatrici | Revista uffiziala da la Federaziun svizra da las spendreras Erscheinungsweise 10 Mal im Jahr, Doppelausgaben im Januar / Februar und Juli /August | Parution 10 éditions par année, numéros doubles en janvier / février et en juillet /août Foto Titelseite Der SHV dankt Patricia Purtschert und Anelis Kaiser mit ihren Kindern Hannah Cecilia und Inti Photo couverture La FSSF remercie Patricia Purtschert et Anelis Kaiser avec leurs enfants Hannah Cecilia et Inti
Aktuell Als Teil der Zusammenarbeit werden sich des Mannes blieb der häufigste Grund Ja zur medizinischen die beiden Organisationen – entspre- für die Behandlung. Soweit einige neue chend den Perspektiven der europäischen Ergebnisse der Statistik der medizinisch Grundversorgung Gesundheitspolitik Health 2020 – in die unterstützten Fortpflanzung 2012 des Debatten um die Gesundheitsförderung Bundesamtes für Statistik (BFS). Abstimmung vom 18. Mai 2014: Der SHV und die Qualität der Gesundheitsversor- Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS) unterstützt den Bundesbeschluss über gung einbringen. Die Partnerschaft will Mehr Infos: www.bfs.admin.ch › Themen › die medizinische Grundversorgung. die kontinuierliche Weiterentwicklung Gesundheit des Pflege- und des Hebammenberufs in Der Verfassungsartikel deckt alle Gesund allen Ländern und auf allen Ebenen för- heitsberufe in der Grundversorgung ab dern, also in Sachen Ausbildung, Berufs- und ebnet so den Weg für zukunfts- ausübung, Management und Forschung Nachgeburtliche trächtige Versorgungsmodelle – dies ist sowie bei der Festlegung politischer im Interesse aller Gesundheitsberufe. Prioritäten. Das EFNNMA wird dafür ihr Betreuung: Qualität Während der ursprüngliche Text der Ini- Netzwerk der nationalen Pflege- und tiative «Ja zur Hausarztmedizin» nur auf Hebammenverbänden mobilisieren. und Lücken die Hausarztmedizin zielte, ist der Ver- www.sbk.ch › Verband fassungsartikel breiter ausgerichtet. Die www.euro.who.int/de › Gesundheitsthemen › offene Formulierung schafft Raum für Gesundheit 2020 neue Formen der Zusammenarbeit zwi- schen Ärzten, Pflegenden, medizinischen Praxisassistentinnen, Apothekern, Heb- ammen, Ergo- und PhysiotherapeutIn- Umsetzung von nen, der Spitex und anderen Gesund- heitsberufen. So sind Bund und Kantone «Gesundheit2020» verpflichtet, die medizinische Grundver- sorgung als Ganzes zu fördern. Dies dient auf Kurs der gesamten Bevölkerung. Mehr Infos: www.hausarzt-ja.ch › Komitees › Die Strategie «Gesundheit2020» ist auf Unterstuetzende Organisationen Kurs. Im letzten Jahr wurden acht von zehn Prioritäten erfüllt. Für das laufende Jahr hat das Eidgenössische Departement Ein Studie zur nachgeburtlichen Betreu- des Innern (EDI) zwölf neue Prioritäten ung im Rahmen der COST-Aktion IS907: WHO verstärkt definiert. Mit der Anfang 2013 verab- «Childbirth: cultures, concerns and schiedeten Strategie «Gesundheit2020» consequences», März 2014, Hochschule Zusammenarbeit mit will der Bundesrat die Lebensqualität Luzern, Soziale Arbeit. sichern, die Chancengleichheit stärken, Pflege- und Hebam- die Versorgungsqualität erhöhen und die Die Wichtigkeit der Unterstützung der Transparenz verbessern. Zentrale Pfeiler Mütter und Väter in der postnatalen menverbänden bei der Umsetzung der Strategie sind die Periode ist in der wissenschaftlichen Li- Partizipation aller Akteure und transpa- teratur anerkannt. In der Schweiz gibt es Das Regionalbüro für Europa der Welt rentes Vorgehen. Das EDI informiert verschiedene Studien dazu, jedoch sind gesundheitsorganisation WHO und das jährlich über den Stand der Umsetzung. dies meist kleinere qualitative Studien Europäische Forum der nationalen Pflege- Mehr Infos: www.bag.admin.ch › Gesunheit2020 mit regionalen Stichproben. Und die we- und Hebammen-Verbände (EFNNMA) ha- nigen vorhandenen quantitativen Stu- ben eine Vereinbarung unterzeichnet, um dien basieren häufig auf Sekundärdaten- die Pflege und das Hebammenwesen zu analysen oder fokussieren die Sicht der stärken. Das EFNNMA wird auch Beiträge Medizinisch unter- Fachpersonen und nicht jene der Mütter. leisten zu einem Leitfaden der WHO über gute Pflege- und Hebammenpraxis, der stützte Fortpflanzung Die vorliegende Studie füllt eine Lücke, derzeit vom WHO-Europa-Büro ausgear- indem sie die subjektive Sicht der Müt- beitet wird. 2012 ter in Bezug auf die Qualität und Lücken Die Regionaldirektorin von WHO Europa, der nachgeburtlichen Betreuung in der Zsuzsanna Jakab und Valentina Sarki- Im Jahr 2012 haben sich in der Schweiz Deutschschweiz mit einer quantitativen sova, Vorsitzende des EFNNMA-Steue- 6321 Paare einer medizinisch unterstütz- Methodik erfragt. Sie leistet zudem ei- rungskomitees, unterzeichneten am 11. ten Fortpflanzung unterzogen (2011: nen Beitrag dazu, die gesundheitliche Februar das Memorandum, in dem die 6343 Paare) und 10 821 Behandlungs Versorgung von Müttern und Kindern Grundsätze der Zusammenarbeit fest- zyklen wurden begonnen, leicht mehr als nach der Geburt an den Bedürfnissen gelegt werden. Der Leitfaden und ein im Vorjahr. Bei mehr als einem Drittel der dieser Frauen selbst zu messen und strategisches Grundsatzpapier werden Behandlungen kam es zu Schwanger- Massnahmen zu prüfen, die es erlauben, den Mitgliedstaaten von WHO Europa schaften, die zu rund 2000 Geburten die Gesundheitsversorgung an diesen im September 2014 vorgestellt. führten. Bei nahezu jeder fünften Ent auszurichten. bindung handelte es sich um eine www.f-netz.ch › Aktuelles › Forschung Mehrlingsgeburt. Die Unfruchtbarkeit 2 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5 2014
Es ist deshalb sinnvoll, «gut betreute sel- Statistisches Jahrbuch der Schweiz 2014 tene Krankheiten» von «vernachlässig- ten» zu unterscheiden. Die Empfehlun- Die Ausgabe 2014 des «Statistischen Jahrbuchs der Schweiz» sowie gen halten sechs Kriterien fest, die eine der «Taschenstatistik» sind seit Anfang März erhältlich. solche Unterscheidung ermöglichen. Gleichzeitig skizzieren die Empfehlun- Das traditionsreiche Statistische Jahr- gen, welche Voraussetzungen Referenz- buch der Schweiz erscheint bereits im zentren für die Abklärung und Behand- 121. Jahrgang. Die Präsentation des lung seltener Krankheiten zu erfüllen statistischen Materials in ausführlichen hätten. Die SAMW tritt damit Befürch- Text-Kapiteln mit vielen Visualisierun- tungen bezüglich einer unkontrollierten gen (durchgehend deutsch / französisch) Ausweitung teurer medizinischer Mass- ermöglicht das Verständnis der grösse- nahmen entgegen und möchte so dem ren Zusammenhänge. Im grossen Tabel- «Nationalen Konzept Seltene Krankhei- len-Teil lässt sich die einzelne Zahl oder ten» zu einer breiten Akzeptanz verhel- die bestimmte Zeitreihe nachschlagen. fen. Ein Methodik-Teil gibt schliesslich Aus- Mehr Infos: www.samw.ch › Publikationen › kunft über die zugrundeliegenden Erhe- Empfehlungen Die beiden Publikationen des Bundesam- bungen und definiert Fachbegriffe. tes für Statistik (BFS) geben in kompakter Das Statistische Jahrbuch ermöglicht so- Form einen Überblick über sämtliche mit in kompakter Form Quer- und Längs- Themen des wirtschaftlichen und gesell- schnitte über den Zustand der Schweiz Schweizerische schaftlichen Lebens in der Schweiz. Das zu einem bestimmten Zeitpunkt und bil- Jahrbuch ist der grosse, abgerundete det durch den physischen «Datenträger» Gesundheitsbefragung Aufriss aus Texten, Diagrammen und Buch die Garantie für die Dauerhaftig- Tabellen, die Taschenstatistik das Kon- keit der Information. 2012 zentrat der wichtigsten statistischen Mehr Infos: www.bfs.admin.ch › Aktuell › Informationen. Medienmitteilungen Mitte März sind die Resultate der Ge- sundheitsbefragung 2012 veröffentlicht worden. Die Schweizerische Gesundheitsbefra- Bernerinnen SAMW veröffentlicht gung 2012 liefert Informationen über den Gesundheitszustand der Bevölke- gewinnen Bübchen- Empfehlungen rung und dessen Bestimmungsfaktoren, über Krankheitsfolgen, über die Inan- Wissenschaftspreis «Seltene Krankheiten» spruchnahme des Gesundheitswesens und über die Versicherungsverhältnisse. 2013 hat die deutsche Firma Bübchen Heute sind weltweit rund 6000 bis 8000 Die periodische Wiederholung ermög- zum 1. Mal den Bübchen-Wissenschafts- seltene Krankheiten bekannt. Die Medi- licht die Beobachtung von zeitlichen preis für Hebammen gestiftet. Vom Auf- zin hat oft Mühe, eine solche Krankheit Veränderungen in diesen Themenberei- ruf bis zum Einsendeschluss wurden rechtzeitig zu erkennen und adäquat zu chen und erlaubt, gesundheitspolitische über 30 Arbeiten zu unterschiedlichsten behandeln. In der Schweiz sind diverse Massnahmen auf ihre Auswirkungen Themen und mit verschiedensten Er- Organisationen entstanden, die sich für hin zu überprüfen. kenntnissen eingereicht. Seit März 2014 die Belange von Menschen mit seltenen Sie wird seit 1992 alle fünf Jahre durch stehen nun auch die Gewinnerinnen Krankheiten einsetzen, auch auf poli das Bundesamt für Statistik (BFS) durch- fest. tischer Ebene. Vor diesem Hintergrund geführt. 2012 hat die fünfte Befragung, Der 1. Preis ging an Jacqueline Wagner hat der Bundesrat das Bundesamt für die Teil des Erhebungsprogramms der und Karin Stucky von der Berner Fach- Gesundheit (BAG) beauftragt, in Zusam- schweizerischen Volkszählung ist, statt- hochschule (BFH). Ihre Arbeit, die sich mit menarbeit mit den betroffenen Orga gefunden. Insgesamt beteiligten sich «Traum(a)geburt – Risikofaktoren und nisationen und Fachpersonen sowie mit 21 597 in einem Privathaushalt der Screening-Möglichkeiten für posttrau- den Kantonen ein «Nationales Konzept Schweiz wohnhafte Personen ab 15 Jah- matische Belastungsstörungen in der Seltene Krankheiten» zu erarbeiten. ren. Es handelt sich dabei um ein telefo- postpartalen Phase» beschäftigt, über- Im Hinblick darauf hat die SAMW nun nisches Interview, gefolgt von einem zeugte die Jury des Bübchen-Wissen- Empfehlungen formuliert, wie der Gel- schriftlichen Fragebogen. schaftspreises auf der ganzen Linie. tungsbereich eines solchen Konzepts Mehr Infos: www.portal-stat.admin.ch/sgb2012/ Mehr Infos: Thieme.de › Themenwelten › definiert werden sollte. Angesichts der files/de/00.xml Hippokrates › Hebammenarbeit › Magazin grossen Zahl von seltenen Krankheiten hat ein solches Konzept insbesondere dafür zu sorgen, dass diejenigen Patien- ten, die bisher besonders benachteiligt sind, vermehrt Unterstützung erhalten. 5 2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 3
Dossier Regenbogenfamilien Maria von Känel, Geschäftsführerin, Dachverband Regenbogenfamilien, Zürich Anne und Julia Meier 1 sind seit fünfzehn Jahren ein Der Wunsch, eine Familie zu gründen, ist sowohl für viele Paar. Vor mehreren Jahren waren sie während zwei Jah- gleichgeschlechtlich liebende Menschen als auch für ren Pflegeeltern eines Mädchens. Das Zusammenleben Paare mit einem Trans-Partner zentral, und sie gehen mit einem Kind hat ihnen viel Freude bereitet und in dafür unterschiedliche Wege. Für Frauenpaare wie Anne der Folge ist in ihnen der Wunsch auf ein eigenes Kind und Julia Meier sind ausländische Samenbanken eine Op- gewachsen. Sie lesen Forschungsartikel und Studien tion. Andere Frauenpaare suchen in ihrem Umfeld nach zu Kindern, die bei gleichgeschlechtlichen Paaren auf einem geeigneten Mann für eine private Samenspende gewachsen sind, und werden darin bestärkt, dass sich oder bilden mit einem Mann eine Dreielternfamilie. Oder ein Kind bei ihnen gut entwickeln kann. Sie überlegen ein schwuler Single-Mann gründet mit einer lesbischen sich, ein Kind zu adoptieren, schliesslich leben viele Kin- Single-Frau eine Familie. Einige Paare nehmen Kinder zur der in Heimen ohne Eltern. Aber leider geht das nicht, Pflege auf, andere gründen mit einem gegengeschlecht- denn vor sieben Jahren, gerade als das neue Partner- lichen Paar eine Familie. schaftsgesetz eingeführt wurde, haben sie ihre Partner- Seit über 25 Jahren wird die Entwicklung von Kindern, die schaft offiziell eintragen lassen. Vorher wäre es für bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen, erforscht. Anne oder Julia noch möglich gewesen, alleine ein Kind Die europäischen und US-amerikanischen Studien sind zu adoptieren; als eingetragene Partnerinnen ist ihnen sich im Grundsatz einig: Kinder aus Regenbogenfamilien das aber jetzt vom Gesetz untersagt. Nun machen sie gedeihen genau so gut wie Kinder aus konventionellen sich Gedanken über biologische Elternschaft. Anonyme Familien. Neueste Studienergebnisse 2 kommen zusam oder bekannte Samenspende? Weil sie als Frauenpaar mengefasst zu folgenden Erkenntnissen: keinen Zugang zu einer schweizerischen Samenbank – Die psychosexuelle Identitätsentwicklung von Kindern haben, entscheiden sie sich für eine Samenbank im Aus- aus Regenbogenfamilien verläuft analog zu Kindern land, in Dänemark. Sie haben Glück und es klappt auf mit heterosexuellen Eltern. Sie identifizieren sich mit Anhieb: Anne wird bereits nach der ersten Insemination in Dänemark schwanger und dann wird Lucy geboren. Von nun an leben die drei als Familie – als Regenbogen- familie. Fachpersonen schätzen, dass in der Schweiz bis zu 30 000 Kinder in Regenbogenfamilien aufwachsen, also in Familien, in denen sich mindestens ein Elternteil als lesbisch, schwul, bisexuell, trans oder queer versteht. Die Kinder können – wie im Beispiel von Anne und Julia Meier – in eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft hin- eingeboren, unter besonderen Umständen adoptiert (im Ausland oder als Einzeladoption) oder als Pflegekinder aufgenommen worden sein, oder sie können aus einer vorangegangenen heterosexuellen Beziehungen stam- Maria von Känel ist Gründungsmitglied des Dach men. Einige Familien sind durch Leihmutterschaft im verbands Regenbogenfamilien (gegründet 2010) und Ausland entstanden. Bei Familien, in denen Trans-Eltern war bis 2013 als Vizepräsidentin tätig. Seit 2013 ist sie beteiligt sind, kann deren Coming-out vor oder nach der mit einem 50 %-Pensum dessen Geschäftsführerin. Sie ist Mitgründerin von NELFA (Network of European Familiengründung liegen. Somit können sie die biologi- LGBT-Families Associations) und leitet die Schweizer schen Eltern ihrer Kinder sein. Partnerschaft im Grundvitg-Projekt «Being an LGBT Parent as an Experience of Democracy and active Citizenship». Sie hat 2011 die Nationale Tagung Regen- bogenfamilien in Bern sowie 2013 die Fachtagung «All Families Matter» in Zürich organisiert und ist Ini tiantin des International Family Equality Day (IFED), 1 Seit 2013 können gleichgeschlechtliche Paare der jedes Jahr am ersten Sonntag im Mai weltweit einen gemeinsamen Namen tragen. gef eiert wird. 2 Präsentiert von den renommierten Forscherinnen Henny Bos und Charlotte Patterson anlässlich der Maria von Känel lebt mit ihrer langjährigen Partnerin Fachtagung «All Families Matter», die im Juni 2013 und den gemeinsamen Kindern (5 und 7) im Zürcher an der Universität in Zürich stattfand. Oberland. www.allfamiliesmatter.ch 4 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5 2014
Editorial gewissen Aspekten ihrer Eltern und grenzen sich von anderen Aspekten ab. Zudem identifizieren sie sich mit ausserfamiliären Vorbildern, die sie selbst aussuchen. – Homosexuelle Eltern unterscheiden sich von hetero- sexuellen Eltern dadurch, dass sie eine egalitärere Rollenaufteilung haben. Wolfgang Wettstein – Die psychische Gesundheit von Kindern hängt nicht verantwortlicher Redaktor Hebamme.ch von der sexuellen Orientierung der Eltern ab. Bern – Die Abwesenheit von männlichen Rollenmodellen bei lesbischen Paaren verursacht keine negative Ent- wicklung bei Kindern. Liebe Leserin, lieber Leser Aus der Entwicklungspsychologie ist bekannt, dass für das Wohlergehen des Kindes die Familienform keine Seit Mitte der 1970er-Jahre hat in vielen europäischen Rolle spielt. Entscheidend ist die Beziehungsqualität und Ländern ein bedeutsamer gesellschaftlicher Wandel statt das Klima in der Familie, nicht das Geschlecht oder die gefunden. Was in jener Zeit unmöglich schien und viele sexuelle Orientierung der Eltern. Grundvoraussetzung schwule Männer und lesbische Frauen nicht einmal zu für die gesunde Entwicklung eines Kindes ist die Verfüg- denken wagten, ist inzwischen in vielen Ländern Wirklich- barkeit von (mindestens) einer konstanten Bezugsper- son, die dem Kind emotionale Wärme und Halt gibt, ein keit geworden: das Recht auf die eingetragene Partner- tragfähiges soziales Umfeld schafft und es in seiner schaft, das Recht auf Heirat und die fast schon selbst individuellen Entwicklung unterstützt. verständlich gewordene Präsenz von schwulen Männern Den Kindern geht es also innerhalb des Familiensystems und lesbischen Frauen in den Medien, in der Politik, gut. Und wie sieht es ausserhalb der eigenen vier Wände der Wirtschaft und anderen Bereichen des öffentlichen aus? Regenbogenfamilien berichten mehrheitlich davon, Lebens. dass sie in ihrem sozialen Umfeld Anerkennung erfahren und Unterstützung erhalten. Dennoch sehen sich viele Was bei all diesen Veränderungen jedoch nicht vergessen Familien – gerade mit Eintritt des Kindes ins Schulsys- werden sollte, ist, dass sie das Resultat eines jahrzehnte tem – mit gesellschaftlichen Vorurteilen oder abwerten- langen hartnäckigen politischen Kampfes sind. Ausgegan- dem Verhalten gegenüber anderen Lebens- und Familien gen sind diese Veränderungen von der Schwulen-, Lesben- formen konfrontiert. Kinder aus Regenbogenfamilien und Frauenbewegung, die in den 1970er-Jahren begonnen erleben, dass in Büchern, Diskussionen und Medien das hat, gleiche Rechte für sich und die Akzeptanz ihrer Lebens- Modell der Mutter / Vater / Kind-Familie vorherrscht, wäh- formen einzufordern. rend ihre eigene Lebensrealität kaum widergespiegelt wird. Gleichzeitig werden sie von ihren Mitschülerinnen Man sollte sich trotz der erreichten Errungenschaften je- und Mitschülern häufig auf ihre Familienform angespro- doch bewusst sein, dass sich Vorurteile gegenüber schwulen chen. Insgesamt berichten Kinder aus Regenbogenfami- Männern und lesbischen Frauen auch in einer sogenannt lien aber nicht häufiger von Ausgrenzungen als andere liberalen und toleranten Gesellschaft hartnäckig halten. Kinder auch. Diese Tatsache wird dahingehend interpre- tiert, dass ihre Eltern bewusst mit ihrer Familiensituation So ist das Coming-out schwuler Männer und lesbischer umgehen und die Kinder auf mögliche Herausforderun- Frauen auch heute noch ein mit Irritationen, Verstörung gen vorbereiten. Dennoch können sich Beleidigungen und und Ablehnung verbundene Phase. Ausgrenzungen aufgrund körperlicher Merkmale, der Wie brüchig gesellschaftliche Toleranz ist und wie wenig Herkunft, der religiösen Zugehörigkeit oder der Familien- form sowie der Umstand, dass «schwule Sau» nach wie es braucht, dass schwule Männer und lesbische Frauen vor eines der gängigsten Schimpfwörter auf dem Pau- Opfer von Gewalt, von gesellschaftlicher Ausgrenzung, senplatz ist, auf das ganze Familiensystem belastend blindem Hass und tätlicher Verfolgung werden – in auswirken. Die Unsicherheiten in Bezug auf die rechtli- Russland und auch in afrikanischen Ländern – sollte uns che Absicherung können erschwerend hinzukommen. alle aufhorchen lassen. Es geht dabei um das Recht des Menschen, anders zu sein und zu lieben wen er möchte – Seit dem 1. Januar 2007 können Frauen- und Männer- es geht um Menschenrechte. paare in der Schweiz ihre Partnerschaft eintragen lassen. Der Gang aufs Zivilstandsamt bedeutet, dass ihre Bezie- hung offiziell anerkannt und rechtlich in vielen Bereichen der Ehe gleichgestellt wird. Dabei geht es um Rechte in Bereichen wie Sozialversicherung, Erbschaft, Steuerrecht oder Aufenthaltsrecht für ausländische Partnerinnen und Partner. Herzlich, Wolfgang Wettstein 5 2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5
Dossier Doch wenn es um Kinder geht, werden gleichgeschlecht- aber nicht vor. Auch die Ungleichbehandlung in Bezug liche Paare und deren Kinder anders behandelt. Gemäss auf den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin besteht wei- Artikel 28 des Partnerschaftsgesetzes sind Insemination terhin, obschon die Nationale Ethikkommission (NEK) in mit ärztlicher Unterstützung, Adoption und Stiefkindad- ihrer kürzlich erfolgten Stellungnahme diese Einschrän- option in der Schweiz gesetzlich verboten. Es besteht kung als nicht mehr begründet erachtet und als Aus- deshalb eine grosse Benachteiligung in Sachen Unter- druck von Vorurteilen bewertet hat (NEK Stellungnahme haltspflicht, Sorgerecht, Erbrecht oder dem Anspruch auf 22/2013, S. 38, 52 f.). persönlichen Kontakt mit dem Kind nach einer Trennung Der Dachverband Regenbogenfamilien sieht die vom oder beim Tod des leiblichen Elternteils. Die sozialen Bundesrat angestrebte Revision als ersten wichtigen Eltern in Regenbogenfamilien haben keine Rechte – ge- Schritt in die richtige Richtung. Weitere Schritte sollten wisse Pflichten hingegen schon. Sollten sich nämlich aber folgen. Dafür setzt sich der Verein im laufenden Anne und Julia Meier eines Tages trennen, können sie Vernehmlassungsprozess und in der Familienpolitik ein. kein gemeinsames Sorgerecht beantragen; gleichzeitig ist Julia aber verpflichtet, sich in angemessener Weise in der Erfüllung der Unterhaltspflicht und in der Ausübung der elterlichen Sorge zu beteiligen. Und im Fall, dass Kontakt Anne Meier frühzeitig verstirbt, kann Lucy nicht auto- Dachverband Regenbogenfamilien matisch bei Julia, ihrem zweiten Elternteil, verbleiben, Postfach, 8000 Zürich sondern es findet eine behördliche Prüfung statt. Die info@regenbogenfamilien.ch fehlenden rechtlichen Regelungen treffen vor allem die N 079 611 06 71 (Maria von Känel) Kinder. So hat Lucy Meier bei einer Trennung ihrer Eltern kein institutionalisiertes Besuchsrecht und keinen An- spruch auf Alimente und im Falle des Todes ihrer sozia- len Mutter, Julia Meier, keinen gesetzlichen Anspruch Referenzen auf ein Erbe oder eine Halbwaisenrente. Bos HW, van Balen F, van den Boom DC (2007a) Zumindest diese rechtlichen Lücken sollen nun geschlos- Child adjustment and parenting in planned lesbian-parent sen werden, wie Parlament und Bundesrat vorgeschlagen families. American Journal of Orthopsychiatry, 77, 38–48. haben. Die Stiefkindadoption soll in Zukunft nicht nur Herrmann-Green LK & Herrmann-Green M (2008) Ehepaaren, sondern auch Paaren in einer eingetragenen Familien mit lesbischen Eltern in Deutschland. Zeitschrift für Partnerschaft oder einer faktischen Lebensgemeinschaft Sexualforschung, 21, S. 319–340. offen stehen. Eine entsprechende Revision des Adopti- Nationale Ethikkomission im Bereich der Humanm edizin onsrechts ist derzeit in der Vernehmlassung. Sie vermin- (2014) Stellungnahme Nr. 22/2013. Die medizinisch dert die rechtliche Ungleichbehandlung von gleichge- unterstützte Fortpflanzung. Ethische Überlegungen und schlechtlichen Paaren wenigstens teilweise. Ein über die Vorschläge für die Zukunft. Stiefkindadoption hinausgehendes Adoptionsrecht für Rupp M (Hrsg. 2009) Die Lebenssituation von Kindern gleichgeschlechtliche Paare sieht der Bundesratsentwurf in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Bundes anzeiger Verlag, Köln. Tasker F & Patterson C J (2008) Research on gay and lesbian parenting: Retrospect and prospect. In: Tasker F & Bigner JJ (Eds.). Gay and Lesbian Parenting: New Directions. Der Dachverband Regenbogenfamilien, Haworth Press: New York, p. 9–34. der seit 2010 die Anliegen von Regenbogen- van Gelderen L, Bos H & Gartrell N, et al. (2012) Quality of familien vertritt, versteht sich als Ansprech- Life of Adolescents Raised from Birth by Lesbian Mothers. partner gegenüber Politik, Behörden und Journal of Developmental & Behavioral Pediatrics. 33(1):1–7. Öffentlichkeit. Rechtliche Gleichstellung und soziale Anerkennung von Regenbogen- familien sind die Ziele des Vereins. Es wer- Literaturtipps den Informationsveranstaltungen und Maxeiner A & Kuhl A (2010) Alles Familie! Vom Kind der Workshops rund um das Thema Regen neuen Freundin vom Bruder von Papas früherer Frau und bogenfamilien und Familiengründung orga- anderen Verwandten. Klett Kinderbuchverlag, Leipzig. nisiert. Für Familien werden Beratungen und Thorn P & Hermann-Green L Die Geschichte unserer Familie. Treffen in allen Landesteilen der Schweiz Ein Buch für lesbische Familien mit Wunschkindern durch angeboten. Ausserdem besucht der Dach- Samenspende. FamArt Verlag, Möhrf elden. verband Regenbogenfamilien Schulen und Bannwart B, Cottier M, Durrer C, Kühler A, Küng Z, Vogler A engagiert sich aktiv in der Familienpolitik. (Hrsg. 2013) Keine Zeit für Utopien? Perspekt iven der Lebens- www.regenbogenfamilien.ch formenpolitik im Recht. Dike Verlag AG, Zürich/St. Gallen. Caprez C (2012) Familienbande. Limmat Verlag, Zürich. Copur E (2008) Gleichgeschlechtliche Partnerschaft und das Kindeswohl. Stämpfli, Bern. 6 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5 2014
Wie mit Regenbogenfamilien umgehen? Wie für andere (werdende) Eltern so ist auch für queere Eltern die kompetente und respektvolle Begleitung während Schwangerschaft und Geburt von grösster Bedeutung. Wie aber unterscheiden sie sich von jenen? Das Selbstverständnis und die Bedürfnisse von queeren Eltern sind ganz unterschiedlich und allgemeingültige Aussagen sind darüber weder möglich noch sinnvoll. Da die gesellschaftliche und rechtliche Situation von Regen bogenfamilien aber nach wie vor anders aussieht als diejenige von heterosexuellen Familien, lassen sich für den Umgang mit Regenbogenfamilien einige hilfreiche «Faustregeln» festhalten. Patricia Purtschert, Zürich Meine Partnerin und ich teilen uns, wie so viel andere Queere Familien Paare, gewisse Dinge nach unseren Vorlieben auf. Dazu Regenbogenfamilien gibt es in unterschiedlichsten Kon- gehört, dass sie lieber telefoniert als ich. Als wir vor einem stellationen. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie nicht Jahr auf der Suche nach einer Beleghebamme waren, hat der herkömmlichen Vorstellung von Kernfamilie entspre- das nicht selten zu Verwirrung geführt. Wenn sich meine chen, die aus einer heterosexuellen Frau, einem hetero- Partnerin telefonisch vorgestellt und die wichtigsten sexuellen Mann und den gemeinsamen biologischen Eckdaten kommuniziert hat, hörte ich sie sagen: «Nein, Kindern besteht. Für queere Familien ist aber genau ihre schwanger bin nicht ich, sondern meine Partnerin. Wir jeweilige Konstellation real. Es ist deshalb zentral, dass sind ein Paar und erwarten unser zweites Kind.» Je nach ihre Familienform als selbstverständlich anerkannt wird. Gegenüber folgte dann eine längere oder kürze Klärungs- Dazu ein Beispiel: Lesbische Mütter werden oft nach dem phase. Solche Erfahrungen häufen sich zurzeit im Berufs- Vater ihrer Kinder gefragt. Auch wenn diese Frage meis- alltag von Schweizer Hebammen. Regenbogenfamilien tens nicht böse gemeint ist, kann sie mühsam und ver- machen zwar immer noch einen vergleichsweise kleinen letzend sein, weil sie suggeriert, dass eine Familie ohne Teil der Bevölkerung aus, aber deutlich mehr lesbische, Vater nicht vollständig sei. Auch einer Familie mit zwei bisexuelle, queere und Trans-Frauen oder schwule, bise- Vätern kann die ständige Frage nach der Mutter das Ge- xuelle und Trans-Männer werden heutzutage Eltern. (Im fühl geben, etwas Grundlegendes fehle dieser Familie. Folgenden verwende ich, wenn ich von lesbischen, Dabei ist die Sache äusserst einfach: Regenbogenfami- schwulen, bisexuellen, queeren oder Transgender-Eltern lien vermitteln meist sehr schnell und klar, wie sie sich spreche, den Begriff «queere Eltern», und wenn ich von verstehen und wer zur Familie gehört. Hier muss man an- ihren Familien spreche, die Begriffe «queere Familie» setzen – und nicht bei den eigenen Familienbildern im oder «Regenbogenfamilie».) Kopf. Natürlich ist respektvolles Nachfragen bei Unklar- heiten möglich – aber mit der nötigen Sensibilität. Wenn eine Hebamme nach der genetischen Herkunft des Kin- des fragt, weil es einen medizinischen Grund dafür gibt, wird das ganz anders wahrgenommen, als wenn sie aus Neugier fragt, wie denn das Kind «gemacht worden» sei. Zum sensiblen Umgang mit queeren Familien gehört auch, auf ihren Sprachgebrauch zu hören. Wenn zwei les- bische Mütter vom «Samenspender» statt vom «Vater» sprechen, weil mit letzterem eine Rolle assoziiert wird, die es in ihrer Familie nicht gibt, ist es angebracht, diesen Begriff aufzunehmen. Auch den Begriff Co-Mutter, den manche für diejenige Mutter verwenden, die das Kind nicht ausgetragen hat, lehnen viele queere Eltern ab. Sie betonen, dass diese nicht weniger Mutter ist und deshalb auch so bezeichnet werden soll. Patricia Purtschert ist Philosophin und Kultur Wichtig ist auch, queere Eltern sichtbar zu machen und wissenschaftlerin, u.a. mit dem Schwerpunkt Gender ihnen das Gefühl zu geben, sie seien willkommen. Das Studies. Sie arbeitet zurzeit an einem Forschungs bedeutet etwa, dass bei Geburtsvorbereitungskursen projekt zur postkolonialen Schweiz an der ETH Zürich. und Informationsveranstaltungen auch von der Partne- rin der Schwangeren und nicht nur vom Partner gespro- chen wird. Oder queere Eltern auf Websiten und Informa- tionsmaterialien von Geburtshäusern und Hebammen zu erwähnen. Allerdings reicht es nicht immer aus, die lesbische Mutter «dazuzuaddieren». Es kann beispiels- 5 2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 7
Dossier weise sein, dass sich diese im Geburtsvorbereitungskurs künftigen Vaters behandelt wird. Dieses Beispiel macht manchmal lieber mit den schwangeren Frauen als mit deutlich, wie wichtig es für die Hebamme zu wissen ist, den Vätern austauscht. Queere Eltern ernst zu nehmen, wer die Elternschaft übernehmen wird. Wer einfach auf beinhaltet darum auch die Bereitschaft, die gewohnten das bekannte «Mami-Papi-Kind»-Modell zurückgreift, Abläufe anders zu gestalten. wird dem angesprochenen Beispiel der Vierer-Konstella- tion nicht gerecht – einerseits, weil die eine Mutter und Queere Elternschaften der eine Vater ausgeschlossen werden, andererseits, weil Die Situation jenes Elternteils, der keine genetische die andere Mutter und der andere Vater wie ein hetero- Beziehung zum Kind hat, ist in unserer Gesellschaft sexuelles Paar behandelt werden, das sie nicht sind. schwierig: oftmals muss er darum kämpfen, als Elternteil gesehen zu werden. Für die Zusammenarbeit mit der Queere Schwangerschaften Hebamme ist es darum zentral, dass alle Eltern und zu- Was Männer und Frauen ausmachen, das wird in unserer künftigen Eltern als solche behandelt werden. Im Falle Gesellschaft noch immer stark anhand heterosexueller eines lesbischen Paares soll also die nicht-schwangere Normen definiert: So heisst es, Frauen und Männer seien Mutter selbstverständlich einbezogen werden. Bei Dreier- verschieden und würden sich ergänzen. Frauen gelten oder Viererkonstellationen ist wichtig, dass nicht eine dann beispielsweise als emotional kompetent und für- Unterscheidung zwischen denjenigen mit und denjeni- sorglich, Männer hingegen als rational und durchset- gen ohne genetischen Bezug zum Kind getroffen wird. zungsfähig. Die feministische Bewegung thematisiert Ein Beispiel dazu: Ein lesbisches Paar kriegt gemeinsam schon seit Jahrzehnten, dass solche Aufteilungen höchst mit einem schwulen Paar ein Kind. Die Väter werden das problematisch und keineswegs von Natur aus gegeben Kind eineinhalb Tage die Woche, die Mütter dreieinhalb sind. Dennoch sind sie noch weit verbreitet. Was bedeu- Tage die Woche betreuen. An den Wochenenden wech- tet dies für queere Menschen? seln sie sich ab. Alle vier verstehen sich als Eltern. Die Erstens: Queere Beziehungen ticken oftmals anders als nicht-schwangere Frau macht nun aber die Erfahrung, heterosexuelle. Viele orientieren sich nicht am Modell dass sie häufig nur als Partnerin der Mutter angesprochen der Komplementarität, sondern eher an Vorstellungen wird, während der schwule Freund, der der genetische von Gleichheit. So zeigen Studien, dass Erwerbs- und Vater ist, selbstverständlich als Vater gilt. Das verletzt Haushaltsarbeit in homosexuellen Beziehungen egalitä- sie, umso mehr als sie gemeinsam mit ihrer Partnerin die rer aufgeteilt werden als in heterosexuellen. Für die Er- Hauptarbeit leisten und das Kind grösstenteils betreuen. eignisse um Schwangerschaft und Geburt bedeutet Schwierig ist die Situation aber auch für denjenigen Vater dies, dass die nicht-schwangere Frau die schwangere ohne genetischen Bezug zum Kind, weil er von vielen oftmals sehr nahe begleitet. Unter Umständen hat sie nicht als Vater, sondern ebenfalls nur als Partner des zu- auch bereits ein Kind geboren oder beschäftigt sich mit dem Gedanken, dies noch zu tun. Auch dadurch kann sich eine besondere Anteilnahme an den Vorgängen im Körper der Partnerin ergeben. Weiter ist die Sexualität ( Comment faire avec les familles arc-en-ciel ? von queeren Personen ein zentraler Punkt, der von der Par des exemples de configurations plus ou Norm abweicht. Für Fragen rund um Schwangerschaft, moins complexes, l’auteure montre pourquoi Geburt, Wochenbett, Verhütung und Sexualität ist es il faut sortir du schéma «Mère / père / enfant» deshalb hilfreich, wenn eine Hebamme ein Grundwissen pour suivre les familles «queer» sans les heurter über queere Sexualitäten hat oder zumindest die Bereit- ni les stigmatiser. schaft mit sich bringt, über alternative Formen von Sexu- Evitons d’abord les questions qui font preuve alität zu sprechen. Auch bei Fragen rund um die Familien- d’une curiosité mal placée (y compris celles planung stellen sich für queere Eltern andere Fragen und portant sur la sexualité). Prenons en compte sie benötigen andere Informationen als heterosexuelle un certain nombre de réalités, entre autres: Paare. Ein lesbisches Paar möchte vielleicht erfahren, wie – Le partage des tâches est plus égalitaire au man selber eine Insemination vornimmt und auf welche sein des couples de même sexe. Geschlechtskrankheiten der Samenspender getestet wer- – L a «deuxième» mère peut déjà avoir été mère den soll. Und ein Transmann möchte wissen, wann er mit elle-même ou désirer le devenir plus tard, der Verwendung von Testosteron, das er für die Schwan- si bien qu’elle se sent davantage proche du gerschaft abgesetzt hatte, wieder beginnen kann. Um corps de sa partenaire enceinte. diesen Bedürfnissen gerecht werden zu können, ist es – Les lesbiennes ont tendance à s’écarter de wichtig, queere Familien in der Ausbildung und Weiter- l’image idyllique de la féminité supposée bildung von Hebammen zu thematisieren. «naturelle» de la femme enceinte: elles n’en Und schliesslich nehmen sich viele queere Frauen die sont pas pour autant moins mères. Freiheit heraus, Aspekte von alternativen Weiblichkeiten – Les normes dominantes ne sont pas toujours oder von sogenannt «männlichen» Geschlechtsidentitä- appréciées par les couples hétérosexuels, ten für sich zu reklamieren. Manche schwangere Lesben car elles ne correspondent ni à leur quotidien haben deshalb (wie übrigens auch nicht wenige hetero- ni à leurs désirs. Cela est vrai aussi pour sexuelle Frauen) Schwierigkeiten, sich in den vorherr- les familles «queer». schenden Bildern von Schwangerschaft und Mutter- schaft wiederzuerkennen. Wurde mir beispielsweise gesagt, in der Schwangerschaft käme meine natürliche 8 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5 2014
Weiblichkeit zum Ausdruck, hat mich das immer ratlos Die Arbeit mit Regenbogenfamilien macht es nötig, ver- gemacht. Zu oft in meinem Leben wurde mir vermittelt, traute und als selbstverständlich geltende Vorstellungen meine lesbische Lebensweise oder mein feministisches von Elternschaft und Familie infrage zu stellen. Das ist Selbstverständnis seien «unnatürlich» – was soll ich nun nicht nur hilfreich im Umgang mit queeren Menschen. damit anfangen, dass mein schwangerer Körper plötz- Es ermöglicht auch einen kritischen Blick auf dominante lich wunderbar «natürlich» sein soll? Besonders schwie- Vorstellungen von Weiblichkeit, Männlichkeit, Eltern- rig sind solche Norm-Bilder von Weiblichkeit für Trans- schaft und Familie. Nach wie vor sind sehr eingeschränkte männer. Dazu wiederum ein Beispiel: Ein Transmann Vorstellungen davon vorherrschend, wie Familien aus sucht Wege, um seine Schwangerschaft mit seinem zusehen und wie Väter und Mütter sich zu verhalten männlichen Selbstverständnis zusammenzubringen. Er haben. Dies, obwohl die Realität der meisten Familien hüllt den wachsenden Bauch in weite Pullover oder be- anders aussieht. Die Erfahrungen von Single-Müttern wegt sich so, als hätte er einen «Bierbauch». Eigentlich und -Vätern, Patchworkfamilien, Eltern mit Verbindun- klappt das ganz gut, der Transmann arrangiert sich mit gen zu anderen Kulturen und queeren Menschen sowie seinem neuen Körper und das Baby gedeiht in seinem von all denjenigen, bei denen sich solche Aspekte über- Bauch. Anstrengend ist aber, dass ihm immer wieder na- schneiden, werden so an den Rand gedrängt. Die vorherr- hegelegt wird, er müsse sich während der Schwanger- schenden Normen zielen aber auch an den Realitäten schaft «weiblich» und «mütterlich» fühlen. Zuweilen er- und Wünschen von zahlreichen heterosexuellen Familien innert ihn dies schmerzlich an die Zeit vor und während vorbei, die sich in jenen nicht wiedererkennen können der Transition, als er darum kämpfen musste, mit dem oder wollen. männlichen Pronomen und Vornamen angesprochen und als Mann gesehen zu werden. Auch dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es im Umgang mit queeren Menschen Kontakt ist, bestehende Vorstellungen hinter sich zu lassen. Um Dr. Patricia Purtschert die Erfahrung eines schwangeren Transmannes ernst- Geschichte der modernen Welt nehmen zu können, muss der Zusammenhang von ETH Zürich Clausiusstrasse 59, Raum RZ E 8.2, 8092 Zürich Schwangerschaft und Geschlecht radikal neu angegan- www.phil.ethz.ch gen werden. patricia.purtschert@gess.ethz.ch Besondere Familien … nicht besser, nicht schlechter – einfach anders! Die Unterrichtseinheit «Besondere Schwangerschaften und Familien» im Bachelor- Studiengang Hebamme, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Ilke Hasler, Dozentin BSc-Studiengang Hebamme, ZHAW, Winterthur Der gesellschaftliche Lebensentwurf von Regenbogen- auftrages. Abschliessend findet eine Diskussion mit einer familien ist im Hebammenstudium an der ZHAW im letz- Gynäkologin mit Arbeitsschwerpunkt Regenbogenfami- ten Theoriesemester Thema in der Unterrichtseinheit lien und einer Mutter aus einer Regenbogenfamilie statt. «Besondere Schwangerschaften und Familien». Dies Die Studentinnen profitieren dabei von den persönlichen unter dem Aspekt, dass Anderssein nicht nach dem Erfahrungen der beiden Diskussionsteilnehmerinnen und Kriterium besser oder schlechter, sondern als Vielfalt können weitere rechtliche und fachliche Fragen klären. von Menschen, Lebensentwürfen und Möglichkeiten zu bewerten ist. «Nicht besser, nicht schlechter – und gar nicht so an- In der Unterrichtseinheit analysieren die Studentinnen ders», lautet häufig das Resümee von Hebammenstu- die besonderen Bedürfnisse, Herausforderungen und dentinnen nach dem Unterricht. Wie jede andere Familie Schwierigkeiten von Regenbogenfamilien. Ebenso eruie- haben Regenbogenfamilien ein Anrecht auf eine bedürf- ren sie deren rechtliche und medizinische Voraussetzun- nisorientierte, respektvolle und professionelle Hebam- gen sowie disziplinäre und interdisziplinäre Unterstüt- menbetreuung. Dies bedingt Sensibilität und Offenheit zungsangebote. Ausserdem setzen sich die Studentinnen gegenüber nicht-traditionellen Familienformen und ein mit ihren eigenen Werten und Normen auseinander, spezifisches Fachwissen, um diese Familien im Rahmen um ihre Haltung zum Thema Regenbogenfamilien zu von Best Practice und entsprechend den Kompetenzen reflektieren. partizipativ und evidenzbasiert betreuen und beraten zu Neben einer Einführung ins Thema mit Inputvorlesung, können. Videosequenzen und Diskussionen beinhaltet der Unter- richt das Verfassen von Skripten anhand eines Studien- 5 2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 9
Fokus Über die Brüchigkeit der gesellschaft lichen Toleranz – ein Kommentar Martin Dannecker, Berlin (D) Die deutsche Bundeskanzlerin, die hartnäckig an ihrer Was sich am Widerstand gegen die volle rechtliche ablehnenden Haltung zum Adoptionsrecht für lesbische Gleichstellung von schwulen und lesbischen Beziehun- Frauen und schwule Männer festhält, gratuliert dem gen mit der Ehe ablesen lässt, ist die Brüchigkeit der ehemaligen Profifussballer Thomas Hitzlsperger nach in den vergangenen Jahren scheinbar durchgesetzten dessen Interview in der Wochenzeitung «Die Zeit», in gesellschaftlichen Toleranz gegenüber sexuellen und dem er Anfang dieses Jahres die Öffentlichkeit darüber geschlechtlichen Minderheiten. Diese Toleranz war, wie informierte, dass er lieber mit einem Mann zusammenle- sich jetzt herausstellt, für viele konservativ gestimmte ben möchte – als ob Hitzlsperger Geburtstag gehabt Heterosexuelle nicht mehr als ein kündbares Duldungs- hätte. In Frankreich rottet sich nach der parlamentari- verhältnis, das darauf baute, dass es die Schwulen und schen Verabschiedung der von der sozialistischen Regie- Lesben mit ihrem Anspruch auf Anerkennung nicht gar rung durchgesetzten «Homo-Ehe» ein homophober Mob zu weit treiben würden. Jetzt aber, wo die Forderung zusammen, der die traditionelle Familie in Gefahr sieht. nach einer völligen rechtlichen Gleichstellung immer In England und Wales wurden dieser Tage die ersten Ehen entschiedener erhoben wird und die Toleranz durch Ak- von lesbischen Frauen und schwulen Männern geschlos- zeptanz abgelöst werden soll, wird offenbar, dass diese sen. Auf den Weg gebracht wurde das entsprechende Ge- Form der Toleranz die Anerkennung anderer Sexualitä- setz durch eine Koalition aus Konservativen und Libera- ten und Lebensformen nie im Sinn hatte. Das Schnitt- len. Der Widerstand gegen die von Premierminister David muster dafür liefert die katholische Kirche, die nach ihrer Cameron begeistert gefeierte rechtliche Gleichstellung nach wie vor gültigen Lehre Schwule nur duldet, wenn von Schwulen und Lesben ist in Grossbritannien ver- sie ihre Sexualität nicht oder wenigstens mit gesenktem gleichsweise milde ausgefallen. In Baden-Württemberg, Haupt leben. wo nach den Bildungsplänen der Landesregierung fä- cherübergreifend über homosexuelle, bisexuelle und Nun kann man sich natürlich fragen – und einige Kritiker transgender Lebensformen informiert werden soll, um der Forderung nach einer «Homo-Ehe» aus den Reihen für diese Akzeptanz zu schaffen, wurde eine Online-Peti- der Schwulen- und Lesbenbewegung haben das auch tion lanciert, um das zu verhindern. In der Schweiz soll getan –, ob hinter dem Verlangen nach dem Recht auf eine Volksabstimmung darüber befinden, ob die Ehe als Eheschliessung und Adoption nicht eine undurchschaute eine für Männer und Frauen reservierte Institution in der Verfassung verankert wird. Diese Schlaglichter auf die europäische Landschaft zeigen, wie disparat es im Hinblick auf die Rechte von lesbischen Frauen und schwulen Männern in diesem Kulturkreis zu- geht. Vor allem am vollen Adoptionsrecht entzündet sich die Debatte. Dabei ist das Argument, dass Kinder zu ihrer gedeihlichen Entwicklung in einer traditionellen Familie aufwachsen sollten, schon längst obsolet. Denn nicht wenige Kinder wachsen seit geraumer Zeit unter hetero- sexuellen Vorzeichen nicht innerhalb einer traditionellen Familie, sondern in Patchworkfamilien heran oder allein mit ihren Müttern oder Vätern. Auch ist längst bekannt, dass die traditionelle Familie keineswegs ein Garant für Martin Dannecker Dr. phil., war bis 2005 Professor eine gedeihliche und ungestörte Kindheit ist. Nicht mehr und stellvertretender Direktor am Institut für Sexual- ganz unbekannt ist inzwischen auch, dass sogenannte wissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt Regenbogenfamilien ein ebenso guter Ort für Kinder sein am Main. Seine Forschungsschwerpunkte lagen auf den Gebieten männliche Homosexualität, HIV/Aids, können wie Familien anderer Art. Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierungen. Gegenwärtig forscht er über Sexualität im Internet. Zu diesen und anderen Themen liegen von ihm zahl reiche Publikationen vor. Martin Dannecker war lange Jahre Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesell- schaft für Sexualforschung und ist Mitherausgeber der im Psychosozial-Verlag erscheinenden «Beiträge zur Sexualforschung». 10 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5 2014
Anpassung an die Heteronormativität steht. Von diesen Abzulesen ist das an den Bildern, die nach den ersten Kritikern wird die Befürchtung geäussert, dass nach der Eheschliessungen von schwulen Männern und lesbischen Durchsetzung der Ehe für Schwule und Lesben die Ehe Frauen aus den Ländern, die dieses Recht eingeräumt ha- auch unter diesen normativ zu einer besseren Lebens- ben, in die Welt geschickt werden. Diesen Bildern eignet form erhoben werden könnte. Das könnte dazu führen, durchaus etwas Demonstratives. Aber man sollte sich dass andere unter schwulen Männern und lesbischen darüber nicht mokieren, sondern im Kopf behalten, dass Frauen verbreitete Lebensformen als fragwürdig ange- die demonstrative Zurschaustellung schwuler und lesbi- sehen oder sogar diskreditiert werden. Diese Befürch- scher Eheschliessungen in den Medien auf jene zurück- tung ist deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil sich gehen, die die Ehe für schwule und lesbische Menschen in der Geschichte der Homosexuellenbewegung immer für ein Unding halten bzw. gehalten haben. wieder gezeigt hat, dass die von den gesellschaftlichen Normalitätsvorstellungen besonders stark abweichen- Abgesehen davon muten die Bilder, die von schwulen und den schwulen Lebensformen oder Verhaltensweisen lesbischen Eheschliessungen in den Medien auftauchen, von den Homosexuellen selber exkludiert wurden. Des- aber in höchstem Mass heterosexuell an. Auf diesen sind halb ist die Möglichkeit auch nicht ganz ausgeschlos- zwar zwei Frauen oder zwei Männer zu sehen. Aber an- sen, dass statt der von Schwulen und Lesben so häufig sonsten wirken sie so, als ob sie von einer heterosexuellen beschworenen sexuellen Vielfalt im Zuge ihrer Forde- Heiratsagentur in Szene gesetzt worden wären. Jeden- rung nach der Durchsetzung der «Homo-Ehe» sich eine falls in der Regel. Oft reicht es nicht einmal zur ironischen an dieser orientierte Eindimensionalität der angestreb- Brechung der traditionellen Eheschliessungszeremonien. ten und als gelungen angesehenen Lebensform heraus- Diese Kopien traditioneller Zeremonien durch homo stellt. sexuelle und lesbische Paare kommen meines Erachtens dadurch zustande, dass es diesen zuvor nicht gelungen Tatsächlich mussten die in einer Paarbeziehung leben- ist, Formen zu finden, die nach innen (für das Paar) und den Homosexuellen bislang immer nachweisen, dass ihre nach aussen (für die FreundInnen und Familienmitglie- Beziehungen dem Ideal einer sich gegenseitig achtenden der) symbolisieren, dass sie es auch ohne Ehe ernst mitei- Liebe entsprechen. Heterosexuellen Paaren wurde das nander meinen. Warum nur braucht es den Akt der Ver- Erreichen dieses Ideals zuerst einmal zugestanden. Sie partnerung oder der Eheschliessung, um aus der Liebe, mögen an diesem Ideal scheitern, aber ihnen wird konze- die schwule Männer oder lesbische Frauen füreinander diert, dass sie sich von ihm leiten lassen. Vor allem von empfinden, ein Fest zu machen, zu dem Freundinnen und schwulen Männern wurde, wegen des von einigen von Freunde, Geschwister, Väter und Mütter eingeladen wer- ihnen gepflegten sexuellen Lebensstils, häufig behaup- den? Die gleiche Frage kann man sich auch für nichtver- tet – und das keineswegs nur an Stammtischen –, sie heiratete heterosexuelle Paare stellen. Denn auch diese seien nicht liebes- und beziehungsfähig. Es ist deshalb haben keine Form gefunden, die ihre Liebe zugleich nach auch nicht überraschend, wenn gerade sie die Forderung innen und aussen als dauerhaft gemeint akzentuiert. Ob- nach einer gleichberechtigten Ehe gleichsam mit dem wohl unverheiratete Paare, gleich ob homo- oder hetero- Nachweis verbinden, dass auch sie liebend und verant- sexuell, schon längst eine gesellschaftliche Selbstver- wortungsvoll füreinander einstehen. Damit aber zeigen ständlichkeit sind, feiern sie ihre Beziehung öffentlich erst sie nur, wie tief verstört die Psychopathologisierung ih- im Moment ihrer staatlichen Legitimierung. Das ist eine rer Sexualität und ihrer Liebesbeziehungen sie zurückge- durchaus merkwürdige gesellschaftliche Praxis, deren lassen hat. Denn diese hatte ihnen ja genau das abge- Bedeutung entschlüsselt werden sollte, weil sie nach wie sprochen, was sie jetzt mit der Forderung nach einer vor etwas über den unterschiedlichen Rang von «Bezie- Eheschliessung auch für sich nachzuweisen versuchen, hungen mit und ohne Trauschein» aussagt. nämlich liebesfähig, beziehungsfähig und verantwor- tungsvoll zu sein. Das waren homosexuelle Männer und Eines aber dürfte durch die Reaktionen auf die Einfüh- lesbische Frauen aber schon immer, auch wenn sich vor rung der «Homo-Ehe» in Frankreich und die zahlreichen allem die Sexual- und Liebesbeziehungen der homo homophoben Aktionen anderenorts, zu denen nach wie sexuellen Männer von dem normativen heterosexuellen vor auch die antihomosexuelle Gewalt gehört, klar ge- Muster unterschieden. worden sein: Durch die Anerkennung von Schwulen und Lesben als rechtlich Gleiche ist die gleiche Gültigkeit die- Es geht bei der Forderung nach der «Homo-Ehe» demnach ser Sexualformen im psychischen Haushalt der Mehrheit nicht nur um die rechtliche Gleichstellung, gegen die kein noch lange nicht durchgesetzt und die Diskriminierun- vernünftiger Mensch etwas einzuwenden vermag. Einer gen sind keineswegs abgetragen. Dass diese in der Regel Gruppe, die bis vor kurzem wegen ihrer sexuellen Orien- subtiler geworden sind und die Homophobie tiefer ver- tierung von der Eheschliessung und der mit ihr einherge- drängt wurde als zuvor, ist freilich unzweifelhaft. Gerade henden symbolischen Bedeutung ausgeschlossen wurde, das macht es aber schwer, sie zu erkennen und sowohl muss es bei ihrer Forderung nach der Ehe zwangsläufig politisch als auch individuell adäquat auf sie zu reagieren. auch für sie um mehr gehen als um die rechtliche Gleich- Nicht auszuschliessen ist nach wie vor auch eine Wieder- stellung. Die bisherige Aberkennung des Eherechts für kehr des Verdrängten als offene Homosexuellenfeind- schwule Männer und lesbische Frauen führte dann auch lichkeit, wie wir sie gerade in Russland und in einigen an- paradoxerweise dazu, dass die Eheschliessung für diese deren Ländern der Welt beobachten. eine grössere psychologische Bedeutung hat, als sie das inzwischen für heterosexuelle Männer und Frauen hat. 5 2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 11
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