Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes - September 2018 Jahrgang 70 www.tjv.at - Tiroler Jägerverband
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ZUM GELEIT Wenn sogenannte „NGOs“ immer professioneller werden! D er Begriff NGO ist eine gängige Abkürzung für Non-Governmental Organiza- tion. Auf Deutsch: eine „Nichtregierungsorganisation“. Früher nannte man diese NGOs schlicht Vereine, Verbünde, Verbände oder Initiativen. Auch der Tiroler Jäger- verband ist eine NGO, die auf dem Tiroler Jagdgesetz basiert. In Wirklichkeit verbirgt sich hinter der grauenhaften Abkürzung aber ein in den letzten Jahren explosionsar- tig gewachsenes Geschäftsmodell. Es gibt NGOs für – oder sollte man sagen „gegen“ – alles. Besonders wenn es um Natur- und Umweltschutz und Globalisierung geht, gibt es NGOs zuhauf! Meist mit nicht zu knappem Management und professionellen Mitarbeitern, die vorgeben, die Interessen und Ziele ihrer zahlenden Mitglieder zu vertreten, ausgestattet, wird agitiert, polemisiert und vornehmlich Fundraising (das Werben um neue Mitgliedsbeiträge) betrieben. Oft unter dem Anschein, Gutes tun und Schlechtes verhindern zu wollen. Nun möchte ich beileibe nicht alle diese Vereine und Initiativen kritisieren – viele sind tatsächlich angetreten, um die Welt ein Stück besser zu machen. Was allerdings die „Rückkehr“ von Großraubtieren in unseren engen alpinen Lebensraum angeht, wird hier professionelle Verantwortungslosigkeit zum Tagesgeschäft einiger dieser „Organisationen“. Mit großen Budgets machen WWF und Co. in zumeist urbanen Gefilden Stimmung für Wolf und Bär und streuen den Menschen dort Sand in die städtisch-unwissenden Augen! Von Herdenschutz wird großspurig geredet und ge- flissentlich auf die Faktenlage vergessen – Herdenschutz in dicht besiedelten und touristisch genutzten Regionen ist schlicht nicht umsetzbar. Genauso wie Einzäu- nungen im alpinen Gelände nur auf dem grünen Tisch funktionieren. Die Gefahr für Mensch und Haustier wird in fahrlässiger Weise heruntergespielt und alle, die sich gegen eine unkontrollierte Rückholung dieser durchaus gefährlichen Raubtiere aussprechen, werden pauschal verunglimpft. Dass der Jägerschaft unterstellt wird, nur am Abschuss dieser Tiere interessiert zu sein, ist schließlich ein weiteres Puzzleteil der wohlorganisierten Propaganda! Dazu sei klargestellt: Wir JägerInnen sind weder daran interessiert, Bär und Wolf zu bejagen, noch im Ernstfall als problemlösende Sündenböcke herhalten zu müssen! Wir aber sorgen uns mit unseren Partnern vor Ort, den Menschen in den Hochtälern und in der Peripherie sowie der heimischen Landwirtschaft um eine funktionierende Kulturlandschaft – die nicht ohne Grund von unseren Vorfahren ohne Bär und ohne Wolf kreiert wurde! Das sollten alle, die aus purem Eigeninteresse oder mit pseudo-wissenschaftlicher Expertise ausgestattet eine schrankenlose Rückholung befürworten, bedenken. ❙ Weidmannsheil! Anton Larcher Landesjägermeister von Tirol Foto: Kirchmair (1) JAGD JAGD IN TIROL IN TIROL 07-08 09 | 2018 3
18 Bartgeier: Der Blick nach oben! 30 Pirschen und Tarnen: Die vier Verräter im Revier Gamswild – Ansprechen 10 3 ZUM GELEIT 22 Serie Wildtierkrankheiten: 40 Produkttest: Trittsicher und vielseitig – Fliegenmadenbefall (Myiasis) Dachstein Mont Blanc GTX 6 FOTO DES MONATS 24 Räude: Der Anteil stiller Milbenträger 42 Gamswild: Herbstzählung Gamswild – Endspurt 1. landesweites Monitoring 44 Hirschrufen: Die hohe Kunst des ■ FORSCHUNG & PRAXIS Hirschrufens 08 Bär im Dreiländereck Tirol-Südtirol- ■ WALD & LEBENSRAUM 50 Jägerwissen auf dem Prüfstand: Graubünden unterwegs Testen Sie Ihr Wissen 27 Pflanzenserie: Blauer Eisenhut 08 VwGH: Abschuss von Graureihern unter (Aconitum napellus L.) bestimmten Voraussetzungen zulässig 09 DSGVO: Neue Regelung zu Wildkameras ■ JAGD & GESCHICHTE 09 Reviere: Perückenbock 52 Kunst: Die Karrenbüchse 09 Reviere: Weißes Gamskitz ■ JÄGER & REVIER 09 Reviere: Blinder Rehbock 30 „Die vier Verräter im Revier“: ■ INFO & SERVICE Teil 1 – Der menschliche Geruch ■ WILD & ÖKOLOGIE 36 Reportage: Voller Durchblick in der 54 Mitteilungen der Geschäftsstelle Tiermedizin 56 Jubilare im September 2018 10 Gamswild – Ansprechen 38 Reportage: Unter den Zahn gefühlt: 58 TJV-Akademie 18 Bartgeier: Der Blick nach oben! Das Geheimnis des Stoffwechsels 63 Aus den Bezirken 4 JAGD IN TIROL 09 | 2018 Fotos: Prem (1), Mark Caunt/shutterstock (1), Heinz (1)
INHALT WILD| IMPRESSUM & ÖKOLOGIE 77 Jagdhunde 42 Gamswild: Herbstzählung Gamswild – Endspurt 1. landesweites Monitoring 44 Hirschrufen: Die hohe Kunst des Hirschrufens IMPRESSUM Herausgeber Medieninhaber (Verleger): Tiroler Jägerverband, Meinhardstraße 9, 6020 Innsbruck, Tel.: 0512-57 10 93, 0800-244 177 Fax: 0512-57 10 93-15, E-Mail: info@tjv.at Schriftleitung: Mag. Martin Schwärzler (TJV) 69 Veranstaltungen Layout: Evelyn Schreder (Bezirksblätter) 72 Jagdkultur Hersteller und Anzeigenverwaltung: 72 Vereine Bezirksblätter Tirol GmbH, Eduard-Bodem-Gasse 6, 73 Jäger in der Schule 6020 Innsbruck, Tel.: 0512-320 4111, 74 Autotest: VW T-Roc Zeitschrift des Tiroler Jägerverbandes Fax: 0512-320 720, E-Mail: jagd@jagdintirol.com 76 Kulinarium: Gams-Piccata an September 2018 • Jahrgang 70 www.tjv.at Fenchel-Tomaten-Gemüse Redaktion: TJV (Martin Schwärzler, Martina Just, Christine Lettl, Miriam Traube, Anja Waldburger), ■ JAGDHUNDE Bezirksblätter Tirol Produktion, Bildbearbeitung: Evelyn Schreder 77 Bezirkshundetag der Nachsuchestation Kitzbühel „Jagd in Tirol” wird an alle Mitglieder des Tiroler Jägerver- bandes kostenfrei abgegeben. Sie ist eine Fachzeitschrift, 78 Vereine welche die behördlichen Kundmachungen und Verlaut- barungen zu veröffentlichen hat und zusätzlich über grund- sätzliche Fragen und aktuelle Ereignisse auf dem Gebiet ■ HUMORVOLLES des Jagdwesens, des Naturschutzes usw. informiert. „Jagd in Tirol” erscheint am Monatsanfang. Redaktionsschluss ist 80 Klavinius der 10. des Vormonats. Für unverlangte Manuskripte und Bilder wird keine Verantwortung übernommen. Namentlich Das Titelbild dieser Ausgabe stammt oder mit Kürzel gezeichnete Beiträge geben nicht unbe- 81 JAGDMARKT-ANZEIGEN von Ernst Zauser. dingt die Meinung von Redaktion und Herausgeber wieder. Fotos: Kirchmair (2), Capture Light/shutterstock (1) JAGD JAGD IN TIROL IN TIROL 07-08 09 | 2018 5
Ein bunter Vogel Der Stieglitz sucht gerne erhöhte Singwarten auf, von denen aus er seinen hastig wirkenden Gesang vorträgt. Unter den heimischen Sing- vögeln ist er der bunteste und mit seiner gelb- en Flügelbinde auch im Flug gut zu erkennen. Das Foto des Monats wurde von Otto Wechner aus Berwang aufgenommen. 6 JAGD IN TIROL 09 | 2018
SEPTEMBER 2018 FOTO WILDDES & ÖKOLOGIE MONATS Wir suchen: IHR FOTO DES MONATS Fotografiebegeisterte Leser der „JAGD IN TIROL“ sind eingeladen, ihr „Foto des Monats“ an die Redaktion (foto@tjv.at) zu senden. Die Aufnahme sollte ein inte- ressantes Motiv aus Natur, Wald und Wild, Jagd, Forst oder Revierbetreuung abbilden. Eine kurze Erläuterung zur Person des Fotografen, dem Aufnahmeort und den näheren Umständen der Aufnahme wären wünschenswert. Als Gewinn winken die Veröffent- lichung als „Foto des Monats“ samt Erwähnung des Fotografen in der JAGD IN TIROL, die Aufnahme in die TJV-Bildergalerie sowie ein Victorinox HUNTER Taschenmesser mit TJV-Logo. Einsendeschluss: 07. des Vormonats an foto@tjv.at Die Bilder sollten eine Dateigröße von ca. 5 MB haben. Die Teilnahme erfolgt durch Übersendung eines oder mehrerer Fotos ausschließlich per E-Mail. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Teilnehmer gewährleisten, dass sie an den übermittelten Fotos sämtliche Rechte un- eingeschränkt besitzen und keine Rechte Dritter berühren. Insbesondere bei der Dar- stellung von Personen versichern die Teil- nehmer, dass keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden und die abgebildeten Personen mit einer Veröffentlichung ihres Bildes einverstanden sind. Die Teilnehmer räumen dem TJV mit der Einsendung und Teilnahme uneingeschränkt das Recht ein, übermittelte Fotos unentgeltlich und in sämtlichen Medien zu nutzen und zu ver- öffentlichen. JAGD IN TIROL 09 | 2018 7
FORSCHUNG & PRAXIS AKTUELLES Bär im Dreiländereck Tirol- Südtirol-Graubünden unterwegs S eit nun drei Monaten kann im Grenz- gebiet Tirol-Südtirol-Graubünden immer wieder die Anwesenheit von Mei- und Schäden an Bienenhäusern allesamt aus dem benachbarten Graubünden. Zu- letzt hat der Bär am 11. August drei Bie- ster Petz bestätigt werden. Erstmals auf- nenstöcke im Puschlav geplündert. Ob es getaucht ist der Bär Ende Mai in der Un- sich bei den verschiedenen Nachweisen terengadiner Gemeinde Tschlin. Etwas um ein und denselben Bären handelt, ist später konnten auch die italienischen Be- nicht bekannt, denn es konnten keine da- hörden einen Bären nachweisen. In Süd- zu notwendigen DNA-Nachweise gesam- tirol kam es nebst einer Sichtung auch zu melt werden. Die Anwesenheit von Bären mehreren Bienenschäden. Am 26. Juni in diesem Dreiländereck ist nicht neu und wurden im Radurschl, Gemeinde Pfunds, daher ist damit zu rechnen, dass auch in die ersten Nachweise aus Tirol gemeldet. Tirol früher oder später erneut Spuren auf- Nachdem es im Tal zu weiteren Bienen- tauchen. Der Tiroler Jägerverband bittet, schäden kam, konnte ein Jäger aus Pfunds allfällige Hinweise zur Anwesenheit von den Bären beobachten und sogar filmen. Meister Petz an das Land Tirol (Dr. Martin In den Tagen darauf ist der Bär offensicht- Janovsky) oder die Wildtierökologinnen lich aus Tirol verschwunden. So stammen Sandro Thöni aus Pfunds ist dem Bären begegnet und des Tiroler Jägerverbandes zu melden. ❙ die letzten Meldungen zu Bärensichtungen konnte ihn über eine längere Zeit beobachten und filmen. TJV VwGH: Abschuss von Graureihern unter bestimmten Voraussetzungen zulässig N achdem der Antrag eines Fischereibe- rechtigten an eine Bezirkshauptmann- schaft, den Abschuss von zumindest zwei Graureihern zu verfügen, abgewiesen wurde, wies auch das Landesverwaltungsgericht Ti- rol die dagegen erhobene Beschwerde mit der Begründung ab, dass im konkreten Fall von Schäden durch (ganzjährig geschonte) Grau- reiher die gesetzlichen Voraussetzungen im Sinne der Legaldefinition von Wildschäden nach dem TJG nicht gegeben seien. Aufgrund der dagegen eingebrachten Revi- sion an den VwGH verwies dieser in seiner Entscheidung vom 19.06.2018 auf die uni- onsrechtliche Umschreibung des Schadens- begriffes nach der Vogelschutzrichtlinie und stellte fest, dass auch der innerstaat- liche Schadensbegriff – konkret § 2 Abs. 7 Graureiher ernähren sich von Fischen, Kleinsäugern, Fröschen, Insekten und Würmern. Ihr täglicher Nahrungsbedarf im Anwendungsbereich des § 52 TJG – im beläuft sich auf 400 bis 700 g. Lichte des Wortlautes und des Zweckes der Vogelschutzrichtlinie auszulegen und anzu- gemäß könne auch von den Schutzbestim- dig sei. Die unionsrechtlich konforme Aus- wenden sei. Dies insofern die Vogelschutz- mungen der Vogelschutzrichtlinie abgewi- legung des Wildschadensbegriffs nach § 52 richtlinie, die auch mit § 52 TJG umgesetzt chen werden, wenn dies gemäß der Richt- habe dem Inhalt und den Zielen der Vogel- werden soll, das Ziel hat, die Bewirtschaf- linie zur Abwendung erheblicher Schäden schutzrichtlinie zu entsprechen und könne tung, Regulierung und Nutzung sämtlicher an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern, diesen daher nicht einschränken. ❙ wildlebender Vogelarten zu regeln. Dem- Fischereigebieten und Gewässern notwen- M. Schwärzler 8 JAGD IN TIROL 09 | 2018 Fotos: Thöni (1), Zacarias Pereira da Mata/shutterstock (1)
AKTUELLES | REVIERE FORSCHUNG & PRAXIS DSGVO: Neue Regelung Perückenbock zu Wildkameras E in kräftiges Weidmannsheil dem Baumeister Sebastian Resch (rechts) mit Pirschführer N ach der bisherigen Rechtslage war die Verwendung von Wildkame- ras nach den datenschutzrechtlichen tifizierung solcher Personen eignen, gerichtet ist (vgl. § 12 Abs. 3 DSG idgF). Fritz Vötter (links) und Hündin Bora (Aufnahme Schlichtenhof Jochberg, Bezirk Kitzbühel). Der Perückenbock wurde am 11. Juli 2018 in der EJ Bestimmungen nur in sehr einge- Zum Zweck der Erfassung und Beo- Jochberg erlegt. ❙ schränktem Ausmaß möglich. So war bachtung des Wildbestandes besteht Georg Hochfilzer der Einsatz von Wildkameras, was die ein solches Dokumentationsinteres- Revierbetreuung in Tirol anbelangt, se, das nicht auf die Identifikation bislang zur Wildbestandserhebung an von Personen gerichtet ist. Fütterungsanlagen nur bei entspre- chender Anmeldung mit gleichzei- Konkret gilt die neue Rechtslage tiger Kennzeichnung (Hinweistafeln) betreffend: der Wildkameras möglich. Nach der neuen EU-Datenschutz- ➠Wildkameras sind nicht mehr Grundverordnung (DSGVO) haben meldepflichtig und nicht mehr sich wesentliche Erleichterungen kennzeichnungspflichtig. betreffend die Verwendung der „Da- ➠Vom verantwortlichen Anwender tenanwendung Wildkamera“ erge- der Wildkameras (Jäger) ist ein ben, insofern Bildaufnahmen zuläs- internes Verzeichnis über dessen sig sind, wenn ein überwiegendes Name und Kontaktdaten, Zwecke berechtigtes Dokumentationsinte- der Verarbeitung (Erfassung resse des Verantwortlichen daran be- Wildbestand) und Beschreibung steht, das nicht auf die identifizieren- von potentiell betroffenen de Erfassung unbeteiligter Personen Personengruppen (z. B. Pilzsucher, oder die gezielte Erfassung von Ob- Wanderer …) zu führen. ❙ jekten, die sich zur mittelbaren Iden- M. Schwärzler Blinder Rehbock Weißes Gamskitz I n der Jagd Mitteregg im Außerfern erlegte Hubert Amann einen blinden Reh- D as abgebildete Gamskitz wurde im Raum Branden- berg/Thiersee von Franz Egger fotografiert. Um die weitere Entwicklung dieses besonderen Kitzes verfol- bock, um ihn von seinem gen zu können, wären weitere Informationen und Mel- Leid zu erlösen. Beim Aus- dungen zu Sichtungen an den Tiroler Jägerverband sehr lösen des Hauptes kam es hilfreich. ❙ allerdings zu einer Überra- TJV schung: Bei der Bearbeitung mit dem Messer stieß er im erblindeten Auge des Bockes auf einen harten Widerstand. Dieser stellte sich als Über- rest eines Astes, vermutlich von einer alten Verletzung, heraus, der wahrscheinlich die Blindheit verursacht hat. Vor dem Auslösen war inte- ressanterweise nichts davon zu erkennen, da der Fremd- körper komplett in den Schädel eingedrungen war. ❙ TJV Fotos: Huber (1), Egger (1), Hochfilzer (1) JAGD IN TIROL 09 | 2018 9
WILD & ÖKOLOGIE XXX Gamswild – Ansprechen Das Ansprechen von Gamswild auf Alter und Geschlecht mag für die meisten Jäger zum Grundlagenwissen gehören – was sich anfangs einfach anhört, ist im Feld aber oft doch nicht mehr ganz so einfach und schon einige geübte Gamsjäger haben sich trotz vermeintlicher Sicherheit getäuscht. Denn wie in der Natur üblich, verhält sich nicht immer alles nach Regeln und Normen, so auch die Entwicklung eines einzelnen Stückes Gamswild. Daher sind dem Ansprechen von Gamswild Grenzen gesetzt. Autoren: Martina Just, WM Robert Prem 10 JAGD IN TIROL 09 | 2018 Foto: xxxxx
GAMSWILD ANSPRECHEN WILD & ÖKOLOGIE D as wohl Wichtigste beim Anspre- Die Position beim Nässen und der chen ist das regelmäßige Üben im Harnstrahl machen deutlich, dass Gelände am lebenden Stück. Nur so es sich hier um eine Geiß handelt. kann man sein Auge schulen, die Informati- Haben sich die Stücke zum Ruhen oder Wiederkäuen niedergelegt, so onen der verschiedenen Erkennungsmerk- lohnt es sich, zu warten, denn so- male, wie beispielsweise das Verhalten oder bald sie sich erheben, ist die Chance den Körperbau, zu erkennen und zu einem groß, dass sie nässen. Gesamtbild zusammenzufügen. Geiß oder Bock? Noch bevor man sich mit der Altersanspra- che auseinandersetzt, muss zuallererst das Geschlecht des betrachteten Stückes be- stimmt werden. So mancher wird dies mit einem Lächeln abtun, doch draußen in der Natur ist das vermeintlich einfache Anspre- chen auf Bock oder Geiß doch nicht immer ganz so einfach. Die Ausprägung der Krickel kann als Ansprechmerkmal dienen, wobei die Auslage und ihre Länge keine Hinwei- se auf das Geschlecht liefern. Die Krickel der Böcke sind in der Basis stärker und im Querschnitt rund, wodurch der Raum zwi- die Hinterläufe beim Nässen einknickt, bei Weitem nicht ausreichend, sie über eine schen den Schläuchen schmaler ist und sie ändert der Bock die Körperhaltung kaum. Weile zu beobachten, um zu sehen, ob sie V-förmig erscheinen. Die Hakelung der Vereinfacht gesagt: Woher der Harnstrahl ein Kitz säugt. Denn wie auch beim Stein- Bockkrucke ist ausgeprägter, die Hornspitze kommt, verrät uns auch, um welches Ge- wild kommt es beim Gamswild vor, dass ist stärker gebogen und gehakelt. Die Geiß schlecht es sich handelt. Falls sichtbar, sich die Kitze in sogenannten Kindergärten hingegen hat schmalere, in der Basis ovale liefern auch die Brunftkugeln, der Pinsel zusammenschließen und sich für einige Zeit Krickel mit einer meist geringeren Hake- bzw. das Gesäuge oder ein Kitz unmissver- getrennt von ihrer Mutter aufhalten. Diese lung, welche mehr nach hinten als nach un- ständliche Hinweise auf das Geschlecht. Kindergärten werden in der Regel von ei- ten zeigen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, ner älteren Dame mit reichlich Erfahrung so gibt es, je nach Wuchsregion, öfters oder betreut. Wenn möglich, sollten diese Kin- seltener auch sogenannte bockkruckige Gei- Ist die Geiß dergärtnerinnen nicht erlegt werden, denn ßen oder geißkruckige Böcke. führend oder nicht? so übernehmen sie eine wichtige Aufgabe Die Haltung des Stücks beim Nässen und Bei der Gamsgeiß liegt der Fokus des An- innerhalb des Rudels. Vor allem wenn sie die Position des Harnstrahls sind zwei der sprechens nebst dem Alter bei der Frage, erst später im Jahr erlegt werden, bleibt dem sichersten Merkmale. Während die Geiß ob sie ein Kitz führt oder nicht. Dabei ist es Rudel nur noch wenig Zeit, sie zu ersetzen. Die Hakelung der Krucken und ihre Form an der Basis liefern wichtige Hinweise zur Bestimmung des Geschlechts. Vorsicht ist bei den sogenann- ten geißkruckigen Böcken und bockkruckigen Geißen geboten. Fotos: Prem (2), Kirchmair (1), Kolp (1) JAGD IN TIROL 09 | 2018 11
WILD & ÖKOLOGIE GAMSWILD ANSPRECHEN Nach dem Säugen des Kitzes ist das Gesäuge quasi leer und nicht gleich gut sichtbar wie davor. Die Geiß betreut den Kindergarten, während die anderen Geißen unterwegs sind. Kann eine Geiß über einen längeren Zeit- entsprechenden Winkel, ist es möglich, das vor allem auch die Zeit der Brunft, denn nun raum alleine beobachtet werden und ist in etwa faustgroße Gesäuge zu sehen. Hier gilt ist so manche Geiß mehr mit den Böcken als der Umgebung kein Kitz zu finden, so liefert jedoch, Vorsicht walten zu lassen, denn die mit ihrem Kitz beschäftigt und lässt dieses dies noch nicht den Beweis, dass sie nicht Ausprägung des Gesäuges hängt auch da- gerne auch einmal über eine längere Zeit al- führt. Denn die Gelegenheit, kinderlos um- mit zusammen, wie oft die Geiß schon ein leine oder im Kindergarten zurück. Folglich herziehen zu können, wird genutzt, um ab- Kitz geführt hat bzw. wann das Kitz zuletzt ist es während der Brunft besonders wichtig, gelegene Salzlecken oder Äsungseinstände gesäugt wurde. Am einfachsten ist das Zutei- dass man sich beim Ansprechen ausreichend aufzusuchen. Aber auch beim Beobachten len der Kitze zu den entsprechenden Geißen, Zeit nimmt und sich nicht denkt, dass ei- eines Rudels ist es nicht immer einfach, die wenn diese gesäugt werden oder, was jedoch ne Geiß, welche mit der Brunft beschäftigt Kitze den Geißen zuzuordnen, denn sind die dann meist schon zu spät ist, wenn die Tiere ist, nicht führt. Zudem ist das Ansprechen Kleinen so oft mehr damit beschäftigt, mit flüchten. Bei der Flucht besteht ein enger über die Sichtbarkeit des Gesäuges zu dieser den anderen Kitzen zu spielen und das eine Zusammenhang zwischen den beiden, wo- Jahreszeit kaum noch möglich, da die Lak- oder andere Gras zu probieren, als direkt bei bei es vorkommen kann, dass das Kitz den tierung ziemlich eingeschränkt ist. Es wäre ihrer Mutter zu bleiben. Betrachtet man ei- Anschluss verpasst bzw. mit der falschen wohl auch einen Gedanken wert, während ne Geiß von hinten, vorzugsweise aus einem Geiß mitspringt. Kritisch ist beim Gamswild der Brunft auf die Geißenbejagung zu ver- zichten, um dadurch zu verhindern, dass ein Kitz alleine zurückbleibt und somit den Winter nicht überlebt. Daher sollte der Ab- schuss der Geißen möglichst vor der Brunft getätigt werden. Altersansprache: Merkmale kombinieren Bei der Altersansprache darf man sich nicht auf ein Merkmal alleine verlassen, sondern sollte immer mehrere betrachten und das sich daraus ergebende Gesamtbild beurtei- len. Je nach Wuchsgebiet, individueller Ent- wicklung usw. gibt es beim Erscheinungs- bild Unterschiede, aus welchen bei der Betrachtung einzelner Merkmale falsche Der perfekte Blick – diese Geiß führt kein Kitz! 12 JAGD IN TIROL 09 | 2018 Fotos: Kirchmair (1), Prem (2), Mächler (1)
GAMSWILD ANSPRECHEN WILD & ÖKOLOGIE Schlüsse gezogen werden können. Bei der Entwicklung vom Kitz zum alten Stück haben Geiß und Bock einiges gemeinsam. Je älter sie werden, umso kastenförmiger und grobknochiger wird der Körperbau. Der Vorschlag wird größer und ist deut- licher sichtbar. Dadurch scheint es, als ob die Vorderläufe weiter nach hinten rücken und sozusagen in die Körpermitte wandern würden. Darüber hinaus werden sie mit zunehmendem Alter bauchiger, der Rü- cken senkt sich und wirkt durchhängend, wodurch Kruppe und Widerrist etwas her- vortreten. Auch die Flanken fallen ab ca. zehn Jahren langsam ein. Aber Achtung – bei Geißen, welche kurz vor oder nach dem Setzen sind, fallen die Flanken ebenfalls ein, was im Volksmund oft als „Brechen“ bezeichnet wird. Sehr alte Stücke weisen Bei dieser Geiß werden die Alters- ein greises und knochiges Erscheinungs- merkmale wie das knochige Erschei- bild auf, welches durch den Rückgang der nungsbild mit hervortretender Kruppe und Widerrist langsam deutlicher. Muskulatur und folglich das deutlichere Hervortreten der Knochen verursacht wird. Das Alter im Gesicht Auch das Haarkleid verändert sich im Lau- Der Muskelschwund ist auch am Haupt fe der Jahre. Trotz zahlreicher individueller deutlich zu sehen, so treten bei alten Stücken reichen getrennt. Mit zunehmendem Alter, und regionaler Unterschiede sollte die De- die Augenbögen immer deutlicher hervor, ungefähr ab dem achten oder neunten Le- cke nicht vernachlässigt werden. Junge was zu einem knochigen Gesichtsausdruck bensjahr, nimmt der Kontrast durch das Ein- Stücke sind im Winterhaar dunkel, fast führt. Die Form des Hauptes verändert sich wachsen von grauen Haaren ab und die Zü- schwarz gefärbt. Bei den mittelalten Stü- zunehmend, so wird es breiter und geht vom gel wirken zunehmend verwaschen. Bei al- cken, also mit etwa acht bis neun Jahren, Dreieckigen ins Längliche über. Dies ist bei ten Stücken, Geißen ab ca. zwölf Jahren und beginnt die Winterdecke brauner zu wer- den Geißen deutlicher zu sehen als bei den Böcken ab ca. elf Jahren, werden auch die den und stumpfer zu wirken. Während den Böcken, bei welchen die dreieckige Form Dreiecke unterhalb der Kruckenansätze bis kalten Monaten kann die Decke alter Stücke noch eher erhalten bleibt. Am Haupt ist auch hin zu den Lichtern immer verwaschener. strähnig sein und im Sommerhaar wirkt sie ein weiteres und zugleich eines der wich- Die Haltung des Hauptes bzw. des Trägers zudem fahler. Aber Achtung – denn auch tigsten Ansprechmerkmale zu finden – die liefert einen weiteren Anhaltspunkt für die kranke Tiere wirken stumpf und fahl bzw. Zügel. Bei jungen Stücken sind sie deutlich Altersansprache. Trägt das Stück den Träger im Winter strähnig. und in scharfer Linie von den helleren Be- beim ruhigen Ziehen tief und bildet dieser
WILD & ÖKOLOGIE GAMSWILD ANSPRECHEN Die Zügel dieses Bockes sind verwaschen und die Dreiecke unterhalb der Krucken sind nun nicht mehr deutlich zu erkennen. läufiger und haben eine schlanke Statur, was sie im Allgemeinen graziler erscheinen lässt. Das dreieckige, kurze, spitz zulaufende Haupt mit dem dünnen Träger unterstreicht ihren kindlichen Ausdruck. Jährlingsgeißen und Jährlingsböcke lassen sich durch die unterschiedliche Ausprägung der Krucken unterscheiden. Wobei dies bei den Jährlingen nicht immer einfach zu er- kennen ist, es ist also auch hier Geduld ge- fragt und nicht selten muss solange gewartet werden, bis das Stück nässt und man den Harnstrahl sieht. Junge Damen und alte Ladys Junge, zweijährige Geißen weisen noch im- die gerade Verlängerung der Rückenlinie, noch beim Scharwildrudel und lernen von mer ein eher dreieckiges, kurzes, spitz zu- so handelt es sich um ein älteres Stück. Als den erfahrenen Geißen. Die Geißjährlinge laufendes Haupt auf. Im Allgemeinen sind Faustregel gilt: Je älter das Stück, desto tief- halten sich mit Vorliebe in der Nähe des sie schlanker und wirken durch ihre hohen er wird der Träger getragen. Zudem haben Muttertieres auf, während die Jährlings- Läufe graziler. Auch bei ihnen kann oft be- junge Tiere einen schmaleren und dadurch böcke sich lieber etwas absondern und obachtet werden, dass sie sich noch immer länger wirkenden Träger. die sehr selbstständigen ihr Rudel sogar gerne in der Nähe ihrer Mutter aufhalten. verlassen, um mit Gleichaltrigen umher- Im Gegensatz zu den Jährlingsgeißen wer- zuziehen. Generell sind sie noch verspielt, den hier untereinander jedoch bereits die Jährlinge neugierig und weniger aufmerksam als die ersten Rangordnungen mittels Drohen und Die Jährlinge können anhand der Kru- älteren, erfahrenen Stücke – sie sind im- Breitseitimponieren festgelegt. Mit drei Jah- ckenhöhe, ihres jugendlichen Aussehens mer noch Kinder. ren sind sie soweit fertig entwickelt, gut pro- und des spielerischen Verhaltens gut von Die Krucken starker Stücke können bis lau- portioniert und kompakt. Im Vergleich zu den mehrjährigen Stücken und Kitzen un- scherhoch sein und erreichen in der Regel den älteren Geißen ist ihr Haupt aber noch terschieden werden. Oft befinden sie sich eine Länge von 12 bis 15 cm. Jährlinge wir- kürzer, schmaler und spitz zulaufend. Was ken durch ihre Körperproportionen hoch- den Körper betrifft, wären sie nun ausge- Die Jährlinge können deutlich von den Kitzen und mehrjährigen Stücken unterschieden werden. 14 JAGD IN TIROL 09 | 2018 Fotos: Prem (1), Kirchmair (2), Rudigier (1)
GAMSWILD ANSPRECHEN WILD & ÖKOLOGIE alt. Denn je nach körperlicher Verfassung oder Härte des Winters kann es vorkom- men, dass auch mittelalte Geißen aussetzen bzw. verwerfen. Daneben ist auch die Kitz- sterblichkeit hoch und viele Geiß verlie- ren ihr Kitz bereits lange vor dem Winter. Ältere Geißen halten sich gerne etwas ab- seits am Rande des Rudels auf, bleiben aber Eine junge Geiß, welche nicht nur die Ansprechmerkmale junger Stücke zeigt, sondern auch sehr typische Geißkrucken hat, welche in dem Fall sogar kaum eine Hakelung aufweisen. ist das Ansprechen wieder einfacher. Nun wirkt das Haupt länger und breiter, die reift und fähig, ihr erstes Kitz zu setzen. Oft Lichter stehen weiter hervor und der Trä- erfolgt dies jedoch erst im darauffolgenden ger wirkt dünner und aufgesetzt. Bei den Jahr. Bei gut strukturierten Beständen mit Geißen dieser Altersgruppe kann auch beo- einem entsprechenden Altersklassenaufbau bachtet werden, wie sie jüngere Geißen mit später. Wann die Geißen ihr erstes Kitz set- gesenkten Krucken auffordern, Abstand zu zen, hängt auch weiter mit der Populations- halten oder einen begehrten Liegeplatz, der dichte zusammen. vor allem im steilen Gelände oft Mangel- Ab jetzt gestaltet sich das Ansprechen ware ist, freizugeben. Je nach körperlichem schwieriger und es ist notwendig, sie im Zustand lassen die Geißen ab dem Alter Rudel mit den anderen Stücken, vor allem von ca. 14 Jahren beim Setzen vermehrt auch den älteren, ausreichend und mit viel ein Jahr aus, um erst im Folgejahr wieder Das knöchrige, bauchige Erscheinungsbild mit dem Geduld zu vergleichen. Erst wenn mit un- ein Kitz großzuziehen. Aber nicht jede durchhängenden Rücken in Kombination mit der gefähr zehn bis zwölf Jahren die Merkmale Geiß, welche ohne Kitz anzutreffen ist, ist hellen Decke macht deutlich, dass es sich hier um keine junge Dame handelt. des Alters anfangen, deutlicher zu werden, entweder ganz jung oder bereits 14 Jahre MIT SICHERHEIT INS ZIEL UVP 1.699,– Angebotspreis €1.499,– 4 –16x50 mm Aktionszeitraum gültig bis 30.11.2018 1 ZIELFERNROHR · 4 FUNKTIONEN Laser- Ballistik- Integrierter Präzisions- Entfernungs- Rechner Neigungs- Optik messer messer Alle Informationen unter: Verkauf ausschließlich über den Fachhandel www.manfred-alberts.de/laserscope
WILD & ÖKOLOGIE GAMSWILD ANSPRECHEN bietet ihnen die Gelegenheit, sich ihrem Alter entsprechend still und heimlich und vor allem gemütlich zurückzuziehen. Jungspunde und alte Herren Die zweijährigen Böcke wirken noch im- mer kindlich, sind aber von den Jährlin- gen gut zu unterscheiden. Nun halten sie sich in Junggesellengruppen auf, genießen ihre Flegelphase und können dabei nicht selten beim spielerischen Kämpfen und Umherjagen beobachtet werden. In den nächsten zwei Jahren legen die Böcke an Masse zu und beginnen kompakt zu wir- ken. Verglichen mit den älteren Böcken fehlt ihnen jedoch der deutlich hervor- tretende Brustkorb, wodurch der unreife, Dieser mittelalte Bock zeigt einen quadratische Körperbau weiterhin gut zu massigen Körperbau und strotzt erkennen ist. Anschließend, also mit fünf förmlich vor Energie. Hinweise auf Jahren, sind die Böcke fertig entwickelt, ein hohes Alter wie stark verwa- schene Zügel oder ein knöchriges was jedoch nicht mit ihrer Reife bzw. Er- Erscheinungsbild fehlen. fahrung zu verwechseln ist. Beobachtet andere wahre Geltgeiß anzutreffen. Nun man sie bei der Brunft, sieht man schnell, sind die Altersmerkmale, wie der durch- dass die jungen Böcke zwar vor Energie in stetem Kontakt zu diesem. Erreichen sie hängende Bauch, hervortretende Kno- strotzen, aber eher mehr Unruhe in die ein Alter von 17 Jahren, so kann man mit chen, langes Haupt, eingefallene Flanken Brunft bringen und hier ältere, reife Böcke gutem Gewissen von richtig alten Geißen oder das hervortretende Brustbein unü- notwendig sind. Bis zu einem Alter von ca. sprechen. Hier ist nun auch die ein oder bersehbar. Die Winterdecken dieser alten sechs Jahren ziehen sie entweder in einer Geißen verfärben sich nicht mehr ins Tief- Gruppe junger Böcke, in Kleingruppen dunkle und der Wechsel im Frühjahr zum oder zu zweit umher. Erst ab sieben oder Sommerhaar dauert oft außerordentlich acht Jahren werden sie zu Einzelgängern. lang. Diese alten Ladys weichen dem Tru- Nun merkt man, dass sie Erfahrungen ge- bel des Rudels aus und bewegen sich lieber sammelt haben, was sie nervenstärker, auf- irgendwo ganz am Rand oder noch etwas merksamer und vorsichtiger macht. Die weiter weg von den jüngeren Stücken. Ih- Körperentwicklung in dieser Altersgruppe re Randposition ermöglicht es ihnen nicht selten, Gefahren früher zu erkennen und Der sichtbare aber kurze Pinsel, die klar abgetrennten Zügel und das kurze, dreieckige Haupt machen deutlich, dass es sich hier um einen jungen Bock handelt. 16 JAGD IN TIROL 09 | 2018 Fotos: Kolp (1), Prem (1)
GAMSWILD ANSPRECHEN WILD & ÖKOLOGIE ist individuell sehr unterschiedlich, was ei- langes Haarbüschel, welches schon von ne aufs Jahr genaue Ansprache schwierig weitem gut sichtbar ist. Bei den alten Grei- macht. Auch wenn sie im Alter von sechs sen wird der Pinsel wieder schmaler. bis zehn ihre besten Jahre erleben, haben sie erst gegen Ende dieser Altersgruppe die notwendige Reife, um für eine ruhige und Wer das Schauen nicht kann, kurze Brunft zu sorgen. Folglich kann man wird das Jagen nie können! sagen, dass sie ab elf Jahren gestandene Nach einem starken Winter, wie wir den Böcke sind, die mit der entsprechenden letzten erlebt haben, wirkt das Gamswild Erfahrung und einem derben Körperbau, oft älter bzw. gezeichneter als es in Wahr- welcher über ein deutlich hervorragendes heit ist. Dies ist vor allem auch am Haupt Brustbein verfügt, punkten und sich nur zu sehen, so ist es grauer und wirkt dadurch noch selten an den berühmten Hetzjagden älter. Auch darum ist beim Ansprechen von beteiligen. Von nun an sind auch die oben Gamswild viel Geduld und Übung gefragt. genannten Erkennungsmerkmale des Al- Die Kombination aus den einzelnen Merk- ters gut zu sehen. malen liefert zwar meist ein gutes Gesamt- bild, aber Achtung, denn nicht alle Stücke halten sich an die Regeln und Normen dieser Hinweis Männlichkeit Merkmale und so wurde schon manch, auch Betrachtet man die Männlichkeit der erfahrener Gamsjäger getäuscht. Es ist also Böcke, so können die Brunftkugeln und wichtig, dass man sich mit dieser Wildart der Pinsel zusätzliche Informationen zum intensiv auseinandersetzt und sich vor allem Alter liefern. Ab dem dritten oder vierten auch mit den Ausprägungen der Merkmale Lebensjahr ist der Hodensack, vor allem im jeweiligen Wuchsgebiet beschäftigt. ❙ im Sommerhaar, sichtbar. In der Winter- decke lässt sich ab einem Alter von drei Jahren der Pinsel in Form eines feinen, Nur wer Geduld hat und sich Zeit nimmt, wird die Kunst des Gamsansprechens lernen. kurzen Haarstrangs erkennen. Mit stei- gendem Alter wird daraus ein breites, Foto: Prem (1) JAGD IN TIROL 09 | 2018 17
WILD & ÖKOLOGIE XXX Der Blick nach oben! Die heimischen Schalenwildarten stehen im Fokus der meisten Jäger. Stundenlang werden Hänge abgesucht und Kare ausgespäht. Vergleichsweise selten richtet sich der Blick bewusst in den Himmel und viele Beobachtungen größerer Vogelarten ergeben sich eher zufällig durch am Hang entlangstreichende Individuen als durch aktive Suche. Autor: Dr. Gunther Greßmann N icht so jedes Jahr an einigen Tagen im Oktober. Gedankensplitter Denn dann finden die alpenweiten Bartgeierbe- Man kann über Wiederansiedlungen denken, wie obachtungstage statt. Alljährlich helfen dabei man will. Auch wenn der Mensch immer mehr Fläche zahlreiche Jäger aus ganz Österreich bzw. dem Alpen- für seine Interessen in Anspruch nimmt, sollte un- raum mit, den Bartgeierbestand so gut wie möglich zu sere Gesellschaft bemüht sein, die Artenvielfalt erfassen. Wie bei Zählungen anderer Arten lassen sich zu erhalten, zumal man bis heute nicht weiß, klarerweise keine absoluten Zahlen erfassen, aber im wie verflochten tatsächlich Ökosy- langjährigen Trend in Verbindung mit der jeweiligen steme funktionieren, so man die Witterungssituation lassen sich Tendenzen erkennen, Zusammenhänge überhaupt welche in der Gesamtschau mit Einzelmeldungen einen je verstehen können wird. guten Überblick über die Entwicklung der Alpenpopu- Auch wenn der Bart- lation ergeben. 18 JAGD IN TIROL 09 | 2018
BARTGEIER WILD & ÖKOLOGIE geier nicht zu den jagdbaren Arten gehört, Eine Erfolgsgeschichte da die genetische Bandbreite sehr klein ist der Wert eines Reviers kann unter anderem Seit 1986 werden Bartgeier wieder im Al- und zumindest eine Zeit lang seltene gene- auch über die zu beobachtende Artenviel- penraum angesiedelt. Bis dato wurden 223 tische Linien in der Zucht zurückbehalten falt allgemein definiert werden. Vielleicht Tiere im Alpenbogen freigelassen sowie 20 wurden. Dies deshalb, da das Überleben würde dem einen oder anderen beispiels- weitere Tiere im französischen Zentral- und die Fortpflanzung bzw. Vermehrung weise das Rotwild als einzige Art im Re- massiv, um eine Brücke zu der bestehen- dieser Linien in Gefangenschaft mit grö- vier eine Zeit lang genügen – viel von der den Population in den Pyrenäen zu schla- ßerer Wahrscheinlichkeit als im Freiland Spannung eines Reviers ginge damit in je- gen, was langsam auch zu gelingen scheint. gegeben ist. Vereinfacht gesagt, um keine dem Fall verloren. Und wäre dies nicht der Heute wird der Gesamtbestand in den Al- Risiken für die Arterhaltung, welche vor- Fall, müssten wohl einige hinterfragen, ob pen auf rund 250 Tiere geschätzt. Seit 1997 erst über das Zuchtprogramm gesichert manches Argument, welches zur Rechtfer- kommen zusätzlich zu den freigelassenen werden musste, einzugehen, gelangten tigung der Jagd gerne bedient wird, nicht Vögeln auch Jungvögel von Freilandbru- lange nur Vögel von häufiger vorhandenen doch nur eine leere Worthülse ist. ten hinzu. So sind bis 2017 insgesamt 214 genetischen Linien ins Freiland. Erst in In Österreich hat der Nationalpark Hohe Wildbruten geglückt – ungeachtet der da- den letzten Jahren hat man begonnen, Tauern die Schirmherrschaft für die Frei- nach in der Natur üblichen Ausfälle. In auch seltenere Linien freizusetzen. Dies lassungen im Rahmen des alpenweiten Österreich hinkt der Erfolg mit im letzten ist mit auch ein Grund, warum vermutlich Bartgeierwiederansiedlungsprojektes in Winter drei bestätigten brutfähigen Paa- noch Freilassungen folgen werden, aber den letzten Jahrzehnten übernommen, ren noch hinterher. In den letzten sechs auch die Notwendigkeit, Brücken zu noch denn der Erhalt Jahren wurden von zwei Paaren, welche bestehenden Populationen (beispielsweise der Biodiversität regelmäßig gebrütet haben, im Durch- Griechenland) zu bilden, ist nach wie vor ist eine der vor- schnitt lediglich 1,2 Jungvögel alljährlich von Bedeutung. Gleichzeitig verdeutlicht gegebenen Kern- zum Ausfliegen gebracht. Wenn sich diese es auch, dass jeder Verlust dieses zwar aufgaben eines Situation nicht verbessert und die Frei- langlebigen, aber spät mit der Nationalparks. lassungen beendet werden, stellt sich die Reproduktion beginnenden Wie man zum Bart- Frage, ob diese Zahl (wenn sich nicht wei- Vogels im Freiland, bei- geier steht, bleibt aber tere Paare etablieren) die Ausfälle, die ja jedem selbst überlassen oft nicht bekannt sind, langfristig aufwie- – man kann an alten My- gen kann. Doch auch alpenweit betrach- then festhalten, ohne sie je selbst tet kann die Population vermutlich noch gesehen zu haben, sich einfach nur nicht als gesichert angesehen werden, an seinem Anblick erfreuen oder auch seine Rolle im Ökosystem anerkennen. Foto: Pascal Halder/shutterstock (1) JAGD IN TIROL 09 | 2018 19
WILD & ÖKOLOGIE BARTGEIER spielsweise durch eine Bleivergiftung, verschiedenen Bausteinen zusammen. Ne- Hilfe von Beobachtern vor Ort angewiesen, schmerzliche Folgen für das Projekt nach ben einem genetischen Monitoring und der denn Bartgeier können problemlos mehre- sich zieht. Mit ein Grund, warum sich der Überwachung von etablierten Brutpaaren re 100 Kilometer am Tag zurücklegen. So- Nationalpark Hohe Tauern dem Thema werden freigelassene Jungvögel beringt, mit stellen die Meldungen von einzelnen „bleifreie Munition“ in der Vergangenheit markiert und seit Längerem auch mit GPS- Sichtungen einen entscheidenden Faktor in verstärkt angenommen hat. Sendern versehen. Leider sind Fußringe im einem großen Mosaik dar. Aber auch nicht Freiland nur selten zu erkennen, die Mar- markierte Tiere können wertvolle Hin- kierungen in Form von gebleichten Federn weise zur Verbreitung und Häufigkeit von Das Monitoring nach der ersten Mauser verschwunden und Bartgeiern geben, da sie sich beispielsweise Ein wichtiges Element in der Überwachung die Laufzeit der Sender in den meisten über individuelle Mausermuster (fehlende und Beurteilung von Populationen ist das Fällen begrenzt. Dennoch liefern die so Federn) oft über längere Zeiträume erken- Beobachten und Analysieren von in Er- gewonnenen Daten zumindest über eini- nen lassen. Zumindest können sie über die fahrung gebrachten Werten. Denn nur so ge Jahre wichtige Erkenntnisse. Abgesehen arttypische Veränderung der Federlängen, können Entwicklungen erkannt und ziel- von den Senderdaten, so welche vorhanden -formen und -färbung einer Altersklasse führende Maßnahmen gesetzt werden. Das sind, können aber die anderen beiden Er- zugeordnet werden. Monitoring stellt somit den Grundstein für kennungsmerkmale nur Aussagen liefern, das langfristige Überleben der Bartgeier- wenn Beobachtungen dieser Tiere weiter- Alpenpopulation dar und setzt sich aus geleitet werden. Und hier ist man auf die Beobachtungstage Und nicht zuletzt liefern die Zahlen, welche bei den internationalen Zähltagen ermittelt werden, einen weiteren guten Richtwert in der Zusammenschau mit den über das ganze Jahr gesammelten Daten. Diese Be- obachtungstage finden heuer von 6. bis 14. Oktober statt, mit dem Schwerpunkt am 6. Oktober von (mindestens) 10.00 bis 14.00 Uhr. Wie die letzten Jahre gezeigt ha- ben, unterstützen zahlreiche Personen die- se Zähltage in ganz Österreich. Entweder melden sie sich im Vorfeld beim Bartgeier- Team und halten nach Absprache von fixen Punkten aus Ausschau nach Bartgeiern oder im Rahmen von frei gewählten Bergtouren wird verstärkt nach diesen Tieren Ausschau gehalten und etwaige Beobachtungen ge- meldet. Nützlich sind in jedem Fall (neben Feldstecher oder vielleicht Spektiv), Fotoap- parat und Schreibutensilien, um die Uhrzeit der Beobachtung oder die Lage von Markie- rungen im Federkleid gleich vor Ort fest- halten zu können. Am letztjährigen Zähltag wurden in Tirol sieben der etwas über 20 für Österreich angenommen Bartgeier bestätigt. Diese Vögel im Freiland zu erleben, beein- druckt immer wieder. Also, vielleicht haben auch Sie Lust, an diesem Tag ein wenig öfter in den Himmel zu blicken. ❙ Kontakt für die heurigen Bartgeierzähltage Nationalparkverwaltung Hohe Tauern, Mittersill, DI Ferdinand Lainer Gerlos Straße 12, 2.OG, 5730 Mittersill Die Unterscheidung von jungen und ausgewachsenen Tieren ist bei Bartgeiern relativ einfach: Während Tel.: 0664/3436293 der junge Geier (oben) dunkles Gefieder, vor allem im Kopf- und Halsbereich zeigt, beeindruckt der E-Mail: ferdinand.lainer@salzburg.gv.at erwachsene Geier (unten) mit seiner kontrastreichen Gesichtsfärbung, dem hellbraunen bis rötlichen oder beobachtung@gmx.net Haupt- und Brustgefieder und dem namensgebenden, schwarzen Bart. 20 JAGD IN TIROL 09 | 2018 Fotos: Erni/shutterstock (2)
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WILD & ÖKOLOGIE WILDTIERKRANKHEITEN Serie Wildtierkrankheiten: (Myiasis) Fliegenmadenbefall Die warmen Sommermonate bringen für Tierärzte des Öfteren eine große Herausforderung – die Befreiung geschwächter Tiere vom Befall mit Fliegenmaden. Autor: Mag. Christian Messner, Sprengeltierarzt Schwaz I n erster Linie gefährdet in unseren Brei- die Verletzungen, Geschwüre, Ekzeme ten sind Schafe sowie Hauskaninchen oder durchfallverschmutzte Hautpartien und Igel, aber auch viele Wildtiere, vor aufweisen. Oftmals genügt bereits eine allem geschwächte Jungtiere, fallen dieser verminderte Abwehrtätigkeit, um einen Parasitose zum Opfer. massiven Befall erdulden zu müssen. Aus Verantwortlich dafür sind Goldfliegen, diesen anhaftenden Eipaketen schlüpfen Schmeißfliegen der Gattungen Callipho- ra, Lucilia und Chrysomia sowie Fleisch- fliegen der Gattungen Sarcophaga und Goldfliegen werden über weite Entfernungen von Wohlfahrtia. Diese legen ihre Eier an den der Ausdünstung verletzter Wildtiere angezogen. Haaren und Federn von Wirtstieren ab, 22 JAGD IN TIROL 09 | 2018 Fotos: Kolp (1), Messner (5)
WILDTIERKRANKHEITEN WILD & ÖKOLOGIE Die verschiedenen Fliegenarten legen ihre Eier an unterschiedlichen Orten des Wirtstieres ab. links oben: Eipakete im Windfang eines Gamsbockes. links unten: Durch Madenbefall geschädigte Haut eines Rehkitzes. Mitte: Fliegenmaden in der Analumgebung eines Rehkitzes. rechts: Fliegenmaden in der Scheidenöffnung eines Rehkitzes meist bereits innerhalb eines Tages Larven be und unter zerstörten Hautpartien. Mit zugtes Ziel für die Eiablage der Fliegen. (Fliegenmaden), die sich von Haut- und dem Tode des Wirtstieres steht dem Flie- Besondere Bedeutung kommt den Fliegen- Bindegewebsbestandteilen sowie von Bak- gennachwuchs schlussendlich der gesamte maden in der entomologischen Forensik terien und Exsudaten ernähren. Durch die Kadaver zur Verfügung, der auch unter zu, weil aus deren Art und Größe recht zu- fortschreitende exsudative Entzündung Mithilfe anderer Aasverwerter fein säuber- verlässig auf den Todeszeitpunkt und auf wird die Haut kraterartig zerstört und die lich zersetzt wird. Nach 5 bis 12 Tagen ver- die Liegedauer von Leichen geschlossen nässenden Partien verströmen einen cha- puppen sich die Fliegenmaden im Boden, werden kann. rakteristischen fauligen Geruch, von dem woraus nach 1 bis 3 Wochen wiederum die In der Humanmedizin werden gezüchtete weitere Fliegen magisch angezogen wer- nächste Generation Fliegen hervorgeht. Maden bestimmter Fliegenarten gezielt den. Die Maden dringen auch bevorzugt in In der warmen Jahreszeit erlegtes Wild ist, unter kontrollierten Bedingungen zur sämtliche Körperöffnungen ein und tum- wenn es nicht ehestens gekühlt oder durch Reinigung nekrotischer Wunden heran- meln sich massenhaft in wundem Gewe- ein Fliegennetz geschützt wird, ein bevor- gezogen. ❙ NEU *alle Varianten ab Lager erhältlich solange Vorrat reicht mit Zfr. Zeiss V4 mit Zfr. Zeiss Victory HT 3 –12 x 56, LA 3 –12 x 56, Abs. 60 oder Sattelmontage Ring 2,5 –10 x 50, Abs. 60 Blaser R8 Professional Success (montiert + eingeschossen) (montiert + eingeschossen) Repetierbüchse Standardkaliber A K T I O N S A N G E B O T * Büchsenmachermeisterwerkstatt mit hauseigenem 100 m-Schießstand Foto: xxxxx JAKELE Jagd + Natur GmbH & Co. KG · Am Werkhaus 8 · D-87480 Weitnau-Hofen · www.jakele.de · Tel. +49 (0) 83 75 JAGD IN 200 / 20 60 TIROL 09 | 2018 23
WILD & ÖKOLOGIE RÄUDE Räude: Der Anteil stiller Milbenträger Gamsräude kann zu großen Verlusten führen und trat in der Vergangenheit auch in den Hohen Tauern regional verstärkt bei Gams- und Steinwild auf. Dies veranlasste den Nationalpark Hohe Tauern zu einer Untersuchung, wie hoch der Anteil stiller Milbenträger in Populationen sein könnte. Autoren: Dr. Gunther Greßmann, Dr. Ulrike Gissing, Dr. Armin Deutz D ie 1960 gegründete und heute etwa Auslöser der Räude ist die Grabmilbenart Milben/cm2 nachgewiesen werden, was zu 1.200 Stück umfassende Steinwild- Sarcoptes rupicaprae. Die zwischen 0,2 bis immer stärkerem Juckreiz und Krustenbil- population der Hohen Tauern war 0,4 mm großen Milben leben vorrangig in dungen bzw. dem Aufkratzen dieser Krusten seit den 1970er Jahren in vielen Kerngebie- (Männchen mitunter auch auf) der Haut, wo und damit einhergehenden Sekundärinfekti- ten immer wieder von der Räude betroffen. sie ihre Eier ablegen und die Entwicklung onen bis zum Tod führen kann. In den letzten Jahren traten Fälle vor allem über Zwischenstadien bis zur fertigen Mil- im Gemeindegebiet von Rauris und den auf be in eigenen Bohrgängen stattfindet. Von Kärntner Seite angrenzenden Fleißtälern auf, der Eiablage bis zur geschlechtsreifen Milbe Stille Milbenträger aber auch andere Gebiete in Kärnten, Salz- dauert es etwa zwei bis drei Wochen und in Die Übertragung von Milben erfolgt über burg und Osttirol blieben nicht verschont. befallenen Hautarealen können bis zu 1.000 direkten und indirekten Kontakt. Früher 24 JAGD IN TIROL 09 | 2018 Foto: Greßmann (1); Karte: Nationalpark Hohe Tauern (1)
RÄUDE WILD & ÖKOLOGIE ging man davon aus, dass eine Ansteckung in absehbarer Zeit den Ausbruch der Er- krankung und in weiterer Folge das Veren- Zell am See den des befallenen Tieres mit sich brachte. Mittersill Allerdings beginnen nach dem Veren- Neukirchen den und damit bedingten Erkalten eines Stückes, die Milben aus der Haut auszu- wandern. Beträgt am lebenden Tier die Le- Nationalpark bensdauer der Milben rund sechs Wochen, Hohe Tauern Bad Gastein überleben sie außerhalb vom Wirt nur in Nationalpark Hohe Tauern seltenen Fällen länger als zwei Wochen Heiligenblut und können sich dabei kaum weiter als ei- Nationalpark Matrei Hohe Tauern nen Meter vom Kadaver entfernen. Da ei- Mallnitz ne Ansteckung von toten auf lebende Tiere überaus unwahrscheinlich ist und verwe- sende Körper in dieser Zeit größtenteils ge- mieden werden, müsste diese Erkrankung nach Jahren ohne akute Fälle zumindest in Lienz isolierten Gebieten völlig erlöschen. Und doch flackert sie fast überall, wo sie ein- mal aufgetreten ist, auch nach Jahrzehnten Source: Esri, DigitalGlobe, GeoEye, Earthstar Geographics, CNES/Airbus DS, USDA, USGS, AeroGRID, IGN, and the GIS User Community immer wieder auf. Selbst wenn die Gründe Abb. 1: Reviere, in welchen 2017 Proben genommen wurden. vielfältig sein können, scheint der Grund dafür in sogenannten stillen Milbenträ- gern zu liegen. Dies bedeutet, dass es nicht Beständen sein. Ziel der hier vorgestellten beispielsweise auch die Beugestellen der bei jedem befallenen Stück zu einer Mas- Untersuchung war es, stille Milbenträger Gelenke, bevorzugt genutzte Stellen von senvermehrung der Milbe kommen muss, zu identifizieren und einen Richtwert für Milben am Körper dar. Im Jahr 2017 wur- sondern Tiere existieren, die selbst nicht die Anzahl derselben in einer Population den insgesamt 64 Proben genommen, 38 oder nur temporär erkranken. Ob eine zu erhalten. von Gams- und 26 von Steinwild. Unter- Massenvermehrung der Milbe am Körper sucht wurden alle Proben von Tierärztin eines solchen stillen Milbenträgers ledig- Ulrike Gissing mit folgender Methodik: lich durch den allgemeinen körperlichen Methodik Zustand (Ernährung, Widerstandskraft) In verschiedenen Regionen der Hohen 1. Bei der Klebestreifenmethode werden oder auch durch andere Faktoren (z. B. Tauern wurde von den Jagdausübungs- mit einem handelsüblichen Klebestrei- Genetik) unterbunden werden kann, ist berechtigten von erlegten, aber zuvor als fen Haare, Schuppen und, falls an der bis dato nicht bekannt. In jedem Fall dürf- gesund angesprochenen Stücken ein Lau- Oberfläche vorhanden, Parasiten ab- ten stille Milbenträger das Reservoir für scher als Probenmaterial genommen und genommen, auf einen Objektträger ge- das langfristige Überleben der Milben in untersucht (Abb. 1). Lauscher stellen, wie klebt und mikroskopiert. TOTAL © 2018 Leupold & Stevens, Inc. CONTROL VX-R® 4-12X50 WITH FIREDOT 4 ILLUMINATED RETICLE , ab € 849,– Mit unserem fortschrittlichen VX-R® Zielfernrohr können sie bei jeder Lichtbedingung ihren Zielpunkt deutlich sehen. Die exklusive Firedot® Beleuchtungstechnologie bringt sie schnell und präzise ins Ziel. Foto: xxxxx www.jagd-leben.store JAGD IN TIROL 09 | 2018 25
WILD & ÖKOLOGIE RÄUDE Befallene Stücke leiden unter starkem Juckreiz und Krustenbildungen. Krat- zen sie sich diese Krusten auf, kommt es zu Sekundärinfektionen und schlus- sendlich verenden die Stücke daran. 2. Die zu untersuchenden Stellen werden ten vier der 64 Proben (drei Steinwild, eine für zwei Minuten mit Paraffinöl be- Gamswild) nachweislich von räudigen Stü- Allerdings ist bei der Interpretation dieser deckt, wodurch die Milben an die Ober- cken – hier musste die Milbe in jedem Fall Ergebnisse derzeit noch Vorsicht geboten. fläche wandern. Danach werden vom nachzuweisen sein, was auch zutraf. Für Auch wenn die Proben aufgrund der An- Lauscher an drei Stellen Haare sowie Überraschung sorgten allerdings die Un- zahl statistisch bereits eine gewisse Aus- Haut abgenommen und mikroskopiert tersuchungsergebnisse der Lauscherpro- sagekraft besitzen, müssen zwei Faktoren (Lebendnachweis). ben von den als gesund angesprochenen berücksichtigt werden: 3. Die oben beschriebenen Hautgeschabsel und erlegten Tieren: werden kurz in zehnprozentiger Kalilau- Anhand der oben beschriebenen Metho- 1. Einige Proben stammen aus Gebieten, ge aufgekocht, nach einer gewissen Ru- den konnten bei 36 von 60 als gesund in denen zum Zeitpunkt der Proben- hezeit zentrifugiert und der Bodensatz angesprochenen Tieren Räudemilben nahme oder im Jahr zuvor Räude auf- ebenfalls mikroskopiert (Totnachweis). nachgewiesen werden. Dabei lag die Ra- trat. Dadurch könnte die Anzahl der te beim Steinwild (15 von 23) höher als positiven Proben höher sein, als nach beim Gamswild (21 von 37) was in Proz- Jahren ohne Räude, da möglicherweise Ergebnisse entzahlen ausgedrückt 65 % stillen Mil- mehr Tiere zum Zeitpunkt der Proben- Um abzusichern, dass die angewandte Me- benträgern beim Steinwild und 57 % beim nahme befallen waren. thodik keine Fehlerquellen besitzt, stamm- Gamswild entspricht. 2. Andererseits wurde von jedem Stück lediglich ein Lauscher untersucht, Mil- ben können aber an vielen Stellen am Körper vorkommen. Möglicherweise ist 40 dadurch der tatsächliche Anteil der Mil- als unverdächtig erlegt benträger in der Untersuchung sogar 35 unterrepräsentiert. Nachweis Milben 30 Um weitere Erkenntnisse zu gewinnen, wird diese Untersuchung im heurigen Jagd- 25 jahr weitergeführt. Zusätzlich soll diese 20 Untersuchung nach einem längeren Zeit- raum ohne bekannte Räudefälle wiederholt 15 werden, um zu eruieren, ob sich der Anteil stiller Milbenträger in Phasen, in der die 10 Räude auftritt, von Zeiten ohne Räude un- terscheidet. 5 Der Nationalpark Hohe Tauern möchte sich bei allen Jägern, die Proben gesam- 0 melt haben und dem Sponsor, der Stiegl- Steinwild Gamswild brauerei zu Salzburg, welche die Steinwild- forschung im Nationalpark Hohe Tauern Abb. 2: Anteil der Milbenträger auf als unverdächtig erlegten Stücken unterstützt, bedanken. ❙ 26 JAGD IN TIROL 09 | 2018 Fotos: Greßmann (2)
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