Umwelt journal Rheinland Pfalz - Landeszentrale für Umweltaufklärung

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Umwelt journal Rheinland Pfalz - Landeszentrale für Umweltaufklärung
umwelt
   journal
   Rheinland Pfalz
   Heft 58 September 2015

   Bienen | 25 Jahre LZU

   Herausgegeben vom
   Ministerium für Umwelt,
   Landwirtschaft, Ernährung,
   Weinbau und Forsten
   Rheinland-Pfalz
Umwelt journal Rheinland Pfalz - Landeszentrale für Umweltaufklärung
Impressum                                 umwelt
                                          Inhalt
umweltjournal                              Editorial
Rheinland-Pfalz
                                           Vorwort der Ministerin                         3
Nr. 58 (September 2015)
                                           Honigbienen und Wildbienen
Das umweltjournal
ist kostenlos                              Wildbienen                                     4
                                           Von Honigbienen und Blüten                     8
Herausgeber:                               Bienenzüchtung in Deutschland                 12
Ministerium für Umwelt,
                                           Zur Verbreitung der Honigbienenarten          15
Landwirtschaft, Ernährung,
Weinbau und Forsten
Kaiser-Friedrich-Straße 1                  Das Verschwinden der Bienen
55116 Mainz
Tel. 06131 – 164433
                                           Goodbye Maja!                                 16
Fax. 06131 – 164629                        Haben Bienen eine kognitive Karte?            20
                                           Wohin geht die Bienenhaltung?                 24
Redaktion:
                                           Bienen in Gefahr                              28
Landeszentrale für Umweltaufklärung
Rheinland-Pfalz
                                           Bienen und Imkerei
Gestaltung:
                                           Förderung der Bienenhaltung                   31
media machine GmbH, Mainz
                                           Das Fachzentrum für Bienen und Imkerei        32
Druck:                                     Nahrungsverfügbarkeit für Bienen              34
Druckerei Schwalm GmbH, Mainz
                                           Varroose und das Wetter                       38
Titelbild:                                 Imkerei und Gentechnik                        40
Helga R. Heilmann,                         Ohne Honigbienen geht es nicht                42
Universität Würzburg                       Die Buckfastbiene                             46
                                           Belegstellen                                  50
Fotos:
Projektfotos
Helga R. Heilmann, S. 8, 9, 10, 11, 77     Bienen und nachhaltige Entwicklung
M. Schneider, Universität Würzburg,
S. 11 Portrait                             Bienen als pädagogische Kollegen:             52
Sabine Jacoub, BUND Mainz, S. 78           Facetten der Bienenthematik im Unterricht     56
                                           Bienen für nachhaltige Entwicklung            60
Sofern nicht besonders erwähnt,
wurden die Fotos von den jeweiligen
Autoren zur Verfügung gestellt             Bienen, der Bien und Kultur
                                           Der Gott der Bienen ist die Zukunft           62

Die mit Namen der Autoren
                                           Bienen als Kunstschaffende                    66
gekennzeichneten Artikel geben
nicht unbedingt die Meinung                Verbesserung der Lebensgrundlagen
der Redaktion wieder.
                                           Lebensräume schaffen!                         68
                                           Eh da-Flächen                                 70
                                           Blühendes Rheinhessen im Jubiläumsjahr        74
                                           Von den Bienen lernen, heißt lieben lernen?   76

                                         * LZU-Journal                                   79

                                           Zum Schluß
                                           Earth Overshoot Day                           87

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        umweltjournal 58/2015
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umwelt
Editorial
Jeder Imker kennt das seit einigen Jahren. Die Waben voller Honig, die Brut tot, die Bienen
weg. Was ist passiert? Wild- und Honigbienen sind eigentlich robuste Wesen. Doch sie sind
schwach geworden. Dabei ist ein großer Teil der Biodiversität und unserer Lebensmittelver-
sorgung ohne Bienen nicht denkbar. Die Bienen kranken am Menschen. An unserer Landwirt-
schaft, unserer Forstwirtschaft, unseren Pharmazeutika, unserem Energiehunger, unserem
oft ungezügelten Gewinnstreben. Aus vielen Gründen haben es die Bienen besonders im
ländlichen Raum schwer. Durch industrielle Landwirtschaft wird ihre Ernährungsgrundlage
stark verengt, was ihre Widerstandskräfte schwächt. Pestizide, wie die Neonikotinoide, stören
offensichtlich die Entwicklung der Bienen und deren Orientierungssinn, so dass die Altbienen
aus dem Stock verschwinden und ganze Bienenvölker zusammenbrechen. Dazu kommen
eingeschleppte Schädlinge, wie die Varroa-Milbe oder Krankheiten wie die Amerikanische
Faulbrut.

Um das Überleben der Wild- und Honigbienen in Europa zu sicheren, muss vor allem im länd-
lichen Raum angesetzt werden. So hat etwa die EU im Jahr 2013 vorübergehend drei Neoni-
cotinoide vom Markt genommen.

Wir haben den Ökolandbau in Rheinland-Pfalz ausgeweitet und stärken die bäuerliche Land-
wirtschaft. Wir fördern Saum- und Bandstrukturen von einjährigen Blühmischungen und
Streuobstwiesen, ebenso wie vielfältigere Kulturen im Ackerbau, durch Fruchtfolgen und Zwi-
schenfruchtanbau und mindestens zehn Prozent Leguminosen. Es gibt Programme zur exten-
siven Grünlandbewirtschaftung: Öffentliches Geld gibt es vor allem für öffentliche Leistungen,
also eine Landbewirtschaftung, die der Biodiversität und damit zum Beispiel unseren Bienen,
aber auch Schmetterlingen, anderen Insekten und Wildtieren sowie den Gewässern zu Gute
kommt. Dies wiederum danken die Bienen und andere Insekten der Landwirtschaft durch ihre
Bestäubungsleistung und den Menschen durch Honig, Pollen und andere Bienenprodukte.

Die Imkerei wird in Deutschland zu über 90 Prozent als Liebhaberei betrieben. Dies ist ein
wichtiger Beitrag für eine flächendeckende und kontinuierliche Befruchtung der Pflanzen,
die auf die Honigbienen angewiesen sind. Für diese Systemleistung werden die Bienenhalte-
rinnen und –halter finanziell vom Land und durch die EU unterstützt, z.B. bei ihrer Aus- und
Fortbildung durch die Landesverbände und Imkervereine sowie durch unsere „Fachstelle
Bienen und Imkerei“ in Mayen. Bienenhaltung ist eine kulturelle Leistung, die Menschen seit
tausenden von Jahren erbringen. Auch in die Schulen fanden die Bienen schon früh Eingang.
Mit dem Projekt „Aktion Bien – Bienen machen Schule“ der LZU wird diese gute Tradition
belebt und gefördert. So stehen den derzeit etwa 100 teilnehmenden Schulen im Land mit
ihren Bienenvölkern lebendige Partner für eine Bildung für eine nachhaltige Entwicklung zur
Verfügung. Bienen – mit ihrem Sozialverhalten, ihrer naturgemäßen Lebensweise, ihrem sym-
pathischen Wesen und ihren gesunden und leckeren Produkten – schaffen bei Schülerinnen
und Schülern Empathie und sind lebende Vorbilder für ein nachhaltiges Leben.

Damit es den Insekten, vor allem unseren Bienen gut geht, dafür kann fast jede und jeder et-
was tun. Etwa durch den Honigkauf beim örtlichen Imker, durch Verzicht auf Gifte im Garten
oder auf dem Balkon, durch blühende Pflanzen rund um Haus oder Wohnung. Ich danke den
Imkern und Landwirten, den Naturschützerinnen, Lehrerinnen und Schulen, den Fremden-
führern, den vielen Initiativen zur Pflege unserer Gemarkungen und Streuobstflächen sowie
zur Begrünung unserer Städte für ihre Arbeit. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag, damit
immer mehr Menschen über die Bedeutung der Bienen für die Vielfalt in der Natur und die
Wichtigkeit der Bestäuberinsekten erfahren. Auch dieses Heft soll dazu einen Beitrag leisten.

Ulrike Höfken

Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft,
Ernährung, Weinbau und Forsten

                                                                                                                         3
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Wildbienen
                      faszinierende, aber bedrohte Vielfalt

Die Honigbiene des Imkers kennt jeder. Über kein an-
deres Insekt wurde so viel geforscht und geschrieben.
Deshalb verwundert es nicht, dass die Begriffe Biene
und Honigbiene für die meisten Menschen Synonyme
sind. Ja, es fällt ihnen sogar schwer zu glauben, dass
weltweit bislang über 17000 Bienenarten bekannt
wurden und dass allein zur Tierwelt Deutschlands
über 560 Bienenarten gehören. Da diese anderen Bie-
nen durchweg wildlebend sind, nennen wir sie um-
gangssprachlich auch „Wildbienen“.

Während auch die Honigbiene in weiten        Wildbienen kann man vom zeitigen
Teilen Afrikas noch eine echte Wildbie-      Frühling bis zum Herbst nahezu über-
ne ist, wird sie weltweit als Nutzbie-       all antreffen Wir finden sie in feucht-
ne für die Erzeugung von Honig und           kühlen Hochmooren ebenso wie auf
Wachs oder zur Bestäubung gehalten.          trocken-heißen Felshängen, in lichten
                                             Wäldern ebenso wie in Schilfröhrich-
Schon im 19. Jahrhundert haben In-           ten. Viele Arten leben inmitten unserer
sektenkundler den verschiedenen Ver-         Städte und Dörfer. Auch in Hausgärten
wandschaftsgruppen der Bienen, die           und selbst auf dem Balkon lassen sie
wir als Gattungen bezeichnen, zum            sich beobachten. Das Artenspektrum          Hummeln sind staatenbildende Wild-
besseren Verständnis deutsche Namen          ist aber nicht überall und zu jeder Jah-    bienen. Hier sammelt eine Königin
gegeben und haben sich dabei an äu-          reszeit gleich. Der Lebensraum einer        der Ackerhummel (Bombus pascuo-
ßeren Merkmalen oder der Lebenswei-          typischen, nämlich nestbauenden Wild-       rum) an einer Frühlings-Platterbse
se orientiert. Daher gibt es unter an-       biene muss zwei Grundvoraussetzun-          (Lathyrus vernus) Pollen, um damit
derem Maskenbienen, Furchenbienen,           gen erfüllen: Er muss einen geeigneten      die ersten Larven zu füttern, die spä-
Sandbienen, Mauerbienen, Woll- und           Brutplatz für das Nest und gleichzeitig     ter als Arbeiterinnen die Königin un-
Harzbienen und Pelzbienen.                   Nahrungspflanzen in erreichbarer Nähe       terstützen.
                                             und in ausreichender Menge aufweisen.
Keinen neuen Namen brauchten die             Dabei sollten wir wissen, dass sich der
pelzigen Brummer, die gut bekannten          Gesamtlebensraum vielfach aus meh-         sich dann über das Puppenstadium zur
Hummeln nämlich, die ebenfalls zu den        reren räumlich getrennten Teillebens-      Biene weiterentwickelt. Erdnister wie
Wildbienen zählen und mit der Honig-         räumen zusammensetzt, die jeweils als      Sand-, Furchen-, Schmal- und Hosen-
biene nah verwandt sind. Viele Wildbie-      Nistplatz, als Nahrungsraum und/oder       bienen graben ihre mehr oder weniger
nenarten sind klein und unscheinbar.         zur Gewinnung des Baumaterials die-        tiefen Nestgänge im Sand und sogar
Manche sind nur 4 mm groß. Es gibt           nen. Schon wenn ein Teil des Lebens-       in hartem Lehmboden und kleiden die
aber auch solche mit auffälliger Fär-        raums verloren geht, erlischt zwangs-      Brutzellen mit eigenen Drüsensekre-
bung und markanter Größe. Oft werden         läufig an dieser Stelle der Bestand der    ten aus. Nur die Honigbiene und die
Wildbienen mit Fliegen oder Wespen           davon abhängigen Art. Diese Tatsache       Hummeln verwenden Wachs, das sich
verwechselt. Hinzu kommt, dass al-           ist einer der Gründe für den gravieren-    in speziellen Wachsdrüsen im Hinter-
le Wildbienen in zwei Geschlechtern          den Rückgang der Artenvielfalt und ist     leib bildet und ausgeschieden wird. Bei
auftreten. Wer sich daher näher mit          bei allen Maßnahmen zum Schutz der         oberirdisch nistenden Arten wie Mauer-,
Wildbienen beschäftigen will und Be-         Wildbienen zu berücksichtigen.             Blattschneider-, Woll- und Harzbienen
stimmungstabellen verwendet, ist allein                                                 und einigen Erdnistern werden für den
in Deutschland mit über 1100 Formen          Die von Art zu Art verschiedenen Nest-     Nestbau die unterschiedlichsten Mate-
konfrontiert, da sich die Männchen mei-      bauten finden im Insektenreich kaum        rialien genutzt. Verwendung finden z. B.
stens erheblich von den Weibchen un-         ihresgleichen. In einem mit hoher Präzi-   ausgeschnittene Stücke von Laub- oder
terscheiden. Die große Vielfalt zeigt sich   sion aufwändig konstruierten Bau wird      Blütenblättern, zerkautes Blattmateri-
aber nicht nur in äußerlichen Merkma-        in isolierten Kammern, den Brutzellen,     al, Pflanzenhaare, Harz, feuchter Lehm
len, sondern vor allem in ihrer faszinie-    zunächst ein Gemisch aus Pollen und        und Steinchen. Dabei nutzt jede Art im-
renden Lebensweise.                          Nektar deponiert, auf dem ein Ei ab-       mer ein und denselben Baustoff, kann
                                             gelegt wird. Aus ihm schlüpft die Lar-     also bei dessen Fehlen nicht auf andere
                                             ve, die zunächst den Pollen frisst und     Materialien ausweichen.

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      umweltjournal 58/2015
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Bienen
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Nicht nur in der Art und Weise des Nest-                                                  Weil sie bei Bienen meistens an die
baus und der Verwendung des Bauma-                                                        Honigbiene denken, stellen sich die
terials sind Wildbienen hochspezialisiert,                                                meisten Menschen unter Bienen immer
sondern auch in der Wahl des Nistplat-                                                    staatenbildende Insekten vor. Die Staa-
zes. Die Nester werden von rund drei                                                      tenbildung als höchste Stufe des Sozi-
Viertel der Arten in der Erde angelegt.                                                   alverhaltens ist bei den Bienen aber die
Typische Erdnister sind z. B. Sandbie-                                                    große Ausnahme. Die Honigbiene ist
nen, Furchen- und Schmalbienen und                                                        in dieser Hinsicht eine für Bienen also
Hosenbienen. Oft werden vegetations-                                                      eher untypische Art. In unseren Breiten
freie oder –arme Stellen, z. B. auf Erd-                                                  leben unter den Wildbienen lediglich
wegen, von diesen Arten besiedelt. Die                                                    die Hummeln (ca. 30 Arten) und einige
oberirdisch nistenden Arten haben ganz                                                    Furchen- und Schmalbienen in ein- bis
unterschiedliche Ansprüche. Vorhande-                                                     mehrjährigen Staaten. Die weitaus grö-
ne Hohlräume, auch an Gebäuden, be-                                                       ßere Zahl der nestbauenden Wildbienen
siedeln bestimmte Mauerbienen wie die                                                     (ca. 95%) lebt jedoch solitär (einzeln).
Gehörnte Mauerbiene, andere nutzen                                                        Jedes Weibchen baut sein Nest und
Käferfraßgänge in totem Holz (Hahnen-         Die Männchen der im Erdboden                versorgt seine Brut ganz allein, ohne
fuß-Scherenbiene). Solche Arten las-          nistenden Langhornbienen, hier              die Mithilfe von Artgenossen. Ein gutes
sen sich zum Teil auch mit sogenannten        die Mai-Langhor nbiene (Eucera              Beispiel für Solitärbienen sind die Ge-
Nisthilfen fördern. Manche Arten bauen        nigrescens) haben charakteristisch          hörnte und die Rostrote Mauerbiene,
ausschließlich in morschem Holz (Blau-        lange Fühler.                               die sich beide auch leicht in Nisthil-
schwarze Holzbiene) oder in Pflanzen-                                                     fen ansiedeln lassen. Da sie wie ande-
stängeln (Keulhornbienen) und nagen                                                       re Hohlraumbesiedler völlig friedfertig
die Gänge selbst. Auch alte Schilfgallen     Alle Wildbienen benötigen zur Eigen-         sind, können auch Kinder ihre faszinie-
dienen als Nistplatz (Schilfgallen-Mas-      versorgung Blüten, die nestbauenden          rende Brutfürsorge aus nächster Nähe
kenbiene). Es gibt sogar Arten, die in       auch zur Verproviantierung ihrer Brut-       gefahrlos beobachten. Solitärbienen
leeren Schneckenhäusern nisten (z. B.        zellen mit Larvenfutter. Zuckerhaltiger      haben in der Regel einen einjährigen
Zweifarbige Schneckenhaus-Mauerbie-          Nektar dient für die adulten Bienen als      Entwicklungszyklus und nur eine vier-
ne). Nur wenige nisten auf der Oberflä-      Treibstoff für den Flug, teilweise wird er   bis sechswöchige Flugzeit. Wir bekom-
che von Steinen, Felsen und Mauern           auch der Larvennahrung beigemischt.          men sie daher nur wenige Wochen im
(Schwarze Mörtelbiene).                      Wegen seines hohen Eiweißgehalts ist         Jahr zu Gesicht, unabhängig davon,
                                             Blütenstaub (Pollen) der wichtigste Be-      ob es sich um Frühlings-, Frühsommer,
                                             standteil der Larvennahrung. Viele Ar-       Hochsommer- oder Herbstarten han-
                                             ten nutzen beim Sammeln von Pollen           delt. Den größten Teil des Jahres voll-
                                             wie die Honigbiene ein breites Spek-         zieht sich die Entwicklung im Nest, vor
                                             trum von Pflanzen, andere sind deutlich      unseren Augen verborgen.
                                             wählerischer. Ein Viertel der heimischen
                                             nestbauenden Arten, rund 120 Arten, ist
                                             jedoch hochspezialisiert. Von ihnen kann
                                             nur der Pollen einer einzigen Pflanzenart
                                             oder weniger nah verwandter Pflanzen-
                                             arten genutzt werden. Ihre Pollenquellen
                                             finden sich in 26 Pflanzenfamilien. Typi-
                                             sche Beispiele sind die an Efeu gebun-
                                             dene, erst im Spätsommer erscheinende
                                             Efeu-Seidenbiene und 12 Arten, die auf
                                             Glockenblumen spezialisiert sind. Oh-
                                             ne „ihre“ Pollenquellen können solche
 Mehrere Wildbienenarten sind auf            Wildbienenarten nicht für Nachkommen
 Glockenblumen als Pollenquellen an-         sorgen. Die Erhaltung und Förderung
 gewiesen, so auch die Grauschup-            einer vielfältigen Flora ist demnach die
 pige Sandbiene (Andrena pandellei),         Grundvoraussetzung für einen nachhal-         Rund ein Viertel der heimischen
 die hier an der Wiesen-Glockenblume         tigen Schutz der Wildbienen. Wer dies         Wildbienen baut keine eigenen Ne-
 (Campanula patula) Pollen erntet. Die       weiß, kann im eigenen Garten und sogar        ster, sondern nutzt die Brutfürsor-
 Intensivierung der Wiesennutzung hat        auf dem Balkon Wildbienen gezielt för-        ge anderer Bienenarten aus. Eine
 diese Glockenblume vielerorts ver-          dern, zum Beispiel allein 6 Arten durch       solche Kuckucksbiene ist auch die
 drängt und damit der mittlerweile ge-       das Anpflanzen von Glockenblumen und          Kreuzkraut-Wespenbiene, die wegen
 fährdeten Sandbiene die Nahrungs-           viele andere Arten durch die Kultur hei-      ihrer Färbung leicht mit Wespen ver-
 grundlage entzogen.                         mischer Wildstauden und/oder ein- bis         wechselt werden kann.
                                             zweijähriger Pionierpflanzen.

                                                                                                                                  5
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Umwelt journal Rheinland Pfalz - Landeszentrale für Umweltaufklärung
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                                           Mit 293 Arten von insgesamt 563 aus
                                           Deutschland bekannten Wildbienen-
                                           Arten ist derzeit über die Hälfte (53%)
                                           mehr oder weniger stark in ihrem Be-
                                           stand bedroht und 39 Arten gelten als
                                           ausgestorben oder verschollen. Verant-
                                           wortlich für die Gefährdung sind fast
                                           immer die Zerstörung der Nistplätze
                                           und/oder der Rückgang blumenreicher
                                           Vegetation. Zwar gibt es einige Cha-
                                           rakterarten des Waldes, der bei wei-
                                           tem größere Teil der Bienenarten liebt
                                           jedoch Trockenheit und Wärme und ist
                                           daher nur in Lebensräumen des Offen-
                                           landes zu finden. Es verwundert da-
                                           her nicht, dass die Landwirtschaft den
                                           größten Einfluss auf die Bestände der
                                           Bienen hatte und hat daher auch der
                                           Hauptverursacher des Artenrückgangs
                                           ist. Selbst vergleichsweise anspruchs-
                                           lose Arten finden in den intensiv ge-      Die Blauschwarze Holzbiene (Xy-
                                           nutzten Feldfluren kaum noch ausrei-       locopa violacea) ist die größte hei-
 Die in lichten Wäldern lebende            chende Möglichkeiten für ihre Existenz.    mische Wildbienenart. Sie wird ge-
 Lappländische Sandbiene (Andrena          In den Feldern und auf den Wiesen fehlt    legentlich mit Hummelköniginnen
 lapponica) ist ein wichtiger Bestäu-      heute das in Zeiten einer extensiveren     oder mit der Schwarzen Mörtelbiene
 ber der Heidelbeeren.                     Landbewirtschaftung früher so reiche       verwechselt. Besonders beliebt bei
                                           Angebot an Blumen. Die Nutzung von         ihr ist der großblütige Muskateller-
                                           immer mehr Flächen für die Produktion      Salbei.
Kaum bekannt ist, dass es neben den        von Biomasse für Biogasanlagen hat in
nestbauenden Wildbienen auch solche        den letzten Jahren erheblich zur wei-
gibt, die, anstatt selbst Nester zu bau-   teren Verschlechterung der Lebensbe-      Eine ganze Reihe von Wildbienen-
en und zu versorgen, die Brutfürsor-       dingungen für alle Bienen beigetragen.    Lebensräumen kann bei der heutigen
ge anderer Arten in Anspruch nehmen.       Auch die Imker haben darunter zu lei-     Landnutzung nur mit dem Instrument
Rund ein Viertel der heimischen Arten      den, weil die Nahrung für ihre Bienen-    des strengen Flächenschutzes in Form
sind „Kuckucksbienen“, die als Futter-     völker schon im Frühsommer vielerorts     von Naturschutzgebieten mit nachhalti-
schmarotzer ihr eigenes Ei in die Brut-    Mangelware ist.                           ger Bewirtschaftung bzw. Pflege erhal-
zelle einer Wirtsart schmuggeln. Dort                                                ten werden. Zu diesen Lebensräumen
wird nach dem Schlüpfen zunächst die                                                 gehören in Rheinland-Pfalz Binnendü-
junge Wirtslarve als Nahrungskonkur-                                                 nen und Flugsandfelder, Magerrasen
rent getötet und dann das für sie ein-                                               trockenwarmer Standorte, Sandheiden,
getragene Futter verzehrt. Kegelbie-                                                 Großröhrichte und Landschilfbestän-
nen, Trauerbienen, Schmuckbienen und                                                 de, Felsfluren und Abwitterungshalden
Wespenbienen, um nur einige Gattun-                                                  sowie Sand-, Kies- und Lehmgruben.
gen zu nennen, haben meist ganz be-                                                  Hier ist bereits manches für einen nach-
stimmte Bienenarten als Wirte, sind al-                                              haltigen Schutz geschehen. Außerhalb
so von deren Existenz abhängig. Neben                                                der Schutzgebiete sind Kleinstruktu-
den Futterschmarotzern gibt es auch                                                  ren wie Wegränder, Stufenraine, Lese-
Sozialparasiten, die ebenfalls keine ei-                                             steinhaufen, kleine Steilwände, vege-
genen Nester bauen, noch Nahrung für                                                 tationsarme Erdwege oder Flächen mit
die Brut sammeln. Bei diesen Sozialpa-                                               Pionier- und Ruderalvegetation sowie
rasiten handelt es sich um die Schma-                                                Totholzstrukturen als Nist- bzw. Nah-
rotzer- oder Kuckuckshummeln, die                                                    rungsplätze besonders bedeutsam. Die
zwar mit den Hummeln nah verwandt           In Dörfern und Städten häufig anzu-      Bestandssituation der hier siedelnden
sind, sich im Verlauf ihrer Stammes-        treffen ist die Gehörnte Mauerbie-       Arten ist nämlich besonders kritisch.
geschichte jedoch darauf spezialisiert      ne (Osmia cornuta). Hier kommt ein       Wo Lebensräume verlorengegangen
haben, ihre Brut von anderen sozialen       Weibchen zu seinem Nest in einem         sind, müssen Wege gesucht werden,
Bienen aufziehen zu lassen. Die para-       Bambusröhrchen zurück, nachdem           sie neu zu schaffen und dies als eine
sitisch lebenden Bienenarten sind nicht     es reichlich Pollen gesammelt und in     wichtige und dringliche Aufgabe der
weniger schutzwürdig wie nestbauende        einer Bauchbürste gespeichert hat.       Zukunft anzusehen, wenn wir den Ar-
Bienen.                                                                              tenrückgang aufhalten wollen.

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      umweltjournal 58/2015
Umwelt journal Rheinland Pfalz - Landeszentrale für Umweltaufklärung
Bienen

                                           jekte zum wiederholten Male belegen.       Wildbienen nur dort ihre Funktion im
                                           Unzählige Wildpflanzen ebenso wie vie-     Naturhaushalt als Bestäuber erfüllen,
                                           le Nutzpflanzen (Obstbäume, Beeren-        wo in einem Verbund von Lebensräu-
                                           sträucher, Feldfrüchte) sind auf Wild-     men Nistmöglichkeiten vorhanden und
                                           bienen als Bestäuber angewiesen. Es        gleichzeitig auch die Ansprüche an die
                                           reicht nicht, einzelne Arten zu fördern    Nahrungsquellen erfüllt sind. Nur wenn
                                           oder gezielt einzusetzen (z. B. Erdhum-    wir Artenschutz mit allen Konsequen-
                                           meln für die Tomatenbestäubung). Die       zen betreiben, haben auch zukünftige
                                           Erhaltung einer artenreichen Wildbie-      Generationen noch die Möglichkeit, die
                                           nenfauna ist die Voraussetzung für die     faszinierende Lebensweise der Wildbie-
                                           Ernährungsvorsorge der Zukunft.            nen mit eigenen Augen so zu erleben,
                                                                                      wie es dem Verfasser in den vielen Jah-
                                           Auch wenn Wildbienen in den letzten        ren seiner Wildbienenforschung glückli-
                                           Jahren bekannter geworden sind und         cherweise vergönnt war.
                                           ihnen in den Medien mehr Aufmerk-
                                           samkeit als früher geschenkt wird, soll-
 Blattschneiderbienen wie die Luzer-       ten wir unsere Bemühungen verstär-
 ne-Blattschneiderbiene (Megachile         ken, sie nachhaltig zu schützen und
 rotundata) verwenden zum Bau der          zu fördern. Das gilt in erster Linie für
 Brutzellen ausschließlich Blattstük-      die im Bestand bedrohten Arten. Es
 ke, die sie mit ihren Oberkiefern wie     genügt nicht, nur wenige ohnehin häu-
 mit einer Schere ausschneiden.            fige Arten mit Nisthilfen zu fördern,
                                           auch wenn dies zu einem höheren Be-
                                           kanntheitsgrad der Wildbienen beiträgt.
Leider reduziert auch das oft vorherr-     Wir müssen uns um die Erhaltung al-
schende Verständnis von „Ordnung und       ler Arten kümmern. Schließlich können
Sauberkeit“ vielerorts unnötigerweise
das Nahrungsangebot auf Privatgrund-
stücken oder kommunalen Flächen.
Parks und Gärten, die für viele Bienen-
arten durchaus als (Teil-)Lebensraum in
Frage kommen, könnten durch die An-
lage von blumenbunten Wiesen, Wild-
stauden-Rabatten, Steingärten oder                                                    Autor
Blumenansaaten mit heimischen ein-
und zweijährigen Pflanzen (keine exo-                                                 Dr. Paul Westrich
tischen Samenmischungen!) bienen-                                                     Institut für Biologie und Naturschutz
freundlicher gestaltet werden. Selbst im                                              Raichbergstr. 38
Nutzgarten und auf dem Balkon kann                                                    72127 Kusterdingen
man das Nahrungsangebot für Bienen                                                    www.wildbienen.info
deutlich verbessern. Die Städte und
Gemeinden sollten viel stärker als bis-
her die in ihrem Besitz oder unter ihrer
Obhut (Wegränder) befindlichen Flä-
chen nach Artenschutzgesichtspunkten
pflegen und hierfür bei der Bevölkerung
für das nötige Verständnis werben.

Nach der Bundesartenschutzverord-
nung sind sämtliche Wildbienen-Arten        Einige Wildbienenarten nisten aus-
besonders geschützt. Der Grund dafür,       schließlich in leeren Schneckenhäu-
dass sich dieser rechtliche Schutz nicht    sern unterschiedlicher Größe. Hier
auf besonders seltene oder bedrohte         hat die Zweifarbige Schneckenhaus-
Arten beschränkt, ist die hohe Bedeu-       Mauerbiene (Osmia bicolor) eine
tung der Wildbienen als Bestäuber. Es       Schnirkelschnecke mit zerkauten
reicht nämlich nicht aus, sich ledig-       Blattstückchen beklebt, um an-
lich auf die Honigbiene als Bestäuber       schließend darin eine Brutzelle an-
zu verlassen, wie jüngste in mehreren       zulegen.
Ländern durchgeführte Forschungspro-

                                                                                                                              7
                                                                                                      umweltjournal 58/2015
Umwelt journal Rheinland Pfalz - Landeszentrale für Umweltaufklärung
Von Honigbienen und Blüten

Blütenpflanzen gibt es seit etwa 130 Millionen Jah-                                 Das Bestäubungssystem der Blüten-
                                                                                    pflanzen hat eine Abhängigkeit zwi-
ren. Ursprünglich alleine dem Wind als „Postillion                                  schen Insekten und Blütenpflanzen
                                                                                    hervorgebracht, in der wie auf einem
d´amour“ überlassen, war Blumensex unökonomisch                                     Jahrmarkt die Insekten zwischen unter-
durch die enormen Massen an Pollen, die auf eine un-                                schiedlichen Anbietern wählen können
                                                                                    und in der die Pflanzen um ihre Kun-
sichere und in den allermeisten Fällen erfolglose Reise                             den, die blütenbesuchenden Insekten,
geschickt wurden. Und an wenig windigen Lokalitäten                                 konkurrieren. Dabei unterscheiden sich
                                                                                    die Pflanzen als Anbieter in der Qualität
ging sowieso nicht viel.                                                            und der Menge an Nektar, der den Be-
                                                                                    suchern angeboten werden kann, aber
                                                                                    auch die Polleninhaltsstoffe unterschei-
                                                                                    den sich zwischen den Pflanzen.

                                                                                    Das Marktgeschrei auf dem Blüten-
                                                                                    markt zielt auf die Sehwelt und die
                                                                                    Riechwelt der Bienen. Die Notwendig-
                                                                                    keit den Bienen besonders auffälliges
                                                                                    zu bieten, steigt mit der Menge der
                                                                                    direkten Konkurrenten, die zeitgleich
                                                                                    im gleichen Sammelgebiet der Bienen
                                                                                    blühen. Was aus Bienensicht auffallend
                                                                                    ist, wird festgelegt von den Wahrneh-
                                                                                    mungsfähigkeiten der Bienen und den
                                                                                    Möglichkeiten und Grenzen ihrer „intel-
                                                                                    lektuellen“ Leistungen.

                                                                                    Mit dem Erscheinen deutlich weniger
                                                                                    destruktiver Bestäuber-Insekten konn-
                                                                                    ten die Pflanzen sensible Teile der Blü-
                                                                                    te in das geschützte Innere verlegen
                                                                                    und so ihre Geschlechtsorgane und Ge-
                                                                                    schlechtsprodukte vor Wind und Wetter
                                                                                    sowie vor den zerstörerischen Freß-
Pollensammlerin auf Weidenblüte                                                     Bestäubern besser schützen. Dazu ka-
                                                                                    men dann Blütenteile mit optischen und
Ein deutlicher Fortschritt war zu ver-   Dieses Bündnis hat als erster Christian    duftenden Auffälligkeiten, um die ge-
zeichnen, als Insekten den Blütenstaub   Conrad Sprengel in einem wunderschö-       wünschte Gäste zum gedeckten Tisch
als Nahrungsquelle entdeckten und        nen Buch im Jahre 1793 beschrieben.        locken.
die Staubbeutel schlichtweg auffra-      Er gab seinem Werk den Titel „Das ent-
ßen. Beim reihenweisen Verzehren der     deckte Geheimnis der Natur im Bau          Honigbienen sind die wichtigsten Be-
Staubblätter benachbarter Blüten kam     und in der Befruchtung der Blumen“.        stäuber in den meisten Regionen der
immerhin ein ausreichender Transport     So sehr wir heute über diesen Genie-       Erde, in denen es Blütenpflanzen gibt.
der Pollen auf entsprechende weibliche   streich begeistert sind, so wenig Freude   Sie sind aber keineswegs die einzi-
Blütenstempel zustande. Derart roh ge-   hatte Sprengel selbst damit.               gen Insekten. Fliegen, Schmetterlinge,
hen auch manche heutige Insekten,                                                   Käfer und andere Hautflügler aus der
wie Rosenkäfer, noch mit Blüten um.      Seine Einsichten blieben von der Fach-     Verwandtschaft der Honigbienen, wie
                                         welt vollkommen unbeachtet, ja er wur-     nicht-staatenbildende Bienen, Wespen,
Ein zarter Umgang mit den Blüten, der    de sogar angefeindet, weil er derartig     Hummeln und sogar Ameisen können
die höchst beweglichen Pollenkörn-       unkeusches über die unschuldigen Blu-      das Bestäubungsgeschäft erledigen.
chen zuverlässig von Blüte zu Blüte      men verbreitete. Kein geringer als Char-   Dabei sind die wenigsten Blüten nur auf
transportiert, war aus Blütensicht das   les Darwin experimentierte, angeregt       eine einzige Insektenspezies angewie-
Wunschziel. Mit den Bienen haben die     durch die Schrift Spengels, um 1860        sen. Aber kein anderer Bestäuber ist
Blütenpflanzen Partner gefunden, mit     herum mit Blütenpflanzen, die er mit       so wirkungsvoll wie die Honigbienen.
denen sie sich im Laufe einer langen     Netzen bedeckte um den bestäuben-          Weltweit werden etwa 80 Prozent aller
gemeinsamen Co-Evolution so ein-         den Insekten den Zutritt zu verwehren,     Blütenpflanzen von Insekten bestäubt.
gespielt haben, dass sie ihrem Ideal-    und verglich deren Fruchtansatz mit
Wunsch so nah gekommen sind, wie         unbenetzten Pflanzen, mit eindeutigem      Von diesen wiederum etwa 85 Prozent
es überhaupt vorstellbar ist.            Resultat.                                  von Honigbienen. Bei Obstbäumen

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      umweltjournal 58/2015
Umwelt journal Rheinland Pfalz - Landeszentrale für Umweltaufklärung
Headline
                                                                                                  Bienen
            Subheadline                                                                                                        >

Honigbiene auf Obstblüte

sind es sogar 90 Prozent der Blüten,      verblühen. Und da die Bienen echte           baden können, haben sie sich im Laufe
die von Honigbienen besucht werden.       Generalisten sind, die mit fast allen Blü-   der Evolution eine Ausrüstung zugelegt,
Die Liste der Blütenpflanzen, die von     tentypen zurechtkommen, haben alle           die ein verlustloses, optimales Einsam-
Honigbienen besucht werden, umfasst       Blüten die gleiche Chance von den Bie-       meln und Transportieren der bei den
somit etwa 170.000 Arten. Die Anzahl      nen aufgesucht zu werden.                    modernen Blüten gegenüber dem alten
der Blütenpflanzen-Spezies, die auf die                                                Zustand deutlich verknappten Blüten-
Honigbienen angewiesen sind und de-       Die Menge an besuchten Blüten, die           staubmenge ermöglicht. Dabei arbeiten
nen es ohne Honigbienenbesuche er-        rasche Rekrutierung einer sinnvollen         Vorder-, Mittel- und Hinterbeine bei der
kennbar schlecht ginge, wird auf etwa     Anzahl an Sammelbienen und die enor-         Herstellung von festen Pollenpaketen
40.000 Arten geschätzt Und dieses Blü-    me Anpassungsfähigkeit der Einzelbie-        so eingespielt zusammen, dass es jeder
tenmeer wird weltweit von gerade mal      nen und der gesamten Kolonie an die          vollautomatischen Erntemaschine alle
neun Honigbienenarten bestäubt, in Eu-    „Blütenlage“ draußen im Feld machen          Ehre macht. Am Ende des Prozesses
ropa und Afrika sogar nur eine einzige    die Honigbienen zu idealen Partnern          finden sich an den Hinterbeinen je rechts
Art, die für die meisten Blütenpflanzen   der Blütenpflanzen. In der Tat haben die     und links ein massives Pollenklümp-
unverzichtbar ist.                        Blütenpflanzen im Laufe ihrer Evolution      chen, untergebracht in den so genann-
                                          alle Register gezogen, um für Honigbie-      ten Körbchen in Form von mit Borsten
Dieses extreme Zahlenverhältnis von       nen interessant zu sein. Den Pollen an       umgrenzten Abschnitten der Schenkel).
Pflanzenkunden und Bestäubungs-Lei-       Besucher-Insekten zu verlieren kannten
stungsanbietern ist höchst erstaunlich    die Blüten bereits. Aber mit den Bienen      Die Blütenpflanzen haben den Bienen
und spricht sehr dafür, dass die Ho-      ist eine blütenfreundliche Umgangsform       aber noch mehr zu bieten: Schon Far-
nigbienen mit ihrer Lebensform der-       entstanden. Der Pollen wird von den          ne, die lange vor den Blütenpflanzen
art erfolgreich sind, dass sie keinem     Bienen nicht brachial entfernt, sondern      die Erde bevölkerten, haben süßen
ähnlich angelegten Konkurrenten für       er bleibt lediglich an den dicht stehen-     Siebröhrensaft, der hin und wieder in
eine Co-Existenz Raum geben. Das ist      den verzweigten Bosten im Haarkleid          größeren Mengen als Produkt der Pho-
Globalisierung und Monopolbildung im      der Bienen hängen.                           tosynthese entstanden war, als Nektar
Tierreich.                                                                             ausgeschieden. Diese Entmüllung ha-
                                          Die zuverlässigen und rücksichtsvollen       ben die Blütenpflanzen beibehalten und
Und in der Tat kann eine Kolonie Ho-      Pollentransporteure erlauben es den          derart weiterentwickelt, dass aus dem
nigbienen jedem Konkurrenten das          Blüten zudem, drastisch weniger Pol-         ehemaligen Abfall ein für den Bienen-
Fürchten lehren. Eine einzige Kolonie     lenmengen herzustellen als im Falle          konsum gezielt hergestelltes Produkt
Honigbienen kann an einem einzigen        der „windigen“ Windbestäubung und            entstanden ist, der Nektar.
Arbeitstag mehrere Millionen Blüten be-   immer noch deutlich weniger als im
suchen. Da sich die Bienen über neu       Falle der blütenfressenden Käfer. Da         Und um da heranzukommen, haben die
entdeckte Blüten-Reviere informieren,     die Bienen aufgrund einer blütensei-         Honigbienen in Aufbau und Größe ge-
ist rascher Besuch aller Blüten garan-    tigen Beschränkung auf eine Pollen-          eignete Mundwerkzeuge entwickelt und
tiert. Kaum eine Blüte muss unbesucht     Mindestmenge nicht mehr im Pollen            sich im Hinterleib einen Darmabschnitt

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Bienentanz

u Sammelbiene, die im Stock tanzt, zwischen Ziel        Neulinge, denen Tanz und die weiteren Aktionen von
und Stock hin- und herfliegt und am Ziel Brauseflüge   Biene 1, zusammen mit den Blütendüften, helfen, das
und ein Beduften des Zieles ausübt.                    Ziel aufzufinden. .

als Tank zugelegt, in dem immerhin bei     An Apfelblüten muss schon eine deut-       Vor dem Ausbeuten von Blüten steht
90 Milligramm Körpergewicht mit bis zu     lich größere Anzahl geleert werden. Mit    das Entdecken solcher Schätze. Ein
40 Milligramm Nektar etwa die Hälfte       2 Milligramm Nektar pro Apfelblüte füllt   kleiner Prozentsatz der älteren Bienen
des Eigengewichtes als Nektar-Nutzlast     sich der Honigmagen der Sammelbie-         sucht als „Scout“-Bienen die Gegend
untergebracht werden kann. Der Inhalt      nen hier mit etwa 20 Tagesleistungen       nach neuen Blütenschätzen ab. Behal-
des Sammelmagens ist gemeinsamer           der Nektarproduktion einer Blüte. Das      ten wir die Umgebung solcher Blüten,
Besitz der Kolonie. Was die Biene für      bedeutet nicht, dass eine Biene nur        die die Aufmerksamkeit solcher „Pfad-
sich selbst verbraucht, ist ein geringer   zwei Kirschblüten oder zwanzig Apfel-      finderbienen“ auf sich gezogen haben,
Bruchteil ihrer Beute und das wird nicht   blüten besuchen muss, um ihren Ma-         im Blick, stellen wir fest, dass nach
aus dem Sammelmagen abgezweigt,            gen zu füllen. Pro Blütenbesuch kann       wenigen Minuten bis zu einer halben
sondern passiert im Bedarfsfall ein fei-   eine Biene immer nur den aktuell ge-       Stunde nach deren Entdeckung mehr
nes Ventilchen, das den Durchlass zum      deckten Tisch leeren, der danach von       und mehr Bienen dort eintreffen. Dieses
verdauenden Mitteldarm darstellt.          der Blüte erst wieder gefüllt werden       Anwachsen der Besucherzahl erfolgt
                                           muss. Eine rekordverdächtige Biene         viel zu rasch, als dass jede der dort
Für die Bienen legen sich die Blüten       kann an einem optimalen Tag bis zu         eintreffenden Bienen die Blüten ganz al-
ins Zeug. So kann eine einzige Kirsch-     3.000 Blüten besuchen.                     leine für sich und ganz zufällig entdeckt
blüte an einem einzigen Tag mehr als                                                  haben könnte. Tatsächlich wurden die
30 Milligramm Nektar erzeugen. Ein         Das bedeutet aber nicht 3.000 Aus-         neu eintreffenden Bienen über die Ent-
ganzer Kirschbaum kann es auf täglich      flüge. Was das betrifft sind die Bienen    deckung im Bienennest informiert und
nahezu 2 Kilogramm Nektar bringen.         eher faul. Die Anzahl der Blüten, die      indem sie dieser Information folgen, als
Die Menge, die eine Sammelbiene von        eine Sammelbiene auf einer ihrer ver-      Sammelhelfer rekrutiert.
jedem Ausflug in ihrem Sammelmagen         hältnismäßig wenigen Tagestouren be-
mit nach Hause bringt beträgt bis zu bis   sucht, muss umso höher ausfallen, je       Die Kommunikation, die sich dabei
zu 40 Milligramm, also fast die Tages-     weniger Nektar die Blüte zum Zeitpunkt     zwischen den „wissenden“ und „un-
produktion von einer Kirschbaumblüte.      des Bienenbesuches anbieten kann.          wissenden“ Bienen abspielt, ist höchst

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      umweltjournal 58/2015
Bienen

Heimkehrende Pollen- und Nektarsammlerinnen

komplex und noch immer nicht befriedi-              abgerundete Bild: Die erfahrenen Bie-               All diese Komponenten zusammen brin-
gend verstanden. Sie besteht aus einer              nen beginnen das Geschäft, Rekruten                 gen die Neulinge an das Ziel.
Kette von Verhaltensweisen, die sich im             ans Ziel zu bringen mit dem Tanz auf
Stock und im Feld abspielen.                        den Waben im dunklen Bienenstock
                                                    und setzen ihre aktiven Rolle am Ziel
Der berühmte Bienen-Tanz ist dabei der              durch Brauseflüge fort. Die Blüten
Einstieg in eine Kette von Verhaltens-              selbst locken über kurze Distanzen mit-
weisen seitens der erfolgreichen Sam-               tels ihrer Farben und Formen, über wei-
melbienen. Die gleichen Bienen, die im              te Distanzen mit ihren Düften, was der
Stock tanzen, führen rund um das Ziel               amerikanische Bienenforscher Adrian
sehr auffällige „Brauseflüge“ auf (siehe            Wenner in einer Vielzahl von Experi-
Video http://www.hobos.de/de/Film1).                menten studiert hat. Was aber auf der
Das ist ein für uns Menschen akustisch              Flugstrecke zwischen Bienenstock und
und optisch auffallendes Verhalten,                 Futterstelle zwischen den Bienen ge-
für andere Bienen zusätzlich markiert               schieht, darüber wissen wir fast nichts,
durch einen bieneneigenen Duft (Ge-                 abgesehen von der Beobachtung einer
raniol), der aus einer Drüse am Hinter-             weiteren Zielfindungshilfe. Zwischen                Autor
leib aus der Nassanov-Drüse wie der                 dem Bienenstock und der Futterquelle
Kondensstreifen eines Jet-Flugzeuges                bildet sich im Laufe der Zeit ein Bienen-           Prof. Dr. Juergen Tautz
verströmt wird.                                     flug-Korridor aus, auf dem die Bienen,              HOBOS
                                                    die das Ziel bereits kennen, hin und her            Universität Würzburg
Wenn wir zusammensetzen, was wir                    fliegen und so immer mehr Neulinge ins              Josef-Martin-Weg 52
bislang wissen, ergibt sich folgendes               Schlepptau nehmen können.                           D-97074 Würzburg

Quellen: Fotos: Helga R. Heilmann, HOBOS-Team | Abbildung zum Bienentanz aus: J: Tautz: Die Erforschung der Bienenwelt. Neue Daten - neues Wissen. Klett
MINT Verlag 2015. | Textteile aus: J. Tautz, H. R. Heilmann: Phänomen Honigbiene. Spektrum Akademischer Verlag 2007. Jürgen Tautz: Die Erforschung der
Bienenwelt. Neue Daten - neues Wissen. Klett MINT Verlag 2015.

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Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
                                                                der Bienenzüchtung in Deutschland

                                                                                        Bienen zeigten. Er empfahl daher den
                                                                                        Import von südlichen Bienenrassen, die
                                                                                        er in eigenen Versuchen als deutlich ge-
                                                                                        eigneter empfunden hatte. Viele Imker
                                                                                        folgten seinem Rat und eine große An-
                                                                                        zahl Völker aus Österreich und Sloweni-
                                                                                        en (A.m.carnica), Italien (A.m.ligustica)
                                                                                        aber auch aus dem Nahen Osten (z.B.
                                                                                        A.m.lamarkii) wurden importiert. Die
                                                                                        Auswirkungen auf die Bienenzucht in
                                                                                        Deutschland waren katastrophal. Durch
                                                                                        die nicht kontrollierbare (im Flug vollzo-
                                                                                        gene) Paarung der Königinnen mit den
                                                                                        Drohnen der neuen Rassen, kam es
                                                                                        zu Kreuzungen der Rassen. Die Imker
                                                                                        beklagten sich über eine Zunahme der
                                                                                        Aggressivität und der Schwarmneigung.
                                                                                        Es entstanden Bestrebungen wieder
                                                                                        zur Dunklen Biene zurückzukehren und
                                                                                        diese durch Zucht an die Bedürfnisse
                                                                                        der Imker anzupassen. Zu dieser Ent-
                                                                                        wicklung kam es aber nicht, weil in der
  Abb. 1: Genetischer Fortschritt bei den Merkmalen „Honigertrag“, „Sanftmut“,          1930er Jahren eine zweite Importwelle
  „Schwarmneigung“ und „Varroatoleranz“ vor und seit Beginn (durch Dreieck              von A.m.carnica ganz neue Standards
  angezeigt) der Zuchtwertschätzung. 100% ist der Durchschnitt der letzten 5 Jahre      setzte. Diese Königinnen stammten im
  für das jeweilige Merkmal. Für den Zeitraum zwischen 1990 -1994 lagen nicht           Gegensatz zu der ersten Importwelle
  genügend Daten vor, so dass auf eine Durchschnittsberechnung verzichtet wurde.        von österreichischen Züchtern, die sich
                                                                                        schon seit geraumer Zeit mit der Zucht
                                                                                        der Carnica auf Sanftmut und Honiger-
                                                                                        trag beschäftigt hatten. Die Qualität der
Die Verbreitung der Honigbiene              zu den stark von Menschen beeinflus-        „neuen“ Carnica war so überzeugend,
                                            senten (Rinder-, Schweine-, Hühner-,        dass es bald zu einer flächendecken-
Die über 25 verschiedenen Subspe-           Hunde-) Rassen erklärt, dass man bei        den Verbreitung der neuen Rasse in
zies (Rassen) der Westlichen Honig-         den Honigbienen von geographischen          ganz Deutschland kam. Diese Entwick-
biene entstanden in Anpassung an die        Rassen spricht. Erst in der letzten Zeit    lung wurde noch unterstützt, weil ab
sehr unterschiedlichen Umweltbedin-         und nur bei zwei Europäischen Bienen-       den 1950er Jahren nicht nur importiert
gungen ihres großen Verbreitungsge-         rassen ist ein züchterischer Einfluss des   wurde, sondern auch in Deutschland
bietes. Die verschiedenen Subspezies        Menschen spürbar. Diese Ausnahmen           begonnen wurde Bienenzucht zu be-
von Apis kommen sowohl mit der Hitze        sind die Italienische Honigbiene (Apis      treiben. Es wurden Leistungsprüfstände
und Trockenheit Afrikas/der Arabischen      mellifera ligustica) und die aus Öster-     und Bienenbelegstellen zur sicheren
Halbinsel als auch mit den langen Win-      reich/Slowenien stammende Kärntner          Paarung von Königinnen mit ausge-
tern Skandinaviens zurecht. In den          Honigbiene (Apis mellifera carnica).        wählten Drohnen eingerichtet. Die Ver-
ursprünglich nicht von Honigbienen          Über die Zucht der Kärntner Honigbie-       besserung der deutschen Bienenpopu-
besiedelten Ländern Süd- und Nord-          ne, an der auch die Imker in Deutsch-       lation wurde zunehmend nicht durch
amerikas bzw. Australien/Neuseeland         land maßgeblich beteiligt waren, soll       Importe realisiert, sondern durch Zucht
finden wir heute überall Honigbienen,       hier kurz berichtet werden.                 im eigenen Land.
die von den Einwanderern mitgebracht
wurden. Unter Rasse versteht man üb-        Die Anfänge der Bienenzucht                 Der aktuelle Stand der Bienenzucht
licherweise etwas von Menschen stark        in Deutschland                              in Deutschland
durch Zucht Beeinflusstes. Dies ist bei
der Honigbiene nicht der Fall. Die nicht/   Nordeuropa und damit auch Deutsch-          Die meisten von den Züchtern erfas-
beziehungsweise schwer kontrollierbare      land war ursprünglich von der Dunklen       sten Eigenschaften sind stark von der
Paarung der Geschlechtstiere und der        Biene (Apis mellifera mellifera) bewohnt.   Umwelt beeinflusst. Wählt man daher
schwer standardisierbare Umweltein-         Dzierzon (1811-1906), ein sehr ein-         Tiere nach solchen stark umweltbe-
fluss bei der Honigbiene führten dazu,      flussreicher Bienenexperte seiner Zeit,     einflussten Merkmalen aus, so wird
dass weltweit bisher die Bienen nur mi-     schlug 1847 ein bewegliches Waben-          der Zuchterfolg bescheiden sein. Ein
nimal durch den Menschen züchterisch        system vor, dessen Vorzüge sich be-         wichtiger Schritt in der Tierzucht (und
verändert wurden. Dieser Unterschied        sonders mit ruhigen und sanftmütigen        auch in der Bienenzucht) war, sich

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Bienen
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Abb. 2: Die einheimische Bienenrasse in Saudi Arabien, A.m. yemenetica, ist an die extremen Bedingungen dieses Landes gut
angepasst. Auch hier, wie in vielen anderen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens besteht eine rege Nachfrage nach der Car-
nica Rasse. Carnica Völker zeigen unter den klimatischen Bedingungen dieser Länder keine überzeugende Leistung und hohe
Verluste. Trotzdem zerstören die zunehmenden Importe Europäischer Bienenvölker die einheimische Rasse.

nicht auf die Eigenleistung von Tieren      der) herkunftsgleicher Gene. Dies ist     bei der Honigbiene. Sie hat aber die
zu verlassen, sondern bei der Selekti-      einfach zu berechnen, wenn zwei Tiere     Bienenzucht sehr stark beeinflusst.
on Elterntiere auch die Ergebnisse der      nur Mutter und Vater (erwarteter Besitz
Prüfung von Geschwistern zu berück-         herkunftsgleicher Gene: 50%) oder nur     Zuchterfolge bei der Honigbiene
sichtigen. Der Zuchterfolg wurde grö-       ein Elternteil gemeinsam haben (25%).
ßer, blieb aber immer noch hinter den       Liegt aber der gemeinsame Vorfahre        Abb. 1 zeigt eine deutliche Steigerung
Erwartungen zurück. Grund war, dass         weit zurück und/oder sind die gemein-     des genetischen Fortschritts bezüg-
die gleichzeitige Berücksichtigung von      samen Vorfahren ingezüchtet, so ist die   lich aller Selektionsmerkmale seit Be-
Eigenleistung und Geschwisterleistung       Berechnung sehr komplex und bedarf        ginn der Zuchtwertschätzung. Vor der
in den Anfängen der Zucht eher intui-       komplizierter Computerprogramme.          Zuchtwertschätzung verbesserte sich
tiv war und nicht die unterschiedlichen                                               das genetische Niveau für Honiglei-
Erblichkeiten der verschiedenen Selek-      Den Verwandtschaftsgrad als Verknüp-      stung um 0,05% pro Jahr. Nach Beginn
tionsmerkmale beachtet wurde. Hier          fungseinheit für die Leistungen ver-      der Zuchtwertschätzung war der gene-
setzte die Zuchtwertschätzung ein, die      wandter Tiere zu wählen ist einleuch-     tische Fortschritt mit 0,65% pro Jahr
in der gesamten Tier- und Pflanzen-         tend, denn nah verwandte Tiere haben      13mal höher (Abb.1). Bei der Sanftmut
züchtung zu bisher nicht vermuteten         mehr Erbanlagen gemeinsam und sind        war der Zuchtfortschritt vor Beginn der
Zuchterfolgen führte. Vereinfacht aus-      damit aussagekräftigere Informanten       Zuchtwertschätzung mit 0,01%/Jahr
gedrückt verknüpft die Zuchtwertschät-      als Tiere, mit denen nur sehr wenige      gering. Mit 0,44%/Jahr zeigt sich seit
zung die Prüfdaten verwandter Tiere         herkunftsgleiche Gene geteilt wer-        deren Beginn eine 44fach höhere ge-
(nicht nur die der Geschwister) mit einer   den. Bei „normalen“ Tierarten (Rind,      netische Verbesserung pro Jahr. Auch
vernünftigen Maßzahl und wichtet die        Schwein, Huhn) gibt es hierfür seit       beim Merkmal Varroa-Resistenz, der
Prüfergebnisse entsprechend ihrer Erb-      Jahrzehnten bewährte Verfahren: Bei       weltweit gefährlichsten Krankheit der
lichkeit. Was ist das für eine Maßzahl,     der Biene, bei der die Eigenschaften      Bienenvölker, lässt sich eine deutliche
mit der die Prüfergebnisse verwandter       des Gesamtvolkes sowohl von den           Verbesserung des Zuchtfortschritts
Tiere verknüpft werden? Diese Maßzahl       Eigenschaften der Königin als auch von    durch die Zuchtwertschätzung feststel-
ist der Verwandtschaftsgrad zwischen        denen der Arbeitsbienen abhängig sind,    len. Durch die Weitergabe von Zucht-
Tieren und beschreibt den Prozentsatz       ist dies ungleich schwerer. Erst seit     material profitieren nicht nur Züchter
(von gemeinsamen Vorfahren stammen-         1994 gibt es die Zuchtwertschätzung       von dem Zuchtfortschritt, sondern die

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gesamte Imkerschaft. Bei den Züchtern      Was ist eigentlich Genetische Vielfalt?     wird auch in Zukunft nicht zu vermei-
hat sich in den letzten 20 Jahren der                                                  den sein. Aber es gibt neue Möglich-
Honigertrag um 0,7 kg pro Volk und         Viele verstehen genetische Vielfalt dann    keiten den Aufwand zu reduzieren und
Jahr erhöht. Zurückhaltende Schätzun-      optimal realisiert, wenn die Landbie-       die Sicherheit der Selektionsentschei-
gen zeigen, dass allein durch die Arbeit   ne ein Kreuzungsprodukt vieler unter-       dung deutlich zu verbessern. Bei an-
der Züchter deutsche Imker für minde-      schiedlicher Rassen ist. Es sollen an       deren Tierarten werden zunehmend
stens 800.000 Euro pro Jahr mehr Ho-       dieser Stelle nicht nochmals die schon      und erfolgreich molekulargenetische
nig verkaufen. Für den vielerorts fest-    oben erwähnten Probleme diskutiert,         Methoden eingesetzt, um direkt aus
stellbaren Trend des „urbanen Imkerns“     sondern der Blick auf die biologischen      dem Erbgut die genetische Qualität von
sind sanftmütige Bienenvölker eine Vor-    Konsequenzen beschränkt werden,             möglichen Elterntieren beurteilen zu
aussetzung.                                denn genetische Vielfalt bedeutet zwin-     können. Weiß man welche Gene z.B.
                                           gend beides: Genetische Vielfalt inner-     für die Resistenz gegenüber einer be-
Werden die großen Zuchterfolge der         halb der Rassen - und - genauso wich-       stimmten Krankheit verantwortlich sind
letzten Jahre mit einer deutlichen Ein-    tig, genetische Vielfalt zwischen den       und welche Basenabfolge dieses Gens
schränkung der genetischen Vielfalt,       Rassen. Die komplette Verdrängung ei-       für die Resistenz förderlich ist, so kann
nachlassender Vitalität und einer Er-      ner Rasse durch eine andere aber auch       man direkt und unbeeinflusst durch stö-
höhung der Winterverluste erkauft? In-     die Einkreuzung von fremden Rassen in       rende Umweltbedingungen die Resi-
tensive Zucht in der Zuchtpopulation       die einheimische, bedeutet Verlust an       stenz sicher bestimmen. Im Frühjahr
beeinflusst die gesamte Bienenpopu-        genetischer Vielfalt. Das entstandene       dieses Jahres startete ein durch das
lation eines Landes. Wenn mit der In-      Rassegemisch kommt nicht zwangsläu-         Bundeslandwirtschaftsministerium fi-
tensität der Zucht auch die Verluste       fig besser mit Umweltbedingungen zu-        nanziertes Projekt (Genomische Selek-
ansteigen, so müssten sich in Ländern      recht. Ein Beispiel ist das Verhalten der   tion bei der Honigbiene - GeSeBi), das
mit vernachlässigbarer Zuchtarbeit die     Ägyptischen Honigbiene gegenüber der        dieses erfolgsversprechende Konzept
Verlustraten bei den Bienen sehr viel      Wespe (Vespa orientalis). Die einhei-       für die Honigbiene umsetzen will. Hier-
erfreulicher darstellen. Nach den hohen    mische Biene kommt durch bestimmte          zu wird das Erbgut von rund 3.500 Völ-
Verlustraten im Winter 2002/2003 wur-      Verhaltensweisen mit dem im Nahen           kern aus ganz Deutschland analysiert.
de eine EU-weite Statistik (Bee Mor-       und Mittleren Osten gefährlichen Feind      Ein erwünschter Nebeneffekt dieses
tality and Bee Surveillance in Europe)     zurecht. Die Hybriden zwischen der          Projektes ist auch, dass die manchmal
erstellt. Aus den dort vorgelegten Daten   Ägyptischen Biene und Carnica wer-          als zu klein vermutete genetische Viel-
lässt sich nicht der geringste Hinweis     den zur hilflosen Beute. Die einheimi-      falt in der deutschen Carnica Zucht-
entnehmen, dass Deutschland mit ver-       schen Bienenrassen sind an die lokalen      population direkt „an der Quelle“, den
gleichbar intensiver Bienenzucht mehr      Umweltbedingungen, Krankheitserreger        Genen, gemessen werden kann.
Winterverluste zu beklagen hat, als        und Parasiten angepasst. Diese Rassen
Länder, in denen keine oder vernach-       wegen ihrer zurzeit noch unzureichen-
lässigbar Bienenzucht betrieben wird.      den imkerlichen Vorzüge durch eine          Autor
                                           selektierte nicht einheimische Bienen-
Der Einfluss der Zucht auf die globale     rasse zu verdrängen oder diese ein-         Prof. Dr. Kaspar Bienefeld
genetische Vielfalt der Honigbiene         zukreuzen, schadet massiv der globa-        Länderinstitut für Bienenkunde
                                           len genetischen Vielfalt. Die bedrohten     Hohen Neuendorf
Doch, obwohl wir zurzeit noch keine        Rassen - bei Erhalt ihrer Anpassung
Anzeichen auf schädliche Auswirkun-        an die lokale Umweltzüchterisch an
gen innerhalb der vergleichsweise gro-     die Bedürfnisse der Imker anzupas-
ßen Carnica-Population haben, gibt es      sen, fördert nachhaltig den Erhalt der
sie - nämlich bei den anderen Rassen:      genetischen Vielfalt. Wesentliche Res-
Diese verlieren durch die Zuchterfolge     sourcen innerhalb des neuen, im No-
bei der Carnica immer mehr an Boden.       vember 2014 beginnenden, EU Projekts
Die Carnica Züchter stellen in den letz-   „Smartbees“ (http://smartbees-fp7.eu/)
ten Jahren eine deutliche Zunahme der      werden für das oben skizzierte Vorge-
Nachfrage aus allen Ländern der Welt       hen verwendet, um das Verschwinden
fest. Diese Nachfrage entstand, weil die   der anderen bedrohten Europäischen
Imker in vielen Ländern nicht mit ihren    Bienenrassen aufzuhalten.
lokalen Bienen zufrieden waren/sind und
sich Abhilfe durch züchterisch verbes-     Die Zukunft der Bienenzucht
serte Carnica erhoff(t)en. Mit anderen
Worten, der Verlust an genetischer Viel-   Die zeitaufwendige Prüfung von Bie-
falt ist durch mangelnde Zucht bei vie-    nenvölkern ist eine wesentliche Vor-
len Bienenrassen entstanden und nicht      aussetzung für die Auswahl der Zucht-
durch deren konsequente Anwendung.         völker. Dies war schon immer so und

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Zur Verbreitung der Honigbienenarten

Die Karten auf diesem Blatt wurden zur weiteren Illustration, insbesondere zu den Texten auf den Seiten 12 von Prof. Dr. Biene-
feld, 16 von Frau Joana Kelén, 24 von Prof. Dr. Liebig und 46 zur Buckfastbiene, hergestellt.

                                                                                                                Die Westliche Honigbiene (Apis mel-
                                                                                                                lifera) war ursprünglich in Europa,
                                                                                                                Kleinasien und Afrika verbreitet,
                                                                                                                grün. Die Östliche Honigbiene (Apis
                                                                                                                cerana) in Süd- und Ostasien, rot.
                                                                                                                Die weiteren sieben Honigbienenar-
                                                                                                                ten, blau. In der Natur sind sich die
                                                                                                                Westliche Honigbiene und die ande-
                                                                                                                ren Honigbienenarten nie begegnet,
                                                                                                                da sich ihre natürlichen Verbreitungs-
                                                                                                                gebiete nicht berühren. In den Ge-
                                                                                                                bieten außerhalb der drei Linien und
                                                                                                                in Amerika kommen natürlicherweise
                                                                                                                andere Bienenarten als Honigbienen
                                                                                                                vor.

                                                                                                                In Mitteleuropa bis zum Ural war
                                                                                                                ursprünglich die Honigbienenrasse
                                                                                                                Apis mellifera mellifera beheimatet,
                                  Oslo                                                                          grün. Die ursprünglich südöstlich von
                                                                                                                Wien beheimatete Apis mellifera car-
                                                                          Moskau                                nica verdrängte durch menschliche
                                                                                                                Aktivitäten in Mitteleuropa Apis mel-
            London
                                     Berlin                                                                     lifera mellifera. Senkrecht gestichelte
                                                                                                                Linie: allmählicher, natürlicher Über-
                   Paris
                                                      Wien
                                                                                                                gang von Apis mellifera mellifera
                                                                                                                zu südlicheren Rassen. Gestrichel-
                                                                                                                te Linie: gegenwärtige Nordgrenze
                                                                                                                der Imkerei. Gezackte Linien: Hoch-
                                                                                                                gebirgsketten.

                                                                                                                Honigbienenrassen (Apis mellifera)
                                                                                                                in europäischen und angrenzenden
                                                                                                                Räumen.
                           A.m. mellifera
                                                 A.m. carnica

                                                          A.m. macedonia
                                         A.m. ligustica                                        A.m. caucasica
    A.m. iberica
                                                                             A.m. anatoliaca
                                            A.m. sicula   A.m. cecropia

                                                                A.m. adami      A.m. cypria
           A.m. intermissa

Zu den Karten und Kartentexten 1 und 3: so auch: Autorinnen- und Autorenteam, „Der Schweizerische Bienenvater“, Fachschriftenverlag VDRB, Winikon,
Scheiz (17., Neue Auflage 2001). Zur Karte 2: so auch: Ruttner, Friedrich „Naturgeschichte der Honigbienen“, Ehrenwirth-Verlag, München (1992).

                                                                                                                                                          15
                                                                                                                                  umweltjournal 58/2015
Goodbye Maja!
 Headline

Fleiß, Disziplin, Ordnung und Sauberkeit – mit diesen preußischen Tugenden wird die
Biene in Verbindung gebracht und dafür seit jeher verehrt. Bereits die alten Ägypter
erkannten in der Art, wie die Bienen tote Stockeindringlinge mit dem desinfizierend
wirkenden Propolis mumifizierten, ein ausgezeichnetes Mittel, ihre eigenen Toten zu
konservieren. Die frühen Christen sahen in der „fleißigen, ordnungsliebenden, rei-
nen und keuschen“ Biene die Verkörperung der idealen Frau. So setzt die katholische
Kirche bis heute reine Bienenwachskerzen für ihre rituellen Handlungen und zur Ver-
ehrung ihrer Heiligen ein. Selbst Napoleon bewunderte die Bienen so sehr, dass er sei-
nen und Joséphines Krönungsmantel mit Abbildungen von Bienen besticken ließ und
drei Bienen in seinem Wappen einsetzte.

                             Entwicklung der drei Bienenwesen: Königin, Arbeiterin, Drohn (aus „Tod einer Königin“)

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     umweltjournal 58/2015
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