Amoklagen: Gute Vorbereitung als Grundlage professionellen Handelns - Edoweb
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Ministerium des Innern und für Sport 02.10 TiTelThema Amoklagen: Gute Vorbereitung als Grundlage professionellen Handelns KRimiNaliTÄT SOZialeS PKS vorgestellt: Musikgenuss in Erneut weniger Polch und Bingen Straftaten, hohe war auch Hilfe Aufklärungsquote für Erdbebenopfer
02 VORwORT · auS dem iNhalT Liebe Leserinnen und Leser, nachdem das vergangene Heft mit der Unfallsta- tistik etwas „verkehrslastig“ war, kommt nun die Kriminalitätsbekämpfung zu ihrem Recht. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist für die Redaktion keine „Pflichtübung“. Über die nackten Zahlen hi- naus beleuchten wir Tendenzen – erfreuliche und bedenkliche –, hinterfragen Ursachen und zeigen auf, wie die Polizei reagiert. 283.000 Straftaten bei einer Aufklärungsquote von 62,3 Prozent verdie- NaChRiChTeN PRÄVeNTiON nen Beachtung. Kein anderer Bereich der Polizei Einsatzmanagement optimieren: „Sieh hin!“ gegen Rechts: ist derart „interdisziplinär“ wie die Kriminalitätsbe- Unterlagen und Software prüfen ..Seite 04 Multiplikatoren werden gesucht ..Seite 20 kämpfung. An ihr haben alle Anteil: Schutzpolizei, Kripo, Wasserschutzpolizei und Dienstvorschrift Datenschutz: KRimiNaliTÄT Vorgängerin aus 2000 abgelöst ...Seite 05 Aquapol kontrolliert europaweit: Bepo. Zum Titelthema haben wir das Kontrolltag Geschwindigkeit: Rhein, Mosel, Main und Donau ....Seite 22 Phänomen Amok erklärt. Aus 74.000 Fahrzeuge gemessen ........Seite 07 PKS: Erneut weniger Straftaten: Aktualitätsgründen und weil es Aufklärungsquote 62 Prozent ......Seite 24 auf diesem Gebiet eine sehr dy- namische Entwicklung gibt. Da- TiTelThema GeSeTZGeBuNG Horst Schaefer Neues POG auf dem Weg: rüber zu berichten, ist in einem Mitarbeiter-Medium, das auch extern beachtet Kabinett billigt den Entwurf .........Seite 30 wird, nicht so einfach. Informativ und wahrhaftig sollen die Texte sein, aussagestark und illustrativ lieGeNSChaFTeN PI Germersheim übergeben: die Bilder. Jedoch: Polizeitaktische Aspekte müs- Moderne Dienststelle erbaut ........Seite 32 sen draußen bleiben. Die Redaktion hat sich diese Gratwanderung nicht leicht gemacht, Argumente abgewogen und jeden Einzelfall geprüft. Wir muss- ten zurückstecken. Das fällt schwer, ist aber alter- nativlos. Auf Kosten der Sicherheit gibt es keine Kompromisse. Amoklagen beherrschen: Natürlich haben wir neben den beiden „Großthe- Gute Vorbereitung unerlässlich ..Seite 08 men“ auch noch etwas Leichteres zu bieten. So gab es gleich zwei Benefizveranstaltungen der Polizei für die Erdbebenopfer in Haiti – beide ein iNTeRView Inspekteur Werner Blatt: großer Erfolg, nicht nur finanziell. Auch der erste Zusammenarbeit pflegen! ............Seite 14 Jakob-Steffan-Preis gegen Rechtsextremismus, für eine starke Demokratie ist ein Anlass, über den wir NaChwuChSweRBuNG SPORT gerne berichten – zumal uns die Verleihung im PP Girls´ Day 2010 war der Renner: Volleyball-Damen qualifiziert: Mainz ein Wiedersehen mit Minister a.D. Walter Polizei landesweit gefragt ............Seite 16 Tickets zur DPM in Hamburg ........Seite 34 Zuber bescherte. Er ist der Preisträger. Und wir holen nach, was im vorigen Heft den ÖFFeNTliChKeiTSaRBeiT PeRSONalieN ................Seite 39 „Sachzwängen“ geopfert wurde: den Sport. Ohne Musik genossen und geholfen: ihn fehlt etwas im Polizeikurier. Im Mittelpunkt ste- Benefizkonzerte für Haiti.....Seiten 19, 33 ONliNe-hiNweiSe .....Seite 40 hen die Ballsportarten. Da gibt es „Lachende“ und „Weinende“. Aber sehen Sie selbst. Impressum Elmar May/may Tel. (06131) 16 38 45 „Viel mehr können wir nicht tun“, hatte ich Ende Heinz Mertesacker/mer Tel. (06131) 16 37 11 Polizeikurier, Zeitschrift für die Polizei Anton Merz/ame Tel. (06131) 16 32 84 März an dieser Stelle geschrieben. Gemeint war des Landes Rheinland-Pfalz (Auflage: 4.500) Philipp Römer/pro Tel. (06131) 16 34 33 der kurze Nachruf auf Manuel Kopper. Ein biss- Herausgeber: Zuschriften bitte an: Ministerium des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz, Redaktion Polizeikurier, Ministerium des Innern und für Sport, chen mehr möchten wir indes schon noch tun: Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz, Fax (06131) 16 36 00, Gedankliche und fotografische Impressionen von Redaktion: E-Mail: ism.polizeikurier@ism.polizei.rlp.de Leitung: Horst Schaefer/hos Tel. (06131) 16 32 28 der Trauerfeier für den getöteten Kollegen lesen Chef vom Dienst: Rolf-Dieter Schulz/rds Tel. (06131) 16 33 47 Herstellung: Verlag Matthias Ess, Bleichstraße 25, 55543 Bad Kreuznach, Tel. (0671) 8 39 93-0, Fax (0671) 8 39 93 39 Sie auf Seite 38. Dr. Martina Baunack/mb Tel. (06131) 16 35 71 Mit Namen versehene Artikel müssen nicht immer mit der Roland Becker/rbe Tel. (06131) 16 36 80 Meinung des Herausgebers übereinstimmen. Friedel Durben/fdu Tel. (06131) 16 35 38 Christina Hahn/ch Tel. (06131) 16 37 56 Bildnachweis: Soweit nicht anders angegeben, sind sämtliche Mit herzlichen Grüßen, Dr. Stephan König/kö Tel. (06131) 16 34 35 Abbildungen Autoren- und Polizeifotos. Ihr Horst Schaefer Uwe Lederer/le Tel. (06131) 16 35 39 Titelbild: Roland Holtermann, LPS 02.10 Polizeikurier rlP
NaChRiChTeN 03 Wahrnehmung der Aufgaben auf den Autobahnen untersuchen Lkw-Verkehr wird sich bis 2050 verdoppeln – Arbeitsgruppe soll Möglichkeiten und Grenzen beleuchten Die Prognosen lassen keinen Zweifel an der Not- noch mehr gefordert, die sicherheitsrelevanten Vor- 6WhX]~iojc\YZg wenigkeit zu handeln: Bis zum Jahr 2050 rechnen schriften wie Lenk- und Ruhezeiten, Ladungssiche-
04 NaChRiChTeN Optimierung des polizeilichen Einsatzmanagements hat begonnen A- und E-Unterlagen werden neu gestaltet, Trainings eingeführt und neue Einsatzsoftware entwickelt Der Grundsatz ist eindeutig: „Einsätze sind für Sofort- und Zeitlagen vorzubereiten. Eine mo- derne Sicherheitsarbeit ist überdies ohne eine moderne technische Ausstattung nicht denk- bar.“ Insbesondere bei Sofortlagen in der frühen Phase müssen Planentscheidungen und Plan- unterlagen (AuE) einfach und handhabbar sein: „Weniger ist mehr.“ Unterstützt eine zeit- gemäße Software das Einsatzmanagement und sind Führungsverantwortliche aktuell trainiert, sind damit wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einsatzbewältigung geschaf- fen. Den Anspruch, sich ständig zu optimieren, muss eine Polizei an sich stellen! Die bestehenden Planentscheidungen und Planunterlagen sind fachlich gut und dienen in der Vorbereitung als praktische Nachschla- gewerke. Die Praktikabilität im konkreten Einsatzfall könnte aber verbessert werden. In Das Einsatzmanagement wird optimiert, die Leitstellensoftware „renoviert“, die A- und E-Unterlagen werden Sofortlagen tritt das zu bewältigende Ereignis neu strukturiert: In fünf Gruppen tauschten 50 führungsverantwortliche Funktionsträger Erfahrungen aus. schlagartig, unvorhergesehen und mit aller Macht ein. Die Erwartungshaltung an den Füh- Druck in der chaotischen Phase ist man nur deln nötig. Wie beim Schieß- und Einsatztrai- rungsverantwortlichen ist groß. Dem enormen schwer gewachsen. Da wird reflexartiges Han- ning sollten grundlegende Reaktionsmuster zur Strukturierung eines Einsatzes eintrainiert Entwicklungsschritte zur Optimierung werden. des polizeilichen Einsatzmanagements Eine Einsatzleit-Software, mit der nicht nur BAO- Lagen, sondern auch Alltags- und Fahndungsla- Einsatzleitsystem Planentscheidungen und Auswertung bestehender gen erfasst, gesteuert und koordiniert werden Planunterlagen/Training AuE-Unterlagen sowie können, soll dabei helfen. Die für die rheinland- Erhebung individueller pfälzische Polizei vor 15 Jahren programmierte Planentscheidungen Leitstellensoftware „ELIAS“ ist vor dem Hinter- AG „Optimels.P“ Workshop Projektstudie grund der schnellen technischen Entwicklung Status: abgeschlossen Status: durchgeführt Status: abgeschlossen mehr als nur „renovierungsbedürftig“. Das Innenministerium hat die Erfordernisse AG „Optimierung Einsatzmanagement“ erkannt und den Optimierungsprozess mit Vor dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse werden die einsatzführenden Stellen in einem Workshop eingeleitet: Mehr als 50 Kol- den Polizeibehörden anhand ausgewählter Einsatzlagen analysiert und hierauf basierend leginnen und Kollegen waren aufgerufen, eine Optimierungsvorschläge in taktischer und technischer Hinsicht erarbeitet. Neuausrichtung der Alarm- und Einsatzunter- lagen – zunächst beschränkt auf die Bewälti- Status: in Bearbeitung gung der 1. Phase in Sofortlagen – sowie die Leitung: PD Franz-Josef Brandt Voraussetzungen für ein wirkungsvolles Training zu untersuchen. In fünf Gruppen tauschten die führungsverantwortlichen Funktionsträger der EaVcZcihX]Z^YZYZg ×^b:^chVio &#E]VhZ^cHd[dgiaV\Zc/ Polizeibehörden und -einrichtungen ihre Erfah- [jc`i^dc^Zgi cjglVh :WZcZcheZo^[^hX] rungen und Vorstellungen aus. Z^c[VX]^hiÆ jcY]VcY]VWWVg :^chVio Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich einig: „Gut, dass das Thema angepackt IgV^c^c\h[g;]gjc\h" wird. Gut, dass man dabei auch uns fragt. kZgVcildgia^X]Z^c Hd[dgiaV\Zc`dcoZei^dcZaa Wir sind auf dem richtigen Weg.“ Die AG ×^b:^chVio ~]ca^X]YZbHX]^Z"jcY [jc`i^dc^Zgi :^chVioigV^c^c\ „Optimierung Einsatzmanagement“ erwar- cjglVh tet ein erstes Zwischenergebnis im zweiten igV^c^Zgi^hiÆ Halbjahr 2010. Der Polizeikurier wird darü- OZ^i\Zb~ZHd[ilVgZahjc\ [gYVh:^chViobVcV\ZbZci ber berichten. Thorsten Runkel, ISM 02.10 Polizeikurier rlP
NaChRiChTeN 05 Neue Dienstvereinbarung „Datenschutz und Datensicherheit“ Minister Karl Peter Bruch und HPR-Vorsitzender Ernst Scharbach haben Regelung aus 2000 abgelöst Eine neue Dienstvereinbarung „Datenschutz und Datensicherheit bei der Polizei Rheinland-Pfalz“ haben Innenminister Karl Peter Bruch und der Vor- sitzende des Hauptpersonalrats der Polizei, Ernst Scharbach, unterzeichnet. Die mit der Unterzeich- nung in Kraft getretene Dienstvereinbarung ersetzt die bisher geltende Rahmendienstanweisung aus dem Jahr 2000. Sie soll insbesondere dazu bei- tragen, technische und organisatorische Standards zur Gewährleistung eines einheitlichen Daten- schutz- und IT-Sicherheitsniveaus bei der Aufga- benwahrnehmung zu schaffen, die Verantwortung der Polizeibehörden und -ein- richtungen, der Vorgesetzten und jeder Anwen- Unterzeichneten die neue Dienstvereinbarung „Datenschutz und Datensicherheit bei der Polizei Rheinland- derin und jedes Anwenders für die Belange des Pfalz“: Innenminister Karl Peter Bruch und der Vorsitzende des Hauptpersonalrats der Polizei, Ernst Scharbach. Datenschutzes und der IT-Sicherheit zu verdeut- lichen, die Stellung der behördlichen Datenschutzbe- die Grundlagen für eine angemessene, funk- wahlverfahren für Protokolldaten einzuführen auftragten und der IT-Sicherheitsbeauftragten tionsgebundene Vergabe von Zugriffsrechten und dauerhaft zu gewährleisten. zu stärken, für alle datenverarbeitenden Bediensteten zu ein standardisiertes Antrags-, Prüf- und Freiga- schaffen und Die Dienstvereinbarung steht im Intrapol als beverfahren für die Erstellung neuer und die ein transparentes, an der Zweckbindung des „Thema des Monats“ und in der Rubrik „Daten- Änderung bestehender Verfahren zu erreichen, Landesdatenschutzgesetzes orientiertes Aus- schutz“ unter „DA/Regelungen/Richtlinien“. Landeskontrolltag: Jeder dritte Lastwagen war zu beanstanden Lenkzeiten, Ladungssicherung und technische Mängel an der Spitze – Aber auch Drogen am Lkw-Steuer 337 Fahrzeuge kontrollierten die eingesetzten Kräfte während des Landeskontrolltags für den gewerblichen Güter- und Personenverkehr Ende März. Bei einem Drittel der kontrollierten Lkw und Busse wurden technische Mängel festgestellt und geahndet. 23 Fahrer hatten ihre Ladung un- zureichend gesichert, 56 Fahrzeugführer hatten die Lenk- und Ruhezeiten nicht eingehalten. In 90 Fällen wurden Owi-Verfahren eingeleitet. Drei Lkw-Fahrer verhielten sich besonders auffäl- lig. Bei ihnen bestätigte sich der Anfangsverdacht der Beamten: Zwei Fahrer von Kleintransportern und der Fahrer eines 40-Tonners standen unter dem Einfluss von Drogen. Ihnen wurden Blutpro- ben entnommen und die Weiterfahrt untersagt. Ein mit 16 Tonnen Stahl beladener Lkw befuhr die Autobahn bei Ludwigshafen. Bei der Kontrolle Gefahrguttransporte stehen besonders im Fokus der Polizei. Übermüdung des Fahrers als Folge nicht eingehal- zeigte sich, dass drei Bremsscheiben gebrochen tener Ruhezeiten oder technische Mängel am Fahrzeug führen hier schnell zur Katastrophe. Foto: Archiv waren. Auch diese Fahrt war an der Kontrollstelle zu Ende. In der Zeit von 5 bis 17 Uhr hatten 149 Innenminister Karl Peter Bruch das Ergebnis. Im chung im gewerblichen Güter- und Personenver- Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte den ge- vergangenen Jahr hatten sich in Rheinland-Pfalz kehr ist. Die Polizei orientiert ihre Maßnahmen werblichen Güter- und Personenverkehr an zehn fast 16.000 Unfälle mit Lkw-Beteiligung ereig- dabei konsequent an den Hauptunfallursachen Autobahn-Kontrollstellen im Land überprüft. net. Dabei waren 49 Menschen getötet und 308 und den unfallrelevanten Zeiten“, sagte Bruch. „Die hohe Beanstandungsquote macht deutlich, schwer verletzt worden. „Diese Zahlen belegen, „Das macht unsere Verkehrssicherheitsarbeit wie notwendig diese Kontrollen sind“, bilanzierte wir wichtig die spezialisierte Verkehrsüberwa- so erfolgreich.“ (hos) Polizeikurier rlP 02.10
06 NaChRiChTeN Kollision: Gütermotorschiff rammt die Moselbrücke bei Longuich Havarist schwer beschädigt, Brücke vorübergehend gesperrt – WSP veranlasst technisches Gutachten Schwer beschädigt wurde der Kohlefrachter nach der Kollision in den Moselhafen Schweich Auch an der Brücke hatte die Kollision deutliche Spuren hinterlassen. Die gebracht. Beim Zusammenstoß mit der Brücke war das Ruderhaus fast vollständig abgerissen. Polizei sperrte die Straße, der Landesbetrieb Mobilität prüfte die Statik. Glück im Unglück hatte der Schiffsführer eines Gü- mand zu Schaden. Als Unfallursache ermittelte mittag nach eingehender Begutachtung durch den termotorschiffs auf der Mosel, als sein Fahrzeug die Wasserschutzpolizei Trier „menschliches Fehl- Landesbetrieb Mobilität wieder freigegeben. Der gegen 04 Uhr morgens bei voller Fahrt mit der verhalten“ während der nächtlichen Radarfahrt. Havarist wurde in den Hafen Schweich gebracht. Straßenbrücke Longuich im Kreis Trier-Saarburg In der Folge hatte das Schiff die Brücke an der Nach Absprache mit der Staatsanwaltschaft veran- kollidierte. Das Ruderhaus des deutschen Schiffes falschen Stelle unterquert. Angesichts der Schä- lasste die WSP ein technisches Gutachten. Der 172 wurde dabei vollständig zerstört; der Schiffsfüh- den an der Brücke zwischen Longuich und dem Meter lange Schubverband war mit 4000 Tonnen rer und die übrigen Besatzungsmitglieder blieben Autobahndreieck Moseltal wurde das Bauwerk für Steinkohle beladen auf dem Weg von Rotterdam indes unverletzt. Auch auf der Brücke kam nie- den Fahrzeugverkehr gesperrt und erst am Nach- nach Thionville. Fotos. WSP Trier Radar-Auswertung erleichtert Ermittlungen Polizei präsentiert Datenspeicher auslesen: Wenn´s auf Rhein oder Mosel gekracht hat, sich beim RLP-Tag hilft der „Radarpilot“ des WSPA bei der Unfallursachenforschung Landesfest in Neustadt a.d.W.: Information, Musik und Action tionssysteme für die Binnenschifffahrt. Herge- stellt wurde das Auswertesystem von einem Beim 27. Rheinland-Pfalz-Tag vom 11. bis Spezialentwickler für Navigationssysteme in 13. Juni in Neustadt a.d.W. präsentiert sich Kornwestheim. die Polizei einer breiten Öffentlichkeit. Bis zu ECDIS steht für Electronic Chart Display and In- 300.000 Besucher erleben beim Festzug das formation System. Entwickelt wurde es für die Polizeiorchester, die Inline-Skater der Bepo Navigation auf Binnenwasserstraßen. Auf einer und ein Polizeiboot mit Überraschung an elektronischen Flusskarte zeigt das System die Bord. Auf dem BOS-Gelände hinter der Poli- Uferlinien, die Lage der Fahrrinne, Radarton- zeidirektion informieren die Fachhochschule, nen, Brücken, Hochspannungsleitungen, Kilo- die Bereitschaftspolizei, die WSP und das meterschilder, Tafelzeichen und vieles mehr, LKA. Die ZPT zeigt Führungs- und Einsatzmit- was für die Schifffahrt unter Radar hilfreich ist. tel sowie den Digitalfunk, die Verkehrsdirek- Über eine Schnittstelle des Radargerätes wird tion den ersten Funkstreifenwagen, der auch Das Auswertesystem „Radarpilot 720“ macht die das aktuelle Radarbild „abgegriffen“ und in die „blitzen“ kann. Das Verkehrs-Simo ist mit Schiffsbewegungen nachvollziehbar, die einer Flusskarte eingeblendet. Anschließend werden Fahrsimulator und Gurtschlitten dabei, das Havarie vorausgegangen sind. die Daten abgespeichert. K 15 mit dem Sicherheitsmobil. Die Einstel- Modernste Technik hilft der Wasserschutz- Mit der nun beschafften Auswerteeinheit kann lungsberater informieren über das Bachelor- polizei bei der Ermittlung der Ursachen von die Polizei die Radardaten importieren und Studium und den Bildungsgang „Polizeidienst Schiffsunfällen. Dafür wurde eine neuartige alle Schiffsbewegungen, die einem Unfall vo- und Verwaltung“. Die niederländische Polizei Radar-Auswerteeinheit beschafft, mit deren rausgegangen sind, gerichtsverwertbar nach- stellt Motorräder aus. Für die Kinder gibt es Hilfe die abgespeicherten Radaraufzeich- vollziehen. Das gilt für alle Fahrzeuge, die EC- ein Zelt mit Puppenbühne, Zauberer, Ballon- nungen von Wasserfahrzeugen ausgelesen DIS zur Radarnavigation nutzen bzw. genutzt figuren-Künstler und Foto-Shooting auf dem und von der Polizei ausgewertet werden kön- haben. ECDIS wird in der Berufsschifffahrt Polizeimotorrad. Auf der BOS-Bühne spielen nen. Das System „Radarpilot 720“ passt auf schon vielfach verwendet – mit zunehmender das Polizeiorchester, die Blue Light Big Band alle von der ZKR (Zentralkommission für die Tendenz. Stationiert ist die Auswerteeinheit und die PopCops. Diensthundeführer und Rheinschifffahrt) zugelassenen ECDIS-Naviga- beim Wasserschutzpolizeiamt in Mainz. Einsatztrainer treten auf. 02.10 Polizeikurier rlP
NaChRiChTeN 07 Landeskontrolltag Geschwindigkeit: Ratsanwärter im Beanstandungsquote lag bei 6,65 Prozent Verfassungsgericht Mehr als 600 Beamtinnen und Beamte waren an landesweit Verhandlung besucht und mit 138 Kontrollstellen im Einsatz: Fast 6000 Verstöße festgestellt Bundesrichter Bryde geredet Beim landesweiten Geschwindigkeits-Kontrolltag Landesweit wurden 73.565 Fahrzeuge Ende April hat die Polizei während der 19-stün- gemessen und folgende Verstöße digen Messzeit annähernd 74.000 Fahrzeuge festgestellt: gemessen. Dabei wurden insgesamt 5.891 Ver- 4.893 Geschwindigkeitsüberschreitungen, kehrsverstöße festgestellt. Der Kontrolltag war 315 Abstandsunterschreitungen in den Medien angekündigt worden, und auch 49 Missachtungen von Überholverboten während der Messzeit berichteten Hörfunk und 634 sonstige Verstöße, darunter Fernsehen darüber. Die Beanstandungsquote in 286 Gurtpflichtverstöße und Sachen Geschwindigkeit (4.893 Verstöße) betrug 265 Fahrzeugmängel. 6,65 Prozent und lag damit in etwa auf dem Ni- Die Verhandlung zur Vorratsdatenspeicherung veau nicht angekündigter Kontrollen. Diese Feststellungen führten zu war für die Ratsanwärterinnen und Ratsanwärter An den 138 Kontrollstellen im Land waren 613 3.468 Verwarnungen, aus Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte einge- 1780 Ordnungswidrigkeits-Anzeigen, der ideale Anlass zu einem Besuch beim höchs- setzt. Schwerpunkte waren die Autobahnen und 4 Strafanzeigen und ten deutschen Gericht in Karlsruhe. Diskutiert Schnellstraßen. Neben der Geschwindigkeitsüber- 171 Fahrverboten. wurde, ob Telekommunikations-Verkehrsdaten wachung galten die Kontrollen auch der Abstands- „Spitzenreiter“ im negativen Sinne war ein Au- gespeichert und für die Strafverfolgung oder Ge- messung und der Verfolgung aggressiven Fahr- tofahrer, der auf der A 6 bei Frankenthal mit fahrenabwehr an staatliche Stellen ausgehändigt verhaltens. Gemessen wurde von Montagmorgen 100 Stundenkilometern hätte unterwegs sein werden müssen. Hier konkurrierten das Grund- 06.00 Uhr bis Dienstag 01.00 Uhr. Dabei kamen dürfen. Stattdessen wurde er – nach Abzug der recht auf informationelle Selbstbestimmung und alle zur Verfügung stehenden Messsysteme zum Toleranz – mit 191 km/h gemessen. Nun kom- das öffentliche Interesse an einer wirksamen Einsatz: Radargeräte, Lasertechnik, Einseitensen- men ein Bußgeld in Höhe von 1000 Euro und Strafverfolgung und Gefahrenabwehr. Diese sor und Lichtschrankenmessanlagen. ein dreimonatiges Fahrverbot auf ihn zu. Auseinandersetzung reihte sich nahtlos in die Im ersten Quartal 2010 ereigneten sich in Schwerpunkte des ersten Master-Studienjahres Rheinland-Pfalz 30.175 Verkehrsunfälle, davon ein, in dem es u.a. um Freiheitsrechte, Ermitt- 5.724 (19 Prozent) wegen nicht angepasster lungsmaßnahmen und auch um das Telekom- Geschwindigkeit. Bei den Unfällen mit Perso- munikationsgrundrecht geht. Begleitet wurden nenschaden war nicht angepasste Geschwin- die Studierenden durch die Dozenten Prof. Dr. digkeit sogar in 35,7 Prozent der Fälle die Michael Bäuerle (Hessen), Peter Traub und Dr. Hauptursache. Axel Henrichs. Beschäftigungsprogramm für ältere Schwerbehinderte neu auflegen Hauptschwerbehindertenvertretung mit Minister Bruch einig: Polizeiverwaltung trägt ihren Teil dazu bei Die besonderen Bedürfnisse und Be- be schwerbehinderter Menschen am lange der behinderten und schwerbe- Berufsleben zu leisten. Durch das An- hinderten Mitarbeiterinnen und Mitar- gebot vielfältiger Beschäftigungsmög- beiter in der Polizeiverwaltung stehen lichkeiten für ältere Behinderte profi- im Mittelpunkt, wenn sich die Haupt- tiere die Polizei aber auch selbst, sagte schwerbehindertenvertretung der Poli- Bruch. Denn sie komme in den Genuss zei unter dem Vorsitz von Heinz-Jürgen der weitreichenden Lebenserfahrung Burkart (PP Mainz) mit Innenminister dieser Menschen. Karl Peter Bruch zum Gespräch trifft. Integration sei für die Polizei kein Seit 2004 geschieht das mindestens Fremdwort, unterstrich der Minister, einmal im Jahr. Die Barrierefreiheit von sondern ein lebendiger Prozess zum Dienstgebäuden ist dabei ein ebenso Minister Karl Peter Bruch und der Leiter des Personalreferats, Rainer Nutzen aller. Angesichts der positiven Leubecher, im Gespräch mit den Schwerbehindertenvertretern der Polizei. wichtiges Thema wie der Umgang mit Erfahrungen der Vergangenheit sei er behinderten Mitarbeitern oder die Polizeidienst- vor allem die Neuauflage des Landessonderpro- offen für eine Neuauflage des Sonderprogramms, fähigkeit beim Auftreten von chronischen Krank- gramms zur Beschäftigung arbeitsloser und dabei sagte Bruch. Die Rahmenbedingungen werden heiten oder Behinderungen. schwerbehinderter Menschen im Alter von über 55 mit den beteiligten Ressorts der Landesregierung Bei ihrem jüngsten Treffen thematisierten die Jahren. Karl Peter Bruch sieht darin die Chance und den Schwerbehindertenvertretungen abge- Schwerbehindertenvertreter und der Minister für die Polizei, einen weiteren Beitrag zur Teilha- stimmt. Peter Nink, ISM Polizeikurier rlP 02.10
08 TiTelThema Amoklagen: Gute Vorbereitung als Basis professionellen Handelns Mit dem Tötungsdelikt Die Tat in Ludwigshafen dass eine Person im Obergeschoss bengalische Als gegen 10.00 Uhr ein 23-jähriger ehemaliger Fackeln entzünde und Schüsse abgegeben habe. an der Berufsbildenden Schüler mit einem Messer und einer Schusswaf- Daraufhin drangen eine Kollegin und drei Kolle- Schule in Ludwigshafen- fe bewaffnet ein Nebengebäude der Berufsbil- gen im Rahmen der „Sofort-Interventions-Phase“ denden Schule Technik 2 in Ludwigshafen-Mun- in das Schulgebäude ein. Mundenheim hat sich ein denheim betrat, traf er dort auf einen 58-jährigen Beim ersten Sichtkontakt mit dem Täter in einem Ereignis dieses Ausmaßes Lehrer, dem er mit dem Messer tödlich wirkende Treppenhaus gab dieser einen Schuss ab und erstmals auch auf rhein- Verletzungen zufügte. Anschließend ging der Tä- flüchtete. Den mit Schutzwesten ausgestatteten ter ins Hauptgebäude der Schule. Dort schoss Einsatzkräften gelang es, den Täter sofort wieder land-pfälzischem Boden er auf mehreren Etagen aus seiner Schusswaffe. zu lokalisieren und ihm den Weg abzuschneiden. zugetragen. Durch das Im vierten Stock brannte er einen bengalischen Nach mehrfacher Aufforderung, die Waffe ab- Feuerwerkskörper ab und löste damit Feuer- zulegen und unter Androhung des polizeilichen umsichtige Handeln von alarm aus. Schusswaffengebrauchs warf der Täter seine Polizei und Schule konnte Um 10.02 Uhr erhielt das Polizeipräsidium Rhein- Schusswaffe, die sich später als Schreckschuss- Schlimmeres verhindert pfalz Kenntnis von der Brandmeldung in dem Ob- pistole herausstellte, schließlich weg und konnte jekt. Zwei Funkstreifenwagen waren innerhalb von festgenommen werden. werden. Die dazu erforder- drei Minuten am Ereignisort – etwa zeitgleich mit Da anfangs von einem Feueralarm ausgegangen lichen Grundlagen waren Feuerwehr und Rettungsdienst. Der Großteil der werden musste, war in der konkreten Situation Schülerschaft und des Lehrerkollegiums hatte ein sehr schnelles Umdenken und „Umschalten“ in vielerlei Hinsicht ge- den Gebäudekomplex bereits verlassen. Auf dem gefordert. Die Einsatzkräfte taten dies in vorbild- schaffen worden. Schulhof erfuhren die eintreffenden Polizeikräfte, licher Weise und gingen nach den im Beschu- 01.10 Polizeikurier rlP 02.10
Abschluss einer Amok-Übung TiTelThema 09 mit Farbmarkierungsmunition: Festnahme vor dem Gebäude auF eiN wORT Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenige Tage vor dem ersten Jahrestag der schrecklichen Ereignisse von Winnenden und Wendlingen hat sich erneut eine derartige Tat er- Der Tatort, die Berufsbildende Schule II in Ludwigshafen-Mundenheim. Schon wenige Minuten nach dem ver- eignet, bei der ein Mensch meintlichen „Feueralarm“ waren Berufsfeuerwehr, Rettungsdienst und Polizei mit starken Kräften vor Ort. ums Leben kam. An einer Berufsbildenden Schule in Ludwigshafen lungskonzept „Notzugriff und Amoklagen“ ver- dabei von ihren Kolleginnen und Kollegen aus hat ein ehemaliger Schüler aus Wut über mittelten Ausbildungsinhalten vor. Alle vier hatten Baden-Württemberg unterstützt wurden, stand schlechte Noten seinen früheren Lehrer getö- in der jüngeren Vergangenheit an den entspre- auch die Polizei als Ansprechpartner durchgän- tet. Durch das schnelle und kompetente Ein- chenden Trainings teilgenommen. Die Abläufe in gig zur Verfügung. Während der acht Tage später schreiten der Polizei konnte der Täter schon Ludwigshafen machen deutlich, wie wichtig diese stattfindenden Trauerfeier zum Gedenken an den nach wenigen Minuten gestoppt und dadurch Ausbildungsmaßnahme zur Vorbereitung auf ei- getöteten Lehrer, an der auch Ministerpräsident möglicherweise noch Schlimmeres verhindert nen möglichen „Amok-Einsatz“ ist. Kurt Beck und Bildungsministerin Doris Ahnen werden. Mein Dank gilt an dieser Stelle den Weitere eintreffende Polizeikräfte sperrten das teilnahmen, sorgte das Polizeipräsidium Rhein- Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die gesamte Schulgelände ab und begannen nach pfalz für einen störungsfreien Verlauf. dort im Einsatz waren, aber auch den Lehre- der Täterfestnahme sukzessive mit der systema- rinnen und Lehrern für ihr besonnenes Ver- tischen Durchsuchung des weiträumigen Schul- Amoklagen und Amok-Verdachtsfälle halten. Ebenso den Seelsorgern, Psychologen komplexes. Amoklagen haben die Sicherheitsbehörden seit und allen anderen Beteiligten, die den Schul- Nach der „Sofort-Interventions-Phase“ unter einigen Jahren in fortwährende Alarmbereitschaft angehörigen zur Seite gestanden haben. Führung des PvD des PP Rheinpfalz wurde zur versetzt. Vor allem die traurigen Ereignisse in weiteren Bewältigung des Einsatzes die in den Erfurt im Jahr 2002, Emsdetten im Jahr 2006, Die rheinland-pfälzische Polizei hat sich auf Planentscheiden vorgesehene „Anschlussphase“ wiederholte Vorfälle in den USA und in Finnland Amoklagen intensiv und fundiert vorbereitet. unter Führung von LKD Franz Leidecker aufgeru- sowie die schreckliche Tat am 11. März 2009 in Die enge Kooperation mit den Schulen, den fen. Das Interesse der Öffentlichkeit, insbesonde- Winnenden und Wendlingen sind in Erinnerung. Rettungsdiensten und weiteren Einrichtungen re der Medien war enorm. Bei der noch am Tag Bei Amoktaten handelt es sich um seltene Ereig- ist dafür unverzichtbar. Persönlich zugewie- der Tat durchgeführten gemeinsamen Presse- nisse, die zumeist jedoch mit einer hohen Zahl sene Schutzwesten und ballistische Schutz- konferenz mit Vertretern der Staatsanwaltschaft, von Getöteten und verletzten Personen einherge- decken leisten einen wichtigen Beitrag zur der Polizei, des Bildungsministeriums, der Stadt hen. Auch wenn sich derartige Taten grundsätz- Sicherheit unserer Polizeibeamtinnen und Po- Ludwigshafen und der Schule waren die Bespre- lich an einer Vielzahl verschiedener Orte ereignen lizeibeamten. Eine umfassende und fortwäh- chungsräume im PP Rheinpfalz mit Pressevertre- können, sind Amoklagen gerade in Deutschland rend aktualisierte Aus- und Fortbildung stärkt tern randgefüllt. überwiegend in oder im Zusammenhang mit die Handlungssicherheit. Dies sind wesent- Es schlossen sich umfangreiche Ermittlungen Schulen verzeichnet worden. Die Täter drangen liche Voraussetzungen zur Bewältigung einer zu Tat und Tathintergründen an. Darüber hinaus in Schulgebäude ein und töteten bzw. verletzten Einsatzsituation, die mit einem besonders ho- wurden Schutzmaßnahmen an der Schule veran- dort wahllos oder auch zielgerichtet die angetrof- hen Gefahrenpotenzial einhergeht. lasst, auch an den folgenden Tagen. Im Rahmen fenen Personen. Alle Täter hatten einen persön- der erhöhten Polizeipräsenz im Umfeld der ört- lichen Bezug zur jeweiligen Schule. In einigen Fäl- Ein ganzheitlicher Ansatz zur Prävention von lichen Schulen kontrollierten aufmerksame Ein- len endete der Amoklauf mit einer Selbsttötung. Gewalt an Schulen muss, wie in vielen ande- satzkräfte ein Fahrzeug, in dem sie einen Dolch Über die Motive sind meist nur Spekulationen ren Bereichen auch, die umfassende Betrach- sowie sieben Äxte und Beile fanden. Der Fahrer, möglich. Ein einheitliches Erklärungsmuster für tung der Ursachen einbeziehen. Dazu sind ein 21-jähriger Schüler der Berufsbildenden Schu- derartige Taten existiert nicht. Ihre Ursachen Eltern, Erzieher, Jugendämter, Lehrer, Polizei, le, wirkte auf die kontrollierenden Beamten ner- und Auslöser dürften in einer Vielzahl unter- Justiz und weitere Verantwortliche gleicher- vös und hatte zunächst keine plausible Erklärung schiedlicher Faktoren zu finden sein. Von daher maßen aufgerufen. Die Polizei hat bewiesen, für die mitgeführten Gegenstände. Nach einge- bieten bestimmte Indikatoren mehr oder minder dass sie diese Aufgabe ernst nimmt. hender Vernehmung sowie der Überprüfung von deutliche Ansatzpunkte, die im Rahmen der Ge- Wohnung und Umfeld des Schülers ergaben sich samtbetrachtung einer Person durchaus eine Mit freundlichen Grüßen jedoch keine konkretisierenden Anhaltspunkte für Einschätzung der Ernsthaftigkeit einer Androhung eine neuerliche Bedrohungslage. ermöglichen. Neben den Betreuungsmaßnahmen durch Mit- In der Folge von Amokdrohungen und Amoktaten arbeiter des schulpsychologischen Dienstes, die ist regelmäßig eine gesteigerte Sensibilität bei Karl Peter Bruch, Innenminister Polizeikurier rlP 02.10 01.10
10 TiTelThema Schülern und Lehrern, Eltern und anderen zwischen in theoretischer und praktischer Hin- Zusammenarbeit Personen zu verzeichnen. Auch Andeutungen sicht auf diese schwierigen und gefährlichen gegenüber Mitschülern, aufgefundene Notizen, Einsatzlagen vorbereitet. Zudem stellt das Trai- ist entscheidend Ankündigungen und Äußerungen in Internet- ning mittlerweile einen festen Bestandteil des foren oder Chatrooms werden der Polizei als Bachelor-Studiums dar. Vertreter der BOS diskutierten Verdachtsmomente auf eine mutmaßlich be- vorstehende Amoktat mitgeteilt und führen re- Einsatzkonzepte fortschreiben gelmäßig zu umfangreichen Maßnahmen der Die Einsatzkonzepte werden ständig überprüft Schulen und Sicherheitsbehörden. und fortgeschrieben. Täterverhalten und Tatab- In Rheinland-Pfalz hat die Polizei in den zu- läufe werden ausgewertet und dahingehend rückliegenden Jahren eine Vielzahl von „Amok- geprüft, ob das polizeiliche Vorgehen weiter Verdachtslagen“ bzw. Bedrohungs- und Ge- optimiert werden kann und verändert werden fährdungslagen verzeichnet, die dank einer muss. frühzeitigen und umfassenden Intervention entsprechend bewältigt werden konnten (siehe Enge Zusammenarbeit nachfolgende Aufstellung). Auch wenn die Polizei Rheinland-Pfalz auf die Amok-Verdachtslagen für die Bewältigung von Amokla- Inspekteur Werner Blatt eröffnet die interdisziplinäre Jahre 2008 bis 2010: (bis Ende April) gen gut vorbereitet ist, Fachtagung vor 200 Führungskräften der Hilfs- und Betrachtungszeitraum Anzahl der Fälle gilt es in erster Linie da- Rettungsorganisationen sowie der Polizei. 2008 38 für zu sorgen, dass es 2009 161 möglichst gar nicht erst Der Zusammenarbeit von Polizei, Feuerwehr, Ret- 2010 52 zu derartigen Taten kommt. tungsdiensten und weiteren Hilfsorganisationen Seit den Ereignissen von Winnenden kam es in Durch das frühzeitige Erkennen potenzieller bei Amoklagen galt eine ganztägige Fachtagung Rheinland-Pfalz zu 202 Bedrohungslagen bzw. Täter und eine rechtzeitige Intervention aller von Führungskräften aller in Frage kommen- Amokdrohungen (Stand: Ende April 2010). beteiligten Stellen können und müssen solche den Organisationen an der Landespolizeischule Taten unterbunden werden. Dabei kommt der Hahn. Fast 200 Vertreter von Behörden und Verhinderung und engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit Organisationen mit Sicherheitsaufgaben aus al- Bewältigung von Amoklagen der beteiligten Einrichtungen eine wesentliche len Landesteilen waren zusammengekommen. Konsequente Lagebewältigung Bedeutung zu. Um seitens der Schulen die Eine Analyse der Ereignisse von Winnenden und Von der Polizei wird eine konsequente Lagebe- notwendige Handlungssicherheit in Krisensi- Wendlingen legten sie ihren Beratungen ebenso wältigung erwartet. Die nachfolgende Darstel- tuationen zu erzielen, haben das Bildungsmi- zugrunde wie die Erfahrungen aus dem Einsatz lung soll das polizeiliche Maßnahmenkonzept nisterium, die Aufsichts- und Dienstleistungs- in Ludwigshafen-Mundenheim. Im Mittelpunkt zur Bewältigung von Amoklagen in Rheinland- direktion (ADD) und der Schulpsychologische stand das gemeinsame Bewusstsein, dass im Pfalz verdeutlichen. Dienst einen Leitfaden erstellt. Er gibt den Fall eines Amoklaufs eine gute und reibungslose Unmittelbar nach dem Amoklauf am Guten- Schulleitungen, Lehrern und anderen im Zusammenarbeit von enormer Bedeutung ist. berg-Gymnasium Erfurt im Jahr 2002 hat die Schulwesen tätigen Personen eine konkrete Denn die Einsatzkräfte der BOS müssen sich Polizei Rheinland-Pfalz ein Beschulungskon- Handlungsanleitung für den Notfall. Die Poli- dabei auf eine Vielzahl von verletzten und trau- zept „Notzugriff und Amoklagen“ entwickelt. zei hat dazu mit ihrem Fach- und Erfahrungs- matisierten Personen einstellen – Opfer ebenso Die Polizeipräsidien des Landes setzen das wissen maßgeblich beigetragen. wie Angehörige. Unter Umständen zählen auch Konzept um. Vorrangige Zielgruppe sind die Unverzichtbar ist für die Verhinderung wie Rettungs- und Polizeikräfte selbst dazu. operativen Kräfte der Polizei- und Kriminalin- auch für die Bewältigung von Amoklagen eine Um diesen Herausforderungen gerecht zu spektionen, die nach der Verständigung der enge Zusammenarbeit zwischen Polizei und werden, bedarf es im Vorfeld grundsätzlicher Polizei zuerst am Tatort eintreffen. Diese Kräfte Schulen auf örtlicher Ebene. Die Polizeiinspek- Absprachen zwischen den Organisationen. In- sind in einer derartigen Lage ganz besonders tionen haben in ihren Zuständigkeitsbereichen spekteur Werner Blatt betonte, das Wissen um gefordert. Nahezu alle Einsatzkräfte wurden in- frühzeitig die Kontakte hergestellt und pflegen die Aufgaben, die Möglichkeiten, aber auch die diese auch weiterhin. Ziel ist es, die notwen- Grenzen der anderen Organisationen sei im digen Kommunikationsstrukturen zu schaffen, Ernstfall eine entscheidende Voraussetzung für zu vertiefen und belastbare Handlungsverein- die gemeinsame Aufgabenbewältigung. Diesem barungen zu treffen. Dies wurde mittlerweile Ziel diente die Tagung. Alle Teilnehmer konnten bei allen in Frage kommenden Schulen im neue Erkenntnisse mitnehmen und bewerteten Land umgesetzt. die Veranstaltung durchweg positiv. Für Novem- ber ist eine weitere Tagung an der Landesfeuer- Regelmäßige Polizeipräsenz wehr- und Katastrophenschutzschule in Koblenz Darüber hinaus zeigt die Polizei bei einer Viel- geplant, um den Dialog fortzusetzen. Ludwigshafen: Wenige Stunden nach der Tat zahl von schulischen Veranstaltungen regel- drängten sich Kamerateams im Polizeipräsidium. mäßig Präsenz. Dies gilt etwa im Rahmen der 01.10 02.10 Polizeikurier rlP
TiTelThema 11 Verkehrserziehung, der Drogenprävention sowie des Sicherheits- und Deeskalationstrainings. Das schafft Vertrauen seitens der Schülerinnen und Schüler, der Erziehungsberechtigten und Lehr- kräfte. Präventionsmaßnahmen Präventionsmaßnahmen müssen Schutzfaktoren fördern und Risikofaktoren minimieren. Dies umfasst beispielsweise die Stärkung des Selbst- bewusstseins, das Vermitteln von Erfolgserfah- rungen und den Abbau von Ängsten. Insoweit müssen Amok- und Gewaltprävention frühzeitig einsetzen, ursachenorientiert ansetzen und mög- lichst nachhaltig wirken. Auch hierbei arbeitet die Polizei eng mit anderen Stellen zusammen, insbesondere mit den Schulen. Die dargestellten Zielsetzungen wurden bei der Entwicklung der polizeilichen Programme zur Gewaltprävention Für alle operativen Kräfte der Polizei ist das Training für den Notzugriff bei Amoklagen unabdingbar – hier mit berücksichtigt. Farbmarkierungsmunition: Dabei zählen vor allem Schnelligkeit und eine gute Rundum-Sicherung. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusam- menhang sind die landesweit etablierten Projekte „EASI“ ist eine Erweiterung des Projekts „PIT“ Maßnahmenkatalog nach Winnenden „PIT – Prävention im Team“ und „EASI – Erlebnis, und richtet sich an die Schülerinnen und Schü- Nach den Ereignissen von Winnenden und Wend- Aktion, Spaß, Information“, bei denen Schulen ler der Orientierungsstufe. Neben der Vorstellung lingen erfolgte eine intensive und kritische Analyse und Polizei unmittelbar zusammenarbeiten. Das sinnvoller Freizeitmöglichkeiten werden spezielle der Einsatz- und Übungserfahrungen von Amokla- Projekt „PIT“ verfolgt das Ziel, die soziale Kompe- Themenabende mit Fachleuten angeboten. Er- gen auf der Grundlage der Erfahrungsberichte tenz Jugendlicher zu erhöhen und trägt somit zur gänzt werden die beiden Präventionsprogramme aus Baden-Württemberg sowie der Übungen in Prävention von Sucht und Gewalt bei. Zielgruppe durch zielgruppengerechte Projekte an Grund- den Polizeipräsidien Westpfalz und Trier. Dabei sind die Klassenstufen sechs bis acht. und weiterführenden Schulen. wurden 16 Handlungsfelder für die Polizei Etage für Etage, Raum für Raum gehen die Kräfte zügig durch, bis sie schließlich Kontakt zum Täter haben. Um Verletzte kümmert sich – sobald als irgend möglich – ein an- derer Trupp im sicheren Bereich. Ist der Täter gestellt, muss mit allem gerechnet werden. Auch im Training geht es laut zu, und es wird jede Menge Adrenalin ausgeschüttet. Polizeikurier rlP 01.10 02.10
12 TiTelThema Die ballistische Schutzdecke wird in jedem Funkstreifenwagen mitgeführt. Sie ist vielseitig verwendbar. Mit etwas PR Ralf Krämer präsentiert die ballistische Schutz- Übung ist sie schnell einsatzbereit und bietet Polizeikräften wie auch potenziellen Opfern zusätzlichen Schutz. decke bei der Tagung der BOS-Führungskräfte. Rheinland-Pfalz als relevant bewertet. Der Maß- nahmenplan, der inzwischen nahezu vollständig umgesetzt ist, sieht eine Optimierung in tech- nischer und einsatztaktischer Hinsicht vor, ferner in den Bereichen Aus- und Fortbildung sowie den Maßnahmen zum Schutz der Operativkräfte. Einsatztechnik Hierzu zählt, neben der persönlichen Zuweisung von Schutzwesten, vor allem die Beschaffung von 500 ballistischen Schutzdecken. Eine Arbeits- gruppe hat die für den polizeilichen Einzeldienst notwendigen Anforderungen definiert und drei verschiedene Modelle intensiv getestet. Ange- schafft wurden Schutzdecken der Firma Mehler mit einem ballistischen Paket von 139 mal 69 Zentimeter in der Schutzklasse 1. Diese Schutz- decke wiegt etwa acht Kilogramm. Die Auslieferung an die Polizeipräsidien und die Wasserschutzpolizei war Ende März 2010 Kaum mehr als eine dunkle Wand sieht der Täter auf sich zukommen, wenn die Einsatzkräfte hinter der Schutzdecke Verpackt ist die ballistische Schutzdecke gut im vorgehen. Für die Beamtinnen und Beamten setzt das eine präzise Abstimmung voraus, die trainiert werden muss. Streifenwagen zu verstauen. Sie wiegt zirka acht Kilo. 01.10 Polizeikurier rlP 02.10
TiTelThema 13 Die anfangs unübersichtliche Lage und Hunderte verunsicherter Schüler, die nach dem „Feueralarm“ die Schule verlassen hatten, stellten die Einsatzkräfte in Ludwigshafen-Mundenheim vor eine Herausforderung. liches und handhabbares Konzept zu entwickeln, • Fortschreibung bestehender Betreuungskon- das bei den Kolleginnen und Kollegen des Ein- zepte mit Rettungsdiensten und Einheiten des zeldienstes auf Akzeptanz stößt und die nötige Katastrophenschutzes sowie enge Zusammen- Handlungssicherheit erzielt. arbeit mit den Rettungsdiensten auf örtlicher Unmittelbar nach der Vorstellung des überarbei- Ebene, teten Konzeptes in den Entscheidungsgremien • Einführung einer zentralen Objekt- und Fahn- Pressekonferenz mit LOStA Liebig, Polizeiführer sowie im Hauptpersonalrat wurden alle haupt- dungsdatei („ZOF“) bei den Polizeipräsidien, Franz Leidecker und Bildungsministerin Doris Ahnen. amtlichen Schieß- und Einsatztrainer fortgebil- • Realisierung der Möglichkeit zur technisch ein- det, so dass die neuen taktischen Elemente im heitlichen Bildübertragung durch die Polizei- abgeschlossen. Seit diesem Zeitpunkt sind die Ausbildungskonzept „Notzugriff und Amoklagen“ hubschrauberstaffel an alle Polizeipräsidien, Dienstwagen mit den ballistischen Schutzdecken aktuell vermittelt werden können. Darüber hinaus • Erarbeitung von Verfahrensweisen in Zusam- ausgestattet. Transportiert werden sie in einer werden im Rahmen einer ganztägigen Fortbil- menhang mit Auswertungen und Ermittlungen Tragetasche im Kofferraum der Dienstkraftfahr- dung allen nach dem alten oder neuen Konzept im Internet bei entsprechenden Einsatzmaß- zeuge. Zum Set gehören eine Handlungs- und ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen diese nahmen, Bedienungsanleitung des Herstellers sowie ein Inhalte vermittelt. • einheitliche Erkennbarkeit ziviler Einsatz- und Merkblatt mit Fotos über taktische Grundsätze Betreuungskräfte. und Einsatzmöglichkeiten der Schutzdecke. Tak- Identisch in der Aus- und Fortbildung sind die tische Hinweise und Fotos finden sich natürlich wesentlichen Elemente des Trainings: die Her- Fazit auch im Intrapol. stellung der Einsatzbereitschaft, die Annäherung Die rheinland-pfälzische Polizei hat sich früh- an ein Objekt, das Betreten eines Objektes, das zeitig und umfassend auf die Bewältigung von Modifiziertes Ausbildungskonzept Vorgehen in Treppenhäusern und Fluren sowie Amoklagen vorbereitet. Dazu wurden das ein- Im Herbst 2009 wurde die Zentralstelle für das der Täterkontakt im Such- und Kontaktmodus. satztaktische Vorgehen und die zur Verfügung Schieß- und Einsatztraining (ZSET) vom Innen- Ergänzend wird das taktische Vorgehen beim stehende Einsatztechnik ebenso optimiert wie ministerium beauftragt, das Ausbildungskonzept Retten einer verletzten Person aus einem unge- die Maßnahmen zur Verhinderung solcher Ta- „Notzugriff und Amoklagen“ entsprechend der sicherten Bereich mittels Rettungsteam geübt. ten. Für die rechtzeitige Erkennung potenzieller ermittelten Analyseergebnisse fortzuschreiben. Abgeschlossen wird das Training jeweils durch Täter sowie für die Bewältigung von Bedrohungs- Zudem galt es, das neue Einsatzmittel „ballis- ein Farbmarkierungs-Szenario. lagen kommt vor allem der Zusammenarbeit tische Schutzdecke“ in das Ausbildungskonzept mit den Schulen besondere Bedeutung zu. Die zu integrieren. Umsetzung weiterer Analyseergebnisse aufgezeigten umfangreichen Maßnahmen der Grundlage der Neukonzeption waren die Ergeb- Darüber hinaus wurde eine Vielzahl weiterer Maß- Polizei Rheinland-Pfalz stellen ein solides und nisse eines zweitägigen Workshops der Zentral- nahmen umgesetzt: professionelles Fundament für die Verhinderung stelle für das Schieß- und Einsatztraining (Fach- • Modifizierung der bestehenden Planent- und Bewältigung von Amoklagen dar. Durch kreis Einsatztraining). Unter Beteiligung von scheide, eine konsequente Auswertung angedrohter oder Vertretern der vier zentralen Schieß- und Einsatz- • Fortschreibung der Indikatoren zur Beurteilung tatsächlicher Taten gilt es auch weiterhin, das trainingsanlagen, der Spezialeinheiten und der der Ernsthaftigkeit von Amok-Androhungen, polizeiliche Maßnahmenkonzept bedarfsorien- Ausbilder wurde intensiv mit den Schutzdecken • gemeinsame Veranstaltungen mit anderen Be- tiert fortzuschreiben und die geschaffenen Ko- trainiert. Aufgabe war es, mittels einfacher aber hörden und Organisationen mit Sicherheitsauf- operationen auszubauen. wirksamer Einsatztaktiken ein leicht verständ- gaben (siehe Kasten auf Seite 10), Jochen Bäcker, Elmar May, ISM Polizeikurier rlP 02.10 01.10
14 iNTeRView „Wichtig sind gutes Training und Zusammenarbeit mit den Schulen“ Die dramatischen Ereig- folgreiche Vorgehen der vier Kollegen während kritische Auswertung des Einsatzes durch die des Notzugriffs in Ludwigshafen hat bewiesen, baden-württembergischen Dienststellen sehr nisse in Ludwigshafen dass unsere Kräfte gut vorbereitet sind – tech- geholfen. Das war eine Nachbereitung, aus der haben es deutlich gemacht: nisch, taktisch und mental. Um es deutlich zu man wertvolle Erkenntnisse gewinnen konnte. sagen: Ja, wir haben uns recht- Und das haben wir getan. Auf Die Gefahr einer Amoksitua- zeitig damit auseinandergesetzt. „Technisch, 16 Handlungsfeldern haben wir tion ist nicht etwa abstrakt, Sie erinnern sich, dass wir am 11. taktisch und Veränderungen eingeleitet. Das März 2009 grade bei einer inter- betraf die Ausstattung mit ballis- sondern vielmehr latent disziplinären Tagung zum Thema mental gut tischen Schutzdecken ebenso wie und real, auch in Rhein- Jugendgewalt saßen, als die Nach- vorbereitet“ die Betreuung der Einsatzkräfte, richt vom Amoklauf in Winnenden der Betroffenen und der Zeugen land-Pfalz. Erstmals ist in und Wendlingen eintraf und uns auf schreckliche oder etwa die Bewältigung der Flut von Medien- unserem Bundesland ein Weise vor Augen geführt hat, wie aktuell wir mit anfragen und Medienvertretern aus dem In- und diesem Thema waren. Ausland, die bei einer solchen Lage auf uns zu- Mensch dabei ums Leben kommt. gekommen. Polizeibeamte Polizeikurier: Nun war ja auch Winnenden nicht der Anfang der Entwicklung. Polizeikurier: Dann gibt es nach Ludwigsha- stoppten den Täter, bevor Blatt: Das ist richtig. Deshalb war auch Win- fen nichts mehr zu verbessern? noch mehr passieren konn- nenden nicht der Anfang unsere Anstrengungen, Blatt: Wir sind gut vorbereitet, das steht außer dem Phänomen gerecht zu werden. Das begann Frage. Der Einsatz in Ludwigshafen hat das deut- te. Wie gut ist die Polizei schon sehr viel früher. Sofort nach dem Amok- lich gemacht. Die vier Kräfte, eine junge Beamtin Rheinland-Pfalz auf derar- lauf 2002 in Erfurt und den Erfahrungen, die und drei junge Beamte, die den Notzugriff vorge- dort gemacht wurden, haben wir – wie andere nommen haben, sind sehr professionell und ge- tige Lagen vorbereitet? Wur- Bundesländer auch – damit begonnen, unser nau nach unserem Einsatzkonzept vorgegangen. de alles getan, um ihnen zu taktisches Vorgehen zu überdenken und zu ver- Dabei haben sie verantwortungsvoll, mutig und bessern. Wir haben ein Einsatzkonzept und ein sehr besonnen gehandelt. Besser hätte man das begegnen? Der Polizeikurier spezielles Einsatztraining entwickelt und einen nicht machen können. Wir sollten nicht verges- sprach darüber mit Inspek- Landesteil „Amok“ zur PDV 100 erstellt. Nach sen: Als sie nur drei Minuten nach dem Alarm Emsdetten 2006 wurde dann vor allem die Ko- vor der Schule eintrafen, war noch von einem teur Werner Blatt. operation zwischen der Polizei und den Schulen „Brand“ die Rede, und der betroffene Lehrer war verstärkt. Dabei ging die Initiativfunktion im We- bereits tot. Die vier Beamten haben blitzschnell sentlichen von der Polizei aus. Heute ist die Of- umgeschaltet und weiteres Blutvergießen ver- Polizeikurier: Herr Blatt, seit der Tat in fenheit der Schulen für eine enge Zusammenar- hindert. Sie haben den bewaffneten Täter im Ludwigshafen-Mundenheim ist die Gefahr ei- beit mit der Polizei ungleich größer Gebäude gestellt und zügig fest- ner Amoklage jedem von uns noch sehr viel als dies vor Jahren noch der Fall „Die Polizei genommen, ohne dabei einen deutlicher vor Augen als zuvor. Die trügerische war. Mir wird immer wieder be- arbeitet mit Schuss abzugeben. Das verdient Hoffnung, dass derartige Ereignisse andernorts richtet, dass die Zusammenarbeit höchste Anerkennung. So hat das geschehen, aber doch nicht bei uns, ist passé. mit den Schulen heute wirklich gut Schulen eng auch Staatssekretär Lewentz bei Haben wir uns rechtzeitig und in jeder Konse- ist. Auch in die Handreichung des zusammen“ unserem Besuch in Ludwigshafen quenz mit der Gefahr auseinandergesetzt? Bildungsministeriums für den Um- deutlich gemacht. Darin sind sich Blatt: Ja, das haben wir. Ich würde auch nicht gang mit Krisensituationen an Schulen hat sich alle einig: der Polizeiführer, die Staatsanwalt- sagen, dass wir uns jemals in einer trügerischen die Polizei intensiv einbringen können. Wie die schaft, die Schulleitung und die Stadtspitze. Hoffnung befunden haben. Vielmehr waren sich Polizeidienststellen mit den Schulen, so arbeitet die Verantwortlichen sehr wohl bewusst, dass auch das Innenministerium mit dem Bildungs- Polizeikurier: Was bleibt also zu tun? jederzeit auch in Rheinland-Pfalz eine solche ministerium eng zusammen. Blatt: Auch Ludwigshafen wird natürlich genau Lage eintreten kann. Und ich denke, auch den ausgewertet. Denn jeder Einsatz ist anders. Wir operativen Kräften, die dafür ja intensiv trainiert Polizeikurier: Und nach Winnenden? haben festgelegt, dass alle Beamtinnen und haben, war und ist bewusst, dass sie jederzeit Blatt: Nach Winnenden haben wir noch einmal Beamte mit persönlichen Schutzwesten aus- einer solchen Bedrohungslage gegenüberste- alles auf den Prüfstand gestellt. Dabei hat uns gestattet werden, auch jene, die im Regelfall hen können. Das professionelle und sehr er- die hervorragende, sehr offene und durchaus nicht im operativen Einsatz sind, in Ausnahme- 04.09 Polizeikurier rlP 02.10
iNTeRView 15 situationen aber durchaus in eine solche Lage kommen könnten. Wir haben 500 ballistische Schutzdecken beschafft und modifizieren das Einsatztraining im Hinblick auf die Nutzung die- ser Decken. Ganz wichtig ist, dass das Training, das jetzt auch ins Bachelor-Studium einfließt, ständig aktualisiert und regelmäßig wiederholt wird. Damit retten wir Leben. Polizeikurier: Können wir im Außenverhältnis noch etwas verbessern? Blatt: Ich habe schon deutlich gemacht, dass sich die Zusammenarbeit mit den Schulleitungen sehr positiv entwickelt hat. Dasselbe gilt für die ADD, das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur und das Justizministerium. Zurzeit treten wir über den Städtetag auch an die Schulträger heran, die für die bauliche Ausstat- tung verantwortlich sind. Auch auf diesem Gebiet kann die Polizei mit fachlichem Rat helfen. Polizeikurier: Lassen sich Amoklagen denn baulich verhindern? Blatt: Das zu glauben wäre naiv. Schulen sind keine Festungen oder Hochsicherheitstrakte und sollten es auch nicht werden. Aber es gibt Mög- lichkeiten, die im Ernstfall helfen, den Schaden zu begrenzen. Dazu hat das LKA einen Leitfa- den erstellt. Noch nicht in allen Schulen gibt es Redaktionsleiter Horst Schaefer im Gespräch mit dem Inspekteur der Polizei, Werner Blatt. von innen verschließbare Klassenzimmer. Über diese und andere Möglichkeiten berät die Polizei Polizeikurier: Was kann man tun, um Amok- Polizeikurier: Was bleibt nach Ludwigshafen die Schulleitungen auf Anfrage individuell. taten möglichst zu verhindern? noch zu sagen? Blatt: Das ist ein weites Feld, das nur im ge- Blatt: Mir liegt es sehr am Herzen, Danke zu Polizeikurier: Und Videoanlagen? samtgesellschaftlichen Kontext bearbeitet wer- sagen. Das gilt vor allem für die beteiligten Ein- Blatt: Das ist eine schwierige Frage. In beson- den kann. Da sind vor allem die Eltern und die satzkräfte, die trotz unklarer Lage äußerst pro- deren Fällen kann auch das unter Umständen Schulen gefordert. Besonders wichtig ist, dass fessionell und besonnen vorgegangen sind. Das eine Option sein. Das muss jede Schule für sich alle Beteiligten lernen, Auffälligkeiten bei jungen gilt aber auch für die Einsatztrainer und für alle entscheiden. Da spielen viele Faktoren eine Rol- Leuten rechtzeitig zu erkennen. Wir müssen die operativen Kräfte, die mit großer Ernsthaftigkeit le. Eine Versicherung gegen Bedrohungslagen Alarmsignale richtig deuten und ernst nehmen. am Training für den Notzugriff teilnehmen und sind Videokameras aber nicht. Polizeilich leisten wir dazu unseren dieses Training durch ihr Zutun Beitrag, indem wir etwa das Inter- weiterentwickeln: Da geht es Polizeikurier: Stimmt die Zusammenarbeit net beobachten und auswerten „Amokgefahr sehr real zu, und es wird jede mit den anderen BOS? und indem wir Schulen und Eltern muss immer Menge Adrenalin ausgeschüttet! Blatt: In Ludwigshafen hat die Zusammenar- fachlich beraten, wann immer dies im Kontext Zu danken ist den Dienststellen- beit mit Feuerwehr und Rettungsdiensten gut von uns erwartet wird. Dabei dür- leitern, die mit „ihren“ Schulen in betrachtet funktioniert. Wir dürfen aber nicht vergessen, fen wir die Gefahr einer Amoklage einem intensiven Dialog stehen. dass Amoklagen auch für die übrigen BOS eine nicht eindimensional und isoliert werden“ Auch die Polizeitechnik und das neue Herausforderung darstellen, für die es zum betrachten, sondern stets als Teil LKA haben sich sehr engagiert. Glück kaum eine Praxis gibt. Auf der Ebene der einer umfassenden Gewaltprävention unter Und nicht zuletzt sollten wir den Schulleitungen, Präsidien gibt es deshalb gemeinsame Übungen Kindern und Jugendlichen. Das ist, wie gesagt, dem Bildungs- und dem Justizministerium für mit allen Fachdiensten. Ende April haben wir zu- zunächst kein originär polizeiliches Thema, son- die gute Zusammenarbeit danken. Bei all dem dem eine interdisziplinäre Fachtagung mit 200 dern eine gesellschaftliche Aufgabe, in die wir genießen wir die volle Rückendeckung und das Führungskräften der Feuerwehren, der Rettungs- uns als Polizei natürlich einbringen. Ein Monopol Vertrauen der Landesregierung und aller Frakti- dienste und der Polizei an der LPS organisiert, haben wir erst dann, wenn trotzdem etwas pas- onen im Landtag. Das erleichtert uns die Arbeit; um abzustimmen, wie wir uns die Arbeit gegen- siert. Dann ist es Aufgabe der Polizei, die Lage auch dafür bin ich dankbar. seitig erleichtern können. zu bereinigen und den Schaden zu begrenzen. Die Fragen stellte Horst Schaefer. Polizeikurier rlP 02.10 04.09
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