Umwelt journal Rheinland Pfalz - Landeszentrale für Umweltaufklärung
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umwelt journal Rheinland Pfalz Heft 58 September 2015 Bienen | 25 Jahre LZU Herausgegeben vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Rheinland-Pfalz
Impressum umwelt Inhalt umweltjournal Editorial Rheinland-Pfalz Vorwort der Ministerin 3 Nr. 58 (September 2015) Honigbienen und Wildbienen Das umweltjournal ist kostenlos Wildbienen 4 Von Honigbienen und Blüten 8 Herausgeber: Bienenzüchtung in Deutschland 12 Ministerium für Umwelt, Zur Verbreitung der Honigbienenarten 15 Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Kaiser-Friedrich-Straße 1 Das Verschwinden der Bienen 55116 Mainz Tel. 06131 – 164433 Goodbye Maja! 16 Fax. 06131 – 164629 Haben Bienen eine kognitive Karte? 20 Wohin geht die Bienenhaltung? 24 Redaktion: Bienen in Gefahr 28 Landeszentrale für Umweltaufklärung Rheinland-Pfalz Bienen und Imkerei Gestaltung: Förderung der Bienenhaltung 31 media machine GmbH, Mainz Das Fachzentrum für Bienen und Imkerei 32 Druck: Nahrungsverfügbarkeit für Bienen 34 Druckerei Schwalm GmbH, Mainz Varroose und das Wetter 38 Titelbild: Imkerei und Gentechnik 40 Helga R. Heilmann, Ohne Honigbienen geht es nicht 42 Universität Würzburg Die Buckfastbiene 46 Belegstellen 50 Fotos: Projektfotos Helga R. Heilmann, S. 8, 9, 10, 11, 77 Bienen und nachhaltige Entwicklung M. Schneider, Universität Würzburg, S. 11 Portrait Bienen als pädagogische Kollegen: 52 Sabine Jacoub, BUND Mainz, S. 78 Facetten der Bienenthematik im Unterricht 56 Bienen für nachhaltige Entwicklung 60 Sofern nicht besonders erwähnt, wurden die Fotos von den jeweiligen Autoren zur Verfügung gestellt Bienen, der Bien und Kultur Der Gott der Bienen ist die Zukunft 62 Die mit Namen der Autoren Bienen als Kunstschaffende 66 gekennzeichneten Artikel geben nicht unbedingt die Meinung Verbesserung der Lebensgrundlagen der Redaktion wieder. Lebensräume schaffen! 68 Eh da-Flächen 70 Blühendes Rheinhessen im Jubiläumsjahr 74 Von den Bienen lernen, heißt lieben lernen? 76 * LZU-Journal 79 Zum Schluß Earth Overshoot Day 87 2 umweltjournal 58/2015
umwelt Editorial Jeder Imker kennt das seit einigen Jahren. Die Waben voller Honig, die Brut tot, die Bienen weg. Was ist passiert? Wild- und Honigbienen sind eigentlich robuste Wesen. Doch sie sind schwach geworden. Dabei ist ein großer Teil der Biodiversität und unserer Lebensmittelver- sorgung ohne Bienen nicht denkbar. Die Bienen kranken am Menschen. An unserer Landwirt- schaft, unserer Forstwirtschaft, unseren Pharmazeutika, unserem Energiehunger, unserem oft ungezügelten Gewinnstreben. Aus vielen Gründen haben es die Bienen besonders im ländlichen Raum schwer. Durch industrielle Landwirtschaft wird ihre Ernährungsgrundlage stark verengt, was ihre Widerstandskräfte schwächt. Pestizide, wie die Neonikotinoide, stören offensichtlich die Entwicklung der Bienen und deren Orientierungssinn, so dass die Altbienen aus dem Stock verschwinden und ganze Bienenvölker zusammenbrechen. Dazu kommen eingeschleppte Schädlinge, wie die Varroa-Milbe oder Krankheiten wie die Amerikanische Faulbrut. Um das Überleben der Wild- und Honigbienen in Europa zu sicheren, muss vor allem im länd- lichen Raum angesetzt werden. So hat etwa die EU im Jahr 2013 vorübergehend drei Neoni- cotinoide vom Markt genommen. Wir haben den Ökolandbau in Rheinland-Pfalz ausgeweitet und stärken die bäuerliche Land- wirtschaft. Wir fördern Saum- und Bandstrukturen von einjährigen Blühmischungen und Streuobstwiesen, ebenso wie vielfältigere Kulturen im Ackerbau, durch Fruchtfolgen und Zwi- schenfruchtanbau und mindestens zehn Prozent Leguminosen. Es gibt Programme zur exten- siven Grünlandbewirtschaftung: Öffentliches Geld gibt es vor allem für öffentliche Leistungen, also eine Landbewirtschaftung, die der Biodiversität und damit zum Beispiel unseren Bienen, aber auch Schmetterlingen, anderen Insekten und Wildtieren sowie den Gewässern zu Gute kommt. Dies wiederum danken die Bienen und andere Insekten der Landwirtschaft durch ihre Bestäubungsleistung und den Menschen durch Honig, Pollen und andere Bienenprodukte. Die Imkerei wird in Deutschland zu über 90 Prozent als Liebhaberei betrieben. Dies ist ein wichtiger Beitrag für eine flächendeckende und kontinuierliche Befruchtung der Pflanzen, die auf die Honigbienen angewiesen sind. Für diese Systemleistung werden die Bienenhalte- rinnen und –halter finanziell vom Land und durch die EU unterstützt, z.B. bei ihrer Aus- und Fortbildung durch die Landesverbände und Imkervereine sowie durch unsere „Fachstelle Bienen und Imkerei“ in Mayen. Bienenhaltung ist eine kulturelle Leistung, die Menschen seit tausenden von Jahren erbringen. Auch in die Schulen fanden die Bienen schon früh Eingang. Mit dem Projekt „Aktion Bien – Bienen machen Schule“ der LZU wird diese gute Tradition belebt und gefördert. So stehen den derzeit etwa 100 teilnehmenden Schulen im Land mit ihren Bienenvölkern lebendige Partner für eine Bildung für eine nachhaltige Entwicklung zur Verfügung. Bienen – mit ihrem Sozialverhalten, ihrer naturgemäßen Lebensweise, ihrem sym- pathischen Wesen und ihren gesunden und leckeren Produkten – schaffen bei Schülerinnen und Schülern Empathie und sind lebende Vorbilder für ein nachhaltiges Leben. Damit es den Insekten, vor allem unseren Bienen gut geht, dafür kann fast jede und jeder et- was tun. Etwa durch den Honigkauf beim örtlichen Imker, durch Verzicht auf Gifte im Garten oder auf dem Balkon, durch blühende Pflanzen rund um Haus oder Wohnung. Ich danke den Imkern und Landwirten, den Naturschützerinnen, Lehrerinnen und Schulen, den Fremden- führern, den vielen Initiativen zur Pflege unserer Gemarkungen und Streuobstflächen sowie zur Begrünung unserer Städte für ihre Arbeit. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag, damit immer mehr Menschen über die Bedeutung der Bienen für die Vielfalt in der Natur und die Wichtigkeit der Bestäuberinsekten erfahren. Auch dieses Heft soll dazu einen Beitrag leisten. Ulrike Höfken Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten 3 umweltjournal 58/2015
Wildbienen faszinierende, aber bedrohte Vielfalt Die Honigbiene des Imkers kennt jeder. Über kein an- deres Insekt wurde so viel geforscht und geschrieben. Deshalb verwundert es nicht, dass die Begriffe Biene und Honigbiene für die meisten Menschen Synonyme sind. Ja, es fällt ihnen sogar schwer zu glauben, dass weltweit bislang über 17000 Bienenarten bekannt wurden und dass allein zur Tierwelt Deutschlands über 560 Bienenarten gehören. Da diese anderen Bie- nen durchweg wildlebend sind, nennen wir sie um- gangssprachlich auch „Wildbienen“. Während auch die Honigbiene in weiten Wildbienen kann man vom zeitigen Teilen Afrikas noch eine echte Wildbie- Frühling bis zum Herbst nahezu über- ne ist, wird sie weltweit als Nutzbie- all antreffen Wir finden sie in feucht- ne für die Erzeugung von Honig und kühlen Hochmooren ebenso wie auf Wachs oder zur Bestäubung gehalten. trocken-heißen Felshängen, in lichten Wäldern ebenso wie in Schilfröhrich- Schon im 19. Jahrhundert haben In- ten. Viele Arten leben inmitten unserer sektenkundler den verschiedenen Ver- Städte und Dörfer. Auch in Hausgärten wandschaftsgruppen der Bienen, die und selbst auf dem Balkon lassen sie wir als Gattungen bezeichnen, zum sich beobachten. Das Artenspektrum Hummeln sind staatenbildende Wild- besseren Verständnis deutsche Namen ist aber nicht überall und zu jeder Jah- bienen. Hier sammelt eine Königin gegeben und haben sich dabei an äu- reszeit gleich. Der Lebensraum einer der Ackerhummel (Bombus pascuo- ßeren Merkmalen oder der Lebenswei- typischen, nämlich nestbauenden Wild- rum) an einer Frühlings-Platterbse se orientiert. Daher gibt es unter an- biene muss zwei Grundvoraussetzun- (Lathyrus vernus) Pollen, um damit derem Maskenbienen, Furchenbienen, gen erfüllen: Er muss einen geeigneten die ersten Larven zu füttern, die spä- Sandbienen, Mauerbienen, Woll- und Brutplatz für das Nest und gleichzeitig ter als Arbeiterinnen die Königin un- Harzbienen und Pelzbienen. Nahrungspflanzen in erreichbarer Nähe terstützen. und in ausreichender Menge aufweisen. Keinen neuen Namen brauchten die Dabei sollten wir wissen, dass sich der pelzigen Brummer, die gut bekannten Gesamtlebensraum vielfach aus meh- sich dann über das Puppenstadium zur Hummeln nämlich, die ebenfalls zu den reren räumlich getrennten Teillebens- Biene weiterentwickelt. Erdnister wie Wildbienen zählen und mit der Honig- räumen zusammensetzt, die jeweils als Sand-, Furchen-, Schmal- und Hosen- biene nah verwandt sind. Viele Wildbie- Nistplatz, als Nahrungsraum und/oder bienen graben ihre mehr oder weniger nenarten sind klein und unscheinbar. zur Gewinnung des Baumaterials die- tiefen Nestgänge im Sand und sogar Manche sind nur 4 mm groß. Es gibt nen. Schon wenn ein Teil des Lebens- in hartem Lehmboden und kleiden die aber auch solche mit auffälliger Fär- raums verloren geht, erlischt zwangs- Brutzellen mit eigenen Drüsensekre- bung und markanter Größe. Oft werden läufig an dieser Stelle der Bestand der ten aus. Nur die Honigbiene und die Wildbienen mit Fliegen oder Wespen davon abhängigen Art. Diese Tatsache Hummeln verwenden Wachs, das sich verwechselt. Hinzu kommt, dass al- ist einer der Gründe für den gravieren- in speziellen Wachsdrüsen im Hinter- le Wildbienen in zwei Geschlechtern den Rückgang der Artenvielfalt und ist leib bildet und ausgeschieden wird. Bei auftreten. Wer sich daher näher mit bei allen Maßnahmen zum Schutz der oberirdisch nistenden Arten wie Mauer-, Wildbienen beschäftigen will und Be- Wildbienen zu berücksichtigen. Blattschneider-, Woll- und Harzbienen stimmungstabellen verwendet, ist allein und einigen Erdnistern werden für den in Deutschland mit über 1100 Formen Die von Art zu Art verschiedenen Nest- Nestbau die unterschiedlichsten Mate- konfrontiert, da sich die Männchen mei- bauten finden im Insektenreich kaum rialien genutzt. Verwendung finden z. B. stens erheblich von den Weibchen un- ihresgleichen. In einem mit hoher Präzi- ausgeschnittene Stücke von Laub- oder terscheiden. Die große Vielfalt zeigt sich sion aufwändig konstruierten Bau wird Blütenblättern, zerkautes Blattmateri- aber nicht nur in äußerlichen Merkma- in isolierten Kammern, den Brutzellen, al, Pflanzenhaare, Harz, feuchter Lehm len, sondern vor allem in ihrer faszinie- zunächst ein Gemisch aus Pollen und und Steinchen. Dabei nutzt jede Art im- renden Lebensweise. Nektar deponiert, auf dem ein Ei ab- mer ein und denselben Baustoff, kann gelegt wird. Aus ihm schlüpft die Lar- also bei dessen Fehlen nicht auf andere ve, die zunächst den Pollen frisst und Materialien ausweichen. 4 umweltjournal 58/2015
Bienen > Nicht nur in der Art und Weise des Nest- Weil sie bei Bienen meistens an die baus und der Verwendung des Bauma- Honigbiene denken, stellen sich die terials sind Wildbienen hochspezialisiert, meisten Menschen unter Bienen immer sondern auch in der Wahl des Nistplat- staatenbildende Insekten vor. Die Staa- zes. Die Nester werden von rund drei tenbildung als höchste Stufe des Sozi- Viertel der Arten in der Erde angelegt. alverhaltens ist bei den Bienen aber die Typische Erdnister sind z. B. Sandbie- große Ausnahme. Die Honigbiene ist nen, Furchen- und Schmalbienen und in dieser Hinsicht eine für Bienen also Hosenbienen. Oft werden vegetations- eher untypische Art. In unseren Breiten freie oder –arme Stellen, z. B. auf Erd- leben unter den Wildbienen lediglich wegen, von diesen Arten besiedelt. Die die Hummeln (ca. 30 Arten) und einige oberirdisch nistenden Arten haben ganz Furchen- und Schmalbienen in ein- bis unterschiedliche Ansprüche. Vorhande- mehrjährigen Staaten. Die weitaus grö- ne Hohlräume, auch an Gebäuden, be- ßere Zahl der nestbauenden Wildbienen siedeln bestimmte Mauerbienen wie die (ca. 95%) lebt jedoch solitär (einzeln). Gehörnte Mauerbiene, andere nutzen Jedes Weibchen baut sein Nest und Käferfraßgänge in totem Holz (Hahnen- Die Männchen der im Erdboden versorgt seine Brut ganz allein, ohne fuß-Scherenbiene). Solche Arten las- nistenden Langhornbienen, hier die Mithilfe von Artgenossen. Ein gutes sen sich zum Teil auch mit sogenannten die Mai-Langhor nbiene (Eucera Beispiel für Solitärbienen sind die Ge- Nisthilfen fördern. Manche Arten bauen nigrescens) haben charakteristisch hörnte und die Rostrote Mauerbiene, ausschließlich in morschem Holz (Blau- lange Fühler. die sich beide auch leicht in Nisthil- schwarze Holzbiene) oder in Pflanzen- fen ansiedeln lassen. Da sie wie ande- stängeln (Keulhornbienen) und nagen re Hohlraumbesiedler völlig friedfertig die Gänge selbst. Auch alte Schilfgallen Alle Wildbienen benötigen zur Eigen- sind, können auch Kinder ihre faszinie- dienen als Nistplatz (Schilfgallen-Mas- versorgung Blüten, die nestbauenden rende Brutfürsorge aus nächster Nähe kenbiene). Es gibt sogar Arten, die in auch zur Verproviantierung ihrer Brut- gefahrlos beobachten. Solitärbienen leeren Schneckenhäusern nisten (z. B. zellen mit Larvenfutter. Zuckerhaltiger haben in der Regel einen einjährigen Zweifarbige Schneckenhaus-Mauerbie- Nektar dient für die adulten Bienen als Entwicklungszyklus und nur eine vier- ne). Nur wenige nisten auf der Oberflä- Treibstoff für den Flug, teilweise wird er bis sechswöchige Flugzeit. Wir bekom- che von Steinen, Felsen und Mauern auch der Larvennahrung beigemischt. men sie daher nur wenige Wochen im (Schwarze Mörtelbiene). Wegen seines hohen Eiweißgehalts ist Jahr zu Gesicht, unabhängig davon, Blütenstaub (Pollen) der wichtigste Be- ob es sich um Frühlings-, Frühsommer, standteil der Larvennahrung. Viele Ar- Hochsommer- oder Herbstarten han- ten nutzen beim Sammeln von Pollen delt. Den größten Teil des Jahres voll- wie die Honigbiene ein breites Spek- zieht sich die Entwicklung im Nest, vor trum von Pflanzen, andere sind deutlich unseren Augen verborgen. wählerischer. Ein Viertel der heimischen nestbauenden Arten, rund 120 Arten, ist jedoch hochspezialisiert. Von ihnen kann nur der Pollen einer einzigen Pflanzenart oder weniger nah verwandter Pflanzen- arten genutzt werden. Ihre Pollenquellen finden sich in 26 Pflanzenfamilien. Typi- sche Beispiele sind die an Efeu gebun- dene, erst im Spätsommer erscheinende Efeu-Seidenbiene und 12 Arten, die auf Glockenblumen spezialisiert sind. Oh- ne „ihre“ Pollenquellen können solche Mehrere Wildbienenarten sind auf Wildbienenarten nicht für Nachkommen Glockenblumen als Pollenquellen an- sorgen. Die Erhaltung und Förderung gewiesen, so auch die Grauschup- einer vielfältigen Flora ist demnach die pige Sandbiene (Andrena pandellei), Grundvoraussetzung für einen nachhal- Rund ein Viertel der heimischen die hier an der Wiesen-Glockenblume tigen Schutz der Wildbienen. Wer dies Wildbienen baut keine eigenen Ne- (Campanula patula) Pollen erntet. Die weiß, kann im eigenen Garten und sogar ster, sondern nutzt die Brutfürsor- Intensivierung der Wiesennutzung hat auf dem Balkon Wildbienen gezielt för- ge anderer Bienenarten aus. Eine diese Glockenblume vielerorts ver- dern, zum Beispiel allein 6 Arten durch solche Kuckucksbiene ist auch die drängt und damit der mittlerweile ge- das Anpflanzen von Glockenblumen und Kreuzkraut-Wespenbiene, die wegen fährdeten Sandbiene die Nahrungs- viele andere Arten durch die Kultur hei- ihrer Färbung leicht mit Wespen ver- grundlage entzogen. mischer Wildstauden und/oder ein- bis wechselt werden kann. zweijähriger Pionierpflanzen. 5 umweltjournal 58/2015
> Mit 293 Arten von insgesamt 563 aus Deutschland bekannten Wildbienen- Arten ist derzeit über die Hälfte (53%) mehr oder weniger stark in ihrem Be- stand bedroht und 39 Arten gelten als ausgestorben oder verschollen. Verant- wortlich für die Gefährdung sind fast immer die Zerstörung der Nistplätze und/oder der Rückgang blumenreicher Vegetation. Zwar gibt es einige Cha- rakterarten des Waldes, der bei wei- tem größere Teil der Bienenarten liebt jedoch Trockenheit und Wärme und ist daher nur in Lebensräumen des Offen- landes zu finden. Es verwundert da- her nicht, dass die Landwirtschaft den größten Einfluss auf die Bestände der Bienen hatte und hat daher auch der Hauptverursacher des Artenrückgangs ist. Selbst vergleichsweise anspruchs- lose Arten finden in den intensiv ge- Die Blauschwarze Holzbiene (Xy- nutzten Feldfluren kaum noch ausrei- locopa violacea) ist die größte hei- Die in lichten Wäldern lebende chende Möglichkeiten für ihre Existenz. mische Wildbienenart. Sie wird ge- Lappländische Sandbiene (Andrena In den Feldern und auf den Wiesen fehlt legentlich mit Hummelköniginnen lapponica) ist ein wichtiger Bestäu- heute das in Zeiten einer extensiveren oder mit der Schwarzen Mörtelbiene ber der Heidelbeeren. Landbewirtschaftung früher so reiche verwechselt. Besonders beliebt bei Angebot an Blumen. Die Nutzung von ihr ist der großblütige Muskateller- immer mehr Flächen für die Produktion Salbei. Kaum bekannt ist, dass es neben den von Biomasse für Biogasanlagen hat in nestbauenden Wildbienen auch solche den letzten Jahren erheblich zur wei- gibt, die, anstatt selbst Nester zu bau- teren Verschlechterung der Lebensbe- Eine ganze Reihe von Wildbienen- en und zu versorgen, die Brutfürsor- dingungen für alle Bienen beigetragen. Lebensräumen kann bei der heutigen ge anderer Arten in Anspruch nehmen. Auch die Imker haben darunter zu lei- Landnutzung nur mit dem Instrument Rund ein Viertel der heimischen Arten den, weil die Nahrung für ihre Bienen- des strengen Flächenschutzes in Form sind „Kuckucksbienen“, die als Futter- völker schon im Frühsommer vielerorts von Naturschutzgebieten mit nachhalti- schmarotzer ihr eigenes Ei in die Brut- Mangelware ist. ger Bewirtschaftung bzw. Pflege erhal- zelle einer Wirtsart schmuggeln. Dort ten werden. Zu diesen Lebensräumen wird nach dem Schlüpfen zunächst die gehören in Rheinland-Pfalz Binnendü- junge Wirtslarve als Nahrungskonkur- nen und Flugsandfelder, Magerrasen rent getötet und dann das für sie ein- trockenwarmer Standorte, Sandheiden, getragene Futter verzehrt. Kegelbie- Großröhrichte und Landschilfbestän- nen, Trauerbienen, Schmuckbienen und de, Felsfluren und Abwitterungshalden Wespenbienen, um nur einige Gattun- sowie Sand-, Kies- und Lehmgruben. gen zu nennen, haben meist ganz be- Hier ist bereits manches für einen nach- stimmte Bienenarten als Wirte, sind al- haltigen Schutz geschehen. Außerhalb so von deren Existenz abhängig. Neben der Schutzgebiete sind Kleinstruktu- den Futterschmarotzern gibt es auch ren wie Wegränder, Stufenraine, Lese- Sozialparasiten, die ebenfalls keine ei- steinhaufen, kleine Steilwände, vege- genen Nester bauen, noch Nahrung für tationsarme Erdwege oder Flächen mit die Brut sammeln. Bei diesen Sozialpa- Pionier- und Ruderalvegetation sowie rasiten handelt es sich um die Schma- Totholzstrukturen als Nist- bzw. Nah- rotzer- oder Kuckuckshummeln, die rungsplätze besonders bedeutsam. Die zwar mit den Hummeln nah verwandt In Dörfern und Städten häufig anzu- Bestandssituation der hier siedelnden sind, sich im Verlauf ihrer Stammes- treffen ist die Gehörnte Mauerbie- Arten ist nämlich besonders kritisch. geschichte jedoch darauf spezialisiert ne (Osmia cornuta). Hier kommt ein Wo Lebensräume verlorengegangen haben, ihre Brut von anderen sozialen Weibchen zu seinem Nest in einem sind, müssen Wege gesucht werden, Bienen aufziehen zu lassen. Die para- Bambusröhrchen zurück, nachdem sie neu zu schaffen und dies als eine sitisch lebenden Bienenarten sind nicht es reichlich Pollen gesammelt und in wichtige und dringliche Aufgabe der weniger schutzwürdig wie nestbauende einer Bauchbürste gespeichert hat. Zukunft anzusehen, wenn wir den Ar- Bienen. tenrückgang aufhalten wollen. 6 umweltjournal 58/2015
Bienen jekte zum wiederholten Male belegen. Wildbienen nur dort ihre Funktion im Unzählige Wildpflanzen ebenso wie vie- Naturhaushalt als Bestäuber erfüllen, le Nutzpflanzen (Obstbäume, Beeren- wo in einem Verbund von Lebensräu- sträucher, Feldfrüchte) sind auf Wild- men Nistmöglichkeiten vorhanden und bienen als Bestäuber angewiesen. Es gleichzeitig auch die Ansprüche an die reicht nicht, einzelne Arten zu fördern Nahrungsquellen erfüllt sind. Nur wenn oder gezielt einzusetzen (z. B. Erdhum- wir Artenschutz mit allen Konsequen- meln für die Tomatenbestäubung). Die zen betreiben, haben auch zukünftige Erhaltung einer artenreichen Wildbie- Generationen noch die Möglichkeit, die nenfauna ist die Voraussetzung für die faszinierende Lebensweise der Wildbie- Ernährungsvorsorge der Zukunft. nen mit eigenen Augen so zu erleben, wie es dem Verfasser in den vielen Jah- Auch wenn Wildbienen in den letzten ren seiner Wildbienenforschung glückli- Jahren bekannter geworden sind und cherweise vergönnt war. ihnen in den Medien mehr Aufmerk- samkeit als früher geschenkt wird, soll- Blattschneiderbienen wie die Luzer- ten wir unsere Bemühungen verstär- ne-Blattschneiderbiene (Megachile ken, sie nachhaltig zu schützen und rotundata) verwenden zum Bau der zu fördern. Das gilt in erster Linie für Brutzellen ausschließlich Blattstük- die im Bestand bedrohten Arten. Es ke, die sie mit ihren Oberkiefern wie genügt nicht, nur wenige ohnehin häu- mit einer Schere ausschneiden. fige Arten mit Nisthilfen zu fördern, auch wenn dies zu einem höheren Be- kanntheitsgrad der Wildbienen beiträgt. Leider reduziert auch das oft vorherr- Wir müssen uns um die Erhaltung al- schende Verständnis von „Ordnung und ler Arten kümmern. Schließlich können Sauberkeit“ vielerorts unnötigerweise das Nahrungsangebot auf Privatgrund- stücken oder kommunalen Flächen. Parks und Gärten, die für viele Bienen- arten durchaus als (Teil-)Lebensraum in Frage kommen, könnten durch die An- lage von blumenbunten Wiesen, Wild- stauden-Rabatten, Steingärten oder Autor Blumenansaaten mit heimischen ein- und zweijährigen Pflanzen (keine exo- Dr. Paul Westrich tischen Samenmischungen!) bienen- Institut für Biologie und Naturschutz freundlicher gestaltet werden. Selbst im Raichbergstr. 38 Nutzgarten und auf dem Balkon kann 72127 Kusterdingen man das Nahrungsangebot für Bienen www.wildbienen.info deutlich verbessern. Die Städte und Gemeinden sollten viel stärker als bis- her die in ihrem Besitz oder unter ihrer Obhut (Wegränder) befindlichen Flä- chen nach Artenschutzgesichtspunkten pflegen und hierfür bei der Bevölkerung für das nötige Verständnis werben. Nach der Bundesartenschutzverord- nung sind sämtliche Wildbienen-Arten Einige Wildbienenarten nisten aus- besonders geschützt. Der Grund dafür, schließlich in leeren Schneckenhäu- dass sich dieser rechtliche Schutz nicht sern unterschiedlicher Größe. Hier auf besonders seltene oder bedrohte hat die Zweifarbige Schneckenhaus- Arten beschränkt, ist die hohe Bedeu- Mauerbiene (Osmia bicolor) eine tung der Wildbienen als Bestäuber. Es Schnirkelschnecke mit zerkauten reicht nämlich nicht aus, sich ledig- Blattstückchen beklebt, um an- lich auf die Honigbiene als Bestäuber schließend darin eine Brutzelle an- zu verlassen, wie jüngste in mehreren zulegen. Ländern durchgeführte Forschungspro- 7 umweltjournal 58/2015
Von Honigbienen und Blüten Blütenpflanzen gibt es seit etwa 130 Millionen Jah- Das Bestäubungssystem der Blüten- pflanzen hat eine Abhängigkeit zwi- ren. Ursprünglich alleine dem Wind als „Postillion schen Insekten und Blütenpflanzen hervorgebracht, in der wie auf einem d´amour“ überlassen, war Blumensex unökonomisch Jahrmarkt die Insekten zwischen unter- durch die enormen Massen an Pollen, die auf eine un- schiedlichen Anbietern wählen können und in der die Pflanzen um ihre Kun- sichere und in den allermeisten Fällen erfolglose Reise den, die blütenbesuchenden Insekten, geschickt wurden. Und an wenig windigen Lokalitäten konkurrieren. Dabei unterscheiden sich die Pflanzen als Anbieter in der Qualität ging sowieso nicht viel. und der Menge an Nektar, der den Be- suchern angeboten werden kann, aber auch die Polleninhaltsstoffe unterschei- den sich zwischen den Pflanzen. Das Marktgeschrei auf dem Blüten- markt zielt auf die Sehwelt und die Riechwelt der Bienen. Die Notwendig- keit den Bienen besonders auffälliges zu bieten, steigt mit der Menge der direkten Konkurrenten, die zeitgleich im gleichen Sammelgebiet der Bienen blühen. Was aus Bienensicht auffallend ist, wird festgelegt von den Wahrneh- mungsfähigkeiten der Bienen und den Möglichkeiten und Grenzen ihrer „intel- lektuellen“ Leistungen. Mit dem Erscheinen deutlich weniger destruktiver Bestäuber-Insekten konn- ten die Pflanzen sensible Teile der Blü- te in das geschützte Innere verlegen und so ihre Geschlechtsorgane und Ge- schlechtsprodukte vor Wind und Wetter sowie vor den zerstörerischen Freß- Pollensammlerin auf Weidenblüte Bestäubern besser schützen. Dazu ka- men dann Blütenteile mit optischen und Ein deutlicher Fortschritt war zu ver- Dieses Bündnis hat als erster Christian duftenden Auffälligkeiten, um die ge- zeichnen, als Insekten den Blütenstaub Conrad Sprengel in einem wunderschö- wünschte Gäste zum gedeckten Tisch als Nahrungsquelle entdeckten und nen Buch im Jahre 1793 beschrieben. locken. die Staubbeutel schlichtweg auffra- Er gab seinem Werk den Titel „Das ent- ßen. Beim reihenweisen Verzehren der deckte Geheimnis der Natur im Bau Honigbienen sind die wichtigsten Be- Staubblätter benachbarter Blüten kam und in der Befruchtung der Blumen“. stäuber in den meisten Regionen der immerhin ein ausreichender Transport So sehr wir heute über diesen Genie- Erde, in denen es Blütenpflanzen gibt. der Pollen auf entsprechende weibliche streich begeistert sind, so wenig Freude Sie sind aber keineswegs die einzi- Blütenstempel zustande. Derart roh ge- hatte Sprengel selbst damit. gen Insekten. Fliegen, Schmetterlinge, hen auch manche heutige Insekten, Käfer und andere Hautflügler aus der wie Rosenkäfer, noch mit Blüten um. Seine Einsichten blieben von der Fach- Verwandtschaft der Honigbienen, wie welt vollkommen unbeachtet, ja er wur- nicht-staatenbildende Bienen, Wespen, Ein zarter Umgang mit den Blüten, der de sogar angefeindet, weil er derartig Hummeln und sogar Ameisen können die höchst beweglichen Pollenkörn- unkeusches über die unschuldigen Blu- das Bestäubungsgeschäft erledigen. chen zuverlässig von Blüte zu Blüte men verbreitete. Kein geringer als Char- Dabei sind die wenigsten Blüten nur auf transportiert, war aus Blütensicht das les Darwin experimentierte, angeregt eine einzige Insektenspezies angewie- Wunschziel. Mit den Bienen haben die durch die Schrift Spengels, um 1860 sen. Aber kein anderer Bestäuber ist Blütenpflanzen Partner gefunden, mit herum mit Blütenpflanzen, die er mit so wirkungsvoll wie die Honigbienen. denen sie sich im Laufe einer langen Netzen bedeckte um den bestäuben- Weltweit werden etwa 80 Prozent aller gemeinsamen Co-Evolution so ein- den Insekten den Zutritt zu verwehren, Blütenpflanzen von Insekten bestäubt. gespielt haben, dass sie ihrem Ideal- und verglich deren Fruchtansatz mit Wunsch so nah gekommen sind, wie unbenetzten Pflanzen, mit eindeutigem Von diesen wiederum etwa 85 Prozent es überhaupt vorstellbar ist. Resultat. von Honigbienen. Bei Obstbäumen 8 umweltjournal 58/2015
Headline Bienen Subheadline > Honigbiene auf Obstblüte sind es sogar 90 Prozent der Blüten, verblühen. Und da die Bienen echte baden können, haben sie sich im Laufe die von Honigbienen besucht werden. Generalisten sind, die mit fast allen Blü- der Evolution eine Ausrüstung zugelegt, Die Liste der Blütenpflanzen, die von tentypen zurechtkommen, haben alle die ein verlustloses, optimales Einsam- Honigbienen besucht werden, umfasst Blüten die gleiche Chance von den Bie- meln und Transportieren der bei den somit etwa 170.000 Arten. Die Anzahl nen aufgesucht zu werden. modernen Blüten gegenüber dem alten der Blütenpflanzen-Spezies, die auf die Zustand deutlich verknappten Blüten- Honigbienen angewiesen sind und de- Die Menge an besuchten Blüten, die staubmenge ermöglicht. Dabei arbeiten nen es ohne Honigbienenbesuche er- rasche Rekrutierung einer sinnvollen Vorder-, Mittel- und Hinterbeine bei der kennbar schlecht ginge, wird auf etwa Anzahl an Sammelbienen und die enor- Herstellung von festen Pollenpaketen 40.000 Arten geschätzt Und dieses Blü- me Anpassungsfähigkeit der Einzelbie- so eingespielt zusammen, dass es jeder tenmeer wird weltweit von gerade mal nen und der gesamten Kolonie an die vollautomatischen Erntemaschine alle neun Honigbienenarten bestäubt, in Eu- „Blütenlage“ draußen im Feld machen Ehre macht. Am Ende des Prozesses ropa und Afrika sogar nur eine einzige die Honigbienen zu idealen Partnern finden sich an den Hinterbeinen je rechts Art, die für die meisten Blütenpflanzen der Blütenpflanzen. In der Tat haben die und links ein massives Pollenklümp- unverzichtbar ist. Blütenpflanzen im Laufe ihrer Evolution chen, untergebracht in den so genann- alle Register gezogen, um für Honigbie- ten Körbchen in Form von mit Borsten Dieses extreme Zahlenverhältnis von nen interessant zu sein. Den Pollen an umgrenzten Abschnitten der Schenkel). Pflanzenkunden und Bestäubungs-Lei- Besucher-Insekten zu verlieren kannten stungsanbietern ist höchst erstaunlich die Blüten bereits. Aber mit den Bienen Die Blütenpflanzen haben den Bienen und spricht sehr dafür, dass die Ho- ist eine blütenfreundliche Umgangsform aber noch mehr zu bieten: Schon Far- nigbienen mit ihrer Lebensform der- entstanden. Der Pollen wird von den ne, die lange vor den Blütenpflanzen art erfolgreich sind, dass sie keinem Bienen nicht brachial entfernt, sondern die Erde bevölkerten, haben süßen ähnlich angelegten Konkurrenten für er bleibt lediglich an den dicht stehen- Siebröhrensaft, der hin und wieder in eine Co-Existenz Raum geben. Das ist den verzweigten Bosten im Haarkleid größeren Mengen als Produkt der Pho- Globalisierung und Monopolbildung im der Bienen hängen. tosynthese entstanden war, als Nektar Tierreich. ausgeschieden. Diese Entmüllung ha- Die zuverlässigen und rücksichtsvollen ben die Blütenpflanzen beibehalten und Und in der Tat kann eine Kolonie Ho- Pollentransporteure erlauben es den derart weiterentwickelt, dass aus dem nigbienen jedem Konkurrenten das Blüten zudem, drastisch weniger Pol- ehemaligen Abfall ein für den Bienen- Fürchten lehren. Eine einzige Kolonie lenmengen herzustellen als im Falle konsum gezielt hergestelltes Produkt Honigbienen kann an einem einzigen der „windigen“ Windbestäubung und entstanden ist, der Nektar. Arbeitstag mehrere Millionen Blüten be- immer noch deutlich weniger als im suchen. Da sich die Bienen über neu Falle der blütenfressenden Käfer. Da Und um da heranzukommen, haben die entdeckte Blüten-Reviere informieren, die Bienen aufgrund einer blütensei- Honigbienen in Aufbau und Größe ge- ist rascher Besuch aller Blüten garan- tigen Beschränkung auf eine Pollen- eignete Mundwerkzeuge entwickelt und tiert. Kaum eine Blüte muss unbesucht Mindestmenge nicht mehr im Pollen sich im Hinterleib einen Darmabschnitt 9 umweltjournal 58/2015
> Bienentanz u Sammelbiene, die im Stock tanzt, zwischen Ziel Neulinge, denen Tanz und die weiteren Aktionen von und Stock hin- und herfliegt und am Ziel Brauseflüge Biene 1, zusammen mit den Blütendüften, helfen, das und ein Beduften des Zieles ausübt. Ziel aufzufinden. . als Tank zugelegt, in dem immerhin bei An Apfelblüten muss schon eine deut- Vor dem Ausbeuten von Blüten steht 90 Milligramm Körpergewicht mit bis zu lich größere Anzahl geleert werden. Mit das Entdecken solcher Schätze. Ein 40 Milligramm Nektar etwa die Hälfte 2 Milligramm Nektar pro Apfelblüte füllt kleiner Prozentsatz der älteren Bienen des Eigengewichtes als Nektar-Nutzlast sich der Honigmagen der Sammelbie- sucht als „Scout“-Bienen die Gegend untergebracht werden kann. Der Inhalt nen hier mit etwa 20 Tagesleistungen nach neuen Blütenschätzen ab. Behal- des Sammelmagens ist gemeinsamer der Nektarproduktion einer Blüte. Das ten wir die Umgebung solcher Blüten, Besitz der Kolonie. Was die Biene für bedeutet nicht, dass eine Biene nur die die Aufmerksamkeit solcher „Pfad- sich selbst verbraucht, ist ein geringer zwei Kirschblüten oder zwanzig Apfel- finderbienen“ auf sich gezogen haben, Bruchteil ihrer Beute und das wird nicht blüten besuchen muss, um ihren Ma- im Blick, stellen wir fest, dass nach aus dem Sammelmagen abgezweigt, gen zu füllen. Pro Blütenbesuch kann wenigen Minuten bis zu einer halben sondern passiert im Bedarfsfall ein fei- eine Biene immer nur den aktuell ge- Stunde nach deren Entdeckung mehr nes Ventilchen, das den Durchlass zum deckten Tisch leeren, der danach von und mehr Bienen dort eintreffen. Dieses verdauenden Mitteldarm darstellt. der Blüte erst wieder gefüllt werden Anwachsen der Besucherzahl erfolgt muss. Eine rekordverdächtige Biene viel zu rasch, als dass jede der dort Für die Bienen legen sich die Blüten kann an einem optimalen Tag bis zu eintreffenden Bienen die Blüten ganz al- ins Zeug. So kann eine einzige Kirsch- 3.000 Blüten besuchen. leine für sich und ganz zufällig entdeckt blüte an einem einzigen Tag mehr als haben könnte. Tatsächlich wurden die 30 Milligramm Nektar erzeugen. Ein Das bedeutet aber nicht 3.000 Aus- neu eintreffenden Bienen über die Ent- ganzer Kirschbaum kann es auf täglich flüge. Was das betrifft sind die Bienen deckung im Bienennest informiert und nahezu 2 Kilogramm Nektar bringen. eher faul. Die Anzahl der Blüten, die indem sie dieser Information folgen, als Die Menge, die eine Sammelbiene von eine Sammelbiene auf einer ihrer ver- Sammelhelfer rekrutiert. jedem Ausflug in ihrem Sammelmagen hältnismäßig wenigen Tagestouren be- mit nach Hause bringt beträgt bis zu bis sucht, muss umso höher ausfallen, je Die Kommunikation, die sich dabei zu 40 Milligramm, also fast die Tages- weniger Nektar die Blüte zum Zeitpunkt zwischen den „wissenden“ und „un- produktion von einer Kirschbaumblüte. des Bienenbesuches anbieten kann. wissenden“ Bienen abspielt, ist höchst 10 umweltjournal 58/2015
Bienen Heimkehrende Pollen- und Nektarsammlerinnen komplex und noch immer nicht befriedi- abgerundete Bild: Die erfahrenen Bie- All diese Komponenten zusammen brin- gend verstanden. Sie besteht aus einer nen beginnen das Geschäft, Rekruten gen die Neulinge an das Ziel. Kette von Verhaltensweisen, die sich im ans Ziel zu bringen mit dem Tanz auf Stock und im Feld abspielen. den Waben im dunklen Bienenstock und setzen ihre aktiven Rolle am Ziel Der berühmte Bienen-Tanz ist dabei der durch Brauseflüge fort. Die Blüten Einstieg in eine Kette von Verhaltens- selbst locken über kurze Distanzen mit- weisen seitens der erfolgreichen Sam- tels ihrer Farben und Formen, über wei- melbienen. Die gleichen Bienen, die im te Distanzen mit ihren Düften, was der Stock tanzen, führen rund um das Ziel amerikanische Bienenforscher Adrian sehr auffällige „Brauseflüge“ auf (siehe Wenner in einer Vielzahl von Experi- Video http://www.hobos.de/de/Film1). menten studiert hat. Was aber auf der Das ist ein für uns Menschen akustisch Flugstrecke zwischen Bienenstock und und optisch auffallendes Verhalten, Futterstelle zwischen den Bienen ge- für andere Bienen zusätzlich markiert schieht, darüber wissen wir fast nichts, durch einen bieneneigenen Duft (Ge- abgesehen von der Beobachtung einer raniol), der aus einer Drüse am Hinter- weiteren Zielfindungshilfe. Zwischen Autor leib aus der Nassanov-Drüse wie der dem Bienenstock und der Futterquelle Kondensstreifen eines Jet-Flugzeuges bildet sich im Laufe der Zeit ein Bienen- Prof. Dr. Juergen Tautz verströmt wird. flug-Korridor aus, auf dem die Bienen, HOBOS die das Ziel bereits kennen, hin und her Universität Würzburg Wenn wir zusammensetzen, was wir fliegen und so immer mehr Neulinge ins Josef-Martin-Weg 52 bislang wissen, ergibt sich folgendes Schlepptau nehmen können. D-97074 Würzburg Quellen: Fotos: Helga R. Heilmann, HOBOS-Team | Abbildung zum Bienentanz aus: J: Tautz: Die Erforschung der Bienenwelt. Neue Daten - neues Wissen. Klett MINT Verlag 2015. | Textteile aus: J. Tautz, H. R. Heilmann: Phänomen Honigbiene. Spektrum Akademischer Verlag 2007. Jürgen Tautz: Die Erforschung der Bienenwelt. Neue Daten - neues Wissen. Klett MINT Verlag 2015. 11 umweltjournal 58/2015
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Bienenzüchtung in Deutschland Bienen zeigten. Er empfahl daher den Import von südlichen Bienenrassen, die er in eigenen Versuchen als deutlich ge- eigneter empfunden hatte. Viele Imker folgten seinem Rat und eine große An- zahl Völker aus Österreich und Sloweni- en (A.m.carnica), Italien (A.m.ligustica) aber auch aus dem Nahen Osten (z.B. A.m.lamarkii) wurden importiert. Die Auswirkungen auf die Bienenzucht in Deutschland waren katastrophal. Durch die nicht kontrollierbare (im Flug vollzo- gene) Paarung der Königinnen mit den Drohnen der neuen Rassen, kam es zu Kreuzungen der Rassen. Die Imker beklagten sich über eine Zunahme der Aggressivität und der Schwarmneigung. Es entstanden Bestrebungen wieder zur Dunklen Biene zurückzukehren und diese durch Zucht an die Bedürfnisse der Imker anzupassen. Zu dieser Ent- wicklung kam es aber nicht, weil in der Abb. 1: Genetischer Fortschritt bei den Merkmalen „Honigertrag“, „Sanftmut“, 1930er Jahren eine zweite Importwelle „Schwarmneigung“ und „Varroatoleranz“ vor und seit Beginn (durch Dreieck von A.m.carnica ganz neue Standards angezeigt) der Zuchtwertschätzung. 100% ist der Durchschnitt der letzten 5 Jahre setzte. Diese Königinnen stammten im für das jeweilige Merkmal. Für den Zeitraum zwischen 1990 -1994 lagen nicht Gegensatz zu der ersten Importwelle genügend Daten vor, so dass auf eine Durchschnittsberechnung verzichtet wurde. von österreichischen Züchtern, die sich schon seit geraumer Zeit mit der Zucht der Carnica auf Sanftmut und Honiger- trag beschäftigt hatten. Die Qualität der Die Verbreitung der Honigbiene zu den stark von Menschen beeinflus- „neuen“ Carnica war so überzeugend, senten (Rinder-, Schweine-, Hühner-, dass es bald zu einer flächendecken- Die über 25 verschiedenen Subspe- Hunde-) Rassen erklärt, dass man bei den Verbreitung der neuen Rasse in zies (Rassen) der Westlichen Honig- den Honigbienen von geographischen ganz Deutschland kam. Diese Entwick- biene entstanden in Anpassung an die Rassen spricht. Erst in der letzten Zeit lung wurde noch unterstützt, weil ab sehr unterschiedlichen Umweltbedin- und nur bei zwei Europäischen Bienen- den 1950er Jahren nicht nur importiert gungen ihres großen Verbreitungsge- rassen ist ein züchterischer Einfluss des wurde, sondern auch in Deutschland bietes. Die verschiedenen Subspezies Menschen spürbar. Diese Ausnahmen begonnen wurde Bienenzucht zu be- von Apis kommen sowohl mit der Hitze sind die Italienische Honigbiene (Apis treiben. Es wurden Leistungsprüfstände und Trockenheit Afrikas/der Arabischen mellifera ligustica) und die aus Öster- und Bienenbelegstellen zur sicheren Halbinsel als auch mit den langen Win- reich/Slowenien stammende Kärntner Paarung von Königinnen mit ausge- tern Skandinaviens zurecht. In den Honigbiene (Apis mellifera carnica). wählten Drohnen eingerichtet. Die Ver- ursprünglich nicht von Honigbienen Über die Zucht der Kärntner Honigbie- besserung der deutschen Bienenpopu- besiedelten Ländern Süd- und Nord- ne, an der auch die Imker in Deutsch- lation wurde zunehmend nicht durch amerikas bzw. Australien/Neuseeland land maßgeblich beteiligt waren, soll Importe realisiert, sondern durch Zucht finden wir heute überall Honigbienen, hier kurz berichtet werden. im eigenen Land. die von den Einwanderern mitgebracht wurden. Unter Rasse versteht man üb- Die Anfänge der Bienenzucht Der aktuelle Stand der Bienenzucht licherweise etwas von Menschen stark in Deutschland in Deutschland durch Zucht Beeinflusstes. Dies ist bei der Honigbiene nicht der Fall. Die nicht/ Nordeuropa und damit auch Deutsch- Die meisten von den Züchtern erfas- beziehungsweise schwer kontrollierbare land war ursprünglich von der Dunklen sten Eigenschaften sind stark von der Paarung der Geschlechtstiere und der Biene (Apis mellifera mellifera) bewohnt. Umwelt beeinflusst. Wählt man daher schwer standardisierbare Umweltein- Dzierzon (1811-1906), ein sehr ein- Tiere nach solchen stark umweltbe- fluss bei der Honigbiene führten dazu, flussreicher Bienenexperte seiner Zeit, einflussten Merkmalen aus, so wird dass weltweit bisher die Bienen nur mi- schlug 1847 ein bewegliches Waben- der Zuchterfolg bescheiden sein. Ein nimal durch den Menschen züchterisch system vor, dessen Vorzüge sich be- wichtiger Schritt in der Tierzucht (und verändert wurden. Dieser Unterschied sonders mit ruhigen und sanftmütigen auch in der Bienenzucht) war, sich 12 umweltjournal 58/2015
Bienen > Abb. 2: Die einheimische Bienenrasse in Saudi Arabien, A.m. yemenetica, ist an die extremen Bedingungen dieses Landes gut angepasst. Auch hier, wie in vielen anderen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens besteht eine rege Nachfrage nach der Car- nica Rasse. Carnica Völker zeigen unter den klimatischen Bedingungen dieser Länder keine überzeugende Leistung und hohe Verluste. Trotzdem zerstören die zunehmenden Importe Europäischer Bienenvölker die einheimische Rasse. nicht auf die Eigenleistung von Tieren der) herkunftsgleicher Gene. Dies ist bei der Honigbiene. Sie hat aber die zu verlassen, sondern bei der Selekti- einfach zu berechnen, wenn zwei Tiere Bienenzucht sehr stark beeinflusst. on Elterntiere auch die Ergebnisse der nur Mutter und Vater (erwarteter Besitz Prüfung von Geschwistern zu berück- herkunftsgleicher Gene: 50%) oder nur Zuchterfolge bei der Honigbiene sichtigen. Der Zuchterfolg wurde grö- ein Elternteil gemeinsam haben (25%). ßer, blieb aber immer noch hinter den Liegt aber der gemeinsame Vorfahre Abb. 1 zeigt eine deutliche Steigerung Erwartungen zurück. Grund war, dass weit zurück und/oder sind die gemein- des genetischen Fortschritts bezüg- die gleichzeitige Berücksichtigung von samen Vorfahren ingezüchtet, so ist die lich aller Selektionsmerkmale seit Be- Eigenleistung und Geschwisterleistung Berechnung sehr komplex und bedarf ginn der Zuchtwertschätzung. Vor der in den Anfängen der Zucht eher intui- komplizierter Computerprogramme. Zuchtwertschätzung verbesserte sich tiv war und nicht die unterschiedlichen das genetische Niveau für Honiglei- Erblichkeiten der verschiedenen Selek- Den Verwandtschaftsgrad als Verknüp- stung um 0,05% pro Jahr. Nach Beginn tionsmerkmale beachtet wurde. Hier fungseinheit für die Leistungen ver- der Zuchtwertschätzung war der gene- setzte die Zuchtwertschätzung ein, die wandter Tiere zu wählen ist einleuch- tische Fortschritt mit 0,65% pro Jahr in der gesamten Tier- und Pflanzen- tend, denn nah verwandte Tiere haben 13mal höher (Abb.1). Bei der Sanftmut züchtung zu bisher nicht vermuteten mehr Erbanlagen gemeinsam und sind war der Zuchtfortschritt vor Beginn der Zuchterfolgen führte. Vereinfacht aus- damit aussagekräftigere Informanten Zuchtwertschätzung mit 0,01%/Jahr gedrückt verknüpft die Zuchtwertschät- als Tiere, mit denen nur sehr wenige gering. Mit 0,44%/Jahr zeigt sich seit zung die Prüfdaten verwandter Tiere herkunftsgleiche Gene geteilt wer- deren Beginn eine 44fach höhere ge- (nicht nur die der Geschwister) mit einer den. Bei „normalen“ Tierarten (Rind, netische Verbesserung pro Jahr. Auch vernünftigen Maßzahl und wichtet die Schwein, Huhn) gibt es hierfür seit beim Merkmal Varroa-Resistenz, der Prüfergebnisse entsprechend ihrer Erb- Jahrzehnten bewährte Verfahren: Bei weltweit gefährlichsten Krankheit der lichkeit. Was ist das für eine Maßzahl, der Biene, bei der die Eigenschaften Bienenvölker, lässt sich eine deutliche mit der die Prüfergebnisse verwandter des Gesamtvolkes sowohl von den Verbesserung des Zuchtfortschritts Tiere verknüpft werden? Diese Maßzahl Eigenschaften der Königin als auch von durch die Zuchtwertschätzung feststel- ist der Verwandtschaftsgrad zwischen denen der Arbeitsbienen abhängig sind, len. Durch die Weitergabe von Zucht- Tieren und beschreibt den Prozentsatz ist dies ungleich schwerer. Erst seit material profitieren nicht nur Züchter (von gemeinsamen Vorfahren stammen- 1994 gibt es die Zuchtwertschätzung von dem Zuchtfortschritt, sondern die 13 umweltjournal 58/2015
> gesamte Imkerschaft. Bei den Züchtern Was ist eigentlich Genetische Vielfalt? wird auch in Zukunft nicht zu vermei- hat sich in den letzten 20 Jahren der den sein. Aber es gibt neue Möglich- Honigertrag um 0,7 kg pro Volk und Viele verstehen genetische Vielfalt dann keiten den Aufwand zu reduzieren und Jahr erhöht. Zurückhaltende Schätzun- optimal realisiert, wenn die Landbie- die Sicherheit der Selektionsentschei- gen zeigen, dass allein durch die Arbeit ne ein Kreuzungsprodukt vieler unter- dung deutlich zu verbessern. Bei an- der Züchter deutsche Imker für minde- schiedlicher Rassen ist. Es sollen an deren Tierarten werden zunehmend stens 800.000 Euro pro Jahr mehr Ho- dieser Stelle nicht nochmals die schon und erfolgreich molekulargenetische nig verkaufen. Für den vielerorts fest- oben erwähnten Probleme diskutiert, Methoden eingesetzt, um direkt aus stellbaren Trend des „urbanen Imkerns“ sondern der Blick auf die biologischen dem Erbgut die genetische Qualität von sind sanftmütige Bienenvölker eine Vor- Konsequenzen beschränkt werden, möglichen Elterntieren beurteilen zu aussetzung. denn genetische Vielfalt bedeutet zwin- können. Weiß man welche Gene z.B. gend beides: Genetische Vielfalt inner- für die Resistenz gegenüber einer be- Werden die großen Zuchterfolge der halb der Rassen - und - genauso wich- stimmten Krankheit verantwortlich sind letzten Jahre mit einer deutlichen Ein- tig, genetische Vielfalt zwischen den und welche Basenabfolge dieses Gens schränkung der genetischen Vielfalt, Rassen. Die komplette Verdrängung ei- für die Resistenz förderlich ist, so kann nachlassender Vitalität und einer Er- ner Rasse durch eine andere aber auch man direkt und unbeeinflusst durch stö- höhung der Winterverluste erkauft? In- die Einkreuzung von fremden Rassen in rende Umweltbedingungen die Resi- tensive Zucht in der Zuchtpopulation die einheimische, bedeutet Verlust an stenz sicher bestimmen. Im Frühjahr beeinflusst die gesamte Bienenpopu- genetischer Vielfalt. Das entstandene dieses Jahres startete ein durch das lation eines Landes. Wenn mit der In- Rassegemisch kommt nicht zwangsläu- Bundeslandwirtschaftsministerium fi- tensität der Zucht auch die Verluste fig besser mit Umweltbedingungen zu- nanziertes Projekt (Genomische Selek- ansteigen, so müssten sich in Ländern recht. Ein Beispiel ist das Verhalten der tion bei der Honigbiene - GeSeBi), das mit vernachlässigbarer Zuchtarbeit die Ägyptischen Honigbiene gegenüber der dieses erfolgsversprechende Konzept Verlustraten bei den Bienen sehr viel Wespe (Vespa orientalis). Die einhei- für die Honigbiene umsetzen will. Hier- erfreulicher darstellen. Nach den hohen mische Biene kommt durch bestimmte zu wird das Erbgut von rund 3.500 Völ- Verlustraten im Winter 2002/2003 wur- Verhaltensweisen mit dem im Nahen kern aus ganz Deutschland analysiert. de eine EU-weite Statistik (Bee Mor- und Mittleren Osten gefährlichen Feind Ein erwünschter Nebeneffekt dieses tality and Bee Surveillance in Europe) zurecht. Die Hybriden zwischen der Projektes ist auch, dass die manchmal erstellt. Aus den dort vorgelegten Daten Ägyptischen Biene und Carnica wer- als zu klein vermutete genetische Viel- lässt sich nicht der geringste Hinweis den zur hilflosen Beute. Die einheimi- falt in der deutschen Carnica Zucht- entnehmen, dass Deutschland mit ver- schen Bienenrassen sind an die lokalen population direkt „an der Quelle“, den gleichbar intensiver Bienenzucht mehr Umweltbedingungen, Krankheitserreger Genen, gemessen werden kann. Winterverluste zu beklagen hat, als und Parasiten angepasst. Diese Rassen Länder, in denen keine oder vernach- wegen ihrer zurzeit noch unzureichen- lässigbar Bienenzucht betrieben wird. den imkerlichen Vorzüge durch eine Autor selektierte nicht einheimische Bienen- Der Einfluss der Zucht auf die globale rasse zu verdrängen oder diese ein- Prof. Dr. Kaspar Bienefeld genetische Vielfalt der Honigbiene zukreuzen, schadet massiv der globa- Länderinstitut für Bienenkunde len genetischen Vielfalt. Die bedrohten Hohen Neuendorf Doch, obwohl wir zurzeit noch keine Rassen - bei Erhalt ihrer Anpassung Anzeichen auf schädliche Auswirkun- an die lokale Umweltzüchterisch an gen innerhalb der vergleichsweise gro- die Bedürfnisse der Imker anzupas- ßen Carnica-Population haben, gibt es sen, fördert nachhaltig den Erhalt der sie - nämlich bei den anderen Rassen: genetischen Vielfalt. Wesentliche Res- Diese verlieren durch die Zuchterfolge sourcen innerhalb des neuen, im No- bei der Carnica immer mehr an Boden. vember 2014 beginnenden, EU Projekts Die Carnica Züchter stellen in den letz- „Smartbees“ (http://smartbees-fp7.eu/) ten Jahren eine deutliche Zunahme der werden für das oben skizzierte Vorge- Nachfrage aus allen Ländern der Welt hen verwendet, um das Verschwinden fest. Diese Nachfrage entstand, weil die der anderen bedrohten Europäischen Imker in vielen Ländern nicht mit ihren Bienenrassen aufzuhalten. lokalen Bienen zufrieden waren/sind und sich Abhilfe durch züchterisch verbes- Die Zukunft der Bienenzucht serte Carnica erhoff(t)en. Mit anderen Worten, der Verlust an genetischer Viel- Die zeitaufwendige Prüfung von Bie- falt ist durch mangelnde Zucht bei vie- nenvölkern ist eine wesentliche Vor- len Bienenrassen entstanden und nicht aussetzung für die Auswahl der Zucht- durch deren konsequente Anwendung. völker. Dies war schon immer so und 14 umweltjournal 58/2015
Zur Verbreitung der Honigbienenarten Die Karten auf diesem Blatt wurden zur weiteren Illustration, insbesondere zu den Texten auf den Seiten 12 von Prof. Dr. Biene- feld, 16 von Frau Joana Kelén, 24 von Prof. Dr. Liebig und 46 zur Buckfastbiene, hergestellt. Die Westliche Honigbiene (Apis mel- lifera) war ursprünglich in Europa, Kleinasien und Afrika verbreitet, grün. Die Östliche Honigbiene (Apis cerana) in Süd- und Ostasien, rot. Die weiteren sieben Honigbienenar- ten, blau. In der Natur sind sich die Westliche Honigbiene und die ande- ren Honigbienenarten nie begegnet, da sich ihre natürlichen Verbreitungs- gebiete nicht berühren. In den Ge- bieten außerhalb der drei Linien und in Amerika kommen natürlicherweise andere Bienenarten als Honigbienen vor. In Mitteleuropa bis zum Ural war ursprünglich die Honigbienenrasse Apis mellifera mellifera beheimatet, Oslo grün. Die ursprünglich südöstlich von Wien beheimatete Apis mellifera car- Moskau nica verdrängte durch menschliche Aktivitäten in Mitteleuropa Apis mel- London Berlin lifera mellifera. Senkrecht gestichelte Linie: allmählicher, natürlicher Über- Paris Wien gang von Apis mellifera mellifera zu südlicheren Rassen. Gestrichel- te Linie: gegenwärtige Nordgrenze der Imkerei. Gezackte Linien: Hoch- gebirgsketten. Honigbienenrassen (Apis mellifera) in europäischen und angrenzenden Räumen. A.m. mellifera A.m. carnica A.m. macedonia A.m. ligustica A.m. caucasica A.m. iberica A.m. anatoliaca A.m. sicula A.m. cecropia A.m. adami A.m. cypria A.m. intermissa Zu den Karten und Kartentexten 1 und 3: so auch: Autorinnen- und Autorenteam, „Der Schweizerische Bienenvater“, Fachschriftenverlag VDRB, Winikon, Scheiz (17., Neue Auflage 2001). Zur Karte 2: so auch: Ruttner, Friedrich „Naturgeschichte der Honigbienen“, Ehrenwirth-Verlag, München (1992). 15 umweltjournal 58/2015
Goodbye Maja! Headline Fleiß, Disziplin, Ordnung und Sauberkeit – mit diesen preußischen Tugenden wird die Biene in Verbindung gebracht und dafür seit jeher verehrt. Bereits die alten Ägypter erkannten in der Art, wie die Bienen tote Stockeindringlinge mit dem desinfizierend wirkenden Propolis mumifizierten, ein ausgezeichnetes Mittel, ihre eigenen Toten zu konservieren. Die frühen Christen sahen in der „fleißigen, ordnungsliebenden, rei- nen und keuschen“ Biene die Verkörperung der idealen Frau. So setzt die katholische Kirche bis heute reine Bienenwachskerzen für ihre rituellen Handlungen und zur Ver- ehrung ihrer Heiligen ein. Selbst Napoleon bewunderte die Bienen so sehr, dass er sei- nen und Joséphines Krönungsmantel mit Abbildungen von Bienen besticken ließ und drei Bienen in seinem Wappen einsetzte. Entwicklung der drei Bienenwesen: Königin, Arbeiterin, Drohn (aus „Tod einer Königin“) 16 umweltjournal 58/2015
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