Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung - GEW Hessen
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Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 64. Jahr Heft 4 April 2011 TITELTHEMA Selbstständige Schule
GEW HESSEN HLZ 4/2011 2 Zeitschrift der GEW Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung ISSN 0935-0489 I M P R E S S U M Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband Hessen Zimmerweg 12 60325 Frankfurt/Main Telefon (0 69) 9 71 29 30 Fax (0 69) 97 12 93 93 E-Mail: info@gew-hessen.de Homepage: www.gew-hessen.de Verantwortlicher Redakteur: Harald Freiling Klingenberger Str. 13 60599 Frankfurt am Main Telefon (0 69) 63 62 69 Fax (0 69) 6 31 37 75 E-Mail: freiling.hlz@t-online.de Mitarbeit: Christoph Baumann (Bildung), Joachim Euler (Aus- und Fortbildung), Ulla Hess (Mitbestimmung), Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette Loycke (Recht), Carmen Lud- wig (Hochschule), Karin Schüßler (Bildung), Andreas Staets (Hochschule), Karola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik und Gewerkschaften) Neu bei der GEW Hessen Gestaltung: Michael Heckert, Harald Knöfel Zwei neue Kollegen haben ihre Arbeit rechts). Der studierte Medien- und Titelthema: Harald Freiling in der Landesgeschäftsstelle aufge- Kulturwissenschaftler war zuvor als Illustrationen: nommen. Tobias Cepok (27) ist seit dem Wissenschaftlicher Mitarbeiter im hes- Träger & Träger (Titel, S. 7, 15), Thomas Plaßmann (S. 13), Dieter Tonn (S. 15), Ruth Ullenboom (S. 4) 15. Februar als Jugendbildungsrefe- sischen Landtag tätig sowie im rent für die GEW Hessen tätig (Foto Sprecherrat der Stipendiatinnen und Fotos: arbeiterfotografie.com (S. 23, 33), digitalstock (S. 21, 27), links). Bisher war der studierte Poli- Stipendiaten der Rosa-Luxemburg- Harald Freiling (S. 10,11) tikwissenschaftler als wissenschaftli- Stiftung und im Vorstand des freien Verlag: che Hilfskraft beschäftigt. Politisch ak- zusammenschlusses von studentInnen- Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH tiv ist er seit über einem Jahrzehnt, schaften (fzs) aktiv. Er ist Mitherausge- Niederstedter Weg 5 61348 Bad Homburg zuletzt war er AStA-Referent und un- ber der Bücher „Denkanstöße“ gegen terstützte die GEW ehrenamtlich. Jetzt die neoliberale Zurichtung von Bil- Anzeigenverwaltung: Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH arbeitet er für die Interessen der Lehr- dung, Hochschule und Wissenschaft Edith Hestert kräfte im Vorbereitungsdienst, Studie- und „Netzwerk der Macht“ über die Postfach 19 44 renden, Auszubildenden und jungen Bertelsmann-Stiftung. Für die GEW 61289 Bad Homburg Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21 Erwerbstätigen in Schulen und Hoch- Hessen wird er Stellungnahmen ent- E-Mail: mlverlag@wsth.de schulen. werfen, den ehrenamtlichen Gremien Erfüllungsort und Gerichtsstand: Jens Wernicke (33) arbeitet seit zuarbeiten sowie die Erstellung der Bad Homburg dem 1. März als Referent der GEW regelmäßig erscheinenden Publikatio- Bezugspreis: Hessen für Bildungspolitik (Foto nen professionell unterstützen. Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, einschließ- lich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag enthalten. Zuschriften: Aus dem Inhalt Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wird S. 16 Verfassungsrechtliche Grenzen keine Haftung übernommen. Im Falle einer Veröffentli- Rubriken S. 18 Selbstverantwortung plus chung behält sich die Redaktion Kürzungen vor. Nament- lich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht mit der Mei- S. 4 Spot(t)light nung der GEW oder der Redaktion übereinstimmen. Einzelbeiträge S. 5 Briefe S. 6 Meldungen S. 20 Konfusion um Kerncurriculum S. 33 Recht: Versammlungsfreiheit S. 22 Bundeswehr und Schule Redaktionsschluss: S. 34 Recht: Jahressonderzahlung S. 24 Studentische Hilfskräfte Jeweils am 5. des Vormonats S. 36 Magazin S. 26 Achim Meyer auf der Heyde: Hochschulen zwischen Titelthema: Selbstständige Schule Inklusion und Exzellenz Nachdruck: Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti- S. 7 Der Gesetzentwurf S. 28 Rechtsextremismus in Hessen (2) gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzeigen- S. 9 HLZ-Streitgespräch S. 30 Lehrproben anno 1976 teils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Ge- nehmigung der Redaktion und des Verlages. S. 12 Lernmittelfreiheit in Gefahr S. 31 Beratung in Berufsschulen S. 14 Erfahrungen mit dem Schulbudget S. 32 Asyl für Homayon Sadri! Druck: Druckerei und Verlag Gutenberg Riemann GmbH S. 15 Das Kleine Schulbudget S. 35 Supervision für Lehrkräfte Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
3 HLZ 4/2011 KOMMENTAR Eine Schule für alle Kultusministerin Henzler und die Inklusion Die „eine Schule für alle“ ist eine starke Schule. Dies ist vorlage zur Schulgesetznovelle den Anspruch auf vielfach belegt, nicht nur durch die PISA-Vergleichs- inklusiven Unterricht nicht entsprechend der UN- studien, sondern vor allem durch die Erfahrungen in Konvention umsetzt und keine Regelungen trifft, um die den skandinavischen Ländern. Voraussetzungen für inklusiven Unterricht zu schaffen, Stark sind die Schülerinnen und Schüler, die mit folgendermaßen: Zum einen ermögliche die UN-Kon- ihren individuellen Stärken und Schwächen angenom- vention „kein individuelles Recht“ und schaffe „keinen men und gefördert werden, mit welchen Stärken oder einklagbaren Rechtsanspruch im Individualfall“, son- Schwächen sie auch immer ankommen. dern fordere lediglich die Länder auf, „die Möglichkei- Stark sind auch die Lehrkräfte, die „ihren“ Schü- ten für Inklusion zu schaffen“. Zum anderen werde lerinnen und Schülern gerecht werden können und Hessen „vermutlich Ende März eine Schuldenbremse in deren Beruf auf hohe Anerkennung trifft. Stark ist auch der Verfassung beschließen“. ein Schulsystem, das Unterstützung und Förderung der Kultusministerin Henzler spricht der Konvention Individuen durch multiprofessionelle Teams an Schulen und den ihr zugrundeliegenden Menschenrechten ihre gewährleistet. universelle Gültigkeit ab. Sie verweigert für eine un- Stark ist aber auch eine Gesellschaft, die allen eine absehbare Zeit die Umsetzung der Konvention im bestmögliche Beteiligung und Teilhabe ermöglichen will Bildungsbereich. Jenseits aller Lippenbekenntnisse von und sich daher ein inklusives Schulwesen leistet. CDU und FDP zeigt dies deutlich: Die Politik zu Lasten Die GEW setzt sich seit Jahren für eine gemeinsame sozial benachteiligter Gruppen und der Arbeitnehme- Schule für alle Kinder ein – eben für ein integratives rinnen und Arbeitnehmer, die Verteilung von unten Bildungssystem auf allen Ebenen, wie es die UN- nach oben, der weitere Raubbau an sozialen Errungen- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behin- schaften und der Staatsabbau sollen in eine neue, noch derungen (Behindertenrechtskonvention) einfordert. Die grausamere Runde gehen, als wir sie von der Agenda Unterzeichnung der UN-Konvention und insbesondere 2010 kennen. Die „Schuldenbremse“ wird genau so des Artikels 24 verpflichtet Deutschland, ein Schul- instrumentalisiert, wie dies das Bündnis „Handlungs- wesen „ohne Diskriminierung und auf der Grundlage fähiges Hessen“ anprangert. von Chancengleichheit“ zu schaffen, die „äußeren Dieser Politik werden wir als GEW Hessen auch Bedingungen für die Verwirklichung des Rechts“ her- weiterhin vehement und solidarisch entgegentreten und zustellen und „lebenspraktische Fertigkeiten und sozia- für unsere Leitidee gleicher Lebens- und Bildungschan- le Kompetenzen“ zu vermitteln, um die „volle und cen und die dafür erforderlichen Bedingungen kämp- gleichberechtigte Teilhabe an der Bildung und als fen. Mitglieder der Gemeinschaft“ zu ermöglichen. Diese Konvention mit ihren demokratischen und emanzipatorischen Inhalten ist für die Rechte der Behinderten ein großer Erfolg. Für das deutsche Schulwesen klingt es nach einer Revolution. Eine demokratische Gesellschaft, die ihre soziale Verant- wortung ernst nimmt, muss sich ein inklusives Schul- wesen leisten wollen und können. Genau dies wollen vornehmlich konservative Politikerinnen und Politiker offensichtlich nicht. Karola Stötzel Im Februar beantwortete Kultusministerin Doro- stellvertretende Vorsitzende thea Henzler (FDP) die Frage, warum die Koalitions- der GEW Hessen
SPOT(T)LIGHT HLZ 4/2011 4 Die Kunst der Präsentation hast du zwei Wochen Zeit gewonnen, in denen du deinen Text Wort für Wort auswendig lernen kannst. Was sollst du tun in deiner Not? Die Lehrkraft will ja nicht, dass du einfach vom Blatt abliest. In der 10. Klasse sollst du ganz überra- drohten Walen kann man auch in der Am besten entgehst du eventuellen schend ein Referat halten. Ups, Referat Oberschule brillieren. Vielleicht borgt mündlichen Peinlichkeiten, wenn dir heißt ja jetzt „Präsentation“. Du kannst dir dein Kumpel vom Kickboxen seinen jemand aus der Sippe eine Power- dich dunkel an Projektwochen erin- Aufsatz über „Bahnwärter Thiel“. Er hat Point-Präsentation basteln kann, in der nern, in denen ihr eure „Methoden- dafür immerhin eine Zwei bekommen. die Überschriften buchstabenweise aus kompetenz“ erweitern durftet. An The- Im Internet findest du zu jedem Thema dem Nirvana purzeln, sich Bilder und men wie „Runddörfer im Mittelalter“ ausgearbeitete Texte. Für ein paar Euro Grafiken mosaikartig zusammensetzen und „Du und die Fledermaus“ habt ihr kannst du ganze Diplomarbeiten run- und später wieder in ihre Einzelteile mit lustig beklebten Plakaten „präsen- terladen. Aber Vorsicht! Manche Leh- zerfallen. Medienfeuerwerke beein- tieren“ geübt. Du hattest damals ganz rer sind so raffiniert, dass sie auffällig drucken alle Lehrer! Und nicht nur die. andere Interessen. Dein Lehrer wollte elaborierte Passagen bei Google ein- Vielleicht hast du schon mal von die- dich abholen, wo du standest, aber du geben und den Originaltext aufspüren. sem effektvollen Power-Point-Auftritt hattest keine Lust mitzugehen. Nun be- Sie reagieren dann ausgesprochen hu- des amerikanischen Außenministers schwerst du dich zu Hause, dass du morlos. Üb beizeiten vorm Spiegel, da- Powell vor der UNO gehört? Erwähne überfallartig etwas können musst, was mit du schwer beleidigt reagieren nebenbei, dass du gern ein White Board du nie gelernt hast. Deine Eltern holen kannst, wenn dein Lehrer von Betrug zum Einsatz gebracht hättest, aber lei- die Gebetsmühle vom Schrank und re- spricht. Du hast wirklich keine Ah- der verfüge deine Anstalt ja nicht über gen sich über unfähiges Lehrpersonal nung, wer dein geistiges Eigentum auf zeitgemäßes Equipment. Wenn sich in auf. Vati fordert in einem couragierten www.clevere-schueler.de gestellt hat! deinem sozialen Umfeld niemand mit Brief an die Lokalzeitung Fortbil- Wenn du solche unliebsamen Ausein- Power-Point auskennt, greif auf Film- dungszwang für alle Lehrer über Vier- andersetzungen vermeiden willst, bau ausschnitte zurück. Ach was, zeig ein- zig. Mutti kauft dir einen teuren Video- in deine Internet-Beute sprachliche fach den ganzen Film. Denken ist müh- kurs „Präsentationstechniken in der Entgleisungen und Rechtschreibklop- sam, die Macht der Bilder aber unbestrit- modernen Wirtschaft“. Aber das ist gar per ein. ten. Verteil umfangreiche „Handouts“ nicht nötig. Alles Wichtige lernst du Der Termin für deine Präsentation und sorgsam gefaltete Flyer, um über hier! Völlig kostenlos. rückt näher. Beim ersten Mal sagst du Wissenslücken hinwegzutäuschen. Dei- Deine Deutschlehrerin hat das The- treuherzig, dass du die Unterlagen bei ne Lehrerin ist sichtlich gerührt über ma freigestellt. Das ist doch schon mal deiner Oma vergessen hast. Beim Er- die Arbeit, die in deinem Plakat steckt. fein. Du hast bestimmt noch irgendwo satztermin bist du indisponiert. In der Wie bei einem Adventskalender ist hin- ein Referat aus der 4. Klasse. Mit be- nächsten Stunde fehlt die Lehrerin. So ter einzelnen Türchen verborgen, was deine große Schwester wichtig fand. So engagierte Schüler kann man unmög- lich mit einer Fünf abspeisen, selbst wenn sie ihr Thema nur unzulänglich beherrschen. Blöd sind Zwischenfragen. Sprich deshalb vorher eindringlich mit eurem Musterschüler, damit er die Klappe hält. Etwaige Unsicherheiten während des Vortrags übergehst du, indem du schnell und undeutlich redest. Beim dritten Nachfragen gibt selbst der hart- näckigste Lehrer auf. Wenn nicht, sind Hustenanfälle, Black-outs und Kreis- laufschwächen angesagt. Erzähl der Lehrerin anschließend mit Tränen in den Augen, dass du Liebeskummer hast. Gut machen sich auch häusliche Alkoholprobleme. Pech hast du aller- dings, wenn du in der Oberstufe an die- sen alten Knaster gerätst, der Bildung statt Kompetenzen vermitteln will und von Humboldt schwärmt. Den kannst du leider mit Power-Point überhaupt nicht beeindrucken, der will Gliede- rungen und Argumentationslinien statt gut getimter Effekte. Viel Glück! Gabriele Frydrych
5 HLZ 4/2011 BRIEFE Betr.: HLZ 3/2011 Was ergibt sich aus der Abschaffung Schneider vom Paritätischen Wohl- Allendorfer Appell der Auslese? Wir müssen als GEW-Mit- fahrtsverband. Selbst wenn man die Zu- glieder unser Lehrerbild ändern, denn schüsse für die Mitgliedschaft in einem Keine Grundlage für die GEW wir sind alle mit Benotung, Überprü- Sportverein, das warme kostenlose Mit- Schon zum zweiten Mal ruft die HLZ fung, Beratung bei Schulwechsel an tagessen – in einer hoffentlich vorhan- dazu auf, den Allendorfer Appell zu diesem Auslesesystem beteiligt, schrei- denen Mensa – und die Bereitstellung unterschreiben, in der HLZ 1-2/2011 in ben Vergleichsarbeiten, obwohl wir da- der Gelder für Schulausflüge, Nachhilfe- Verbindung mit einem zweiseitigen gegen sind, geben Noten auch in Fä- und Musikunterricht begrüßt, erscheint Artikel des GEW-Kollegen und Initia- chern wie Kunst, Musik, Sport, obwohl es völlig unsinnig und überbürokra- tors des Appells Johannes Batton, im wir den Schaden für groß halten und so tisch, für jede dieser Maßnahmen einen Heft 3/2011 in Verbindung mit einer weiter. Machen wir uns nichts vor: Das einzelnen Antrag zu stellen. Die Abrech- Stellungnahme des GEW-Landesvor- prägt uns. Also müssen wir uns auf den nung und Auszahlung der Gelder ge- stands zur Inklusion, die wenigstens Weg machen, die Voraussetzungen in schieht in ebenso wenig nachvollzieh- klarstellt, dass die GEW für eine Schu- unserer pädagogischen und didakti- barer Art. Millionen werden für büro- le für alle eintritt. Der Allendorfer Ap- schen Arbeit für inklusives Arbeiten kratische Vorgänge und Verteilungen pell ist nicht mehr als das, was er von prüfen und herausfinden, wie sie geför- verschwendet, zumal der monatliche sich behauptet, eben ein Appell: Er ap- dert und gestärkt werden können. Und Förderbetrag für Mitgliedschaften in pelliert wir müssen uns der exklusiven Elemen- Vereinen, Musikschulen oder vergleich- • an die Kultusministerin und an den te unserer Arbeit bewusst werden, die bare Aktivitäten gerade einmal 10 Euro Landtag, sie mögen doch vernünftig oft unseren Umgang mit Schülerinnen im Monat beträgt. Ganztagsschulen und sein und die Inklusion anständig um- und Schülern und unsere Sichtweise auf Pädagogen vor Ort, neu einzustellende setzen, sie prägen und Schritte zur Inklusion er- professionelle Sozialarbeiter und viele • an das Deutsche Institut für Men- schweren. ehrenamtliche örtliche Helfer und Orga- schenrechte und an die Eltern behin- Wenn Förderschulen und Hauptschu- nisationen sollten großzügige finanziel- derter Kinder, obwohl sich genau diese len abgeschafft werden, das Gymnasium le Mittel erhalten und darüber verfügen beiden Kräfte sehr vehement für die nicht mehr als das „heilige Bollwerk“ dürfen. Sie wissen fachkundig und sach- Menschenrechte einsetzen, angesehen werden kann, wenn wir wirk- gerecht, wie und wo man Kindern, die • an die Eltern nicht behinderter Kin- lich für eine Schule für alle eintreten, bedürftig sind, am schnellsten und be- der. obwohl es der GEW besser zu Ge- müssen auch alle im Bildungssektor Ar- sten helfen kann. Kritisch sind auch die sicht stehen würde, ihnen gleichberech- beitenden eine produktive Auseinander- sogenannten Betreuungsgelder zu se- tigt gegenüberzutreten, deren Verdien- setzung über ihre Bildungsarbeit führen: hen, die in Milliardenhöhe als Prämien ste zu würdigen, statt an sie zu Wer kann und muss da von wem was ler- an die Eltern gezahlt werden sollen, die „appellieren“, nen? Für eine solche solidarische Aus- ihre Kinder aus den Kindergärten fern- • an die Kolleginnen und Kollegen, einandersetzung sind wir in der GEW halten. Hier stellt sich erneut die Frage sie sollen etwas tun, wofür die GEW prädestiniert, doch der Allendorfer Ap- der Gerechtigkeit in unserem Bildungs- ohnehin stets eintritt, nämlich „Über- pell gibt auf all diese Fragen keine Ant- wesen. Es bleibt leider der Eindruck, forderungssituationen nicht hinzuneh- worten. Und er schadet der GEW, weil er dass Gerechtigkeit für alle Kinder und men“ (ein schönes Wort!), ohne Farbe eindeutige Aussagen für die Inklusion Jugendlichen in Deutschland noch im- zu bekennen, ob diese jetzt für die vermeidet und von Befürwortern und mer eine Utopie bleibt! Jedenfalls sind Inklusion oder doch besser dagegen Gegnern der Inklusion gleichermaßen die derzeitigen Bildungspakete und ihre sein sollen. unterschrieben werden kann. Wirkung eine unsinnige Geldausgabe in Wir brauchen keine Appelle, son- Wir sollten für die Demokratisierung Milliardenhöhe. dern eine grundsätzliche Haltung! Und unserer Schulen und unseres Bildungs- Heinrich Nitschke, Usingen die ist in der GEW strittig, ohne dass systems kämpfen, für die Inklusion und darüber eine offene Auseinanderset- gegen ihre Gegner, egal ob sie im Kul- zung geführt wird. Das ist nicht sonder- tusministerium sitzen oder in der GEW! lich produktiv. Chris Ortmeyer, Frankfurt, Grundschul- Betr.: HLZ 3/2011 Die GEW muss zunächst ihre Haltung lehrer seit 1974 Schuldenbremse inhaltlich bestimmen: Wir müssen die Habt ihr sie noch alle? Inklusion unterstützen, weil wir sie rich- tig finden, weil wir stets für Menschen- Ich habe Kinder und Enkel und lebe in rechte eintreten, weil die daraus resul- einem Land mit Schulden, die täglich Betr.: Kinderarmut steigen. Sie wollen nicht bremsen beim tierenden Änderungen im deutschen Schulsystem den demokratischen Ziel- Bildungspaket ist Mogelpackung Schuldenmachen? Sie wollen unsere setzungen der GEW entsprechen. Dazu Nach langem Hin und Her wurden im Kinder und Enkel weiter in Schulden müssen wir die Auseinandersetzung in Rahmen der Hartz-IV-Reformen die so- treiben? Seien Sie Vorbild und sparen und zwischen den verschiedenen Grup- genannten Bildungspakete für alle be- Sie bei Einrichtungen und Zuwendun- pierungen innerhalb der GEW führen: nachteiligten Kinder und Jugendlichen gen. Machen Sie Ihren Job und weisen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, verabschiedet. Wohlfahrtsverbände und Sie unbedingt auf wichtige Bildung sozialpädagogische Fachkräfte, Lehr- Lehrerorganisationen halten den Inhalt hin. Nur bitte keine neuen Schulden kräfte an Förderschulen, Grundschulen, dieser unsozialen Pakete für eine Mo- machen, die Kinder und Kindeskinder Gesamtschulen, Haupt- und Realschulen gelpackung und Beleg für „skandalöses bezahlen müssen! und Gymnasien. Desinteresse an Kindern“, so Dr. Ulrich Heinz Wehner, Friedrichsdorf
MELDUNGEN HLZ 4/2011 6 2012: Bildungsabbau geht weiter Tarifrunde 2011 in Hessen Inklusion nach Kassenlage GEW-Vorsitzender Jochen Nagel zeigt Nach dem Warnstreik am 28. Februar In einem Interview mit der FAZ ließ sich angesichts des Haushaltsentwurfs 2011 und der Tarifeinigung mit der Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP) der Landesregierung für das Jahr 2012 „Tarifgemeinschaft deutscher Länder“ am 28. 2. die Katze aus dem Sack und besorgt: Die Regierung plane für das (TdL) am 10. März 2011 in Potsdam setzte sich damit in klaren Widerspruch nächste Jahr im Bereich Schulen und setzten Gewerkschaften und Land Hes- zur UN-Behindertenrechtskonvention: Ei- Hochschulen Kürzungen in Höhe von sen die Tarifverhandlungen für die Be- nen individuellen „einklagbaren Rechts- rund 140 Millionen Euro. Damit sollen schäftigten im hessischen Landesdienst anspruch“ auf die Unterrichtung an einer die Kürzungen im Bildungsbereich fort. Am 16. und 21. März 2011 trafen allgemeinen Schule werde es für Eltern nicht nur fortgesetzt werden, sondern sich beide Seiten auf Arbeitsgruppen- behinderter Kinder nicht geben. Schließ- mit einer Kürzung von 75 Millionen ebene. Dabei konnten im Lichte der lich müsse man „auch im Blick behalten, Euro gegenüber 2011 verdoppelt wer- Tarifeinigung von Potsdam, die vorbe- dass Hessen vermutlich Ende März eine den. haltlich einer Mitgliederbefragung für Schuldenbremse in der Verfassung be- Weiter erklärte Jochen Nagel: „Je- die Tarifbeschäftigten aller anderen schließen wird“. Ob das die Gerichte auch der kann sich gut vorstellen, wohin eine Bundesländer gilt, etliche strittige so sehen? Fortsetzung dieser Schuldenbremsen- Punkte ausgeräumt werden. Die ent- politik, die systematisch auf Einnahmen scheidende Verhandlungsrunde in Hes- verzichtet und bei der sozialen Infra- sen ist für den 4. und 5. April 2011 in www.schule.dgb.de struktur kürzt sowie investives Han- Wiesbaden angesetzt. Dann stehen die deln des Staates ausschließt, im Bil- Entgelterhöhung und andere big points dungs- und im Sozialbereich führen eines möglichen Tarifvertrages auf der Die gewerkschaftsübergreifende Initiative wird. Hinzu kommt dann auch noch, Agenda. Anders als in Potsdam wird „Schule und Arbeitswelt“ hat eine neue dass den Beschäftigten eine angemes- Anfang April die inhaltliche Ausgestal- Internetseite. Auf www.schule.dgb.de in- sene Bezahlung vorenthalten wird. tung eines Eingruppierungstarifvertra- formieren der DGB und die Gewerk- Nachwuchswerbung, Arbeitszufrieden- ges („Entgeltordnung“) aber noch keine schaften IG BCE, IG Metall, GEW und heit und damit schließlich die Qualität Rolle spielen. Die GEW informiert über ver.di über gemeinsame Arbeitsschwer- von Bildung werden dieser Politik ge- das Ergebnis, unter anderem im Internet punkte und Veranstaltungen. Sie stellen opfert.“ unter www.gew-hessen.de. regionale Projekte vor und bieten Lehre- rinnen und Lehrern Materialien für ihren Unterricht. Die Internetseite lebt von den Aktivitäten der gewerkschaftlichen Kol- legen und Kolleginnen vor Ort. Auf der Staatliche Schulämter erhalten! Seite „Materialien“ liegt erstmals eine thematisch sortierte Übersicht von Unterrichtsmaterialien der Gewerkschaf- In gemeinsamen Erklärungen haben Auf einer gemeinsamen Pressekonfe- ten auf Bundes- und Länderebene vor. sich die Personalräte der Beschäftigten renz der Personalräte bekräftigten Bur- der Staatlichen Schulämter zusammen kard Schuldt und Renate Döbler vom mit den jeweiligen Gesamtpersonal- Personalrat des Schulamts, Ziel der In- räten der Lehrerinnen und Lehrer itiative sei der Erhalt aller 15 Standorte, Proteste gegen Leiharbeit (GPRLL) für den Erhalt aller 15 Schul- denn „Wohnortnähe und Bezug zur Re- gion“ seien für die täglichen Aufgaben Die Personalversammlung der Werner- und Leistungen der Staatlichen Schul- Heisenberg-Schule in Rüsselsheim un- ämter von entscheidender Bedeutung. terstützte den DGB-Aktionstag gegen Für den GPRLL verwies Hartmut Möller Leiharbeit und die Forderung nach Equal auf „gewaltige neue Aufgaben“, die mit Pay, also gleicher Bezahlung für gleiche der selbständigen Schule, den neuen Arbeit vom ersten Tag der Beschäftigung Mittelstufenschulen und der Inklusion an, und schloss sich der Forderung an, auf die Schulen zukommen: Man könne „die Leiharbeit auf das wirtschaftlich aber „nicht neue Baustellen schaffen und unbedingt notwendige Maß zu begren- gleichzeitig das Gerüst einreißen“. zen, um der weiteren Entsolidarisierung Auch für den GEW-Landesvorsitzen- der Belegschaften Einhalt zu gebieten“. den Jochen Nagel passt es in keiner Weise Gleichzeitig verwies die Personalver- zusammen, „die Selbständigkeit von sammlung auf den Entwurf zur Änderung ämter in Hessen ausgesprochen. Unter Schulen voranzutreiben und gleichzei- des Hessischen Schulgesetzes, der in dem Motto „Schulen brauchen Unter- tig die Staatlichen Schulämter als Unter- § 15 b vorsieht, Leiharbeit auch im Schul- stützung vor Ort“ machten Personalrat stützungs-, Service- und Aufsichtsein- dienst zu ermöglichen (HLZ S. 8). Schüler und Gesamtpersonalrat des Staatlichen richtungen in der Fläche abzubauen“. und Schülerinnen seien „aber keine Schulamtes in Marburg den Anfang, Eine Antwort der Kultusministerin auf Werkstücke, die beziehungslos von im- dem sich andere in einer wahren Pro- den Offenen Brief der Personalräte lag bei mer wieder neuen Kräften ‚unterrichtet’ testwelle anschlossen. Redaktionsschluss noch nicht vor. werden können“.
7 HLZ 4/2011 TITELTHEMA: SELBSTSTÄNDIGE SCHULE Gesetzentwurf unter der Lupe Wie stellt sich die Landesregierung die „selbstständige Schule“ vor? Noch vor der Sommerpause soll der Landtag abschließend Der neue § 127d erwähnt zusätzlich die Möglichkeit, „von über den Entwurf der Landesregierung zur Änderung des den Regelungen zur Versetzungsentscheidung zugunsten der Hessischen Schulgesetzes (HSchG) beschließen, der in Bezug Schülerinnen und Schüler abzuweichen, sofern die Bildungs- auf die „selbstständige Schule“ noch einmal gegenüber dem standards (...) eingehalten werden“. Der neue § 15b ermög- Vorentwurf vom Herbst 2010 (HLZ 12/2010) ergänzt wurde. licht Verträge mit „Anbietern von Personaldienstleistungen“ Dies gilt insbesondere für die Möglichkeit, berufliche Schulen (HLZ S. 8). in „rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts“ umzu- Die GEW hat in ihren Stellungnahmen stets auf die wandeln und damit weitgehend aus der staatlichen Verant- Problematik hingewiesen, dass solche Spielräume, beispiels- wortung zu entlassen (HLZ S.18). Der folgende Artikel gibt weise bei der Bildung von Lerngruppen, nur dann sinnvoll einen Überblick über die geplanten Gesetzesänderungen. genutzt werden können, wenn dafür auch zusätzliche Res- sourcen zur Verfügung gestellt werden. Dass der alte § 127c Um die Selbstständigkeit von Schulen zu fördern, wird nie genutzt wurde, war vor allem auf den realistischen Blick wesentlich der bereits bisher bestehende § 127 zur „Selbst- der Schulen auf die damit verbundenen „Nullsummen-Spie- verwaltung und Selbstständigkeit der Schule“ geändert. Die le“ und die drohende Verlagerung der Verantwortung für die Schulen sollen „im Rahmen der staatlichen Verantwortung Mängelverwaltung auf die einzelne Schule zurückzuführen. und der Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ Aufgaben „in Dort wo Schulen pädagogische Freiheiten nutzen wollten, um der Planung und Durchführung des Unterrichts und des die Vergabe von Ziffernnoten auszusetzen, äußere Differen- Schullebens, in der Erziehung sowie in der Leitung, Organi- zierung an Gesamtschulen abzubauen oder das gemeinsame sation und Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten“ Lernen zu fördern, wurden sie regelmäßig zurückgepfiffen. selbstständig wahrnehmen können (§ 127 Abs. 1), „Modelle Das alte Schulprogramm ist weiterhin Bestandteil des erweiterter Selbstverwaltung und Eigenverantwortung sowie HSchG, allerdings entfällt die Genehmigungspflicht durch rechtlicher Selbstständigkeit erproben und sich (...) in selbst- das Schulamt, indem § 127b Abs. 4 gestrichen werden soll. ständige Schulen umwandeln“ können (§ 127 Abs. 4). Eine Allerdings bleibt auch die „selbstständige Schule“ an § 2 Verpflichtung soll es nicht geben, allerdings will Kultusmi- HSchG (Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule) und § 3 nisterin Henzler die angestrebte höhere Lehrerzuweisung HSchG (Grundsätze für die Verwirklichung) gebunden. Drin- (100 Prozent + X) auf Schulen begrenzen, die diesen Weg gend müssten auch das „Recht auf schulische Bildung“ (§ 1 gehen. Ein erster Schritt der Verwaltung ist die Bereitstellung HSchG) und der gleichberechtigte Zugang unabhängig von eines „Kleinen Budgets“ zur eigenen Bewirtschaftung (HLZ „Geschlecht, Behinderung, Herkunftsland oder Religionsbe- S. 14), das bereits seit Januar 2011 beantragt werden kann, kenntnis“ und der wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen ohne dass dafür das Schulgesetz geändert wurde. Rechts- Stellung der Eltern in diesen Verpflichtungskatalog aufge- grundlage ist der alte § 127a zur Bereitstellung von Mitteln nommen werden. zur Eigenbewirtschaftung durch die Schulen im Rahmen der Beschlüsse von Gesamt- und Schulkonferenz (§ 127a Abs. 3). Selbstständige Verwaltung des Mangels? Voraussetzungen für die Umwandlung in eine „selbstständige Schule“ sind eine „Konzeption der Gesamtkonferenz“ (§ 127d Abs. 7), ein Beschluss der Schulkonferenz, die Zustimmung des Schulträgers (Abs. 8) und die Genehmigung durch das HKM „auf der Grundlage einer Stellungnahme des zuständigen Staatlichen Schulamts“ (Abs. 9). Danach sollen die „selbst- ständigen Schulen“ Entscheidungsrechte nach dem ebenfalls schon lange bestehenden „Experimentierparagraphen“ 127c nutzen können, der allerdings in der Vergangenheit nie genutzt wurde. Nach § 127c Abs. 1 können „selbständige Schulen“ „abweichend von den bestehenden Rechtsvorschriften bei der Stellen- bewirtschaftung, Personalverwaltung, Sachmittelverwaltung sowie in der Unterrichtsorganisation und inhaltlichen Ausgestaltung des Unterrichts selbstständige Entscheidungen treffen. Abweichungen bei der Unterrichtsorganisation und -gestaltung sind insbesondere bei der Bildung von Lerngruppen, bei Formen der äußeren Differen- zierung, der Ausgestaltung der Leistungsnachweise sowie bei den Lehrplänen und Stundentafeln zulässig, sofern die Standards der Bildungsgänge eingehalten werden.“
TITELTHEMA HLZ 4/2011 8 Die GEW sieht die Gefahr, dass sich „selbstständige Eine solche Schule wird dann betriebsförmig organisiert Schulen“ angesichts einer wachsenden Schulkonkurrenz im sein müssen – mit allem, was man aus der Privatwirtschaft gegliederten Schulwesen vor allem über die Auslese von kennt: Die Schulleitung wird zur „Geschäftsführung“, die Schülerinnen und Schülern „profilieren“ und der Staat seine Lehrkräfte zum „anstaltseigenen Personal“ und das Schulpro- verfassungsmäßige Verantwortung aufgibt, qualitativ glei- gramm zur „Satzung“. Oberstes Beschlussorgan ist ein „Ver- che Bedingungen und damit Chancengleichheit herbeizufüh- waltungsrat“, die Rechnungsprüfung erfolgt durch das ren (HLZ S. 16). Rechnungsprüfungsamt des kommunalen Schulträgers oder Die Verselbstständigung von Schulen erhöht deshalb die durch den Landesrechnungshof. Hier jetzt nicht mehr von Verpflichtung des Staates, die Einhaltung von sozial- und einer „Verbetriebswirtschaftlichung von Schule“ zu spre- rechtsstaatlichen Standards sicherzustellen, das heißt auch chen, dürfte auch den hartnäckigsten Verfechtern der „selbst- die „selbstständigen Schulen“ zu kontrollieren. Wenn sich ständigen Schule“ schwer fallen. gleichzeitig in Hessen die Pläne zum Abbau der Schulaufsicht Harald Freiling, HLZ-Redakteur konkretisieren, ist absehbar, wie die Landesregierung ge- denkt, diese Aufgabe auch wahrzunehmen. Im Wortlaut: Personaldienstleistungen (§15b) Selbstständige berufliche Schulen (1) Kann eine vollständige Unterrichtsversorgung oder die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags aufgrund besonderer Um- „Selbstständige berufliche Schulen“ sollen darüber hinaus stände der Schule nicht gewährleistet werden, können Verträge mit das Recht erhalten, die bestehende Schulverfassung aufzuhe- Anbietern von Personaldienstleistungen geschlossen werden, so- ben und „die Entscheidungs- und Anhörungsrechte der fern diese den Einsatz qualifizierten Personals gewährleisten. Schulkonferenz“ sowie „einzelne Entscheidungsrechte der (2) Das Nähere über den Einsatz der externen Kräfte nach Abs. 1 Gesamtkonferenz“ auf einen Schulvorstand zu übertragen regelt eine Rechtsverordnung, die insbesondere Bestimmungen und die Gesamtkonferenz „durch ein Schulplenum“ zu erset- enthält über zen (§ 127d Abs. 3). Noch weitergehend ist die Möglichkeit, 1. die Voraussetzungen für den Einsatz externer Kräfte, 2. die an die Anbieter von Personaldienstleistungen zu stellenden dass sich berufliche Schulen in „rechtsfähige Anstalten des Anforderungen, öffentlichen Rechts umwandeln“ können, wenn sie „zusätz- 3. Inhalt und Abschluss der Arbeitnehmerüberlassungsverträge, lich zu ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag im Verbund 4. die allgemeinen Anforderungen an die fachliche und persönliche mit anderen öffentlichen oder privaten Bildungsdienstleistern Eignung der externen Kräfte und das Verfahren zu deren Feststellung, Maßnahmen der beruflichen und allgemeinen Fort- und 5. die besonderen Anforderungen an die fachliche und persönliche Weiterbildung“ durchführen und somit auf dem Bildungs- Eignung der externen Kräfte für den Einsatz in den naturwissen- markt als kommerzielle Wettbewerber auftreten (§127e). Für schaftlichen und technischen Fächern, im Sportunterricht und im eine solche Umwandlung sind die Zustimmung des Schulträ- Religionsunterricht, gers und der Schulkonferenz erforderlich. Die Gesamt- 6. die Rechte und Pflichten der externen Kräfte und ihre Eingliede- konferenz ist lediglich anzuhören (§ 127d Abs. 2). rung in den Schulbetrieb. GEW-Positionen zur Schulverfassung Schule ist kein Betrieb und Schüler sind keine Kunden. Schule die Entscheidungsrechte der Gesamtkonferenzen Schulen als staatliche Bildungsanstalten erfüllen einen staat- sichern und ausbauen. Hierzu gehört, dass gerade in lichen Bildungsauftrag und orientieren sich somit an den großen Schulen die Entscheidungen der Gesamtkonferenz gesellschaftlichen Vorgaben und Werten, die in Grundgesetz (bzw. des Plenums) durch andere Gremien (Schulvorstand, und Verfassung des Landes festgelegt sind. Schule hat die Hauptausschuss, andere Ausschüsse) vorbereitet werden, Aufgabe, möglichst allen jungen Menschen zu einem mög- um zielgerichtete Diskussionen und Entscheidungsfindun- lichst hohen Bildungsniveau zu verhelfen. Im Gegensatz gen zu ermöglichen. Diese anderen Gremien dienen somit dazu ist der Markt immer auch mit Konkurrenz verbunden, der Beschlussfassung in der Gesamtkonferenz, sie ersetzen die Gewinner und Verlierer erzeugt. Während durch Koope- diese jedoch nicht. Eine Delegation von Entscheidungs- ration zwischen Schulen Synergieeffekte durch gegenseiti- rechten, die die gesamte Schule betreffen, kann allenfalls in ges Lernen und Abbau von Doppelungen zu erwarten sind, Einzelfällen erfolgen und muss durch die Gesamtkonferenz geht bei Konkurrenz auf dem Markt viel Energie durch wieder rückgängig gemacht werden können. Eine Delega- Marketingmaßnahmen verloren. tion von Entscheidungsrechten, die nur bestimmte Berei- Schule als Institution des demokratischen Staates muss che betreffen, kann nur an entsprechende Konferenzen demokratisch und darf nicht betriebswirtschaftlich verfasst erfolgen. sein. Wir lehnen eine Form von Schule ab, deren Personal in Im Sinne eines Ausbaus demokratischer Strukturen im „führende und gestaltende“ Manager und ausführende Bildungswesen tritt die GEW Hessen auch für eine umfassen- „Unterrichtsbeamte“ aufgeteilt wird. Zu unserem grundlegen- dere Partizipation der Schülerinnen und Schüler sowie der den Verständnis von Professionalität im Bildungswesen gehört Erziehungsberechtigten und des nicht-pädagogischen Per- die umfassende demokratische Teilnahme des pädagogischen sonals an den Entscheidungsprozessen ein. Dabei muss die Personals an allen institutionellen Entscheidungsprozessen. professionelle Verantwortung des Kollegiums bedacht wer- Im Sinne dieses ganzheitlichen Verständnisses von den und gesichert bleiben. (Beschluss des GEW-Landesvor- Professionalität muss die Verfassung einer demokratischen stands)
9 HLZ 4/2011 TITELTHEMA Selbstständige Schule Die HLZ im Streitgespräch mit Befürwortern und Kritikern An dem Streitgespräch der HLZ zum Thema „Selbstständige Schule“ • Herbert Storn, Berufsschullehrer, Vorsitzender des GEW-Bezirks- nahmen teil: verbands Frankfurt und Mitglied im Hauptpersonalrat der Lehrerin- • Martin Günther, Abteilungsleiter im Hessischen Kultusminis- nen und Lehrer (HPRLL) terium, bis 2005 Schulleiter des Wolfgang-Ernst-Gymnasiums in • Gerd Turk, bis 2009 Fachbereichsleiter an der Albert-Einstein- Büdingen Schule in Schwalbach, Mitglied des HPRLL und Teamvorsitzender • Alfred Harnischfeger, bis Ende 2010 Mitglied der Stabsstelle im Referat Tarif, Besoldung und Beamtenrecht im GEW-Landesvor- „Selbstständige Schule“ im Hessischen Kultusministerium, bis stand 2009 Schulleiter der Integrierten Gesamtschule Kelsterbach und von Die Gesprächsleitung hatte HLZ-Redakteur Harald Freiling. 1977-1983 Landesvorsitzender der GEW Hessen HLZ: Hessische Schulen sollen mehr Freiheit bekommen. Ich ist auch aus meiner Sicht sinnvoll. Das kann man auch heute frage: „Freiheit wovon?“ An welchen Stellen sind Schulen zur schon tun. Aber schon bei der Klassenbildung fängt es an. Die Zeit gegängelt und in ihren Entfaltungsmöglichkeiten zum bisherigen Vorgaben, dass in einer zweizügigen Schule mit Nutzen der Schülerinnen und Schüler eingeschränkt, so dass 36 Schülerinnen und Schülern zwei Klassen gebildet werden, sie in die „Selbstständigkeit“ entlassen werden müssen? ist doch auch ein Schutz der Schule. Wenn man zukünftig nur Storn: Freiheit ist sicher ein positiv besetzter Begriff, und eine Klasse mit 36 Kindern bilden und mit den frei werdenden auch die GEW war immer für eine größere Selbstständigkeit Ressourcen ein schönes Projekt machen darf, dann geht das von Schulen, vor allem im Sinn der pädagogischen Freiheit. auf Kosten der Lehrer und der Schüler dieser Klasse. Deshalb Aber ich erinnere auch an unsere Kritik an den vielen sind Standards sinnvoll und notwendig. Sie müssen in einer überflüssigen Anweisungen und Verwaltungsvorschriften, Demokratie durch die Parlamente definiert und dürfen nicht wann Kollegien einen Betriebsausflug machen können oder in das Belieben von Schulleitungen gestellt werden... wann es hitzefrei gibt – und das, während das Kultusministe- Harnischfeger: ... aber an der demokratisch verfassten Schule rium eine selbstständige Schule proklamiert! Doch heute will doch niemand etwas ändern. Kein Schulleiter wird ein verfolgt die Verlagerung der Verantwortung einen ganz solches Vorhaben gegen das Votum der Gesamtkonferenz, anderen Zweck, nämlich die Reduzierung der Kosten, vor der Schulkonferenz oder des Personalrats durchsetzen kön- allem der Personalkosten. nen. Günther: Diesen Zusammenhang sehe ich gar nicht. Mögli- Günther: Die Landesregierung vertritt nicht die Position, dass cherweise gibt es eine zeitliche Koinzidenz der Einspar- die Freiheit der Schule die Freiheit des Schulleiters ist. Die notwendigkeiten und der Bemühungen um eine größere Rechte der Gesamtkonferenz tasten wir nicht an. Selbst- Selbstständigkeit von Schulen, aber es gibt keinen Kausalzu- ständige Schule funktioniert nur, wenn die Schulgemeinde sammenhang. Zu der Frage, wo Schulen mehr Selbstständig- mitgenommen wird. keit brauchen, fällt mir aus meiner Zeit als Schulleiter einiges Turk: Ich habe von der in der Demokratie unverzichtbaren ein. Ich hätte mir mehr Freiheit bei der Gruppenbildung Verantwortung und Zuständigkeit des Staates für die öffent- gewünscht, bei der Ausgestaltung der Stundentafel oder bei liche Schule gesprochen, die in der Verfassung verankert ist. der Auswahl des Personals. Daneben gibt es die Regeln für die Partizipation von Lehrern, Harnischfeger: Die Klagen über Gängelung, über zu viel Eltern und Schülern in der Schule, die wir wollen, die aber Bürokratie kamen doch vor allem von den Gewerkschaften nicht die staatliche Verantwortung und Standards ersetzen und Personalräten. Die enge Führung der Schulen durch die kann. Bildungsverwaltung hat uns nicht wirklich weiter gebracht. Storn: Und genau da sehe ich die Gefahr, dass die Standards Ich denke da zum Beispiel an die Lehrplandiskussionen. im Rahmen der Ökonomisierung von Schulen aufgeweicht Deshalb finde ich es gut, dass den Schulen jetzt neue werden. Ich befürchte, dass das Geld für die einzelnen Freiräume eröffnet werden sollen. Aber für die pädagogische Aufgaben nicht mehr reichen wird, wenn alles in einem Weiterentwicklung brauche ich auch finanzielle Ressourcen. Globalbudget zusammengefasst und dann scheibchenweise Da ist für mich die Umwandlung von Stellen in Mittel ein gekürzt wird. Beim „Kleinen Budget“ sind die Lehr- und wichtiger Punkt, um auch anderes Personal zu beschäftigen, Lernmittel neben den Vertretungsmitteln der größte Posten. aber auch das Ziel der Landesregierung, die Personalversor- Wenn man für die Fortbildung gerade mal 40 Euro pro Jahr gung auf 105 Prozent zu verbessern. und Lehrkraft hat, wenn die IT-Mittel und das Geld für Turk: Ich denke, wir müssen die pädagogischen Entscheidun- Reisekosten vorne und hinten nicht reichen, liegt der Griff in gen, die unabhängig vom Budget sind, und die Personal- und die Kasse für Bücher und Lehrmittel nahe... Budgetverantwortung, die selbstständige Schulen bekom- Harnischfeger: ... und wo ist das das Problem, wenn man noch men sollen, voneinander trennen. Dass man beispielsweise genug Atlanten aus dem letzten Jahr hat und einen Teil der vom 45-Minuten-Rhythmus abweichen oder Stunden im Lernmittel-Gelder für einen begrenzten Zeitraum anderwei- Rahmen einer Jahresstundentafel anders verteilen kann, das tig verwendet?
TITELTHEMA HLZ 4/2011 10 Storn: Die Lernmittelfreiheit steht in der Verfassung. der Auswahl der Lektüre. Viel mehr als früher ist heute Harnischfeger: Auch das will niemand ändern. Ich sag es vorgeschrieben und erzwingt das viel beklagte teaching to noch einmal: Das kann der Schulleiter nicht nach the test. Gutsherrenart entscheiden. Es gibt einen Haushaltsaus- HLZ: Seit Kultusminister Holzapfel gehört die Förderung der schuss, eine Schulkonferenz, in der die Eltern mitbestim- „Selbstständigkeit von Schulen“ zum Repertoire hessischer men. Ihr redet die ganze Zeit über Schulleiter, die die Schulpolitik. Schon lange gibt es einen § 127a über die Freiheiten missbrauchen wollen. Ich sehe diesen Miss- „Grundsätze der Selbstverwaltung“, einen „Experimentier- brauch nicht, und im Notfall gibt es ja auch noch eine paragraphen“ 127c, einen Modellversuch SV-plus an Be- Schulaufsicht. Ihr redet viel zu viel von den Schulleitern, ruflichen Schulen ... Was ist das Neue an dem vorliegenden die andere über den Tisch ziehen wollen. Ich kenne viel Entwurf zur Änderung des Schulgesetzes? mehr Schulleiter, die mit ihrem Kollegium im Interesse der Kinder an einem Strang ziehen... Günther: Das neue Gesetz will jeder Schule, die ein Konzept vorlegt und selbstständige Schule werden will, Sicherheit Günther: ... und ich wundere mich über die Staatsgläubigkeit geben. Dann kann sie beispielsweise Schritte zur Reduzie- von Gewerkschaftern, als würde man in Wiesbaden immer rung der Sitzenbleiberquote einleiten oder Leistungsnach- alles richtig machen und in den Schulen immer alles falsch. weise anders organisieren... Das kenne ich von der GEW und den Personalräten bisher anders. Da habe ich immer gehört, dass unsere Entscheidun- HLZ: ...Können die Grundschulen dann auch nach Klasse 1 gen basisfern und wenig durchdacht sind. Um aber keinen wieder auf Zeugnisse mit Ziffernoten verzichten? Zweifel zu lassen: Die von Ihnen geforderten zentralen Günther: ... das weiß ich noch nicht, das hängt auch von der Normen und Standards will niemand antasten. Wir wollen Verordnung ab. nicht die Leitplanken beseitigen, aber mehr Gestaltungs- spielraum an die Schulen geben. Harnischfeger: Für mich ist Turk: Aber zur gleichen Zeit soll die Schulaufsicht demon- das wirklich Neue, dass die tiert werden. Vielleicht sagen Sie ja heute noch etwas zu den Selbstständigkeit endlich auf Plänen zur Zusammenlegung der Schulämter ... Es gibt bei den Weg kommt. Ich war mir überhaupt kein Misstrauen gegenüber den Schulen und auch überrascht, wie wenig ihren Gremien und wahrlich kein Urvertrauen in Regierun- dazu im Gesetz geändert gen! Aber wir müssen doch mal betrachten, um welche werden muss, dass der ge- Freiheiten es in einem System der Mängelverwaltung ei- nannte § 127c jetzt auf viele gentlich geht. Freiheit hat nicht nur eine rechtliche Dimen- Schulen übertragen werden sion, was man darf und was man nicht darf, sondern es geht kann, mit der Verantwor- auch um die Frage, welche Spielräume ich habe, um tung für Stellenbewirtschaf- zwischen verschiedenen Alternativen auswählen zu kön- tung, Personalverwaltung und nen. Wenn es genügend Reisemittel und genügend Geld für Unterrichtsgestaltung. Und Personal, Fortbildung und Bücher gäbe, dann gäbe es einen das alles auf der Grundlage einer Konzeption und eines realen Gestaltungsspielraum, dann wäre es auch attraktiv, Schulprogramms, das nicht mehr vom Schulamt genehmigt an den Schulen über die Verwendung zusätzlicher Mittel zu werden muss. Mich bewegt dabei die Frage, warum das alles entscheiden. Aber die Realität sieht anders aus. Angesichts so lange gedauert hat: Das Grundsatzpapier des Deutschen der eklatanten Unterfinanzierung der Schulen geht es dann Bildungsrats stammt aus dem Jahr 1973 und der Juristentag nur noch um die Selbstverwaltung des Mangels mit dem hat schon 1976 mehr Selbstständigkeit und mehr Partizi- angenehmen Nebeneffekt, dass der Staat die Verantwortung pation an den Schulen gefordert: Man kann Menschen nur an die Schulen abtritt, zum Beispiel für alte und zerfledderte für das verantwortlich machen, was sie auch beeinflussen Bücher... können. Günther: ...keine Angst, die Eltern werden sich auch in Storn: Über all das kann man diskutieren. Aber schauen wir Zukunft zuerst bei uns beschweren. Aber Sie haben recht: uns doch mal die Realitäten von SV-plus an den Beruflichen Echte Gestaltungsmöglichkeiten gibt es erst, wenn wir eine Schulen an, dem Vorbild für die selbstständige Schule. Da Lehrerversorgung von mehr als 100 Prozent haben. Wir geht es unter anderem um die externe Zertifizierung von wollen nicht nur pädagogische, sondern auch ökonomische Schulen und um eine veränderte Schulverfassung, in der es Spielräume schaffen. An unserem nicht mehr, sondern weniger Partizipation gibt, weil die ehrgeizigen Ziel einer 105-pro- Rechte der Gesamtkonferenz auf den Schulvorstand übertra- zentigen Zuweisung bis zum Ende gen werden oder – wie es der Schulgesetzentwurf vorsieht – der Legislaturperiode können uns in einer rechtfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts auf auch die Gewerkschaften messen. einen Beirat mit außerschulischen Entscheidungsträgern auch aus der Wirtschaft... Turk: Aber gleichzeitig werden die pädagogischen Freiheiten Günther: ... aber das alles geht doch nur mit einer breiten immer weiter abgebaut. Das hat Zustimmung vor Ort. Wir haben keine berufliche Schule sehr viel mit den zentralen gezwungen, SV-plus-Schule zu werden, und wir werden Abschlussprüfungen und dem keine Schule zwingen, das Kleine Schulbudget zu nutzen Zentralabitur zu tun. Noch nie oder selbstständige Schule zu werden. Wir wollen Chancen war ein Deutschlehrer in der schaffen, aber offensichtlich trauen Sie den Leuten vor Ort Oberstufe so eingeschränkt bei weniger zu als wir...
11 HLZ 4/2011 TITELTHEMA Storn: ...Sie unterschätzen das massive Informationsgefälle in Turk: Aber das tun Sie doch ständig, wenn Sie einer Schule den Schulen... beispielsweise beim Mathewettbewerb öffentlich attestieren, Günther: ... da ist doch die GEW davor... dass sich ihre Schülerinnen und Schüler im untersten Quartil befinden. Storn: Wenn Sie es mit der Verlagerung der Verantwortung Storn: Für mich hat die Politik der auf die Einzelschule ernst meinen, müssen Sie auch die selbstständigen Schule sehr viel Personalräte stärken und ihnen die notwendigen Ressourcen mit dem Konkurrenzgedanken, für die erweiterten Aufgaben zuweisen. mit marktwirtschaftlichem Den- Turk: In der Tat wünschen wir uns mehr Kolleginnen und ken zu tun. Die Vertreter der Kos- Kollegen, die sich um ihre Angelegenheiten kümmern. Aber ten-Leistungsrechnung wollen die auch demokratische Entscheidungen der Schulen können Schulen der Konkurrenz um ein keine Standards ersetzen und auch eine demokratische günstiges Verhältnis von Kosten Mehrheitsentscheidung legitimiert nicht die Beschäftigung und Ertrag unterwerfen, man will von unterbezahlten, rechtlosen Hilfslehrern, die das Kollegi- die Steuerung durch entsprechen- um von Aufsichten oder Mehrarbeit entlasten. Es ist für mich de Kennziffern und will den kein Zufall, dass gleichzeitig mit der Erweiterung der Bildungsbereich für private An- Selbstständigkeit der Schulen auch die Leiharbeit an Schulen bieter öffnen. Die Schulen für Er- im Gesetz verankert werden soll... wachsene wurden bereits 2005 mit Methoden zur „Effizienz- Harnischfeger: ...und dann ist es die Aufgabe der Gewerk- messung“ konfrontiert. Sie zwingen zu Schuleingangsüber- schaften und Personalräte für ordentliche Arbeitsverhältnis- prüfungen, weil junge Erwachsene mit komplizierten se zu sorgen. Prekäre Beschäftigung hat in Schulen nichts zu Bildungsbiografien möglicherweise später die Erfolgskenn- suchen. Und das Wort Leiharbeit kommt im Gesetzentwurf gar zahlen verschlechtern. Wenn man so die Kosten der Einzel- nicht vor... schule erhebt, dann wird man eine Entwicklung wie in England oder in den USA haben, wo Schulen, die aufgrund der Lage in HLZ: ... „Anbieter von Personaldienstleistungen“ heißt es im einem sozialen Brennpunkt zu viel kosten oder mit ihrem neuen § 15b... Budget nicht zurechtkommen, zu weiteren Kürzungen ge- Turk: ... was sicher ein Euphemismus ist... zwungen oder geschlossen werden. Günther: ... aber das ist doch auch nichts Neues. Wir räumen Günther: Aber wer will denn so was? Wir wollen nicht über den Schulen im Rahmen des 10-Prozent-Erlasse schon länger Kosten steuern, sondern über Ziele. Wir wollen uns mit einer die Möglichkeit ein, dass sie auch anderes Personal einstellen solchen Schule zusammensetzen und überlegen, was sie können, aber nur dann, wenn sie die Lehrerstellen auf Grund braucht, um ihre Ergebnisse zu verbessern, um weniger von Personalmangel nicht vollständig besetzen können. Die Sitzenbleiber, um weniger Jugendliche ohne Schulabschluss Alternative wäre dann, den Unterricht ausfallen zu lassen. zu haben. Wenn Sie keinen Lehrer mehr über die Rangliste finden, Turk: Die Verantwortung für die Standards, für gute Lehr- nutzen wir auch heute schon Campuservice und andere und Lernvoraussetzungen trägt nicht die Einzelschule, son- Personaldienstleister. dern der Staat, dessen Vertreter sich dafür bei Wahlen HLZ: „Konkurrenz belebt das Geschäft“ ist eine landläufige rechtfertigen müssen. Es muss dabei bleiben, dass Schulen Aussage. Gilt das auch für Schulen? bestimmte Dinge einfach nicht machen dürfen, auch wenn sich dadurch ihre Position im Konkurrenzkampf verbessern Harnischfeger: Es gibt eine gesunde Konkurrenz, wenn sich würde... Schulen ein Profil geben und um die besten pädagogischen Konzepte wetteifern, und es gibt eine ungesunde Konkur- Harnischfeger: ...ich halte das für ausgesprochen struktur- renz auf der Grundlage eines Rankings. Ich lehne jedes konservativ, wenn du dem Staat mehr zutraust als der öffentliche Ranking von Schulen ab, mindestens so lange, einzelnen Schule vor Ort... wie es keinen Sozialindex gibt. Der Vergleich einer Schule Turk: ... genau nicht, ich spreche hier von den Grundlagen der im Frankfurter Gallusviertel mit einer Schule in Königstein Demokratie und des Sozialstaats. ist unzulässig. HLZ: Ich möchte gern in einer Schlussrunde nach dem HLZ: Von der Einführung eines Sozialindexes hat man Zusammenhang zwischen einer größeren Eigenständigkeit allerdings schon lange nicht mehr gehört. von Schulen und der Verbesserung der Qualität von Lehr- und Lernprozessen fragen... Günther: Er wird kom- men, aber ich will Sie Harnischfeger: Ich kenne in der Tat keine Studie, die einen auf die Schwierigkeit solchen Zusammenhang belegt. Aber es gibt zum Beispiel hinweisen, dass Schulen eine große Studie, die einen engen Zusammenhang zwischen einen „negativen So- der Lesekompetenz und dem Lehrereinsatz dokumentiert, der zialindex“, der ihnen Innovationsbereitschaft, der Arbeit in Teams und der regio- eine bessere Mittelver- nalen Unterstützungskultur. Das ist die Richtung, die mir zuweisung verschaffen vorschwebt. sol, trotzdem mögli- Turk: Aber was hat das mit der selbstständigen Schule zu tun? cherweise als einen zu- Ich sehe keinen zwingenden Zusammenhang zwischen selbst- sätzlichen Makel, als ständiger Schule und Qualitätsverbesserung. PISA 2000 Abstempelung empfin- konnte ihn nicht finden und auch nicht die hochkarätige den können. Arbeitsgruppe des Kultusministeriums zur „Eigenverant-
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