Zu wenig in Bewegung - Erziehung & Wissenschaft 11/2018 - GEW
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Gewerkscha Erziehung und Wissenscha Erziehung & Wissenschaft 11/2018 Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW Sport in der Schule Zu wenig in Bewegung
2 GASTKOMMENTAR Foto: Peter Jülich ANDREAS SCHWARZKOPF Auf den Weg machen Das ist mal ein Ziel: Schule beginnt künftig täglich mit Sport. vereine. Die Folgen sind im wahrsten Sinne des Wortes fatal. Schließlich belegen zahlreiche Studien, wie leistungsfördernd Viele beklagen, dass etwa die Hälfte der Kinder am Ende der es ist, wenn sich Schülerinnen und Schüler bewegen, bevor Grundschulzeit keine sicheren Schwimmerinnen und Schwim- sie rechnen und schreiben lernen. Sie wären wacher und aus- mer mehr sind (s. S. 12 f.). Das wiederum ist ein Grund, warum geglichener, könnten sich besser konzentrieren. Stimmt, da- allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2018 445 Men- von ist der Sportunterricht hierzulande noch weit entfernt. Es schen hierzulande beim Schwimmen ertrunken sind. ist aber durchaus möglich, sich auf den Weg zu machen, um So bitter es ist: Diese schreckliche Zahl könnte dem Schulsport dieses Ziel zu erreichen. helfen – kombiniert mit einer weiteren Hiobsbotschaft. Denn Denn beim Sportunterricht hat sich in den vergangenen Jah- laut einer aktuellen Studie der Weltgesundheitsorganisation ren einiges bewegt, wenn auch leider noch zu vieles in die WHO bewegen sich die Deutschen viel zu wenig. Die Zahl falsche Richtung. Wer an Sportunterricht denkt, dem kom- der Übergewichtigen steigt, und damit werden wahrschein- men immer noch meist überfüllte alte und miefige Turnhallen lich immer mehr Menschen eher früher als später krank. Das in den Sinn sowie überholte autoritäre Lehrmethoden nach treibt die Kosten für Behandlungen, etwa von Herz-Kreislauf- dem Vorbild von Turnvater Jahn, die viele Mädchen und Jun- Erkrankungen, nach oben. gen verängstigen, statt sie zu motivieren. Bedauerlicherweise Diese beiden Entwicklungen könnten dann dem Schulsport sprechen die wenigsten dann über Staffellauf und Slacklines, zugutekommen, wenn Politikerinnen und Politiker die richti- Weitsprung und Waveboards. Und auch nicht über koopera- gen Schlüsse ziehen und weitere Entwicklungen nutzen. Mit tiven Gruppenunterricht, bei dem Stärkere und Schwächere dem Hinweis auf die teils dramatischen gesundheitlichen zusammen kleine Teams bilden und gemeinsam Strategien Folgen eines vernachlässigten Sportunterrichts ließen sich entwickeln müssen, wie sie sich spielend bewegen. zusätzliche Mittel für mehr Stellen und Sporthallen erstreiten. An dem eher schlechten Image des Sportunterrichts haben Wenn außerdem etwa in Ganztagsschulen der Nachwuchs Reformen wenig geändert, auch wenn sie ein Schritt in die nicht einfach nur verwahrt, sondern betreut werden soll, kann richtige Richtung waren. Zwar lässt der geänderte Lehrplan und muss der Sport eine größere Rolle spielen (s. S. 14 f.). den Lehrerinnen und Lehrern mehr Spielraum. Seither un- Womöglich lassen sich auch zusätzliche Hallenkapazitäten terteilt man den Sportunterricht nicht mehr in Disziplinen, und Personal gewinnen, wenn Schulen etwa mit Sportverei- sondern in Lern- und Erfahrungsfelder. Immerhin wird sich in nen stärker als bislang kooperieren. Dann würden sie nicht immer mehr Turnhallen an und mit Geräten bewegt. Anstel- mehr um die Becken in Schwimmhallen konkurrieren, son- le der gefürchteten langen Schlangen vor blauen Matten und dern diese gemeinsam nutzen. Schließlich klagen viele Clubs Reck gibt es Hindernisparcours, die frei variiert werden. über mangelnden Nachwuchs. Doch diese Verbesserungen können nicht überall umgesetzt Die Verantwortlichen müssen also kreativ sein und noch viel werden. Manchmal fehlt das Personal, manchmal die Sport- arbeiten, um den Sportunterricht hierzulande nach vorn zu stätte, oft auch beides. Viele Kommunen haben beispielswei- bringen. Dafür ist kein Sprint, sondern ein Marathonlauf nötig. se in den vergangenen Jahren aus finanziellen Gründen ihre Schwimmhallen geschlossen. Um die wenigen Schwimmbe- Andreas Schwarzkopf, cken konkurrieren nun mancherorts Schulen und Schwimm- Leiter des Ressorts Meinung der Frankfurter Rundschau Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
INHALT 3 Prämie Inhalt des Monat s Seite 5 Gastkommentar IMPRESSUM Auf den Weg machen Seite 2 Erziehung und Wissenschaft Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 70. Jg. Impressum Seite 3 Herausgeberin: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund Auf einen Blick Seite 4 Vorsitzende: Marlis Tepe Redaktionsleiter: Ulf Rödde Redakteurin: Helga Haas-Rietschel Prämie des Monats Seite 5 Redaktionsassistentin: Katja Wenzel Postanschrift der Redaktion: Reifenberger Straße 21 Schwerpunkt: Sport in der Schule 60489 Frankfurt am Main Telefon 069 78973-0 1. Schulsport – viele Mankos: Zu wenig in Bewegung Seite 6 Fax 069 78973-202 2. GEW-Sportkommission: Netzwerk für Sportbegeisterte Seite 9 katja.wenzel@gew.de www.gew.de 3. Leistungssport: „Keine Erfolgsmaschinen“ Seite 10 facebook.com/GEW.DieBildungsgewerkschaft 4. Stiefkind Schwimmunterricht: „Öffentliches Verwahren am Wasser“ Seite 12 twitter.com/gew_bund 5. Sportangebot im Ganztag: Hindernislauf zur Win-win-Situation Seite 14 Redaktionsschluss ist in der Regel 6. Inklusion im Sportunterricht: Seepferdchen und Eiswaffel Seite 16 der 7. eines jeden Monats. Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich. Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste und Internet 9. November sowie Vervielfältigung auf Datenträger der „Erziehung und Wissenschaft“ auch auszugweise nur nach vorheri- Interview mit Lorenz Beckhardt: Eine außergewöhnliche jüdische Geschichte Seite 18 ger schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Gestaltung: Bildungspolitik Werbeagentur Zimmermann, Heddernheimer Landstraße 144 1. Lehrkräfte-Bedarfsprognose 2018: KMK erkennt Mangel an Seite 20 60439 Frankfurt 2. Bildungspolitisches Forum: „Große Forschungslücken“ Seite 25 Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitglieds- 3. „Bildung auf einen Blick“: Kein „taxifahrender Dr. Arbeitslos“ in Sicht Seite 26 beitrag enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der 4. Stand der inklusiven Bildung: Glas halb voll oder halb leer? Seite 28 Bezugspreis jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30 Zustellgebühr inkl. MwSt. Für die Mitglieder der Landesverbände Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Länderserie Fachkräftemangel Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen werden die Saarland: „Was da ist, wird irgendwie verteilt“ Seite 22 jeweiligen Landeszeitungen der E&W beigelegt. Für un- verlangt eingesandte Manuskripte und Rezensionsexem- plare wird keine Verantwortung übernommen. Die mit „JA13“ dem Namen des Verfassers gekennzeichneten Beiträge stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder Bessere Bezahlung aller Lehrkräfte: Schrittweise nach A13 Seite 30 der Herausgeberin dar. Initiative „Bildung. Weiter denken!“ Verlag mit Anzeigenabteilung: Stamm Verlag GmbH 1. GEW-Studie zur Ausstattung von Bildungseinrichtungen: Schlecht aufgestellt Seite 32 Goldammerweg 16 45134 Essen 2. Nordrhein-Westfalen und Saarland: Die Zukunft schulischen Lernens Seite 45 Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller Telefon 0201 84300-0 Fax 0201 472590 Gesellschaftspolitik anzeigen@stamm.de 1. Herausforderung für politische Bildung: „Chemnitz hat Angst!“ Seite 34 www.erziehungundwissenschaft.de gültige Anzeigenpreisliste Nr. 40 2. Bildungspolitische Strategie der AfD: „Deckmäntelchen Chancengleichheit“ Seite 36 vom 01.01.2017, 3. AfD-Denunziationsportale: Plumpe Einschüchterungsversuche Seite 38 Anzeigenschluss ca. am 5. des Vormonats 4. GEW-Kommentar: Haltung zeigen! Seite 40 Erfüllungsort und Gerichtsstand: Frankfurt am Main Leserforum Seite 46 Diesmal Seite 48 ISSN 0342-0671 Die E&W wird auf 100 Prozent chlorfrei Titel: Werbeagentur Zimmermann gebleichtem Recyclingpapier gedruckt. Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
4 AUF EINEN BLICK Herkunft bestimmt Bildungschancen „Lernen am Limit“ 17 Jahre nach dem PISA-Schock bestimmt die soziale Herkunft Zu Beginn des Wintersemesters Gewerkscha Erziehung und Wissenscha in Deutschland den Schulerfolg immer noch stärker als in vie- 2018/19 blieben wieder viele Stu- Erziehung & Wissenschaft 12/2017 len anderen Ländern. Kinder aus Akademikerfamilien erreichen dierende ohne Wohnung. Studien Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW deutlich häufiger hohe Abschlüsse als der Nachwuchs von El- anfänger waren gezwungen, in tern mit geringeren Qualifikationen. Schlechte Noten also für Turnhallen oder Zelten zu über- Bildungschancen, die der jetzt veröffentlichte Bericht „Chan- nachten. Zur Wohnungsnot kommt cengleichheit in der Bildung – Hindernisse für soziale Mobilität die Raumnot in Hörsälen und Se- Soziale Situation der Studierenden abbauen“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenar- minarräumen – Studierende sitzen Foto: zplusz beit und Entwicklung (OECD) erteilt. Die OECD-Befunde zeigen gedrängt auf den Fußböden. Bib- erneut, dass die Wunde des deutschen Bildungssystems noch liotheken sind überfüllt. Deshalb lange nicht verheilt ist: Soziale Ungleichheit hält sich hartnä- hat der BASS, die Studierenden- Wohnungsnot macht ckig. Und nicht nur das. Je älter Heranwachsende werden, des- vertretung der GEW, zusammen erfinderisch to stärker, stellt die OECD fest, präge sich die soziale Schere in mit anderen Akteuren der Hoch- den Bildungswegen aus. So erreichen hierzulande nur knapp 15 schulpolitik, die Kampagne „Studis gegen Wohnungsnot“ Prozent der Erwachsenen mit Eltern ohne Abitur ein abgeschlos- mit dem Aufruf „Lernen am Limit“ fortgesetzt. Damit wol- senes Hochschulstudium. Im Schnitt der OECD-Länder sind es len die jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter 21 Prozent. Der Rückstand Deutschlands hänge auch mit dem auf die prekäre Lebens- und Arbeitssituation vieler junger Bildungssystem zusammen, das sozialer Segregation durch eine Menschen in den Hochschulstädten aufmerksam machen. frühe Trennung Vorschub leistet, kritisiert OECD-Bildungsdirek- Wie das Deutsche Studentenwerk (DSW) appellieren sie an tor Andreas Schleicher. Er weist darauf hin, dass Kinder aus bil- die Politik, „bezahlbaren Wohnraum“ und den Ausbau von dungsfernen Schichten umso bessere Chancen hätten, je mehr Wohnheimplätzen (s. E&W-Schwerpunkt 12/2017) bereitzu- es den Schulen gelinge, die Klassen sozial zu durchmischen. stellen. Allein bei den Studentenwerken stehen Zehntausen- de auf den Wartelisten für einen Wohnheimplatz. Team Lindner und Walm gewählt Die bisherige Landesvorsit- zende Annett Lindner und Sachsen lockt Lehrkräfte ihr bisheriger Stellvertreter, Die sächsische CDU/SPD-Landesregierung steht unter Foto: Michaela Skott Maik Walm, führen künftig Handlungsdruck: viel Unterrichtsausfall, hohe Seitenein- die GEW Mecklenburg-Vor- steiger-Quoten, zu wenige Bewerberinnen und Bewerber pommern gemeinsam an. auf offene Stellen für Lehrkräfte. Jetzt hat der Freistaat Die Delegiertenversammlung mit dem Programm „Nachhaltige Sicherung der Bildungs- stimmte mit großer Mehrheit Neues Führungsduo: Annett qualität in Sachsen“ ein Paket geschnürt, das den Lehrer- für eine Doppelspitze. Lindner und Maik Walm beruf attraktiver machen und die personelle Ausstattung der Schulen verbessern soll. Kernpunkt des Anreizsys- tems: Jüngeren Kolleginnen und Kollegen wird bis zum Reisekosten zahlt der Arbeitgeber Alter von 42 Jahren die Verbeamtung angeboten. Diese Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts müssen Möglichkeit ist zunächst auf fünf Jahre befristet und gilt Lehrkräfte Reisekosten für außerunterrichtliche Veranstaltun- ab Anfang 2019. Bei den Älteren in den Kollegien hat das gen nicht aus eigener Tasche zahlen. Die GEW Baden-Württem- „Lockangebot“ für so viel Unmut gesorgt, dass die Regie- berg (BaWü) sieht im Richterspruch aus Leipzig einen Auftrag rungskoalition unter Druck geriet, nachzubessern. Künf- an die Landesregierungen, mehr Geld für Klassenfahrten und tig sollen zum gleichen Zeitpunkt alle tarifbeschäftigten andere Ausflüge bereitzustellen, damit Lehrkräften die Reise- Pädagoginnen und Pädagogen, die jetzt in der Entgelt- kosten künftig vollständig vergütet werden können. Ein Lehrer gruppe E13 sind, eine Zulage von 170 Euro erhalten (dann aus BaWü hatte mit Unterstützung des GEW-Landesverbandes E13 plus). Ab 1. Januar 2019 werden auch Grundschul- dagegen geklagt, dass er einen Teil der Kosten einer Klassen- lehrkräfte in E13 eingruppiert und bekommen ein Jahr fahrt nach Berlin selbst zahlen sollte. „Überall ist es selbstver- später ebenfalls den 170-Euro-Bonus. Doch viele ältere ständlich, dass Dienstreisen vom Arbeitgeber finanziert wer- Lehrkräfte empfinden das weiterhin als ungerecht. „Es den. Nur die Landesregierung geht davon aus, dass Lehrkräfte reicht nicht, den jungen Kolleginnen und Kollegen attrak- in die eigene Börse greifen, wenn sie ihren Bildungsauftrag tivere Einkommensbedingungen anzubieten. Auch die ernst nehmen“, monierte GEW-Landeschefin Doro Moritz. Bis- älteren Lehrkräfte dürfen sich nicht als Verlierer empfin- her sei es gängige Praxis, dass etwa Klassenfahrten erst dann den“, sagte GEW-Landesvorsitzende Uschi Kruse. Die Zu- genehmigt werden, wenn die Pädagoginnen und Pädagogen lage von 170 Euro sei „ein Schritt in die richtige Richtung“. vorher unterschrieben, dass sie darauf verzichten, sich alle Kos- Sie werde von den Betroffenen aber eher „als Symbol und ten erstatten zu lassen. Die GEW BaWü erwartet, dass sich der nicht als tatsächliche Wertschätzung“ wahrgenommen. Richterspruch auf alle Schulen auswirken wird. Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
Mitmachen lohnt sich ... ... für jedes neu geworbene GEW-Mitglied erwartet Sie Kingdomino – Spiel des Jahres 2017.* Prämie des Monats November: Kingdomino – Spiel des Jahres 2017 Als Herrscherinnen und Herrscher eines Königreichs sind Sie auf der Suche nach neuen Ländereien. Diese müssen passend an bereits liegende Landschaftsplättchen angelegt werden – wie bei „Domino“. Ein flottes und knackiges Spiel, bei dem immer noch eine Revanche-Partie drin ist. Neues Mitglied werben und Prämie online anfordern www.gew.de/praemienwerbung *Dieses Angebot gilt nicht für Mitglieder des GEW-Landesverbandes Niedersachsen. Keine Lust auf unser Online-Formular? Fordern Sie den Prämienkatalog an! Per E-Mail: mitglied-werden@gew.de | Per Telefon: 0 69 / 7 89 73-211 oder per Coupon: E&W-Prämie des Monats November 2018/Kingdomino Bitte in Druckschrift ausfüllen. Vorname/Name GEW-Landesverband Straße/Nr. Telefon Fax PLZ/Ort E-Mail Bitte den Coupon vollständig ausfüllen und an folgende Adresse senden: # Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt a. M., Fax: 0 69 / 7 89 73-102
6 SPORT IN DER SCHULE Freude an Bewegung haben Kin- der und J ugendliche auch heute. Doch da gibt es die starke Kon- kurrenz durch PC, Smartphone und Internet. Um so wichtiger ist der Schulsport als Chance, Motorik, Rhythmusgefühl und Gleichgewichtssinn zu trainie- ren. Kurz: Er ist nicht nur für die Gesundheit unverzichtbar. Doch die Realität im Schul- alltag sieht anders aus: Nicht selten bleiben die Turnhallen leer. Und das nicht nur, weil sie sanierungsbedürftig sind. Drei Sportstunden in der Woche stehen oft nur auf dem Papier, denn es mangelt an ausgebilde- ten Sportlehrkräften. Zu wenig in // Schulsport ist wichtig. Viele Kin- der und Jugendliche würden sich Lehrerin an einem Gymnasium in Nord- rhein-Westfalen (NRW). An diesem reg- ren, seit Fechner selbst zur Schule ging. Aber nicht alles. „Ich stelle auch bei den im Zeitalter von PC und Internet nerischen Dienstagmorgen ist sie erkäl- heutigen Schülern eine große Freude ohne ihn gar nicht mehr bewegen. tet, doch das ist nicht der Grund, warum an der Bewegung fest“, sagt die Lehre- Das sehen auch Politikerinnen von 8 bis 9:30 Uhr nicht eine einzige rin. Doch da gibt es die allgegenwärtige und Politiker so und betonen gebrüllte Anweisung von ihr zu hören Konkurrenz durch PC und Internet. Die immer wieder die Bedeutung des ist. Selbst die wenigen Pfiffe, mit denen wird auch in der Großen Pause sichtbar, Sportunterrichts. In der Realität sie die in Kleingruppen trainierenden etwa wenn ein Zwölfjähriger mit nach folgt daraus: nichts. Sportstun- Sechstklässler hin und wieder zusam- vorne gereckten Armen über den Schul- den finden in maroden Hallen menruft, sind nicht gellend, sondern hof läuft – wie der Ego-Shooter, mit mit uralten Geräten statt oder wirken sanft. „Dieser Kasernenhofton dem er nachmittags und abends spielt. werden gleich ganz gestrichen. war mir schon zuwider, als ich selbst „Headshot“ ruft der Junge. „Bamm – Wo liegen die Ursachen? // noch Schülerin war“, sagt die Mittvier- dein Kopf fliegt weg.“ zigerin. „Man kann mit anderen Mitteln Fechners Gymnasium ist ein soziolo- Die amerikanische Comic-Serie „Die für Ruhe sorgen.“ Wie zum Beweis kün- gisches Kuriosum. Es liegt in einem Simpsons“ karikiert seit 1989 den Alltag digt sie nun eine Version von „Ball über wohlhabenden Teil der Stadt, doch die in den USA. Figuren wie der freundliche die Schnur“ an, bei der die Kinder sich Kinder der dort ansässigen Akademiker Lebensmittelhändler Apu oder der brä- nur mit Gesten verständigen dürfen. gehen anderswo zur Schule. „Unsere sige Polizist Chief Wiggum unterhalten Wer spricht oder gar schreit, muss zwei Schule gilt als schwierig, wir können seither Comic-Fans auf allen Kontinen- Minuten pausieren. Bis auf drei Schüler uns die Schüler nicht aussuchen“, sagt ten. Nicht gut hat es „Simpsons“-Erfin- muss niemand auf die Bank. die Pädagogin. „Wir nehmen jedes Kind der Matt Groening derweil mit der Zunft auf.“ Dementsprechend hoch sind die der Sportlehrer gemeint: Mr. Krupt, der Bewegungsfreude kontra PC Anforderungen an die Lehrkräfte, ge- nur sporadisch auftaucht, ist ein tum- Dann bittet Fechner die Klasse wieder rade auch im Sportunterricht. „Aber ber, militaristischer Hinterwäldler, bei in den Kreis. In der Vorwoche haben sie viele Kolleginnen und Kollegen unter- dessen gebrüllten Anweisungen und darüber gesprochen, wie Koordination richten gerne und ganz bewusst hier“, gellenden Pfiffen sich die Schüler ge- und Kondition trainiert werden können, sagt Fechner. „Diese Schule ist bunt quält die Ohren zuhalten. die Kinder haben selbstständig Trai- und nicht so monokulturell wie andere Monika Fechner* ist keine Zeichen- ningsparcours entworfen. Es hat sich Gymnasien in der Stadt.“ Was sie den- trickfigur, sondern eine höchst reale definitiv einiges geändert in den Jah- noch ärgert: Einige Sportgeräte sind Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
SPORT IN DER SCHULE 7 Fotos: dpa Bewegung älter als sie selbst, das Lehrerzimmer ist eng und ein wenig heruntergekom- Mehr als ein Drittel scheitert beim Ver- such, wenige Schritte rückwärts auf Spiel und Sport sind für eine gesunde physische und psychische Entwicklung men. Und dass die Kaffeemaschine mal dem Querbalken zu balancieren. Fak- von Kindern und Jugendlichen von zen- wieder kaputt ist, hebt die Laune auch ten, die nicht ohne Grund so deprimie- traler Bedeutung. Der Schulsport leis- nicht eben. Aber immer wieder gebe es rend sind, wie eine weitere Zahl verrät: tet damit einen anerkannten Beitrag zu bei allen Rückschlägen auch Erfolgser- Nur ein Drittel der Jugendlichen bewegt Bildung und Erziehung sowie zur Bewe- lebnisse, sagt sie: große, wenn ein Kind, sich 60 Minuten oder mehr am Tag – gungs- und Gesundheitsförderung jun- das es zu Hause nicht leicht hat, ein pas- das von der Weltgesundheitsorganisa- ger Menschen.“ sables Abitur macht. Und kleine, wenn tion WHO empfohlene Maß. Schulsport Doch so „unverzichtbar“ – eine Lieb- im Sportunterricht „Berührungsängs- allein reicht nicht aus, um den chroni- lingsvokabel in Sonntagsreden – er- te“ abgebaut werden können, auch die schen Bewegungsmangel junger Men- scheint der Sportunterricht im Schul- ganz konkreten. Kürzlich haben sie sich schen zu beheben. Aber ohne ihn wür- alltag eben gerade nicht. De facto in der 7. Klasse bei einer Besprechung den sich viele gar nicht mehr bewegen. schaffen es nicht einmal alle Bundeslän- an den Schultern gefasst und so einen der, verbindlich drei Wochenstunden Kreis gebildet. Für einige Kinder hat ein Sonntagsreden und Realität Sport im Lehrplan zu verankern. Das solcher Kontakt Seltenheitswert. „Sport Deshalb hat sich 2013 auf der UNESCO- Saarland und Niedersachsen belassen leistet einen großen Beitrag zur Per- Weltkonferenz der Sportminister auch es bei zwei Wochenstunden. Ende Juni sönlichkeitsentwicklung“, sagt Norbert Deutschland in der „Berliner Erklärung“ beschloss auch die Große Koalition in Baumann von der GEW-Sportkommissi- dazu verpflichtet, „sicherzustellen, Sachsen, das Stundentableau um je eine on. „Für viele Kinder und Jugendliche ist dass guter und inklusiver Sportunter- Wochenstunde in Deutsch und Sport zu er der einzige Rahmen, in dem sie noch richt als vorzugsweise tägliches Pflicht- kürzen. Kultusminister Christian Piwarz lernen können, was man mit dem eige- fach in die Grund- und Sekundarschul- (CDU) begründete die Entscheidung nen Körper alles anstellen kann.“ bildung aufgenommen wird (und) dass ebenso populistisch wie hilflos: „Hohe In Deutschland gelten etwa 15 bis 20 Sport und körperliche Betätigung an Priorität hat für uns, die Stundenlast der Prozent der Kinder und Jugendlichen als Schulen und allen sonstigen Bildungs- Schülerinnen und Schüler zu verringern übergewichtig, je nach Studie sind 6 bis einrichtungen fest in den Tagesablauf und zugleich Freiräume für bestimmte 7 Prozent adipös. In der Altersgruppe von Kindern und Jugendlichen integ- Lerninhalte und mehr individuelle För- der Vier- bis 17-Jährigen können 43 Pro- riert“ wird. Ebenso hymnisch äußert derung zu eröffnen.“ Tatsächlich ging es zent der Untersuchten bei Rumpfbeu- sich der Deutsche Städtetag zur Bedeu- wohl eher darum, den Lehrkräftenot- gen ihre Zehenspitzen nicht erreichen. tung des Sportunterrichts: „Bewegung, stand zu kaschieren. >> Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
8 SPORT IN DER SCHULE In Deutschland gelten etwa 15 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen als übergewichtig. Nur ein Drittel der Jugendlichen bewegt sich 60 Minuten oder mehr am Tag. Foto: zplusz In vielen der Bundesländer, die drei ich danach, wie anstrengend es war, alle müsste eine Querschnittsaufgabe sein, Sportstunden anbieten, fallen nicht über 90 Minuten bei der Stange zu hal- die man fächerübergreifend verfolgt“, wenige davon regelmäßig aus. Unter ten“, sagt Schmieder. „Zumal ich immer sagt die Lehrerin aus NRW und verweist anderem deshalb, weil es häufig an aus- die Verletzungsgefahr im Hinterkopf ha- auf das Konzept der „Bewegten Schule“, gebildeten Sportlehrkräften fehlt. Oft ben muss – gerade, wenn unsere kleine das die „Sitzschule“ ablösen soll. Doch unterrichten Lehrerinnen und Lehrer Turnhalle mal wieder von zwei Klassen auch das beste Konzept kann nicht auf- Sport fachfremd. „Es ist lustig, welches gleichzeitig genutzt wird und die Bälle fangen, was durch den Investitionsstau Image das Fach Sport hat“, sagt Karsten hin- und herfliegen.“ an Schulen im Argen liegt. Klar ist jeden- Schmieder*, der in Niedersachsen un- falls, dass die vom Bund bewilligten 3,5 terrichtet. „Auf der einen Seite meinen Querschnittsaufgabe Milliarden Euro für Schulbausanierung viele, wir machten uns einen schlauen Schmieder und Fechner sind sich darin bei weitem nicht reichen werden, um Lenz, während andere Fachkollegen einig, dass die Wissenschaft deutlich flächendeckend marode Gebäude zu die Klausuren korrigieren.“ Schmieder weiter ist als der Schulalltag. „Bewegung sanieren – ein Problem, das nicht zu- muss lachen. „Aber wenn es darum letzt auch das Fach Sport betrifft. Zur geht, wer den Klassenlehrer ins Land- Wahrheit gehört allerdings auch, dass schulheim begleitet, stehen wir aus es oft nicht am fehlenden Geld liegt, dem Sport hoch im Kurs.“ Ob das etwas wenn notwendige Investitionen, etwa damit zu tun hat, dass Sportlehrerinnen in Sporthallen, unterbleiben. Immer und -lehrer eine große Sozialkompetenz öfter kam es in den vergangenen Jah- brauchen? Kürzlich habe er jedenfalls ren vor, dass bewilligte Gelder nicht eine Kollegin, die sich spöttisch über abgerufen wurden. Der Grund: Manche das Fach Sport geäußert habe, gebeten, Kommunen haben in ihrer Finanznot so doch mal bei einer seiner Stunden vor- viel Personal abgebaut, dass sie heute beizuschauen. „Sie hat dankend abge- ihren ureigensten Aufgaben nicht mehr lehnt. Das sei viel zu laut und hektisch.“ nachkommen können. Foto: dpa Tatsächlich ist die Arbeits- und Stressbe- Dass viele Hallen und Anlagen maro- lastung für Sportlehrkräfte zuletzt im- de sind, bestreitet kein Politiker. Doch mer weiter gestiegen, auch durch Lärm. Vorwärts balancieren ist ja noch einfach, Schulen und Sportstätten zu bauen und Messungen ergaben Durchschnittswer- aber rückwärts ... Mehr als ein Drittel der dann in gutem Zustand zu unterhalten, te von 80 und Spitzenwerte bis zu 100 Kinder und Jugendlichen scheitert bei ist Aufgabe der Kommunen. Viele von ih- Dezibel in den Sporthallen. „Wenn ich dem Versuch, wenige Schritte rückwärts nen sind jedoch nach wie vor klamm. In eine Doppelstunde Sport habe, merke auf dem Querbalken zu balancieren. seiner Not spielt etwa Berlin bereits die Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
SPORT IN DER SCHULE 9 Idee durch, kostengünstige genormte das Kooperationsverbot unbedingt bei- bleiben die Gelder eingefroren, und es Einheitssporthallen aufzubauen, damit behalten. Zwar sieht auch er den Bund ändert sich erst einmal nichts. Das wäre überhaupt regelmäßig Sportunterricht in der Pflicht, Bildung stärker zu finan- ohne Zweifel die denkbar schlechteste stattfinden kann. GEW-Sportexperte zieren. Der Teufel steckt aber im Detail. Option. Doch dass der vom Bundes Baumann zitiert das Bonmot, nach So hat die derzeit im Bund regierende bildungsministerium propagierte Plan, dem „der Raum der dritte Pädagoge“ Große Koalition die Freigabe der bereits das Geld Anfang 2019 auszuzahlen, sei – im Falle solcher Behelfskonstruk- von der Vorgängerregierung bewilligten umgesetzt wird, glaubt selbst im politi- tionen dann wohl ein schlechter. „Es 3,5 Milliarden Euro für die Schulbausa- schen Berlin kaum noch jemand. führt kein Weg daran vorbei, dass der nierung an eine weitere Lockerung des Bund wesentlich mehr Geld ausgibt. Im Kooperationsverbotes geknüpft. Solan- Christoph Ruf, Bereich des Sports ist der Bedarf mit ge die für eine entsprechende Änderung freier Journalist am größten.“ Immer wieder ärgert sich des Grundgesetzes nötige Zweidrittel- Baumann, wie bereitwillig Hunderte Mil- mehrheit wegen des Widerstandes von lionen ausgegeben werden, wenn Kom- Politikern wie Kretschmann nicht steht, *Name geändert munen auf die Vergabe einer Olympia- de oder einer anderen imageträchtigen Netzwerk für Großveranstaltung hoffen. „Wenn dann wenigstens darauf geachtet würde, dass die Hallen danach auch für den Schul- Sportbegeisterte und Breitensport gut nutzbar sind.“ Laut einer repräsentativen Studie erachten 55 Prozent der GEW-Mitglieder den Bau von Sportstätten für Schulen als wichtig oder sehr wichtig (s. S. 38 f.). // Was 1950 als Ausschuss für richtlicher Sport und schulsportliche Leibesübungen in der Arbeits- Wettbewerbe, Bund-Länder-Zwist gemeinschaft deutscher Lehrer • Aus- und Fortbildung für Sport Ein Knackpunkt bei der Finanzierung verbände (AGdL) – der Vorläufer lehrkräfte, bleibt, dass die Kultus- und Bildungs- organisation der GEW – begann, • Sportwissenschaft und Hochschul- ministerien der Länder auf ihre Kul- ist heute ein wichtiger Ratgeber sport. turhoheit in Sachen Schulpolitik po- bei allen sportpädagogischen Diese Fragen sind untrennbar mit dem chen – auch das ein Grund, warum die und -politischen Fragen in der sportlichen Geschehen außerhalb des Kultusministerkonferenz, die die Bil- Bildungsgewerkschaft. // Bildungssektors verbunden. Daher dungspolitik der Länder koordinieren nimmt die Sportkommission auch Stel- soll, mit ihren Vorschlägen so selten Die GEW-Sportkommission versteht sich lung zu sportpolitischen Fragen wie durchdringt. In vielen Bundesländern als Netzwerk aller an sport- und bil- Doping oder Missständen und Fehlent- herrscht die Sorge vor, durch eine Ver- dungspolitischen Fragen interessierten wicklungen im Spitzensport, bei Sport- lagerung einzelner Entscheidungen auf und den Sport gestaltenden Kolleginnen organisationen und sportlichen Großer- die Bundesebene könnten die eigenen und Kollegen. Sie berät die Bildungsge- eignissen. Handlungsspielräume so weit aufge- werkschaft zu den Themen: Interessierte GEW-Kolleginnen und -Kol- weicht werden, dass irgendwann die • Angebote für Bewegung, Sport legen sind jederzeit willkommen. Frage aufkommt, ob Bildung denn über- und Spiel im Elementarbereich, haupt in die Zuständigkeit der Länder • sämtliche Aspekte des Schulsports, Norbert Baumann, fallen müsse. Aus diesem Blickwinkel etwa Sportunterricht, außerunter- GEW-Sportkommission wird auch das Kooperationsverbot dis- kutiert, das dem Bund untersagt, in bil- dungspolitische Angelegenheiten der Jahrestagung der Sportkommission Länder einzugreifen. Maßnahmen im Die Jahrestagung der GEW-Sportkommission findet am 29. und 30. März 2019 Zusammenhang mit Bildung dürfen da- in Göttingen statt. Einer der Schwerpunkte ist die Diskussion über eine gute her nicht von Berlin finanziert werden. Ganztagsschule. Jessica Süßenbach, Professorin für Sportpädagogik und Sport- Im Wahlkampf zur Bundestagswahl wissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg, wird die Ergebnisse ihrer 2017 forderte SPD-Kanzlerkandidat jüngsten Studie „Wir bewegen den Ganztag“ vorstellen und diskutieren. Daraus Martin Schulz die Abschaffung des Ko- will die Sportkommission Anforderungen und Kriterien für ein qualitativ und operationsverbotes und war damit auf quantitativ hochwertiges Bewegungsangebot an Ganztagsschulen entwickeln. einer Linie mit Linkspartei, FDP und Kolleginnen und Kollegen aus den Landesverbänden sind herzlich eingeladen. Grünen. Doch auf Landesebene will Die Kosten für Anreise, Übernachtung und Verpflegung werden übernommen. der grüne Ministerpräsident Baden- Kontakt: Ole Stratmann, E-Mail: olestratmann@hotmail.com N.B. Württembergs, Winfried Kretschmann, Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
10 SPORT IN DER SCHULE Jan Christmann, Leiter des Sportzweigs des Heinrich- Heine-Gymnasiums in Kaiserslautern: „Es gibt Foto: Tobias Schwerdt keine Garantie für eine Karriere im Sport.“ „Keine Erfolgsmaschinen“ // Die Liste erfolgreicher Sportlerinnen und Sport- HHG wird zusätzlich vom DOSB und vom Deutschen Fußball ler, die am Heinrich-Heine-Gymnasium (HHG) in Bund (DFB) unterstützt. Das staatliche Gymnasium hat viele Kaiserslautern zur Schule gegangen sind, ist lang. Kooperationspartner, etwa Fachverbände auf Landes- und Noch länger ist jedoch die Liste derer, die keine Bundesebene, die Technische Universität Kaiserslautern, den große Sportkarriere einschlagen. Für alle Schüle- Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz-Saarland oder den 1. FC rinnen und Schüler der „Eliteschule des Sports“ ist Kaiserslautern. gute Bildung deshalb unverzichtbar. // Ansprechpartner: Lehrertrainer „Wer behauptet, den Werdegang eines Talents bis hin zum Wichtige Ansprechpartner für die Talente – und Bindeglieder Weltmeister voraussagen zu können, der lügt“, sagt Jan zwischen den Trainern in den Vereinen und den Verbänden – Christmann, Leiter des Sportzweigs des HHG. Das Gymnasium sind die sogenannten Lehrertrainer, die je die Hälfte ihres De- ist eine von bundesweit 43 Schulen, die das vom Deutschen putats für ihre Schulfächer und den Sport verwenden, in dem Olympischen Sportbund (DOSB) verliehene Zertifikat „Elite- sie ausgebildete Trainer sind. Doping, Wettmafia, falsche Be- schule des Sports“ tragen. Von den aktuell 850 Schülerinnen rater, die Verlockung des schnellen Geldes, Druck durch unge- und Schülern trainieren 330 in Sportklassen neben der schuli- duldige Eltern: Die Gefahren für junge Sportler sind vielfältig, schen Ausbildung für eine Leistungssportkarriere im Fußball, gerade deshalb ist die Erziehung zum mündigen Athleten und Badminton, Radsport, Tennis oder Judo. kritischen Geist wichtig. Beispielsweise hat die mehrfache Bahnrad-Weltmeisterin und Aufgrund von Wettkämpfen und Lehrgängen fehlen die Top- Olympiasiegerin Miriam Welte am HHG Abitur gemacht. Doch Talente bis zu 40 Tage im Jahr in der Schule. Der DFB schickt eine Karriere wie ihre ist eher die Ausnahme. „Wir vermitteln mittlerweile zu jedem Lehrgang seiner Jugend-Nationalspie- in jedem Aufnahmegespräch, dass es keine Garantie gibt für ler zwei Begleitlehrer, die den verpassten Stoff mit den Ju- eine Karriere im Sport und es unabdingbar ist, sich eine Al- gendlichen durcharbeiten. Darüber hinaus gibt es E-Learning- ternative durch Bildung zu erarbeiten“, sagt Christmann, der Programme für eigenständiges Lernen. Je rund 30 Stunden Sport und Mathematik unterrichtet und einst selbst erfolgrei- müssten die Talente pro Woche in Sport und Schule investie- cher Basketballer war. ren, das erfordere große Selbstdisziplin, sagt Christmann. Die Das Bewusstsein, große Verantwortung auch für diejenigen zu Erfahrung zeige, dass die Talente mit der stärksten Eigenmoti- tragen, deren Traum vom erfolgreichen Sportlerleben in der vation am weitesten kämen. Zeit zwischen Pubertät und Erwachsenwerden platzt, ist in Wenn absehbar ist, dass Jugendliche ihr Talent nicht wei- den vergangenen Jahren in Schulen, Vereinen und Verbänden terentwickeln können oder Verletzungen ihre Sportkarriere gewachsen. Doch diese Einsicht kollidiert mit der Entwicklung verhindern, haben sie am HHG die Möglichkeit, in der Sport- einer immer früher einsetzenden Talentsichtung und Profes- klasse zu bleiben – sofern sie das wollen. In diesen Fällen sind sionalisierung. Die Ausbildung von Talenten zu Medaillenge- Pädagoginnen und Pädagogen gefragt, die den jungen Men- winnern ist von Politik und Gesellschaft gewollt. schen helfen, die Enttäuschung zu verarbeiten. Christmann Im März 2018 beschlossen die Kultus- und Sportminister der sagt: „Man muss den Jugendlichen das Gefühl geben, keine Länder und der DOSB, die „Eliteschulen des Sports“ als „ein Erfolgsmaschinen zu sein. Niemand ist gescheitert, wenn er zentrales Element der Dualen Karriere im Leistungssport es im Sport nicht nach oben schafft.“ weiter zu stärken“. Finanziert werden die Schulen von den Innen- und Bildungsministerien der Länder, den Landessport- Tobias Schächter, bünden, der Deutschen Sporthilfe und den Sparkassen. Das freier Journalist Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
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12 SPORT IN DER SCHULE Mehr Schwimmunterricht! Immer weniger Kinder und Jugendliche können sicher schwimmen. Jeder Zehnte kann sich nicht über Wasser halten. Fotos: dpa „Öffentliches Verwahren am Wasser“ // „Die Kinder in einem der reichs- gendliche sicher schwimmen können. nente beinhaltet. Die Zahl der Nicht- ten Länder der Welt beherrschen Allmählich findet es Gehör. schwimmer ist in benachteiligten Stadt- eine grundlegende Fähigkeit Laut einer Studie im Auftrag der Deut- teilen höher. In strenggläubig muslimi- nicht mehr: das Schwimmen“, schen Lebens-Rettungs-Gesellschaft schen Milieus bestehen zudem massive resümierte die ZEIT am 9. August (DLRG) aus dem Jahr 2017 sind 59 Vorbehalte gegenüber dem Schwimm 2018. Wo liegen die Ursachen Prozent der Zehnjährigen keine siche- unterricht für Mädchen. In vielen Fällen für die besorgniserregende Tat- ren Schwimmer, sie schaffen es nicht, ermöglicht ihnen das Tragen eines Burki- sache, dass sich viele Kinder und 200 Meter am Stück in 15 Minuten zu nis die Teilnahme am Schulschwimmen. Jugendliche nicht sicher über schwimmen. Jeder Zehnte kann sich gar „Ich sehe trotzdem die Islamverbände in Wasser halten können? // nicht über Wasser halten. „Das ist allein der Pflicht“, sagt Baumann. „Sie könnten deshalb alarmierend, weil es lebensge- durchaus weitergeben, dass vieles, was Der vergangene Sommer dürfte den fährlich ist, nicht schwimmen zu kön- Strenggläubige ihren Kindern auferle- meisten Menschen viel Freude bereitet nen“, sagt Norbert Baumann von der gen, nirgendwo im Koran steht.“ haben, nicht zuletzt den Wasserratten, GEW-Sportkommission. Sich im Wasser die vielerorts von Mai bis September bewegen zu können, biete zum einen Lehrkräfte schlagen Alarm im Freien schwimmen konnten. Eine ganz andere Reize und ein anderes Kör- Kein Wunder also, dass auch Lehrkräfte Berufsgruppe gab es allerdings, die pergefühl als an der Luft. Zudem seien Alarm schlagen. „Es kommt viel öfter als die hohen Temperaturen mit gemisch- Kinder, die nicht schwimmen könnten, noch vor 20 Jahren vor, dass man beim ten Gefühlen sah: die der Bade- und von vielen schulischen Aktivitäten aus- Schwimmunterricht in der 5. Klasse die Schwimmmeister, die das Gewusel im geschlossen. Das gelte auch für Aus- zugewiesene Mittelbahn im Hallenbad Wasser im Auge behalten muss. Und flüge oder Landschulheimaufenthalte. nicht nutzen kann, weil zu viele Kinder die dabei oft zu spät kam: 445 Men- „Vom Bootfahren bis zum Surfen, all nicht schwimmen können“, berichtet schen – etwa 30 davon Geflüchtete – das kommt für Nichtschwimmer nicht Arne Westhoff*, Lehrer aus Nordrhein- ertranken in Deutschland in den ersten in Frage. Wer nicht schwimmen kann, Westfalen. Das Schwimmen werde ge- acht Monaten 2018. Schon vor Jahren grenzt sich aus.“ ringgeschätzt – von Eltern aus unter- mahnte das Personal am Beckenrand, Dieser Befund ist umso trauriger, als er schiedlichsten sozialen Milieus: „Die dass immer weniger Kinder und Ju- eine soziale und eine religiöse Kompo- einen haben nicht das Geld, um mit ihren Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
SPORT IN DER SCHULE 13 Kindern ans Meer zu fahren, die anderen Sprecher Martin Holzhause: „Gut 80 Bä- Prozent 2018 deutlich überbieten wer- schreien Zeter und Mordio, wenn Mathe der pro Jahr verschwinden für immer.“ de. Zum Vergleich: Bundesweit liegt der ausfällt und sind regelrecht erleichtert, Im Jahr 2000 gab es 6.716 Schwimm- Kostendeckungsgrad bei 30 Prozent. wenn es den Schwimmunterricht trifft.“ bäder, heute sind es noch knapp 6.000, Doch dies hindert die Stadt nicht dar- Zudem habe G8 am Gymnasium mit dem ein Investitionsstau von 4,5 Milliarden an, beim renovierten „Fächerbad“, das Ausbau der Ganztagsbetreuung fatale Euro hat sich aufgetan. Dass Bäder zu- auch für den Schulsport genutzt wird, Folgen gehabt: „Die Kinder kommen am erst dran glauben müssen, wenn eine die Preise drastisch zu erhöhen – für späten Nachmittag nach Hause und ha- Kommune sparen muss, ist systembe- Vielschwimmer um bis zu 300 Prozent. ben dann keine Lust mehr auf Musikun- dingt. Schwimmbäder zählen zu den Oliver Sternagel, Geschäftsführer der terricht oder Schwimmkurs.“ „freiwilligen Aufgaben“ der kommuna- Bäderbetriebe, begründet dies damit, In der 3. und 4. Klasse ist Schwimmen len Haushalte und fallen angesichts der man strebe einen Kostendeckungsgrad zwar als fester Bestandteil des Sport- desaströsen Finanzlage vieler Kommu- von 70 Prozent an. unterrichts vorgesehen: Am Ende der nen entsprechend schnell dem Rotstift 4. Klasse sollen die Kinder schwimmen zum Opfer. Fatalerweise werden Hal- Politik zögert können. Häufig bloß Theorie: „Theore- lenbäder in ärmeren Stadtteilen häufig Derweil verhält sich die baden-württem- tisch sollten die Lehrerinnen und Lehrer zuerst gestrichen, weiß GEW-Sportex- bergische Landesregierung zögerlich. Rettungsfähigkeit, Methodik, Didaktik perte Baumann. „Dabei wäre dort ein Bildungsministerin Susanne Eisenmann draufhaben. In der Praxis reicht in vie- gut zugängliches Schwimmbad so wich- (CDU) antwortete jüngst ausweichend len Grundschulen allerdings schon die tig.“ Zwar würden durchaus noch neue auf Anfragen von SPD- und FDP-Abge- Rettungsfähigkeit“, hat Westhoff festge- Bäder gebaut, dann allerdings meist ordneten, die sich um die Schwimmfä- stellt. Dass fachfremd unterrichtet wird, „Spaßbäder“, die unzählige Attraktio- higkeit der Grundschüler Sorgen mach- sei eher die Regel als die Ausnahme und nen bieten. Nur eines kann man dort ten. „Da keine verbindliche Definition trage ebenfalls nicht zur Qualität des nicht gut: schwimmen. von Schwimmfähigkeit vorliegt, werden Unterrichts bei. Zumal viele Kolleginnen Selbst da, wo es noch ein Schwimmbad hierzu keine statischen Daten erhoben.“ und Kollegen Angst vor Schwimmunfäl- gibt, ist es für viele Menschen nur sel- Jürgen Walter, Mitglied im Arbeitskreis len hätten und sich rechtlich nicht genü- ten oder gar nicht möglich, dieses auch Bildung der Landtags-Grünen, sieht al- gend abgesichert fühlen. „In der Summe zu nutzen: „Wir stellen vor allem in den lerdings Handlungsbedarf: Land und führt das dazu, dass man häufig statt von Kommunen müssten sich „darüber un- Schwimmunterricht eher von einem öf- terhalten, wie die teilweise maroden fentlichen Verwahren im und am Wasser Lehrschwimmbecken saniert werden sprechen kann.“ können, damit Schwimmen wieder ein Dabei gibt es punktuell durchaus inno- fester Bestandteil des Unterrichts wird“. vative Ideen, wie die Zahl der schwimm- Während die Politik Studien in Auftrag fähigen Kinder und Jugendlichen wie- gibt und über Finanzierungsfragen strei- der gesteigert werden könnte. Das zeigt tet, nehmen vielerorts Bürgerinnen und ein Blick nach Berlin-Neukölln, wo die Bürger das Problem selbst in die Hand. damalige Bezirksbürgermeisterin und Immer öfter kommt es vor, dass sie in heutige Bundesfamilienministerin Fran- Eigenregie Bäder weiterbetreiben, die ziska Giffey (SPD) ein Projekt namens die Kommunen ansonsten schließen „Schwimmbär“ initiierte: Schwimm- würden. Viele Eltern, die es sich leisten lehrkräfte organisieren für Zweitkläss- können, schicken ihre Kinder in private ler eine Projektwoche, in der sich die Noch gibt es dieses Schwimmbad. Doch Schwimmschulen. Und die Stadtstaaten Kinder an fünf Tagen hintereinander „gut 80 Bäder verschwinden pro Jahr“, Bremen und Hamburg sind mittlerweile langsam ans Wasser gewöhnen. Kin- sagt DLRG-Sprecher Martin Holzhause. dazu übergegangen, den Schwimmun- der, die – gestützt durch ein Schwimm- terricht von den Schwimmmeistern der kissen – schon einmal die Angst vorm örtlichen Bäderbetriebe durchführen zu fremden Element verloren haben, ler- großen Städten fest, dass die Preise lassen. GEW-Vertreter Baumann, selbst nen später auch schneller schwimmen. enorm hoch sind“, sagt DLRG-Sprecher Hamburger, sieht das mit gemischten Ge- Holzhause, „das verschärft noch mal fühlen: „Aber wir erreichen jetzt 100 Pro- Rotstift-Opfer Schwimmbad die soziale Kluft.“ Zumal das neoliberale zent der Schülerinnen und Schüler eines Doch an den strukturellen Problemen Denken mancherorts so tief verwurzelt Jahrgangs statt bisher 80 bis 85 Prozent.“ können auch die kreativsten Aktionen scheint, dass es sich nicht durch Zahlen nicht viel ändern. Vielen Kommunen erschüttern lässt: Die 320.000-Einwoh- Christoph Ruf, mangelt es schlicht und einfach an der ner-Stadt Karlsruhe, eine vergleichswei- freier Journalist entsprechenden Infrastruktur. Ein Vier- se prosperierende Kommune, verkün- tel der Schulen habe keinen Zugang zu dete in diesem Sommer stolz, dass sie einem Schwimmbad mehr, sagt DLRG- ihren Kostendeckungsgrad von über 65 *Name geändert Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
14 SPORT IN DER SCHULE Neben dem Handballspiel fördere sie die Entwicklung der koordinativen Fähigkeiten der Schüler, sagt Maria Heisterklaus, Jugendwartin der Handballabtei- lung des MTV Karlsruhe. Hindernislauf zur Win-win-Situation // Ganztagsangebote sind ohne Die Weinbrennerschule in Karlsruhe ist die Kooperation mit Sportver- eine Grundschule mit „sport- und be- einen oft nicht denkbar. Dabei wegungserzieherischem Schwerpunkt“. müssen sowohl Schulen wie auch Die Lage in der heterogen bevölkerten Vereine immer wieder Hürden Weststadt, am Rand einer Grünanlage, nehmen: Bürokratie, Planungsun- bietet beste Möglichkeiten für Pausen- sicherheit und die schwankende sport und bewegten Unterricht. Min- Qualität der Angebote erschwe- destens 200 Minuten Sportunterricht in ren eine Zusammenarbeit. Bei- der Woche sieht das Kultusministerium spiele aus der Praxis zeigen aber des Landes Baden-Württemberg für die auch: Wenn es gut läuft, profitie- Vergabe des Zertifikats vor. Rund 900 ren alle. // Grundschulen in Baden und Württem- berg bieten durch zusätzliche Sport- „Neben dem Handball widme ich ein stunden aus dem Ergänzungsbereich, Drittel meines Trainings der Entwick- Klassenzusammenlegungen und Koope- lung der koordinativen Fähigkeiten der rationsmaßnahmen mit Vereinen eine Schüler“, erklärt die 55-Jährige. tägliche Sportstunde neben dem Regel- Die Ganztagschule als gemeinsamer unterricht an. Geld gebe es für dieses Lern- und Lebensort von Kindern und Prädikat aber nicht, erklärt Schulleiterin Jugendlichen ist längst nicht mehr aus Susanne Schuck schmunzelnd. der Schullandschaft wegzudenken. An- Sport und Bewegung stehen weit oben getrieben von der damaligen Bundesmi- auf der Agenda dieser Ganztagsschule. nisterin Edelgard Bulmahn (SPD) wurden Durch Kooperation mit Sportvereinen 2003 im Rahmen des „Investitionspro- versucht die Schulleitung seit 2014, den gramms Zukunft Bildung und Betreuung“ Ganztagsschülern so viele Bewegungs- vier Milliarden Euro in den Ausbau der angebote wie möglich zu machen. An Ganztagschulen investiert. Die Gründe der Weinbrennerschule werden unter dafür waren und sind stichhaltig: Immer anderem AGs in Schach, Tennis, Korf- mehr Alleinerziehende brauchen Entlas- ball und Handball angeboten. „Bei allen tung, benachteiligte Kinder und Jugend- Problemen“, sagt Rektorin Schuck, „im liche aus bildungsfernen Schichten und Prinzip bedeuten die Kooperationen mit Migrationshintergrund sollen geför- mit den Sportvereinen eine Win-win-Si- dert werden und der Ausbau musischer tuation.“ So sieht das auch Maria Heis- und sportlicher Angebote die ganzheit- terklaus, Jugendwartin der Handballab- liche Persönlichkeit der Schülerinnen teilung des MTV Karlsruhe und selbst und Schüler entwickeln. Und Sportver- Grundschullehrerin. Seit vielen Jahren eine, die aufgrund des demografischen kooperieren die Weinbrennerschule Wandels und der erhöhten Konkurrenz und der MTV, auch in diesem Schuljahr durch andere Freizeitangebote unter leitet Heisterklaus eine Handball-AG. Mitgliederschwund leiden, versprechen Sport und Bewegung stehen weit oben auf der Agenda der Weinbrennerschule in Karlsruhe. Eine Stütze der Ganztagsgrund- schule sind die Sportangebote externer Anbieter. „Den Inhalt überlassen wir den Sportvereinen“, sagt Schulleiterin Susanne Schuck. Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
SPORT IN DER SCHULE 15 dessportbünden einen Antrag für eine heimer Hilda-Gymnasium zum Beispiel Zusammenarbeit stellen müssen. Wird zielen vorwiegend auf die Fünft- bis dieser bewilligt, gibt es Zuschüsse, die Siebtklässer ab. Die Erfahrung zeige, so von Bundesland zu Bundesland unter- Kinck: Je näher die Jugendlichen dem schiedlich ausfallen. Entstehen Lücken Abitur kämen, desto weniger Zeit bleibe in der Finanzierung, können Gelder für Sport. Wissenschaftliche Untersu- bei Förderkreisen der Schulen sowie chungen fallen nicht ganz so eindeutig bei Städten und Kommunen beantragt aus: Im Jahr 2013 hat die MedikuS-Stu- werden. Gerne würde Schuck mehr Ko- die des Deutschen Jugendinstituts (DJI) operationen eingehen und den Kindern und des Deutschen Instituts für Interna- mehr Sport anbieten – zumal es für die tionale Pädagogische Forschung (DIPF) Gruppen mit jeweils 16 bis 18 Teilneh- das Verhalten Jugendlicher zwischen mern mehr Bewerberinnen und Bewer- neun und 24 Jahren in den Bereichen ber als Plätze gibt. Doch die Kapazitäten Medien, Kultur und Sport untersucht. in der kleinen Turnhalle sind komplett Ergebnis: Die Quote der Vereinssport- Fotos: Tobias Schwerdt ausgereizt. Gerade in Städten fehlt es ler lag bei Halbtagsschülern mit 60,9 an Sporthallen, oft konkurrieren Schu- Prozent rund 10 Prozentpunkte höher len und Vereine um Belegzeiten. als bei Ganztagsschülern (50,3). Ande- Dieses Problem kennt auch Sonja Kinck, rerseits stellte sich heraus, dass G8- am Hilda-Gymnasium in Pforzheim für Schüler mehr Vereinssport betrieben sich durch den engeren Kontakt zu den die Ganztagsangebote zuständig. Das als jene an G9-Gymnasien. Schulen neue Mitglieder. Mittlerweile G8-Gymnasium ist eine Innenstadt- Interessante Erkenntnisse zum Thema haben rund 40 Prozent der Schülerin- schule mit über 1.000 Schülerinnen und liefert auch Lutz Thieme, Professor für nen und Schüler die Möglichkeit, Ganz- Schülern. Es bietet seit 2012 in Koope- Sportmanagement an der Hochschu- tagsangebote wahrzunehmen. ration mit Sportvereinen AGs an, unter le Koblenz, in seiner Arbeit „Ganztag anderem Rugby, Fußball und Basket- und Sportvereine: Zusammenfassung Qualität muss stimmen ball. In der Rugbyhochburg Pforzheim vorliegender empirischer Befunde un- Die aktuelle Bundesregierung aus CDU, trainieren die Schüler mit Spielern des ter besonderer Berücksichtigung von CSU und SPD will den Ausbau der Ganz- Bundesligisten TV. Sonst aber leiten – Daten aus Rheinland-Pfalz“. Der Wis- tagsschulen nun wieder forcieren und wie an vielen Schulen bundesweit – oft senschaftler fand heraus, dass „weder stellt dafür zwei Milliarden Euro zu Ver- junge Menschen die Angebote, die die die teils euphorischen Prognosen eini- fügung. Im Koalitionsvertrag ist vom Zeit nach dem Abitur und vor dem Stu- ger Sportverbände infolge der mit der „Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreu- dium oder der Ausbildung für ein Frei- Ganztagsschulentwicklung erfolgten ung für alle Kinder im Grundschulalter“ es Soziales Jahr (FSJ) nutzen. Aufgrund Öffnung der Schulen für Sportvereine, ab 2025 die Rede. Wie realistisch diese von Fortbildungen, beispielsweise zum noch die düsteren Szenarien von Kriti- Pläne sind, wird kontrovers diskutiert. Übungsleiter, fehlten die FSJler manch- kern eingetreten sind, die ein flächen- Fachleute halten die angegebene Sum- mal, AGs fielen dann aus, berichtet deckendes Ausbluten der Sportvereine, me für viel zu niedrig, die Kommunen Kinck. Die Schülerinnen und Schüler eine Abwanderung der Übungsleiter zu stünden vor einem Kraftakt. Im Grund- müssten in diesem Fall anders beschäf- Ganztagsschulangeboten sowie eine schulbereich fehlen nach Angaben der tigt werden. deutliche Verschlechterung der Sport- GEW zudem schon heute rund 2.000 Eine detaillierte Abstimmung zwischen stättensituation für den Vereinssport Lehrerinnen und Lehrer. GEW-Vorsit- den Vereinen und den Schulen sowie vorhergesagt hatten.“ Offenbar, so zende Marlis Tepe begrüßt die Initiative dem Stundenplan des regulären Sport- Thieme, profitierten Schulen und Verei- der Großen Koalition, gibt jedoch zu be- unterrichts gibt es selten: „Den Inhalt ne, die schon vor dem Ausbau des Ganz- denken: „Das wird viele Eltern anspre- überlassen wir den Sportvereinen“, tags langjährige Kooperationspartner chen, aber sie werden Qualität erwar- erklärt Rektorin Schuck. Auch an der der Schulen waren. ten, denn nur dann geben sie ihre Kinder Weinbrennerschule trainieren FSJler Dies bestätigen Schulleiterin Schuck gerne an Bildungseinrichtungen ab.“ oder Vereinstrainer hauptsächlich nach und MTV-Jugendwartin Heisterklaus, Wie erleben die Praktiker in den Schu- ihren Vorstellungen. Manche Angebote deren Zusammenarbeit seit zehn Jah- len Kooperationen mit den Sportverei- müssten nach einem Jahr wieder aus- ren verlässlich funktioniert. Auch Ganz- nen im Rahmen der Ganztagsklassen? fallen, weil keine Trainer mehr zur Ver- tagskoordinatorin Kinck findet: „Wenn Viele Lehrerinnen und Lehrer bemän- fügung stünden, ergänzt AG-Leiterin man als Schule ein Netz von Koopera- geln Planungsunsicherheit. Ärgerlich Heisterklaus: „Studenten sind nachmit- tionspartnern und Trainern aufgebaut findet Schulleiterin Schuck, dass die tags selbst an der Uni beschäftigt, Ver- hat, dann läuft es.“ Kooperationen mit den Vereinen jähr- einstrainer arbeiten.“ lich erneuert werden, Schulen und Weiterführende Schulen haben noch Tobias Schächter, Vereine jedes Jahr wieder bei den Lan- ein Problem: Die Angebote am Pforz- freier Journalist Erziehung und Wissenschaft | 11/2018
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