ARBEITSWELT VON MORGEN - zum halben Preis

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ARBEITSWELT VON MORGEN - zum halben Preis
DAS KUNDENMAGAZIN DER RAIFFEISENBANKEN

                               ARBEITSWELT
                               VON MORGEN
                                     SPANNEND, SELBSTBESTIMMT, DIGITAL

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NR. 2 | JUNI 2015
ARBEITSWELT VON MORGEN - zum halben Preis
W W W. N OT E N S T E I N . C H
ARBEITSWELT VON MORGEN - zum halben Preis
EDITORIAL | 3

                        DER WANDEL
                      BEREITET FREUDE

P
        apierloses Büro und Menschen, die mehrheitlich nur           mitgehen wollen oder können. Wir müssen auch zu diesen Men-
        noch von zu Hause aus arbeiten. So stellte man sich die      schen Sorge tragen. Und es gilt heute mehr denn je, das private
        Arbeitswelt der Zukunft vor, als ich vor 30 Jahren ins       Umfeld aktiv zu pflegen. So wie man das Geschäft plant, sollte
Berufsleben eingestiegen bin. Beides ist bis heute nicht eingetre-   jeder auch sein Privatleben in die Hand nehmen. Das muss man
ten. Weshalb? Weil am Arbeitsplatz nebst dem geschäftlichen          wollen, das kommt nicht von allein.
auch ein sozialer Austausch stattfindet. Auch wenn die Arbeits-          Damit ich persönlich den zum Teil rasanten Wandel nicht
zeitmodelle heute mehr Flexibilität zulas-                                                  verpasse, schare ich gute Leute um mich.
sen, so werden wir uns auch noch in zehn                                                    Ich masse mir nicht an, die neusten
oder zwanzig Jahren am Arbeitsplatz tref-                                                   Trends und Entwicklungen selbst zu or-
fen und in Teams arbeiten. Die Digitali-                                                    ten und meine richtigen Schlüsse zu zie-
sierung wird uns noch stärker unterstüt-                                                    hen. Ich war aber zeitlebens offen für
zen, sie wird uns aber nicht zu Sklaven in                                                  Neues und habe gelernt, sehr gut zuzuhö-
einer virtuellen Welt machen.                                                               ren. Mir macht der Wandel noch immer
    Der Wandel in der Arbeitswelt hat                                                       richtig Freude, auch wenn die Entschei-
auch dazu geführt, dass Frauen heute die                                                    dungsintensität in den letzten Jahren
besseren Chancen haben, eine Berufskar-                                                     enorm zugenommen hat: Ich muss heute
riere zu machen, diese mit der Familie zu                                                   viel mehr Entscheide in noch kürzerer
kombinieren und dies alles mit der Arbeit                                                   Zeit fällen. Wer gerne und mit Überzeu-
des Partners zu vereinbaren. Das ist sehr                                                   gung entscheidet, wie ich dies tue, dem
positiv, aber nichtsdestotrotz ist das Er-                                                  bereitet so was Spass.
gebnis immer noch sehr ernüchternd,                                                             Doch nicht überall fallen meine Ent-
auch bei Raiffeisen: Es sind noch viel zu                                                   scheide auf Begeisterung. So versuche ich
wenige Frauen im Kader angekommen. Vielleicht haben wir das          bei meinen beiden Töchtern mit abnehmendem Erfolg, sie beim
traditionelle Familienmodell mit nach wie vor zahlreichen Vor-       Eintritt in die Arbeitswelt zu beraten. Heute sind die Vorausset-
teilen etwas unterschätzt. Gleichberechtigte Familienmodelle         zungen ganz anders: Zu meiner Zeit musste man mit Schulaus-
sind noch zu sehr die Ausnahme.                                      tritt fast schon entschieden haben, wo man am Ende pensioniert
    Der Wandel hat auch vor den Banken nicht haltgemacht. Sie        wird. Deshalb mein Rat an meine Töchter: Lernt die Welt ken-
sind in den letzten Jahren immer mehr ein Teil der Gesellschaft      nen, geht hinaus und entscheidet euch dann. Dafür haben sie
geworden und viel stärker ins Schaufenster von Medien und            bestimmt ein offenes Ohr.
Politik gestellt worden. Das ist eine Entwicklung, die man so
akzeptieren muss. Ereignisse auf der Welt haben heute viel mehr
und schneller Einfluss auf unsere Arbeit. Und dieser Einfluss
macht an Landesgrenzen keinen halt. In dieser schnelllebigen
Zeit wird es immer wichtiger zu unterscheiden, was relevant ist
und was nicht. Denn trotz allem Tempo ist längst nicht alles
relevant.
                                                                     Pierin Vincenz
    Man muss in diesem Tempo-Teufel-Zeitalter aber auch​             Vorsitzender der Geschäftsleitung
akzeptieren, dass es Menschen gibt, die dieses Tempo nicht           der Raiffeisen Gruppe

                                                                                                         PANORAMA RAIFFEISEN    2/2015
ARBEITSWELT VON MORGEN - zum halben Preis
INHALT
                                             FOKUS
                                          6 ARBEITSWELT VON MORGEN – Künstliche Intelli-
                                            genz wird die Arbeitswelt von Grund auf verändern.
                                            Welche Berufe eine Zukunft haben und welche nicht.
                                         15 SINN IN DER ARBEIT – Michael Federer, Leiter HRM
                                            bei Raiffeisen Schweiz, im Interview über die
                                            Generation Y und den Wandel in der Arbeitswelt.
                                         16 MASSGESCHNEIDERTE JOBMODELLE –
                                            Arbeitgeber müssen flexibler werden. Drei Porträts
                                            von Raiffeisen-Mitarbeitenden mit speziellen
                                            Anstellungs­b edingungen.

                                             SWISSNESS
                                         19 AUFTAKT – Die alten Gebäude im Freilichtmuseum
                                            Ballenberg bedürfen einer besonderen Pflege.
                                         20 ZU GAST – bei Dieter Bachmann, dem Chef der Gottlieber
                                            Spezialitäten AG. Seine Mission: Das Traditionshaus in
                                            die Zukunft führen. Sein Job: kein Zuckerschlecken,
                                            sondern Knochenarbeit.
                                         25 UNTERHALT VON WOHNEIGENTUM – zahlt sich
                                    6       aus, denn auch Immobilien haben ihren Lebenszyklus.
                                            Was es bei Sanierung und Renovation zu beachten gilt.
                                         28 ENERGETISCH SANIEREN – Darüber geredet wird
                                            viel, getan wird viel zu wenig. Das soll sich dank einer
                                            Initiative von Raiffeisen nun ändern.
                                         32 BLICK ZURÜCK – Der Schweizer Kinderalltag in
                                            den 1950er-Jahren: Mit der Transportbahn und einem
                                            Stossgebet zur Schule.
                                         36 KOLUMNE – Richard Reich, Publizist und Autor, über
                                            die mitunter aufreibende Suche nach dem stimmigen Ort
                                            für Familienferien.

                                    20

                                             GELD
                                         37 AUFTAKT – Cashless Payment am Openair St.Gallen
                                         38 INTERVIEW – «Schneller innovieren als die
                                            Konkurrenz uns kopiert.» Marcel Kalbermatter,
                                            CEO von Amberg Technologies, über die guten Seiten
                                            von schwierigen Zeiten.
                                         42 ANLEGEN l – Investieren im Niedrigzinsumfeld bedingt
                               38           eine Ausweitung und Diversifikation des Portfolios.
                                         43 ANLEGEN ll – Neun von zehn Befragten erwägen, bei
                                            Fragen zum Anlegen Raiffeisen zurate zu ziehen. Das gute
                                            Umfrageergebnis kommt nicht von ungefähr.
                        32               44 WIRTSCHAFT SCHWEIZ – Deflationsängste sind
                                            dank günstigeren Importen unbegründet.

2/2015   PANORAMA RAIFFEISEN
ARBEITSWELT VON MORGEN - zum halben Preis
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                                                             Gewinnen Sie Gold!
47 KOMMENTAR – Martin Neff, Chefökonom bei                   Wie kommt unser Magazin bei Ihnen an? Wir sind an Ihrer
   Raiffeisen Schweiz, über das Phänomen der Nullen-         Meinung interessiert. Machen Sie bei unserer Umfrage mit
   Invasion in der Wirtschaft.                               und helfen Sie uns, noch besser zu werden. raiff.ch/survey
48 VORSORGE – Wer früh mit der persönlichen Vorsorge
   anfängt, kann nichts falsch machen. Im Gegenteil.
52 DARK SIDE OF MONEY – Der Onlinehandel blüht –
   und mit ihm die Betrügereien. So schützen Sie sich.

    LANDAUF LANDAB
54 VOR ORT – Die erste virtuelle Empfangsdame in
   der Raiffeisenbank in Alchenflüh, das neue Unternehmer-   48
   zentrum Baar, ein innovatives Wohnprojekt für Senioren
   in Solothurn und der Clean-up-Day in Schöftland.
57 FESTIVAL-SOMMER 2015 – Drei Eventtipps
   der Redaktion.
57 IMPRESSUM

    MEMBERPLUS
59 Auf den Spuren von Wilhelm Tell – Mitglieder
   entdecken die Schönheiten der Zentralschweiz wie
   die Rigi, das Stanserhorn oder den Pilatus jetzt zum
   Vorzugspreis.
                                                             52

   RAIFFEISEN                      Blog
   Finanzinformationen, Videos, Tipps zu
   Geldfragen, Wettbewerbe, Hintergründe
   und Umfragen finden Sie auf dem
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                                                                                            PANORAMA RAIFFEISEN     2/2015
ARBEITSWELT VON MORGEN - zum halben Preis
FOKUS                                   ARBEITSWELT VON MORGEN

DIGITAL                                                               ANALOG

Die fortschreitende Digitalisierung vereinfacht den                   Im Gegenzug wächst das Bedürfnis nach «alten Din-
Alltag von uns Menschen. Computer und Roboter                         gen». Das Interesse an analogen Geräten und scheinbar
übernehmen immer mehr Aufgaben. Auch das Wissen                       überholter Technik wird grösser. Schallplatten haben
wird schneller und einfacher zugänglich.                              Hochkonjunktur, genauso wie Oldtimer.

PREISDRUCK                                                            NACHHALTIGKEIT

Die Konkurrenz führt zu immer effizienteren Produk-                   Es ist uns nicht egal, was wir essen und konsumieren.
tionsmethoden und günstigeren Preisen. Das ist gut für                Die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit bei der Pro-
uns als Konsumenten. Wir profitieren von immer mehr                   duktion und in Unternehmenskulturen wird immer
Leistung für immer weniger Geld.                                      mehr zur Voraussetzung für langfristigen Erfolg.

ONLINE                                                                OFFLINE

Mobilität und ständige Erreichbarkeit nehmen weiter                   Das Bedürfnis nach Ruhe wächst. Im bewussten Ver-
zu. Und mit ihnen die Möglichkeiten, mit der ganzen                   zicht liegt auch ein Gewinn. Wer «offline» geht, kehrt
Welt in Kontakt zu treten und zu sein.                                der vernetzten Welt den Rücken zu und geniesst den
                                                                      Moment. Mit Freunden oder für sich allein.
Weitere Infos dazu
im Blog unter                           unft-arbeitswelt
                           agazin.ch/zuk
                 panorama-m

                                                                                         VOTEN SIE auf unserem
                                                                                         Blog zur Frage: Wird es Ihren Beruf
                                                                                         2030 noch geben?

                                                                                                        /berufsbilder
                                                                                             -magazin.ch
                                                                                    panorama

                                                                                       Wettbewerb
WUSSTEN SIE,                                                                          Gewinnen Sie Wissen!
                                                                                      «Offliner» nutzen Internet
DASS MAN RENTNER                                                                      und Handy bewusst und mit

MIETEN KANN?                                                                          gezielten Pausen. Sie leben
                                                                                      eine Gegenkultur zur zuneh-
Pensionierte verfügen über viel Erfahrung, die oft ungenutzt                          menden Digitalisierung. Mit
brachliegt. Das muss nicht sein. Im Internetportal «Rent-a-Rentner»                   etwas Glück gewinnen Sie das unterhaltsame
bieten über 4000 Pensionierte ihr Wissen an. Immer mehr Firmen                        Sachbuch von Joël Luc Cachelin. Machen Sie
greifen auf die weisen grauen Füchse zurück. Denn sie sind eine                       mit und schicken Sie eine Postkarte mit Ver-
wichtige, bislang unterschätzte Ressource unserer Gesellschaft.                       merk «Offliner» bis 31. Juli an:
rentarentner.ch                                                                       Raiffeisen Panorama, Postfach, 9001 St.Gallen.

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ARBEITSWELT VON MORGEN - zum halben Preis
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WAS KOMMT                                                                      PÄCKLIS AUS
                                                                               DER LUFT

AUF UNS ZU?                                                                    Sind Drohnen die kommenden Postboten und Lastesel? Nach dem
                                                                               Internetanbieter Amazon testet nun auch die Schweizer Post die
                                                                               unbemannte Zustellung von Gütern auf dem Luftweg. Was heute
                                                                               kaum realistisch erscheint, kann schon bald Normalität werden,
                                                                               besonders für schwer zugängliche Regionen. raiff.ch/paketdrohne

                                                                                                                            TOP
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                                                                                                                          WERBER
ERSATZ AUS                                                  CHAUFFIEREN
DEM PRINTER                                                 LASSEN                                        (ELEKTRO-)INGENIEURE
Bald drucken wir neben Papier                               Wir lassen uns künftig fahren                        CHOREOGRAFEN
ganz selbstverständlich auch Er-                            und können dabei andere Dinge
satzteile. Die Taste kaputt? Kein                           tun: Gespräche führen, einen Film                       HR-MANAGER
Problem, der 3D-Drucker liefert                             schauen oder ungestört arbei-
eine neue. Vier Thesen der                                  ten. Das Forschungsfahrzeug                                  FÖRSTER
Schweizer Handelskammer.                                    Mercedes-Benz F 015 zeigt eine
                                                                                                          ERNÄHRUNGSBERATER
raiff.ch/drucker                                            zukunftsnahe Form der Mobilität.
                                                            raiff.ch/auto
                                                                                                        BERUFE MIT UND
                                                                                                        OHNE ZUKUNFT
                                                                                                               TELEMARKETEERS
DIGITALE
                                                        58 %
                                                                                                         BUS-/TRAMCHAUFFEURE
FREUDE                                                                                                           STEUERBERATER
                                                                                                                       KASSIERER

             69 %
                                            der Schweizer Unternehmen
                                            investieren 2015 in die Digi-                                          BIBLIOTHEKAR
                                             talisierung. Damit sind wir
       Bei                                           Weltmeister.*                                                         KÖCHE

   der Unternehmen weltweit
  spielen digitale Technologien
  eine entscheidende Rolle fürs
        Geschäftsmodell.*
                                                                Nur noch    4%                                VELOMECHANIKER
                                                                                                                   ZUSTELLPROFI
                                                               der Unternehmen betrachten
                                                                die zunehmende Digitalisie-                               FLOP
                                                                  rung als Bedrohung der
                                                                      Geschäftskultur.*
* Quelle: Studie «Digitalisierung: Wer investiert und                                                      Quelle: «The Future of Employment», University of
profitiert – wer verliert?» der Wirtschaftsprüfungs-                                                      Oxford. Studie zum Download: oxfordmartin.ox.ac.uk
gesellschaft Ernst & Young, März 2015.                                                                            (Lasche Research, dann Publications).

                                                                                                                     PANORAMA RAIFFEISEN               2/2015
ARBEITSWELT VON MORGEN - zum halben Preis
8 | FOKUS Arbeitswelt von morgen

  2 /2015   PANORAMA RAIFFEISEN
ARBEITSWELT VON MORGEN - zum halben Preis
FOKUS Arbeitswelt von morgen | 9

SCHÖNE
AUSSICHTEN
Die digitale Revolution ist in vollem Gang. Sie wird in den kommenden
Jahren ihre ganze Wirkung entfalten – und die Arbeitswelt in den
nächsten Jahren von Grund auf verändern. Womit zu rechnen ist, wer
die Gewinner sind, wer die Verlierer.
Autorin Iris Kuhn-Spogat Illustration Stephan Schmitz Fotos Chris Mansfield

                                                                              PANORAMA RAIFFEISEN     2/2015
ARBEITSWELT VON MORGEN - zum halben Preis
10 | FOKUS Arbeitswelt von morgen

  D              as Treffen mit dem Kunden ist beendet. Eine Pro-
                 jektion am Handgelenk von Thomas Müller zeigt
                 an, wann und wo der nächste Termin ist, wie er am
   besten dorthin kommt: mit dem Bus zum Hauptbahnhof, um-
   steigen auf die S-Bahn, 200 Meter zu Fuss. In der S-Bahn blinkt
                                                                     angestellt. Dies alles in Personalunion – «und oft alle drei an
                                                                     einem Tag».
                                                                        Wie wird die Arbeitswelt der Zukunft aussehen? Dies ist
                                                                     eine der Fragen, hinter denen Cachelin her ist. Und mit ihm ein
                                                                     Heer von Romanautoren, Zukunftsforschern, Meinungsma-
   sein Tool: Der Mann in seinem Abteil wäre ein interessanter Ge-   chern, Beratern, Personalchefs, Statistikern, Ökonomen, IT-
   sprächspartner, steht auf dem Bildschirm, da dieser wie auch er   Freaks und Wissenschaftlern.
   an medizinaler Robotik interessiert ist. Um ein Gespräch anzu-
   zetteln ist die Zeit aber zu kurz. Darum übermittelt er seinem    Rasantes Tempo
   Gegenüber seine digitale Visitenkarte.                            Menschenleere Fabriken, in denen miteinander vernetzte Robo-
       Das Szenario stammt von Joël Luc Cachelin. Er hat es          ter und intelligente Maschinen autonom das Produktionsgesche-
   erfunden, als Antwort auf die Frage nach einer für ihn typi-      hen steuern; Mitarbeiter, die nicht mehr zu festen Zeiten ins
   schen Arbeitssituation im Jahr 2030. Der 33-jährige promo-        Büro kommen, sondern über alle Welt verstreut miteinander in
   vierte Betriebswirt nennt sich «Wissensnomade mit verschie-       einer virtuellen Datenwolke kommunizieren; 3D-Drucker, wel-
   denen Arbeitsverhältnissen». Er ist mit seinem Unternehmen        che die Produktionswelt in ihren Grundfesten erschüttern. Die
   Wissensfabrik selbstständig erwerbend, als Freelancer ist er      einen glauben, dass künftig die meisten Menschen virtuell arbei-
   bei Projektarbeiten verschiedener Unternehmen engagiert,          ten. Andere rechnen damit, dass das Kader verschwinden wird
   und er ist mit einem 20-Prozent-Pensum bei Raiffeisen             und konstruieren Organigramme flach wie eine Pizza. Tech-
                                                                     no-Optimisten glauben, dass Technologie die Mitarbeiter noch
                                                                     viel stärker als heute unterstützen und ergänzen wird. Und Pes-
                                                                     simisten, dass Roboter und künstliche Intelligenz den Menschen
                                                                     ersetzen und ihm damit schaden werden.
                                                                         So verschieden die Szenarien zur Arbeitswelt von morgen
                                                                     auch sind, eines haben sie gemeinsam: Sie gehen davon aus, dass
   Die Zeit für ein Gespräch ist zu knapp,                           wir uns erst am Anfang einer digitalen Revolution befinden.
   Thomas M. übermittelt dem Unbe-                                   Dass diese eingespielte Ordnungen durcheinanderbringen und
   kannten seine virtuelle Visitenkarte.                             die Arbeitswelt tiefgreifend verändern wird. Und alle prognosti-
                                                                     zieren, dass der Wandel schneller vonstattengehen wird, als sich
                                                                     dies die meisten von uns heute vorstellen können.
                                                                         Das Tempo wird vom Tempo der Computer bestimmt. Und
                                                                     die werden immer schneller: Ihre Rechenkapazität verdoppelt
                                                                     sich alle 18 Monate. Heute verfügt ein Smartphone schon über
                                                                     mehr Rechenleistung, als die NASA bei der Mondlandung 1969
                                                                     zur Verfügung hatte. Immer schneller, immer kleiner – Compu-
                                                                     ter durchdringen alles, stecken bald in jedem Gegenstand, ver-
                                                                     netzen alle und alles via Internet.
                                                                         Gegenstände und Umgebungen werden immer «intelligen-
                                                                     ter». Räume merken, wenn sie betreten werden, und sorgen für
                                                                     angemessenes Licht oder optimales Raumklima. Autos fahren
                                                                     von allein, unfallfrei und ohne je in einen Stau zu geraten. Ge-
                                                                     sprächspartner erscheinen nicht mehr persönlich, sondern als
                                                                     3D-Hologramme an Sitzungen, und ein Universalübersetzer
                                                                     sorgt dafür, dass Menschen aus aller Welt miteinander reden
                                                                     können. Klingt alles nach Science-Fiction, dies alles und noch
                                                                     einiges mehr steht aber vor dem Durchbruch.

                                                                     Roboter im Verwaltungsrat
                                                                     «Für viele wird sich aber trotzdem wenig ändern», sagt
                                                                     Cachelin, «ausser halt die technologische Umwelt.» Konkret:
                                                                     Roboter und Computer im Jahr 2030 werden die Arbeitswelt
                                                                     bevölkern, und zwar nicht nur Fabrikhallen, sondern auch
                                                                     Läden, Spitäler und Büros. Sie werden Aufgaben überneh-
                                                                     men, die heute auch wenig Qualifizierten ein Auskommen
Bei Deep Knowledge Ventures sitzt
                     bei Abstimmungen bereits künstliche
                     Intelligenz am Vorstandstisch.

ermöglichen: Kassiererinnen, Warenprüfer, Lageristen. Und      Neue Berufe
gleichzeitig spielen Computer in Jobs von hoch Qualifizier-    In der digitalen Revolution wird es Verlierer geben – mindestens
ten eine immer wichtigere Rolle: Rechner assistieren Wis-      vorübergehend. Fraglos werden Unternehmen vom Markt ver-
sensarbeiter, bei denen Präzision, Erfahrung und fundiertes    schwinden, und mit ihnen ganze Wirtschaftszweige, Berufs-
Know-how gefragt sind. Zum Beispiel Chirurgen, Anwälte         bilder und Arbeitsplätze. Davor Angst zu haben, hält der
oder Richter.                                                  deutsche Zukunftsforscher Matthias Horx aber für verfrüht: «Je-
    Unvorstellbar riesige Datenmengen, sogenannte Algorith-    der Technologieschub führt zu gesteigerter Nachfrage und neuen
men, werden bei Jobs, in denen Wissen gesammelt, ausgewer-     Bedürfnissen», sagt er. Die Freigesetzten finden rasch neue Jobs
tet und kombiniert werden muss, künftig nicht mehr weg‑​       und Berufe – und zwar solche, von denen man heute noch gar
zudenken sein. Schlechte Nachrichten fürs Kader? «Diese        nichts ahnt. Die Canadian Scholarship Trust Foundation und
Mitarbeiter sind ja nicht von ungefähr in dieser Position»,    eine Forschergruppe haben sich die Mühe gemacht und neue Job-
sagt Karin Frick, Zukunftsforscherin am Gottlieb Duttwei-      profile ausgeheckt, die den künftigen Anforderungen gerecht
ler Institut (GDI) in Rüschlikon, «das sind gescheite Leute,   werden könnten (siehe dazu eine Auswahl auf der nächsten Sei-
vielleicht etwas bequem und träge geworden, aber von ihren     te). Eines haben all diese künftigen Berufsbilder gemeinsam: Sie
Fähigkeiten her durchaus in der Lage, zu neuen Ufern           erfordern die Fähigkeit, altes Wissen und neue Technologien
aufzubrechen.»                                                 miteinander zu verbinden.
    Trotzdem: Maschinen als Entscheidungsträger? Why not,           Verändern werden sich aber nicht nur Joblandschaft und
sagte sich der Verwaltungsrat des Risikokapitalgebers Deep     Berufsbilder, sondern auch Arbeitsplätze und -umstände an sich.
Knowledge Ventures und nahm letztes Jahr einen Algorith-       Von den Mitarbeitenden wird künftig ein noch höheres Mass an
mus ins Gremium auf: Er heisst «Vital» und hat eine Stimme,    Flexibilität und die Bereitschaft verlangt, ständig Neues zu ler-
wenn es zur Abstimmung kommt, ob ein Investitionsvorha-        nen. Dafür soll Arbeiten vielschichtiger, bunter und selbstbe-
ben realisiert oder abgeschossen wird.                         stimmter werden. Die Taktgeber für diese Entwicklung sind die

                                                                                                 PANORAMA RAIFFEISEN      2/2015
12 | FOKUS Arbeitswelt von morgen

                  Nostalgologe: Inneneinrichter, die Räume
                  so gestalten, dass glückliche Erinnerungen
                  oder ein bestimmtes Lebensgefühl erhalten
                  bleiben. Ausbildung: Innen­architektur,
                  Geschichte, Psychologie.

                 NEUE BERUFE 2030
                 Die kanadische Stiftung für Bildungsförderung
                 (Cana­dian Scholarship Trust) hat in Kooperation mit
                 einer Gruppe von Wissenschaftlern 2014 eine Liste
                 mit Job­profilen erstellt, die es 2030 geben könnte.
                 Eine kleine Auswahl.

                  Roboterberater: Es wird dereinst kein Leichtes
                  sein, den für sich passenden Roboter zu finden.
                  Roboterberater analysieren die Bedürfnisse und
                  kennen den Markt. Ausbildung: klassische
                  Verkäuferqualitäten, soziokulturelle Kenntnisse,
                  Faible für Technik.                                   Telechirurg: Chirurgen operieren
                                                                        via Roboter und Kamera – total
                                                                        ortsunabhängig. Ausbildung: Medi-
                                                                        zinstudium, Kenntnisse von komple-
                                                                        xen Robotern.

   2 /2015   PANORAMA RAIFFEISEN
FOKUS Arbeitswelt von morgen | 13

                                                   nachrückenden Generationen. Gut ausgebildete Youngsters wer-
                                                   den künftig sehr begehrt sein, weil die Gesellschaft altert und
                                                   auf eine Knappheit an Arbeitskräften zusteuert. Sie anzulocken
                                                   erfordert neue Ideen, denn sie ticken anders. «Die Generationen
                                                   Y und Z wollen spannende Aufgaben, Freiräume und Entwick-
                                                   lungsmöglichkeiten», sagt Karin Frick, «mit ihren Wertvorstel-
                                                   lungen werden sie die Arbeitswelt neu prägen.»
                                                       Laut einer aktuellen Studie von CBRE, einem der weltgröss-
                                                   ten Immobiliendienstleister, mit dem Titel «Fast Forward 2030»
                                                   sind triste Bürolandschaften künftig passé, fixe Arbeitsplätze
                                                   ebenso. Ein Blick nach Kalifornien, wo einige der innovativsten
                                                   Techfirmen ständig bestrebt sind, die talentiertesten Köpfe an
                                                   sich zu binden, zeigt augenfällig, wohin diese Reise führt: zu völ-
                                                   lig neuen Gebäudekonzepten und Raumwelten. Bei Cisco zum
                                                   Beispiel kann Teamwork in konventionellen Konferenzräumen
                                                   stattfinden oder auch in abgesenkten Sofalandschaften. Für
Abfalldesigner: Das Schlagwort heisst              Gespräche im kleineren Kreis stehen eine Art Kokons zur Verfü-
Upcycling, das Rezept: aus Abfall hochwertige      gung, zum Abschalten Gamekonsolen, Schlafinseln und auch
Produkte herstellen. Ausbildung: Kenntnis in       WiFi-freie Zonen. Weil zudem statistisch jeder fünfte Bürotisch
kreativen Produktionsprozessen, Industriede-       nicht besetzt ist, da Angestellte in den Ferien sind oder an Sit-
sign, Material- und Ingenieurswissenschaften.      zungen, hat in diesen Firmen kaum mehr jemand einen fest zu-
                                                   geteilten Arbeitsplatz oder gar einen 9-to-5-Job.

                                                   Flexibilität versus Freiheit
                                                   «Festangestellte werden auch hierzulande ein Mass an Freiheit
                                                   und Selbstbestimmung bekommen, wie es bisher nur Selbststän-
                                                   dige kannten», sagt Cachelin. Sie gehen tagsüber ins Kino, ver-
                                                   bringen Zeit mit ihren Kindern, integrieren ihre Hobbys in den
                                                   Tagesablauf – ohne Abstriche im Job. Immer mehr Angestellte
                                                   werden je nach Tagesverfassung und Aufgabenstellung auswäh-
                                                   len, ob sie im Grossraumbüro, in Ruhezellen, in der Kantine,
                                                   draussen im Firmenpark oder irgendwo sonst arbeiten.
                                                       Von den 4,5 Millionen Beschäftigten in der Schweiz haben
                                                   gemäss einer Umfrage der Initiative Home Office Day schon heu-
                                                   te 54 Prozent die Möglichkeit, ortsunabhängig zu arbeiten. Über
Urbaner Bauer: Kartoffeln auf Hochhausdä-          eine Million Angestellte machen davon bereits Gebrauch. Sie
chern, Beeren­kulturen in vertikalen Gärten ent-   arbeiten zu Hause, in Cafés, im Schwimmbad, im Zug oder in
lang von Hausmauern – Lebensmittel werden          sogenannten Co-Working-Spaces: In Schweizer Städten gibt es
angebaut, wo sie gebraucht werden. Ausbildung:     bislang schätzungsweise 30 solche Arbeitsorte für Freelancer,
Landwirtschaft, Treibhausanbau, Energieeffi-       digitale Nomaden und Homeofficers. Gegen Gebühr gibt es dort
zienz und Architektur.                             Sitzplätze, WLAN, Kaffee – alles in einer Atmosphäre kreativer
                                                   Emsigkeit.
                                                       Fixe Arbeitsplätze oder dauerhafte Anstellungsverhältnisse:
                                                   «Diese Zeiten sind definitiv vorbei», sagt GDI-Forscherin Frick,
                                                   «das Arbeitsleben wird eher wellenförmig verlaufen.» Ein Hoch-
                                                   schulabsolvent wird gemäss Eric Lippmann, dem Leiter des Zen-
                                                   trums Leadership, Coaching und Change Management an der
                                                   Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, künftig
                                                   mindestens zwölfmal den Arbeitgeber wechseln – so er sich denn
                                                   überhaupt noch fest anstellen lässt: «Firmen tendieren bereits
                                                   heute zu Freelancern», sagt Frick.
                                                       Das Extrembeispiel: Uber. Eine Plattform, keine Flotte,
                                                   kein Wartungspersonal – trotzdem ist der neue Taxidienst,
                                                   bei dem jeder Private als selbstständiger Unternehmer ins
                                                   Chauffiergewerbe einsteigen kann, heute bereits mehr wert

                                                                                      PANORAMA RAIFFEISEN       2/2015
14 | FOKUS Arbeitswelt von morgen

   als der grosse Autovermieter Budget. Und Airbnb, ebenfalls
   nicht viel mehr als eine Plattform, auf der jedermann seine
   Privaträume untervermieten kann, soll bereits 13 Milliarden
   Dollar wert sein, mehr als die ganze Hyatt-Gruppe. Uber und
   Airbnb sind wertvoll wie Weltkonzerne, sie kommen mit ei-
   nem Bruchteil des Personalbestands von Grossunternehmen
   aus und bieten Privaten Möglichkeiten, Geld zu verdienen.

   Mensch versus Maschine
   Zu den Gewinnern in der Arbeitswelt von morgen werden die
   Handwerker gehören. «Sie gewinnen an Bedeutung, weil Men-
   schen handwerkliche Fähigkeiten im Allgemeinen verlieren»,
   sagt Cachelin, «es gibt noch viele andere Bereiche, in denen der
   Mensch auch in Zukunft die Maschine übertrifft.» Im Vorder-
   grund stehen Cachelin zufolge Tätigkeiten wie Entwickeln, Be-
   treuen und Inszenieren. Aber auch auf ganz anderen Tätigkeits-
   gebieten werden Rechner im Vergleich zum Menschen
   vorderhand chancenlos bleiben: Maschinen haben kein Gewis-
   sen, sie haben keinen Geschmack und null Stilbewusstsein. Sie
   sind zudem nicht kreativ oder gar innovativ. Sie verstehen keine
   Ironie und taugen nicht dazu, um Traurige zu trösten, Neuroti-
   ker zu therapieren, Unglückliche aufzumuntern oder Kinder zu
   erziehen. Und last but not least formiert sich zur digitalen Revo-
   lution bereits eine Gegenbewegung: Wissen- und Gedanken-
   sammler Cachelin hat dazu gerade ein Buch veröffentlicht – mit
   dem Titel «Offliner». Sie können es gewinnen, mehr dazu auf
   Seite 6.

             GLOSSAR

             Uberisierung: Was bei Taxis erfolgreich funktioniert, geht
             auch bei Fingernägeln, Floristen und Textilpflege: Produkte
             und Dienstleistungen via App bestellen, direkt abrechnen.

             Co-Working: Neudeutsch für das moderne Gemeinschafts-
             büro. Selbstständige, Freelancer und Heimarbeiter teilen sich
             Equipment, Ideen und Wissen.

             Sharing-Economy: Schlagwort für kollektiven Konsum: Ge-
             genstände – von der Bohrmaschine über das Auto bis zum
             Bestseller – werden ausgeliehen, getauscht oder vermietet.      Arbeitgeber erwarten künftig ein
                                                                             noch höheres Mass an Flexibilität,
             Digital Natives: alle nach 1980 Geborenen, auch Generati-       und sie verlangen die Bereitschaft,
             on Y (bis frühe 2000-er) und Generation Z (ab frühe 2000-er).   ständig Neues zu lernen. Dafür
                                                                             wird Arbeiten vielschichtiger,
             Digital Immigrants: alle vor 1980 Geborenen.
                                                                             bunter und selbstbestimmter.
             Algorithmus: Eine Handlungsanweisung, um ein bestimmtes
             Problem zu lösen – ein Computerprogramm zum Beispiel.

   2 /2015    PANORAMA RAIFFEISEN
FOKUS Arbeitswelt von morgen | 15

«WANDEL AN SICH IST
		 JA NICHTS NEUES»
 Interview Iris Kuhn-Spogat Illustration Kornel Stadler

 Michael Federer, 42, Leiter HRM bei Raiffeisen
 Schweiz, über neue Arbeitsmodelle und seine
 Motivation, neue Computer zu kaufen, obschon
 es der alte noch täte.

 PANORAMA: Schlagwort «Arbeitswelt 2030» – was
 kommt Ihnen dazu in den Sinn?
 Michael Federer: Es wird sich vieles ändern. Es gibt
 zwei grosse Treiber für die Dynamik: erstens die Digita-
 lisierung und zweitens der Generationenwechsel. Bis im
 Jahr 2030 werden die meisten unserer Mitarbeiter soge-
 nannte «Digital Natives» sein.

 Sie stellen ja seit Längerem schon Ypsiloner ein. Tickt
 diese Generation wirklich anders?
 Das Bedürfnis nach Teilzeitstellen und danach, nicht        eingetreten bin, gab es weder Smartphones noch Video­
 nur dem Karrierepfad zu folgen, sondern auch anderen        konferenzen. Im Zahlungsverkehr hat man die Einzah-
 Interessen, ist klar ausgeprägter.                          lungsscheine bis vor gar nicht so langer Zeit noch von
                                                             Hand eingetippt. Dann gab es die Scanner, und inzwi-
 Was für Qualitäten muss ein Mitarbeiter heute haben?        schen läuft alles vollautomatisch. Der Wandel an sich
 Das kommt auf den jeweiligen Job an. Grundsätzlich          ist nichts Neues. Was neu ist, ist das Tempo. Neue­
 sind heute aber Flexibilität und Veränderungsbereit-        rungen kommen immer schneller und in kürzeren
 schaft sicher sehr wichtig.                                 Abständen.

 Wie sorgen Sie dafür, dass Raiffeisen weiterhin als         Was machen Sie selbst, um den Anschluss nicht
 Arbeitgeberin attraktiv ist?                                zu verlieren?
 Indem auch wir selbst am Ball bleiben, uns anpassen         Ich zwinge mich dazu mitzuhalten, sowohl mit den
 und verändern. Wir führen zum Beispiel neue Arbeits-        fachlichen Fortschritten als auch mit den technolo­
 formen ein, unterstützen die Teilzeitarbeit auch für        gischen. Das führt unter anderem auch dazu, dass ich
 Männer und fördern generell die Flexibilität, z.B. durch    mir ein neues Gerät anschaffe, obschon es das alte in
 das Angebot von Home Office. Aber es sind freilich          meinen Augen noch lange tun würde. Heute kann nie-
 nach wie vor die Arbeitsinhalte und die Perspektiven,       mand mehr erwarten, vom Arbeitgeber zur Schulung
 die es ausmachen. Gerade neue Generationen wollen           über die neuste Word-Version eingeladen zu werden – es
 spannende Inhalte und Sinn in der Arbeit ...                ist selbstverständlich, sich à jour zu halten. Man muss
                                                             offen bleiben und am Ball. Das ist sehr wichtig. Und
 ... und gleichzeitig möglichst viel verdienen!              dies liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen.
 Das auch. Aber nicht in erster Linie. Die meisten sind in
 Wohlstand aufgewachsen und streben daher nach mehr
 als nur Geld.

 Was steht für Sie als Leiter HRM zuoberst auf Ihrer
 Prioritätenliste?                                                              ZUKUNFT HEUTE            >>>>>>>>
 Die Entwicklung unserer Arbeitswelt. Und zwar nicht                            Drei Beispiele für flexible Arbeitsmodelle,
 erst seit gestern. Als ich vor 15 Jahren bei Raiffeisen                        die bei Raiffeisen schon heute Realität sind.

                                                                                               PANORAMA RAIFFEISEN       2/2015
16 | FOKUS Arbeitswelt von morgen

              Nadine Nussle, 38 – Kreditrisiko Officer
              Ich bin ein Raiffeisen-Kind. Ich arbeite bei dieser         Inzwischen arbeite ich mit einem 40-Pro-
              Bank, seit ich mit der Lehre angefangen habe. Arbeit   zent-Pensum bei Raiffeisen und zu 50 Prozent als
              und Umfeld haben mir immer schon gefallen. Trotz-      Maskenbildnerin am Opernhaus Zürich. Diese Kom-
              dem wollte ich mit 30 Jahren noch eine andere Seite    bination von Kopfarbeit und Handwerk ist perfekt
              von mir ausleben, jedoch ohne den Job in der Bank      für mich. Dank viel Einsatz und dem Willen und der
              aufzugeben: Als grosser Theaterfan träumte ich da-     Unterstützung meiner Vorgesetzten habe ich den
              von, Maskenbildnerin zu werden. Ich bin bei der        Weg zu einem Zweitberuf geschafft. Natürlich hat es
              Umsetzung dieses Wunsches bei meinen Vorgesetz-        auch einen Preis, in zwei so verschiedenen Welten
              ten auf offene Ohren gestossen und habe mich – als     gleichzeitig zu arbeiten. Meine Wochen sind inten-
              Raiffeisen-Mitarbeiterin – umschulen lassen, mein      siv, Freizeit habe ich wenig – und einen Rhythmus
              Pensum erst auf 80 Prozent und zeitweilig sogar auf    schon gar nicht. Aber gerade diese Abwechslung ist
              20 Prozent reduziert.                                  für mich das «Salz in der Suppe».

   2 /2015   PANORAMA RAIFFEISEN
Fabian Christ, 34 – Social Media Manager
Ich spiele gerade meine letzte Saison als Profihand-    Deutschland hatte ich einst eine entsprechende drei-
baller. Danach werde ich mich voll auf meinen Job       jährige Ausbildung absolviert. Mein Pensum von da-
bei Raiffeisen konzentrieren. Ich bin 2007 als Hand-    mals 50 Prozent habe ich bei Raiffeisen inzwischen
baller nach St. Gallen gekommen und arbeite seither     auf 90 Prozent hochschrauben können. Nebst dem
bei Raiffeisen Schweiz. Dass ich überhaupt einem        Handballsport auch noch den Job bei Raiffeisen zu
Beruf nachgehe, hat damit zu tun, dass ich als Profi-   haben, war in vielerlei Hinsicht eine gute Entschei-
handballer in der Schweiz auf einmal mehr Zeit hat-     dung. Lief es am einen Ort nicht so gut, funktionier-
te neben dem Sport – und die wollte ich sinnvoll        te es dafür meist am anderen. Beides zu haben, hat
nutzen. Zudem wollte ich mir ein zweites Standbein      manches Tief ausgeglichen. Und nun habe ich eine
aufbauen.                                               Perspektive: Ich bin seit einem halben Jahr Social
    Ich habe mich für eine Stelle im Marketing​         Media Manager – und werde jetzt beruflich weiter
beworben – während meiner Profikarriere in              Gas geben.

                                                                                  PANORAMA RAIFFEISEN     2/2015
18 | FOKUS Arbeitswelt von morgen

             Marco Gämperle, 19 –
             KV-Lernender in spe
             Skifahren ist mein Leben. Dieser Weg hat sich
             früh abgezeichnet. Alles begann in der Skischu-
             le Flims. Ich war sechs Jahre alt, als ein Skileh-
             rer mein Talent entdeckte. Wenig später wech-
             selte ich zur Renngruppe – und wurde gefördert.
             Ich absolvierte die Sekundarschule in der
             Talentschule Ilanz. Am Ende erhielt ich von
             Gabriel Casutt, Vorsitzender der Leitung der
             Raiffeisenbank Surselva und damals Präsident
             des Bündner Skiverbands, eine Lehrstellenga-
             rantie: Sollte ich es bis 2021 nicht zum Profi ge-
             schafft haben, kann ich bei der Raiffeisenbank
             das KV absolvieren.
                 Seither widme ich mich voll dem Sport. Seit
             einem Jahr absolviere ich quasi im Nebenamt
             eine Detailhandelslehre bei meinem Ausrüster
             «Stöckli». Ich erhalte da keinen Lohn, habe da-
             für aber alle Freiräume für Trainings und Ren-
             nen. Ich werde alles mir Mögliche geben, um an
             die Weltspitze zu kommen. Dafür muss ich ver-
             letzungsfrei bleiben und brauche auch eine Prise
             Glück. Jederzeit bei Raiffeisen einsteigen zu
             können, ist mein Plan B. Er macht mir den Kopf
             frei und beruhigt mich.

   2 /2015    PANORAMA RAIFFEISEN
Raiffeis
                                                                                            die vertrau en ist                       | 19
                                                                                                       e n sw ü
                                                                                                Schweizer rdigste
                                                                                                            Bank

SWISSNESS
                                                                                                 In der Kateg
                                                                                        Banken /Fin            orie
                                                                                                    anzdienstle
                                                                                           Raiffeisen P          ister belegt
                                                                                                        latz 1 seit ze
                                                                                          aufeinander                 hn
                                                                                                      folgenden Ja
                                                                                          Das zeigt die              hren.
                                                                                        «European       aktuelle Stu
                                                                                                   Trusted Bra        die
                                                                                             rdtrustedbra       nds 2015».
                                                                                                           nds.com

                                                                                      TIPPS FÜR DIE
                                                                                      SOMMERFERIEN​
                                                                                      Der Untersee, wo das Unternehmen
                                                                                      Gottlieber Hüppen (siehe nächste Sei-
                                                                                      te) beheimatet ist, bietet sich für einen
                                                                                      Tagesausflug an. Die Redaktion ​verrät
«FRÜHER HAT MAN                                                                       ihre Lieblingsplätze.

LANGLEBIGER GEBAUT»                                                                   Wandern entlang des Untersees/TG
                                                                                      Auf dem etwa dreistündigen Rundwander-
Ballenberg ist eines der attraktivsten Freilichtmuseen Europas.                       weg in Steckborn erwartet Sie ein unver-
Die teilweise 500 Jahre alten Bauernhäuser und Scheunen werden                        gessliches Panorama über den Bodensee.
sorgfältig mit natürlichen Baumaterialien saniert.                                    alt-steckborn.ch/rundwanderweg.html

Panorama: Heutige Häuser haben eine Lebensdauer von 75 bis 100 Jahren.
Hat man früher langlebiger gebaut?
Norbert Schmid: Früher hat man Naturmaterialien wie Holz oder Stein eingesetzt,
die Erwartungen an die Isolation waren nicht so hoch. Doch auch unsere über 100
Ballenberg-Gebäude müssen regelmässig saniert werden. Das Wetter sowie 250 000
Besucher pro Saison führen zu Abnützungen.
Welche Baumaterialien verwenden Sie bei der Sanierung?
Ballenberg arbeitet mit Holz, Naturstein, Eisen sowie Stroh für zwei Dächer. Für      Entspannen auf der Schifffahrt
Verputz dient Mauermörtel und Sumpfkalk, den wir auf dem Museumsgelände               Lassen Sie sich danach die Strapazen von
produzieren.                                                                          der frischen Seebrise auf der Fahrt nach
Gibt es denn noch Fachleute für diese speziellen Techniken?                           Gottlieben wegblasen. Das Schiff verkehrt
Gerade in diesem Bereich haben wir auf dem Ballenberg eine hohe Kompetenz. Bei        viermal täglich.
einem Aufbau oder Unterhalt eines Gebäudes kommen alle bekannten Berufsgat-
tungen wie Zimmermann, Maurer oder Dachdecker zum Einsatz. Das Spezielle an           Schlemmen im Gottlieber Seecafé
den Ballenberg-Häusern ist aber der Umstand, dass es sich um unersetzliches Kul-      Gönnen Sie sich nach den Anstrengungen
turgut handelt. Die Leute auf dem Ballenberg und ihre externen Partnerfirmen          ein Dessert auf der einladenden Seeterrasse
haben sich im Verlaufe der Jahrzehnte wertvolles Wissen im Umgang mit histori-        des Gottlieber Manufakturladens.
schen Originalbauten erarbeitet.

Norbert Schmid,
Leiter Marketing Ballenberg,
                                                                                    SMART-HOME-STUDIE
Freilichtmuseum der Schweiz
                                                                                         MIT GDI
                                                                                Eine GDI-Studie im Auftrag von Raiffeisen
Tipp: Raiffeisen-Mitglieder (inkl. 5 Kinder) können den Ballen-                Schweiz untersucht, wie die Digitalisierung
berg mit der persönlichen Raiffeisen Maestro- oder V PAY-Karte,               und Vernetzung von Wohngegenständen unser
MasterCard oder Visa Card gratis besuchen. Jugendliche benö-                   Zuhause revolutionieren. Die Studie erscheint
tigen lediglich eine Maestro- oder V PAY-Jugendkarte.                                   im November 2015. gdi.ch
raiffeisen.ch/museum

                                                                                                    PANORAMA RAIFFEISEN     2/2015
NAPOLEONS
 NASCHWERK
SWISSNESS Zu Gast | 21

In einem beschaulichen Dorf am Untersee stellt die Gottlieber
Spezialitäten AG seit Jahrzehnten feinste Waffelröllchen her, die
Gottlieber Hüppen. Durch das Traditionsunternehmen weht ein
frischer Wind. Es macht sich fit für die Zukunft und setzt dabei
nicht zuletzt auf Wandel in der Firmenkultur.
Autor Leander Schwarz Fotos Dominic Büttner

D
           ie Delikatesse aus dem Thurgau      Geschenke in den Regalen jeder besseren      der Konservator des Napoleonmuseums
           durfte im Bundeshaus nicht feh-     Bäckerei. Doch mit der Zeit verschwanden     auf Schloss Arenenberg von Kaufquittun-
           len. Als die Ostschweizer Parla-    immer mehr althergebrachte Verkaufs-         gen für die Gaufrettes erzählte, wie die
mentarier ihren Kolleginnen und Kollegen       punkte und damit auch Stammkunden.           Naschereien zu Hof hiessen.
in der Bundesversammlung im letzten            Mit einem Satz: Die Spezialitäten aus dem        Der Marketingprofi liess sich nicht
Herbst kulturelle und kulinarische High-       300-Seelen-Dorf am Bodensee brauchten        zweimal bitten. «Die traditionsreiche Ge-
lights präsentierten, gab es auch Gottlieber   dringend einen Vermarktungsschub.            schichte unseres Produkts», sagt er, «wurde
Hüppen zu naschen. Schliesslich sind die           Damit kannte sich Dieter Bachmann        lange nicht als der Schatz wahrgenommen,
mit diversen Schokoladen gefüllten Waf-        aus. Als der damals 37-Jährige die 1928      den sie für unsere Firma darstellt. Das ist
felröllchen ein Klassiker und deren Her-       gegründete Firma übernahm, konnte er         doch eine tolle Story, ein lässiges Ver-
stellerin ein Vorzeige-KMU.                    bereits auf eine bewegte Berufskarriere      kaufsargument!» Auch Verpackung ist
    Hauptaktionär der Gottlieber Speziali-     zurückblicken: Er hatte eine Lehre als       Marketing. Deshalb machen bei Gottlieber
täten AG ist seit 2008 Dieter Bachmann.        Augenoptiker gemacht, als selbstständiger    neuerdings elegante dunkelbraune Falt-
Als Geschäftsführer hält er die Geschicke      Veranstaltungsorganisator gearbeitet, ein    schachteln klar: Hüppen sind ein Premi-
des Unternehmens selbst in der Hand. «Ich      Betriebswirtschaftsstudium abgeschlossen,    um-Produkt. Exklusives schätzen nicht
hatte unterschätzt, wie lange es dauern        ein Werbe- und ein Internetunternehmen       zuletzt Firmenkunden. Der Blumenver-
würde, den Betrieb vollständig zu erneu-       aufgebaut, als Unternehmensberater gear-     sand Fleurop zum Beispiel oder die Lu-
ern», sagt er rückblickend. Das Problem        beitet und war Wirtschaftsförderer von       xus-Hotelgruppe Peninsula aus Hongkong.
war nicht etwa die Qualität der Produkte       Winterthur gewesen. Der rote Faden bei       Und auch Swiss verwöhnt ihre First-
– die Hüppen werden wie eh und je aus          allen diesen Tätigkeiten: verkaufen.         Class-Passagiere mit dem zarten Gebäck.
erstklassigen Rohstoffen und mit viel              Marken leben von Geschichten. Und
Handarbeit hergestellt. Der Absatz kam         so werden Besucher bei der Betriebsbe-       Im Premium-Segment angekommen
mehr und mehr ins Stocken.                     sichtigung der Gottlieber Spezialitäten AG   Wir sind auf unserer Tour in der Backstu-
                                               mit einem Film über das Leben des jungen     be angelangt. Dieter Bachmann öffnet bei
Qualität allein genügt nicht                   Napoleon III. (1808 – 1873) empfangen.       einer der Maschinen ein Türchen, heisse
Man hatte sich in Gottlieben auf den Lor-      Der künftige Kaiser von Frankreich wuchs     Luft und süsse Duftschwaden schlagen
beeren ausgeruht. Jahrzehntelang lief der      im Thurgau auf und konnte als Knirps of-     uns entgegen. Wir erhaschen einen Blick
Verkauf fast von selbst. Die Teigrollen mit    fenbar nicht genug bekommen von den          auf die Backstrasse, auf der die hauchdün-
ihrer Schokoladefüllung waren im ganzen        Hüppen. Die Anekdote ist Dieter Bach-        nen Crêpes gebacken werden, die anschlies­
Land ein Begriff und standen als beliebte      mann gewissermassen zugeflogen, als ihm      send einzeln zu Hüppen gerollt werden.

                                                                                                        PANORAMA RAIFFEISEN      2/2015
22 | SWISSNESS Zu Gast

                                                        «Fürs Massengeschäft in der EU
                                                         sind wir einfach zu exklusiv.»

   Als diese automatische Produktionsanlage       drohte zum gefährlichen Klumpenrisiko          sein. Der 2012 in Winterthur eröffnete
   vor 30 Jahren gebaut wurde, war sie der        zu werden. Zudem wurde das Geschäft mit        Flagshipstore soll ebenfalls als Kombina-
   Stolz der Firma. Heute hingegen ist sie ein    den Grossverteilern zunehmend schwie­          tion von Laden und Café funktionieren.
   Sorgenkind. Wenn die Maschinen am              riger und weniger rentabel. Die Margen
   Morgen angefahren werden, ist nicht im-        schrumpften und schrumpften. Vor diesem        Expansion nach Asien
   mer sicher, ob sie es ohne Panne bis zum       Hintergrund zog sich Gottlieber beispiels-     Die Stossrichtung für die Zukunft also ist
   Abend schaffen.                                weise nach dem ersten Frankenschock 2011       klar und die Strategie («Abhängigkeiten
       Da sieht es in den Produktionsräu-         völlig vom äusserst preissensiblen deut-       erkennen und vermeiden») steht mitten in
   men, wo die Hüppen mit einem Dutzend           schen Markt zurück. «Fürs Massen­geschäft      der Umsetzung. Dazu gehört auch eine
   unterschiedlicher Füllungen – von Gian-        in der EU», bilanziert Dieter Bachmann,        vorsichtige Expansion ins Ausland. Bereits
   duja über Amaretto bis zu Irish Cream –        «sind wir einfach zu exklusiv.»                gibt es «Sweets & Coffee» in der südchine-
   gefüllt und verpackt werden, ganz anders           Die Lösung des Margenproblems, so          sischen 12-Millionen-Stadt Guangzhou,
   aus. Hier sind brandneue Maschinen im          erkannte der neue Geschäftsführer, liegt       und ein weiterer Ableger wird demnächst
   Einsatz. Doch bis diese Spezialanferti­        im Direktverkauf. Darauf will die Firma        in Dubai eröffnet. Dabei arbeitet Gottlie-
   gungen wie gewünscht funktionierten,           künftig vor allem setzen. Bereits wird         ber mit Partnern vor Ort zusammen, denen
   dauerte es mehrere Jahre. Ein aufreiben-       übers Internet und in den eigenen Ge-          die Firma ihr Verkaufskonzept in Lizenz
   der Prozess, den der Geschäftsführer sei-      schäften die Hälfte des Umsatzes erzielt.      vergibt. Die Neuausrichtung erfolgt dabei
   nen rund 40 Mitarbeitenden nicht zur           Der Onlinehandel wächst mit gegen 40           nicht überhastet, sondern Schritt für
   gleichen Zeit ein zweites Mal zumuten          Prozent pro Jahr, und allein das Seecafé in    Schritt und wohlüberlegt.
   wollte. Der längst fällige Ersatz von          Gottlieben verkauft weit mehr Hüppen als           Seine neuen Ideen diskutiert Dieter
   Backstrasse und Rollanlage wurde deshalb       beispielsweise ein Schweizer Grossvertei-      Bachmann unter anderem mit einem
   zurückgestellt. Doch nun werden auch           ler mit 500 Filialen. So erfolgreich wie das   Beirat von «kompetenten Gottlieber
   diese Maschinen als Einzelanfertigungen        Gottlieber Café mit Manufakturladen di-        Fans». Dieses prominent besetzte Gremi-
   noch in diesem Jahr neu gebaut.                rekt am Produktionsstandort soll bald          um besteht aus Gabriela Manser, Chefin
       «Danach», so Dieter Bachmann, «wer-        auch das «Gottlieber Sweets & Coffee»          der Mineralquelle Gontenbad und
   den wir auf sehr gesunden Füssen stehen»
   – nicht nur technisch, sondern auch finan-
   ziell. «Wir finanzieren alle unsere Investi-
   tionen meist sehr konservativ aus dem Ge-
   winn, jeder verdiente Franken fliesst
   wieder in die Firma.» Die grösste Heraus-
   forderung auf dem Weg, die Gottlieber
   Spezialitäten AG in die Zukunft zu füh-
   ren, waren aber nicht die in die Jahre ge-
   kommenen Maschinen, sondern das Ent-
   wickeln einer neuen Verkaufsstrategie.

   Abschied vom Massengeschäft
   Wir sitzen mittlerweile im firmeneigenen
   Seecafé direkt am Seerhein, der die beiden
   Teile des Bodensees verbindet. Dieter
   Bachmann erzählt von den Abhängig­
   keiten, die seinem Unternehmen immer
   mehr zu schaffen gemacht hätten. Einer-
   seits wurde verstärkt im Auftrag einzelner
   Grosskunden produziert, welche die Hüp-
   pen unter eigenem Namen verkauften –
   dieses sogenannte Private-Label-Geschäft
                                                                                                                                         01

   2 /2015   PANORAMA RAIFFEISEN
SWISSNESS Zu Gast | 23

                                                     02

01 Im Gottlieber Seecafé gelangen Hüppen und              03
   andere süsse Versuchungen direkt von der
   Produktion in den Verkauf.
02 Gottlieber Hüppen entstehen aus erstklassigen,
   möglichst aus der Schweiz stammenden Zutaten.
03 Der Crêpes-Teig für die feinen und hauchdünnen
   Waffelröllchen wird maschinell angerührt.
04 Die Qualität muss zu 100 Prozent stimmen, bevor
   die Hüppen ausgeliefert werden.
05 Am Ende des Produktionsablaufs wird jede Hüppe
   einzeln von Hand kontrolliert und mit dem Auge
   begutachtet.

                                                          04

05

                                                               PANORAMA RAIFFEISEN   2/2015
24 | SWISSNESS Zu Gast

   Unternehmerin des Jahres 2005, Martin
   Naville, CEO der Swiss-American Cham-                                                                       «Wir richten den
   ber of Commerce und Präsident Zoo Zü-
                                                                                                               Blick auf positive
   rich, Alexander Ospelt, VR-Präsident der
   Ospelt Gruppe (u.a. Fleischspezialitäten),                                                                  Dinge und nicht
   sowie Philipp Jöhr, Inhaber BW Gruppe.                                                                      darauf, was nicht
   Anders als ein Verwaltungsrat müsse die-                                                                    läuft. Lob und
   ser «Gestaltungsrat», wie ihn Bachmann
   auch nennt, nicht zurückblicken und das
                                                                                                               Anerkennung
   Geschäftsergebnis analysieren, sondern                                                                      fördern Motivation
   könne ausschliesslich nach vorn schauen.                                                                    und Produktivität.»
                                                                                                               Dieter Bachmann,
   Klima und Umsatz stimmen                                                                                    Geschäftsführer Gottlieber Spezialitäten AG
   Und wie hat Dieter Bachmann den Wandel
   innerhalb seines Unternehmens herbeige-
   führt? Unter seinen Mitarbeiterinnen und         möchte. «Das bringt eine gewisse Offen-        können. Das Motto dabei könnte lauten:
   Mitarbeitern, die zum Teil 20 Jahre und          heit, so werden wir alle offener für Neues»,   profitabel klein bleiben.»
   mehr in der Hüppen-Produktion beschäf-           sagt Bachmann.                                     Klein, aber fein – was für die gerollten
   tigt sind? «Wir haben ein System aufge-              Nicht nur das gute Betriebsklima be-       Köstlichkeiten aus dem Thurgau zutrifft,
   baut, das auf gegenseitige Wertschätzung         stärkt den Geschäftsführer in seiner Neu-      soll also auch für die Firma gelten, die sie
   setzt», erklärt der Quereinsteiger im Con-       ausrichtung, auch die Zahlen tun dies. Der     produziert. Und die Strategie der Gottlie-
   fiseriegeschäft. «Wir richten den Blick auf      Umsatz der Eigenmarke Gottlieber Spezi-        ber Spezialitäten AG könnte durchaus auf-
   positive Dinge und nicht darauf, was nicht       alitäten AG hat sich seit seinem Antritt       gehen. In einer Welt, in der sich Produkte
   läuft; Lob und Anerkennung fördern die           2008 mehr als verdoppelt. Der Erfolg also      zunehmend gleichen und global verfügbar
   Motivation und Produktivität.»                   gibt ihm Recht. Doch was heisst Erfolg?        sind, freuen sich immer mehr Konsumen-
       Konkretes Beispiel für diese Art der         Dieter Bachmann überlegt einen Moment,         tinnen und Konsumenten an lokalen, mit
   Firmenkultur sind die Sitzungen, bei de-         wägt seine Worte ab und sagt dann: «Wir        Herzblut hergestellten Spezialitäten – und
   nen sich die Teilnehmer zum Einstieg je-         wollen profitabel sein, ohne immer wach-       an Firmen, die ihre Produkte mit guten
   weils gegenseitig aufbauendes Feedback           sen zu müssen. Unser Ziel ist es nicht, so     Geschichten anzureichern wissen.
   geben. Oder die Workshops, die mit der           gross zu werden wie die Big Player in un-
   ganzen Belegschaft durchgeführt werden:          serem Geschäft. Wir wollen vielmehr den        Werfen Sie im Video einen Blick hinter
   Sie drehen sich darum, was man gemein-           Ansprüchen unserer Kunden gerecht wer-         die Kulissen.
   sam erreicht hat, was es zu feiern gibt und      den, eine spannende Welt kreieren und die
                                                                                                                              tlieber-hueppen
                                                                                                                agazin.ch/got
   was man im nächsten Jahr alles feiern            Löhne unserer Mitarbeitenden zahlen               panorama-m

               Wettbewerb

             Das «Gottlieber» Hüppen-Hotel
             erwartet Sie und Ihre Begleitung!
             Lassen Sie sich bei einer Betriebsbesichtigung in die Geheimnisse der Hüppen-Backkunst einweihen und gewinnen Sie eine
             Übernachtung für vier Personen inkl. Nachtessen im exklusiven «Gottlieber» Hüppen-Hotel mit fantastischer Terrasse an den
             Gestaden des Seerheins. Auf dem geführten Rundgang werden Sie sehen, wie sorgfältig die gebackenen, noch warmen
             Crêpes wie ein Zigarrenblatt einzeln gerollt, mit zartschmelzender Schokolade gefüllt und einzeln verpackt werden.
                Ergänzen Sie den folgenden Satz «Gottlieber Hüppen sind etwas ganz Besonderes, weil sie…» und sind Sie bei
             der Verlosung dabei. Reichen Sie uns Ihren Vorschlag bis 31. Juli 2015 als Kommentar auf dem Blog panorama-magazin.ch/
             gottlieber-​wettbewerb ein, schicken Sie eine E-Mail (Betreff «Gottlieber Hüppen») an wettbewerb@raiffeisen.ch oder
             eine Postkarte an: Raiffeisen Schweiz, ​Panorama, «Gottlieber Hüppen», Postfach, 9001 St.Gallen.

   2 /2015    PANORAMA RAIFFEISEN
SWISSNESS Lebenszyklus von Immobilien                     | 25

            Lebensdauer in Jahren
                                                               Sonnenkollektoren

                    Schrägdach
                                                 Dachfenster                                        Fenster mit Isolationsverglasung

                                                                                   Fassade
                         Lamellenstoren

     Sonnenstoren                                                 Dachrinne

                                                                                                                        Garagentor

                                                                                       Haustürschloss

                      Terrassenboden
                                                                                     Hauskatze
                                                                                                              Zahlen: Lebensdauertabelle, HEV Schweiz, 2015

GUT UNTERHALTEN
Immobilien brauchen Pflege, sonst verlieren sie an Wert. Regelmässige
Investitionen und eine sinnvolle Planung senken die Kosten, erhalten
die Freude an der Liegenschaft und steigern deren Verkaufspreis.

Autor Dr. Robert Weinert Infografik Bruno Muff

Wer eine Immobilie nicht nur als Nutz-               verwendeten Bauteile bestimmt. Überla-       Prozent der Gesamtkosten aus. Diese
objekt, sondern auch als eine langfristige           gert wird der individuelle Lebenszyklus      Phase beeinflusst jedoch massgeblich die
Investition betrachtet, sollte sich regel-           einer Immobilie jeweils vom Zyklus des       weiteren 80 Prozent der Kosten, die erst
mässig Gedanken über den Unterhalt                   gesamten Immobilienmarkts. Hier zeigt        nach der Fertigstellung anfallen.
und mögliche Sanierungsmassnahmen                    sich, welches Immobilienangebot vorhan-          Um die Kosten unter Kontrolle zu
machen. Denn jedes Wohngebäude hat                   den ist, wie sich das Nachfrageverhalten     halten, braucht es regelmässige Sanie-
eine bestimmte Lebensdauer. Der soge-                entwickelt und welche Finanzierungskon-      rungsmassnahmen. Diese sind zwar mit
nannte Lebenszyklus von Immobilien                   ditionen den Markt begleiten.                einem entsprechenden Kapitaleinsatz
beginnt mit dem Erwerb eines Grund-                                                               verbunden, sie beeinflussen den Werter-
stücks und führt über die Realisierungs-             Investitionen lohnen sich                    halt jedoch entscheidend. So erhöht sich
phase zur Fertigstellung, danach zur                 Die Lebenszykluskosten, also die Kosten      der Verkaufspreis bei einer Eigentums-
Nutzung oder Umnutzung und schliess-                 für die gesamte Lebensdauer einer Immo-      wohnung beispielsweise um über 15 Pro-
lich zum Abriss.                                     bilie, werden meist nicht richtig einge-     zent, wenn sich das Objekt in einem
    Bereits mit der Fertigstellung eines             schätzt und in der Regel unterschätzt.       guten statt nur durchschnittlichen Zu-
Objekts setzt dessen Alterungsprozess ein.           Oft machen die Baukosten während der         stand befindet. Bei einem überdurch-
Dieser wird von der Lebensdauer der                  Realisierungsphase gerade einmal 20          schnittlichen Zustand (unter anderem

                                                                                                                    PANORAMA RAIFFEISEN                  2/2015
26 | SWISSNESS Lebenszyklus von Immobilien

                                                                                                     werden mögliche Massnahmen durch
                                                                                                     neue gesetzliche Normen ausgelöst. Dazu
                 Elektrizität 8 %                               Heizungsverluste
                                                                                                     zählen etwa feuerpolizeiliche Bestim-
                                                                                                     mungen oder Regulierungen zugunsten
                 Warmwasser 9 %                                                                      von Umwelt (Altlasten), Energie, Park-
                                                                            Estrichboden/Dach        platzsituation und Sicherheit.
                                                                                                         Gegenwärtig wird bei bevorstehenden
                                                                                                     Sanierungsmassnahmen oft auch geprüft,
                                                                                                     ob sich allenfalls Ersatzneubauten oder
                                                                                                     Anbauten lohnen. Ist nämlich die Ausnüt-
                                                                           Aussenwände
       Fenster                                                                                       zung eines Grundstücks bereits ausge-
                                                                                                     schöpft, lässt sich zusätzlicher Wohnraum
                                       Undichtigkeiten/Lüften                                        schaffen. Dieser kann entweder vermietet
                                                                                                     oder selbst genutzt werden. Aufgrund at-
                                                                                                     traktiver Fremdfinanzierungskonditionen
                                                                                                     und einer hohen Nachfrage nach Wohn-
                                                                                                     raum können diese beiden Massnahmen
     Boden
                                                                                                     insbesondere in stark wachsenden Ge-
                                                                                                     meinden vielversprechend sein.

                                                                                                     Sanieren zum richtigen Zeitpunkt
   Die Energiezukunft Schweiz hat berechnet, wo die Wärme im Haus verloren geht.                     An zweiter Stelle folgen die Steuerge­set­
   Aussenwände, Dach und Fenster tragen über die Hälfte zum Wärmeverlust bei.                        ze. Sanierungsmassnahmen sind für den
                                                                                                     Eigentümer mit zahlreichen steuerlichen
   durch den Einbau von Multifunktions-                grösseren Wohnflächen, grosszügigerer         Auswirkungen verbunden. Dabei wird
   küchen, verbesserten Nasszellen oder                Badelandschaft und zusätzlicher Dusch-        zwischen werterhaltenden (oft abzugs-
                                                                                                     ­
   hochwertigen Bodenbelägen) lässt sich               gelegenheit, offeneren Räumen mit ei-         fähig) und wertvermehrenden Ausgaben
   der Verkaufspreis bei Eigentumswohnun-              nem hohen Fensteranteil sowie Wänden          (meist nicht abzugsfähig) unterschieden.
   gen sogar um bis zu 45 Prozent steigern.            und Belägen, die den heutigen Ge-             In Abhängigkeit zur erwarteten Einkom-
       Diese Zahlen illustrieren, dass es für          schmack treffen. Deshalb ist auch dieser      mensentwicklung beeinflussen bauliche
   den nachhaltigen Wert einer Immobilie               Aspekt im Vorfeld einer Sanierung zu          Massnahmen die private Erfolgsrech-
   nicht nur wichtig ist, wo sich ein Objekt           berücksichtigen.                              nung massgeblich. Demzufolge gilt es,
   befindet, wie gut die Anbindung an die                                                            den richtigen Zeitpunkt einer Sanie-
   lokale Infrastruktur ist und wie gut sich           Abwarten oder handeln?                        rungsmassnahme zu wählen.
   ein Objekt nutzen lässt. Regelmässige,              Entscheidungen mit langer zeitlicher Per-         Leitplanken setzt als Dritter auch der
   sinnvolle Unterhalts- und Sanierungs-               spektive sind kein leichtes Unterfangen,      Denkmalschutz. Die Bestimmungen sind
   massnahmen haben einen ebenso rele-                 denn die Palette der Möglichkeiten ist        grundsätzlich auf kantonaler Stufe gere-
   vanten Einfluss auf einen späteren Ver-             gross. Sie reicht vom bewussten Abwar-        gelt. Die damit verbundenen Leitprinzi-
   kauf oder die Weitergabe an die Kinder.             ten, bis eine Renovation unumgänglich         pien gestalten sich aber schweizweit ähn-
                                                       ist, über die schlichte, nicht nachhaltige    lich. Die Messlatte für schützenswerte
   Ansprüche steigen                                   «Pinselrenovation» bis hin zu einem Er-       oder denkmalgeschützte Objekte liegt
   Neben der technischen Lebensdauer ei-               satzneubau. Mehrere Faktoren beein-           insbesondere bei angestrebten Umnut-
   ner bewohnten Immobilie, die zwischen               flussen dabei die Entscheidungsfindung.       zungen oder Ersatzneubauten hoch. Da-
   75 und 100 Jahre beträgt, hat auch die              Neben den persönlichen Interessen, den        mit wirken diese Gesetze tendenziell
   soziale Alterung einen grossen Einfluss             finanziellen Möglichkeiten und Finanzie-      «konservierend» auf Teile des Schweizer
   auf den Wert einer Liegenschaft. Denn               rungskonditionen sind insbesondere der        Gebäudeparks – was auch das grundsätz-
   die Bedürfnisse und Ansprüche an ein                gesetzliche Rahmen und die Restlebens-        liche Ziel des Denkmalschutzes ist.
   Wohnobjekt wandeln sich. Dies hat zur               dauer der Bauteile ins Kalkül zu ziehen.          Die vierte und letzte Leitplanke stel-
   Folge, dass sich ältere Gebäude schlechter               Vier rechtliche Systeme setzen dabei     len Subventionen dar. Marktunabhängi-
   vermieten oder verkaufen lassen. Denn               die Leitplanken für die Sanierung. Teil-      ge finanzielle Anreize der öffentlichen
   sie entsprechen nicht mehr den heutigen             weise ermöglichen sie auch finanzielle        Hand beeinflussen die Entscheidungsfin-
   Erwartungen, auch wenn sie technisch                Zuschüsse. An erster Stelle stehen die Bau-   dung bei baulichen Massnahmen eben-
   noch in einem guten Zustand sind.                   gesetze: Die kantonalen und kommunalen        falls. Insbesondere im energetischen Be-
       Die gestiegenen Ansprüche zeigen                Baubestimmungen setzen bei Sanierungs-        reich existiert heute eine stattliche
   sich etwa beim Wunsch nach generell                 massnahmen klare Anreizstrukturen. Oft        Palette an Subventionen in Form von

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