Obstetrica - Hebammenausbildung La formation des sages-femmes - Das Hebammenfachmagazin / La revue spécialisée des sages-femmes

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Obstetrica - Hebammenausbildung La formation des sages-femmes - Das Hebammenfachmagazin / La revue spécialisée des sages-femmes
No 9
                              2018

Obstetrica
 Das Hebammenfachmagazin / La revue spécialisée des sages-femmes

     Hebammenausbildung
La formation des sages-femmes
Obstetrica - Hebammenausbildung La formation des sages-femmes - Das Hebammenfachmagazin / La revue spécialisée des sages-femmes
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                                                      Neu                     Ein völlig neues
                                                      auf
                                                    e - log
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                                                                              so individuell
                                                                                                            ie Ihre Mü
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                                                                                                                                 M

                                                                                                                                           H
                                                                                                                                 GETESTET

                                                                                                                                 M

                                                                                                                                            RT
                                                                                                                                 HR

Weiterbildung:
                                                                                                                                      KO M F O

                                                                                                                                 E
Mehr Können dank Wissen
Mit Einzeltagen und Modulen des Master of
Advanced Studies Hebammenkompetenzenplus.
                                                                              medela.ch
Current Clinical Topics

                                                                                                                                                 EU
3. 10. 2018         Versorgung von Dammverletzungen

                                                                                                                                        N
13. 11. 2018        Hebammengeleitete Geburten aus berufs-
                    und gesundheitspolitischer Sicht
14. 11. 2018        Pathologie der Geburt
29. 11. 2018        Schmerzerleben unter der Geburt
30. 11. 2018        Simulationstraining geburtshilfliche Notfälle Inserat_Bambinimäss_90x131mm.indd 1                                             10.08.18 09:21
16. + 17. 1. 2019 Transkulturelle Kompetenz & Anamnese
12.2.2019           Stress nach der Geburt & Stufengerechtes
                                                                              125 Jahre
                    Screening für postnatale Depressionen
13. 2. 2019         Kindeswohl – Kindesschutz                                             Unser Neuer!
28. 2. 2019         Dolmetschen in medizinischen Gesprächen
28. 2. + 1. 3. 2019 Hebammenrelevante Modelle und Konzepte
                                                                                     Der Therapie-Minilaser 3120
                                                                                          Der kompakteste Laserstift in seiner
6. + 7. 3. 2019     Interkulturelle Begegnungen & Religiöse                               Leistungsklasse
                    Hintergründe
13. 3. 2019         Evidenzbasierte Betreuung im physiologischen
                    Wochenbett
14. 3. 2019         Pathologien im Wochenbett und beim Stillen
20. 3. 2019         Psychopathologie im Kontext von
                    Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett

Module
3. 10. 2018    Geburtsbetreuung durch die Hebamme
29. 10. 2018   Risikoschwangerschaft
                                                                                                                                                      © 04824-17 · E+T

16. 1. 2019    Transkulturelle Kompetenzen
12. 2. 2019    Wochenbettbetreuung durch die Hebamme
28. 2. 2019    Hebammenarbeit im Kontext von Best Practice                    Jede Woche neue
                                                                              Jubiläumsangebote
20. 3. 2019    Regelwidrigkeiten in der Geburtshilfe

Gerne berate ich Sie bei der Planung:
Regula Hauser, MPH                                                            in unserem Shop
Leiterin Weiterbildung Hebammen
058 934 64 76 / regula.hauser@zhaw.ch

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EDITORIAL

                                                                      Liebe Leserin,
                                                                       lieber Leser

                                               N
                                                         achdem ich die Anfrage erhielt, das Editorial für die erste Neu­
                                                         ausgabe zu schreiben, jubelte mein Herz, streikte mein Magen und
                                                         rotierte mein Gehirn. Kurzum: Mich hatte der Mut ebenso schnell
                                           verlassen, wie er gekommen war. Aber Mut heisst machen, heisst zuversichtlich
                                           sein, heisst Kräfte bündeln. Und wie Sie sehen können, hat er nicht nur ein
                                           paar Einstiegszeilen zu Tage gefördert, sondern ein ganzes Redesign zustande
                                           gebracht. Mut war und ist die vorantreibende Kraft, um neue Wege gehen,
                                           neues Terrain zu betreten und neue Lösungsansätze entwickeln zu können.
                                           Genau das tat der Schweizerische Hebammenverband, als er frohen Mutes
                                           voranschritt und vehement auf ein frisches, zeitgemässes Erscheinungsbild
                                           gesetzt hat. Und wie Sie bereits festgestellt haben, halten Sie in diesem Moment
                                           einen dieser Bestandteile in den Händen.
                                           Bitte verzeihen Sie mir an dieser Stelle, wenn ich den trivialen Vergleich mit
                                           einer Geburt anbringe. Aber wie auch im Geburtsprozess lag ein gewaltiger
                                           Kraftakt hinter uns mit ebenso euphorischen und wie auch schweisstreibenden
                                           Momenten, bis das «Baby» «Obstetrica» am 17. April unter speditivem Einsatz
«Wir sind darauf bedacht,                  aller Involvierten die Welt erblickte. Schlagartig waren Mühen und Anspann­
den gewahrten, adäqua­                     ungen beim Anblick des frisch gebackenen Covers gewichen. Neben dem
                                           Titelnovum sowie den detaillierten optischen Veränderungen werden Sie auch
ten Anspruch beizubehalten                 in Zukunft nicht auf fachlich gut recherchierte Artikel verzichten müssen.
und dies unter dem                         Wir sind darauf bedacht, den gewahrten, adäquaten Anspruch beizubehalten
                                           und dies unter dem kreativen Deckmantel zu gewährleisten. So wurden
­kreativen Deckmantel zu                   ­Rubriken neu definiert und gegliedert, Leitartikel mehr in den Fokus gerückt
 gewährleisten.»                            und grosszügiger dargestellt. Zudem spielen erstmals Farbe und das Element
                                            Bild eine fundamentale Rolle. Entsprechend findet ein Wechselspiel mit Bildern,
                                            Piktogrammen, Flächen und neu aufgestellter Typografie statt, um Infor­
                                            mationen ansprechender und prägnanter zu visualisieren. Das neue Layout
                                            ist bewusst auffälliger, grosszügiger, farbiger, innovativer, begieriger, moder­
                                            ner, lauter und mutiger geworden, um auch in Zukunft, durch einen visuellen
                                            Aufschwung, in einer informationsdurchfluteten Gesellschaft Bestand zu
                                            haben. – «Der Kopf ist rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann»:
                                            Mit diesen Worten von Francis Picabia möchte ich abschliessen und wünsche
                                            Ihnen viel Vergnügen beim Blättern.

Antje Kroll-Witzer                         Herzlich,
studierte von 2004 bis 2008 Kommuni­       Ihre
kationsdesign an der Hochschule Konstanz
Technik, Wirtschaft und Gestaltung. Seit
2015 leitet sie ihr eigenes Designstudio
la kritzer. www.la-kritzer.ch              Antje Kroll-Witzer

                                                                        Obstetrica   03
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I N H A LT   Obstetrica

                        Im Überblick
     08

                                                               22

                                                                                                                 14
T I T ELT H EM A                                                    FOKUS

08                                       03                         22
«Die Akademisierung stärkt               Editorial                 Forschung
den Berufsstand der Hebammen»             Antje Kroll-Witzer        Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Gespräch mit Martina Apel                                           im Bereich der Frühen Förderung
und Céline Schick                        06                         Jessica Pehlke-Milde, Rebekka Erdin,
                                         Kurz gesagt                Irina Radu, Susanne Grylka-Bäschlin,
                                                                    Astrid Krahl
14                                       28
«Der Wandel hat sich gelohnt»            Verband                    34
Mona Schwager                                                       Fort- und Weiterbildung
                                         33
18                                       Sektionen                  58
Erfahrungen                                                         Stellenangebote
Chantal Staub, Ramona Burri, Larissa
Pompeo, Luzia Rappo, Noemi Berecz                                   13
                                                                    Impressum
21
Literaturempfehlungen

THEMA DER
AUSGABE 10/2018

Arbeitsmodelle                                                      Titelbild: iStockphoto 540512758, sorbetto

04                                       Obstetrica
Obstetrica - Hebammenausbildung La formation des sages-femmes - Das Hebammenfachmagazin / La revue spécialisée des sages-femmes
Obstetrica   CONTENU

                                        Aperçu
    54                                                                                                         40

                                           38

                                                                    50
GRAND ANGLE                                                                      FOCUS

40                                      37                                       50
Académisation de la formation:          Editorial                               Recherche
quels effets, quelles perspectives?      Antje Kroll-Witzer                      Collaboration interdisciplinaire
Nadine Oberhauser, avec les                                                      dans le domaine du développe-
­interviews de Daniela del Vecchio,     38                                       ment de la petite enfance
 Marika Santaga-Ehinger, Désirée        En bref                                  Jessica Pehlke-Milde, Rebekka Erdin,
 Gerosa et Emanuela Gerhard                                                      Irina Radu, Susanne Grylka-Bäschlin,
                                        29                                       Astrid Krahl
                                        Fédération / Federazione
46
Les défis de la                         13                                       54
pédagogie inversée                      Impressum                                Travail de bachelor
Catia Nunno Paillard                                                             Le sentiment de cohérence
                                                                                 des femmes: quels impacts
                                                                                 Camille Bérard, Anaïs Bonny

                                                                                 35
                                                                                 Formation continue

                                                                                 57
                                                                                 Les offres d’emploi
THÈME DE
L’ É D I T I O N 1 0 / 2 0 1 8

Les différents modèles professionnels

                                                                   Obstetrica    05
Obstetrica - Hebammenausbildung La formation des sages-femmes - Das Hebammenfachmagazin / La revue spécialisée des sages-femmes
KURZ GESAGT

        LactaPedia: Onlineglossar über                    Ernährungstipps für Säuglinge                           Bundesrat will Mittel
           Stillen und Muttermilch                        und Kleinkinder online abrufen                           der Spitex kürzen

       Die Familie Larsson-Rosenquist Stiftung und       Neu können Eltern, Betreuungspersonen und        Aufgrund der Evaluation der seit 2011 gel­
       die University of Western Australia lancieren     weitere Interessierte auf www.kinderanden­       tenden Pflegefinanzierung und der darin gel­
       gemeinsam LactaPedia – A Glossary of Lac­         tisch.ch Ernährungstipps für Säuglinge und       tenden Kostenneutralität hat der Bundesrat
       tation for Science and Medicine. LactaPedia       Kleinkinder online abrufen. Die Webseite er­     Anfang Juli vorgeschlagen, die Beiträge der
       ist eine frei zugängliche Onlineplattform für     gänzt die Broschüre und den Flyer «Ernährung     Versicherer an ambulante Pflege zu Hause
       eine einheitliche und forschungsbasierte          von Säuglingen und Kleinkindern». Der Flyer      um 3,6 % zu senken. Auch wenn die Beiträge
       Terminologie im Bereich der Muttermilchfor­       ist neu aufgrund grosser Nachfrage auch in       an die Pflegeheime steigen sollen, ist dieser
       schung. Das Ziel des Onlineglossars ist, eine     der Sprache Tigrinisch verfügbar. In Zusam­      Vorschlag für den Schweizer Berufsverband
       konsistente Terminologie – und damit auch         menarbeit mit der Schweizerischen Gesell­        der Pflegefachpersonen (SBK) absolut unver­
       ein konsistentes Verständnis von Stillen und      schaft für Ernährung und der Schweizerischen     ständlich. «Die Spitexpflege ist bereits jetzt
       Muttermilch – zu etablieren. LactaPedia rich­     Gesellschaft für Pädiatrie hat das Bundesamt     notorisch unterfinanziert. Will man eine qua­
       tet sich an Wissenschaftler, medizinische         für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwe­      litativ gute pflegerische Versorgung im am­
       Fachkräfte und Gesundheitsexperten, wird          sen zudem die Grafik «Einführung der Lebens­     bulanten Bereich sicherstellen, müssen die
       aber auch für die Öffentlichkeit zugänglich       mittel beim Säugling» grafisch und inhaltlich    Pflegeleistungen besser finanziert werden.
       sein. Das Onlineglossar wird ebenfalls Teil       überarbeitet. Diese neue Version ist ebenfalls   Die vom Bundesrat vorgeschlagene Kürzung
       des von der Familie Larsson-Rosenquist Stif­                auf der Website zu finden.             führt dazu, dass der Druck auf die Spitex-Mit­
       tung herausgegebenen Fachbuchs «Breast­                  Weitere Informationen unter               arbeitenden und die freiberuflichen Pflege­
       feeding and Breast Milk – from Biochemistry               www.kinderandentisch.ch                  fachpersonen weiter steigt. Damit wird die
       to Impact» sein, das Ende September erschei­                                                       Abwanderung von Personal aus den Pflege­
                          nen soll.                                                                       berufen zusätzlich verstärkt. Das ist in Zeiten
               Weitere Informationen unter                                                                des Fachkräftemangels ein völlig falsches
                   www.lactapedia.com                                                                     ­Signal», ärgert sich Yvonne Ribi, Geschäfts­
                                                                                                                        führerin des SBK.
                                                                                                          Der SBK fordert mit der Pflegeinitiative eine
                                                                                                          bessere Finanzierung der Pflegeleistungen.
                                                SHV prämiert                                              Diese wird demnächst in den Räten behan­
                                                                                                          delt. «Wir haben in weniger als acht Monaten
                                               ­Bachelorarbeit des                                        genug Unterschriften für die Pflegeinitiative
                                                                                                          gesammelt. Gute Pflege braucht eine ange­
                                                ZHAW-Studien-                                             messene Finanzierung. Das ist eine Investi­
                                                                                                          tion in die Versorgungssicherheit. Sogar der
                                                gangs Hebamme                                             Bundesrat hat anerkannt, dass es Massnah­
                                                                                                          men braucht, und fällt nun derart wider­
                                                       Doris Keller, Mitglied des Zentralvorstandes       sprüchliche Entscheide», sagt Helena Zaugg,
ZHAW

                                                       des Schweizerischen Hebammenverban-                            Präsidentin des SBK.
               Die prämierte Absolventin und ihre      des, überreichte Ende Juni den Preis für die               Quelle: Medienmitteilung
                    Betreuerin, zusammen mit der
                     Preisverleiherin (v. l.): Marion  beste Bachelorarbeit von Hebammen­                    des Schweizer Berufsverbandes der
                  Huber, Sabine Bührer und Doris       studierenden an der Zürcher Hochschule                        Pflegefachfrauen und
                                               Keller. für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).                 Pflege­fachmänner vom 4. Juli 2018
            Entgegennehmen durfte ihn Sabine Bührer für ihre Thesis mit dem
            Titel «Eltern werden in der Schweiz mit der Hilfe einer Leihmutter –
            braucht es dafür eine Hebamme? Betreuung und Beratung von Wunsch-
            eltern durch die Hebamme».
            Miryam Azer

       06                                                Obstetrica
Obstetrica - Hebammenausbildung La formation des sages-femmes - Das Hebammenfachmagazin / La revue spécialisée des sages-femmes
KURZ GESAGT

Neues Handbuch
der WHO zu FGM/C
Mädchen und Frauen, die von
weiblicher Genitalbeschneidung
(Female Genital Mutilation/Cutting,
FGM/C) betroffen sind, brauchen
eine gute und an ihre Bedürfnisse
angepasste Gesundheitsversor-
gung. Um dies zu gewährleisten,
hat die Weltgesundheitsorganisa­
tion (WHO) ein neues Handbuch für

                                                                                                                      Shutterstock 533313517, Marza
Gesundheitsfachpersonen publi-
ziert. In neun einfach zu lesenden
Kapiteln bietet das klinische
Handbuch wichtige Informationen
für Fachpersonen in der Begleitung
und Beratung von FGM/C betroffe-
nen Mädchen und Frauen. Ebenso
beinhaltet es Tipps                   MSc-Studiengänge:
• zur empathischen und
     ­sensiblen Kommunikation mit     Auflösung der Kooperationen
      betroffenen Mädchen und
      Frauen,                         Seit 2010 bieten die Berner Fachhochschule (BFH), die Fachhochschule St. Gal-
• zur Kommunikation mit dem          len (FHS) und die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW)
      Ehemann, Partner oder           zusammen konsekutive Master-of-Science-Studiengänge (MSc) für Gesund-
    ­anderen Familienmitgliedern,     heitsberufe an. Nach dem gelungenen Start und der gemeinsamen Weiterent-
• zur Behandlung gesund­             wicklung der Kooperationsstudiengänge haben die BFH und die ZHAW die
      heitlicher Probleme aufgrund    Auflösung der Kooperationen per 30. Juni 2019 beschlossen, mit dem Ziel, in
      FGM/C, inkl. urogynäkolo­       Zukunft die MSc-Studiengänge an den jeweiligen Standorten interprofessionell
     gischen Fragen oder Geburts-     auszurichten. Betroffen sind der MSc-Studiengang in Pflege, an dessen Koope-
     komplikationen,                  ration alle drei genannten Fachhochschulen beteiligt sind, der MSc in Physio-
• zur Unterstützung von Frauen       therapie sowie der MSc Hebamme, die beide in Kooperation der BFH und ZHAW
     mit psychischen Problemen        angeboten werden.
     und Komplikationen bzgl.         Die Auflösung der MSc-Kooperationen durch die BFH und ZHAW bedeutet,
     ihrer sexuellen Gesundheit in    dass keiner der drei genannten MSc-Studiengänge als Kooperationsstudien-
     Verbindung mit FGM/C,            gang weitergeführt wird. Ab Herbstsemester 2019 führt und entwickelt die
• zu einer informierten Ent­         FHS St. Gallen den bestehenden und bewährten MSc in Pflege weiter. Die BFH
     scheidung für oder gegen eine    und die ZHAW führen je einen eigenen MSc in Pflege und bieten zudem je einen
     Defibulation.                    eigenständigen MSc in Physiotherapie und einen MSc Hebamme an.
	
 Das Handbuch kann in Englisch        Die BFH, FHS und ZHAW sind bestrebt, weiterhin nach geeigneten Formen der
   heruntergeladen werden unter       Zusammenarbeit zu suchen und ihre Angebote auch in Zukunft zu koordinie-
   www.who.int                        ren. Im MSc Hebamme können die Studierenden jeweils die hebammen­
   Quelle: News des Netzwerks         spezifischen Module beider Fachhochschulen besuchen. Auch bei diesen zwei
   gegen Mädchenbescheidung           MSc-Studiengängen werden die Studienleistungen vollständig gegenseitig
   Schweiz vom 7. Juni 2018           anerkannt. Die Studierenden der Kohorten 2016, 2017 und 2018 können ihr
                                      Studium im bisherigen Modell zu Ende führen. Für die Studiengänge bis und
                                      mit Start September 2018 bleiben die Kooperationsvereinbarungen in Kraft.
                                      Quelle: Medienmitteilung der Berner Fachhochschule vom 4. Juli 2018

                                                                    Obstetrica   07
Obstetrica - Hebammenausbildung La formation des sages-femmes - Das Hebammenfachmagazin / La revue spécialisée des sages-femmes
«Die Akademisierung
 stärkt den Berufsstand
    der Hebammen»

        Vor zehn Jahren wurde der Bachelorstudiengang für
        Hebammen in der Deutschschweiz eingeführt.
        Martina Apel, ehemalige Leiterin der Hebammen­
        schule in Luzern, und Céline Schick, Dozentin an
        der Berner Fachhochschule, blicken zurück: Was hat
        sich mit der Akademisierung verändert? Worauf
        wurde davor in der Ausbildung Wert gelegt und
        was ist heute wichtig? Und wie hat sich die
        Hebammentätigkeit im Laufe der Jahre verändert?

        INTERVIEW:
        MIRYAM AZER UND
        CHRISTINA DIEBOLD

08      Obstetrica
Obstetrica - Hebammenausbildung La formation des sages-femmes - Das Hebammenfachmagazin / La revue spécialisée des sages-femmes
«Die Akademisierung stärkt den Berufsstand der Hebammen»   T I T ELT H EM A

«Obstetrica»: Wie stehen Sie der                                                     «Etwas Grundlegendes ist,
                                                                                        dass wir nicht mehr von
Akademisierung des Hebammenberufes
gegenüber?

                                                                                    ­Fächern sprechen, sondern
     Céline Schick: Sehr positiv. Ich habe
die Ära davor nicht miterlebt. Ich finde, die

                                                                                           dass die Ausbildung
Akademisierung stärkt den Berufsstand der
Hebammen und unterstützt die Entwick­

                                                                                     auf Kompetenzen basiert.»
lung hin zu einer eigenen Profession. Der
Hebammenberuf hat sich ebenso wie die
Gesellschaft entwickelt, und die Fachhoch­
schule muss sich daran anpassen, auch im                                                                                    CÉLINE SCHICK
internationalen Kontext, im Vergleich zur
EU oder anderen Ländern bspw. und auch
im Zusammenhang mit der Bildungssyste­
matik in der Schweiz.
     Martina Apel: Ich stand immer hinter
der Akademisierung.

Sind es die gleichen Typen von Frauen und
Männern, die Ihrer Meinung nach heute            Welche Kriterien musste eine Frau                 ren ist in der Regel zweistufig: Der erste Teil
den Hebammenberuf erlernen, wie vor der          früher erfüllen, um in die Hebammen­              ist ein schriftlicher Test, der u. a. auch einen
Akademisierung?                                  schule aufgenommen zu werden?                     Teil zum Berufsbild der Hebamme beinhal­
      Martina Apel: Ich sehe – ausser von             Martina Apel: Neben dem Alter von            tet. Hat man diesen bestanden, gibt es ein
e­ inem anderen «Lebensrucksack» – ­keine        mindestens 18 Jahren, einem Schulab­              persönliches Gespräch mit Hebammendo­
 Veränderung. Es gab damals schon Leute,         schluss und einem Schnupperpraktikum in           zentinnen von der Fachhochschule und einer
 die älter waren, Berufsabschlüsse hatten,       einem Spital oder in einer sozialen Einrich­      in der Praxis tätigen Hebamme, in dem ver­
 die sich aber für das Frausein an sich einge­   tung gab es schriftliche Tests und Gruppen­       schiedene Fähigkeiten der interessierten
 setzt haben. Bei den damaligen Bewerbun­        aufgaben, in denen die Kommunikation,             Person beurteilt werden: Ethik, Frauen- und
 gen, besonders bei den sehr jungen Frauen,      Improvisation, persönliche Haltung und To­        Familienthemen, Gesundheits- und Fami­
 musste im Vorgespräch darauf geachtet           leranz geprüft wurden, z. B. beim gemein­         lienpolitik, persönliche Motivation, Umgang
 werden, wie stark die Interessierten kleine     samen Kochen. Wer sich ganz zurückhielt,          mit Kritik und Konflikten im privaten und be­
 Kinder mochten. Den Beruf der Säuglings­        hätte sich auch nicht für die Frau einsetzen      ruflichen Alltag, Problemlösungsfähigkeit,
 schwester gab es nicht mehr, und die Be­        können. Wer nur seine eigene Meinung ver­         Entscheidungsfindung und Belastbarkeit.
 rufsberaterinnen haben Frauen, die Kinder       trat und nicht zu Kompromissen bereit war,        Die Kandidierenden sollen über eine hohe
 liebten, geraten, Hebamme zu werden. Ich        wurde ebenfalls abgelehnt. In den ersten          Sozialkompetenz, Selbstreflexionskompe­
 sagte immer: Wenn man Kinder liebt, sollte      Jahren gab es noch Interessierte, die nur         tenz, ein starkes Verantwortungsbewusst­
 man welche kriegen, aber die anderen ge­        acht Schuljahre absolviert hatten. Diese          sein und Empathie verfügen, belastbar sein
 hören den Müttern.                              mussten noch eine Vorschule besuchen.             und in komplexen Situationen Ruhe bewah­
      Céline Schick: Meiner Meinung nach         Wesentlich waren Fächer wie Naturwis­             ren können.
 haben sich die Typen der Hebammenstudie­        senschaften, um den Körper zu verstehen.
 renden auch nicht verändert, weil grund­        Zum Examen sollten die Frauen höchstens           Gibt es Unterschiede von früher zu heute,
 sätzlich die Motivation, diesen alten, geach­   45 Jahre alt sein.                                was die Unterrichtsfächer betrifft?
 teten Beruf zu erlernen, dieselbe ist. Die                                                             Martina Apel: Neu oder stärker ge­
 Studienanwärter/innen interessieren sich        Und wie sehen die Kriterien heute aus?            wichtet sind sicher das eigenverantwort­
 für Frauen- und Familiengesundheit. Das              Céline Schick: Grundsätzlich sind die        liche Lernen und die wissenschaftlichen
 Fachhochschulniveau resp. die Akademi­          Voraussetzungen eine Fachmatur, eine Be­          Aspekte. Zu Beginn meiner Tätigkeit als Lei­
 sierung entscheidet nicht vordergründig         rufsmatur oder eine gymnasiale Matur und          terin der Hebammenschule in Luzern asso­
 darüber, ob jemand diesen Beruf erlernt         ein zweimonatiges Vorpraktikum. Es gibt           ziierten die Schüler/innen mit dem Wort
 oder nicht. Auch schon früher hatte rund        aber auch Aufnahmen «sur Dossier», und für        Forschung überwiegend negative Aspekte.
 die Hälfte der Absolvierenden in Bern die       die verkürzte Ausbildung braucht es einen         Sie hatten kein Verständnis für deren Nütz­
 gymnasiale Matur, und so ist das Verhältnis     Abschluss als diplomierte Pflegefachperson        lichkeit und Wesentlichkeit. Das hat sich in
 noch heute.                                     auf tertiärem Niveau. Das Aufnahmeverfah­         den letzten Jahren meiner Ausbildungstä­

                                                                                    Obstetrica     09
Obstetrica - Hebammenausbildung La formation des sages-femmes - Das Hebammenfachmagazin / La revue spécialisée des sages-femmes
T I T ELT H EM A

                                                                                 «Eine Ausbildung steht
tigkeit geändert: An den Abschlussarbeiten
war zu sehen, dass sich die Schüler/innen

                                                                           immer im Kontext von gesell-
mit anderer Literatur beschäftigt haben.
       Céline Schick: Etwas Grundlegendes

                                                                             schaftlichen und wirtschaft­
ist, dass wir nicht mehr von Fächern spre­
chen, sondern dass die Ausbildung auf

                                                                                  lichen Entwicklungen»
Kompetenzen basiert. Die Inhalte sind wis­
senschaftlich evidenzbasiert, neue Erkennt­
nisse werden in die Unterrichtssequenzen
einbezogen. Neu ist bspw. das Training der                                                                              MARTINA APEL
Kommunikation mit dem Paar oder inter­
professionell sowie das wissenschaftliche
Arbeiten, das den Umgang mit der vielen
­Literatur ermöglichen soll und durch die
 ­Bachelorarbeit geprüft wird. Die Interpro­
  fessionalität hat einen hohen Stellenwert:
  Es gibt Module mit anderen Studiengängen,     Autonomie, natürlich auch auf die Zusam­        thesisten zusammenzuarbeiten, und haben
  wo gemeinsame Projekte durchgeführt wer­      menarbeit mit Ärzten.                           den Mut, in einer Situation zu agieren. Der
  den. Die ganze Ausbildung ist digitalisiert         Ich war am Anfang meiner Tätigkeit in     Unterschied liegt im Aufbau der Praxismo­
  worden, alles läuft über eine gemeinsame      der Hebammenschule in Luzern die einzige        dule: Früher waren sie eher am Stück, heute
  Onlineplattform und über E-learning. Das      in der Ausbildung tätige Hebamme mit jah­       sind es Blöcke à zehn oder zwölf Wochen,
  Modul Körperarbeit bildet eine gute und       relanger Berufserfahrung. Daneben unter­        abgesehen vom Zusatzmodul am Schluss,
  wichtige Ergänzung zum wissenschaftlichen     richteten Krankenschwestern, Kinderkran­        das zehn Monate am Stück dauert.
  Arbeiten: Studierende werden angeleitet       kenschwestern, Ärzte und verschiedene                Die Ausbildung dient dazu, rasch hand­
  und lernen mittels Selbsterfahrung.           andere Berufsangehörige. Die Zielsetzung        lungsfähig zu werden, das bedingt eigen­
                                                der Hebammenausbildung bzgl. Schwan­            ständiges Arbeiten, natürlich im ersten
Wer ist alles in die Hebammenausbildung         gerschaft, Geburt oder Wochenbett waren         Praktikum begleitet. Der Anspruch ist nicht,
involviert? Wer war es früher? Und welche       für die anderen Berufsgruppen oft nicht         dass die Studierenden nach dem ersten
Rolle spiel(t)en die Ärzte?                     ­einfach zu verstehen, denn diese schauten      Praktikum eine ganze Geburt selbst leiten
      Céline Schick: Heute sind viele Fach­      aus dem Blickwinkel der Pathologie und         können, das wäre nicht realistisch, aber
personen involviert. Grundsätzlich wird          der Krankenpflege. Als ich die Hebammen­       dass sie viel mit den Händen arbeiten und
der Prozess des selbstständigen Lernens          schule verliess, waren alle Lehrerinnen Heb­   erfahren können.
gefördert mit verschiedenen Gefässen wie         ammen mit praktischer Erfahrung und pä­             Martina Apel: Ich habe keinen Erfah­
Skillstrainings, problembasiertes Lernen         dagogischer Ausbildung.                        rungswert. Die Praxiszeit ist verkürzt, das
oder auch Vorlesungen von Fachexperten                                                          sollte aber nach einer kurzen Einführung am
wie Hebammen, Ärzte und Ernährungsbera­         Und was sagen Sie zum Vorwurf, dass             Arbeitsort kein Thema sein. Früher sind
ter. Im Bereich der Physiologie von Schwan­     Hebammen mit einem Bachelor weniger             manche Hebammen nach dem Examen in
gerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit     Praxiserfahrung mitbringen als die              den Gebärsaal gegangen und haben dort
unterrichten v. a. Hebammen. Sobald es um       davor ausgebildeten Hebammen?                   sofort alleine gearbeitet, nachdem sie viel­
Regelwidrigkeiten in perinatalen Situatio­            Céline Schick: Das stimmt meiner Mei­
nen geht, werden nebst den Hebammen             nung nach nicht. Früher waren es 90 Wo­
Ärzte und andere Fachpersonen hinzuge­          chen Praktikum, heute sind es 80. Wobei
zogen.                                          heute der Anteil an Skills- und Simulations­
      Martina Apel: Ärzte spielten eine gros­   trainings auch zusammen mit Anästhesis­
                                                                                                «In Untersuchungen konnte
se Rolle. Das Wort Regelwidrigkeit war lange    tinnen und Anästhesisten sowie Schauspie­          nachgewiesen werden,
Zeit völlig verschwunden. Alles, was nicht      lenden und Kommunikationstrainings viel,
normal war, auch die Geburt von Zwillingen,     viel höher ist. Er überwiegt die zehn Wochen
                                                                                                 dass durch die genannten
wurde von den Ärzten in den Bereich der         Praxisunterschied bei Weitem. Die Studie­         Trainings die Selbstwirk­
Geburtspathologie verschoben. Und wir           renden sind also nicht schlechter vorbe­
Hebammen mussten schwer kämpfen, da­            reitet für die Praxis. In Untersuchungen
                                                                                                   samkeitserwartung der
mit Regelwidrigkeiten wieder in unseren         konnte nachgewiesen werden, dass durch          Hebammen angestiegen ist.»
­Zuständigkeitsbereich fiel. Denn die Heb­      die genannten Trainings die Selbstwirksam­
 ammen können durchaus eine Geburt mit          keitserwartung der Hebammen angestie­                      CÉLINE SCHICK
 einer Regelwidrigkeit – z. B. eine Schulter­   gen ist. Die Hebammen trauen sich eher zu,
 dystokie – leiten, wenn sie wissen, wie sie    nach einem solchen Training in der Praxis
 damit umzugehen haben. Ich lege Wert auf       mit einer Anästhesistin oder einem Anäs­

10                                              Obstetrica
«Die Akademisierung stärkt den Berufsstand der Hebammen»        T I T ELT H EM A

                                                                                                                    Im Skills-Center der Berner
                                                                                                                    Fachhochschule Gesund-
                                                                                                                    heit, einer geschützten
                                                                                                                    Lernlandschaft, bereiten
                                                                                                                    sich die Studentinnen auf
                                                                                                                    die Berufs­praxis vor.
Fotos: Berner Fachhochschule Gesundheit

                                          leicht einen Tag lang eine Einführung erhal­                                                                                   Die Bachelorstuden­
                                          ten hatten, was wo steht oder abgelegt ist.                                                                                    tinnen eignen sich den
                                                                                                                                                                         aktuellen Stand des
                                          Dieses «Funktionieren» braucht seine Zeit.                                                                                     theoretischen Wissens
                                          Es wird in der Ausbildung nicht mehr ge­                                                                                       an.
                                          fordert. Vielleicht ist dieses «Funktionieren»
                                          der Grund, weshalb die Leute sagen, die
                                          frisch diplomierten Hebammen seien in der
                                          Praxis noch nicht so weit. Eine gute theo­
                                          retische Ausbildung ist wichtig für eine gute    hilfe. Durch ein anderes Bewusstsein und               den Tarifverhandlungen, was sehr kosten-,
                                          Praxis und umgekehrt. Beide Seiten sollten       das Erarbeiten von neuem Wissen wird die               ressourcen- und nervenintensiv ist. Grund­
                                          nicht gegeneinander ausgespielt werden,          Gesundheit von Frau und Kind gefördert.                sätzlich ist die Hebamme ein Gesundheits­
                                          das gefährdet den Gedanken der Autono­                  Martina Apel: Mich stört das Wort               beruf – ob er akademisiert ist oder nicht,
                                          mie.                                             Mehrwert. Wir sollten Ausdrücke im Zusam­              wirkt sich nicht direkt auf den Lohn aus.
                                               Céline Schick: Die Hebammenstudie­          menhang mit Wertigkeit sehr sorgfältig
                                          renden werden nicht vom «Funktionieren»          ­einsetzen, abgesehen von der Wertschät­
                                          ausgeschlossen. Es ist lediglich kein Schwer­     zung. Der Wert der Hebammentätigkeit ist
                                          punkt. Im Zusatzmodul, dem letzten Prak­          der gleiche. Vielleicht wird er durch die Aka­
                                          tikum, wird von den Studierenden verlangt,        demisierung anders wahrgenommen und
                                                                                                                                                  «Die Ausbildung dient dazu,
                                          dass sie bspw. das Telefon bedienen und           Hebammen können ihren Wert grundsätz­                  rasch handlungsfähig zu
                                          mehrere Frauen parallel übernehmen. Und           lich besser darstellen. Eine Ausbildung steht
                                          klar: In einem Gebärsaal ohne Pflegeassis­        immer im Kontext von gesellschaftlichen
                                                                                                                                                           werden.»
                                          tierende oder Reinigungsfachkraft putzen          und wirtschaftlichen Entwicklungen – und
                                                                                                                                                             CÉLINE SCHICK
                                          die Studierenden mit.                             in der Geburtshilfe auch medizinischen.
                                                                                            Hebammen haben mit der akademischen
                                          Welcher Mehrwert bringt die neue                  Ausbildung nicht nur die Möglichkeit, son­
                                          Hebammenausbildung?                               dern auch die Pflicht, die Wesentlichkeit
                                               Céline Schick: Wie erwähnt getrauen          ihrer eigenen Erkenntnisse, Erfahrungen,
                                                                                            ­                                                           Martina Apel: Die Hebammen könnten
                                          sich die Studierenden mehr, das Gelernte in       Handlungen auf dem gesamten Gebiet der                mit den Pflegefachpersonen zusammen­
                                          der Praxis umzusetzen. Die Hebammen­              Hebammengeburtshilfe zu überprüfen, die               spannen für eine bessere Bezahlung, denn
                                          kompetenzen werden gestärkt, die Hebam­           Wirkung zu beweisen und öffentlich zu                 die Berufsgruppen sind auf einem Niveau.
                                          men bleiben verhandlungsfähig im Aus­             ­machen. Das sind Vorteile für die Frauen,            Wenn die Hebammen ihre Arbeit höher qua­
                                          tausch untereinander oder mit anderen              Familien, die Geburtshilfe und das Gesund­           lifiziert haben möchten, müssen sie die
                                          Berufsgruppen. Das Ermöglichen der ge­             heitswesen.                                          Wertigkeit ihrer Arbeit publik machen durch
                                          meinsamen Sprache mit anderen Berufs­                                                                   Öffentlichkeitsarbeit – nicht nur in der
                                          gruppen führt schliesslich zu einer Optimie­     Hebamme ist einer der am schlechtesten                 «Obstetrica», sondern auch in anderen Zeit­
                                          rung der Betreuung der Frauen. Ich denke,        bezahlten akademischen Berufe. Gibt es                 schriften, um die Notwendigkeit und den
                                          dass die Forschung einen grossen Teil zur        Mittel und Wege in eine bessere Zukunft?               Wert für Frauen, Familien und Kinder darzu­
                                          Weiterentwicklung des Berufes oder zur                Céline Schick: Bei den frei praktizie­            stellen. Das ist eine Herkulesarbeit.
                                          ­Gesundheitsförderung beitragen kann wie         renden Hebammen setzt sich der Schwei­
                                           bspw. der Entmedikalisierung der Geburts­       zerische Hebammenverband stark ein mit

                                                                                                                                Obstetrica        11
T I T ELT H EM A

Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Arbeit
der Hebammen verändert?
      Céline Schick: Die Schwangeren und
Mütter sind belesener und nutzen das Inter­
net. Mit der Flut an Forschungsergebnissen                                             GESPRÄCH MIT
richtig umgehen zu können, ist eine Heraus­
forderung für uns Hebammen. In der Gesell­
schaft haben Krankheiten, mit denen die
Hebamme konfrontiert ist, zugenommen,
die Reproduktionsmedizin stellt neue Her­
ausforderung an die Arbeit der Hebamme,
der bereits erwähnte vorzeitige Spitalaus­
tritt hat Auswirkungen, ebenso der Heb­
ammenmangel und der damit verbundene
Druck auf das Personal in den Kliniken, der                                           Martina Apel,     Céline Schick,
                                                     ehemalige Leiterin der Hebammenschule Luzern,      Hebamme MSc, Berufsbildnerin und fachvertiefte
leider oft eine 1:1-Betreuung verunmög­                    Engagement in verschiedenen Gremien zur      Mitarbeiterin in der Geburtenabteilung des Kantons­
licht.                                                   Entwicklung des Hebammenberufes, Wieder­       spitals Aarau, wissenschaftliche Mitarbeitende an der
      Martina Apel: Diesen Anspruch gab es                 einstiegskurse in Zusammenarbeit mit dem     Berner Fachhochschule, Studiengang BSc Hebamme.
                                                   Schweizerischen Hebammenverband, zuletzt bis zur
früher nicht, die 1:1-Betreuung war gar nicht        Pensionierung Dozentin an der Hebammenschule
möglich. Dass Frauen eine Weile alleine sind,             Bern, Übergang zur Berner Fachhochschule.
war üblich, oder es wurde ein zweites Bett
ins Zimmer geschoben, um zwei Frauen
gleichzeitig überprüfen zu können. Der Si­
cherheitsfaktor hat heute stark zugenom­
men. Die Überprüfungen fordern mehr Prä­        hochschule versucht, diese Diskrepanz zu                     Martina Apel: In der Theorie wird im­
senz und Wachsein.                              schliessen, sie steht in engem Kontakt mit              mer versucht, die optimale Möglichkeit dar­
                                                den Berufsbildnerinnen in der Praxis und                zustellen und wahrscheinliche Zukunftsent­
Oft wird von Hebammenstudierenden               berücksichtigt Rückmeldungen der Studie­                wicklungen einzubeziehen. Man kann die
von einer grossen Diskrepanz zwischen           renden. Die Studieninhalte werden ständig               Einflussfaktoren aufzählen, aber nicht im­
Theorie und Praxis gesprochen.                  überarbeitet und weiterentwickelt.                      mer alle durchspielen. Weil es Menschen
Sehen Sie hier Handlungsbedarf?                      Die evidenzbasierte Praxis wird oft                sind, die eine gesundheitliche Versorgung
      Céline Schick: Ich denke, dass diese      missverstanden und mit Forschungsergeb­                 erfahren, und wir selber sind auch Men­
Diskrepanz in allen Berufen besteht: Man        nissen gleichgesetzt. Evidenz setzt sich                schen und agieren als solche. Das ist nicht
lernt etwas in der Schule – und in der Praxis   zum einen Teil aus Forschungserkenntnis­                so wie in der Mathematik. Die Grundlagen
ist es anders. Geburtenabteilungen werden       sen und zu einem ebenso grossen Teil aus                der Theorie bilden in der Praxis einen Boden,
fast immer von Ärzten geleitet, nicht primär    der beruflichen Erfahrung zusammen. Die                 von dem aus ich verschiedene Wege gehen
von Hebammen; es gibt spitalinterne Richt­      Kunst besteht in der Praxis darin, evidenz­             kann.
linien, die bspw. auch veraltet sein können.    basiertes Handeln abzuleiten – mit all den
Prozesse zu ändern, dauert lange. Die Fach­     Faktoren, die dazugehören.

                                                                           Die Studentinnen befassen sich im
                                                                           Skills-Center der Berner Fachhochschule
                                                                           Gesundheit mit Situationen aus allen
                                                                           Phasen der Schwangerschaft – hier mit
                                                                           der Betreuung des Säuglings im
                                                                           Wochenbett.

12                                              Obstetrica
IMPRESSUM                                                                                                       PR-ANZEIGE

Herausgeberin | Editeur Schweizerischer Hebam­
menverband (SHV). Namentlich gekennzeichnete                    Sicherheit und Kompetenz
Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des SHV
wieder. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion |           im Bereich Beckenboden
Fédération suisse des sages-femmes (FSSF). Les articles
                                                                BeBo®-Weiterbildungsangebot für
signés ne reflètent pas forcément l’opinion de la FSSF.
                                                                ergänzendes Wissen und neue Impulse
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rédaction Redaktion | Rédaction Redaktorin Deutsch­
schweiz: Miryam Azer, m.azer@hebamme.ch | Rédactrice
                                                                Erweitern Sie Ihr Angebot! Erfahren Sie in einer ­­
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weg 25 C, 3007 Bern, T +41 (0)31 332 63 40 Adressände-          differenziert Sie ihn wahrnehmen können.
rungen | Changements d’adresse adress@hebamme.ch
Redaktioneller Beirat | Conseil rédactionnel Marie
Blanchard, Aurélie Delouane-Abinal, Christina Diebold,
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Mercier Konzept, Layout | Concept, mise en page                                                  Der Beckenboden ist heute in
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Ausland CHF 140.–, Einzelnummer CHF 13.20, inkl. 2,5 %                                           Anforderungen an die Kurslei­
MWST + Porto. Das Abonnement verlängert sich um ein                                              terinnen sind hoch, und je nach
weiteres Jahr, wenn es nicht bis zum 31. Oktober des                                             Ausbildung braucht es theore­
laufenden Jahres schriftlich beim SHV gekündigt wird |                                           tische oder praktische Zusatz­
Non-membres CHF 109.–, 2,5 % TVA inclue, étranger                                                komponenten. Die BeBo®-Aus­
CHF 140.–, prix du numéro CHF 13.20, 2,5 % TVA inclue +                                          bildung legt den Grundstein
porto. L’abonnement est automatiquement renouvelé                                                für eine Tätigkeit im Bereich
pour un an s’il n’est pas résilié par écrit auprès de la FSSF   Beckenbodentraining. Das ergänzende Weiterbildungsangebot
au 31 octobre de l’année en cours. Inseratemarketing |          bietet eine gezielte Vertiefung. Die Kurse werden für Hebam­
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verbandes | Revue officielle de la Fédération suisse des
sages femmes | Giornale ufficiale della Federazione             Informationen und Anmeldung unter
svizzera delle levatrici | Revista uffiziala da la Federaziun   www.beckenboden.com
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Publié 10 fois par an, numéro double en                                               info@beckenboden.com
janvier/février et juillet/août                                                       www.beckenboden.com

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«Der Wandel hat
      sich gelohnt»

         Das Bachelorstudium für Hebammen feiert in der
         Deutschschweiz heuer sein Zehn-Jahre-Jubiläum.
         Mona Schwager, Studiengangleitung Hebamme BSc,
         Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften,
         blickt stolz auf die vergangene Zeit zurück. Offenheit,
         Engagement, Pragmatismus und Überzeugung
         zeichnete die erfahrenen «Pionierinnen» aus, die an
         der akademischen Entwicklung mitarbeiteten.
         Sie gestalteten eine neue Ausbildung in einem sehr
         alten Beruf.

         T E X T:
         MONA SCHWAGER

14       Obstetrica
Fotos: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften                                                                              «Der Wandel hat sich gelohnt»   T I T ELT H EM A

                                                                                                                                           «In der Schweiz wird
                                                                                                                                           das Studium zur Hebam-
                                                                                                                                           me seit 2008 an den
                                                                                                                                           Fachhoch­schulstandorten
                                                                                                                                           Winterthur und Bern an-
                                                                                    In den Praktika bei den langjährigen Praxispartnern
                                                                                             wenden die Studentinnen das Gelernte an.
                                                                                                   Dabei erfahren sie ein ganzheitliches

                                                                                                                                           geboten, in Lausanne und
                                                                                         und interprofessionelles Denken und Handeln.

                                                                                                                                           Genf bereits seit 2002.»

                                                          «Was, das kann man studieren?» wurden un­           schluss ist ein berufsbefähigender Hoch­               und vollständigen Überführung der Hebam­
                                                          sere ersten Studierenden oft gefragt. «Wa­          schulabschluss, mit dem der erste akade­               menausbildung auf Fachhochschulstufe.
                                                          rum brauchen Hebammen eine Matura?»                 mische Qualifizierungsgrad erreicht wird 1.
                                                          Als «akademisierte Neulinge» mussten die            Am 13. September 2012 wurden die ersten                        Die Attraktivität des Berufs
                                                          angehenden Hebammen vielen Widerstän­               42 Bachelordiplome überreicht.                                      nimmt weiter zu
                                                          den begegnen und ihr Studium gegenüber              In der Schweiz bestanden aufgrund des Fö­              Hebammen sind als autonome Leistungser­
                                                          Praxis und Gesellschaft erklären, oft gar           deralismus unterschiedliche Ausbildungs­               bringerinnen in Sinne des Krankenversi­
                                                          ver­teidigen. Praxisferne der Hochschulbil­         systeme. Mit der Akademisierung wurden                 cherungsgesetzes befugt, Frauen und ihre
                                                          dung wurde als ein gängiges Vorurteil mo­           Bestrebungen umgesetzt, die Ausbildungen               Neugeborenen eigenständig zu betreuen.
                                                          niert. Mit viel Enthusiasmus, Gelassenheit          zu vereinheitlichen und an die neuen An­               Gleichzeitig sind sie dem gesetzlichen Pati­
                                                          und ­einer Portion Idealismus haben die Stu­        forderungen anzupassen. Mit der Erklärung              entinnen- und Patientenschutz verpflichtet
                                                          dierenden und Absolvierenden der Zürcher            von Bologna 2 sollte die Vergleichbarkeit mit          und müssen auf der Basis wissenschaft­
                                                          Hochschule für Angewandte Wissenschaf­              anderen europäischen Hochschulen und                   licher Erkenntnisse mit hoher Problemlöse-
                                                          ten (ZHAW) die Akademisierung zum Laufen            damit die Durchlässigkeit von Dozierenden              und Entscheidungskompetenz arbeiten. Die
                                                          gebracht und am meisten zu deren grossen            und Studierenden gefördert werden. Der                 Hebammen für diese komplexen Anforde­
                                                          Akzeptanz beigetragen. Ihnen gebührt mein           Bildungsrat der Schweizerischen Konfe­                 rungen angemessen zu qualifizieren, führte
                                                          grösster Dank und Respekt.                          renz der kantonalen Gesundheitsdirektoren              zur Vereinheitlichung und Ansiedelung der
                                                                                                              entschied im Jahr 2005, dass die Hebam­                Ausbildung auf Fachhochschulstufe. Dieser
                                                                        Aufbruch und                          menausbildung in der Deutschschweiz spä­               Prozess trug weiter zur Professionalisierung
                                                                          Umbruch                             testens ab dem Jahr 2009 auf Fachhoch­                 der Hebammenarbeit und zur Evidenzbasie­
                                                          In der Schweiz wird das Studium zur Heb­            schulstufe angeboten werden soll. Als                  rung der Praxis bei. Die damit einhergehen­
                                                          amme seit 2008 an den Fachhochschul­                zentralen Punkt für die Entscheidung wurde             den neuen beruflichen Möglichkeiten sowie
                                                          standorten Winterthur und Bern angebo­              der eigenständige Auftrag genannt, den                 akademische Karriereschritte bis zum Dok­
                                                          ten, in Lausanne und Genf bereits seit 2002.        eine Hebamme in der Gesundheitsversor­                 tortitel steigern heute die Attraktivität des
                                                          Die Akademisierung der Hebammenausbil­              gung hat – im Bereich der Geburtshilfe, der            Berufs zusätzlich und werden helfen, dem
                                                          dung in der Deutschschweiz ist zehn Jahre           Gesundheitsförderung und Prävention rund               prognostizierten Hebammenmangel entge­
                                                          alt. Am 15. September 2008 startete in Win­         um die Mutterschaft. Hebammen für kom­                 genzuwirken.
                                                          terthur der erste Vollzeitstudiengang BSc           plexe Anforderungen angemessen zu quali­
                                                          Hebamme an der ZHAW. Der Bachelorab­                fizieren, führte zur gesamtschweizerischen

                                                                                                                                                     Obstetrica      15
T I T ELT H EM A

                                                                      Mit dem Unterricht für Schulklassen
                                                                      sollen die Kinder möglichst früh dafür
                                                                      sensibilisiert werden, dass Schwanger-
                                                                      schaft, Geburt und Wochenbettzeit
                                                                      in erster Linie gesunde und natürliche
                                                                      Prozesse sind.

                                                                                                                           Schwangere werden
                                                                                                                           in die Ausbildung
                                                                                                                           einbezogen, damit die
                                                                                                                           angehenden Hebam-
                                                                                                                           men schon zu Studien-
                                                                                                                           beginn ein Verständnis
                                                                                                                           für die besonderen
                                                                                                                           Bedürfnisse in diesem
             Was ist, kann und                                                                                             Lebens­abschnitt ent­
        soll die neue Ausbildung?                                                                                          wickeln.
Am Anfang standen viele Fragen. Wie baut
man eine Hochschulausbildung mit ihren
Strukturierungsmerkmalen auf? ECTS 3, was
ist das? Wie lange dauert das BSc-Studium,            Anforderungen an das neue                    Wir stützten das Studium auf die Kompe­
und welche didaktischen Methoden sollen                  Ausbildungskonzept                        tenzbasierung ab, verstanden als direkte
angewendet werden? Wie verstehen wir           Der Bachelorstudiengang wurde auf der               Verknüpfung von Theorie und Praxis. Die­
Wissenschaft? Was heisst wissenschaftlich      Grundlage des von der Berufskonferenz               ses Ziel war nur zu erreichen, wenn es mit
fundiert? Worauf stützen wir die Theoriebil­   Hebamme formulierten Kompetenzprofils               der Persönlichkeitsentwicklung der Studie­
dung in der Hebammenarbeit ab? Wie viel        und der gesamtschweizerischen Abschluss­            renden einherging. Wir etablierten eine
interprofessionelle Lehre ist wichtig, und     kompetenzen für Fachhochschul-Gesund­               durchgängige Lernprozessbegleitung mit
welche Profilschärfung der Hebammen            heitsberufe entwickelt. Die Abschlusskom­           Mentorinnen und implementierten trans­
braucht die Praxis? Geht das handwerkliche     petenzen Hebamme BSc wurden sieben                  ferfördernde Methoden wie problembasier­
Können der Hebammen durch die Fachhoch­        Rollen zugeordnet, die basierend auf dem            tes Lernen, Skills- und Simulationstraining.
schulausbildung verloren? Welche Kompe­        CanMEDS-Rollenmodell die Aufgaben einer             Es sollten nicht nur Wissenschaftskompe­
tenzen müssen sich die Absolventinnen am       Gesundheitsfachperson abbilden: Expertin,           tenzen ausgebildet werden, sondern Prak­
Ende ihres Studiums angeeignet haben?          Kommunikatorin, Teamworkerin, Professi­             tikerinnen, die in der Lage sind, ihr Handeln
Wie begründen wir die bescheidene Prak­        onsangehörige, Lernende und Lehrende,               zu hinterfragen, sich auf ethische Grund­
tikumsentschädigung, die nicht mehr mit                                                            sätze abzustützen, alternative Handlungs­op­
den früheren Löhnen während der Ausbil­                                                            tionen kritisch zu prüfen und ihr Vorgehen
dung zu vergleichen sind?                                                                          entsprechend anzupassen. Die Studieren­
Vom Wissen zum Tun lautete unsere Devise.
                                                       «Vom Wissen                                 den sollten zudem mit dem Lernprojekt
Anstelle von Fragen und manchmal auch              zum Tun lautete unsere                          «Lernen von Schwangeren» bereits im ers­
Skepsis sind im erfahrenen Dozentinnen­                                                            ten Semester und damit vor dem ersten
team – viele kamen aus den «alten» Hebam­
                                                         Devise.»                                  Praktikum mit ihren zukünftigen Klientin­
menschulen – schnell Neugier und Begeis­                                                           nen in Kontakt kommen, um deren Bedürf­
terung entstanden. Ende 2007 starteten wir                                                         nisse kennenzulernen und zu erfahren, was
zusammen mit unseren Praxispartnern und                                                            es heisst, Mutter zu werden.
in definierter Kooperation 4 mit den Kolle­    Managerin und Health Advocate. Von An­
ginnen an der Berner Fachhochschule die        fang an lag der Schwerpunkt auf dem Out­                         Die Eckpfeiler des
konkrete Entwicklung des BSc-Curriculums.      come von Fähigkeiten und weniger auf dem                             Studiums
Die Zeit drängte, denn nach einem knappen      Input von Wissen. Handlungsleitend für              Bereits für den ersten BSc-Studiengang
Jahr begrüssten wir der Studiengang HB08       eine verbesserte Lehre war der Fokus auf            meldeten sich fast doppelt so viele Interes­
ins erste Semester. Wir schrieben Konzepte     die gestellten Anforderungen, um die Stu­           sierte zum Eignungsabklärungsverfahren
und Lehrmittel, gestalteten Module und         dierenden jetzt und in Zukunft zur Ausübung         an, was uns von Beginn an eine angemes­
Leistungsnachweise und entwickelten mit        ihrer beruflichen Aufgaben zu befähigen.            sene Selektion ermöglichte. 60 Studieren­
der Zeit eine Vorstellung der Anforderungen                                                        den konnte ein Studienplatz zugewiesen
an die zukünftige Hochschullehre und Pra­                                                          werden. Trotz oder gerade wegen der Aka­
xis.                                                                                               demisierung scheinen sich das Studium und

16                                             Obstetrica
«Der Wandel hat sich gelohnt»   T I T ELT H EM A

                                                                                                        möglich gemacht. Sie wird weiter dazu bei­

«Wir stützten das Studium auf
                                                                                                        tragen, dass routinemässig durchgeführte
                                                                                                        Massnahmen in der Geburtshilfe wissen­

die Kompetenzbasierung ab,
                                                                                                        schaftlich begründet hinterfragt werden
                                                                                                        und damit in vielen Fällen bessere Ergeb­

verstanden als direkte Verknüp-
                                                                                                        nisse resultieren. Die Stärkung der Physio­
                                                                                                        logie könnte zu einer grösseren Arbeitszu­

fung von Theorie und Praxis.»
                                                                                                        friedenheit der Hebammen in den Spitäler
                                                                                                        führen.
                                                                                                        Die Akademisierung der Hebammenaus­
                                                                                                        bildung ist eine folgerichtige Entwicklung.
                                                                                                        Nach zehn Jahren Fachhochschulausbil­
                                                                                                        dung ist die anfängliche Skepsis bei den
                                                                                                        meisten Hebammen gewichen, die neue
                                                                                                        Ausbildung hat aus meiner Sicht – und ge­
der Beruf der Hebamme nach wie vor gros­              vorbereitet zu sein, üben die Studentinnen        stützt auf Evaluationsresultate – den Pra­
ser Beliebtheit zu erfreuen. Seit 2014 kön­           im geschützten Rahmen des Skills- und             xistest bestanden. Mütter und ihre Familien
nen pro Jahr 66 Studienplätze angeboten               ­Simulationstrainings diejenigen Fähigkeiten      sind nach wie vor in guten Händen bei der
werden, die aber weder das mittlerweile                und Fertigkeiten, die in der Praxis häufig       Hebamme. Das Studium ist begehrt, die
dreimal so grosse Interesse am Studium                 vorkommen, komplexe Handlungen oder              meisten Absolventinnen würden wieder
noch den Bedarf der Praxis deckt. Die Stu­             anspruchsvolle Kommunikationssituatio­           das gleiche Studium an der gleichen Fach­
dienplatzbeschränkung wird vom Regie­                  nen beinhalten. Es werden Risikosituatio­        hochschule wählen. Ich hoffe, die jungen
rungsrat des Kantons Zürichs festgelegt.               nen bei Mutter und Neugeborenen trainiert        Hebammen haben weiterhin nicht nur Lust,
Die Regelstudienzeit umfasst 5400 Stun­                und mit Videoanalysen reflektiert.               in den Beruf einzusteigen, sondern auch im
den, was 180 Credits entspricht. Dazu kom­             Faktenwissen eignen sich die Studierenden        Beruf zu bleiben. Es braucht mehr Hebam­
men zwei Monate Praktikum vor dem Stu­                 mehrheitlich in autonomen Selbststudium          men und mehr Studienplätze. Mit Blick auf
dium und zehn Monate Praktikum am Ende.                an, sie kommen meist gut vorbereitet in die      die vergangene Dekade finde ich: Der Wan­
Erst dann werden der Bachelortitel und die             Vorlesungen, Seminare und Fallbesprechun­        del hat sich gelohnt, Wissen und Handeln
Berufsbefähigung verliehen.                            gen. Transformatives Lernen wird durch die       sind verknüpft, das Berufsbild der Hebam­
                                                       von Dozierenden und Studierenden gelei­          me entwickelt sich weiter und nimmt die
      Lernen in Praktika auf der Basis                 teten Exkursionen – z. B. für Schulklassen       Bedürfnisse von Gesellschaft und Praxis
            von Theoriewissen                          oder für schwangere Migrantinnen in den          auf. Ziel ist und bleibt, Frauen und ihre Fa­
Insgesamt 80 Wochen verbringen die Stu­                Skillsräumen – umgesetzt. Kinder, Jugend­        milien in einer sensiblen Lebensphase best­
dierenden in Praktika in den verschiedenen             liche, aber auch Frauen mit Migrationshin­       möglich zu begleiten.
geburtshilflichen Abteilungen der Kliniken             tergrund sollen den präventiven Charakter
und erleben so in jedem Studienjahr eine               von gesunder Schwangerschaft und Geburt          Dieser Artikel ist eine gekürzte und abgeänderte
                                                                                                        Version des Textes aus der Festschrift von der Zürcher
Umsetzung der Theorie in die Praxis und                erkennen und den Beruf der Hebamme er­           Hochschule für Angewandte Wissenschaften
umgekehrt. Einzelne Praxismodule können                leben.                                           zum Zehn-Jahre-Jubliäum des Bachelorstudiums.
in Geburtshäusern, bei frei praktizierenden
Hebammen und im Ausland absolviert wer­                     Nach wie vor in guten Händen
den. Um bestmöglich auf den Berufsalltag                         bei der Hebamme
                                                      Das praktische Arbeiten steht in der Fach­
                                                      hochschulbildung im Zentrum. Theoreti­
                                                      sches Wissen, manuelle Fähigkeiten und                                                     AUTORIN
1
  Der zweite Grad ist ein Masterabschluss, der       soziale Kompetenzen haben sich dank kon­
   dritte Grad das Doktorat.
2
  Der Bologna-Prozess wurde 1999 gestartet, um       tinuierlicher Weiterentwicklung des Curri­
   einen europäischen Hochschulraum zu schaffen.      culums auf hohem Niveau herausgebildet.
3
  Das europäische Punktesystem European credit       Ich wünsche mir neben der bestehenden in­
   transfer system (ECTS) dient der Vergleichbar­
   keit von Studienleistungen und beschreibt den      terprofessionellen Lehre am Departement
   Umfang des Arbeitsaufwandes für Lernaktivitäten,   Gesundheit eine engere Zusammenarbeit
   die notwendig sind, um ein bestimmtes Lern­        mit der Ärzteschaft bereits während der Aus­
   ergebnis zu erreichen, z. B. 1 Credit entspricht
   30 Stunden Lernaufwand.                            bildung von Hebammen- und Medizinstu­
4
  Kooperationen mit der Berner Fachhochschule        dierenden.
   bestanden im Zusammenhang mit dem Eignungs­        Die Überführung der Hebammenausbildung                                                  Mona Schwager,
   abklärungsverfahren, der Praktikumsplatzbewirt­                                                                          Studiengangleitung Hebamme BSc,
   schaftung und der Entwicklung von Lehrmitteln      auf Fachhochschulstufe hat enorme Chan­                               Zürcher Hochschule für Angewandte
   für das Skillstraining.                            cen für die Berufsgruppe der Hebammen                                        Wissen­s chaften, Winterthur.

                                                                                        Obstetrica      17
T I T ELT H EM A

                                                                         ­ ewahrung und Entwicklung der Fachkompetenz wichtig, à jour
                                                                         B
                                                                         zu bleiben und schliesslich gestützt auf evidenzbasierten Informa­
                                                                         tionen argumentieren und Routinehandlungen auch kritisch hin­
                                                                         terfragen zu können.
                                                                         Ich beobachte, dass die Studierenden durch das Studium eine Ei­
                                                                         genverantwortung für ihren Lernprozess übernehmen und wissen,
                                                                         wie und über welche Kanäle sie sich theoretische Grundlagen oder
                                                                         Stu­dien beschaffen können. Sie lernen, sich und ihre Arbeit zu re­
                                                                         flektieren, was in der Praxis stark spürbar und von grosser Wich­
            «Heutige diplomierte                                         tigkeit ist für die persönliche Entwicklung und für diejenige ihrer
                                                                         Professionalität. Ich erlebe die Studierenden als sehr aufmerksam,
      Hebammen FH bringen alle nötigen                                   und durch das ­Fragen, warum diese für mich routinierte Handlung
           Voraussetzungen mit»                                          bspw. so ausgeführt wird, lerne auch ich immer wieder, wie wichtig
                                                                         es ist, kritisch zu bleiben und Massnahmen in Frage zu stellen.

                                                                                               Ganzheitliches Lernen
Berufsbildnerin Chantal Staub begleitet im Spital                                            «mit Kopf, Herz und Hand»
Limmattal seit bald zwei Jahren angehende Hebammen                       Als Berufsbildnerin ist es spannend, die Studierenden in den unter­
in den Praxismodulen. Ihr ist es wichtig, dass die Hebam­                schiedlichen Praxismodulen begleiten zu können. Die Hebammen­
menstudierenden auf allen Ebenen lernen können und                       studierenden bringen neben einem fundierten theoretischen Fach­
auch Fehler machen dürfen. Sie erlebt diese als sehr                     wissen erste handwerkliche Fertigkeiten mit, die sie im Studium in
aufmerksam und ist durch deren Fragen immer wieder                       den Skillsmodulen erlernen, oder bereits Erfahrungen aus vorher­
aufgefordert, ihr eigenes Handeln zu hinterfragen.                       gehenden Praxismodulen. Die Aufgabe der verantwortlichen Per­
                                                                         sonen in einer Institution und somit für mich als Berufsbildnerin ist,
Ich habe selber die Ausbildung als Hebamme an der Zürcher Hoch­          die Studierenden darin zu unterstützen, die Theorie in die Praxis
schule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur besucht und           zu transferieren und anhand von realen Situationen die Zusam­
2014 als dritter Jahrgang abgeschlossen. Ich kann mich noch gut          menhänge zu erkennen, zu verstehen und dementsprechend zu
­daran erinnern, dass hinsichtlich der ersten Abgänger eine gewisse      handeln. Ich erlebe die Studierenden als ausgesprochen neugierig,
 Skepsis und das Verständnis für die Akademisierung nicht überall        interessiert und motiviert, das Gelernte umzusetzen und neues
 vorhanden war. Hebamme sei ein praktischer Beruf und gehöre             ­Wissen zu generieren. Die Studierenden erfahren, wie individuell
 nicht an eine Hochschule. Man hatte Angst vor Theoretikerinnen,          die zu betreuenden Frauen und Paare sind und dass es unsere Auf­
 die das praktische Hebammenhandwerk zu wenig lernen und ver­             gabe ist, empathisch, flexibel und aufmerksam zu sein und zu eru­
 stehen würden.                                                           ieren, mit welchen Worten und Mitteln wir die Frauen bestärken
                                                                          können. Die Studierenden erleben, was es heisst, Schichtarbeit zu
                       Eindrücklich, wie sich                             leisten oder sehr arbeitsintensive Dienste zu bewältigen. Sie wer­
                   die Studierenden entwickeln                            den mit Emotionen wie Freude, Enttäuschung, Angst, Trauer kon­
Meiner Meinung nach bringen die heutigen diplomierten Hebam­              frontiert oder auch mit ethischen Fragestellungen und Konflikten.
men FH alle nötigen Voraussetzungen für den Berufsalltag mit, und         Hier ist es ebenfalls die Aufgabe der Praxis, die Studierenden abzu­
die Akademisierung auf Fachhochschulstufe ist sinnvoll und zeitge­        holen, sie in ihrem Reflexionsprozess zu unterstützen und gemein­
mäss. Doch die Praxisnähe im Studium an der Fachhochschule ist            sam mögliche Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
essenziell und unabdingbar. Durch die vier Praxismodule im Haupt­         Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie wichtig die Rolle der Berufs­
studium und das obligatorische zusätzliche vierte Ausbildungsjahr,        bildnerin ist und dass sie zu einem erfolgreichen Lernprozess der
das sogenannte Zusatzmodul, das die Studierenden im Anschluss             Studierenden beiträgt. Mir ist es wichtig, die Hebammenstudieren­
an die drei Jahre des Bachelorstudiums nur in der Praxis verbrin­         den so begleiten zu können, dass für sie ein geschützter Rahmen
gen, wird die ­nötige Praxiserfahrung sichergestellt. Ich finde es im­    entsteht, in dem sie auf allen Ebenen lernen können und auch Feh­
mer wieder eindrücklich, zu beobachten, wie sich die Studierenden         ler machen dürfen. Der Grundsatz vom ganzheitlichen Lernen «mit
in diesem Jahr entwickeln. Sie lernen, mit der Verantwortung um­          Kopf, Herz und Hand» (Johann Heinrich Pestalozzi, 1746 – 1827) hat
zugehen und diese auch in komplexen Situationen zu übernehmen,            sich meiner Meinung nach auch mit der Akademisierung nicht ver­
und gewinnen enorm an Selbstvertrauen, sodass sie sich danach             ändert.
dafür gewappnet fühlen, als diplomierte Hebamme zu arbeiten,
und sich auf die neue Herausforderung freuen.                            Chantal Staub, Hebamme FH und Berufsbildnerin,
Die Studierenden lernen durch das wissenschaftliche Arbeiten im          Geburtenabteilung Spital Limmattal.
Studium, evidenzbasierte Informationen zu suchen, zu interpre­
tieren und in ihrer Aussagekraft und Qualität zu beurteilen. Dies
ist nicht nur für das Studium wichtig, sondern auch für den Be­
rufsalltag. Die Medizin ist sehr schnelllebig, daher ist es für die

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