Zu wenig in Bewegung - Erziehung & Wissenschaft 11/2018 - GEW

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Zu wenig in Bewegung - Erziehung & Wissenschaft 11/2018 - GEW
Gewerkscha
                                                    Erziehung und Wissenscha

Erziehung & Wissenschaft        11/2018
Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW

                             Sport in der Schule

                             Zu wenig in Bewegung
Zu wenig in Bewegung - Erziehung & Wissenschaft 11/2018 - GEW
2 GASTKOMMENTAR

                                                                             Foto: Peter Jülich
             ANDREAS
         SCHWARZKOPF

              Auf den Weg machen
               Das ist mal ein Ziel: Schule beginnt künftig täglich mit Sport.                    vereine. Die Folgen sind im wahrsten Sinne des Wortes fatal.
               Schließlich belegen zahlreiche Studien, wie leistungsfördernd                      Viele beklagen, dass etwa die Hälfte der Kinder am Ende der
               es ist, wenn sich Schülerinnen und Schüler bewegen, bevor                          Grundschulzeit keine sicheren Schwimmerinnen und Schwim-
               sie rechnen und schreiben lernen. Sie wären wacher und aus-                        mer mehr sind (s. S. 12 f.). Das wiederum ist ein Grund, warum
               geglichener, könnten sich besser konzentrieren. Stimmt, da-                        allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2018 445 Men-
               von ist der Sportunterricht hierzulande noch weit entfernt. Es                     schen hierzulande beim Schwimmen ertrunken sind.
               ist aber durchaus möglich, sich auf den Weg zu machen, um                          So bitter es ist: Diese schreckliche Zahl könnte dem Schulsport
               dieses Ziel zu erreichen.                                                          helfen – kombiniert mit einer weiteren Hiobsbotschaft. Denn
               Denn beim Sportunterricht hat sich in den vergangenen Jah-                         laut einer aktuellen Studie der ­Weltgesundheitsorganisation
               ren einiges bewegt, wenn auch leider noch zu vieles in die                         WHO bewegen sich die Deutschen viel zu wenig. Die Zahl
               falsche Richtung. Wer an Sportunterricht denkt, dem kom-                           der Übergewichtigen steigt, und damit werden wahrschein-
               men immer noch meist überfüllte alte und miefige Turnhallen                        lich immer mehr Menschen eher früher als später krank. Das
               in den Sinn sowie überholte autoritäre Lehrmethoden nach                           treibt die Kosten für Behandlungen, etwa von Herz-Kreislauf-
               dem Vorbild von Turnvater Jahn, die viele Mädchen und Jun-                         Erkrankungen, nach oben.
               gen verängstigen, statt sie zu motivieren. Bedauerlicherweise                      Diese beiden Entwicklungen könnten dann dem Schulsport
               sprechen die wenigsten dann über Staffellauf und Slacklines,                       zugutekommen, wenn Politikerinnen und Politiker die richti-
               Weitsprung und Waveboards. Und auch nicht über koopera-                            gen Schlüsse ziehen und weitere Entwicklungen nutzen. Mit
               tiven Gruppenunterricht, bei dem Stärkere und Schwächere                           dem Hinweis auf die teils dramatischen gesundheitlichen
               zusammen kleine Teams bilden und gemeinsam Strategien                              Folgen eines vernachlässigten Sportunterrichts ließen sich
               entwickeln müssen, wie sie sich spielend bewegen.                                  zusätzliche Mittel für mehr Stellen und Sporthallen erstreiten.
               An dem eher schlechten Image des Sportunterrichts haben                            Wenn außerdem etwa in Ganztagsschulen der Nachwuchs
               Reformen wenig geändert, auch wenn sie ein Schritt in die                          nicht einfach nur verwahrt, sondern betreut werden soll, kann
               richtige Richtung waren. Zwar lässt der geänderte Lehrplan                         und muss der Sport eine größere Rolle spielen (s. S. 14 f.).
               den Lehrerinnen und Lehrern mehr Spielraum. Seither un-                            ­Womöglich lassen sich auch zusätzliche Hallenkapazitäten
               terteilt man den Sportunterricht nicht mehr in Disziplinen,                         und Personal gewinnen, wenn Schulen etwa mit Sportverei-
               sondern in Lern- und Erfahrungsfelder. Immerhin wird sich in                        nen stärker als bislang kooperieren. Dann würden sie nicht
               immer mehr Turnhallen an und mit Geräten bewegt. Anstel-                            mehr um die Becken in Schwimmhallen konkurrieren, son-
               le der gefürchteten langen Schlangen vor blauen Matten und                          dern diese gemeinsam nutzen. Schließlich klagen viele Clubs
               Reck gibt es Hindernisparcours, die frei variiert werden.                           über mangelnden Nachwuchs.
               Doch diese Verbesserungen können nicht überall umgesetzt                            Die Verantwortlichen müssen also kreativ sein und noch viel
               werden. Manchmal fehlt das Personal, manchmal die Sport-                            arbeiten, um den Sportunterricht hierzulande nach vorn zu
               stätte, oft auch beides. Viele Kommunen haben beispielswei-                         bringen. Dafür ist kein Sprint, sondern ein Marathonlauf nötig.
               se in den vergangenen Jahren aus finanziellen Gründen ihre
               Schwimmhallen geschlossen. Um die wenigen Schwimmbe-                               Andreas Schwarzkopf,
               cken konkurrieren nun mancherorts Schulen und Schwimm-                             Leiter des Ressorts Meinung der Frankfurter Rundschau

  Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
Zu wenig in Bewegung - Erziehung & Wissenschaft 11/2018 - GEW
INHALT     3

                                                                    Prämie
Inhalt                                                            des Monat
                                                                            s
                                                                         Seite 5

Gastkommentar                                                                                 IMPRESSUM
Auf den Weg machen                                                                Seite 2    Erziehung und Wissenschaft
                                                                                              Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 70. Jg.
Impressum                                                                         Seite 3    Herausgeberin:
                                                                                              Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
                                                                                              im Deutschen Gewerkschaftsbund
Auf einen Blick                                                                   Seite 4    Vorsitzende: Marlis Tepe
                                                                                              Redaktionsleiter: Ulf Rödde
                                                                                              Redakteurin: Helga Haas-Rietschel
Prämie des Monats                                                                 Seite 5    Redaktionsassistentin: Katja Wenzel
                                                                                              Postanschrift der Redaktion:
                                                                                              Reifenberger Straße 21
Schwerpunkt: Sport in der Schule                                                              60489 Frankfurt am Main
                                                                                              Telefon 069 78973-0
1.   Schulsport – viele Mankos: Zu wenig in Bewegung                              Seite 6    Fax 069 78973-202
2.   GEW-Sportkommission: Netzwerk für Sportbegeisterte                           Seite 9    katja.wenzel@gew.de
                                                                                              www.gew.de
3.   Leistungssport: „Keine Erfolgsmaschinen“                                     Seite 10   facebook.com/GEW.DieBildungsgewerkschaft
4.   Stiefkind Schwimmunterricht: „Öffentliches Verwahren am Wasser“              Seite 12   twitter.com/gew_bund
5.   Sportangebot im Ganztag: Hindernislauf zur Win-win-Situation                 Seite 14   Redaktionsschluss ist in der Regel
6.   Inklusion im Sportunterricht: Seepferdchen und Eiswaffel                     Seite 16   der 7. eines jeden Monats.
                                                                                              Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich.
                                                                                              Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste und Internet
9. November                                                                                   ­sowie Vervielfältigung auf Datenträger der „Erziehung
                                                                                               und Wissenschaft“ auch auszugweise nur nach vorheri-
Interview mit Lorenz Beckhardt: Eine außergewöhnliche jüdische Geschichte         Seite 18    ger schriftlicher Genehmigung der Redaktion.

                                                                                              Gestaltung:
Bildungspolitik                                                                               Werbeagentur Zimmermann,
                                                                                              Heddernheimer Landstraße 144
1. Lehrkräfte-Bedarfsprognose 2018: KMK erkennt Mangel an                         Seite 20   60439 Frankfurt
2. Bildungspolitisches Forum: „Große Forschungslücken“                            Seite 25
                                                                                              Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitglieds-
3. „Bildung auf einen Blick“: Kein „taxifahrender Dr. Arbeitslos“ in Sicht        Seite 26   beitrag enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der
4. Stand der inklusiven Bildung: Glas halb voll oder halb leer?                   Seite 28   Bezugspreis jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30
                                                                                              Zustellgebühr inkl. MwSt. Für die Mitglieder der
                                                                                              Landesverbände Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen,
Länderserie Fachkräftemangel                                                                  Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland,
                                                                                              Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen werden die
Saarland: „Was da ist, wird irgendwie verteilt“                                   Seite 22   jeweiligen Landeszeitungen der E&W beigelegt. Für un-
                                                                                              verlangt eingesandte Manuskripte und Rezensionsexem-
                                                                                              plare wird keine Verantwortung übernommen. Die mit
„JA13“                                                                                        dem Namen des Verfassers gekennzeichneten Beiträge
                                                                                              stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder
Bessere Bezahlung aller Lehrkräfte: Schrittweise nach A13                         Seite 30   der Herausgeberin dar.

Initiative „Bildung. Weiter denken!“                                                          Verlag mit Anzeigenabteilung:
                                                                                              Stamm Verlag GmbH
1. GEW-Studie zur Ausstattung von Bildungseinrichtungen: Schlecht aufgestellt     Seite 32   Goldammerweg 16
                                                                                              45134 Essen
2. Nordrhein-Westfalen und Saarland: Die Zukunft schulischen Lernens              Seite 45   Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller
                                                                                              Telefon 0201 84300-0
                                                                                              Fax 0201 472590
Gesellschaftspolitik                                                                          anzeigen@stamm.de
1.   Herausforderung für politische Bildung: „Chemnitz hat Angst!“                Seite 34   www.erziehungundwissenschaft.de
                                                                                              gültige Anzeigenpreisliste Nr. 40
2.   Bildungspolitische Strategie der AfD: „Deckmäntelchen Chancengleichheit“     Seite 36   vom 01.01.2017,
3.   AfD-Denunziationsportale: Plumpe Einschüchterungsversuche                    Seite 38   Anzeigenschluss
                                                                                              ca. am 5. des Vormonats
4.   GEW-Kommentar: Haltung zeigen!                                               Seite 40
                                                                                              Erfüllungsort und Gerichtsstand: Frankfurt am Main

Leserforum                                                                        Seite 46

Diesmal                                                                           Seite 48                      ISSN 0342-0671

                                                                                                      Die E&W wird auf 100 Prozent chlorfrei
Titel: Werbeagentur Zimmermann                                                                        gebleichtem Recyclingpapier gedruckt.

                                                                                              Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
Zu wenig in Bewegung - Erziehung & Wissenschaft 11/2018 - GEW
4 AUF EINEN BLICK

                Herkunft bestimmt Bildungschancen                                                       „Lernen am Limit“
                17 Jahre nach dem PISA-Schock bestimmt die soziale Herkunft                             Zu Beginn des Wintersemesters                                                                       Gewerkscha
                                                                                                                                                                                               Erziehung und Wissenscha

                in Deutschland den Schulerfolg immer noch stärker als in vie-                           2018/19 blieben wieder viele Stu-         Erziehung & Wissenschaft         12/2017

                len anderen Ländern. Kinder aus Akademikerfamilien erreichen                            dierende ohne Wohnung. Studien­
                                                                                                                                                  Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW

                deutlich häufiger hohe Abschlüsse als der Nachwuchs von El-                             anfänger waren gezwungen, in
                tern mit geringeren Qualifikationen. Schlechte Noten also für                           Turnhallen oder Zelten zu über-
                Bildungschancen, die der jetzt veröffentlichte Bericht „Chan-                           nachten. Zur Wohnungsnot kommt
                cengleichheit in der Bildung – Hindernisse für soziale Mobilität                        die Raumnot in Hörsälen und Se-                   Soziale Situation der Studierenden

                abbauen“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenar-                               minarräumen – Studierende sitzen

                                                                                                                                                                                                                           Foto: zplusz
                beit und Entwicklung (OECD) erteilt. Die OECD-Befunde zeigen                            gedrängt auf den Fußböden. Bib-
                erneut, dass die Wunde des deutschen Bildungssystems noch                               liotheken sind überfüllt. Deshalb
                lange nicht verheilt ist: Soziale Ungleichheit hält sich hartnä-                        hat der BASS, die Studierenden- Wohnungsnot macht
                ckig. Und nicht nur das. Je älter Heranwachsende werden, des-                           vertretung der GEW, zusammen erfinderisch
                to stärker, stellt die OECD fest, präge sich die soziale Schere in                      mit anderen Akteuren der Hoch-
                den Bildungswegen aus. So erreichen hierzulande nur knapp 15                            schulpolitik, die Kampagne „Studis gegen Wohnungsnot“
                Prozent der Erwachsenen mit Eltern ohne Abitur ein abgeschlos-                          mit dem Aufruf „Lernen am Limit“ fortgesetzt. Damit wol-
                senes Hochschulstudium. Im Schnitt der OECD-Länder sind es                              len die jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter
                21 Prozent. Der Rückstand Deutschlands hänge auch mit dem                               auf die prekäre Lebens- und Arbeitssituation vieler junger
                Bildungssystem zusammen, das sozialer Segregation durch eine                            Menschen in den Hochschulstädten aufmerksam machen.
                frühe Trennung Vorschub leistet, kritisiert OECD-Bildungsdirek-                         Wie das Deutsche Studentenwerk (DSW) appellieren sie an
                tor Andreas Schleicher. Er weist darauf hin, dass Kinder aus bil-                       die Politik, „bezahlbaren Wohnraum“ und den Ausbau von
                dungsfernen Schichten umso bessere Chancen hätten, je mehr                              Wohnheimplätzen (s. E&W-Schwerpunkt 12/2017) bereitzu-
                es den Schulen gelinge, die Klassen sozial zu durchmischen.                             stellen. Allein bei den Studentenwerken stehen Zehntausen-
                                                                                                        de auf den Wartelisten für einen Wohnheimplatz.

                Team Lindner und Walm gewählt
                Die bisherige Landesvorsit-
                zende Annett Lindner und                                                                  Sachsen lockt Lehrkräfte
                ihr bisheriger Stellvertreter,                                                            Die sächsische CDU/SPD-Landesregierung steht unter
                                                                                 Foto: Michaela Skott

                Maik Walm, führen künftig                                                                 Handlungsdruck: viel Unterrichtsausfall, hohe Seitenein-
                die GEW Mecklenburg-Vor-                                                                  steiger-Quoten, zu wenige Bewerberinnen und Bewerber
                pommern gemeinsam an.                                                                     auf offene Stellen für Lehrkräfte. Jetzt hat der Freistaat
                Die Delegiertenversammlung                                                                mit dem Programm „Nachhaltige Sicherung der Bildungs-
                stimmte mit großer Mehrheit       Neues Führungsduo: Annett                               qualität in Sachsen“ ein Paket geschnürt, das den Lehrer-
                für eine Doppelspitze.            Lindner und Maik Walm                                   beruf attraktiver machen und die personelle Ausstattung
                                                                                                          der Schulen verbessern soll. Kernpunkt des Anreizsys-
                                                                                                          tems: Jüngeren Kolleginnen und Kollegen wird bis zum
                Reisekosten zahlt der Arbeitgeber                                                         Alter von 42 Jahren die Verbeamtung angeboten. Diese
                Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts müssen                                    Möglichkeit ist zunächst auf fünf Jahre befristet und gilt
                Lehrkräfte Reisekosten für außerunterrichtliche Veranstaltun-                             ab Anfang 2019. Bei den Älteren in den Kollegien hat das
                gen nicht aus eigener Tasche zahlen. Die GEW Baden-Württem-                               „Lockangebot“ für so viel Unmut gesorgt, dass die Regie-
                berg (BaWü) sieht im Richterspruch aus Leipzig einen Auftrag                              rungskoalition unter Druck geriet, nachzubessern. Künf-
                an die Landesregierungen, mehr Geld für Klassenfahrten und                                tig sollen zum gleichen Zeitpunkt alle tarifbeschäftigten
                andere Ausflüge bereitzustellen, damit Lehrkräften die Reise-                             Päda­goginnen und Pädagogen, die jetzt in der Entgelt-
                kosten künftig vollständig vergütet werden können. Ein Lehrer                             gruppe E13 sind, eine Zulage von 170 Euro erhalten (dann
                aus BaWü hatte mit Unterstützung des GEW-Landesverbandes                                  E13 plus). Ab 1. Januar 2019 werden auch Grundschul-
                dagegen geklagt, dass er einen Teil der Kosten einer Klassen-                             lehrkräfte in E13 eingruppiert und bekommen ein Jahr
                fahrt nach Berlin selbst zahlen sollte. „Überall ist es selbstver-                        später ebenfalls den 170-Euro-Bonus. Doch viele ältere
                ständlich, dass Dienstreisen vom Arbeitgeber finanziert wer-                              Lehrkräfte empfinden das weiterhin als ungerecht. „Es
                den. Nur die Landesregierung geht davon aus, dass Lehrkräfte                              reicht nicht, den jungen Kolleginnen und Kollegen attrak-
                in die eigene Börse greifen, wenn sie ihren Bildungsauftrag                               tivere Einkommensbedingungen anzubieten. Auch die
                ernst nehmen“, monierte GEW-Landeschefin Doro Moritz. Bis-                                älteren Lehrkräfte dürfen sich nicht als Verlierer empfin-
                her sei es gängige Praxis, dass etwa Klassenfahrten erst dann                             den“, sagte GEW-Landesvorsitzende Uschi Kruse. Die Zu-
                genehmigt werden, wenn die Pädagoginnen und Pädagogen                                     lage von 170 Euro sei „ein Schritt in die richtige Richtung“.
                vorher unterschrieben, dass sie darauf verzichten, sich alle Kos-                         Sie werde von den Betroffenen aber eher „als Symbol und
                ten erstatten zu lassen. Die GEW BaWü erwartet, dass sich der                             nicht als tatsächliche Wertschätzung“ wahrgenommen.
                Richterspruch auf alle Schulen auswirken wird.

   Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
Zu wenig in Bewegung - Erziehung & Wissenschaft 11/2018 - GEW
Mitmachen lohnt sich ...
         ... für jedes neu geworbene GEW-Mitglied erwartet Sie Kingdomino – Spiel des Jahres 2017.*

                                                      Prämie des Monats November:
                                                      Kingdomino – Spiel des Jahres 2017
                                                      Als Herrscherinnen und Herrscher eines Königreichs sind Sie auf der Suche nach neuen Ländereien.
                                                      Diese müssen passend an bereits liegende Landschaftsplättchen angelegt werden – wie bei „Domino“.
                                                      Ein flottes und knackiges Spiel, bei dem immer noch eine Revanche-Partie drin ist.

         Neues Mitglied werben und Prämie online anfordern
         www.gew.de/praemienwerbung                                                                                                                            *Dieses Angebot gilt nicht für Mitglieder
                                                                                                                                                                 des GEW-Landesverbandes Niedersachsen.

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Zu wenig in Bewegung - Erziehung & Wissenschaft 11/2018 - GEW
6 SPORT IN DER SCHULE                                                                                            Freude an Bewegung haben Kin-
                                                                                                                 der und J­ ugendliche auch heute.
                                                                                                                 Doch da gibt es die starke Kon-
                                                                                                                 kurrenz durch PC, Smartphone
                                                                                                                 und Internet. Um so wichtiger
                                                                                                                 ist der Schulsport als Chance,
                                                                                                                 Motorik, Rhythmusgefühl und
                                                                                                                 Gleichgewichtssinn zu trainie-
                                                                                                                 ren. Kurz: Er ist nicht nur für
                                                                                                                 die Gesundheit unverzichtbar.
                                                                                                                 Doch die Realität im Schul-
                                                                                                                 alltag sieht anders aus: Nicht
                                                                                                                 selten bleiben die Turn­hallen
                                                                                                                 leer. Und das nicht nur, weil sie
                                                                                                                 sanierungsbedürftig sind. Drei
                                                                                                                 Sportstunden in der Woche
                                                                                                                 stehen oft nur auf dem Papier,
                                                                                                                 denn es mangelt an ausgebilde-
                                                                                                                 ten Sportlehrkräften.

               Zu wenig in
                // Schulsport ist wichtig. Viele Kin-
                der und Jugendliche ­würden sich
                                                           Lehrerin an einem Gymnasium in Nord-
                                                           rhein-Westfalen (NRW). An diesem reg-
                                                                                                       ren, seit Fechner selbst zur Schule ging.
                                                                                                       Aber nicht alles. „Ich stelle auch bei den
                im Zeitalter von PC und Internet           nerischen Dienstagmorgen ist sie erkäl-     heutigen Schülern eine große Freude
                ohne ihn gar nicht mehr bewegen.           tet, doch das ist nicht der Grund, warum    an der Bewegung fest“, sagt die Lehre-
                Das sehen auch Politi­kerinnen             von 8 bis 9:30 Uhr nicht eine ­einzige      rin. Doch da gibt es die allgegenwärtige
                und Politiker so und betonen               gebrüllte Anweisung von ihr zu hören        Konkurrenz durch PC und Internet. Die
                immer wieder die Bedeutung des             ist. Selbst die wenigen Pfiffe, mit denen   wird auch in der Großen Pause sichtbar,
                Sportunterrichts. In der Realität          sie die in Kleingruppen trainierenden       etwa wenn ein Zwölfjähriger mit nach
                folgt daraus: nichts. Sportstun-           Sechstklässler hin und wieder zusam-        vorne gereckten Armen über den Schul-
                den finden in maroden Hallen               menruft, sind nicht gellend, sondern        hof läuft – wie der Ego-Shooter, mit
                mit uralten Geräten statt oder             wirken sanft. „Dieser Kasernenhofton        dem er nachmittags und abends spielt.
                werden gleich ganz gestrichen.             war mir schon zuwider, als ich selbst       „Headshot“ ruft der Junge. „Bamm –
                Wo liegen die Ursachen? //                 noch Schülerin war“, sagt die Mittvier-     dein Kopf fliegt weg.“
                                                           zigerin. „Man kann mit anderen Mitteln      Fechners Gymnasium ist ein soziolo-
                Die amerikanische Comic-Serie „Die         für Ruhe sorgen.“ Wie zum Beweis kün-       gisches Kuriosum. Es liegt in einem
                Simpsons“ karikiert seit 1989 den Alltag   digt sie nun eine Version von „Ball über    wohlhabenden Teil der Stadt, doch die
                in den USA. Figuren wie der freundliche    die Schnur“ an, bei der die Kinder sich     Kinder der dort ansässigen Akademiker
                Lebensmittelhändler Apu oder der brä-      nur mit Gesten verständigen dürfen.         gehen anderswo zur Schule. „Unsere
                sige Polizist Chief Wiggum unterhalten     Wer spricht oder gar schreit, muss zwei     Schule gilt als schwierig, wir können
                seither Comic-Fans auf allen Kontinen-     Minuten pausieren. Bis auf drei Schüler     uns die Schüler nicht aussuchen“, sagt
                ten. Nicht gut hat es „Simpsons“-Erfin-    muss niemand auf die Bank.                  die Pädagogin. „Wir nehmen jedes Kind
                der Matt Groening derweil mit der Zunft                                                auf.“ Dementsprechend hoch sind die
                der Sportlehrer gemeint: Mr. Krupt, der    Bewegungsfreude kontra PC                   Anforderungen an die Lehrkräfte, ge-
                nur sporadisch auftaucht, ist ein tum-     Dann bittet Fechner die Klasse wieder       rade auch im Sportunterricht. „Aber
                ber, militaristischer Hinterwäldler, bei   in den Kreis. In der Vorwoche haben sie     viele Kolleginnen und Kollegen unter-
                dessen gebrüllten Anweisungen und          darüber gesprochen, wie Koordination        richten gerne und ganz bewusst hier“,
                gellenden Pfiffen sich die Schüler ge-     und Kondition trainiert werden können,      sagt Fechner. „Diese Schule ist bunt
                quält die Ohren zuhalten.                  die Kinder haben selbstständig Trai-        und nicht so monokulturell wie andere
                Monika Fechner* ist keine Zeichen-         ningsparcours entworfen. Es hat sich        Gymnasien in der Stadt.“ Was sie den-
                trickfigur, sondern eine höchst reale      definitiv einiges geändert in den Jah-      noch ärgert: Einige Sportgeräte sind

   Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
Zu wenig in Bewegung - Erziehung & Wissenschaft 11/2018 - GEW
SPORT IN DER SCHULE             7

                                                                                         Fotos: dpa

Bewegung
älter als sie selbst, das Lehrerzimmer
ist eng und ein wenig heruntergekom-
                                             Mehr als ein Drittel scheitert beim Ver-
                                             such, wenige Schritte rückwärts auf
                                                                                         Spiel und Sport sind für eine gesunde
                                                                                         physische und psychische Entwicklung
men. Und dass die Kaffeemaschine mal         dem Querbalken zu balancieren. Fak-         von Kindern und Jugendlichen von zen-
wieder kaputt ist, hebt die Laune auch       ten, die nicht ohne Grund so deprimie-      traler Bedeutung. Der Schulsport leis-
nicht eben. Aber immer wieder gebe es        rend sind, wie eine weitere Zahl verrät:    tet damit einen anerkannten Beitrag zu
bei allen Rückschlägen auch Erfolgser-       Nur ein Drittel der Jugendlichen bewegt     Bildung und Erziehung sowie zur Bewe-
lebnisse, sagt sie: große, wenn ein Kind,    sich 60 Minuten oder mehr am Tag –          gungs- und Gesundheitsförderung jun-
das es zu Hause nicht leicht hat, ein pas-   das von der Weltgesundheitsorganisa-        ger Menschen.“
sables Abitur macht. Und kleine, wenn        tion WHO empfohlene Maß. Schulsport         Doch so „unverzichtbar“ – eine Lieb-
im Sportunterricht „Berührungsängs-          allein reicht nicht aus, um den chroni-     lingsvokabel in Sonntagsreden – er-
te“ abgebaut werden können, auch die         schen Bewegungsmangel junger Men-           scheint der Sportunterricht im Schul-
ganz konkreten. Kürzlich haben sie sich      schen zu beheben. Aber ohne ihn wür-        alltag eben gerade nicht. De facto
in der 7. Klasse bei einer Besprechung       den sich viele gar nicht mehr bewegen.      schaffen es nicht einmal alle Bundeslän-
an den Schultern gefasst und so einen                                                    der, verbindlich drei Wochenstunden
Kreis gebildet. Für einige Kinder hat ein    Sonntagsreden und Realität                  Sport im Lehrplan zu verankern. Das
solcher Kontakt Seltenheitswert. „Sport      Deshalb hat sich 2013 auf der UNESCO-       Saarland und Niedersachsen belassen
leistet einen großen Beitrag zur Per-        Weltkonferenz der Sportminister auch        es bei zwei Wochenstunden. Ende Juni
sönlichkeitsentwicklung“, sagt Norbert       Deutschland in der „Berliner Erklärung“     beschloss auch die Große Koalition in
Baumann von der GEW-Sportkommissi-           dazu verpflichtet, „sicherzustellen,        Sachsen, das Stundentableau um je eine
on. „Für viele Kinder und Jugendliche ist    dass guter und inklusiver Sportunter-       Wochenstunde in Deutsch und Sport zu
er der einzige Rahmen, in dem sie noch       richt als vorzugsweise tägliches Pflicht-   kürzen. Kultusminister Christian Piwarz
lernen können, was man mit dem eige-         fach in die Grund- und Sekundarschul-       (CDU) begründete die Entscheidung
nen Körper alles anstellen kann.“            bildung aufgenommen wird (und) dass         ebenso populistisch wie hilflos: „Hohe
In Deutschland gelten etwa 15 bis 20         Sport und körperliche Betätigung an         Priorität hat für uns, die Stundenlast der
Prozent der Kinder und Jugendlichen als      Schulen und allen sonstigen Bildungs-       Schülerinnen und Schüler zu verringern
übergewichtig, je nach Studie sind 6 bis     einrichtungen fest in den Tagesablauf       und zugleich Freiräume für bestimmte
7 Prozent adipös. In der Altersgruppe        von Kindern und Jugendlichen integ-         Lerninhalte und mehr individuelle För-
der Vier- bis 17-Jährigen können 43 Pro-     riert“ wird. Ebenso hymnisch äußert         derung zu eröffnen.“ Tatsächlich ging es
zent der Untersuchten bei Rumpfbeu-          sich der Deutsche Städtetag zur Bedeu-      wohl eher darum, den Lehrkräftenot-
gen ihre Zehenspitzen nicht erreichen.       tung des Sportunterrichts: „Bewegung,       stand zu kaschieren.                   >>

                                                                                                          Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
Zu wenig in Bewegung - Erziehung & Wissenschaft 11/2018 - GEW
8 SPORT IN DER SCHULE

                                                                                                                          In Deutschland gelten etwa 15
                                                                                                                          bis 20 Prozent der Kinder und
                                                                                                                          Jugendlichen als übergewichtig.
                                                                                                                          Nur ein Drittel der Jugendlichen
                                                                                                                          bewegt sich 60 Minuten oder
                                                                                                                          mehr am Tag.

                                                                                                                                                               Foto: zplusz
                In vielen der Bundesländer, die drei         ich danach, wie anstrengend es war, alle                  müsste eine Querschnittsaufgabe sein,
                Sportstunden anbieten, fallen nicht          über 90 Minuten bei der Stange zu hal-                    die man fächerübergreifend verfolgt“,
                wenige davon regelmäßig aus. Unter           ten“, sagt Schmieder. „Zumal ich immer                    sagt die Lehrerin aus NRW und verweist
                anderem deshalb, weil es häufig an aus-      die Verletzungsgefahr im Hinterkopf ha-                   auf das Konzept der „Bewegten Schule“,
                gebildeten Sportlehrkräften fehlt. Oft       ben muss – gerade, wenn unsere kleine                     das die „Sitzschule“ ablösen soll. Doch
                unterrichten Lehrerinnen und Lehrer          Turnhalle mal wieder von zwei Klassen                     auch das beste Konzept kann nicht auf-
                Sport fachfremd. „Es ist lustig, welches     gleichzeitig genutzt wird und die Bälle                   fangen, was durch den Investitionsstau
                Image das Fach Sport hat“, sagt Karsten      hin- und herfliegen.“                                     an Schulen im Argen liegt. Klar ist jeden-
                Schmieder*, der in Niedersachsen un-                                                                   falls, dass die vom Bund bewilligten 3,5
                terrichtet. „Auf der einen Seite meinen      Querschnittsaufgabe                                       Milliarden Euro für Schulbausanierung
                viele, wir machten uns einen schlauen        Schmieder und Fechner sind sich darin                     bei weitem nicht reichen werden, um
                Lenz, während andere Fachkollegen            einig, dass die Wissenschaft deutlich                     flächendeckend marode Gebäude zu
                die Klausuren korrigieren.“ Schmieder        weiter ist als der Schulalltag. „Bewegung                 sanieren – ein Problem, das nicht zu-
                muss lachen. „Aber wenn es darum                                                                       letzt auch das Fach Sport betrifft. Zur
                geht, wer den Klassenlehrer ins Land-                                                                  Wahrheit gehört allerdings auch, dass
                schulheim begleitet, stehen wir aus                                                                    es oft nicht am fehlenden Geld liegt,
                dem Sport hoch im Kurs.“ Ob das etwas                                                                  wenn notwendige Investitionen, etwa
                damit zu tun hat, dass Sportlehrerinnen                                                                in Sporthallen, unterbleiben. Immer
                und -lehrer eine große Sozialkompetenz                                                                 öfter kam es in den vergangenen Jah-
                brauchen? Kürzlich habe er jedenfalls                                                                  ren vor, dass bewilligte Gelder nicht
                eine Kollegin, die sich spöttisch über                                                                 abgerufen wurden. Der Grund: Manche
                das Fach Sport geäußert habe, gebeten,                                                                 Kommunen haben in ihrer Finanznot so
                doch mal bei einer seiner Stunden vor-                                                                 viel Personal abgebaut, dass sie heute
                beizuschauen. „Sie hat dankend abge-                                                                   ihren ureigensten Aufgaben nicht mehr
                lehnt. Das sei viel zu laut und hektisch.“                                                             nachkommen können.
                                                                                                           Foto: dpa

                Tatsächlich ist die Arbeits- und Stressbe-                                                             Dass viele Hallen und Anlagen maro-
                lastung für Sportlehrkräfte zuletzt im-                                                                de sind, bestreitet kein Politiker. Doch
                mer weiter gestiegen, auch durch Lärm.       Vorwärts balancieren ist ja noch einfach,                 Schulen und Sportstätten zu bauen und
                Messungen ergaben Durchschnittswer-          aber rückwärts ... Mehr als ein Drittel der               dann in gutem Zustand zu unterhalten,
                te von 80 und Spitzenwerte bis zu 100        Kinder und Jugendlichen scheitert bei                     ist Aufgabe der Kommunen. Viele von ih-
                Dezibel in den Sporthallen. „Wenn ich        dem Versuch, wenige Schritte rückwärts                    nen sind jedoch nach wie vor klamm. In
                eine Doppelstunde Sport habe, merke          auf dem Querbalken zu balancieren.                        seiner Not spielt etwa Berlin bereits die

   Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
Zu wenig in Bewegung - Erziehung & Wissenschaft 11/2018 - GEW
SPORT IN DER SCHULE              9

Idee durch, kostengünstige genormte        das Kooperationsverbot unbedingt bei-       bleiben die Gelder eingefroren, und es
Einheitssporthallen aufzubauen, damit      behalten. Zwar sieht auch er den Bund       ändert sich erst einmal nichts. Das wäre
überhaupt regelmäßig Sportunterricht       in der Pflicht, Bildung stärker zu finan-   ohne Zweifel die denkbar schlechteste
stattfinden kann. GEW-Sportexperte         zieren. Der Teufel steckt aber im Detail.   Option. Doch dass der vom Bundes­
Baumann zitiert das Bonmot, nach           So hat die derzeit im Bund regierende       bildungsministerium propagierte Plan,
dem „der Raum der dritte Pädagoge“         Große Koalition die Freigabe der bereits    das Geld Anfang 2019 auszuzahlen,
sei – im Falle solcher Behelfskonstruk-    von der Vorgängerregierung bewilligten      umgesetzt wird, glaubt selbst im politi-
tionen dann wohl ein schlechter. „Es       3,5 Milliarden Euro für die Schulbausa-     schen Berlin kaum noch jemand.
führt kein Weg daran vorbei, dass der      nierung an eine weitere Lockerung des
Bund wesentlich mehr Geld ausgibt. Im      Kooperationsverbotes geknüpft. Solan-       Christoph Ruf,
Bereich des Sports ist der Bedarf mit      ge die für eine entsprechende Änderung      freier Journalist
am größten.“ Immer wieder ärgert sich      des Grundgesetzes nötige Zweidrittel-
Baumann, wie bereitwillig Hunderte Mil-    mehrheit wegen des Widerstandes von
lionen ausgegeben werden, wenn Kom-        Politikern wie Kretschmann nicht steht,     *Name geändert
munen auf die Vergabe einer Olympia-
de oder einer anderen imageträchtigen

                                           Netzwerk für
Großveranstaltung hoffen. „Wenn dann
wenigstens darauf geachtet würde, dass
die Hallen danach auch für den Schul-

                                           Sportbegeisterte
und Breitensport gut nutzbar sind.“ Laut
einer repräsentativen Studie erachten
55 Prozent der GEW-Mitglieder den Bau
von Sportstätten für Schulen als wichtig
oder sehr wichtig (s. S. 38 f.).           // Was 1950 als Ausschuss für                  richtlicher Sport und schulsportliche
                                           Leibesübungen in der Arbeits-                  Wettbewerbe,
Bund-Länder-Zwist                          gemeinschaft deutscher Lehrer­              •	Aus- und Fortbildung für Sport­
Ein Knackpunkt bei der Finanzierung        verbände (AGdL) – der Vorläufer­               lehrkräfte,
bleibt, dass die Kultus- und Bildungs-     organisation der GEW – begann,              •	Sportwissenschaft und Hochschul-
ministerien der Länder auf ihre Kul-       ist heute ein wichtiger Ratgeber               sport.
turhoheit in Sachen Schulpolitik po-       bei allen sportpädagogischen                Diese Fragen sind untrennbar mit dem
chen – auch das ein Grund, warum die       und -politischen Fragen in der              sportlichen Geschehen außerhalb des
Kultusministerkonferenz, die die Bil-      ­Bildungsgewerkschaft. //                   Bildungssektors verbunden. Daher
dungspolitik der Länder koordinieren                                                   nimmt die Sportkommission auch Stel-
soll, mit ihren Vorschlägen so selten      Die GEW-Sportkommission versteht sich       lung zu sportpolitischen Fragen wie
durchdringt. In vielen Bundesländern       als Netzwerk aller an sport- und bil-       Doping oder Missständen und Fehlent-
herrscht die Sorge vor, durch eine Ver-    dungspolitischen Fragen interessierten      wicklungen im Spitzensport, bei Sport-
lagerung einzelner Entscheidungen auf      und den Sport gestaltenden Kolleginnen      organisationen und sportlichen Großer-
die Bundesebene könnten die eigenen        und Kollegen. Sie berät die Bildungsge-     eignissen.
Handlungsspielräume so weit aufge-         werkschaft zu den Themen:                   Interessierte GEW-Kolleginnen und -Kol-
weicht werden, dass irgendwann die         •	Angebote für Bewegung, Sport             legen sind jederzeit willkommen.
Frage aufkommt, ob Bildung denn über-         und Spiel im Elementarbereich,
haupt in die Zuständigkeit der Länder      •	sämtliche Aspekte des Schulsports,       Norbert Baumann,
fallen müsse. Aus diesem Blickwinkel          etwa Sportunterricht, außerunter-        GEW-Sportkommission
wird auch das Kooperationsverbot dis-
kutiert, das dem Bund untersagt, in bil-
dungspolitische Angelegenheiten der          Jahrestagung der Sportkommission
Länder einzugreifen. Maßnahmen im            Die Jahrestagung der GEW-Sportkommission findet am 29. und 30. März 2019
Zusammenhang mit Bildung dürfen da-          in Göttingen statt. Einer der Schwerpunkte ist die Diskussion über eine gute
her nicht von Berlin finanziert werden.      Ganztagsschule. Jessica Süßenbach, Professorin für Sportpädagogik und Sport-
Im Wahlkampf zur Bundestagswahl              wissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg, wird die Ergebnisse ihrer
2017 forderte SPD-Kanzlerkandidat            jüngsten Studie „Wir bewegen den Ganztag“ vorstellen und diskutieren. Daraus
Martin Schulz die Abschaffung des Ko-        will die Sportkommission Anforderungen und Kriterien für ein qualitativ und
operationsverbotes und war damit auf         quantitativ hochwertiges Bewegungsangebot an Ganztagsschulen entwickeln.
einer Linie mit Linkspartei, FDP und         Kolleginnen und Kollegen aus den Landesverbänden sind herzlich eingeladen.
Grünen. Doch auf Landesebene will            Die Kosten für Anreise, Übernachtung und Verpflegung werden übernommen.
der grüne Ministerpräsident Baden-           Kontakt: Ole Stratmann, E-Mail: olestratmann@hotmail.com                N.B.
Württembergs, Winfried Kretschmann,

                                                                                                           Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
Zu wenig in Bewegung - Erziehung & Wissenschaft 11/2018 - GEW
10 SPORT IN DER SCHULE

                   Jan Christmann, Leiter des
                   Sportzweigs des Heinrich-
                   Heine-Gymnasiums in
                   Kaiserslautern: „Es gibt

                                                                                                                                                    Foto: Tobias Schwerdt
                   keine Garantie für eine
                   Karriere im Sport.“

                „Keine Erfolgsmaschinen“
                 // Die Liste erfolgreicher Sportlerinnen und Sport-             HHG wird zusätzlich vom DOSB und vom Deutschen Fußball
                 ler, die am Heinrich-Heine-Gymnasium (HHG) in                   Bund (DFB) unterstützt. Das staatliche Gymnasium hat viele
                 Kaiserslautern zur Schule gegangen sind, ist lang.              Kooperationspartner, etwa Fachverbände auf Landes- und
                 Noch länger ist jedoch die Liste derer, die keine               Bundesebene, die Technische Universität Kaiserslautern, den
                 große Sportkarriere einschlagen. Für alle Schüle-               Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz-Saarland oder den 1. FC
                 rinnen und Schüler der „Eliteschule des Sports“ ist             Kaiserslautern.
                 gute Bildung deshalb unverzichtbar. //
                                                                                 Ansprechpartner: Lehrertrainer
                 „Wer behauptet, den Werdegang eines Talents bis hin zum         Wichtige Ansprechpartner für die Talente – und Bindeglieder
                 Weltmeister voraussagen zu können, der lügt“, sagt Jan          zwischen den Trainern in den Vereinen und den Verbänden –
                 Christmann, Leiter des Sportzweigs des HHG. Das Gymnasium       sind die sogenannten Lehrertrainer, die je die Hälfte ihres De-
                 ist eine von bundesweit 43 Schulen, die das vom Deutschen       putats für ihre Schulfächer und den Sport verwenden, in dem
                 Olympischen Sportbund (DOSB) verliehene Zertifikat „Elite-      sie ausgebildete Trainer sind. Doping, Wettmafia, falsche Be-
                 schule des Sports“ tragen. Von den aktuell 850 Schülerinnen     rater, die Verlockung des schnellen Geldes, Druck durch unge-
                 und Schülern trainieren 330 in Sportklassen neben der schuli-   duldige Eltern: Die Gefahren für junge Sportler sind vielfältig,
                 schen Ausbildung für eine Leistungssportkarriere im Fußball,    gerade deshalb ist die Erziehung zum mündigen Athleten und
                 Badminton, Radsport, Tennis oder Judo.                          kritischen Geist wichtig.
                 Beispielsweise hat die mehrfache Bahnrad-Weltmeisterin und      Aufgrund von Wettkämpfen und Lehrgängen fehlen die Top-
                 Olympiasiegerin Miriam Welte am HHG Abitur gemacht. Doch        Talente bis zu 40 Tage im Jahr in der Schule. Der DFB schickt
                 eine Karriere wie ihre ist eher die Ausnahme. „Wir vermitteln   mittlerweile zu jedem Lehrgang seiner Jugend-Nationalspie-
                 in jedem Aufnahmegespräch, dass es keine Garantie gibt für      ler zwei Begleitlehrer, die den verpassten Stoff mit den Ju-
                 eine Karriere im Sport und es unabdingbar ist, sich eine Al-    gendlichen durcharbeiten. Darüber hinaus gibt es E-Learning-
                 ternative durch Bildung zu erarbeiten“, sagt Christmann, der    Programme für eigenständiges Lernen. Je rund 30 Stunden
                 Sport und Mathematik unterrichtet und einst selbst erfolgrei-   müssten die Talente pro Woche in Sport und Schule investie-
                 cher Basketballer war.                                          ren, das erfordere große Selbstdisziplin, sagt Christmann. Die
                 Das Bewusstsein, große Verantwortung auch für diejenigen zu     Erfahrung zeige, dass die Talente mit der stärksten Eigenmoti-
                 tragen, deren Traum vom erfolgreichen Sportlerleben in der      vation am weitesten kämen.
                 Zeit zwischen Pubertät und Erwachsenwerden platzt, ist in       Wenn absehbar ist, dass Jugendliche ihr Talent nicht wei-
                 den vergangenen Jahren in Schulen, Vereinen und Verbänden       terentwickeln können oder Verletzungen ihre Sportkarriere
                 gewachsen. Doch diese Einsicht kollidiert mit der Entwicklung   verhindern, haben sie am HHG die Möglichkeit, in der Sport-
                 einer immer früher einsetzenden Talentsichtung und Profes-      klasse zu bleiben – sofern sie das wollen. In diesen Fällen sind
                 sionalisierung. Die Ausbildung von Talenten zu Medaillenge-     Pädagoginnen und Pädagogen gefragt, die den jungen Men-
                 winnern ist von Politik und Gesellschaft gewollt.               schen helfen, die Enttäuschung zu verarbeiten. Christmann
                 Im März 2018 beschlossen die Kultus- und Sportminister der      sagt: „Man muss den Jugendlichen das Gefühl geben, keine
                 Länder und der DOSB, die „Eliteschulen des Sports“ als „ein     Erfolgsmaschinen zu sein. Niemand ist gescheitert, wenn er
                 zentrales Element der Dualen Karriere im Leistungssport         es im Sport nicht nach oben schafft.“
                 weiter zu stärken“. Finanziert werden die Schulen von den
                 Innen- und Bildungsministerien der Länder, den Landessport-     Tobias Schächter,
                 bünden, der Deutschen Sporthilfe und den Sparkassen. Das        freier Journalist

    Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
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 Erziehung und Wissenschaft
12 SPORT IN DER SCHULE

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                „Öffentliches Verwahren
                am Wasser“
                 // „Die Kinder in einem der reichs-      gendliche sicher schwimmen können.          nente beinhaltet. Die Zahl der Nicht-
                 ten Länder der Welt be­herrschen         Allmählich findet es Gehör.                 schwimmer ist in benachteiligten Stadt-
                 eine grundlegende Fähigkeit              Laut einer Studie im Auftrag der Deut-      teilen höher. In strenggläubig muslimi-
                 nicht mehr: das Schwimmen“,              schen Lebens-Rettungs-Gesellschaft          schen Milieus bestehen zudem massive
                 resümierte die ZEIT am 9. August         (DLRG) aus dem Jahr 2017 sind 59            Vorbehalte gegenüber dem Schwimm­
                 2018. Wo liegen die Ursachen             Prozent der Zehnjährigen keine siche-       unterricht für Mädchen. In vielen Fällen
                 für die besorgniserregende Tat-          ren Schwimmer, sie schaffen es nicht,       ermöglicht ihnen das Tragen eines Burki-
                 sache, dass sich viele Kinder und        200 Meter am Stück in 15 Minuten zu         nis die Teilnahme am Schulschwimmen.
                 Jugendliche nicht sicher über            schwimmen. Jeder Zehnte kann sich gar       „Ich sehe trotzdem die Islamverbände in
                 Wasser halten können? //                 nicht über Wasser halten. „Das ist allein   der Pflicht“, sagt Baumann. „Sie könnten
                                                          deshalb alarmierend, weil es lebensge-      durchaus weitergeben, dass vieles, was
                 Der vergangene Sommer dürfte den         fährlich ist, nicht schwimmen zu kön-       Strenggläubige ihren Kindern auferle-
                 meisten Menschen viel Freude bereitet    nen“, sagt Norbert Baumann von der          gen, nirgendwo im Koran steht.“
                 haben, nicht zuletzt den Wasserratten,   GEW-Sportkommission. Sich im Wasser
                 die vielerorts von Mai bis September     bewegen zu können, biete zum einen          Lehrkräfte schlagen Alarm
                 im Freien schwimmen konnten. Eine        ganz andere Reize und ein anderes Kör-      Kein Wunder also, dass auch Lehrkräfte
                 Berufsgruppe gab es allerdings, die      pergefühl als an der Luft. Zudem seien      Alarm schlagen. „Es kommt viel öfter als
                 die hohen Temperaturen mit gemisch-      Kinder, die nicht schwimmen könnten,        noch vor 20 Jahren vor, dass man beim
                 ten Gefühlen sah: die der Bade- und      von vielen schulischen Aktivitäten aus-     Schwimmunterricht in der 5. Klasse die
                 Schwimmmeister, die das Gewusel im       geschlossen. Das gelte auch für Aus-        zugewiesene Mittelbahn im Hallenbad
                 Wasser im Auge behalten muss. Und        flüge oder Landschulheimaufenthalte.        nicht nutzen kann, weil zu viele Kinder
                 die dabei oft zu spät kam: 445 Men-      „Vom Bootfahren bis zum Surfen, all         nicht schwimmen können“, berichtet
                 schen – etwa 30 davon Geflüchtete –      das kommt für Nichtschwimmer nicht          Arne Westhoff*, Lehrer aus Nordrhein-
                 ertranken in Deutschland in den ersten   in Frage. Wer nicht schwimmen kann,         Westfalen. Das Schwimmen werde ge-
                 acht Monaten 2018. Schon vor Jahren      grenzt sich aus.“                           ringgeschätzt – von Eltern aus unter-
                 mahnte das Personal am Beckenrand,       Dieser Befund ist umso trauriger, als er    schiedlichsten sozialen Milieus: „Die
                 dass immer weniger Kinder und Ju-        eine soziale und eine religiöse Kompo-      einen haben nicht das Geld, um mit ihren

    Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
SPORT IN DER SCHULE              13

Kindern ans Meer zu fahren, die anderen     Sprecher Martin Holzhause: „Gut 80 Bä-      Prozent 2018 deutlich überbieten wer-
schreien Zeter und Mordio, wenn Mathe       der pro Jahr verschwinden für immer.“       de. Zum Vergleich: Bundesweit liegt der
ausfällt und sind regelrecht erleichtert,   Im Jahr 2000 gab es 6.716 Schwimm-          Kostendeckungsgrad bei 30 Prozent.
wenn es den Schwimmunterricht trifft.“      bäder, heute sind es noch knapp 6.000,      Doch dies hindert die Stadt nicht dar-
Zudem habe G8 am Gymnasium mit dem          ein Investitionsstau von 4,5 Milliarden     an, beim renovierten „Fächerbad“, das
Ausbau der Ganztagsbetreuung fatale         Euro hat sich aufgetan. Dass Bäder zu-      auch für den Schulsport genutzt wird,
Folgen gehabt: „Die Kinder kommen am        erst dran glauben müssen, wenn eine         die Preise drastisch zu erhöhen – für
späten Nachmittag nach Hause und ha-        Kommune sparen muss, ist systembe-          Vielschwimmer um bis zu 300 Prozent.
ben dann keine Lust mehr auf Musikun-       dingt. Schwimmbäder zählen zu den           Oliver Sternagel, Geschäftsführer der
terricht oder Schwimmkurs.“                 „freiwilligen Aufgaben“ der kommuna-        Bäderbetriebe, begründet dies damit,
In der 3. und 4. Klasse ist Schwimmen       len Haushalte und fallen angesichts der     man strebe einen Kostendeckungsgrad
zwar als fester Bestandteil des Sport-      desaströsen Finanzlage vieler Kommu-        von 70 Prozent an.
unterrichts vorgesehen: Am Ende der         nen entsprechend schnell dem Rotstift
4. Klasse sollen die Kinder schwimmen       zum Opfer. Fatalerweise werden Hal-         Politik zögert
können. Häufig bloß Theorie: „Theore-       lenbäder in ärmeren Stadtteilen häufig      Derweil verhält sich die baden-württem-
tisch sollten die Lehrerinnen und Lehrer    zuerst gestrichen, weiß GEW-Sportex-        bergische Landesregierung zöger­lich.
Rettungsfähigkeit, Methodik, Didaktik       perte Baumann. „Dabei wäre dort ein         Bildungsministerin Susanne Eisen­mann
draufhaben. In der Praxis reicht in vie-    gut zugängliches Schwimmbad so wich-        (CDU) antwortete jüngst ausweichend
len Grundschulen allerdings schon die       tig.“ Zwar würden durchaus noch neue        auf Anfragen von SPD- und FDP-Abge-
Rettungsfähigkeit“, hat Westhoff festge-    Bäder gebaut, dann allerdings meist         ordneten, die sich um die Schwimmfä-
stellt. Dass fachfremd unterrichtet wird,   „Spaßbäder“, die unzählige Attraktio-       higkeit der Grundschüler Sorgen mach-
sei eher die Regel als die Ausnahme und     nen bieten. Nur eines kann man dort         ten. „Da keine verbindliche Definition
trage ebenfalls nicht zur Qualität des      nicht gut: schwimmen.                       von Schwimmfähigkeit vorliegt, werden
Unterrichts bei. Zumal viele Kolleginnen    Selbst da, wo es noch ein Schwimmbad        hierzu keine statischen Daten erhoben.“
und Kollegen Angst vor Schwimmunfäl-        gibt, ist es für viele Menschen nur sel-    Jürgen Walter, Mitglied im Arbeitskreis
len hätten und sich rechtlich nicht genü-   ten oder gar nicht möglich, dieses auch     Bildung der Landtags-Grünen, sieht al-
gend abgesichert fühlen. „In der Summe      zu nutzen: „Wir stellen vor allem in den    lerdings Handlungsbedarf: Land und
führt das dazu, dass man häufig statt von                                               Kommunen müssten sich „darüber un-
Schwimmunterricht eher von einem öf-                                                    terhalten, wie die teilweise maroden
fentlichen Verwahren im und am Wasser                                                   Lehrschwimmbecken saniert werden
sprechen kann.“                                                                         können, damit Schwimmen wieder ein
Dabei gibt es punktuell durchaus inno-                                                  fester Bestandteil des Unterrichts wird“.
vative Ideen, wie die Zahl der schwimm-                                                 Während die Politik Studien in Auftrag
fähigen Kinder und Jugendlichen wie-                                                    gibt und über Finanzierungsfragen strei-
der gesteigert werden könnte. Das zeigt                                                 tet, nehmen vielerorts Bürgerinnen und
ein Blick nach Berlin-Neukölln, wo die                                                  Bürger das Problem selbst in die Hand.
damalige Bezirksbürgermeisterin und                                                     Immer öfter kommt es vor, dass sie in
heutige Bundesfamilienministerin Fran-                                                  Eigenregie Bäder weiterbetreiben, die
ziska Giffey (SPD) ein Projekt namens                                                   die Kommunen ansonsten schließen
„Schwimmbär“ initiierte: Schwimm-                                                       würden. Viele Eltern, die es sich leisten
lehrkräfte organisieren für Zweitkläss-                                                 können, schicken ihre Kinder in private
ler eine Projektwoche, in der sich die      Noch gibt es dieses Schwimmbad. Doch        Schwimmschulen. Und die Stadtstaaten
Kinder an fünf Tagen hintereinander         „gut 80 Bäder verschwinden pro Jahr“,       Bremen und Hamburg sind mittlerweile
langsam ans Wasser gewöhnen. Kin-           sagt DLRG-Sprecher Martin Holzhause.        dazu übergegangen, den Schwimmun-
der, die – gestützt durch ein Schwimm-                                                  terricht von den Schwimmmeistern der
kissen – schon einmal die Angst vorm                                                    örtlichen Bäderbetriebe durchführen zu
fremden Element verloren haben, ler-        großen Städten fest, dass die Preise        lassen. GEW-Vertreter Baumann, selbst
nen später auch schneller schwimmen.        enorm hoch sind“, sagt DLRG-Sprecher        Hamburger, sieht das mit gemischten Ge-
                                            Holzhause, „das verschärft noch mal         fühlen: „Aber wir erreichen jetzt 100 Pro-
Rotstift-Opfer Schwimmbad                   die soziale Kluft.“ Zumal das neoliberale   zent der Schülerinnen und Schüler eines
Doch an den strukturellen Problemen         Denken mancherorts so tief verwurzelt       Jahrgangs statt bisher 80 bis 85 Prozent.“
können auch die kreativsten Aktionen        scheint, dass es sich nicht durch Zahlen
nicht viel ändern. Vielen Kommunen          erschüttern lässt: Die 320.000-Einwoh-      Christoph Ruf,
mangelt es schlicht und einfach an der      ner-Stadt Karlsruhe, eine vergleichswei-    freier Journalist
entsprechenden Infrastruktur. Ein Vier-     se prosperierende Kommune, verkün-
tel der Schulen habe keinen Zugang zu       dete in diesem Sommer stolz, dass sie
einem Schwimmbad mehr, sagt DLRG-           ihren Kostendeckungsgrad von über 65        *Name geändert

                                                                                                            Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
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                                                                                                         fördere sie die Entwicklung der
                                                                                                         koordinativen Fähigkeiten der
                                                                                                         Schüler, sagt Maria Heisterklaus,
                                                                                                         Jugendwartin der Handballabtei-
                                                                                                         lung des MTV Karlsruhe.

                Hindernislauf zur
                Win-win-Situation
                 // Ganztagsangebote sind ohne        Die Weinbrennerschule in Karlsruhe ist
                 die Kooperation mit Sportver-        eine Grundschule mit „sport- und be-
                 einen oft nicht denkbar. Dabei       wegungserzieherischem Schwerpunkt“.
                 müssen sowohl Schulen wie auch       Die Lage in der heterogen bevölkerten
                 Vereine immer wieder Hürden          Weststadt, am Rand einer Grünanlage,
                 nehmen: Bürokratie, Planungsun-      bietet beste Möglichkeiten für Pausen-
                 sicherheit und die schwankende       sport und bewegten Unterricht. Min-
                 Qualität der Angebote erschwe-       destens 200 Minuten Sportunterricht in
                 ren eine Zusammenarbeit. Bei-        der Woche sieht das Kultusministerium
                 spiele aus der Praxis zeigen aber    des Landes Baden-Württemberg für die
                 auch: Wenn es gut läuft, profitie-   Vergabe des Zertifikats vor. Rund 900
                 ren alle. //                         Grundschulen in Baden und Württem-
                                                      berg bieten durch zusätzliche Sport-         „Neben dem Handball widme ich ein
                                                      stunden aus dem Ergänzungsbereich,           Drittel meines Trainings der Entwick-
                                                      Klassenzusammenlegungen und Koope-           lung der koordinativen Fähigkeiten der
                                                      rationsmaßnahmen mit Vereinen eine           Schüler“, erklärt die 55-Jährige.
                                                      tägliche Sportstunde neben dem Regel-        Die Ganztagschule als gemeinsamer
                                                      unterricht an. Geld gebe es für dieses       Lern- und Lebensort von Kindern und
                                                      Prädikat aber nicht, erklärt Schulleiterin   Jugendlichen ist längst nicht mehr aus
                                                      Susanne Schuck schmunzelnd.                  der Schullandschaft wegzudenken. An-
                                                      Sport und Bewegung stehen weit oben          getrieben von der damaligen Bundesmi-
                                                      auf der Agenda dieser Ganztagsschule.        nisterin Edelgard Bulmahn (SPD) wurden
                                                      Durch Kooperation mit Sportvereinen          2003 im Rahmen des „Investitionspro-
                                                      versucht die Schulleitung seit 2014, den     gramms Zukunft Bildung und Betreuung“
                                                      Ganztagsschülern so viele Bewegungs-         vier Milliarden Euro in den Ausbau der
                                                      angebote wie möglich zu machen. An           Ganztagschulen investiert. Die Gründe
                                                      der Weinbrennerschule werden unter           dafür waren und sind stichhaltig: Immer
                                                      anderem AGs in Schach, Tennis, Korf-         mehr Alleinerziehende brauchen Entlas-
                                                      ball und Handball angeboten. „Bei allen      tung, benachteiligte Kinder und Jugend-
                                                      Problemen“, sagt Rektorin Schuck, „im        liche aus bildungsfernen Schichten und
                                                      Prinzip bedeuten die Kooperationen           mit Migrationshintergrund sollen geför-
                                                      mit den Sportvereinen eine Win-win-Si-       dert werden und der Ausbau musischer
                                                      tuation.“ So sieht das auch Maria Heis-      und sportlicher Angebote die ganzheit-
                                                      terklaus, Jugendwartin der Handballab-       liche Persönlichkeit der Schülerinnen
                                                      teilung des MTV Karlsruhe und selbst         und Schüler entwickeln. Und Sportver-
                                                      Grundschullehrerin. Seit vielen Jahren       eine, die aufgrund des demografischen
                                                      kooperieren die Weinbrennerschule            Wandels und der erhöhten Konkurrenz
                                                      und der MTV, auch in diesem Schuljahr        durch andere Freizeitangebote unter
                                                      leitet Heisterklaus eine Handball-AG.        Mitgliederschwund leiden, versprechen

                                                                                                   Sport und Bewegung stehen weit oben
                                                                                                   auf der Agenda der Weinbrennerschule in
                                                                                                   Karlsruhe. Eine Stütze der Ganztagsgrund-
                                                                                                   schule sind die Sportangebote externer
                                                                                                   Anbieter. „Den Inhalt überlassen wir den
                                                                                                   Sportvereinen“, sagt Schulleiterin Susanne
                                                                                                   Schuck.

    Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
SPORT IN DER SCHULE              15

                                                                 dessportbünden einen Antrag für eine        heimer Hilda-Gymnasium zum Beispiel
                                                                 Zusammenarbeit stellen müssen. Wird         zielen vorwiegend auf die Fünft- bis
                                                                 dieser bewilligt, gibt es Zuschüsse, die    Siebtklässer ab. Die Erfahrung zeige, so
                                                                 von Bundesland zu Bundesland unter-         Kinck: Je näher die Jugendlichen dem
                                                                 schiedlich ausfallen. Entstehen Lücken      Abitur kämen, desto weniger Zeit bleibe
                                                                 in der Finanzierung, können Gelder          für Sport. Wissenschaftliche Untersu-
                                                                 bei Förderkreisen der Schulen sowie         chungen fallen nicht ganz so eindeutig
                                                                 bei Städten und Kommunen beantragt          aus: Im Jahr 2013 hat die MedikuS-Stu-
                                                                 werden. Gerne würde Schuck mehr Ko-         die des Deutschen Jugendinstituts (DJI)
                                                                 operationen eingehen und den Kindern        und des Deutschen Instituts für Interna-
                                                                 mehr Sport anbieten – zumal es für die      tionale Pädagogische Forschung (DIPF)
                                                                 Gruppen mit jeweils 16 bis 18 Teilneh-      das Verhalten Jugendlicher zwischen
                                                                 mern mehr Bewerberinnen und Bewer-          neun und 24 Jahren in den Bereichen
                                                                 ber als Plätze gibt. Doch die Kapazitäten   Medien, Kultur und Sport untersucht.
                                                                 in der kleinen Turnhalle sind komplett      Ergebnis: Die Quote der Vereinssport-
                                        Fotos: Tobias Schwerdt

                                                                 ausgereizt. Gerade in Städten fehlt es      ler lag bei Halbtagsschülern mit 60,9
                                                                 an Sporthallen, oft konkurrieren Schu-      Prozent rund 10 Prozentpunkte höher
                                                                 len und Vereine um Belegzeiten.             als bei Ganztagsschülern (50,3). Ande-
                                                                 Dieses Problem kennt auch Sonja Kinck,      rerseits stellte sich heraus, dass G8-
                                                                 am Hilda-Gymnasium in Pforzheim für         Schüler mehr Vereinssport betrieben
sich durch den engeren Kontakt zu den                            die Ganztagsangebote zuständig. Das         als jene an G9-Gymnasien.
Schulen neue Mitglieder. Mittlerweile                            G8-Gymnasium ist eine Innenstadt-           Interessante Erkenntnisse zum Thema
haben rund 40 Prozent der Schülerin-                             schule mit über 1.000 Schülerinnen und      liefert auch Lutz Thieme, Professor für
nen und Schüler die Möglichkeit, Ganz-                           Schülern. Es bietet seit 2012 in Koope-     Sportmanagement an der Hochschu-
tagsangebote wahrzunehmen.                                       ration mit Sportvereinen AGs an, unter      le Koblenz, in seiner Arbeit „Ganztag
                                                                 anderem Rugby, Fußball und Basket-          und Sportvereine: Zusammenfassung
Qualität muss stimmen                                            ball. In der Rugbyhochburg Pforzheim        vorliegender empirischer Befunde un-
Die aktuelle Bundesregierung aus CDU,                            trainieren die Schüler mit Spielern des     ter besonderer Berücksichtigung von
CSU und SPD will den Ausbau der Ganz-                            Bundesligisten TV. Sonst aber leiten –      Daten aus Rheinland-Pfalz“. Der Wis-
tagsschulen nun wieder forcieren und                             wie an vielen Schulen bundesweit – oft      senschaftler fand heraus, dass „weder
stellt dafür zwei Milliarden Euro zu Ver-                        junge Menschen die Angebote, die die        die teils euphorischen Prognosen eini-
fügung. Im Koalitionsvertrag ist vom                             Zeit nach dem Abitur und vor dem Stu-       ger Sportverbände infolge der mit der
„Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreu-                              dium oder der Ausbildung für ein Frei-      Ganztagsschulentwicklung erfolgten
ung für alle Kinder im Grundschulalter“                          es Soziales Jahr (FSJ) nutzen. Aufgrund     Öffnung der Schulen für Sportvereine,
ab 2025 die Rede. Wie realistisch diese                          von Fortbildungen, beispielsweise zum       noch die düsteren Szenarien von Kriti-
Pläne sind, wird kontrovers diskutiert.                          Übungsleiter, fehlten die FSJler manch-     kern eingetreten sind, die ein flächen-
Fachleute halten die angegebene Sum-                             mal, AGs fielen dann aus, berichtet         deckendes Ausbluten der Sportvereine,
me für viel zu niedrig, die Kommunen                             Kinck. Die Schülerinnen und Schüler         eine Abwanderung der Übungsleiter zu
stünden vor einem Kraftakt. Im Grund-                            müssten in diesem Fall anders beschäf-      Ganztagsschulangeboten sowie eine
schulbereich fehlen nach Angaben der                             tigt werden.                                deutliche Verschlechterung der Sport-
GEW zudem schon heute rund 2.000                                 Eine detaillierte Abstimmung zwischen       stättensituation für den Vereinssport
Lehrerinnen und Lehrer. GEW-Vorsit-                              den Vereinen und den Schulen sowie          vorhergesagt hatten.“ Offenbar, so
zende Marlis Tepe begrüßt die Initiative                         dem Stundenplan des regulären Sport-        Thieme, profitierten Schulen und Verei-
der Großen Koalition, gibt jedoch zu be-                         unterrichts gibt es selten: „Den Inhalt     ne, die schon vor dem Ausbau des Ganz-
denken: „Das wird viele Eltern anspre-                           überlassen wir den Sportvereinen“,          tags langjährige Kooperationspartner
chen, aber sie werden Qualität erwar-                            erklärt Rektorin Schuck. Auch an der        der Schulen waren.
ten, denn nur dann geben sie ihre Kinder                         Weinbrennerschule trainieren FSJler         Dies bestätigen Schulleiterin Schuck
gerne an Bildungseinrichtungen ab.“                              oder Vereinstrainer hauptsächlich nach      und MTV-Jugendwartin Heisterklaus,
Wie erleben die Praktiker in den Schu-                           ihren Vorstellungen. Manche Angebote        deren Zusammenarbeit seit zehn Jah-
len Kooperationen mit den Sportverei-                            müssten nach einem Jahr wieder aus-         ren verlässlich funktioniert. Auch Ganz-
nen im Rahmen der Ganztagsklassen?                               fallen, weil keine Trainer mehr zur Ver-    tagskoordinatorin Kinck findet: „Wenn
Viele Lehrerinnen und Lehrer bemän-                              fügung stünden, ergänzt AG-Leiterin         man als Schule ein Netz von Koopera-
geln Planungsunsicherheit. Ärgerlich                             Heisterklaus: „Studenten sind nachmit-      tionspartnern und Trainern aufgebaut
findet Schulleiterin Schuck, dass die                            tags selbst an der Uni beschäftigt, Ver-    hat, dann läuft es.“
Kooperationen mit den Vereinen jähr-                             einstrainer arbeiten.“
lich erneuert werden, Schulen und                                Weiterführende Schulen haben noch           Tobias Schächter,
Vereine jedes Jahr wieder bei den Lan-                           ein Problem: Die Angebote am Pforz-         freier Journalist

                                                                                                                                 Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
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