VAA Magazin Zauber in der Zelle - Cellulosechemie: Vereinbarkeit: Teilzeit in der Elternzeit

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VAA Magazin Zauber in der Zelle - Cellulosechemie: Vereinbarkeit: Teilzeit in der Elternzeit
Februar 2017

VAA Magazin
Zeitschrift für Führungskräfte in der Chemie

     Cellulosechemie:

     Zauber
     in der Zelle
      Vereinbarkeit:
      Teilzeit in der Elternzeit
VAA Magazin Zauber in der Zelle - Cellulosechemie: Vereinbarkeit: Teilzeit in der Elternzeit
Verband angestellter Akademiker
                                                                                   und leitender Angestellter der
                                                                                   chemischen Industrie e.V. (VAA)

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VAA Magazin Zauber in der Zelle - Cellulosechemie: Vereinbarkeit: Teilzeit in der Elternzeit
Editorial

Auf zu neuen Ufern!
Was das Jahr 2017 bringen wird, ist noch unklar. Politisch ist es
bereits turbulent. Dabei gehört die Bedrohung durch den Terroris-
mus zu den größten, von vielen derzeit noch unterschätzten Pro-
blemen. Aber die Zuversicht überwiegt, dass es vor dem Hinter-
grund der gegenwärtigen Bedrohungslage nicht zum von vielen
befürchteten Rechtsruck kommen wird. Weder in Deutschland
noch in Frankreich. Und auch nicht in den USA. Auch wenn die
ersten Wochen des US-Präsidenten Donald Trump Schlimmes be-
fürchten lassen, so werden die Kräfte der Vernunft in Washington
auf lange Sicht die Oberhand gewinnen. Denn das US-System
wird stark von den Beraterstäben des Präsidenten sowie den checks
and balances des Kongresses getragen. Selbst in republikanischer
Hand werden weder das Repräsentantenhaus noch der Senat ein
allzu straffes präsidiales Durchregieren zulassen. In Frankreich
– im Jahr eins nach dem Brexit-Referendum mehr denn je ein
Schicksalspartner für Deutschland in Europa – wird Marine Le
Pen kaum zur Präsidentin gewählt werden: Spätestens in der Stich-

                                                                                                                       Foto: VAA
wahl zwischen den beiden Erstplatzierten des ersten Wahlgangs
werden sich das konservativ-bürgerliche und das linke Lager wohl
oder übel hinter einem gemeinsamen Kandidaten vereinigen – wie
bereits 2002 erstmals geschehen. Von der politischen Bildfläche
verschwinden wird Le Pen aber nicht. Mit ihr wird langfristig zu rechnen sein. Hier werden die Antworten der etab-
lierten politischen Strömungen auf die drängenden gesellschaftlichen Herausforderungen entscheiden.

Spannend werden die Wahlen auch bei uns in Deutschland. Es scheint fast sicher zu sein, dass erstmals seit Jahrzehn-
ten eine Partei rechts der CSU in den Bundestag einziehen wird. Davon mag man halten, was man will – verhindern
ließe sich das nur durch eine kluge, vorausschauende und mutige Politik. Nur dafür ist die Zeitspanne bis zur Wahl
zu kurz. Schon jetzt schalten die Parteien voll in den Wahlkampfmodus. Auf jeden Fall wird der nächste Bundestag
fragmentierter sein als sein Vorgänger. Vermeintlich kleine Parteien wie die FDP oder das Bündnis 90/Die Grünen
sowie deren gegenseitige Koalitions(in)toleranz werden sicherlich eine Schlüsselrolle spielen.

Klein, aber fein – heißt es immer wieder über die FDP. Das gilt auch für den VAA. Auch der VAA ist darauf ange-
wiesen, Koalitionen einzugehen. Der VAA mag vielleicht im Vergleich zu anderen Organisationen der Chemie- und
Pharmabranche relativ klein sein, aber dafür ist er ein überaus starker Partner. Als Berufsverband und Gewerkschaft
zeichnen wir uns dadurch aus, dass wir Gestaltungswillen und Gestaltungsmacht haben. Damit dies so bleibt, wollen
wir schon früh in diesem Jahr die Grundlagen für einen vielversprechenden Start unserer Betriebsratswahlkampag-
ne 2018 schaffen. Der VAA will und wird mitbestimmen, um mitzugestalten. Dabei geht es dem Verband um eine
konstruktive Zusammenarbeit mit seinen Sozialpartnern – mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer
in unserem Land zu verbessern. Denn die Interessen von Tarifangestellten sowie außertariflichen und leitenden An-
gestellten unterscheiden sich zwar in manchen Dingen, aber sie alle sind Arbeitnehmer, die oft mit den gleichen He-
rausforderungen konfrontiert werden. Mit ihrer Kompetenz helfen VAA-Mitglieder und -Mandatsträger dabei, Pro-
bleme konstruktiv zu lösen und so einen positiven Beitrag zur Sozialpartnerschaft in Deutschland zu leisten.

Gerhard Kronisch
VAA-Hauptgeschäftsführer

                                                                                          VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017                 3
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Inhalt

                                                            21
                         6
Chemie im Bild/
Spezial                                                                Meldungen
06   Cellulose in Zahlen                                               25   Transaktionen in der Chemie,
                                                                            Nanodrähte,
08   Zauberhafter Zellstoff                                                 WoMen-Netzwerktreffen

                                                                       26   Geopolymere,
                                                                            Kompositmaterial,
VAA                                  Branche                                Aufsichtsratswahlen,
                                                                            Frühpensionierung
14   Vorstandswahlen:                21   Bundestagswahl im Fokus:
     Steckbriefe der Kandidaten           Interview mit Jens Spahn     27   Reise nach Island,
                                                                            VAA connect,
16   Mitgliederentwicklung:          23   Personalia aus der Chemie         Einkommensumfrage,
     Wachstum hält an                                                       KFZ-Privatrabatt

17   Rechtsschutzstatistik:                                            28   Quantenvakuum,
     Beratungsbedarf steigt weiter   Wirtschaft                             Alter(n)sgerechte Arbeit,
                                                                            Studie zur Digitalisierung,
19   Betriebsrente:                  in Zahlen                              Bundesverfassungsgericht,
     Versorgungsleistungen nicht                                            Kooperation mit StepStone
     ungenutzt lassen                24   Kinderbetreuung:
                                          Steigender Anteil schließt
19   Mitgliedsbeitrag:                    Betreuungslücke nicht
     Interview mit Dr. Thomas

         «
     Fischer
                                                                                                           Coverfoto: crimson – Fotolia

4    VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017
VAA Magazin Zauber in der Zelle - Cellulosechemie: Vereinbarkeit: Teilzeit in der Elternzeit
Inhalt

                                                                                                           44

                                                                           Lehmanns

29
                                                                           Destillat
                                   Europa
                                                                           48   Satirische Kolumne:
                                   37   Mobilität und Mentoring:                Digitale Eintagsfliegen
                                        Workshop in Athen

                                                                           Vermischtes
                                   Recht
                                                                           50   ChemieGeschichte(n):
                                   38   Urteil:                                 Chemiker am Puls der Zeit
ULA                                     Anspruch auf Homeoffice?
                                                                           51   Glückwünsche
Nachrichten                        39   Teilzeit in Elternzeit:
                                        Interview mit Pauline Rust         52   Sudoku, Kreuzworträtsel
29   Bundestagswahl:
     ULA präsentiert Forderungen   42   Erben und Vererben:                53   Leserbriefe
                                        Wie umgehen mit digitalem
31   Kommentar, ULA Intern              Nachlass?                          54   Personalia, Termine,
                                                                                Vorschau, Korrektur,
32   Arbeit:                                                                    Impressum
     Rückkehrrecht aus Teilzeit
                                   60plus
33   Europa:
     Konflikt um Mitbestimmung     44   Senioren als Experten:
                                        Ehrenamtlich engagieren
34   Manager Monitor:                   beim SES
     Virtuelle Teams
                                   46   Pensionskassenrenten:
36   Weiterbildung:                     Interview mit Dr. Ingeborg Axler
     Aktuelle Seminare

36   Ankündigung:
     ULA-Sprecherausschusstag

                                                                           48
                                                                                 VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017     5
VAA Magazin Zauber in der Zelle - Cellulosechemie: Vereinbarkeit: Teilzeit in der Elternzeit
Foto: Michael Abbey – Science Photo Library

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                                                                      11
                                                                      11

                                                  vorliegenden
                                                                 50
VAA Magazin Zauber in der Zelle - Cellulosechemie: Vereinbarkeit: Teilzeit in der Elternzeit
5.000 – 15.000

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Foto: Dow Deutschland Anlagengesellschaft mbH

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VAA Magazin Zauber in der Zelle - Cellulosechemie: Vereinbarkeit: Teilzeit in der Elternzeit
Spezial

CHEMIE DER CELLULOSE

Zellulärer Zauberstoff
Wer den Begriff Cellulose hört, denkt oft zuerst an Zellstofftaschentücher oder Papier. Dabei ist Cellulose so viel mehr: Sie
ist ein wahres Wunderwerk der pflanzlichen Natur und stellt die Hauptmasse aller auf der Erde vorkommenden
organischen Verbindungen! Cellulose ist biobasiert, nachwachsend und vielseitig einsetzbar: Die Anwendungspalette von
Cellulose und ihren Derivaten reicht von Papier, Lebensmitteln und Textilien über Gipsspachtel, schnell trocknende
Druckfarben und Klebstoffe bis hin zu Shampoo-Conditioner und Wabenkörpern für KFZ-Katalysatoren. Und das ist bei
Weitem noch nicht alles. Höchste Zeit also, dem „Zauberstoff“ aus der Welt der Pflanzen näher auf den Grund zu gehen.

Von Timur Slapke

Am Rande der Lüneburger Heide, etwa in           Bei der heutigen Dow Deutschland Anla-         genschaften wie beispielsweise Wasserlös-
der Mitte des norddeutschen Dreiecks zwi-        gengesellschaft mbH, die noch bis vor Kur-     lichkeit, Wasserrückhaltung oder Filmbil-
schen Hannover, Bremen und Hamburg,              zem als Dow Wolff Cellulosics firmierte,       dung.
lässt sich die Natur trefflich beobachten.       ist Dr. Jürgen Engelhardt als Associate
Breite Felder, vereinzelte Wälder und klei-      R&D Director, Products & Characteriza-         Je nachdem, wie viel oder wie wenig man
ne Ortschaften prägen das Bild der Gegend        tion tätig. Das langjährige VAA-Mitglied       an den OH-Gruppen verändert, ob punk-
um Walsrode und Bad Fallingbostel. Eine          weiß über Cellulose bestens Bescheid:          tuell oder in der gesamten Kette, kann man
knappe Fahrtstunde von der pulsierenden          „Cellulose an sich ist wasserunlöslich und     die Eigenschaften des Derivats also grund-
niedersächsischen Leinemetropole Hanno-          relativ inert – sie quillt höchstens ein we-   legend verändern. Von dieser „Spielwiese
ver fühlt man sich als Besucher aus der          nig.“ Es befinden sich jeweils drei OH-        für Chemiker“ ist Dr. Johannes Ganster
Großstadt fast schon fernab von Gut und          Gruppen am Grundbaustein Glucose. „Wir         vom Fraunhofer-Institut für Angewandte
Böse. Da überrascht es beinahe, dass genau       spalten die Wasserstoffbrückenbindungen        Polymerforschung IAP in Potsdam-Golm
hier, im kleinen Örtchen Bomlitz, die In-        in der Cellulose auf, die verhindern, dass     ebenfalls begeistert: „Man hat einfach ei-
dustrie bereits seit über 200 Jahren fest ver-   sich die Cellulose lösen kann“, führt En-      nen sehr schönen Angriffspunkt der Che-
wurzelt ist. Im Laufe der Jahrzehnte hat         gelhardt aus. Einige dieser „händchenhal-      mie, den man nutzen und gestalten kann.“
sich eine kleine Pulvermühle zur Produk-         tenden“ OH-Gruppen müssten blockiert
tion von Schießpulver für das Herrscher-         werden, um nicht wieder zusammenfinden         Cellulose ist ein Konstruktionswerkstoff
haus Hannover zu einem der wichtigsten           zu können. „Dazu legen wir den OH-Grup-        der Natur, um Pflanzen oder Bäume zu sta-
Standorte für Cellulosechemie in Europa          pen sozusagen Fausthandschuhe an.“ Auf         bilisieren. Dieses Prinzip in die Technik zu
gemausert.                                       diese Weise wird die Cellulose zu einem        überführen, findet Fraunhofer-Wissen-
                                                 Cellulosederivat – Celluloseether oder Cel-    schaftler Ganster faszinierend. Sein For-
                                                 luloseester. Dazu gehören etwa die Methyl-     schungsbereich konzentriert sich auf in-
                                                 cellulose oder die Carboxymethylcellulose.     dustriell verfügbare Biopolymere wie Cel-
                                                 Diese haben dann wieder ganz andere Ei-        lulose, Stärke, Lignin, Chitosan, pflanzli-
                                                                                                che und tierische Proteine. u

                                                                                                                                         9
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Spezial

Außerdem leitet der promovierte Physiker       Den Produkten werden die Cellulosederi-        lierung vom Fünf-Liter-Labormaßstab auf
die Abteilung Materialentwicklung und          vate nur in geringen Mengen beigemischt        500 Liter bis zu vier Kubikmeter. Denn die
Strukturcharakterisierung, die sich mit        – zwischen 0,1 und einem Prozent. „Diese       meisten Kunden wollen keine mit Pülver-
biobasierten Alternativen zu herkömmli-        Menge reicht aber aus, das Verhalten kom-      chen gefüllten kleinen Gläschen, sondern
chen Polymersystemen beschäftigt.              plett zu verändern“, so Engelhardt. In man-    das Produkt sack- und palettenweise testen.
                                               chen Systemen könne dies aber durchaus         „Unsere Baustoffkunden wollen ordentlich
Bei den Cellulosederivaten handelt es sich     ein Kostenpunkt sein. Dies bestätigt auch      mischen und auch damit auf den Bau ge-
um Makromoleküle und damit um Polyme-          der Leiter der Dow-Standorte Bomlitz und       hen. Pharmakunden müssen die klinischen
re. Diese können auch mit Oberflächen          Bitterfeld Wolfgang Möller: „Aufgrund der      Phasen abdecken.“
wechselwirken und dafür sorgen, dass Par-      relativen Hochpreisigkeit und dem Einfluss
tikel dispergieren und nicht klumpen, bei-     auf die Produkteigenschaften wurde unser       Clevere Coatings
spielsweise in Farben und Lacken. Für          Produkt einmal von einem Kunden aus der
Dow in Bomlitz sind Baustoffadditive etwa      Baustoffbranche als gold dust bezeichnet.“     Im Pharmabereich ermöglichen Cellulose-
für Gipsputz, Spachtelmasse oder zement-                                                      derivate verschiedene wirkstoff- und trans-
gebundene Fliesenkleber ein wichtiger Be-      Im Industriepark Walsrode betreibt Dow         portspezifische Funktionalisierungen
reich. Welche Rolle spielt Cellulose dort?     neben normalen Laboren auch eine State-        durch sogenannte Excipients – pharmazeu-
„Wenn etwas zu schnell abbindet, kann          of-the-Art-Pilotanlage – ein Polysaccharid-    tische Hilfsstoffe, die bei der Applizierung
man es zwar auf die Wand auftragen, aber       Technikum im Schichtbetrieb. Von der           von Arzneimitteln helfen. So kann man so-
dann ist es auch schon vorbei – es wird        Größe ähnelt die Anlage einer kleinen Fa-      wohl flüssige Zubereitungen herstellen,
schnell fest und man kann nichts mehr ma-      brik. „Auf vier Etagen haben wir hier die      etwa bei Augentropfen und Hustensaft für
chen“, antwortet Jürgen Engelhardt. Durch      Möglichkeit, bestehende Produktionspro-        Kinder, oder auch feste Anwendungen für
die Cellulosederivate erhalten die minera-     zesse nachzustellen, aber auch neue Ver-       Tabletten und Kapseln. „Beschichtet man
lischen Systeme eine hohe Standfestigkeit.     fahren zu entwickeln und zu pilotisieren“,     Tabletten mit Cellulosederivaten, sorgt
So rutschen Putz und Fliesenkleber nicht       berichtet Jürgen Engelhardt nicht ohne         man für mehr Gleitvermögen, damit Kin-
von der Wand.                                  Stolz. Pilotisierung bedeutet hier eine Ska-   der oder ältere Patienten besser schlucken

Für die Faserforschung bestens ausgestattet ist das Fraunhofer
IAP in Potsdam-Golm. Dazu gehört auch eine vollwertige
Spinnanlage für innovative Celluloseregeneratfasern.
Foto: Till Budde – Fraunhofer IAP

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Spezial

können“, klärt Jürgen Engelhardt auf. Zu-       breit gefächertes Themengebiet von Auf-        verunreinigt. „Ein anderer Prozess sind
dem schützen diese Beschichtungen die           schlusstechnologien und Bioraffineriepro-      Ethanol-Wasser-Aufschlüsse. Damit ge-
Wirkstoffe gegen Oxidation, Feuchtigkeit        zessen bis zur Nutzung von Cellulose, He-      winnt man sehr sauberes Lignin, das man
oder auch gegen Magensäure. „Letzteres          micellulosen und Lignin als Polymere. He-      für Folgechemie verwenden kann.“ Auch
ist wichtig bei Wirkstoffen, die sich erst im   micellulosen stellen bei Landpf lanzen         hier werden die Faserkomponenten enzy-
Darm entfalten sollen.“ Außerdem gewinnt        nach Cellulosen die nächstgrößte Gruppe        matisch verzuckert, um Rohstoffe für Fer-
heutzutage der Ersatz von Gelatine an Be-       von Polysacchariden dar. Lignin ist nach       mentationsprozesse zu erhalten.
deutung, aus der früher harte und weiche        Cellulose das häufigste pflanzliche Poly-
Kapseln hergestellt wurden. „Da aber im-        mer, das der Zellwand Druckfestigkeit ver-     An Saakes Institut sind die Wissenschaftler
mer mehr Menschen immer weniger tieri-          leiht und meist in Wänden verholzter           recht nah am Rohstoff: „Wobei dieser Roh-
sche Produkte zu sich nehmen wollen oder        Pflanzenzellen vorhanden ist. Im Gegen-        stoff nicht nur Holz, sondern pflanzliche
können, stellen wir mit Hydroxypropylme-        satz zur Cellulose ist das dreidimensional     Biomasse allgemein ist“, betont Bodo Saa-
thylcellulose vegane Kapseln her.“              vernetzte Lignin unelastisch.                  ke. Es wird auch viel mit Einjahrespflanzen
                                                                                               wie Stroh und Bagasse gearbeitet, aber auch
Eine knappe Autostunde nördlich von             Das Zentrum Holzwirtschaft ist unter an-       Bambus. „Deshalb liegt unser Fokus stärker
Bomlitz, an der Abteilung Chemische             derem an Bioraffinerieprojekten zum Auf-       auf der Aufschlusstechnologie“, stellt der
Holztechnologie am Zentrum Holzwirt-            schluss von Biomasse beteiligt, um Platt-      aus Westfalen stammende Professor für
schaft der Universität Hamburg, wird ne-        formchemikalien zu gewinnen. Man ver-          Chemische Holztechnologie fest. „Wir kön-
ben Cellulose auch an Lignin und Hemi-          folgt zwei Linien: „Bei Dampfdruckpro-         nen mit unseren Reaktoren und Refinern all
cellulosen geforscht, den anderen beiden        zessen stellt man aus Biomasse durch eine      diese Rohstoffe beim Aufschluss abde-
Hauptbestandteilen pflanzlicher Rohstoffe.      nachfolgende enzymatische Hydrolyse Zu-        cken.“ Außerdem verfügt das Institut über
„Wir bilden praktisch eine Schnittstelle        cker und Lignin her“, so der studierte Holz-   Bleichaggregate mit allen denkbaren Bleich-
von der Holzchemie zur Cellulosechemie“,        wirtschaftler Bodo Saake. Bei diesem Pro-      sequenzen, Faserstoffprüfanlagen für Pa-
findet Abteilungsleiter Prof. Bodo Saake.       zess sei die Prozessführung relativ einfach,   pier und über die nötige Analytik für die
Zu seinem Forschungsspektrum gehört ein         aber das Lignin sei mit Kohlenhydraten         Charakterisierung der Produkte. u

                                                                                                                                       11
Spezial

Auch in Bomlitz, dem größten Dow-Stand-         „Man muss die Cellulose erst derivatisie-              „Wir reden hier von rund fünf Millionen
ort für Forschung und Entwicklung in            ren, also an die OH-Moleküle etwas dran-               Tonnen Viskosefasern weltweit, das heißt
Deutschland, wird sehr viel Arbeit in die       hängen, damit es überhaupt funktioniert“,              man benötigt fast zwei Millionen Tonnen
Analytik gesteckt. „Noch vor 15 Jahren          erklärt Johannes Ganster vom Fraunhofer                Schwefelkohlenstoff zur Herstellung der
konnte man nicht genau sagen, wie die Me-       IAP. Leider funktioniert der Prozess über              Fasern“, ergänzt Gansters Kollege André
thylgruppen auf der Cellulose genau ver-        die temporäre Derivatisierung mit Schwe-               Lehmann. „Der Schwefel ist in der Faser
teilt waren“, gibt Jürgen Engelhardt offen      felkohlenstoff, einem hochgiftigen Stoff.              dann nicht mehr vorhanden, weil er im
zu. „Mittlerweile können wir das. Allein                                                               Spinnprozess wieder abgespalten und aus-
die Zahl der verschieden möglichen Ketten                                                              gewaschen wird, er fällt aber eben bei der
geht in die Milliarden.“ Das sei eine enor-        Cellulose in der Natur                              Herstellung an.“ Deshalb forscht Leh-
me Herausforderung. „Wir müssen die                Cellulose ist ein hochpolymeres Po-                 manns Team an Verfahren zur Reduzie-
Struktur, die Eigenschaften und die Wech-          lysaccharid mit unverzweigter, ket-                 rung des Schwefelkohlenstoffeinsatzes –
selwirkungen mit den Komponenten in den            tenförmiger Molekülstruktur, das in                 unter Beibehaltung der Faserqualität. Das
Anwendungssystemen genau verstehen,                fast allen Arten pflanzlicher Biomas-               ist auch die größte Herausforderung: „Je
um optimale Produkte anbieten zu kön-              se vorkommt. Pflanzliche Zellmem-                   weniger Schwefelkohlenstoff man bei der
nen.“ Ein fortwährender und spannender             branen enthalten außer Cellulose                    Herstellung einsetzt, desto schlechter wird
Prozess.                                           noch Hemicellulosen. In verholzten                  die Lösung – und damit auch die Fadenei-
                                                   Pflanzenzellen ist zudem Lignin vor-                genschaften.“
Für Dow gehören Holz und zu einem klei-            handen – ebenfalls eine polymere
neren Teil Baumwolle zu den Hauptroh-              Verbindung.                                         Aus der Industrie gibt es ein großes Inter-
stoffquellen. Wobei Dow nicht wie die                                                                  esse an der schwefelfreien Umformung von
Hamburger Holzwirtschaftler am Rohstoff                                                                Cellulose. Das wäre eine Derivatisierung
ansetzt, sondern bereits von seinen Liefe-                                                             zum Beispiel mit Harnstoff. Dieser Ansatz
ranten Cellulose als relativ dicke Zellstoff-                                                          nennt sich Cellulosecarbamat. Das For-
pappe in 500-Kilogramm-Rollen geliefert                                                                scherteam am Fraunhofer IPA hat nachge-
bekommt. „Die Hemicellulosen und Ligni-                                                                wiesen, dass es auch im industriellen Maß-
ne werden also bereits von unseren Liefe-                                                              stab funktioniert. „Man kann also Cellu-
ranten aus dem Rohstoff getrennt“, erklärt                                                             losecarbamat anstelle von Cellulosexan-
Engelhardt.                                                                                            thogenat verspinnen“, versichert Johannes
                                                                                                       Ganster. Noch gebe es jedoch zu wenige
Aus historischer Sicht hat Cellulose zu-                                                               der dafür notwendigen Anlagen und auch
sammen mit Naturkautschuk die Grundla-                                                                 keinen preislichen Unterschied.
ge für die Entwicklung der Polymerche-
mie gelegt, dann aber durch den Aufstieg                                                               Ein drittes Verfahren ist Lyocell – auch
der Petrochemie an Boden verloren. „Lan-                                                               NMMO genannt. „Der Name stammt vom
ge Zeit betrug der weltweite Markt für                                                                 Lösungsmittel, das übrigens von der BASF
holzbasierte Chemiezellstoffe etwas über                                                               produziert wird“, so Johannes Ganster. Da-
vier Millionen Tonnen pro Jahr“, so Bodo                                                               bei wird die Cellulose direkt bei knapp 90
Saake von der Universität Hamburg. „In-                                                                Grad Celsius gelöst. „Das ist alles hochvis-
nerhalb relativ kurzer Zeit ist dieser Markt                                                           kos und mit höheren Drücken verbunden,
wieder auf über acht Millionen Tonnen ge-                                                              welche unter anderem ein anderes Spinn-
wachsen.“ Dieser Anstieg sei vor allem auf                                                             verfahren bedingen.“ Die Fraunhofer-Wis-
die steigende Nachfrage nach Cellulosefa-                                                              senschaftler hoffen noch auf ein viertes
sern unter anderem aus Asien zurückzu-                                                                 Verfahren, mit dem man superfeste Fasern
führen. „Da ist für die Zukunft auch noch                                                              zur Verstärkung von Verbundwerkstoffen
mehr zu erwarten.“ Ein Bedarf, der nicht                                                               herstellen kann. Denn Cellulose habe es
allein mit Baumwolle gedeckt werden                                                                    drauf, meint Ganster. Dies zeigen die the-
kann. Hier kommt die Familie der Visko-                                                                oretischen Rechnungen. Man müsse es
sefasern zum Zuge. Denn aus dem Visko-                                                                 „nur noch“ praktisch hinkriegen. „Dieser
seprozess mit Schwefelkohlenstoff kann                                                                 Weg, die Ketten ohne Verschlaufungen
man eine Vielzahl an Fasern mit ganz un-                                                               schön in Richtung der Faser auszurichten,
terschiedlichen Eigenschaften herstellen.                                                              ist die eigentliche Herausforderung.“

Der Viskoseprozess ist schon über 110 Jah-                                                             Auf dem Gebiet der Faserforschung ver-
re alt, aber immer noch sehr kompliziert.            Fotos: Ivan Kurmyshov, Glaser, juniart– Fotolia   fügt das Fraunhofer IAP über 50 Jahre Ex-
Beispielsweise das in Lösung bringen:                                                                  pertise. „Wir haben zwei vollwertige

12   VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017
Spezial

Spinnlinien mit Lösungsherstellung und        Bei Verbundwerkstoffen etwa für den Leicht-        tätsmodul ist ein Kennwert zur Messung der
Lösungsumformung zu Multifilamenten           bau hat man momentan die Wahl zwischen             mechanischen Spannung. Wenn man eine
mit Reckbädern, Wasch- und Trocknungs-        der Glasfaser und der Carbonfaser. „Die Glas-      Cellulosefaser entwickeln würde, die deutlich
galetten sowie Spulkopf“, zählt der Abtei-    faser hat eine Dichte von etwa 2,5 Gramm pro       darüber läge, könnte man schon gut in Rich-
lungsleiter Fasertechnologie Dr. André        Kubikzentimeter – die Carbonfaser 1,7“,            tung Leichtbau vorankommen. „Die dafür nö-
Lehmann auf. Lehmanns Abteilung               führt Dr. Johannes Ganster an. Während die         tigen Spinnverfahren gibt es schon, etwa das
forscht an Fasern, Folien und Nonwovens       Glasfaser billig sei und recht ordentliche Ei-     Lyocell-Verfahren. Es gibt auch experimen-
für technische und textile Anwendungen        genschaften aufweise, sei die Carbonfaser          telle Fasern, die bis 40 Gigapascal gehen.“
sowie an den entsprechenden Verfahren zu      von den Eigenschaften zwar ausgezeichnet,          Theoretisch sind bei Cellulose sogar Moduli
deren Herstellung. Bereits seit sechs Jah-    aber eben auch teuer. Dazwischen liegt eine        von bis zu 160 Gigapascal möglich. „In unse-
ren beschäftigt sich der promovierte Che-     Welt, die nicht besetzt ist. „Hier könnte man      rer Pilotanlage können wir Multifilamentgarn
miker Lehmann mit Biopolymeren wie            die Lücke mit einer Verstärkungsfaser auf          herstellen, bei dem die Einzelfasern Moduli
Cellulose, Lignin, Proteinen oder Polylac-    Cellulosebasis schließen.“ Eine biobasierte,       von bis zu 40 Gigapascal besitzen“, so der For-
tid und arbeitet an der Entwicklung um-       leichtere Alternative zu Glasfaser ist auf jeden   schungsbereichsleiter Biopolymere.
weltfreundlicher und effizienter Spinn-       Fall denkbar. Die Preisspanne sollte dann
technologien. „Dann haben wir noch eine       zwischen Glas und Carbon liegen, um es in-         Für eine Prognose, ob und wann sich eine
kleinere Versuchsanlage bis zur Fadenbil-     dustriell zu realisieren.                          Cellulosefaser für den Leichtbau durchsetzen
dung. Neben dieser ganzen Verarbeitung                                                           kann, ist es ist noch etwas zu früh. Aber Wis-
aus Lösung besitzen wir noch eine             Unbestritten hätte eine cellulosische Verstär-     senschaftler wie André Lehmann und Johan-
Schmelzspinnlinie.“ Die Spinnlinien am        kungsfaser für Kompositanwendungen ihren           nes Ganster bleiben am Ball. Die Produktfor-
IAP bilden dabei einen Maßstab ab, der        Reiz. „Die heutigen Celluloseregeneratfasern       schung bei Dow in Bomlitz zeigt, dass die
für die Industrie interessant ist. Denn       für die Gummiverstärkung werden nach dem           schon jetzt sehr zahlreichen Anwendungsop-
wenn hier etwas läuft, ist die Chance groß,   Viskoseprozess gesponnen und haben einen           tionen für Cellulose sich tendenziell noch er-
dass es auch in einer industriellen Anlage    mittelprächtigen Modul von 20 Gigapascal“,         weitern werden. Ein echter „Zauberstoff“
funktioniert.                                 erklärt Ganster. Zur Erklärung: Ein Elastizi-      eben! ¢

                                                                                                           Viskosefasern, wie sie für Textilien
                                                                                                      verwendet werden, sind auch unter der
                                                                                                           Bezeichnung Kunstseide bekannt.
                                                                                                            Foto: Till Budde – Fraunhofer IAP

                                                                                                                                             13
VAA

WAHLEN IN DEN VAA-VORSTAND

Vorstellung der Kandidaten
Auf der VAA-Delegiertentagung am 13. Mai 2017 in Seeheim-Jugenheim wird der Verbandsvorstand neu gewählt. Während
der 1. Vorsitzende des VAA Dr. Thomas Fischer, der VAA-Schatzmeister Dr. Martin Bewersdorf und Dr. Wolfram Uzick
nicht mehr für eine weitere Amtsperiode von drei Jahren zur Verfügung stehen werden, bewerben sich mit Dr. Christoph
Gürtler von der Covestro Deutschland AG, Ruth Kessler von der Bayer AG und Dr. Thomas Sauer von der Evonik
Performance Materials GmbH drei neue VAA-Kandidaten auf der vom amtierenden VAA-Vorstand vorgeschlagenen
Kandidatenliste um einen Sitz im Vorstand. Gemäß VAA-Wahlordnung steht jeder VAA-Landesgruppe das Recht zu, den
Kandidatenvorschlag des Vorstandes bis zum 31. März 2017 durch einen weiteren Kandidaten zu ergänzen.

                                                                            DR. FRÉDÉRIC
     DR. DANIELE                                                            DONIÉ
     BRUNS                                                                  Geburtsdatum:
                                                                            10. Oktober 1962
     Geburtsdatum:
                                                                            Ausbildung:
     4. Juli 1955
                                                                            Diplom-Biochemiker
     Ausbildung:                                                                                                  (zuvor:
                                                                            Tätigkeit: freigestellter Betriebsrat
     Diplom-Chemikerin                                                                                          Abteilungs-
                                                                            diverse Positionen als Gruppen-,
                                        Umwelt
     Tätigkeit: Leiterin Sicherheit und                                                                        ulatory)
                                                                            und Projektleiter in F&E und Reg
                                         stadt
     Arbeitgeber: Merck KGaA in Darm                                                                            GmbH
                                                                            Arbeitgeber: Roche Diagnostics
     Werksgruppe: Merck                                                                                            Penzberg
                                                                            Werksgruppe: Roche Diagnostics
                                          de des
     Mandate: Stellvertretende Vorsitzen                                                                            ratsmitglied
                                                                             Mandate: Betriebsrats- und Aufsichts
                                        KGaA
     Sprecherausschusses der Merck
                                                                             der Roche Diagnostics GmbH
                                                         Foto: VAA

                                                                                                                                   Foto: VAA
      VAA: Im Verband seit 1987,
                                                                             VAA: Im Verband seit 2005, im
      im Verbandsvorstand seit 2014
                                                                             Verbandsvorstand seit 2011

                    DR. CHRISTOPH GÜRTLER
                    Geburtsdatum: 3. Oktober 1967
                    Ausbildung: Diplom-Chemiker
                                                        Verfahren
                    Tätigkeit: Leiter Neue Katalytische
                                                         AG in Leverkusen
                    Arbeitgeber: Covestro Deutschland
                    Werksgruppe: Leverkusen
                                                      schusses der Covestro
                    Mandate: Mitglied des Sprecheraus
                    Deutschland AG
                    VAA: Im Verband seit 1999                                                         Foto: privat

14   VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017
VAA

                                                                    DR. ROLAND
                                                                    LEROUX
RUTH                                                                Geburtsdatum:
                                                                    29. September 1956
KESSLER                                                             Ausbildung:
Geburtsdatum:                                                       Diplom-Chemiker
                                                                                                         heit

                                                                                                                             Foto: Alexander Sell – Schott
19. April 1972                                                      Tätigkeit: Leiter Sicherheit, Gesund
Ausbildung:                                                         und Umwelt
Diplom-Ingenieurin                                                  Arbeitgeber: Schott AG in Mainz
                                urement,
Tätigkeit: Manager Project Proc                                     Werksgruppe: Schott
LifeScience Investment Projects                                     Mandate: Vorsitzender des Schott-
                                                                                                       itzender des
Arbeitgeber: Bayer AG in Leverku
                                 sen                                Gesamtsprecherausschusses, Vors
                                                                                                     AG in Mainz
 Werksgruppe: Leverkusen                                            Sprecherausschusses der Schott
                                               Foto: privat

                                     de des                                                             andsvorstand
 Mandate: Stellvertretende Vorsitzen                                VAA: Im Verband seit 1987, im Verb
                                                                                                      chen
 Sprecherausschusses der Bayer
                                 AG                                 seit 2011, Präsident des Europäis
                                                                                                       FECCIA seit 2012,
 VAA: Im Verband seit 2001                                          Führungskräfteverbandes Chemie
                                                                                                      nigung ULA seit 2014
                                                                    Präsident der Führungskräfteverei

RAINER                                                              DR. THOMAS
NACHTRAB                                                            SAUER
Geburtsdatum:                                                       Geburtsdatum:
26. April 1957                                                      6. Mai 1961
Ausbildung:                                                         Ausbildung:
Diplom-Ingenieur                                                     Diplom-Chemiker
Tätigkeit: Director                                                  Tätigkeit: Vice President Custom
Engineering                                                          Manufacturing Agro
                                hafen                                                               e
Arbeitgeber: BASF SE in Ludwigs                                      Arbeitgeber: Evonik Performanc
                                 n
Werksgruppe: BASF Ludwigshafe                                        Materials GmbH
                               cherausschusses                       Werksgruppe: Industriepark Wol
                                                                                                    fgang
Mandate: Vorsitzender des Spre
                                   F-
der BASF SE, Vorsitzender des BAS                                    Mandate: Vorsitzender des
                                                                                                                     Foto: Stefan Wildhirt

                                  reter
 Konzernsprecherausschusses, Vert                                    Sprecherausschusses des
                                  F Europa                                                             olfgang,
 der leitenden Angestellten im BAS                                    Gemeinschaftsbetriebs Hanau-W
 Betriebsrat                                                          Stellvertretender Vorsitzender des
                                                        Foto: VAA

                                    andsvorstand                      Gesamtsprecherausschusses der
                                                                                                         Evonik
 VAA: Im Verband seit 1984, im Verb
                                    seit 2007
 seit 2004, 2. Vorsitzender des VAA                                   Industries AG
                                                                      VAA: Im Verband seit 2002

                                                                                        VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017    15
VAA

MITGLIEDERENTWICKLUNG

Sieben Jahre Wachstum
Im Jahr 2016 ist die Zahl der VAA-Mitglieder erneut angestiegen. Besonders hervorzuheben ist dabei der stetige Anstieg
weiblicher VAA-Mitglieder sowie das deutliche Plus an jungen Mitgliedern unter 30 Jahren. Beides lässt auf die immer
größer werdende Attraktivität des Verbandes für diese für die Zukunft des Verbandes wichtigen Zielgruppen schließen.

Bereits zum siebten Mal in Folge hat sich                                  MITGLIEDER-                  GESAMT-
                                                  STAND
die Mitgliederzahl im VAA erhöht: Zum                                     ENTWICKLUNG                MITGLIEDERZAHL
Jahresende 2016 gehörten dem Verband
28.956 Mitglieder an – 116 mehr als im          Ende 2016                      +116                          28.956
Vorjahr. In den alten Bundesländern sind
126 Mitglieder hinzugekommen (Anstieg           Ende 2015                      +212                          28.840
von 27.318 auf 27.444), während die Mit-
gliederzahl in den neuen Bundesländern          Ende 2014                      +386                          28.628
von 1.529 auf 1.512 minimal gesunken
                                                Ende 2013                      +278                          28.242
ist.
                                                Ende 2012                      +492                          28.058
Besonders erfreulich ist die Entwicklung
bei den weiblichen VAA-Mitgliedern:             Ende 2011                      +314                          27.566
Der Frauenanteil ist im Jahr 2016 auf
rund 20 Prozent angestiegen. Insgesamt          Ende 2010                      +295                          27.252
zählt der Verband nun 5.740 weibliche
Mitglieder.                                     Ende 2009                       -84                          26.957

Der größte Zuwachs unter den verschie-          Ende 2008                      +344                          27.041
denen Mitgliedergruppen im Verband ist
mit 670 Zugängen bei den unter 30-jäh-          Ende 2007                      +436                          26.697
rigen Mitgliedern zu verzeichnen. Au-
ßerdem sind rund 350 junge Akademiker           Ende 2006                       -136                         26.261
von der studentischen in die ordentliche
Mitgliedschaft übergegangen. Somit be-
läuft sich die Zahl der studentischen Mit-
glieder auf 3.502 (2015: 3.426). Dabei
profitieren 3.009 Studenten von der kos-     IM BERUFSLEBEN STEHENDE MITGLIEDER NACH BERUFSGRUPPEN
tenfreien zusätzlichen Mitgliedschaft in
der Gesellschaft Deutscher Chemiker          Beruf                                              Ende 2016             Ende 2015
(GDCh).
                                             Chemie                                                41,5 %                41,2 %
Trotz der wachsenden Zahl bei den Nach-
wuchskräften ist das Durchschnittsalter      Ingenieurwissenschaften                               21,9 %                22,5 %
der VAA-Mitglieder um 0,2 Jahre leicht
auf 50,9 Jahre gestiegen.                    Andere naturwissenschaftliche Fachrichtungen          20,3 %               19,9 %

Wie im letzten Jahr ist der Anteil der in    Wirtschaftswissenschaften                              4,9 %                 4,7 %
Werksgruppen organisierten Mitglieder
                                             Kaufmännische und technische Angestellte               3,4 %                 3,6 %
konstant bei 69 Prozent geblieben. Der
Anteil der im Berufsleben stehenden
                                             Sonstige Berufe                                         7,9 %               12,2 %
VAA-Mitglieder ist dagegen um einen
Prozentpunkt von 65 auf 66 Prozent ge-       Gesamt                                         19.107 = 100 %      18.840 = 100 %
stiegen. ¢

16   VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017
Das Team der VAA-Juristen besteht aus Pauline Rust, Hinnerk Wolff, Stefan Ladeburg, Gerhard Kronisch, Ilga Möllenbrink, Thomas Spilke,
 Manfred Franke, Dr. Torsten Glinke, Christian Lange und Stephan Gilow (v. l.). Seit Mitte Januar 2017 verstärkt VAA-Juristin Irene Schubert
                                                                (nicht im Bild) des Team des Berliner Büros. Foto: Simone Leuschner – VAA

JURISTISCHER SERVICE

Zahl der Rechtsanfragen
hat sich verdoppelt
Was als Streit beginnt, endet nicht selten vor Gericht. Bei etwa jeder sechsten Rechtssache handelt es sich um eine
arbeitsrechtliche Streitigkeit: Häufig geht es dabei um Kündigungen, nicht zufriedenstellende Arbeitszeugnisse oder um
Diskriminierung am Arbeitsplatz. Nicht verwunderlich, dass auch im vergangenen Jahr viele VAA-Mitglieder von der
kostenlosen Rechtsberatung durch den Juristischen Service des Verbandes Gebrauch gemacht haben. Denn der VAA gewährt
Rechtsschutz weit über den sonst üblichen Rahmen hinaus, prüft Verträge, verhandelt mit Arbeitgebern und führt Prozesse.
Um weiterhin dem steigenden Beratungsvolumen Rechnung zu tragen, hat der Verband 2017 auch das Juristenteam in Berlin
erweitert.

Der Juristische Service gehört zu den          durch können schon im Vorfeld langwie-          auch weit mehr als eine normale Rechts-
zentralen Dienstleistungen des Verban-         rige Prozesse vermieden und erfolgreiche        schutzversicherung.
des und wird von den VAA-Mitgliedern           Resultate erzielt werden, wie beispiels-
rege genutzt. Die spezialisierten Rechts-      weise Abfindungen zu überdurchschnitt-          Im Jahr 2016 hat die Zahl der Rechtsbera-
anwälte und Fachanwälte für Arbeits-           lichen Konditionen. Die effiziente Bera-        tungen erneut zugenommen: Allein die
recht im VAA kennen die Besonderheiten         tung steht den Mitgliedern nicht nur kos-       Zahl der Posteingänge hat sich im Ver-
der Chemie- und Pharmabranche. Da-             tenfrei zur Verfügung, sondern bietet           gleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. u

                                                                                                      VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017           17
VAA

Die Zahl der telefonischen Anfragen stieg sogar um über 50
                                                                Rechtsschutzfälle erledigt durch:
Prozent.
                                                                Obsiegen                            16
Im vergangenen Jahr lag der Fokus nicht nur auf den Verhand-
lungen vor Gericht, sondern auch auf den kleinen arbeits- und   Vergleich                           61
sozialrechtlichen Streitigkeiten, die regelmäßig unterschätzt   Klageabweisung                      6
werden.
                                                                Klagerücknahme                      8
Insgesamt wurden letztes Jahr 320 Beistandsfälle bearbeitet,
                                                                Anderweitige Erledigung             5
von denen 185 erledigt wurden. Beistandsfälle sind die außer-
gerichtlichen Vertretungen, zum Beispiel gegenüber dem Ar-
beitgeber. Die Zahl der gerichtlichen Vertretungen, der soge-
nannten Rechtsschutzfälle, belief sich 2016 auf insgesamt 220   Verfahren anhängig beim:
Fälle – mit 96 erledigten Fällen.
                                                                Arbeitsgericht                      58

Im Vordergrund standen 2016 erneut Fragen zu Arbeitnehmer-      Landesarbeitsgericht                6
erfindungen, Auf hebungsverträgen, Abmahnungen und Kün-
digungen. Zusätzlich zur individuellen Beratung einzelner       Bundesarbeitsgericht                2
VAA-Mitglieder haben die Rechtsexperten des Verbandes die       Sozialgericht                       48
Mitglieder auf zahlreichen Veranstaltungen in den Werks- und
Landesgruppen vor Ort über verschiedene arbeitsrechtliche       Landessozialgericht                 7
Fragestellungen informiert, beispielsweise über rechtliche
                                                                Amtsgericht                         0
Rahmenbedingungen bei Betriebsübergängen. Nicht zuletzt
bei der Prüfung und Beurteilung von Erstanstellungsverträgen    Oberlandesgericht                   0
von Absolventen und Berufsanfängern war die Expertise der
                                                                Verwaltungsgericht                  0
VAA-Juristen einmal mehr gefragt. ¢

                    Irak Nothilfe
 ©UNHCR/S.Baldwin

18                  VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017
VAA

BETRIEBLICHE ALTERSVERSORGUNG

„Kein Geld auf der
Straße liegen lassen!“                                                                                                         Dr. Marc Heider
                                                                                                                                   Foto: BASF

Mit dem sogenannten Betriebsrenten-Stärkungsgesetz will die Bundesregierung die Verbreitung von Betriebsrenten in Deutschland erhö-
hen, unter anderem durch eine Entlastung der Arbeitgeber von dauerhaften Einstands- und Anpassungsverpflichtungen. Dr. Marc Heider
von der Werksgruppe BASF Ludwigshafen ist seit diesem Jahr Vorsitzender der VAA-Kommission Betriebliche Altersversorgung, die re-
gelmäßig die verschiedenen Altersversorgungssysteme der Unternehmen analysiert und vergleicht. Anlässlich der aktuellen Diskussion um
die Betriebsrente nimmt er Stellung zum Stand der Dinge in der chemischen Industrie.

„In der Vergangenheit haben viele Unter-        ist zu befürchten, dass sich dieser Trend          ges. Diese Option wird aber längst nicht
nehmen ihre Altersversorgungssysteme            fortsetzen, ja sogar verstärken wird. Umso         von allen Arbeitnehmern genutzt, welche
von Leistungs- auf Beitragszusagen umge-        wichtiger ist es, mögliche Versorgungsleis-        die Möglichkeit dazu hätten. Sinnbildlich
stellt. Diese Entwicklung ist sehr bedauer-     tungen nicht einfach ungenutzt zu lassen.          gesprochen lassen diese Leute bares Geld
lich, weil sie eine wesentliche Ursache für     Etliche Unternehmen bieten inzwischen              auf der Straße liegen, denn die Rendite pro
den immer weiter sinkenden Bruttoversor-        Matching-Modelle an, bei denen der Ar-             Euro ist in solchen Systemen oft wesentlich
gungsgrad der Chemie-Führungskräfte im          beitgeber freiwillige Einzahlungen des Ar-         höher als bei vergleichbaren Anlageformen.
Ruhestand darstellt. Wegen der weitgehen-       beitnehmers in das betriebliche Altersver-         Gerade junge Leute sollten sich deshalb in-
den Entpflichtung der Arbeitgeber im Rah-       sorgungssystem aufstockt, häufig mit 50            tensiv mit dem Thema auseinandersetzen
men des Betriebsrenten-Stärkungsgesetzes        Prozent oder mehr des eingezahlten Betra-          und ihre Möglichkeiten genau prüfen.“ ¢

INTERVIEW MIT DR. THOMAS FISCHER

Mitgliedsbeitrag angepasst,
Service weiter ausgebaut
Nach acht Jahren Beitragsstabilität ist der VAA-Mitgliedsbeitrag im Januar 2017 angehoben worden – von 16 auf 20 Euro monatlich
für im Berufsleben stehende Vollmitglieder. Dies hat die VAA-Delegiertentagung – das oberste Verbandsorgan – im April 2016
beschlossen. Warum war die Erhöhung des Mitgliedsbeitrags überhaupt notwendig? Im Interview mit dem VAA Magazin steht der
1. Vorsitzende des VAA Dr. Thomas Fischer Rede und Antwort. Fischer erläutert auch, was sich für Mitglieder im Ruhestand und in
den neuen Bundesländern ändert. Des Weiteren äußert sich der VAA-Vorsitzende zum Zeithorizont der künftigen
Beitragsentwicklung.

VAA Magazin: Das letzte Mal wurden die Bei-     Verband konsequent und nachhaltig weiter-          Beispielsweise gehen wir bei der Unterstüt-
träge im Januar 2009 erhöht. Hätte man nicht    zuentwickeln. Wir hatten jetzt übrigens zwi-       zung unserer Mandatsträger in die Vollen. Im
noch ein paar Jahre ohne Erhöhung durchhal-     schen 2009 und 2017 eine ungewöhnlich lan-         Fokus steht dabei die Stärkung der
ten können?                                     ge Periode der Beitragsstabilität – bei den bei-   betriebspolitischen Interessenvertretung für
                                                den vorangegangenen Beitragserhöhungen             AT-Angestellte. Dies erfordert aber eine In-
Fischer: Um es einmal klar zu sagen: Durch-     waren es fünf beziehungsweise sechs Jahre.         tensivierung unserer betrieblichen Aktivitä-
halten auf Teufel komm raus ist der völlig      Aber darum geht es gar nicht. Worum es geht,       ten, also mehr Präsenz der hauptamtlichen
falsche Ansatz. Der richtige lautet, eine ge-   ist die Verbesserung der Dienstleistungen für      VAA-Mitarbeiter und mehr Beratung in den
sunde Finanzplanung zu haben, um unseren        die VAA-Mitglieder.                                Werksgruppen vor Ort. Aus diesem u

                                                                                                          VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017          19
VAA

                                                                                                    eben keinen klaren Return on Investment. Uns
                                                                                                    kommt es hier vielmehr auf eine bessere Ver-
                                                                                                    ankerung und Vernetzung in der Branche an.
                                                                                                    Und dies nützt dem VAA weit mehr, als es
                                                                                                    kostet.

                                                                                                    VAA Magazin: In Ordnung. Hat der Verband
                                                                                                    denn seine Ausgaben im Griff?

                                                                                                    Fischer: Absolut. Zwar lagen unsere Ausga-
                                                                                                    ben im letzten Jahr um circa ein Fünftel höher
Seit 2000 ist Dr. Thomas Fischer, hier zu sehen auf der VAA-Delegiertentagung 2016 in Fulda,
                                                                                                    als noch die Ausgaben im Jahr der letzten
im Vorstand des VAA – seit 2002 als 1. VAA-Vorsitzender. Foto: Simone Leuschner – VAA
                                                                                                    Beitragsanpassung 2009, aber unsere Haus-
                                                                                                    haltspolitik war über all die Jahre grundsolide
Grund hat der VAA das Team des Juristischen        unsere wichtigsten Umfragen wie die Ein-         und verlief stets nach Plan. Neben den bereits
Service Ende 2015 und nochmals im Januar           kommensumfrage, die Chancengleichheits-          ausführlich genannten Ursachen für die Kos-
dieses Jahres erweitert. Wir erhöhen damit         umfrage oder die Befindlichkeitsumfrage          tensteigerungen dürfen wir auch nicht die
unsere Durchschlagskraft. Es handelt sich da-      überarbeitet und erweitert. Gerade die Be-       Geldentwertung von über die Jahre knapp
bei um verbandspolitisch notwendige Kosten.        findlichkeitsumfrage gilt mittlerweile in den    über neun Prozent vergessen. Aufgrund der
                                                   Personalabteilungen der Chemie- und              andauernden Niedrigzinsphase können wir
VAA Magazin: Ist dies der entscheidende            Pharmaunternehmen als das wichtigste Stim-       zudem nicht auf Gewinnsprünge aus der Ent-
Kostenfaktor, der bei den Ursachen für die         mungsbarometer für Führungskräfte. Auf Ba-       wicklung unseres satzungsgemäß konservativ
Beitragserhöhung zu Buche schlägt?                 sis der Befindlichkeitsumfrage wird ja auch      angelegten Vermögens bauen. Aber dies ist
                                                   der Deutsche Chemie-Preis Köln verliehen,        überhaupt kein Grund zum Klagen: Der VAA
Fischer: Nein, es ist nur einer von vielen Kos-    mit dem wir seit 2008 Unternehmen für ihre       ist finanziell kerngesund und wohlauf. Die
tenfaktoren, die sich in den letzten acht Jahren   vorbildliche Personalarbeit auszeichnen. Die-    Beitragserhöhung sorgt dafür, dass dies auch
ergeben oder verstärkt haben. So ist die Zahl      ser Preis genießt in unserer Branche einen       in Zukunft so bleibt.
unserer Mitglieder von gut 27.000 im Jahr          sehr guten Ruf.
unserer letzten Beitragserhöhung 2009 auf                                                           VAA Magazin: Wie sieht die neue Beitrags-
nunmehr gut 29.000 gestiegen. Der Bera-            Zum anderen haben wir 2014 unseren Online-       struktur konkret aus?
tungsbedarf unserer Mitglieder in arbeits- und     auftritt neu gelauncht und um die eigens ent-
sozialrechtlichen Fragen ist sogar enorm ge-       wickelte Mitgliederplattform „MeinVAA“ er-       Fischer: Für im Berufsleben stehende VAA-
stiegen: Wir haben 2016 viermal so viele Be-       gänzt. Darüber hinaus engagieren wir uns mit     Mitglieder beträgt der Mitgliedsbeitrag nun
ratungsanfragen erhalten wie 2009! Um ein          der 2012 gegründeten VAA Stiftung bei der        20 Euro monatlich. Für Berufsanfänger in den
konkretes Beispiel zu nennen: Bei der Frei-        Förderung des naturwissenschaftlich-techni-      ersten beiden Jahren und für VAA-Mitglieder
stellung von Apothekern und Ärzten führt die       schen Nachwuchses und vergeben jährlich          im Ruhestand liegt der Beitrag mit zehn Euro
geänderte Praxis der Gesetzlichen Rentenver-       den VAA-Stiftungspreis an vielversprechen-       pro Monat bei der Hälfte. In den neuen Bun-
sicherung zu vielen zusätzlichen Anfragen          de Forschertalente.                              desländern ist der Beitrag mit monatlich 18
und Rechtsschutzfällen. Auch die aktuell wie-                                                       Euro für im Berufsleben stehende Mitglieder
der auf der Tagesordnung stehende Reform           VAA Magazin: Da ist in der Tat viel passiert     und fünf Euro für Mitglieder im Ruhestand
der Betriebsrente wird noch sehr viele Rechts-     in den letzten acht Jahren. Und die Preisver-    nach wie vor leicht reduziert. Für außeror-
fragen aufwerfen.                                  leihungen sind sicherlich auch gut fürs          dentliche Mitglieder gilt dagegen ein einheit-
                                                   Image. Aber strapazieren sie nicht die Kasse     licher Beitragssatz von zehn Euro pro Monat.
Des Weiteren haben wir bei den Betriebsrats-       etwas über Gebühr?                               Und selbstverständlich ist und bleibt die Mit-
wahlen 2010 und 2014 zwei sehr erfolgreiche                                                         gliedschaft im VAA für Studenten weiterhin
Kampagnen durchgeführt und die Anzahl der          Fischer: Es handelt sich hier nicht um           kostenlos.
VAA-Betriebsratsmandate jeweils steigern           irgendwelche halbseidenen Schönwetterprei-
können. Hier wollen wir natürlich auch mit         se. Im Gegenteil: Der Chemie-Preis etwa          VAA Magazin: Wird der Mitgliedsbeitrag auch
unserer bald anlaufenden Kampagne zu den           wird nicht nach Gutdünken vergeben, son-         in den nächsten Jahren stabil bleiben?
Betriebsratswahlen 2018 ansetzen. Die Vor-         dern auf Grundlage der ehrlichen Bewertun-
bereitungen hierzu laufen bereits auf Hoch-        gen durch die VAA-Mitglieder selbst. Und         Fischer: Ja. Mit der 2017 vollzogenen Beitrags-
touren.                                            mit dem Stiftungspreis bringen wir uns aktiv     anpassung wird der VAA seine bisherige vor-
                                                   in den Dialog der Industrie mit der Wissen-      ausschauende Beitragspolitik fortsetzen. Diese
Außerdem haben wir unser Informationsan-           schaft ein. Klar: Ein besseres Image schadet     jüngste Erhöhung ist so dimensioniert, dass sie
gebot und unsere Presse- und Öffentlichkeits-      nie, aber der Gewinn durch Imagemaßnahmen        wiederum für einen Zeitraum von mehreren
arbeit weiter ausgebaut. Zum einen haben wir       lässt sich nur schlecht beziffern – da gibt es   Jahren Beitragsstabilität garantiert. ¢

20   VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017
Branche

INTERVIEW MIT JENS SPAHN

Europa braucht
konkreten Mehrwert
Ob der sich abzeichnende harte Brexit, die Trump-Präsidentschaft in den USA oder ein möglicher Wahlsieg von Marine
Le Pen in Frankreich: Der Nationalismus gewinnt weltweit hinzu. Auch in Europa, nicht zuletzt wegen der nicht gelösten
Flüchtlingskrise. Die EU scheint in der Defensive zu sein. Eine solch volatile und schwer berechenbare politische
Atmosphäre sorgt auch für die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland nicht gerade für die besten
Rahmenbedingungen. Deswegen startet das VAA Magazin im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 eine Interviewserie mit
Politikern aus verschiedenen im Bundestag vertretenen Parteien zu aktuellen politischen Fragen sowie zu den
Herausforderungen für die Wirtschaft und insbesondere die Chemie. Den Auftakt macht Jens Spahn (MdB CDU),
Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen.

VAA Magazin: Untergangspropheten von
links und rechts beschwören den Unter-
gang Europas. Glauben die Europäer nicht
mehr den Zukunftsversprechen und der
Lösungskompetenz der EU?

Spahn: Wir haben viele Themen zu lange
ignoriert. Dazu gehört auch die Debatte
um Flüchtlinge und Integration. Nicht nur
in Deutschland, sondern auch in Frank-
reich, Schweden oder den Niederlanden
nehmen das die Menschen so wahr. Wir
brauchen klare Zuständigkeiten, Europa
muss einen konkreten Mehrwert bieten.
Etwa beim Schutz der Außengrenze, beim
Kampf gegen den Terror oder einem funk-
tionierenden Binnenmarkt. Und dann gibt
es ganz viele Themen, aus denen die EU
sich raushalten sollte. Kein Mensch ver-
steht, warum Europa Radwege im Müns-
terland mitfinanzieren muss.

VAA Magazin: Beim Thema Flüchtlings-
politik hat die Bundeskanzlerin schon vor
Monaten eine Kehrtwende eingeleitet.
Der Schutz der europäischen Außengren-
zen und die Steuerung der Zuwanderung
stehen immer mehr im Vordergrund. Die
öffentliche Diskussion scheint davon un-
berührt zu sein. Warum? Tut die CDU zu
wenig gegen Rechtspopulismus?

Spahn: In der Debatte geht leider vieles
durcheinander. Es gibt klare Grenzen,
Angriffe auf die Würde jedes einzelnen
Menschen, das Schüren von Ressenti-
ments können wir nicht akzeptieren. u                                                                      Foto: Jörg Klaus

                                                                                                                         21
Branche

Aber viele Bürger haben berechtigte Fra- VAA Magazin: Welche gesellschaftliche                       VAA Magazin: Die chemische Industrie ist
gen, etwa bei der inneren Sicherheit. Wir Verantwortung trägt die Wirtschaft für                     eine der Stützen der deutschen Wirt-
Deutschen sind Weltmeister im Knöll- die Akzeptanz der Globalisierung und des                        schaft. Sie ist die drittgrößte Branche in
chenschreiben und haben gleichzeitig seit freien Handels? Am Beispiel des Wider-                     Deutschland. Es gibt nicht eine Schlüssel-
Jahren steigende Einbruchszahlen und stands gegen TTIP kann man erkennen,                            frage der Menschheit von der Energiever-
können einen polizeilich bekannten At- wie skeptisch große Teile der Bevölke-                        sorgung bis zum Klimawandel, die ohne
tentäter nicht auf halten. Diese Fragen rung sind.                                                   Chemie gelöst werden könnte. Dennoch
müssen wir beantworten. Oder nehmen                                                                  ist ihr Image in der Öffentlichkeit trotz
Sie ein Beispiel des rot-rot-grünen Berli- Spahn: Selbstverständlich trägt die Wirt-                 aller Bemühungen der letzten Jahre eher
ner Senates: Viele Schultoiletten in Berlin schaft eine große gesellschaftliche Ver-                 schlecht. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
sind so sanierungsbedürftig,
dass sie Kinder nicht mehr be-                                                                               Spahn: Da hilft nur Auf klärung
nutzen können oder wollen und                „Die knapp eine halbe Million Beschäftigten in der              und sich proaktiv der öffentlichen
gleichzeitig wird über ge-                chem
                                          chemischen Industrie sind sicher auch an einem positiven           Debatte stellen. Die knapp eine
                                           Ima ihres Arbeitgebers interessiert. Wir dürfen eben
                                           Image
schlechtsneutrale Toiletten dis-                                                                             halbe Million Beschäftigten in der
                                                   nicht denen das Feld überlassen, die
kutiert. Das ist gaga und welt-                          immer nur dagegen sind.“
                                                                                                             chemischen Industrie sind sicher
fremd.                                                                                                       auch an einem positiven Image ih-
                                                                                              ges,
                                             Jens Spahn (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages,           res Arbeitgebers interessiert. Wir
VAA Magazin: Des Öfteren ha-                                                                    n
                                                zur Bedeutung von Aufklärung und einer proaktiven            dürfen eben nicht denen das Feld
ben Sie darauf verwiesen, dass                            Debatte in der Öffentlichkeit.                     überlassen, die immer nur dagegen
es Deutschland und den Deut-                                                                                 sind.
schen so gut wie noch nie
gehe. Gleichzeitig geht das Vertrauen in          antwortung. Wir alle müssen definieren,            Das Thema Fracking ist ein gutes Bei-
die demokratischen Institutionen zurück.          wie die Globalisierung aussehen soll,              spiel. Warum sollten wir das nicht tun,
Was wollen Sie dagegen tun?                       sonst bestimmen Abschottung und Pro-               wenn wir ausschließen können, dass
                                                  tektionismus die Zukunft. Für das Export-          Mensch und Umwelt nicht zu Schaden
Spahn: Viele Menschen haben den Ein-              land Deutschland wäre das fatal, insbe-            kommen? Das muss gewährleistet sein,
druck, sie wären nicht mehr Teil des de-          sondere für die vielen kleinen und mittel-         dann ändert sich auch das Image der Bran-
mokratischen Systems. Sie vermissen den           ständischen Unternehmen. Ich würde mir             che. Und wahrscheinlich wissen viele de-
Respekt für ihre Meinungen. Wer sagt, er          manchmal wünschen, dass Chefs in                   rer, die dagegen sind oder irgendwelchen
fühle sich in manchen Straßenzügen                Deutschland ihren Mitarbeitern sehr kon-           Theorien anhängen, gar nicht, wie oft sie
fremd im eigenen Land, wird gleich in die         kret darlegen, welche Arbeitsplätze es in          in ihrem Alltag Produkte der Chemiein-
rechte Ecke gestellt. Diese Angst, etwas          ihrer Firma eben nicht mehr gäbe, könnte           dustrie nutzen.
Falsches zu sagen, verunsichert viele. Wir        ihre Firma nicht mehr exportieren. Darü-
müssen einfach damit auf hören, Men-              ber hinaus müssen sich die führenden               VAA Magazin: Eine persönliche Frage zum
schen, die nicht so geschliffen reden wie         Köpfe unserer großen Konzerne ange-                Schluss: Die britische Zeitung The Guar-
wir Politiker, in Schubladen zu stecken.          sichts von Gehaltsexessen und Ab-                  dian spricht von Ihnen als dem Mann, der
Demokratie ist Diskussion. Je mehr sich           gasskandalen schon fragen lassen, wie sie          Merkel als Kanzler ersetzen könnte. Wann
daran beteiligen, desto besser.                   ihre Verantwortung wahrnehmen.                     wäre es denn soweit?

                                                                                                     Spahn: Frei nach Obelix: Die spinnen, die
                                                                                                     Briten. ¢

                                                                           Seit 2002 ist Jens Spahn Mitglied des Deutschen Bundestages. Der
                                                                           studierte Politikwissenschaftler gehört zu den profiliertesten Politikern
                                                                           der CDU und hat sich über viele Jahre einen hervorragenden Ruf
                                                                           erarbeitet, unter anderem als Gesundheitsexperte. Seit 2015 ist
                                                                           Spahn Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der
                                                                           Finanzen. Foto: PR-Team Spahn

22   VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017
Branche

Personalia aus der Chemie
      Mit freundlicher Unterstützung von

                                                                       Stada: Dr. Barthold Piening
                                                                       wird neuer Vorstand
                                                                       Der Aufsichtsrat der Stada Arzneimittel AG hat Dr. Barthold Pi-
Nordostchemie:                                                         ening mit Wirkung zum 1. Juli 2017 zum ordentlichen Mitglied
                                                                       des Vorstandes berufen. Er wird im Führungsgremium die Ver-
Schmidt-Kesseler wird                                                  antwortung für die Bereiche Produktion, Forschung und Entwick-

Hauptgeschäftsführerin                                                 lung, Biotechnologie sowie Qualitätssicherung und -kontrolle
                                                                       übernehmen. Diese Ressorts werden derzeit kommissarisch vom
Zum 1. April 2017 übernimmt                                            Vorstandsvorsitzenden Dr. Matthias Wiedenfels sowie vom Vor-
Nora Schmidt-Kesseler die                                              stand Finanzen, Marketing und Vertrieb Helmut Kraft verantwor-
Hauptgeschäftsführung der                                              tet. Piening verfügt über langjährige Erfahrung in diversen Füh-
Nordostchemie-Verbände. Sie                                            rungspositionen in der Pharmabranche. Er kommt vom Schwei-
führt damit in Personalunion                                           zer Spezialisten für pharmazeutische Dosierungstechnologien
den Arbeitgeberverband Nord-                                           Acino. Dort hatte er zuletzt im Executive Committee die Aufga-
ostchemie, den Landesverband                                           ben des Chief Operations Officer inne.
Nordost des Verbandes der
Chemischen Industrie und den
Allgemeinen Arbeitgeberver-
band Nordostchemie. Die ge-
                                                                       Symrise: Vorstandsvertrag mit
bürtige Saarländerin ist Rechts-                                       Bertram verlängert
anwältin und Diplom-Finanz-
                                         Foto: Arbeitgeberverband
wirtin und seit 1. Dezember                                            Der Aufsichtsrat der Symrise hat den Vertrag des Vorstands-
                                                    Nordostchemie
2003 Hauptgeschäftsführerin                                            vorsitzenden Dr. Heinz-Jürgen Bertram erneut vorzeitig um
der Bundessteuerberaterkammer. Zuvor leitete sie dort als Ge-          weitere fünf Jahre bis 2022 verlängert. Bertram (58) hatte seit
schäftsführerin die Abteilung Steuerrecht und Rechnungslegung.         1985 verschiedene Managementfunktionen im Bayer-Konzern,
Vor ihrem Wechsel zur Bundessteuerberaterkammer im Jahr 2002           in der Haarmann & Reimer Gruppe und bei Symrise inne. Der
arbeitete sie in der Steuer- und Haushaltspolitik für den Bundes-      promovierte Chemiker bekleidete seit 2003 verschiedene Füh-
verband der Deutschen Industrie und zwölf Jahre lang in der Saar-      rungspositionen bei Symrise und wurde im Jahr 2006 in den
ländischen Finanzverwaltung. Nora Schmidt-Kesseler folgt auf           Vorstand berufen. Seit August 2009 leitet er die Geschäfte des
Dr. Paul Kriegelsteiner, der im Jahr 2016 verstorben war.              Unternehmens als Vorstandsvorsitzender.

                                                                       Merck: Rochade bei
BASF: Dubourg und Kamieth                                              Führungspositionen
ab Mai im Vorstand
                                                                       Merck hat die bereichsübergreifende Neubesetzung mehrerer Füh-
Der Aufsichtsrat der BASF SE hat Saori Dubourg (45) und                rungspositionen bekanntgegeben. Sie betrifft Geschäfte und Kon-
Dr. Markus Kamieth (46) mit Wirkung zum Ende der Hauptver-             zernfunktionen gleichermaßen. Michael Heckmeier (49), derzeit
sammlung am 12. Mai 2017 zu Mitgliedern des Vorstands bestellt.        Leiter des Pigmentgeschäfts, wird ab 1. April 2017 die Geschäfts-
Dubourg leitet seit 2013 den Unternehmensbereich Nutrition &           einheit Display Materials innerhalb des Unternehmensbereichs
Health. Kamieth ist seit 2012 für den Unternehmensbereich Coa-         Performance Materials leiten. Friedhelm Felten (51), der bisher
tings verantwortlich. Arbeitsdirektorin und Vorstandsmitglied Mar-     die Konzernfunktion Procurement und damit den Einkauf des
gret Suckale (60) tritt mit Ablauf ihres Vertrags nach der Hauptver-   Konzerns verantwortet, wird Heckmeier zum 1. April als Leiter
sammlung am 12. Mai 2017 in den Ruhestand. Zum gleichen Zeit-          der Geschäftseinheit Pigments & Functional Materials nachfol-
punkt scheidet Dr. Harald Schwager (56) im Rahmen einer lang-          gen. Feltens Nachfolge als Chief Procurement Officer tritt mit Jo-
fristigen Nachfolgeplanung des Vorstands aus. Schwager ist seit 28     achim Christ (52), derzeit Leiter Group Controlling & Risk Ma-
Jahren bei der BASF und seit 2008 Mitglied des Vorstands.              nagement, ebenfalls ein interner Kandidat an.

                                                                                                     VAA MAGAZIN FEBRUAR 2017         23
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