50 JAHRE BIOLAND Werte, Wachstum, Wünsche - Striegeln, was das Zeug hält Weide ans Klima angepasst

Die Seite wird erstellt Matthias Götz
 
WEITER LESEN
50 JAHRE BIOLAND Werte, Wachstum, Wünsche - Striegeln, was das Zeug hält Weide ans Klima angepasst
DAS FACHMAGAZIN FÜR DEN ÖKOLOGISCHEN LANDBAU   April 2021 | 5,90 Euro

Striegeln, was
das Zeug hält
Weide ans Klima
angepasst
Brauerei Härle
trotzt der Krise

50 JAHRE BIOLAND
        Werte, Wachstum, Wünsche
50 JAHRE BIOLAND Werte, Wachstum, Wünsche - Striegeln, was das Zeug hält Weide ans Klima angepasst
E-Transporter aus Deutschland

                                BIS 30.4.2021:
                                AUFBAU
                                      1
                                GRATIS !

                                                                                                           Abb. zeigen Sonderausstattung.

Bis zum 30.4.2021 erhalten Sie beim Kauf eines Tropos ABLE
Elektrotransporter die Pritsche oder den Koffer L gratis1.

          1
              Anspruch auf einen Gratis-Aufbau (Pritsche oder Koffer L) haben juristische Personen, Kommunen und selbständig Tätige, die
              im Aktionszeitraum vom 8. Februar 2021 bis zum 30. April 2021 einen Kaufvertrag über ein Neufahrzeug der Modelle Tropos
              ABLE ST, Tropos ABLE XT1, Tropos ABLE XT2 bei TROPOS MOTORS EUROPE GmbH oder einem teilnehmenden Tropos Vertrags-
              händler abschließen. Wird ein anderer als der in der Aktion angebotene Gratis-Aufbau gewünscht, wird der Listenpreis des
              Aktionsaufbaus mit dem Listenpreis des Wunschaufbaus verrechnet. Die Pritsche wird entsprechend mit Pritschenaufbauten
              (Pritsche mit Plane, Pritsche mit Laubgitter) und der Koffer L mit Kofferaufbauten (Koffer XL, Koffer mit Rollo) aus dem Tropos
              Motors Sortiment verrechnet. Eine Barauszahlung ist nicht möglich. Sollte der Kaufvertrag nachträglich wegfallen entfällt auch
              der Anspruch auf den Gratis-Aufbau. Details zur Aktion auf www.tropos-motors.de/aktion-aufbau-gratis.
              TROPOS MOTORS EUROPE GmbH, Dettinger Straße 157-159, 73230 Kirchheim/Teck

                                                                                                                 tropos-motors.de
50 JAHRE BIOLAND Werte, Wachstum, Wünsche - Striegeln, was das Zeug hält Weide ans Klima angepasst
April 2021

                                                              EDITORIAL

                                                                        „Es braucht Gewissheit
                                                                        und Mut, Widerstände
                                                                        auszuhalten“

                            viel entwickelt, viel erreicht, viele Menschen verbunden und noch lange nicht fertig! Bioland
                            wird 50 Jahre alt. Wir blicken gemeinsam auf fünf Jahrzehnte zurück, die viele engagierte
                            Mitglieder geprägt und gestaltet haben – nicht nur in den Anfängen, sondern immer wieder bis
                            heute. Es sind fünf Jahrzehnte, in denen unsere Prinzipien und Werte geblieben sind, sich aber
                            auch viel verändert hat.

                            In der Landwirtschaft, im Gartenbau, in Herstellung und im Handel möglichst souverän zu
                            sein, das war und ist das Ziel von Bioland. Selbstbestimmt ökologische Landwirtschaft zu
                            betreiben bedeutet bis heute, die propagierte Industrialisierung der Landwirtschaft immer
                            wieder in Frage zu stellen. Dafür braucht es eine ganze Portion Gewissheit und viel Mut,
                            Widerstände aushalten zu können.

                            Siegfried Kuhlendahl, Bioland-Pionier aus Nordrhein-Westfalen, beschreibt es so: „Wir waren
                            Exoten, wir sind gemieden worden im Kollegenkreis, weil wir etwas Utopisches wollten.“
                            50 Jahre später hat sich diese Utopie immer mehr in die landwirtschaftliche Wirklichkeit einge-
                            pflanzt. Auch wenn unser Weg auch heute noch bekämpft wird und wir selbst nicht auf alle
PORTRÄT: SEBASTIAN SCHOEN

                            Probleme schon eine Lösung gefunden haben, so ist der Biolandbau heute für viele Bäuerinnen
                            und Bauern die beste Option, um die Existenz ihrer Betriebe zu sichern. Wir haben erfahren,
                            dass sich der Weg in eine Richtung, die vor 50 Jahren Utopie war, in der Breite bewährt.

                            Ich freue mich, das 50-jährige Jubiläum von Bioland mit euch zu nutzen, um auf Basis der
                            bewährten Werte und Prinzipien die Utopien für die Landwirtschaft der Zukunft zu denken.
                            Seid mit dabei!

                                                                                                                        ApRIL 2021   bioland   3
50 JAHRE BIOLAND Werte, Wachstum, Wünsche - Striegeln, was das Zeug hält Weide ans Klima angepasst
April 2021

                                                                       INHALT
                                                                                                            38        Raus aus der Klimakrise mit
                                                                                                                      neuen Grünlandkonzepten

                                                                                                                                                             FOTOS: OLAF TAMM, ALEXANDER KÖGEL, CHRISTINE BAJOHR
    10      Titelthema:
            50 Jahre Bioland
                                                        24       Mit dem Striegel und der richtigen
                                                                 Einstellung in die Kulturen

    POLITIK                                               PFLANZENBAU                                            MARKT & MANAGEMENT
     5 kurz & knapp                                       24 Mit dem Striegel in alle Kulturen                   46 „Unser Bier ist längst
          Präsidentschaftswahl & Klimaziele                      Gut vorbereitet und zur richtigen Zeit             klimaneutral“
     6 Tierwohl in der Warteschleife                      28 Geschäftsfeld CO₂-Speicher                                 Interview mit Gottfried Härle
          Mängel der Borchert-Empfehlungen                       Handel mit Klimazertifikaten                    48 Region Süd startet mit 49,5 Cent
      7 Absolut unzureichende Vorschläge                   31 Beratung                                                  Der Bio-Milchpreistrend
          Verhandlungen über die GAP-Reform                      Gärreste Richtlinien-konform                    49 Blick auf den Markt
     8 Eine Pestizidabgabe für                            32 Jordanvirus, eine Gefahr für                               Gemüse, Strauchbeeren & Kartoffeln
       Deutschland                                           Bio-Tomaten!                                        Meldungen 50 Bioland-Markennutzung,
          Was in Dänemark funktioniert,                          Kulturen vor Befall schützen                    Öko-Feldtage 2023, Geflügelschlachtmobil
          könnte auch hier Wirkung zeigen                 34 Rascheltrocken soll er sein                         & Neuer Studiengang der HSWT
     9 Aus dem BÖLW                                              Knoblauch richtig lagern
          Öko-Wahlomat & Öko-Verordnung                    Meldungen 30 Kleegraskompost &                        BIOLAND & GÄA AKTIV
                                                           Richtig Hacken und Striegeln 31 Bestände
    TITELTHEMA                                             auf Kleekrebs prüfen                                  52 Gewinnspiel
                                                                                                                        Biohotel Schloss Kirchberg
    10 Beständiger Fortschritt                            TIERHALTUNG                                            53 Aktuelles aus den
          Bioland-Betriebe im Wandel der Zeit                                                                       Bioland-Landesverbänden
    14 Schon immer am Puls der Zeit                       36 Zufütterung auf dem Prüfstand                              Von Hamburger Offensive über beste
          Weggefährten von Bioland gratulieren                   Kühe verwerten sogar dürre Weiden                      Hofläden bis zu Bio-Kompetenz
    18 „Die Kraft der gemeinsamen Werte“                  38 Raus aus der Klimakrise                             60 Aktuelles aus dem Gäa-Verband
          Kommentar von Volker Krause                            Acht Grünlandbetriebe sind unterwegs                   Hof Stubenrauch und Bio-Laden
                                                           41 Beratung                                                  Speisekammer ausgezeichnet
    20 „Die Kreisläufe sind
       geschlossen“                                              Rinder für Bio-Betriebe
                                                          42 Wettbewerb um Proteine
                                                                                                                 SERVICE
          Kommentar von Lisa Born
    Meldungen 22 Bioland feiert 50. Ge-                          Hennen müssen viel Futter aufnehmen
                                                                                                                 61 Termine
    burtstag, Social Media fürs Jubiläum &                44 Frühe Blüte stresst Bienen                          62 Vorschau & Impressum
    Literaturempfehlungen                                        Imker fürchten veränderte Vegetation            63 Anzeigen & Angebote
                                                           Meldungen 41 Rehkitze melden

    TITELFOTO: Olaf Tamm. Drei Generationen auf dem Biolandhof Sandrock im hessischen Reichensachsen/ Wehretal, seit 1975 bei Bioland

4   bioland   ApRIL 2021
50 JAHRE BIOLAND Werte, Wachstum, Wünsche - Striegeln, was das Zeug hält Weide ans Klima angepasst
April 2021

                                                   POLITIK
                                                                                  Meldungen:
                                                                                  kurz & knapp
Jan Plagge führt Bioland weiter
Durch Kooperation zu besseren Lösungen
                                                                                 Fehlende Beteiligung
M      it überwältigender Mehrheit von 98 Prozent hat die Bundesdelegier-
       tenversammlung (BDV) Jan Plagge am 23. März in seinem Amt als
Bioland-Präsident bis 2026 bestätigt. Plagge war der einzige Kandidat für
                                                                                 Greenpeace verlässt die Zukunftskommission
                                                                                 Landwirtschaft. Grund sei die fehlende Be-
den Posten an der Spitze des größten deutschen Bio-Verbandes. „Ich freue         reitschaft von Teilen der Bundesregierung,
mich über dieses überwältigende Vertrauen“, sagte er nach seiner Wahl auf        die Arbeit der Zukunftskommission zur Aus-
der Frühjahrs-BDV, die digital stattfand. „Ich bin total dankbar, Bioland mit
                                                                                 gestaltung der Agrarreform in Deutschland
euch gemeinsam dienen zu dürfen!“, wandte er sich an die Delegierten aus
Deutschland und Südtirol. Obgleich er wisse, dass er mit seinem Tatendrang       zu berücksichtigen. Die Bundeslandwirt-
manches Ehren- und Hauptamt an den Rand der Überforderung bringe,                schaftsministerin habe dazu völlig unzurei-
versicherte er, auch künftig auf Kooperation zu setzen. „Nah an den Men-         chende Vorschläge vorgelegt. Auch der
schen dran zu sein, ist einer meiner stärksten Antriebe.“                        BUND forderte die Bundesregierung auf, die
   Vor der Abstimmung stellte der alte und nun neue Bioland-Präsident sein
                                                                                 Ergebnisse der Zukunftskommission nicht
Wahlprogramm vor. Plagge will den Ökolandbau fachlich weiterentwickeln
und in dem wachsenden Verband Beteiligung, Informationsfluss und Ab-             länger zu ignorieren.
stimmungsprozesse sowie die Digitalisierung maßvoll optimieren. Stark
machen will er sich für eine Wirtschaft, in der der Wettbewerb die Beteiligten
nicht gegeneinander ausspielt, sondern fördert. Sein größtes Projekt: Die
                                                                                 Aktionsplan Ökolandbau
Lücke zwischen Verbraucher/Verbraucherin und Bürger/Bürgerin schließen,          Der EU-Aktionsplan Ökolandbau sollte Ende
durch Beteiligung und Mitgestaltung in der Land- und Lebensmittelwirtschaft.     März – nach Redaktionsschluss – vorgestellt
                                                                                 werden. Einige Inhalte sind schon vor Veröf-

Nachbessern beim Klimaziel                                                       fentlichung bekannt geworden. Demnach will
                                                                                 die EU die Nachfrage nach Bio-Lebensmit-
Deutschland muss EU-Ziele in deutsches Recht übernehmen                          teln durch verschiedene Instrumente stark
                                                                                 erhöhen und die Forschung stärken. Zudem

D     eutschland muss sein Klimaschutzgesetz nachbessern, um das Pariser
      Klimaabkommen einzuhalten, fordern die Klima-Allianz und 85 Or-
ganisationen, darunter Bioland. Im Dezember haben die Mitgliedstaaten der
                                                                                 soll die GAP-Reform genutzt werden, um
                                                                                 den Ökolandbau über die nationalen Strate-
                                                                                 giepläne zu fördern. Auch verstärkte investive
EU beschlossen, das Klimaziel nachzuschärfen. Die Treibhausgasemissionen
(THG) sollen bis 2030 nun nicht mehr um 40, sondern um 55 Prozent                Maßnahmen sind vorgesehen.
gegenüber 1990 sinken, Brüssel verhandelt inzwischen über 60 Prozent.
    Im Klimaschutzgesetz hat die Bundesregierung die deutschen Klima-
schutzziele insgesamt und für die einzelnen Sektoren festgelegt. Das Gesetz
                                                                                 Extreme Sommerdürren
verpflichtet die Regierung zudem, die Fortschritte bei der Reduktion der         Die sommerlichen Hitzewellen und Dürren
THG darzulegen. Das haben das Bundesumweltministerium und das Um-                in Europa etwa in den Jahren 2003, 2015 und
weltbundesamt im März zum ersten Mal getan. Danach wurden in Deutsch-            2018 waren extrem. Nach einer internationa-
land im vergangenen Jahr 739 Mio. Tonnen THG freigesetzt, rund 8,7               len Studie, die im Fachblatt „Nature Geosci-
Prozent weniger als 2019 und 40,8 Prozent gegenüber 1990. Das aktuelle
Klimaziel wurde damit knapp übererfüllt. Gut ein Drittel der Reduktion sei       ence“ veröffentlicht wurde, waren sie weitaus
allerdings auf die Corona-Pandemie zurückzuführen. Auch die Landwirtschaft       gravierender als rund 2.100 Jahren zuvor.
hat ihr Sektorziel erfüllt und ihre Emissionen auf rund 66 Mio. Tonnen ge-       Die Wissenschaftler nutzten für ihre Analyse
drückt. Gründe dafür seien ein vergleichsweise geringer Einsatz von Mine-        Baumringe und erstellten so einen Datensatz,
raldünger, kleinere Rinderbestände und wiederholte Trockenheit, heißt es in      der die hydroklimatischen Bedingungen in
der Presseerklärung von BMU und UBA. Die Bundesregierung müsse das
                                                                                 Mitteleuropa von der Römerzeit bis zur Ge-
neue Klimaziel der EU von mindestens 55 Prozent THG noch vor der Som-
merpause in deutsches Recht übertragen, fordert die Klima-Allianz.               genwart abbildet.

                                                                                                                ApRIL 2021   bioland   5
50 JAHRE BIOLAND Werte, Wachstum, Wünsche - Striegeln, was das Zeug hält Weide ans Klima angepasst
April 2021

                                                            POLITIK

    Die höchste Stufe für
    Schweine im Tierwohllabel
    muss dem Bio-Standard
    entsprechen, fordern
    die Öko-Verbände.

    Tierwohl in der Warteschleife
    Die Mängel der Borchert-Empfehlungen

    AUTORIN:                                      ter an – würde eine erhöhte Mehrwertsteuer           Daneben besteht fundamentale Kritik
    Annegret Grafen                               tierische Produkte, die sowieso schon hö-         am Borchert-Plan und seiner Finanzierung.
                                                  herpreisig sind, übermäßig stark verteuern.       Da er keine Ansätze enthält, die Tierhal-

    K     ühen, Schweinen und dem Federvieh
          soll es bessergehen. Der nötige Umbau
    der Tierhaltung in Deutschland wird viele
                                                  Diese Lösung hält die Bio-Branche daher
                                                  für ungeeignet: „Der höchste Aufschlag
                                                  würde genau auf die Produkte erhoben,
                                                                                                    tung insgesamt zu reduzieren, etwa über
                                                                                                    eine Bindung der Tierzahlen an die Fläche,
                                                                                                    könnte die großzügige Förderung von Stäl-
    Milliarden Euro kosten. Vor gut einem Jahr    die bereits hohen Tierhaltungsstandards           len sogar dazu führen, dass in Deutschland
    hat das Kompetenznetzwerk Nutztierhal-        entsprechen. Vor allem würden Bio-Pro-            noch mehr Tiere gehalten werden – abge-
    tung, die „Borchert-Kommission“, Emp-         dukte so besonders belastet“, urteilt der         sichert durch staatliche Prämien über viele
    fehlungen zum Umbau der Tierhaltung           BÖLW.                                             Jahre. „Es fehlt eine Strategie zur Reduk-
    samt verschiedener Finanzierungsmög-                                                            tion der Tierzahlen, die für das Erreichen
    lichkeiten vorgelegt. Anfang März kam eine    Nicht mehr in dieser                              der Klimaziele unerlässlich ist“, sagte die
    Machbarkeitsstudie dazu heraus, die Bun-      Legislaturperiode                                 Grünen-Politikerin Renate Künast gegen-
    deslandwirtschaftsministerin Klöckner in      Tierschutz- und Umweltverbände werfen             über der Osnabrücker Zeitung.
    Auftrag gegeben hatte. Das beauftragte        dem BMEL schon länger vor, die Umset-                Weitere Hinweise zu Mängeln in den
    Anwaltsbüro hat verschiedene Finanzie-        zung des Borchert-Plans zu verzögern. Der         Borchert-Empfehlungen liefert die Mach-
    rungsinstrumente auf ihre Stärken und         Bundesrat hat die Bundesregierung am              barkeitsstudie. So ist die Auszahlung von
    Schwächen sowie rechtliche Implikationen      5. März aufgefordert, noch in dieser Legis-       Tierprämien über einen Zeitraum von bis
    abgeklopft. Zur Auswahl stehen im We-         laturperiode ein schlüssiges Konzept vorzu-       zu 20 Jahre mit dem Beihilferecht der EU
    sentlichen eine Erhöhung der Mehrwert-        legen – verbunden mit der Forderung nach          nicht vereinbar. Ungeklärt ist auch die Frage,
    steuer auf tierische Produkte von sieben      einem verpflichtenden Tierwohllabel.              ob es sinnvoll ist, dass die deutschen Kon-
    auf 19 Prozent und eine mengenbezogene        Das will Bundeslandwirtschaftsministerin          sumenten und Konsumentinnen einen
    Verbrauchssteuer Fleisch, Milch und Eier.     Julia Klöckner nicht, die stattdessen ihr frei-   höheren Tierwohlstandard finanzieren,
        Beide Instrumente sind grundsätzlich      williges Tierwohllabel vorantreibt, das sie       deren Nutznießer dann auch die Export-
    machbar, sagen die Gutachter, müssen          eng an die Umsetzung des Borchert-Plans           industrie wäre. Fleisch- und Milchprodukte,
    jedoch ohne Zweckbindung erhoben wer-         knüpft. Ihr Vorschlag dazu enthält drei Stu-      erzeugt mit hohen Tierwohlstandards,
    den. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer         fen und soll zunächst nur für die Schweine-       könnten, durch Prämien subventioniert,
    würde etwa fünf bis sechs Milliarden Euro     haltung gelten. Aktuell steckt Klöckners          weiter zu Weltmarktpreisen angeboten wer-
    pro Jahr ergeben, bei der Verbrauchssteu-     Entwurf in der Ressortabstimmung mit dem          den. Auch dies würde zu steigenden Tier-
    er müssten etwa 47 Cent pro Kilogramm         Bundesumweltministerium fest. Anders als          zahlen führen.
    Fleisch erhoben werden, um eine ähnliche      immer wieder gefordert, berücksichtigt die           Dass die Borchert-Empfehlungen noch
    Summe zu ereichen. Steuerliche Instru-        Landwirtschaftsministerin in ihrem Konzept        in dieser Legislaturperiode umgesetzt wer-
                                                                                                                                                     FOTOS: IMAGO

    mente haben den Vorteil, den Fleischkon-      die Bio-Schweinehaltung nicht. So soll die        den, ist unwahrscheinlich geworden. Zumal
    sum zu lenken – das Fleisch wird teurer,      höchste Stufe in der Schweinehaltung un-          Klöckner noch auf die Ergebnisse einer
    die Konsumenten kaufen weniger. Aller-        terhalb des Bio-Standards liegen, was den         Studie des Thünen-Instituts zur Folgen-
    dings – und das merken auch die Gutach-       Forderungen der Bio-Branche widerspricht.         abschätzung wartet.

6   bioland   ApRIL 2021
50 JAHRE BIOLAND Werte, Wachstum, Wünsche - Striegeln, was das Zeug hält Weide ans Klima angepasst
Absolut unzureichende Vorschläge
Bund und Länder verhandeln unter Zeitdruck über die GAP-Reform

AUTORIN:                                                            Das Umweltministerium will sowohl einen höheren Anteil von
Annegret Grafen                                                     Erste-Säule-Mitteln für Umweltmaßnahmen als auch eine höhere
                                                                    Umschichtung.

A     uch die Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) am 17. März
      ist nach elf Stunden Verhandlung ohne Ergebnis zu Ende
gegangen. Eine weitere AMK sollte in der letzten Märzwoche –
                                                                    Deutschland greift dem Trilog vor
                                                                    Unterdessen läuft der Trilog zwischen Kommission, Parlament
nach Redaktionsschluss – dort weitermachen, wo die Gespräche        und Agrarministerrat auf EU-Ebene weiter. Klöckner macht mit
gescheitert sind. Bund und Länder ringen um die Ausgestaltung       ihren Entwürfen Zeitdruck, um vor der Bundestagswahl im Herbst
der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in Deutschland. Dabei            fertig zu sein, auch wenn noch nicht klar ist, wie die Vorgaben aus
geht es um Zuständigkeiten und Inhalte; Konfliktlinien bestehen     Brüssel sein werden. „Solange in Brüssel die Trilog-Verhandlungen
zwischen den grün-geführten Länderministerien und den übrigen       zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat nicht
acht, genauso wie zwischen Ost- und den Westländern. Wesent-        abgeschlossen sind, kann es gar keine Verhandlungsposition auf
liche Streitpunkte sind, welchen Anteil die Eco-Schemes am          nationaler Ebene geben“, kritisiert der grüne Europaabgeordnete
Budget der Ersten Säule haben sollen und wieviel Geld aus der       Martin Häusling das Vorgehen. Der Trilog selbst kommt unter
Ersten in die Zweite Säule umgeschichtet wird. Im Ganzen geht       portugiesischer Ratspräsidentschaft zurzeit nur schleppend voran,
es also darum, welcher Anteil des Budgets für die Ökologisierung    „die offenen Punkte häufen sich“, so Häusling. Am 26. März,
der Landwirtschaft zur Verfügung stehen wird.                       ebenfalls nach Redaktionsschluss, sollte ein „Super-Trilog“ statt-
   Die Bundesagrarministerin hatte Anfang März drei Gesetzes-       finden.
entwürfe zur GAP vorgelegt. Bis Ende März wollte sie eine Eini-        „Nur mit einem konsequenten Politikwechsel sind die Ziele
gung im Bundeskabinett erreichen, damit die Vorschläge noch         des europäischen Green Deals im Umwelt- und Klimaschutz
vor der Sommerpause durch den Bundestag gehen können.               sowie die Flächenziele von EU, Bund und Ländern zum Ausbau
Klöckner will lediglich 20 Prozent der Ersten Säule für die Eco-    des Ökolandbaus zu erreichen“, kommentiert Bioland und fordert
Schemes reservieren und orientiert sich dabei an der Position des   eine grundlegende Überarbeitung der Klöckner-Entwürfe. Sonst
Agrarministerrats in Brüssel. Auch die nicht-grün geführten         würde weiterhin das meiste Geld unqualifiziert über die Fläche
Landwirtschaftsministerien der Bundesländer plädieren für den       vergeben, ein schädlicher Status quo auf Jahre zementiert, Um-
niedrigen Anteil. Genauso wenig ambitioniert ist, dass das BMEL     welt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft hätten weiterhin
lediglich acht Prozent von den Direktzahlungen der Ersten in die    das Nachsehen.
Zweite Säule umschichten will, bisher sind es sechs Prozent.
   „Viel zu wenig“ sei das, kritisieren unisono Bioland, der BÖLW
und die Umweltverbände. „Die Bedarfe in den Bereichen Um-
welt- und Klimaschutz, Ausbau des Ökolandbaus sowie Entwick-                              Die Vorstellungen des BMEL zur
lung der Natura-2000-Gebiete erfordern viel höhere Umschich-                 künftigen Agrarpolitik sind weder ein Systemwechsel noch
tungsmittel“, kommentierte Bioland-Präsident Jan Plagge. Zumal                               werden sie wesentlich zur
die Zweite Säule finanziell sowieso geringer ausgestattet ist als              Versöhnung von Landwirtschaft und Natur beitragen.
bisher und spätestens 2025 die Gelder des Corona-Wiederauf-
baufonds auslaufen werden.

Dynamische Umschichtung gefordert
Der BÖLW kämpft wie Bioland daher für ein Modell einer dy-
namischen Umschichtung. Von 16 Prozent im Jahr 2023 soll die
Umschichtung um jährlich zwei Prozent steigen. Ein Prozent, um
das 20-Prozent-Ziel für den Ökolandbau zu erreichen, ein Prozent
für ambitionierte Agrarumweltmaßnahmen. 2026 wäre man dann
bei 22 Prozent umgeschichteter Mittel in der Zweiten Säule, die
direkt umwelt- und klimagerechten Anbauverfahren zugutekom-
men. Ein Modell, dem sich unter anderem der Deutsche Natur-
schutzring (DNR) angeschlossen hat.
   Auch das SPD-geführte Bundesumweltministerium hat Klöck-
ners Gesetzesentwürfe abgelehnt, sie seien „in allen Bereichen
absolut unzureichend“, urteilte Staatssekretär Jochen Flasbarth.

                                                                                                                       ApRIL 2021   bioland   7
50 JAHRE BIOLAND Werte, Wachstum, Wünsche - Striegeln, was das Zeug hält Weide ans Klima angepasst
April 2021

                                                                                 POLITIK

                        Eine Pestizidabgabe für Deutschland
                        Was in Dänemark funktioniert, könnte auch hier Wirkung zeigen

                        AUTORIN:                                       benwirkung der Mittel. Neben den Schäd-              der Gefährlichkeit der jeweiligen Produkte,
                        Annegret Grafen                                lingen sterben auch andere Insekten; kumu-           würde mittelfristig zu Innovationen in Rich-
                                                                       lative, langfristige und indirekte Effekte von       tung weniger gefährlicher Mittel und alter-

                        W      enn der nächsten Bundesregierung
                               die Artenvielfalt am Herzen liegt,
                        muss sie eine Pestizidabgabe als ein wich-
                                                                       Pestiziden bleiben unberücksichtigt. Pflan-
                                                                       zenschutzmittel wehen auf andere Flächen,
                                                                       auch weit. Der intensive und breitflächige
                                                                                                                            nativer Verfahren führen.
                                                                                                                               Um der Diskussion um die Pestizidab-
                                                                                                                            gabe neuen Schwung zu verleihen, hat die
                        tiges Instrument einsetzen“, fordert ein       Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hat des-           GLS Bank eine Studie zur Umsetzbarkeit
                        Bündnis aus Umweltorganisationen und           halb nach wie vor gravierende Auswirkun-             eines solchen Instruments beim Helm-
                        landwirtschaftlichen Verbänden. Nach ei-       gen auf Natur und Umwelt.                            holtz-Zentrum für Umweltforschung in
                        ner neuen Studie ist eine Pestizidabgabe                                                            Auftrag gegeben. Unterstützt wurde das
                        in Deutschland möglich und wirkungsvoll.       Externe Kosten mindern                               Vorhaben von Greenpeace, dem Bündnis
                           Die EU-Kommission will die Ausbrin-         Die Anwendungsmengen und -intensitäten               für eine enkeltaugliche Landwirtschaft,
                        gung von Pflanzenschutzmitteln gemäß           von Pestiziden sind in Deutschland in den            Bioland und weiteren Organisationen. Die
                        ihrer Farm-to-Fork-Strategie bis zum Jahr      vergangenen zehn Jahren nicht wesentlich             Studienautoren haben den Pflanzenschutz-
                        2030 um die Hälfte reduzieren. Ein großer      zurückgegangen, abgesehen von den                    mitteleinsatz in Deutschland sorgfältig
                        Schritt, waren doch bisherige Reduktions-      zuletzt zwei trockenen Jahren. Anders in             untersucht und verschiedene Modelle einer
                        bemühungen wenig wirkungsvoll: Bereits         Dänemark und Schweden: Dort wurden                   Pestizidabgabe auf kurz- und langfristige
                        seit 2014 ist der Integrierte Pflanzenschutz   Abgaben auf Pestizide eingeführt, in                 Wirkungen analysiert. Eine Abgabe auf
                        in der EU Pflicht, wonach die Anwender         Schweden 1984, in Dänemark 2013. Die                 Pestizide könnte – je nach Ausgestaltung
                        nichtchemischen Methoden den Vorzug            ausgebrachte Menge von Pestiziden je                 – den Absatz von Pflanzenschutzmitteln
                        geben sollen. Das Konzept wurde nie wirk-      Hektar liegt in beiden Ländern bei rund              langfristig um bis zu 49 Prozent verringern,
                        lich umgesetzt und auch der Nationale          der Hälfte des deutschen Niveaus.                    rechnen die Autoren vor. Noch wirkungs-
                        Aktionsplan Pflanzenschutz der Bundes-            Auch in Deutschland wird seit Langem              voller wäre sie bei den problematischen
                        regierung von 2013, der die Risiken von        eine Pestizidabgabe diskutiert. Eine solche          Herbiziden, darunter das umstrittene Gly-
                        Pestiziden auf Gesundheit und Naturhaus-       würde auf der einen Seite die ausgebrach-            phosat.
                        halt mindern soll, gilt als gescheitert.       ten Mengen reduzieren, auf der anderen                  Die Forderungen der beteiligten Orga-
                           Zudem sind die Zulassungs- und An-          Seite wäre Geld da, um Alternativen zum              nisationen an die Politik sind daher ein-
                        wendungsbestimmungen notgedrungen              chemischen Pflanzenschutz zu fördern.                deutig: Eine Pestizidabgabe muss kommen.
                        Kompromisse zwischen Wirkung und Ne-           Eine risikobasierte Abgabe, gestaffelt nach          Das Reduktionsziel der Farm-to-Fork-
                                                                                                                            Strategie könne so in greifbare Nähe rü-
                                                                                                                            cken. Gleichzeitig könne es gelingen, die
                                                                                                                            externen Kosten des chemischen Pflan-
                            Deutlich weniger Pestizide durch Pestizidabgabe
                                                                                                                            zenschutzes zu mindern, ob sie nun der
    Wirkstoffabsatz in Frankreich, Deutschland, Dänemark und Schweden                                                       Wasserwirtschaft, der Umwelt oder dem
                                                                                                                            Gesundheitssystem entstehen. Zudem
                        4                                                                                                   stünden durch die Pestizidabgabe erheb-
                                                                                Frankreich                                  liche Finanzmittel bereit, um pestizidfreie
                                                                                                                            Anbauverfahren in der Landwirtschaft zu
                                                                                                                            unterstützen. Die Abgabe wäre ein wich-
                        3                                                                                                   tiger Baustein der dringend nötigen und
    Wirkstoff (kg/ha)

                                                                               Deutschland                                  geforderten Agrarwende.
                                                                                                                               Der Blick nach Dänemark übrigens
                        2                                                                                                   zeige, dass sich die Erträge durch die dor-
                                                                                                                            tige Pestizidabgabe nicht verringert haben,
                                                                                                                            darauf wies die Greenpeace-Sprecherin
                                                                                Dänemark                                    bei der Studienvorstellung hin. Eine Studie
                        1
                                                                                                                            aus Frankreich kommt zu ähnlichen Er-
                                                                                                                                                                           FOTO: IMAGO

                                                                                Schweden                                    gebnissen.
                                                                                                                            Die Studie des Helmholtz-Zentrums hier:
                        0                                                                                                   www.kurzelinks.de/ufz-pestizidabgabe
                             2011          2012    2013       2014      2015       2016        2017          2018
    QUELLE: HELMHOLTZ-ZENTRUM FÜR UMWELTFORSCHUNG NACH DATEN VON EUROSTAT                             bioland-Fachmagazin

8                       bioland   ApRIL 2021
50 JAHRE BIOLAND Werte, Wachstum, Wünsche - Striegeln, was das Zeug hält Weide ans Klima angepasst
April 2021

                                    AUS DEM BÖLW
                                            Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft

Der Öko-Wahlomat
BÖLW-Jahrestagung im Superwahljahr

M      it den ersten Landtagswahlen in Baden-
       Württemberg und Rheinland-Pfalz wurde
klar: Die Bürgerinnen und Bürger setzen weniger
                                                                                                                   machen? Wie die Le-
                                                                                                                  bensmittelwirtschaft
                                                                                                                  insgesamt auf ein nach-
auf Populisten, und: Umwelt- oder Klimaschutz                                                                     haltiges Gleis setzen?
sind keine Nebensache – auch in Krisenzeiten. Bis                                                                 Das wollen wir von Ver-
zur Bundestagswahl im September bleibt es span-                                                                   treterinnen und Vertre-
nend, welche Themen den Menschen wichtig sind                                                                    tern von Union, SPD,
und wo sie entsprechend ihr Kreuzchen machen                                                                     FDP, Die Linke, Bünd-
werden. Klar ist: An Landwirtschaft und Ernäh-                                                                   nis 90/Die Grünen wis-
rung kommt keine Partei mehr vorbei, das zeigen                                                                  sen. Wir wollen deshalb
in den vergangenen Jahren Themen wie Glyphosat,                                                                  gemeinsam mit gesell-
Schlachthofskandal, Agro-Gentechnik oder die Volksbegehren             schaftlichen Akteuren und mit Ihnen auf der BÖLW-Jahrestagung
für Artenvielfalt deutlich. Doch mit welchen Programmen wollen         2021 im Superwahljahr diskutieren.
die Parteien in der kommenden Legislaturperiode die Agrar- und         Die Tagung „Öko-Wahlomat:Was tun Parteien für eine nachhaltige
Umweltkrise beantworten? Wie wollen diejenigen, die das Volk           Agrar- und Wirtschaftspolitik?“ startet am 19. Mai um 16.30 Uhr
nach der Wahl vertreten, die Bäuerinnen und Bauern zukunftsfit         digital. Anmeldung unter: www.boelw.de/jahrestagung21

Wie steht es eigentlich …
… um die neue Öko-Verordnung?

A     nfang des Jahres wurde es rechtskräf-
      tig: Der Starttermin des neuen Bio-
Rechts der EU wird um ein Jahr verscho-
                                                dem Abschluss. Ebenso weitgehend aus-
                                                gehandelt: Die Listen zu den im Ökoland-
                                                bau erlaubten Betriebsmitteln, in vielen
                                                                                              Demnach dürfen sich künftig bis zu 2.000
                                                                                              Mitglieder einer Kooperative für eine Zer-
                                                                                              tifizierung zusammenschließen. Aktuell
ben, damit haben sich auch die zugehörigen      Bereichen wurde der derzeitige Stand          verhandelt werden auch die künftigen Re-
Übergangsfristen, etwa bei der Tierhaltung      übernommen. Festgelegt wurden auch            geln für das Bio-Zertifikat.
und Fütterung oder für die Regeln zur           neue Dokumentationspflichten für Betriebe         Ein weiterer Schwerpunkt der Verhand-
Aquakultur, entsprechend verlängert. Dies       und Unternehmen. Sie sind weiterhin recht     lungen sind Bio-Importe und die Frage,
ist ein wichtiger Meilenstein unserer Arbeit,   umfangreich und betreffen vor allem die       wie die Anerkennung und Überwachung
das neue Bio-Recht wird nun ab dem              Landwirtschaft.                               von Bio-Kontrollstellen im Ausland erfol-
1. Januar 2022 gelten.                             Fast abgeschlossen sind Arbeiten an den    gen soll. Diese und weitere Themen füllen
    Unterdessen läuft die Arbeit an den         neuen Bio-Kontrollregeln. Darin enthalten     die Brüsseler Agenda zum Bio-Recht. Be-
neuen Regeln unter Hochdruck weiter. Bei        sind die Details zum Umgang mit Ver-          teiligt sind die Kommission und die Mit-
den Produktionsregeln ist vieles erledigt,      dachtsfällen – also, ob Bio-Regeln verletzt   gliedstaaten. In Berlin arbeiten die Verant-
folgende Rechtsakte konnten fertiggestellt      wurden und in welchem Fall eine vertiefte     wortlichen gleichzeitig an der deutschen
werden: Kriterien und Verfahren in Kata-        Untersuchung erfolgen muss. Es wurde die      Umsetzung des neuen Bio-Rechts im Rah-
strophensituationen wie großer Trocken-         rechtliche Basis dafür geschaffen, dass bei   men des Ökolandbaubaugesetzes. Ärgerlich
heit, Umgang mit Pflanzenvermehrungs-           erheblichen Verstößen überall in Europa in    ist, dass die Vorlage, die das Bundeskabinett
material, Nutzung von Umstellungsfutter,        gleicher Weise Sanktionen ausgesprochen       auf Initiative des BMEL Anfang Februar
Vorgaben zu Saatgutmischungen und               werden. Neu hinzugekommen sind ergän-         verabschiedet hat, die Rückmeldungen der
Regeln für Sprossen und Chicorée. Der           zende Regeln zur Gruppenzertifizierung,       Bundesländer und der Verbände kaum be-
Rechtsakt zum Umgang mit ökologischem,          die besonders für Kleinbauernkooperativen     rücksichtigt. Aktuell beginnen die Bera-
heterogenem Zuchtmaterial steht kurz vor        in den Ländern des Südens bedeutsam sind.     tungen des Gesetzes im Bundestag.

                                                                                                                         ApRIL 2021   bioland   9
50 JAHRE BIOLAND Werte, Wachstum, Wünsche - Striegeln, was das Zeug hält Weide ans Klima angepasst
TITELTHEMA: 50 Jahre Bioland

                                             Der Treffler-Striegel war
                              eine kleine Revolution für den Ackerbau im Betrieb von
                                         Manfred (links) und Stefan Weller.

       BESTÄNDIGER       FORTSCHRITT
                                                                                       FOTOS: KAREN KÖHLER, OLAF TAMM (2)

         Bioland-Betriebe im Wandel der Zeit

10     bioland   ApRIL 2021
Der Biolandhof Sandrock wurde
                                                          1967 in Reichensachsen bei Kassel errichtet und wird seit
                                                             1975 nach den Bioland-Richtlinien bewirtschaftet.

AUTORIN, AUTOR:
Annegret Grafen,
Niklas Wawrzyniak

DARUM GEHT’S:
Manche Bioland-Betriebe waren
fast von Anfang an dabei. Wie sich
die Höfe der Familien Sandrock und
Weller seither verändert haben.

W
            enn man Gita Sandrock beim
            Erzählen zuhört, wird man
            selbst ganz ruhig. Es ist die Mi-
schung aus Gelassenheit, die sie ausstrahlt
– dass schon alles gut ist, wie es ist – und
aus Veränderungswillen, es immer noch                                                               Gita Sandrock führt den
ein bisschen besser zu machen. Dazwi-                                                               Legehennenbetrieb seit 2004
schen liegt eine Konstanz, eine Verwurze-                                                           mit Gelassenheit und Weitblick.
lung, die der Biolandhof Sandrock in
Reichensachsen/Wehretal und seine Men-
schen verströmen. Die Menschen, das                                                                mehr zwischen dem Aussäen und dem
sind Mutter Cornelia, Gita und Heiko mit                                                           Ernten. Der Roggenschlag ist Anfang
ihren drei Töchtern Lea, Ella und Maila.                                                          März lückenlos von Ackerwildkräutern
Ein halber Mitarbeiter kümmert sich um                                                            im Rosettenstadium bewachsen. Kultur
den Ackerbau, Heiko arbeitet als Bauin-                                                           und Begleitflora gedeihen in Koexistenz
genieur extern.                                                                                   und erhöhen die Biodiversität in der Flä-
   Der Bioland-Betrieb liegt alleingele-                                                          che enorm.
gen am leichten Hang, angesiedelt 1967
von Gitas Großeltern. Die Gebäude –                                                               „Ich wollte gar nichts
Flachbauten, weiß gestrichener Klinker,                                                           ändern“
verzinkte Silos, aufgesatteltes Wohn-                                                            Gita hat bis 2004 in Bonn studiert und
stockwerk – und der mit grauen Knochen-                                                          dann den Betrieb übernommen. „Dann
steinen gepflasterte Hof erinnern eher an       Und Gita: „Mein Vater war ein Einzelgän-        habe ich mit Bioland-Berater Jan Gröner
ein auf Effizienz ausgelegtes Verarbeitungs-    ger.“ Er sei aber genauso ein Menschen-         eine betriebliche Standortbestimmung ge-
unternehmen als an einen bio-landwirt-          freund gewesen, zeigte gerne den Bio-           macht. Viele, die einen Betrieb überneh-
schaftlichen Betrieb.                           Betrieb vor.                                    men, wollen alles neu machen. Ich fand es
                                                    Herbert und Cornelia haben den Be-          aber gut, wie es läuft und wollte gar nichts
„Wir haben uns oft mit                          trieb am 4. Februar 1975 nach den Vorga-        ändern.“
Gleichgesinnten getroffen“                      ben des Fördervereins Ökologischer Land-           Gitas Großeltern haben damals drei
Wie das Haus, so die Menschen. Hier wird        bau umgestellt. Erstmal wurde nur der           Ställe für Legehennen gebaut, konventio-
gewirtschaftet. Nicht weniger aber gelebt,      Acker umgestellt, rund 50 Hektar, einen         nell, für 8.000 Tiere. Als ihre Eltern 1985
die Menschen sind zentral, die Arbeit passt     Umstellungsplan gab es nicht, keine Öko-        die Hühner auf Bioland umgestellt haben,
sich an. „Wir haben gerne gearbeitet, es        Prämien. Man hat sich mit zwei, drei Be-        hatten sie noch drei Mal 800. Seit 2002
hat Spaß gemacht! Und haben unser               trieben aus Hessen überlegt, etwas anders       mischt Gita Sandrock das Futter mit zwei
Drumherum versucht so zu gestalten, dass
wir uns wohlfühlen und dass wir da gerne
sind.“ Das sagt Cornelia Sandrock, Jahr-
gang 1945, Witwe von Herbert Sandrock.
                                                „Ich habe die Sorge, dass der Gedanke irgendwann
Sie führt den Hofladen, der 2004 einge-         abhanden kommt, warum der Verband gegründet
richtet wurde, mit Begeisterung. Dort gibt
es Eier, Geflügelfleisch und Kartoffeln vom
                                                wurde“                                        Gita Sandrock
Hof und ein Naturkostvollsortiment von
Naturkost Elkershausen.
   Der Bio-Gedanke kam Sandrocks für            zu machen und sich intensiver ausge-            anderen Kollegen zusammen selbst. 2005
den Garten. Und weil das gut ging, haben        tauscht als vielleicht heute. Heute ruft man    musste ein Grünauslauf für die Hühner
sie ihn auch im Feld umgesetzt. „Wir ha-        den Berater an. Die ersten fünf Jahre waren     her, so wollten es die Bioland-Richtlinien.
ben uns oft in den Familien von Gleichge-       richtig hart, „die Felder sahen aus wie         „Das war einschneidend. Deshalb mussten
sinnten getroffen und den Dr. Müller auf        Hulle, voll Unkraut.“ Den Hackstriegel          wir einen Stall aufgeben“, erklärt die Hüh-
dem Möschberg in der Schweiz besucht“,          musste man erst einsetzen lernen. Aber          nerhalterin. Es waren dann weniger Hüh-
erzählt die Hofälteste, Cornelia Sandrock.      heute striegeln Sandrocks bewusst nicht         ner in zwei Ställen. 2012 wurden die beiden

                                                                                                                             ApRIL 2021   bioland   11
TITELTHEMA: 50 Jahre Bioland

       Ställe so umgebaut, dass wieder genauso         Es ändert sich einiges um sie herum, sodass
       viele Hühner hineinpassten, 2.230 Loh-          sie sich neu positionieren muss. „Das ist
       mann Klassik, „das reicht und passt perfekt     nicht schlimm, aber ich stehe jetzt ein biss-
       zum Ackerbau.“ Der Ackerbau ist 2016            chen bei Null und fange an zu überlegen.“
       um 20 Hektar Pachtfläche gewachsen, seit-       Die Geflügelhaltung bei Bioland ist stark
       dem ein Bioland-Kollege im Nachbarort           reguliert, das sei aber in Ordnung. „Wir
       aufgehört hat.                                  sind so viele bei Bioland, da kann man sich
                                                       nicht mehr darauf verlassen, dass alle in
       „Wir sind so viele                              die gleiche Richtung denken“, sagt Gita
       bei Bioland“                                    Sandrock.
       Doch auch die Zukunft hält Herausforde-
       rungen bereit. Die Landwirtin überlegt,         „Ich kann mir nichts
       noch einen anderen Eiweißträger anzubau-        Schöneres vorstellen“
       en, zum Beispiel Lein. „Noch nicht soweit       Dass man sich noch reihum am Küchen-
       bin ich mit den Zweinutzungstieren. Dazu        tisch trifft, geht mittlerweile schlecht. Trotz-
       müsste ich den Stall umbauen und den            dem sei es ganz wichtig, dass diese
       Tierbesatz halbieren.“ Und weil auch die        Gemeinschaft praktiziert wird, in den
       Junghennen jetzt Grünauslauf brauchen,          Gruppentreffen und den Seminaren. „Ich
       hören viele Aufzüchter offensichtlich auf.      habe die Sorge, dass der Gedanke, warum
                                                       der Verband gegründet wurde oder man
                                                       die Dinge anders machen muss als die
                                                       anderen, irgendwann abhandenkommt“,
                                                       sorgt sich die Bioland-Landwirtin.
                                                           Im Großen und Ganzen hat sich der

                                                                                                          F
                                                       Betrieb dann aber nicht so stark verändert,                rüher“, so erinnert sich Manfred
                                                       meint Gita Sandrock. Doch besser könne                     Weller, hing beim Bioland-Vorreiter
                                                       man es immer noch machen: klimafreund-                     Ernst Weichel eine Karte im Büro.
                                                       licher, artenreicher. Und wer übernimmt            Dort waren die ersten Bioland-Betriebe
                                                       einmal den Betrieb? Lea, die Älteste der           mit Punkten markiert, darüber stand „Die
                                                       jungen Generation, kann es sich schon gut          Saat ist gesät“. Heute, sagt der Bioland-
                                                       vorstellen: „Ich helfe immer mehr bei den          Landwirt zufrieden, ist die Saat aufgegan-
                                                       Hühnern mit und frage immer mehr. Also,            gen und hat gute Erträge geliefert.
                                                       eigentlich kann ich mir nichts Schöneres              Manfred Weller ist dem Verband 1981
                                                       vorstellen.“                                       beigetreten. Der elterliche Betrieb in Fran-
                                                                                                          ken bewirtschaftete 17 Hektar, Raps und
                                                                                                          Zuckerrüben waren neben dem Getreide
                                                     Cornelia Sandrock stellte den Betrieb mit ihrem      die tragenden Früchte. „Ein stinknormaler
                                                     Mann Herbert um. Sie führt den Hofladen.             Betrieb für die Region“, sagt Weller. Und
                                                                                                          heute? „Sind wir immer noch ein stinknor-
                                                                                                          maler Betrieb ohne Viehhaltung“, ergänzt
                                                                                                          Stefan Weller, der Hofnachfolger. Die Zu-
                                                                                                          ckerrüben wurden durch Kartoffeln ersetzt,
                                                                                                          vor ein paar Jahren sind Kürbiskerne als
                                                                                                          lukrative Frucht hinzugekommen. Der
                                                                                                          Betrieb umfasst heute knapp 30 Hektar
                                                                                                          und wird im Nebenerwerb geführt.
                                                                                                             „Einen Betrieb ohne Vieh umzustellen,
                                                                                                          passte damals überhaupt nicht ins Kon-
                                                                                                          zept“, erinnert sich Weller Senior. Deshalb
                                                                                                                                                         FOTOS: OLAF TAMM (2), KAREN KÖHLER (3)

                                                                                                          hat er sich viele Gedanken über die Frucht-
                                                                                                          folge gemacht. Zunächst wurden Acker-
                                                                                                          bohnen und Erbsen als Fruchtfolgeglied
                                                                                                          etabliert, zudem kam auf jeden Acker eine
                                                                                                          Untersaat oder Zwischenfrucht. Das Sys-
                                                                                                          tem wurde zu einer Grünbrache mit Grob-
                      Die Hühner waren und sind                                                           leguminosen und nichtlegumen Partnern
                      zentral auf dem Biolandhof                                                          weiterentwickelt. „Wir bauen die Grün-
                      Sandrock.                                                                           brache wie eine Hauptkultur mit einer
                                                                                                          richtigen Saatbettvorbereitung an“, erzählt
                                                                                                          der Landwirt. Dieser Schritt habe den

12     bioland   ApRIL 2021
Boden bedeckt. Vor Jahren schon hat
                                                                                              Manfred Weller das Pflug-Mulch-System
                                                                                              entwickelt, der zugehörige Schlegelhäcksler
                                                                                              steht in der Halle.
                                                                                              „Offener in Punkten, die
                                                                                              früher verpönt waren“
                                                                                              Wie hätten Vater und Sohn einem interes-
                                                                                              sierten Landwirt den Ökolandbau erklärt,
                                                                                              früher und heute? „Ich hätte gesagt, dass
                                                                                              wir ein anderes Düngesystem haben, dass
                                                                                              wir das Bodenleben düngen und das stellt
                                                             Wie vor 50 Jahren sieht der      der Pflanze dann alles Notwendige zur Ver-
                                                             Bioland-Hof Weller auch heute    fügung“, meint Manfred Weller. „Das brau-
                                                             noch aus – ein dreihundert       chen wir, weil wir keinen Pflanzenschutz
                                                             Jahre altes Fachwerkhaus im      haben. Wir müssen das System Boden auf-
                                                             Ortskern von Büchenbach,         bauen, um gesunde Pflanzen zu haben.“
                                                             einem Vorort von Erlangen.
                                                                                                  „Die Bodenernährung ist auch heute
                                                             Stefan Weller ist der            wichtig, aber man würde viel technischer
                                                             Hofnachfolger.                   argumentieren“, erwidert Stefan Weller.
                                                                                              „Das Unkrautthema würde schnell kom-
                                                                                              men. Bodenernährung ja, aber man muss
Ackerbau wesentlich vorangebracht, „das         Phosphat in den Mangel gewirtschaftet         den Boden trotzdem in Form von Frucht-
System ist viel runder geworden“. Auch          haben. „Das würde man heute nicht mehr        folgen und Nährstoffversorgung unterstüt-
dem Sohn ist die intensive Bodenbearbei-        so machen.“                                   zen. Da ist die heutige Generation einfach
tung wichtig: „Wir pflügen teilweise ein- bis      Heute steht das „Nährstoffdenken“ ne-      offener in Punkten, die vor 40 Jahren viel-
zweimal im Jahr flach zur Hauptsaat.“           ben der Technik ganz im Vordergrund,          leicht noch verschrien waren.“
    Eine kleine Revolution im Betrieb war       Fragen zur Bodenfruchtbarkeit und zum
die Anschaffung eines Treffler-Striegels vor
drei Jahren. „Wir haben das Getreide ja
immer gehackt“, erzählt Stefan Weller. Sein
Vater war ein Vorreiter des Getreidehackens     „Man muss den Boden                                    Tropfbewässerung
                                                                                                           vom Profi
und hat das Verfahren als Berater auf vielen
Betrieben verbreitet. Das Getreide blind-
                                                trotzdem in Form von                                   www.saelens.de
striegeln zu können hat den Anbau wesent-       Fruchtfolgen und
lich verändert. Die wirklichen Innovationen
im Ackerbau, die stünden aber noch aus,
                                                Nährstoffversorgung
um mit der Trockenheit zurechtzukommen.         unterstützen“    Stefan Weller
Der Regen fehlt zur Zeit des Wachstums,
die Vegetationszeit ist kürzer geworden,                                                                                        T-Tape
„heute ernten wir das Getreide vier Wochen
früher als zu der Zeit, als ich angefangen      Humus würden nur noch selten gestellt.
habe“, sagt Stefan Weller.                      „Das ist dann unsere Aufgabe als Berater,
                                                dies anzusprechen“, sagt der Landwirt.
„Früher hattest du nur                          Sein Sohn begrüßt die neue Haltung: „Die
Überzeugte“                                     neuen Betriebsleiter sind in ihrer Denk-              D5000 PC
Beide, Vater wie Sohn, sind und waren ne-       weise moderner und sehr technikaffin.“
ben der Bewirtschaftung des eigenen Be-         Nicht bei dem stehenbleiben, was man vor
triebs auch als Berater tätig. Wie hat sich     20 Jahren gelernt hat, auf Forschung und
der Beratungsbedarf in den vergangenen          Wissenschaft zu hören, ist für ihn Voraus-
Jahrzehnten verändert? „Früher hattest du       setzung erfolgreichen Wirtschaftens.
nur Überzeugte“, sagt Manfred Weller. In           Neue Beratungsinhalte sind hinzuge-                                        HydroPC
erster Linie an die Betriebswirtschaft zu       kommen: „Wie kühlen wir den Boden?“,
denken, war verpönt. Die frühen Bio-            fragt Weller, „wie gelingt eine durchgehen-
Landwirte haben sich für den Boden inte-        de Bodenbedeckung?“ In diesem Jahr sol-                   Rivulis
ressiert das „Nährstoffdenken war nicht         len Einsaaten in den Reihenkulturen er-                   I r r i gati on
da“. Ein Grund, warum damals viele              probt werden, zum Beispiel ein Mikroklee
Ackerbauern Nährstoffe wie Kali und             im Kürbis, der nicht hoch wird, aber den
TITELTHEMA: 50 Jahre Bioland

       SCHON IMMER AM PULS DER ZEIT
                    Weggefährten von Bioland gratulieren
       DARUM GEHT’S:                                                              Ihr bezeichnet euch selbst als eine treibende Kraft für die
       Zum 50. Jubiläum von Bioland kommen Menschen zu                        Landwirtschaft der Zukunft – und könnt stolz darauf sein, dass
       Wort, die sich wie der Verband und gemeinsam mit ihm                   ihr das in der Praxis lebt und euch politisch dafür stark macht.
       schon lange für den ökologischen Landbau in Deutsch-                   Herzlichen Glückwunsch zu euer aller Bio-Lebenswerk – auf die
       land engagieren.                                                       nächsten 50 Jahre.
                                                                              Dr. Felix Prinz zu Löwenstein ist Naturland-Landwirt und enga-
                                                                              giert sich seit Jahrzehnten politisch für den Ökolandbau. Seit 2002
       „Zukunft findet bei Bioland                                            ist er Vorsitzender des Bund für Ökologische Lebensmittelwirtschaft
                                                                              (BÖLW).

       längst statt“
                                                                              „Jedes Mitglied setzt eine
      W        er erst 50 Jahre jung
               ist, bleibt sichtlich
       innovativ, kraftvoll, politisch                                        politische Agenda“
       engagiert und kämpferisch.
       Hat aber auch schon viel
       Erfahrung. Und während
       alle über die Zukunft reden,
                                                                              M      ehr als 8.000 Betriebe wirtschaften mittlerweile nach den
                                                                                     Standards von Bioland: Gratulation zu diesem großartigen
                                                                              Erfolg! Das Bioland-Siegel ist bekannt bei Bürgern und Bürge-
       machen die vielen tausend                                              rinnen, es steht für ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Das ist
       Bioland-Betriebe längst die                                            hart erarbeitet und wohl verdient. Alle Bäuerinnen und Bauern,
       Zukunft. Und zwar schon                                                die sich für den Umstieg auf den Ökolandbau entscheiden, ent-
       seit 1971.                                                             scheiden sich damit für eine ökologischere und gerechtere Welt.
           Während Klimakrise,                                                Sie verdienen die Anerkennung der gesamten Gesellschaft.
       Zerstörung der Artenvielfalt                                              Wer einem Verband wie Bioland beitritt, geht sogar noch einen
       oder Schädigung der Bo-                                                Schritt weiter. Nicht nur, weil er die besonderen Anforderungen
       denfruchtbarkeit immer                                                 an die Bewirtschaftung erfüllt, es steckt darin ein bürgerschaftli-
       mehr Sorgen machen, zeigt                  Felix Prinz zu Löwenstein   ches Engagement. Die großen Räder, allen voran die Gemeinsa-
       jeder Hektar, den Bioland-                                             me Agrarpolitik, lassen sich nur dann bewegen, wenn die Betrof-
       Bauern, -Gärtnerinnen,                                                 fenen ihre Stimme erheben. Jedes Mitglied von Bioland hilft also
       -Imkerinnen oder -Winzer                                               mit, dass nicht nur die alten Stimmen der Agrarindustrie vernom-
       bewirtschaften, dass es anders geht. Die Betriebe und ihre Part-       men werden, sondern auch das Leitbild einer nachhaltigen
       ner in Herstellung und Handel beweisen, dass Öko eine Alterna-         Agrarpolitik. Jedes Mitglied ist ein agrarpolitisches Agenda-Setting!
       tive ist, die schon längst funktioniert. Und diese Alternative funk-      Die Gründe für Bio werden immer wichtiger: Hunger und
       tioniert vor allem auch deshalb, weil tausende Bioland-Bauern in       Mangelernährung, Klimakrise und Verlust von Artenvielfalt,
       den vergangenen fünf Dekaden mit viel Innovationsgeist immer
       weiter erprobt haben, wie man etwa seine Pflanzen ökologisch
       gesund hält – von den Pionieren, die Bioland 1971 aus der Taufe
       gehoben haben, bis hin zu den ganz jungen Bäuerinnen und
       Bauern und Start-ups, die die deutsche Lebensmittelszene mit
       ihren Produkten in großer Vielfalt bereichern.
                                                                                                                                                      FOTOS: BÖLW, LAURENCE CHAPERON, SONJA RODE

           Die Zukunft findet bei Bioland längst statt: Digitalisierung?
       Für euch nichts wirklich Neues, sondern integrativer Bestandteil
       eines Systems, das ganzheitlich innerhalb der Belastungsgrenzen          Renate Künast
       unseres Planeten wirtschaftet. Tierwohl? Entwickelt ihr ständig
       weiter. Öko-Regeln? Darum kümmern sich eure Experten auf
       EU-Ebene beim europäischen Bio-Recht und im eigenen Verband.
       Denn zur nachhaltigen Zukunft gehört eben auch, am Puls der
       Zeit auf alle Instrumente, Techniken und Methoden von Frucht-
       folge bis Feldroboter zu setzen. Mit eurem Handeln sorgt ihr
       dafür, dass sich immer mehr Praktiker und Kundinnen für Bio
       entscheiden. Und Multiplikatoren am gelebten Beispiel sehen,
       dass es die ökologische Alternative in Landwirtschaft und Ernäh-
       rung längst gibt.

14     bioland   ApRIL 2021
Marktkonzentration und neue Techniken. Die Welt wird sich nur           die großen ökologi-
ökologisch ernähren können. Deshalb brauchen wir eine neue              schen Krisen. Es ist
europäische und nationale Agrarpolitik. Eine der wichtigsten            absehbar, dass der
Lehren aus der Pandemie ist zudem: Die Ausbeutung von Mensch            heutige Vorsprung
und Natur muss beendet werden. Der ökologische Landbau                  des Ökolandbaus
leistet hierfür den entscheidenden Beitrag.                             künftig nicht reichen
    Das Ziel von 25 Prozent Ökolandbau, wie es etwa der Green           wird, den genannten
Deal und die Farm-to-Fork-Strategie vorsehen, erreichen wir nur,        Krisen zu begegnen.
wenn der Ökolandbau neben starker Interessenvertretung jungen           Das bedeutet, dass
Menschen Lust auf eine Zukunft in der Landwirtschaft macht.             sich auch der Bio-
Die konkrete Beratung im Alltag, der vertrauliche Austausch und         landbau mächtig
das Gespräch unter vier Augen sind unbezahlbar. Deshalb ein             anstrengen muss,
großes Danke an all die vielen Menschen, die in unterschiedlicher       besser zu werden: in
Form jeden Tag für Bioland aktiv sind!                                  der Energieeffizienz,
Renate Künast war von 2001 bis 2005 die erste und bisher einzige        beim Ressourcen-
grüne Bundeslandwirtschaftsministerin. Sie leitete 2001 die             und Naturschutz
„Agrarwende“ ein und setzte damals schon das Ziel 20 Prozent            und beim Tierwohl.                                          Jürgen Heß
Ökolandbau.                                                             Das wird nur mit
                                                                        großer Anstrengung
                                                                        gelingen, und zwar

„Praktiker laden die Wissenschaft                                       in enger Kooperation von Bauern und Bäuerinnen, Beratung und
                                                                        Forschung.

zur Kooperation ein“                                                    Prof. Dr. Jürgen Heß leitet das Fachgebiet Ökologischer Land- &
                                                                        Pflanzenbau an der Universität Kassel. Zum Ökolandbau kam er
                                                                        im Studium, das Thema seiner Dissertation verdankt er Gesprächen

Z    ur Gründungszeit von Bioland war die Praxis des Biolandbaus
     auf sich allein gestellt. Unter den Betrieben gab es einen regen
Austausch von Erfahrungswissen, Pionierbetriebe entwickelten
                                                                        mit Bioland-Landwirt Uwe Deckert, Anfang der 80er Jahre.

Konzepte und Ideen, zunächst allerdings weitgehend ohne
Unterstützung durch Wissenschaft, Beratung und Politik.
   Gleichwohl, mit der Verbandsgründung von Bioland haben
sich Bauern und Bäuerinnen auf den Weg gemacht, ihre Wirt-
schaftsweise weiterzuentwickeln. Dabei waren von Anfang an
Innovationen Teil der DNA des Biolandbaus. Nur Innovationen
– technische und Verfahrensinnovationen – können helfen, die
gesetzten Restriktionen zu meistern. Ab den 1980er Jahren öff-
neten sich die Hochschulen langsam, aber zunehmend für den
Biolandbau, so dass zunehmend wichtige Fragen gemeinsam
erforscht werden konnten. Ende der 1980er Jahre ging es unter
anderem um die Frage, wie der legume Stickstoff gemanagt wer-
                                                                               Bio Öle seit über 25 Jahren
den kann. Bioland-Landwirte auf leichten Böden in Schleswig-                    Wir suchen Landwirte für den Anbau von BIOLAND Ölsaaten!
Holstein entwickelten das Konzept des „heilen Umbruchs“ von
Feldfutterleguminosen zur Vermeidung unproduktiver vorwin-
terlicher Stickstoffmineralisation. Bioland-Mitglieder entwickelten
den Mobilstall, um dem Eutrophierungsproblem in der Legehen-
                                                                                  VFI Oils for Life gratuliert
nenhaltung entgegenzuwirken. Diese Beispiele zeigen das Poten-
zial, das in der Praxis steckt. Sie lädt die Wissenschaft zur Ko-
                                                                                   Bioland zu 50 Jahren
operation ein.
   Auf bundespolitischer Ebene gelang mit dem Bundesprogramm
                                                                               erfolgreicher Bio Pionierarbeit!
Ökologischer Landbau (BÖL) Anfang der 2000er Jahre der
Durchbruch. Das Bundesprogramm setzt bis heute auf die Er-
kenntnis, dass in der Kooperation von Wissenschaft und Praxis
die Lösungsansätze der Zukunft liegen. Praxis und Beratung sind
in die Förderentscheidungen ebenso eingebunden wie in die
Umsetzung. Mit den Praxis-Forschungs-Netzwerken entstanden
neue Förderformate, in denen Praxis, Beratung und Wissenschaft
zielführend zusammenarbeiten.
   Heute, zu Beginn der 2020er Jahre, stehen wir alle vor neuen
Herausforderungen. Die planetaren Grenzen sind vielfach bereits
überschritten. Im Moment verdeckt die Pandemie den Blick auf

                                                                               vfi-oilsforlife.com             office.de@vfi-oilsforlife.com
TITELTHEMA: 50 Jahre Bioland

        „Die Marke lebt von unten“                                             „Von den Segnungen der
                                                                               Arbeit profitieren alle“
        L     iebes Bioland, nun kennen wir uns schon seit 35 Jahren.
              Anfänglich in Hessen, später im Bundesverband, Sitz in
        Göppingen. Du hast es mir nicht immer einfach gemacht. Mit
        deinen gewählten Vertretern lief es in der Vergangenheit nicht
        immer glatt, nicht alle deine Entscheidungen konnte ich nach-
                                                                               G     ut zwei Drittel der vergangenen 50 Jahre arbeiten Bioland
                                                                                     und Alnatura schon zusammen. Ohne Bio-Bauern gibt es
                                                                               keine Bio-Landwirt-
        vollziehen. Gerne betone ich Schwächen und Unzulänglichkeiten          schaft und keine
        des Ökolandbaus, auch bei Bioland. Nicht um den Verband zu             Bio-Lebensmittel.
        diskreditieren, sondern um ihn besser zu machen. Und ich bin           Ist das banal, eine
        auch mit anderen Öko-Verbänden befreundet, was du gelegentlich         „Binse“? Ich denke:
        als „Fremdgehen“ missinterpretiert hast.                               nein. Vielmehr han-
            Aber wie auch immer, jetzt wirst du 50 Jahre alt, und ich stelle   delt es sich um die
        fest: Ich habe dich immer noch lieb. Du hast es geschafft, dass        entscheidende Vor-
        die Marke Bioland „von unten lebt“, also von den Betrieben und         aussetzung und Tat-
        deren Bäuerinnen und Bauern. Und was mich besonders freut,             sache. Dies wird nur
        ist, dass diese Energie, dieses Leben schon über mehrere Gene-         allzu oft vergessen.
        rationen hält, teilweise schon in der dritten Generation. Längst           Deswegen stelle
        hat die Gründergeneration von Bioland die Betriebe in jüngere          ich meinen von Her-
        Hände gegeben. Nicht nur eine jüngere Generation auf den be-           zen ausgesproche-
        stehenden Bioland-Betrieben, auch einen starken Zuwachs hat            nen großen Dank an
        der Verband verkraftet. Der „Spirit“ ist weiterhin da, wenn man        die Bioland-Bauern
        auf Bioland-Betrieben ist. Es gab immer wieder Stimmen, die den        und -Bäuerinnen
        Öko-Verbänden eine begrenzte Überlebenszeit vorausgesagt               für ihre Arbeit an
        haben, weil durch gesetzliche Regelungen Bio doch eigentlich           den Anfang meiner
        ausreichend definiert wird. Genau das Gegenteil ist der Fall, wir      Ausführungen.
        brauchen privatrechtliches und zivilgesellschaftliches Engagement      Ohne heimische
        mehr denn je. Bio muss von den Verbraucherinnen, Landwirtin-           Bio-Bauern, die täg-                                 Götz Rehn
        nen und engagierten Verarbeitern definiert werden, nicht vom           lich hier bei uns im
        Staat. Bioland, warte weiter nicht auf den Staat, sondern bringe       Land an der Erde
        Bio voran, wie beispielsweise im Bereich Biodiversität. Dement-        arbeiten, könnten
        sprechend sage ich Bioland eine erfolgreiche Zukunft voraus und        wir hier nicht von den Segnungen ihrer Arbeit über die erzeugten
        bin gerne Teil davon.                                                  Früchte aus dem Stall und von den Feldern hinaus profitieren:
        Dr. Robert Hermanowski ist Geschäftsführer des FiBL Deutschland,       der Pflege des Bodens durch Fruchtfolge und organische Dün-
        seit 35 Jahren arbeitet er im und für den Ökolandbau, darunter         gung, der Arbeit am Aufbau des Bodenhumusgehaltes für mehr
        einige Jahre auch bei Bioland.                                         Klimaschutz durch Bindung des klimaschädlichen Gases CO₂,
                                                                               dem Schutz der Gewässer und des Grundwassers, dem Schutz
                                                                               und der Pflege der Biodiversität in unseren Agrarlandschaften.
                                                                                   Dankbar bin ich auch für weitere zentrale Tätigkeiten des
                                                                               Verbands. Einmal das Mitwirken an der politischen Meinungs-
                                                                               bildung durch hörbare Interessenvertretung für die Belange der
                                                                               Bio-Bäuerinnen und -Bauern, nicht zuletzt auch über die natio-
                                                                               nalen und internationalen Dachorganisationen BÖLW und
                                                                               IFOAM. Zum anderen – und da berühren sich die Tätigkeiten
     Robert Hermanowski                                                        von Bioland und Alnatura – die Vermittlung von Bedarf und
                                                                               Angebot von Bio-Produkten zwischen den landwirtschaftlichen
                                                                               Erzeugern und der abnehmenden Seite des Handels. Als Händler
                                                                               machen wir den Endkundinnen und -kunden diese Produkte
                                                                               zugänglich und wir informieren sie darüber. Alnatura bietet in
                                                                               seinen Märkten viele frische Produkte von regionalen Bioland-
                                                                               Höfen und -Bäckereien an. Viele Alnatura-Markenprodukte sind
                                                                               aus Bioland-Getreide hergestellt. Milchprodukte, Fleisch- und
                                                                                                                                                  FOTOS: FIBL, ANNIKA LIST

                                                                               Wurstwaren und viele, viele Eier erzeugen und verarbeiten von
                                                                               Bioland zertifizierte Unternehmen für Alnatura.
                                                                                   Für unsere stets konstruktive Zusammenarbeit danke ich dem
                                                                               Bioland-Verband, seinen Repräsentanten und allen Mitarbeiten-
                                                                               den sehr und freue mich auf unser weiteres gemeinsames Wirken.
                                                                               Prof. Dr. Götz Rehn gründete 1984 das Unternehmen Alnatura mit
                                                                               heute mehr als 130 Märkten in Deutschland.

16      bioland   ApRIL 2021
Sie können auch lesen