Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes - September 2018 Jahrgang 70 www.tjv.at - Tiroler Jägerverband

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Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes - September 2018 Jahrgang 70 www.tjv.at - Tiroler Jägerverband
Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes
September 2018 • Jahrgang 70    www.tjv.at
Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes - September 2018 Jahrgang 70 www.tjv.at - Tiroler Jägerverband
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Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes - September 2018 Jahrgang 70 www.tjv.at - Tiroler Jägerverband
ZUM GELEIT

Wenn sogenannte
„NGOs“ immer
professioneller werden!
D    er Begriff NGO ist eine gängige Abkürzung für Non-Governmental Organiza-
     tion. Auf Deutsch: eine „Nichtregierungsorganisation“. Früher nannte man diese
NGOs schlicht Vereine, Verbünde, Verbände oder Initiativen. Auch der Tiroler Jäger-
verband ist eine NGO, die auf dem Tiroler Jagdgesetz basiert. In Wirklichkeit verbirgt
sich hinter der grauenhaften Abkürzung aber ein in den letzten Jahren explosionsar-
tig gewachsenes Geschäftsmodell. Es gibt NGOs für – oder sollte man sagen „gegen“
– alles. Besonders wenn es um Natur- und Umweltschutz und Globalisierung geht,
gibt es NGOs zuhauf! Meist mit nicht zu knappem Management und professionellen
Mitarbeitern, die vorgeben, die Interessen und Ziele ihrer zahlenden Mitglieder zu
vertreten, ausgestattet, wird agitiert, polemisiert und vornehmlich Fundraising (das
Werben um neue Mitgliedsbeiträge) betrieben. Oft unter dem Anschein, Gutes tun
und Schlechtes verhindern zu wollen.
Nun möchte ich beileibe nicht alle diese Vereine und Initiativen kritisieren – viele
sind tatsächlich angetreten, um die Welt ein Stück besser zu machen. Was allerdings
die „Rückkehr“ von Großraubtieren in unseren engen alpinen Lebensraum angeht,
wird hier professionelle Verantwortungslosigkeit zum Tagesgeschäft einiger dieser
„Organisationen“. Mit großen Budgets machen WWF und Co. in zumeist urbanen
Gefilden Stimmung für Wolf und Bär und streuen den Menschen dort Sand in die
städtisch-unwissenden Augen! Von Herdenschutz wird großspurig geredet und ge-
flissentlich auf die Faktenlage vergessen – Herdenschutz in dicht besiedelten und
touristisch genutzten Regionen ist schlicht nicht umsetzbar. Genauso wie Einzäu-
nungen im alpinen Gelände nur auf dem grünen Tisch funktionieren. Die Gefahr
für Mensch und Haustier wird in fahrlässiger Weise heruntergespielt und alle, die
sich gegen eine unkontrollierte Rückholung dieser durchaus gefährlichen Raubtiere
aussprechen, werden pauschal verunglimpft. Dass der Jägerschaft unterstellt wird, nur
am Abschuss dieser Tiere interessiert zu sein, ist schließlich ein weiteres Puzzleteil
der wohlorganisierten Propaganda! Dazu sei klargestellt: Wir JägerInnen sind weder
daran interessiert, Bär und Wolf zu bejagen, noch im Ernstfall als problemlösende
Sündenböcke herhalten zu müssen! Wir aber sorgen uns mit unseren Partnern vor
Ort, den Menschen in den Hochtälern und in der Peripherie sowie der heimischen
Landwirtschaft um eine funktionierende Kulturlandschaft – die nicht ohne Grund
von unseren Vorfahren ohne Bär und ohne Wolf kreiert wurde! Das sollten alle, die
aus purem Eigeninteresse oder mit pseudo-wissenschaftlicher Expertise ausgestattet
eine schrankenlose Rückholung befürworten, bedenken.                                ❙

                      Weidmannsheil!
                      Anton Larcher
                      Landesjägermeister von Tirol

Foto: Kirchmair (1)                                                                      JAGD
                                                                                            JAGD
                                                                                              IN TIROL
                                                                                                  IN TIROL
                                                                                                        07-08
                                                                                                           09 | 2018   3
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18 Bartgeier: Der Blick nach oben!

                                                                        30 Pirschen und Tarnen: Die vier Verräter im Revier

                                Gamswild – Ansprechen 10

    3 ZUM GELEIT                              22 Serie Wildtierkrankheiten:                 40 Produkttest: Trittsicher und vielseitig –
                                                 Fliegenmadenbefall (Myiasis)                  Dachstein Mont Blanc GTX
    6 FOTO DES MONATS                         24 Räude: Der Anteil stiller Milbenträger     42 Gamswild: Herbstzählung Gamswild –
                                                                                               Endspurt 1. landesweites Monitoring
                                                                                            44 Hirschrufen: Die hohe Kunst des
    ■ FORSCHUNG & PRAXIS
                                                                                               Hirschrufens
    08 Bär im Dreiländereck Tirol-Südtirol-   ■ WALD & LEBENSRAUM                          50 Jägerwissen auf dem Prüfstand:
       Graubünden unterwegs                                                                    Testen Sie Ihr Wissen
                                              27 Pflanzenserie: Blauer Eisenhut
    08 VwGH: Abschuss von Graureihern unter
                                                 (Aconitum napellus L.)
       bestimmten Voraussetzungen zulässig
    09 DSGVO: Neue Regelung zu Wildkameras                                                  ■ JAGD & GESCHICHTE
    09 Reviere: Perückenbock
                                                                                            52 Kunst: Die Karrenbüchse
    09 Reviere: Weißes Gamskitz               ■ JÄGER & REVIER
    09 Reviere: Blinder Rehbock
                                              30 „Die vier Verräter im Revier“:             ■ INFO & SERVICE
                                                 Teil 1 – Der menschliche Geruch
    ■ WILD & ÖKOLOGIE                        36 Reportage: Voller Durchblick in der        54   Mitteilungen der Geschäftsstelle
                                                 Tiermedizin                                56   Jubilare im September 2018
    10 Gamswild – Ansprechen                  38 Reportage: Unter den Zahn gefühlt:         58   TJV-Akademie
    18 Bartgeier: Der Blick nach oben!           Das Geheimnis des Stoffwechsels            63   Aus den Bezirken

4   JAGD IN TIROL 09 | 2018                                                                                Fotos: Prem (1), Mark Caunt/shutterstock (1), Heinz (1)
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INHALT
                                                                                                                                              WILD| IMPRESSUM
                                                                                                                                                    & ÖKOLOGIE

                                                                                                                     77 Jagdhunde

42 Gamswild: Herbstzählung Gamswild – Endspurt 1. landesweites Monitoring

44 Hirschrufen: Die hohe Kunst des Hirschrufens

                                                                                                                            IMPRESSUM
                                                                                                                            Herausgeber Medieninhaber (Verleger):
                                                                                                                            Tiroler Jägerverband,
                                                                                                                            Meinhardstraße 9, 6020 Innsbruck,
                                                                                                                            Tel.: 0512-57 10 93, 0800-244 177
                                                                                                                            Fax: 0512-57 10 93-15, E-Mail: info@tjv.at
                                                                                                                            Schriftleitung: Mag. Martin Schwärzler (TJV)
    69     Veranstaltungen                                                                                                  Layout: Evelyn Schreder (Bezirksblätter)
    72     Jagdkultur
                                                                                                                            Hersteller und Anzeigenverwaltung:
    72     Vereine
                                                                                                                            Bezirksblätter Tirol GmbH, Eduard-Bodem-Gasse 6,
    73     Jäger in der Schule
                                                                                                                            6020 Innsbruck, Tel.: 0512-320 4111,
    74     Autotest: VW T-Roc                                            Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes             Fax: 0512-320 720, E-Mail: jagd@jagdintirol.com
    76     Kulinarium: Gams-Piccata an                                   September 2018 • Jahrgang 70   www.tjv.at

           Fenchel-Tomaten-Gemüse                                                                                           Redaktion:
                                                                                                                            TJV (Martin Schwärzler, Martina Just,
                                                                                                                            Christine Lettl, Miriam Traube, Anja Waldburger),
    ■ JAGDHUNDE                                                                                                            Bezirksblätter Tirol
                                                                                                                            Produktion, Bildbearbeitung: Evelyn Schreder
    77 Bezirkshundetag der
       Nachsuchestation Kitzbühel                                                                                           „Jagd in Tirol” wird an alle Mitglieder des Tiroler Jägerver-
                                                                                                                            bandes kostenfrei abgegeben. Sie ist eine Fachzeitschrift,
    78 Vereine
                                                                                                                            welche die behördlichen Kundmachungen und Verlaut-
                                                                                                                            barungen zu veröffentlichen hat und zusätzlich über grund-
                                                                                                                            sätzliche Fragen und aktuelle Ereignisse auf dem Gebiet
    ■ HUMORVOLLES                                                                                                          des Jagdwesens, des Naturschutzes usw. informiert. „Jagd
                                                                                                                            in Tirol” erscheint am Monatsanfang. Redaktionsschluss ist
    80 Klavinius                                                                                                            der 10. des Vormonats. Für unverlangte Manuskripte und
                                                                                                                            Bilder wird keine Verantwortung übernommen. Namentlich
                                                           Das Titelbild dieser Ausgabe stammt                              oder mit Kürzel gezeichnete Beiträge geben nicht unbe-
    81 JAGDMARKT-ANZEIGEN                                  von Ernst Zauser.                                                dingt die Meinung von Redaktion und Herausgeber wieder.

    Fotos: Kirchmair (2), Capture Light/shutterstock (1)                                                                                                  JAGD
                                                                                                                                                             JAGD
                                                                                                                                                               IN TIROL
                                                                                                                                                                   IN TIROL
                                                                                                                                                                         07-08
                                                                                                                                                                            09 | 2018       5
Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes - September 2018 Jahrgang 70 www.tjv.at - Tiroler Jägerverband
Ein bunter Vogel
              Der Stieglitz sucht gerne erhöhte Singwarten
              auf, von denen aus er seinen hastig wirkenden
              Gesang vorträgt. Unter den heimischen Sing-
              vögeln ist er der bunteste und mit seiner gelb-
              en Flügelbinde auch im Flug gut zu erkennen.

              Das Foto des Monats wurde von Otto
              Wechner aus Berwang aufgenommen.

6   JAGD IN TIROL 09 | 2018
Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes - September 2018 Jahrgang 70 www.tjv.at - Tiroler Jägerverband
SEPTEMBER 2018              FOTO
                             WILDDES
                                  & ÖKOLOGIE
                                     MONATS

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          Fotografiebegeisterte Leser
          der „JAGD IN TIROL“ sind
          eingeladen, ihr „Foto des
          Monats“ an die Redaktion
          (foto@tjv.at) zu senden.

          Die Aufnahme sollte ein inte-
          ressantes Motiv aus Natur,
          Wald und Wild, Jagd, Forst
          oder Revierbetreuung abbilden.
          Eine kurze Erläuterung zur
          Person des Fotografen, dem
          Aufnahmeort und den näheren
          Umständen der Aufnahme
          wären wünschenswert.

          Als Gewinn winken die Veröffent-
          lichung als „Foto des Monats“ samt
          Erwähnung des Fotografen in der
          JAGD IN TIROL, die Aufnahme in
          die TJV-Bildergalerie sowie ein

          Victorinox HUNTER
          Taschenmesser mit TJV-Logo.

          Einsendeschluss:
          07. des Vormonats an foto@tjv.at
          Die Bilder sollten eine
          Dateigröße von ca. 5 MB haben.
          Die Teilnahme erfolgt durch Übersendung
          eines oder mehrerer Fotos ausschließlich
          per E-Mail. Die Teilnahme ist kostenlos. Die
          Teilnehmer gewährleisten, dass sie an den
          übermittelten Fotos sämtliche Rechte un-
          eingeschränkt besitzen und keine Rechte
          Dritter berühren. Insbesondere bei der Dar-
          stellung von Personen versichern die Teil-
          nehmer, dass keine Persönlichkeitsrechte
          verletzt werden und die abgebildeten
          Personen mit einer Veröffentlichung ihres
          Bildes einverstanden sind. Die Teilnehmer
          räumen dem TJV mit der Einsendung und
          Teilnahme uneingeschränkt das Recht ein,
          übermittelte Fotos unentgeltlich und in
          sämtlichen Medien zu nutzen und zu ver-
          öffentlichen.

                                        JAGD IN TIROL 09 | 2018   7
Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes - September 2018 Jahrgang 70 www.tjv.at - Tiroler Jägerverband
FORSCHUNG & PRAXIS                   AKTUELLES

    Bär im Dreiländereck Tirol-
    Südtirol-Graubünden unterwegs
    S   eit nun drei Monaten kann im Grenz-
        gebiet      Tirol-Südtirol-Graubünden
    immer wieder die Anwesenheit von Mei-
                                                                                                             und Schäden an Bienenhäusern allesamt
                                                                                                             aus dem benachbarten Graubünden. Zu-
                                                                                                             letzt hat der Bär am 11. August drei Bie-
    ster Petz bestätigt werden. Erstmals auf-                                                                nenstöcke im Puschlav geplündert. Ob es
    getaucht ist der Bär Ende Mai in der Un-                                                                 sich bei den verschiedenen Nachweisen
    terengadiner Gemeinde Tschlin. Etwas                                                                     um ein und denselben Bären handelt, ist
    später konnten auch die italienischen Be-                                                                nicht bekannt, denn es konnten keine da-
    hörden einen Bären nachweisen. In Süd-                                                                   zu notwendigen DNA-Nachweise gesam-
    tirol kam es nebst einer Sichtung auch zu                                                                melt werden. Die Anwesenheit von Bären
    mehreren Bienenschäden. Am 26. Juni                                                                      in diesem Dreiländereck ist nicht neu und
    wurden im Radurschl, Gemeinde Pfunds,                                                                    daher ist damit zu rechnen, dass auch in
    die ersten Nachweise aus Tirol gemeldet.                                                                 Tirol früher oder später erneut Spuren auf-
    Nachdem es im Tal zu weiteren Bienen-                                                                    tauchen. Der Tiroler Jägerverband bittet,
    schäden kam, konnte ein Jäger aus Pfunds                                                                 allfällige Hinweise zur Anwesenheit von
    den Bären beobachten und sogar filmen.                                                                   Meister Petz an das Land Tirol (Dr. Martin
    In den Tagen darauf ist der Bär offensicht-                                                              Janovsky) oder die Wildtierökologinnen
    lich aus Tirol verschwunden. So stammen       Sandro Thöni aus Pfunds ist dem Bären begegnet und         des Tiroler Jägerverbandes zu melden. ❙
    die letzten Meldungen zu Bärensichtungen      konnte ihn über eine längere Zeit beobachten und filmen.                                                                       TJV

    VwGH: Abschuss von Graureihern unter
    bestimmten Voraussetzungen zulässig
    N    achdem der Antrag eines Fischereibe-
         rechtigten an eine Bezirkshauptmann-
    schaft, den Abschuss von zumindest zwei
    Graureihern zu verfügen, abgewiesen wurde,
    wies auch das Landesverwaltungsgericht Ti-
    rol die dagegen erhobene Beschwerde mit der
    Begründung ab, dass im konkreten Fall von
    Schäden durch (ganzjährig geschonte) Grau-
    reiher die gesetzlichen Voraussetzungen im
    Sinne der Legaldefinition von Wildschäden
    nach dem TJG nicht gegeben seien.
    Aufgrund der dagegen eingebrachten Revi-
    sion an den VwGH verwies dieser in seiner
    Entscheidung vom 19.06.2018 auf die uni-
    onsrechtliche Umschreibung des Schadens-
    begriffes nach der Vogelschutzrichtlinie
    und stellte fest, dass auch der innerstaat-
    liche Schadensbegriff – konkret § 2 Abs. 7    Graureiher ernähren sich von Fischen, Kleinsäugern, Fröschen, Insekten und Würmern. Ihr täglicher Nahrungsbedarf
    im Anwendungsbereich des § 52 TJG – im        beläuft sich auf 400 bis 700 g.
    Lichte des Wortlautes und des Zweckes der
    Vogelschutzrichtlinie auszulegen und anzu-    gemäß könne auch von den Schutzbestim-                     dig sei. Die unionsrechtlich konforme Aus-
    wenden sei. Dies insofern die Vogelschutz-    mungen der Vogelschutzrichtlinie abgewi-                   legung des Wildschadensbegriffs nach § 52
    richtlinie, die auch mit § 52 TJG umgesetzt   chen werden, wenn dies gemäß der Richt-                    habe dem Inhalt und den Zielen der Vogel-
    werden soll, das Ziel hat, die Bewirtschaf-   linie zur Abwendung erheblicher Schäden                    schutzrichtlinie zu entsprechen und könne
    tung, Regulierung und Nutzung sämtlicher      an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern,                       diesen daher nicht einschränken.        ❙
    wildlebender Vogelarten zu regeln. Dem-       Fischereigebieten und Gewässern notwen-                                                                           M. Schwärzler

8   JAGD IN TIROL 09 | 2018                                                                                                Fotos: Thöni (1), Zacarias Pereira da Mata/shutterstock (1)
Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes - September 2018 Jahrgang 70 www.tjv.at - Tiroler Jägerverband
AKTUELLES | REVIERE                    FORSCHUNG & PRAXIS

DSGVO: Neue Regelung                                                                              Perückenbock
zu Wildkameras                                                                                    E   in kräftiges Weidmannsheil dem Baumeister
                                                                                                      Sebastian Resch (rechts) mit Pirschführer

N    ach der bisherigen Rechtslage war
     die Verwendung von Wildkame-
ras nach den datenschutzrechtlichen
                                                    tifizierung solcher Personen eignen,
                                                    gerichtet ist (vgl. § 12 Abs. 3 DSG
                                                    idgF).
                                                                                                  Fritz Vötter (links) und Hündin Bora (Aufnahme
                                                                                                  Schlichtenhof Jochberg, Bezirk Kitzbühel). Der
                                                                                                  Perückenbock wurde am 11. Juli 2018 in der EJ
Bestimmungen nur in sehr einge-                     Zum Zweck der Erfassung und Beo-              Jochberg erlegt.                            ❙
schränktem Ausmaß möglich. So war                   bachtung des Wildbestandes besteht                                                   Georg Hochfilzer
der Einsatz von Wildkameras, was die                ein solches Dokumentationsinteres-
Revierbetreuung in Tirol anbelangt,                 se, das nicht auf die Identifikation
bislang zur Wildbestandserhebung an                 von Personen gerichtet ist.
Fütterungsanlagen nur bei entspre-
chender Anmeldung mit gleichzei-                    Konkret gilt die neue Rechtslage
tiger Kennzeichnung (Hinweistafeln)                 betreffend:
der Wildkameras möglich.
Nach der neuen EU-Datenschutz-                      ➠Wildkameras sind nicht mehr
Grundverordnung (DSGVO) haben                        meldepflichtig und nicht mehr
sich wesentliche Erleichterungen                     kennzeichnungspflichtig.
betreffend die Verwendung der „Da-                  ➠Vom verantwortlichen Anwender
tenanwendung Wildkamera“ erge-                       der Wildkameras (Jäger) ist ein
ben, insofern Bildaufnahmen zuläs-                   internes Verzeichnis über dessen
sig sind, wenn ein überwiegendes                     Name und Kontaktdaten, Zwecke
berechtigtes Dokumentationsinte-                     der Verarbeitung (Erfassung
resse des Verantwortlichen daran be-                 Wildbestand) und Beschreibung
steht, das nicht auf die identifizieren-             von potentiell betroffenen
de Erfassung unbeteiligter Personen                  Personengruppen (z. B. Pilzsucher,
oder die gezielte Erfassung von Ob-                  Wanderer …) zu führen.            ❙
jekten, die sich zur mittelbaren Iden-                                          M. Schwärzler

    Blinder Rehbock                                                                         Weißes Gamskitz
    I  n der Jagd Mitteregg im
       Außerfern erlegte Hubert
    Amann einen blinden Reh-
                                                                                            D    as abgebildete Gamskitz wurde im Raum Branden-
                                                                                                 berg/Thiersee von Franz Egger fotografiert. Um die
                                                                                            weitere Entwicklung dieses besonderen Kitzes verfol-
    bock, um ihn von seinem                                                                 gen zu können, wären weitere Informationen und Mel-
    Leid zu erlösen. Beim Aus-                                                              dungen zu Sichtungen an den Tiroler Jägerverband sehr
    lösen des Hauptes kam es                                                                hilfreich.                                           ❙
    allerdings zu einer Überra-                                                                                                                      TJV
    schung: Bei der Bearbeitung
    mit dem Messer stieß er im
    erblindeten Auge des Bockes
    auf einen harten Widerstand.
    Dieser stellte sich als Über-
    rest eines Astes, vermutlich
    von einer alten Verletzung,
    heraus, der wahrscheinlich
    die Blindheit verursacht hat.
    Vor dem Auslösen war inte-
    ressanterweise nichts davon
    zu erkennen, da der Fremd-
    körper komplett in den
    Schädel eingedrungen war. ❙
                                              TJV

Fotos: Huber (1), Egger (1), Hochfilzer (1)                                                                                        JAGD IN TIROL 09 | 2018   9
Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes - September 2018 Jahrgang 70 www.tjv.at - Tiroler Jägerverband
WILD & ÖKOLOGIE            XXX

     Gamswild –
     Ansprechen
     Das Ansprechen von Gamswild auf Alter und Geschlecht mag für die meisten Jäger zum
     Grundlagenwissen gehören – was sich anfangs einfach anhört, ist im Feld aber oft doch nicht
     mehr ganz so einfach und schon einige geübte Gamsjäger haben sich trotz vermeintlicher
     Sicherheit getäuscht. Denn wie in der Natur üblich, verhält sich nicht immer alles nach Regeln
     und Normen, so auch die Entwicklung eines einzelnen Stückes Gamswild. Daher sind dem
     Ansprechen von Gamswild Grenzen gesetzt. 		                 Autoren: Martina Just, WM Robert Prem

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GAMSWILD ANSPRECHEN                           WILD & ÖKOLOGIE

D
       as wohl Wichtigste beim Anspre-                                                                          Die Position beim Nässen und der
       chen ist das regelmäßige Üben im                                                                         Harnstrahl machen deutlich, dass
       Gelände am lebenden Stück. Nur so                                                                        es sich hier um eine Geiß handelt.
kann man sein Auge schulen, die Informati-                                                                      Haben sich die Stücke zum Ruhen
                                                                                                                oder Wiederkäuen niedergelegt, so
onen der verschiedenen Erkennungsmerk-                                                                          lohnt es sich, zu warten, denn so-
male, wie beispielsweise das Verhalten oder                                                                     bald sie sich erheben, ist die Chance
den Körperbau, zu erkennen und zu einem                                                                         groß, dass sie nässen.
Gesamtbild zusammenzufügen.

Geiß oder Bock?
Noch bevor man sich mit der Altersanspra-
che auseinandersetzt, muss zuallererst das
Geschlecht des betrachteten Stückes be-
stimmt werden. So mancher wird dies mit
einem Lächeln abtun, doch draußen in der
Natur ist das vermeintlich einfache Anspre-
chen auf Bock oder Geiß doch nicht immer
ganz so einfach. Die Ausprägung der Krickel
kann als Ansprechmerkmal dienen, wobei
die Auslage und ihre Länge keine Hinwei-
se auf das Geschlecht liefern. Die Krickel
der Böcke sind in der Basis stärker und im
Querschnitt rund, wodurch der Raum zwi-         die Hinterläufe beim Nässen einknickt,           bei Weitem nicht ausreichend, sie über eine
schen den Schläuchen schmaler ist und sie       ändert der Bock die Körperhaltung kaum.          Weile zu beobachten, um zu sehen, ob sie
V-förmig erscheinen. Die Hakelung der           Vereinfacht gesagt: Woher der Harnstrahl         ein Kitz säugt. Denn wie auch beim Stein-
Bockkrucke ist ausgeprägter, die Hornspitze     kommt, verrät uns auch, um welches Ge-           wild kommt es beim Gamswild vor, dass
ist stärker gebogen und gehakelt. Die Geiß      schlecht es sich handelt. Falls sichtbar,        sich die Kitze in sogenannten Kindergärten
hingegen hat schmalere, in der Basis ovale      liefern auch die Brunftkugeln, der Pinsel        zusammenschließen und sich für einige Zeit
Krickel mit einer meist geringeren Hake-        bzw. das Gesäuge oder ein Kitz unmissver-        getrennt von ihrer Mutter aufhalten. Diese
lung, welche mehr nach hinten als nach un-      ständliche Hinweise auf das Geschlecht.          Kindergärten werden in der Regel von ei-
ten zeigen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten,                                                    ner älteren Dame mit reichlich Erfahrung
so gibt es, je nach Wuchsregion, öfters oder                                                     betreut. Wenn möglich, sollten diese Kin-
seltener auch sogenannte bockkruckige Gei-      Ist die Geiß                                     dergärtnerinnen nicht erlegt werden, denn
ßen oder geißkruckige Böcke.                    führend oder nicht?                              so übernehmen sie eine wichtige Aufgabe
Die Haltung des Stücks beim Nässen und          Bei der Gamsgeiß liegt der Fokus des An-         innerhalb des Rudels. Vor allem wenn sie
die Position des Harnstrahls sind zwei der      sprechens nebst dem Alter bei der Frage,         erst später im Jahr erlegt werden, bleibt dem
sichersten Merkmale. Während die Geiß           ob sie ein Kitz führt oder nicht. Dabei ist es   Rudel nur noch wenig Zeit, sie zu ersetzen.

                                                                                                     Die Hakelung der Krucken und ihre Form an der
                                                                                                     Basis liefern wichtige Hinweise zur Bestimmung
                                                                                                     des Geschlechts. Vorsicht ist bei den sogenann-
                                                                                                     ten geißkruckigen Böcken und bockkruckigen
                                                                                                     Geißen geboten.

Fotos: Prem (2), Kirchmair (1), Kolp (1)                                                                                        JAGD IN TIROL 09 | 2018   11
WILD & ÖKOLOGIE                       GAMSWILD ANSPRECHEN

                                                                                                                Nach dem Säugen des Kitzes ist das Gesäuge quasi
                                                                                                                leer und nicht gleich gut sichtbar wie davor.
      Die Geiß betreut den Kindergarten, während die anderen Geißen unterwegs sind.

     Kann eine Geiß über einen längeren Zeit-                 entsprechenden Winkel, ist es möglich, das         vor allem auch die Zeit der Brunft, denn nun
     raum alleine beobachtet werden und ist in                etwa faustgroße Gesäuge zu sehen. Hier gilt        ist so manche Geiß mehr mit den Böcken als
     der Umgebung kein Kitz zu finden, so liefert             jedoch, Vorsicht walten zu lassen, denn die        mit ihrem Kitz beschäftigt und lässt dieses
     dies noch nicht den Beweis, dass sie nicht               Ausprägung des Gesäuges hängt auch da-             gerne auch einmal über eine längere Zeit al-
     führt. Denn die Gelegenheit, kinderlos um-               mit zusammen, wie oft die Geiß schon ein           leine oder im Kindergarten zurück. Folglich
     herziehen zu können, wird genutzt, um ab-                Kitz geführt hat bzw. wann das Kitz zuletzt        ist es während der Brunft besonders wichtig,
     gelegene Salzlecken oder Äsungseinstände                 gesäugt wurde. Am einfachsten ist das Zutei-       dass man sich beim Ansprechen ausreichend
     aufzusuchen. Aber auch beim Beobachten                   len der Kitze zu den entsprechenden Geißen,        Zeit nimmt und sich nicht denkt, dass ei-
     eines Rudels ist es nicht immer einfach, die             wenn diese gesäugt werden oder, was jedoch         ne Geiß, welche mit der Brunft beschäftigt
     Kitze den Geißen zuzuordnen, denn sind die               dann meist schon zu spät ist, wenn die Tiere       ist, nicht führt. Zudem ist das Ansprechen
     Kleinen so oft mehr damit beschäftigt, mit               flüchten. Bei der Flucht besteht ein enger         über die Sichtbarkeit des Gesäuges zu dieser
     den anderen Kitzen zu spielen und das eine               Zusammenhang zwischen den beiden, wo-              Jahreszeit kaum noch möglich, da die Lak-
     oder andere Gras zu probieren, als direkt bei            bei es vorkommen kann, dass das Kitz den           tierung ziemlich eingeschränkt ist. Es wäre
     ihrer Mutter zu bleiben. Betrachtet man ei-              Anschluss verpasst bzw. mit der falschen           wohl auch einen Gedanken wert, während
     ne Geiß von hinten, vorzugsweise aus einem               Geiß mitspringt. Kritisch ist beim Gamswild        der Brunft auf die Geißenbejagung zu ver-
                                                                                                                 zichten, um dadurch zu verhindern, dass
                                                                                                                 ein Kitz alleine zurückbleibt und somit den
                                                                                                                 Winter nicht überlebt. Daher sollte der Ab-
                                                                                                                 schuss der Geißen möglichst vor der Brunft
                                                                                                                 getätigt werden.

                                                                                                                 Altersansprache:
                                                                                                                 Merkmale kombinieren
                                                                                                                 Bei der Altersansprache darf man sich nicht
                                                                                                                 auf ein Merkmal alleine verlassen, sondern
                                                                                                                 sollte immer mehrere betrachten und das
                                                                                                                 sich daraus ergebende Gesamtbild beurtei-
                                                                                                                 len. Je nach Wuchsgebiet, individueller Ent-
                                                                                                                 wicklung usw. gibt es beim Erscheinungs-
                                                                                                                 bild Unterschiede, aus welchen bei der
                                                                                                                 Betrachtung einzelner Merkmale falsche

                                                                                              Der perfekte Blick – diese Geiß führt kein Kitz!

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GAMSWILD ANSPRECHEN                          WILD & ÖKOLOGIE

Schlüsse gezogen werden können. Bei der
Entwicklung vom Kitz zum alten Stück
haben Geiß und Bock einiges gemeinsam.
Je älter sie werden, umso kastenförmiger
und grobknochiger wird der Körperbau.
Der Vorschlag wird größer und ist deut-
licher sichtbar. Dadurch scheint es, als ob
die Vorderläufe weiter nach hinten rücken
und sozusagen in die Körpermitte wandern
würden. Darüber hinaus werden sie mit
zunehmendem Alter bauchiger, der Rü-
cken senkt sich und wirkt durchhängend,
wodurch Kruppe und Widerrist etwas her-
vortreten. Auch die Flanken fallen ab ca.
zehn Jahren langsam ein. Aber Achtung –
bei Geißen, welche kurz vor oder nach dem
Setzen sind, fallen die Flanken ebenfalls
ein, was im Volksmund oft als „Brechen“
bezeichnet wird. Sehr alte Stücke weisen                                                                 Bei dieser Geiß werden die Alters-
ein greises und knochiges Erscheinungs-                                                                  merkmale wie das knochige Erschei-
bild auf, welches durch den Rückgang der                                                                 nungsbild mit hervortretender Kruppe
                                                                                                         und Widerrist langsam deutlicher.
Muskulatur und folglich das deutlichere
Hervortreten der Knochen verursacht wird.       Das Alter im Gesicht
Auch das Haarkleid verändert sich im Lau-       Der Muskelschwund ist auch am Haupt
fe der Jahre. Trotz zahlreicher individueller   deutlich zu sehen, so treten bei alten Stücken   reichen getrennt. Mit zunehmendem Alter,
und regionaler Unterschiede sollte die De-      die Augenbögen immer deutlicher hervor,          ungefähr ab dem achten oder neunten Le-
cke nicht vernachlässigt werden. Junge          was zu einem knochigen Gesichtsausdruck          bensjahr, nimmt der Kontrast durch das Ein-
Stücke sind im Winterhaar dunkel, fast          führt. Die Form des Hauptes verändert sich       wachsen von grauen Haaren ab und die Zü-
schwarz gefärbt. Bei den mittelalten Stü-       zunehmend, so wird es breiter und geht vom       gel wirken zunehmend verwaschen. Bei al-
cken, also mit etwa acht bis neun Jahren,       Dreieckigen ins Längliche über. Dies ist bei     ten Stücken, Geißen ab ca. zwölf Jahren und
beginnt die Winterdecke brauner zu wer-         den Geißen deutlicher zu sehen als bei den       Böcken ab ca. elf Jahren, werden auch die
den und stumpfer zu wirken. Während den         Böcken, bei welchen die dreieckige Form          Dreiecke unterhalb der Kruckenansätze bis
kalten Monaten kann die Decke alter Stücke      noch eher erhalten bleibt. Am Haupt ist auch     hin zu den Lichtern immer verwaschener.
strähnig sein und im Sommerhaar wirkt sie       ein weiteres und zugleich eines der wich-        Die Haltung des Hauptes bzw. des Trägers
zudem fahler. Aber Achtung – denn auch          tigsten Ansprechmerkmale zu finden – die         liefert einen weiteren Anhaltspunkt für die
kranke Tiere wirken stumpf und fahl bzw.        Zügel. Bei jungen Stücken sind sie deutlich      Altersansprache. Trägt das Stück den Träger
im Winter strähnig.                             und in scharfer Linie von den helleren Be-       beim ruhigen Ziehen tief und bildet dieser
WILD & ÖKOLOGIE                         GAMSWILD ANSPRECHEN

                                                                                  Die Zügel dieses Bockes sind verwaschen
                                                                                  und die Dreiecke unterhalb der Krucken
                                                                                  sind nun nicht mehr deutlich zu erkennen.

                                                                                                           läufiger und haben eine schlanke Statur,
                                                                                                           was sie im Allgemeinen graziler erscheinen
                                                                                                           lässt. Das dreieckige, kurze, spitz zulaufende
                                                                                                           Haupt mit dem dünnen Träger unterstreicht
                                                                                                           ihren kindlichen Ausdruck.
                                                                                                           Jährlingsgeißen und Jährlingsböcke lassen
                                                                                                           sich durch die unterschiedliche Ausprägung
                                                                                                           der Krucken unterscheiden. Wobei dies bei
                                                                                                           den Jährlingen nicht immer einfach zu er-
                                                                                                           kennen ist, es ist also auch hier Geduld ge-
                                                                                                           fragt und nicht selten muss solange gewartet
                                                                                                           werden, bis das Stück nässt und man den
                                                                                                           Harnstrahl sieht.

                                                                                                           Junge Damen und alte Ladys
                                                                                                           Junge, zweijährige Geißen weisen noch im-
     die gerade Verlängerung der Rückenlinie,           noch beim Scharwildrudel und lernen von            mer ein eher dreieckiges, kurzes, spitz zu-
     so handelt es sich um ein älteres Stück. Als       den erfahrenen Geißen. Die Geißjährlinge           laufendes Haupt auf. Im Allgemeinen sind
     Faustregel gilt: Je älter das Stück, desto tief-   halten sich mit Vorliebe in der Nähe des           sie schlanker und wirken durch ihre hohen
     er wird der Träger getragen. Zudem haben           Muttertieres auf, während die Jährlings-           Läufe graziler. Auch bei ihnen kann oft be-
     junge Tiere einen schmaleren und dadurch           böcke sich lieber etwas absondern und              obachtet werden, dass sie sich noch immer
     länger wirkenden Träger.                           die sehr selbstständigen ihr Rudel sogar           gerne in der Nähe ihrer Mutter aufhalten.
                                                        verlassen, um mit Gleichaltrigen umher-            Im Gegensatz zu den Jährlingsgeißen wer-
                                                        zuziehen. Generell sind sie noch verspielt,        den hier untereinander jedoch bereits die
     Jährlinge                                          neugierig und weniger aufmerksam als die           ersten Rangordnungen mittels Drohen und
     Die Jährlinge können anhand der Kru-               älteren, erfahrenen Stücke – sie sind im-          Breitseitimponieren festgelegt. Mit drei Jah-
     ckenhöhe, ihres jugendlichen Aussehens             mer noch Kinder.                                   ren sind sie soweit fertig entwickelt, gut pro-
     und des spielerischen Verhaltens gut von           Die Krucken starker Stücke können bis lau-         portioniert und kompakt. Im Vergleich zu
     den mehrjährigen Stücken und Kitzen un-            scherhoch sein und erreichen in der Regel          den älteren Geißen ist ihr Haupt aber noch
     terschieden werden. Oft befinden sie sich          eine Länge von 12 bis 15 cm. Jährlinge wir-        kürzer, schmaler und spitz zulaufend. Was
                                                        ken durch ihre Körperproportionen hoch-            den Körper betrifft, wären sie nun ausge-

           Die Jährlinge können deutlich
           von den Kitzen und mehrjährigen
           Stücken unterschieden werden.

14   JAGD IN TIROL 09 | 2018                                                                                                     Fotos: Prem (1), Kirchmair (2), Rudigier (1)
GAMSWILD ANSPRECHEN                               WILD & ÖKOLOGIE

                                                                                                       alt. Denn je nach körperlicher Verfassung
                                                                                                       oder Härte des Winters kann es vorkom-
                                                                                                       men, dass auch mittelalte Geißen aussetzen
                                                                                                       bzw. verwerfen. Daneben ist auch die Kitz-
                                                                                                       sterblichkeit hoch und viele Geiß verlie-
                                                                                                       ren ihr Kitz bereits lange vor dem Winter.
                                                                                                       Ältere Geißen halten sich gerne etwas ab-
                                                                                                       seits am Rande des Rudels auf, bleiben aber

        Eine junge Geiß, welche nicht nur die
        Ansprechmerkmale junger Stücke
        zeigt, sondern auch sehr typische
        Geißkrucken hat, welche in dem Fall
        sogar kaum eine Hakelung aufweisen.
                                                       ist das Ansprechen wieder einfacher. Nun
                                                       wirkt das Haupt länger und breiter, die
 reift und fähig, ihr erstes Kitz zu setzen. Oft       Lichter stehen weiter hervor und der Trä-
 erfolgt dies jedoch erst im darauffolgenden           ger wirkt dünner und aufgesetzt. Bei den
 Jahr. Bei gut strukturierten Beständen mit            Geißen dieser Altersgruppe kann auch beo-
 einem entsprechenden Altersklassenaufbau              bachtet werden, wie sie jüngere Geißen mit
 später. Wann die Geißen ihr erstes Kitz set-          gesenkten Krucken auffordern, Abstand zu
 zen, hängt auch weiter mit der Populations-           halten oder einen begehrten Liegeplatz, der
 dichte zusammen.                                      vor allem im steilen Gelände oft Mangel-
 Ab jetzt gestaltet sich das Ansprechen                ware ist, freizugeben. Je nach körperlichem
 schwieriger und es ist notwendig, sie im              Zustand lassen die Geißen ab dem Alter
 Rudel mit den anderen Stücken, vor allem              von ca. 14 Jahren beim Setzen vermehrt
 auch den älteren, ausreichend und mit viel            ein Jahr aus, um erst im Folgejahr wieder         Das knöchrige, bauchige Erscheinungsbild mit dem
 Geduld zu vergleichen. Erst wenn mit un-              ein Kitz großzuziehen. Aber nicht jede            durchhängenden Rücken in Kombination mit der
 gefähr zehn bis zwölf Jahren die Merkmale             Geiß, welche ohne Kitz anzutreffen ist, ist       hellen Decke macht deutlich, dass es sich hier um
                                                                                                         keine junge Dame handelt.
 des Alters anfangen, deutlicher zu werden,            entweder ganz jung oder bereits 14 Jahre

                                                                                       MIT SICHERHEIT
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                          Verkauf ausschließlich über den Fachhandel                         www.manfred-alberts.de/laserscope
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                                                                                                 bietet ihnen die Gelegenheit, sich ihrem
                                                                                                 Alter entsprechend still und heimlich und
                                                                                                 vor allem gemütlich zurückzuziehen.

                                                                                                 Jungspunde und alte Herren
                                                                                                 Die zweijährigen Böcke wirken noch im-
                                                                                                 mer kindlich, sind aber von den Jährlin-
                                                                                                 gen gut zu unterscheiden. Nun halten sie
                                                                                                 sich in Junggesellengruppen auf, genießen
                                                                                                 ihre Flegelphase und können dabei nicht
                                                                                                 selten beim spielerischen Kämpfen und
                                                                                                 Umherjagen beobachtet werden. In den
                                                                                                 nächsten zwei Jahren legen die Böcke an
                                                                                                 Masse zu und beginnen kompakt zu wir-
                                                                                                 ken. Verglichen mit den älteren Böcken
                                                                                                 fehlt ihnen jedoch der deutlich hervor-
                                                                                                 tretende Brustkorb, wodurch der unreife,
           Dieser mittelalte Bock zeigt einen                                                    quadratische Körperbau weiterhin gut zu
           massigen Körperbau und strotzt                                                        erkennen ist. Anschließend, also mit fünf
           förmlich vor Energie. Hinweise auf
                                                                                                 Jahren, sind die Böcke fertig entwickelt,
           ein hohes Alter wie stark verwa-
           schene Zügel oder ein knöchriges                                                      was jedoch nicht mit ihrer Reife bzw. Er-
           Erscheinungsbild fehlen.                                                              fahrung zu verwechseln ist. Beobachtet
                                                    andere wahre Geltgeiß anzutreffen. Nun       man sie bei der Brunft, sieht man schnell,
                                                    sind die Altersmerkmale, wie der durch-      dass die jungen Böcke zwar vor Energie
     in stetem Kontakt zu diesem. Erreichen sie     hängende Bauch, hervortretende Kno-          strotzen, aber eher mehr Unruhe in die
     ein Alter von 17 Jahren, so kann man mit       chen, langes Haupt, eingefallene Flanken     Brunft bringen und hier ältere, reife Böcke
     gutem Gewissen von richtig alten Geißen        oder das hervortretende Brustbein unü-       notwendig sind. Bis zu einem Alter von ca.
     sprechen. Hier ist nun auch die ein oder       bersehbar. Die Winterdecken dieser alten     sechs Jahren ziehen sie entweder in einer
                                                    Geißen verfärben sich nicht mehr ins Tief-   Gruppe junger Böcke, in Kleingruppen
                                                    dunkle und der Wechsel im Frühjahr zum       oder zu zweit umher. Erst ab sieben oder
                                                    Sommerhaar dauert oft außerordentlich        acht Jahren werden sie zu Einzelgängern.
                                                    lang. Diese alten Ladys weichen dem Tru-     Nun merkt man, dass sie Erfahrungen ge-
                                                    bel des Rudels aus und bewegen sich lieber   sammelt haben, was sie nervenstärker, auf-
                                                    irgendwo ganz am Rand oder noch etwas        merksamer und vorsichtiger macht. Die
                                                    weiter weg von den jüngeren Stücken. Ih-     Körperentwicklung in dieser Altersgruppe
                                                    re Randposition ermöglicht es ihnen nicht
                                                    selten, Gefahren früher zu erkennen und
                                                                                                           Der sichtbare aber kurze Pinsel,
                                                                                                           die klar abgetrennten Zügel und
                                                                                                           das kurze, dreieckige Haupt
                                                                                                           machen deutlich, dass es sich
                                                                                                           hier um einen jungen Bock handelt.

16   JAGD IN TIROL 09 | 2018                                                                                                       Fotos: Kolp (1), Prem (1)
GAMSWILD ANSPRECHEN                     WILD & ÖKOLOGIE

ist individuell sehr unterschiedlich, was ei-                      langes Haarbüschel, welches schon von
ne aufs Jahr genaue Ansprache schwierig                            weitem gut sichtbar ist. Bei den alten Grei-
macht. Auch wenn sie im Alter von sechs                            sen wird der Pinsel wieder schmaler.
bis zehn ihre besten Jahre erleben, haben
sie erst gegen Ende dieser Altersgruppe die
notwendige Reife, um für eine ruhige und                           Wer das Schauen nicht kann,
kurze Brunft zu sorgen. Folglich kann man                          wird das Jagen nie können!
sagen, dass sie ab elf Jahren gestandene                           Nach einem starken Winter, wie wir den
Böcke sind, die mit der entsprechenden                             letzten erlebt haben, wirkt das Gamswild
Erfahrung und einem derben Körperbau,                              oft älter bzw. gezeichneter als es in Wahr-
welcher über ein deutlich hervorragendes                           heit ist. Dies ist vor allem auch am Haupt
Brustbein verfügt, punkten und sich nur                            zu sehen, so ist es grauer und wirkt dadurch
noch selten an den berühmten Hetzjagden                            älter. Auch darum ist beim Ansprechen von
beteiligen. Von nun an sind auch die oben                          Gamswild viel Geduld und Übung gefragt.
genannten Erkennungsmerkmale des Al-                               Die Kombination aus den einzelnen Merk-
ters gut zu sehen.                                                 malen liefert zwar meist ein gutes Gesamt-
                                                                   bild, aber Achtung, denn nicht alle Stücke
                                                                   halten sich an die Regeln und Normen dieser
Hinweis Männlichkeit                                               Merkmale und so wurde schon manch, auch
Betrachtet man die Männlichkeit der                                erfahrener Gamsjäger getäuscht. Es ist also
Böcke, so können die Brunftkugeln und                              wichtig, dass man sich mit dieser Wildart
der Pinsel zusätzliche Informationen zum                           intensiv auseinandersetzt und sich vor allem
Alter liefern. Ab dem dritten oder vierten                         auch mit den Ausprägungen der Merkmale
Lebensjahr ist der Hodensack, vor allem                            im jeweiligen Wuchsgebiet beschäftigt.     ❙
im Sommerhaar, sichtbar. In der Winter-
decke lässt sich ab einem Alter von drei
Jahren der Pinsel in Form eines feinen,               Nur wer Geduld hat und sich Zeit nimmt,
                                                      wird die Kunst des Gamsansprechens lernen.
kurzen Haarstrangs erkennen. Mit stei-
gendem Alter wird daraus ein breites,

Foto: Prem (1)                                                                                     JAGD IN TIROL 09 | 2018   17
WILD & ÖKOLOGIE                XXX

     Der Blick
     nach oben!
     Die heimischen Schalenwildarten stehen im Fokus der meisten Jäger. Stundenlang werden
     Hänge abgesucht und Kare ausgespäht. Vergleichsweise selten richtet sich der Blick bewusst
     in den Himmel und viele Beobachtungen größerer Vogelarten ergeben sich eher zufällig
     durch am Hang entlangstreichende Individuen als durch aktive Suche.
     Autor: Dr. Gunther Greßmann

     N
             icht so jedes Jahr an einigen Tagen im Oktober.   Gedankensplitter
             Denn dann finden die alpenweiten Bartgeierbe-     Man kann über Wiederansiedlungen denken, wie
             obachtungstage statt. Alljährlich helfen dabei    man will. Auch wenn der Mensch immer mehr Fläche
     zahlreiche Jäger aus ganz Österreich bzw. dem Alpen-      für seine Interessen in Anspruch nimmt, sollte un-
     raum mit, den Bartgeierbestand so gut wie möglich zu      sere Gesellschaft bemüht sein, die Artenvielfalt
     erfassen. Wie bei Zählungen anderer Arten lassen sich     zu erhalten, zumal man bis heute nicht weiß,
     klarerweise keine absoluten Zahlen erfassen, aber im      wie verflochten tatsächlich Ökosy-
     langjährigen Trend in Verbindung mit der jeweiligen       steme funktionieren, so man die
     Witterungssituation lassen sich Tendenzen erkennen,       Zusammenhänge überhaupt
     welche in der Gesamtschau mit Einzelmeldungen einen       je verstehen können wird.
     guten Überblick über die Entwicklung der Alpenpopu-       Auch wenn der Bart-
     lation ergeben.

18   JAGD IN TIROL 09 | 2018
BARTGEIER             WILD & ÖKOLOGIE

geier nicht zu den jagdbaren Arten gehört,       Eine Erfolgsgeschichte                        da die genetische Bandbreite sehr klein ist
der Wert eines Reviers kann unter anderem        Seit 1986 werden Bartgeier wieder im Al-      und zumindest eine Zeit lang seltene gene-
auch über die zu beobachtende Artenviel-         penraum angesiedelt. Bis dato wurden 223      tische Linien in der Zucht zurückbehalten
falt allgemein definiert werden. Vielleicht      Tiere im Alpenbogen freigelassen sowie 20     wurden. Dies deshalb, da das Überleben
würde dem einen oder anderen beispiels-          weitere Tiere im französischen Zentral-       und die Fortpflanzung bzw. Vermehrung
weise das Rotwild als einzige Art im Re-         massiv, um eine Brücke zu der bestehen-       dieser Linien in Gefangenschaft mit grö-
vier eine Zeit lang genügen – viel von der       den Population in den Pyrenäen zu schla-      ßerer Wahrscheinlichkeit als im Freiland
Spannung eines Reviers ginge damit in je-        gen, was langsam auch zu gelingen scheint.    gegeben ist. Vereinfacht gesagt, um keine
dem Fall verloren. Und wäre dies nicht der       Heute wird der Gesamtbestand in den Al-       Risiken für die Arterhaltung, welche vor-
Fall, müssten wohl einige hinterfragen, ob       pen auf rund 250 Tiere geschätzt. Seit 1997   erst über das Zuchtprogramm gesichert
manches Argument, welches zur Rechtfer-          kommen zusätzlich zu den freigelassenen       werden musste, einzugehen, gelangten
tigung der Jagd gerne bedient wird, nicht        Vögeln auch Jungvögel von Freilandbru-        lange nur Vögel von häufiger vorhandenen
doch nur eine leere Worthülse ist.               ten hinzu. So sind bis 2017 insgesamt 214     genetischen Linien ins Freiland. Erst in
In Österreich hat der Nationalpark Hohe          Wildbruten geglückt – ungeachtet der da-      den letzten Jahren hat man begonnen,
Tauern die Schirmherrschaft für die Frei-        nach in der Natur üblichen Ausfälle. In       auch seltenere Linien freizusetzen. Dies
lassungen im Rahmen des alpenweiten              Österreich hinkt der Erfolg mit im letzten    ist mit auch ein Grund, warum vermutlich
Bartgeierwiederansiedlungsprojektes in           Winter drei bestätigten brutfähigen Paa-      noch Freilassungen folgen werden, aber
den letzten Jahrzehnten übernommen,              ren noch hinterher. In den letzten sechs      auch die Notwendigkeit, Brücken zu noch
                         denn der Erhalt         Jahren wurden von zwei Paaren, welche         bestehenden Populationen (beispielsweise
                           der Biodiversität     regelmäßig gebrütet haben, im Durch-          Griechenland) zu bilden, ist nach wie vor
                            ist eine der vor-    schnitt lediglich 1,2 Jungvögel alljährlich   von Bedeutung. Gleichzeitig verdeutlicht
                           gegebenen Kern-       zum Ausfliegen gebracht. Wenn sich diese      es auch, dass jeder Verlust dieses zwar
                         aufgaben        eines   Situation nicht verbessert und die Frei-      langlebigen, aber spät mit der
                         Nationalparks.          lassungen beendet werden, stellt sich die     Reproduktion beginnenden
                         Wie man zum Bart-       Frage, ob diese Zahl (wenn sich nicht wei-    Vogels im Freiland, bei-
                      geier steht, bleibt aber   tere Paare etablieren) die Ausfälle, die ja
                   jedem selbst überlassen       oft nicht bekannt sind, langfristig aufwie-
               – man kann an alten My-           gen kann. Doch auch alpenweit betrach-
           then festhalten, ohne sie je selbst   tet kann die Population vermutlich noch
       gesehen zu haben, sich einfach nur        nicht als gesichert angesehen werden,
   an seinem Anblick erfreuen oder auch
seine Rolle im Ökosystem anerkennen.

Foto: Pascal Halder/shutterstock (1)                                                                                    JAGD IN TIROL 09 | 2018   19
WILD & ÖKOLOGIE                       BARTGEIER

     spielsweise durch eine Bleivergiftung,                   verschiedenen Bausteinen zusammen. Ne-        Hilfe von Beobachtern vor Ort angewiesen,
     schmerzliche Folgen für das Projekt nach                 ben einem genetischen Monitoring und der      denn Bartgeier können problemlos mehre-
     sich zieht. Mit ein Grund, warum sich der                Überwachung von etablierten Brutpaaren        re 100 Kilometer am Tag zurücklegen. So-
     Nationalpark Hohe Tauern dem Thema                       werden freigelassene Jungvögel beringt,       mit stellen die Meldungen von einzelnen
     „bleifreie Munition“ in der Vergangenheit                markiert und seit Längerem auch mit GPS-      Sichtungen einen entscheidenden Faktor in
     verstärkt angenommen hat.                                Sendern versehen. Leider sind Fußringe im     einem großen Mosaik dar. Aber auch nicht
                                                              Freiland nur selten zu erkennen, die Mar-     markierte Tiere können wertvolle Hin-
                                                              kierungen in Form von gebleichten Federn      weise zur Verbreitung und Häufigkeit von
     Das Monitoring                                           nach der ersten Mauser verschwunden und       Bartgeiern geben, da sie sich beispielsweise
     Ein wichtiges Element in der Überwachung                 die Laufzeit der Sender in den meisten        über individuelle Mausermuster (fehlende
     und Beurteilung von Populationen ist das                 Fällen begrenzt. Dennoch liefern die so       Federn) oft über längere Zeiträume erken-
     Beobachten und Analysieren von in Er-                    gewonnenen Daten zumindest über eini-         nen lassen. Zumindest können sie über die
     fahrung gebrachten Werten. Denn nur so                   ge Jahre wichtige Erkenntnisse. Abgesehen     arttypische Veränderung der Federlängen,
     können Entwicklungen erkannt und ziel-                   von den Senderdaten, so welche vorhanden      -formen und -färbung einer Altersklasse
     führende Maßnahmen gesetzt werden. Das                   sind, können aber die anderen beiden Er-      zugeordnet werden.
     Monitoring stellt somit den Grundstein für               kennungsmerkmale nur Aussagen liefern,
     das langfristige Überleben der Bartgeier-                wenn Beobachtungen dieser Tiere weiter-
     Alpenpopulation dar und setzt sich aus                   geleitet werden. Und hier ist man auf die     Beobachtungstage
                                                                                                            Und nicht zuletzt liefern die Zahlen, welche
                                                                                                            bei den internationalen Zähltagen ermittelt
                                                                                                            werden, einen weiteren guten Richtwert
                                                                                                            in der Zusammenschau mit den über das
                                                                                                            ganze Jahr gesammelten Daten. Diese Be-
                                                                                                            obachtungstage finden heuer von 6. bis
                                                                                                            14. Oktober statt, mit dem Schwerpunkt
                                                                                                            am 6. Oktober von (mindestens) 10.00 bis
                                                                                                            14.00 Uhr. Wie die letzten Jahre gezeigt ha-
                                                                                                            ben, unterstützen zahlreiche Personen die-
                                                                                                            se Zähltage in ganz Österreich. Entweder
                                                                                                            melden sie sich im Vorfeld beim Bartgeier-
                                                                                                            Team und halten nach Absprache von fixen
                                                                                                            Punkten aus Ausschau nach Bartgeiern oder
                                                                                                            im Rahmen von frei gewählten Bergtouren
                                                                                                            wird verstärkt nach diesen Tieren Ausschau
                                                                                                            gehalten und etwaige Beobachtungen ge-
                                                                                                            meldet. Nützlich sind in jedem Fall (neben
                                                                                                            Feldstecher oder vielleicht Spektiv), Fotoap-
                                                                                                            parat und Schreibutensilien, um die Uhrzeit
                                                                                                            der Beobachtung oder die Lage von Markie-
                                                                                                            rungen im Federkleid gleich vor Ort fest-
                                                                                                            halten zu können. Am letztjährigen Zähltag
                                                                                                            wurden in Tirol sieben der etwas über 20 für
                                                                                                            Österreich angenommen Bartgeier bestätigt.
                                                                                                            Diese Vögel im Freiland zu erleben, beein-
                                                                                                            druckt immer wieder. Also, vielleicht haben
                                                                                                            auch Sie Lust, an diesem Tag ein wenig öfter
                                                                                                            in den Himmel zu blicken.                  ❙

                                                                                                                  Kontakt für die heurigen
                                                                                                                  Bartgeierzähltage
                                                                                                                  Nationalparkverwaltung Hohe Tauern,
                                                                                                                  Mittersill, DI Ferdinand Lainer
                                                                                                                  Gerlos Straße 12, 2.OG, 5730 Mittersill
      Die Unterscheidung von jungen und ausgewachsenen Tieren ist bei Bartgeiern relativ einfach: Während         Tel.: 0664/3436293
      der junge Geier (oben) dunkles Gefieder, vor allem im Kopf- und Halsbereich zeigt, beeindruckt der          E-Mail: ferdinand.lainer@salzburg.gv.at
      erwachsene Geier (unten) mit seiner kontrastreichen Gesichtsfärbung, dem hellbraunen bis rötlichen          oder beobachtung@gmx.net
      Haupt- und Brustgefieder und dem namensgebenden, schwarzen Bart.

20   JAGD IN TIROL 09 | 2018                                                                                                               Fotos: Erni/shutterstock (2)
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WILD & ÖKOLOGIE                  WILDTIERKRANKHEITEN

      Serie Wildtierkrankheiten:
                                                                                            (Myiasis)

     Fliegenmadenbefall
     Die warmen Sommermonate bringen für Tierärzte des Öfteren eine große
     Herausforderung – die Befreiung geschwächter Tiere vom Befall mit Fliegenmaden.
     Autor: Mag. Christian Messner, Sprengeltierarzt Schwaz

     I
         n erster Linie gefährdet in unseren Brei-                      die Verletzungen, Geschwüre, Ekzeme
         ten sind Schafe sowie Hauskaninchen                            oder durchfallverschmutzte Hautpartien
         und Igel, aber auch viele Wildtiere, vor                       aufweisen. Oftmals genügt bereits eine
     allem geschwächte Jungtiere, fallen dieser                         verminderte Abwehrtätigkeit, um einen
     Parasitose zum Opfer.                                              massiven Befall erdulden zu müssen. Aus
     Verantwortlich dafür sind Goldfliegen,                             diesen anhaftenden Eipaketen schlüpfen
     Schmeißfliegen der Gattungen Callipho-
     ra, Lucilia und Chrysomia sowie Fleisch-
     fliegen der Gattungen Sarcophaga und                     Goldfliegen werden über weite Entfernungen von
     Wohlfahrtia. Diese legen ihre Eier an den                der Ausdünstung verletzter Wildtiere angezogen.
     Haaren und Federn von Wirtstieren ab,

22   JAGD IN TIROL 09 | 2018                                                                               Fotos: Kolp (1), Messner (5)
WILDTIERKRANKHEITEN                          WILD & ÖKOLOGIE

                                                         Die verschiedenen Fliegenarten legen ihre Eier an unterschiedlichen Orten des Wirtstieres ab.
                                                         links oben: Eipakete im Windfang eines Gamsbockes.
                                                         links unten: Durch Madenbefall geschädigte Haut eines Rehkitzes.
                                                         Mitte: Fliegenmaden in der Analumgebung eines Rehkitzes.
                                                         rechts: Fliegenmaden in der Scheidenöffnung eines Rehkitzes

meist bereits innerhalb eines Tages Larven            be und unter zerstörten Hautpartien. Mit             zugtes Ziel für die Eiablage der Fliegen.
(Fliegenmaden), die sich von Haut- und                dem Tode des Wirtstieres steht dem Flie-             Besondere Bedeutung kommt den Fliegen-
Bindegewebsbestandteilen sowie von Bak-               gennachwuchs schlussendlich der gesamte              maden in der entomologischen Forensik
terien und Exsudaten ernähren. Durch die              Kadaver zur Verfügung, der auch unter                zu, weil aus deren Art und Größe recht zu-
fortschreitende exsudative Entzündung                 Mithilfe anderer Aasverwerter fein säuber-           verlässig auf den Todeszeitpunkt und auf
wird die Haut kraterartig zerstört und die            lich zersetzt wird. Nach 5 bis 12 Tagen ver-         die Liegedauer von Leichen geschlossen
nässenden Partien verströmen einen cha-               puppen sich die Fliegenmaden im Boden,               werden kann.
rakteristischen fauligen Geruch, von dem              woraus nach 1 bis 3 Wochen wiederum die              In der Humanmedizin werden gezüchtete
weitere Fliegen magisch angezogen wer-                nächste Generation Fliegen hervorgeht.               Maden bestimmter Fliegenarten gezielt
den. Die Maden dringen auch bevorzugt in              In der warmen Jahreszeit erlegtes Wild ist,          unter kontrollierten Bedingungen zur
sämtliche Körperöffnungen ein und tum-                wenn es nicht ehestens gekühlt oder durch            Reinigung nekrotischer Wunden heran-
meln sich massenhaft in wundem Gewe-                  ein Fliegennetz geschützt wird, ein bevor-           gezogen.                                 ❙

                                                                                                              NEU                                         *alle Varianten ab Lager erhältlich solange Vorrat reicht
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WILD & ÖKOLOGIE                  RÄUDE

     Räude: Der Anteil
     stiller Milbenträger
     Gamsräude kann zu großen Verlusten führen und trat in der Vergangenheit auch in den Hohen Tauern regional
     verstärkt bei Gams- und Steinwild auf. Dies veranlasste den Nationalpark Hohe Tauern zu einer Untersuchung,
     wie hoch der Anteil stiller Milbenträger in Populationen sein könnte.
     Autoren: Dr. Gunther Greßmann, Dr. Ulrike Gissing, Dr. Armin Deutz

     D
            ie 1960 gegründete und heute etwa          Auslöser der Räude ist die Grabmilbenart       Milben/cm2 nachgewiesen werden, was zu
            1.200 Stück umfassende Steinwild-          Sarcoptes rupicaprae. Die zwischen 0,2 bis     immer stärkerem Juckreiz und Krustenbil-
            population der Hohen Tauern war            0,4 mm großen Milben leben vorrangig in        dungen bzw. dem Aufkratzen dieser Krusten
     seit den 1970er Jahren in vielen Kerngebie-       (Männchen mitunter auch auf) der Haut, wo      und damit einhergehenden Sekundärinfekti-
     ten immer wieder von der Räude betroffen.         sie ihre Eier ablegen und die Entwicklung      onen bis zum Tod führen kann.
     In den letzten Jahren traten Fälle vor allem      über Zwischenstadien bis zur fertigen Mil-
     im Gemeindegebiet von Rauris und den auf          be in eigenen Bohrgängen stattfindet. Von
     Kärntner Seite angrenzenden Fleißtälern auf,      der Eiablage bis zur geschlechtsreifen Milbe   Stille Milbenträger
     aber auch andere Gebiete in Kärnten, Salz-        dauert es etwa zwei bis drei Wochen und in     Die Übertragung von Milben erfolgt über
     burg und Osttirol blieben nicht verschont.        befallenen Hautarealen können bis zu 1.000     direkten und indirekten Kontakt. Früher

24   JAGD IN TIROL 09 | 2018                                                                                      Foto: Greßmann (1); Karte: Nationalpark Hohe Tauern (1)
RÄUDE                         WILD & ÖKOLOGIE

ging man davon aus, dass eine Ansteckung
in absehbarer Zeit den Ausbruch der Er-
krankung und in weiterer Folge das Veren-                                                                                  Zell am See

den des befallenen Tieres mit sich brachte.                                            Mittersill

Allerdings beginnen nach dem Veren-                              Neukirchen

den und damit bedingten Erkalten eines
Stückes, die Milben aus der Haut auszu-
wandern. Beträgt am lebenden Tier die Le-                      Nationalpark
bensdauer der Milben rund sechs Wochen,                        Hohe Tauern                                                                                       Bad Gastein

überleben sie außerhalb vom Wirt nur in                                                                Nationalpark
                                                                                                       Hohe Tauern
seltenen Fällen länger als zwei Wochen                                                                                          Heiligenblut
und können sich dabei kaum weiter als ei-                                                                                                                                   Nationalpark
                                                                                              Matrei                                                                        Hohe Tauern
nen Meter vom Kadaver entfernen. Da ei-                                                                                                                          Mallnitz

ne Ansteckung von toten auf lebende Tiere
überaus unwahrscheinlich ist und verwe-
sende Körper in dieser Zeit größtenteils ge-
mieden werden, müsste diese Erkrankung
nach Jahren ohne akute Fälle zumindest in                                                                               Lienz

isolierten Gebieten völlig erlöschen. Und
doch flackert sie fast überall, wo sie ein-
mal aufgetreten ist, auch nach Jahrzehnten                           Source: Esri, DigitalGlobe, GeoEye, Earthstar Geographics, CNES/Airbus DS, USDA, USGS, AeroGRID, IGN, and the GIS User Community

immer wieder auf. Selbst wenn die Gründe          Abb. 1: Reviere, in welchen 2017 Proben genommen wurden.
vielfältig sein können, scheint der Grund
dafür in sogenannten stillen Milbenträ-
gern zu liegen. Dies bedeutet, dass es nicht   Beständen sein. Ziel der hier vorgestellten                            beispielsweise auch die Beugestellen der
bei jedem befallenen Stück zu einer Mas-       Untersuchung war es, stille Milbenträger                               Gelenke, bevorzugt genutzte Stellen von
senvermehrung der Milbe kommen muss,           zu identifizieren und einen Richtwert für                              Milben am Körper dar. Im Jahr 2017 wur-
sondern Tiere existieren, die selbst nicht     die Anzahl derselben in einer Population                               den insgesamt 64 Proben genommen, 38
oder nur temporär erkranken. Ob eine           zu erhalten.                                                           von Gams- und 26 von Steinwild. Unter-
Massenvermehrung der Milbe am Körper                                                                                  sucht wurden alle Proben von Tierärztin
eines solchen stillen Milbenträgers ledig-                                                                            Ulrike Gissing mit folgender Methodik:
lich durch den allgemeinen körperlichen        Methodik
Zustand (Ernährung, Widerstandskraft)          In verschiedenen Regionen der Hohen                                    1.		Bei der Klebestreifenmethode werden
oder auch durch andere Faktoren (z. B.         Tauern wurde von den Jagdausübungs-                                       mit einem handelsüblichen Klebestrei-
Genetik) unterbunden werden kann, ist          berechtigten von erlegten, aber zuvor als                                 fen Haare, Schuppen und, falls an der
bis dato nicht bekannt. In jedem Fall dürf-    gesund angesprochenen Stücken ein Lau-                                    Oberfläche vorhanden, Parasiten ab-
ten stille Milbenträger das Reservoir für      scher als Probenmaterial genommen und                                     genommen, auf einen Objektträger ge-
das langfristige Überleben der Milben in       untersucht (Abb. 1). Lauscher stellen, wie                                klebt und mikroskopiert.

                                                                                                     TOTAL
                                                                                                                                                                                                             © 2018 Leupold & Stevens, Inc.

                                                                                                    CONTROL
                                                                                       VX-R® 4-12X50 WITH FIREDOT 4
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                                                                                       Lichtbedingung ihren Zielpunkt
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WILD & ÖKOLOGIE                         RÄUDE

                                                                                                                       Befallene Stücke leiden unter starkem
                                                                                                                       Juckreiz und Krustenbildungen. Krat-
                                                                                                                       zen sie sich diese Krusten auf, kommt
                                                                                                                       es zu Sekundärinfektionen und schlus-
                                                                                                                       sendlich verenden die Stücke daran.

     2.		Die zu untersuchenden Stellen werden                    ten vier der 64 Proben (drei Steinwild, eine
         für zwei Minuten mit Paraffinöl be-                     Gamswild) nachweislich von räudigen Stü-       Allerdings ist bei der Interpretation dieser
         deckt, wodurch die Milben an die Ober-                  cken – hier musste die Milbe in jedem Fall     Ergebnisse derzeit noch Vorsicht geboten.
         fläche wandern. Danach werden vom                       nachzuweisen sein, was auch zutraf. Für        Auch wenn die Proben aufgrund der An-
         Lauscher an drei Stellen Haare sowie                    Überraschung sorgten allerdings die Un-        zahl statistisch bereits eine gewisse Aus-
         Haut abgenommen und mikroskopiert                       tersuchungsergebnisse der Lauscherpro-         sagekraft besitzen, müssen zwei Faktoren
         (Lebendnachweis).                                       ben von den als gesund angesprochenen          berücksichtigt werden:
     3. Die oben beschriebenen Hautgeschabsel                    und erlegten Tieren:
         werden kurz in zehnprozentiger Kalilau-                 Anhand der oben beschriebenen Metho-           1. Einige Proben stammen aus Gebieten,
         ge aufgekocht, nach einer gewissen Ru-                  den konnten bei 36 von 60 als gesund              in denen zum Zeitpunkt der Proben-
         hezeit zentrifugiert und der Bodensatz                  angesprochenen Tieren Räudemilben                 nahme oder im Jahr zuvor Räude auf-
         ebenfalls mikroskopiert (Totnachweis).                  nachgewiesen werden. Dabei lag die Ra-            trat. Dadurch könnte die Anzahl der
                                                                 te beim Steinwild (15 von 23) höher als           positiven Proben höher sein, als nach
                                                                 beim Gamswild (21 von 37) was in Proz-            Jahren ohne Räude, da möglicherweise
     Ergebnisse                                                  entzahlen ausgedrückt 65 % stillen Mil-           mehr Tiere zum Zeitpunkt der Proben-
     Um abzusichern, dass die angewandte Me-                     benträgern beim Steinwild und 57 % beim           nahme befallen waren.
     thodik keine Fehlerquellen besitzt, stamm-                  Gamswild entspricht.                           2.		Andererseits wurde von jedem Stück
                                                                                                                   lediglich ein Lauscher untersucht, Mil-
                                                                                                                   ben können aber an vielen Stellen am
                                                                                                                   Körper vorkommen. Möglicherweise ist
        40                                                                                                         dadurch der tatsächliche Anteil der Mil-
                      als unverdächtig erlegt                                                                      benträger in der Untersuchung sogar
        35                                                                                                         unterrepräsentiert.
                      Nachweis Milben
        30
                                                                                                                Um weitere Erkenntnisse zu gewinnen,
                                                                                                                wird diese Untersuchung im heurigen Jagd-
        25
                                                                                                                jahr weitergeführt. Zusätzlich soll diese
        20                                                                                                      Untersuchung nach einem längeren Zeit-
                                                                                                                raum ohne bekannte Räudefälle wiederholt
        15                                                                                                      werden, um zu eruieren, ob sich der Anteil
                                                                                                                stiller Milbenträger in Phasen, in der die
        10                                                                                                      Räude auftritt, von Zeiten ohne Räude un-
                                                                                                                terscheidet.
          5                                                                                                     Der Nationalpark Hohe Tauern möchte
                                                                                                                sich bei allen Jägern, die Proben gesam-
          0                                                                                                     melt haben und dem Sponsor, der Stiegl-
                               Steinwild                                     Gamswild                           brauerei zu Salzburg, welche die Steinwild-
                                                                                                                forschung im Nationalpark Hohe Tauern
     Abb. 2: Anteil der Milbenträger auf als unverdächtig erlegten Stücken                                      unterstützt, bedanken.                   ❙

26   JAGD IN TIROL 09 | 2018                                                                                                                         Fotos: Greßmann (2)
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