ARBEITSWELT VON MORGEN - zum halben Preis
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DAS KUNDENMAGAZIN DER RAIFFEISENBANKEN ARBEITSWELT VON MORGEN SPANNEND, SELBSTBESTIMMT, DIGITAL : erPlus Memb eiz lschw Zentra reis ha lben P zum 9 Seite 5 NR. 2 | JUNI 2015
EDITORIAL | 3 DER WANDEL BEREITET FREUDE P apierloses Büro und Menschen, die mehrheitlich nur mitgehen wollen oder können. Wir müssen auch zu diesen Men- noch von zu Hause aus arbeiten. So stellte man sich die schen Sorge tragen. Und es gilt heute mehr denn je, das private Arbeitswelt der Zukunft vor, als ich vor 30 Jahren ins Umfeld aktiv zu pflegen. So wie man das Geschäft plant, sollte Berufsleben eingestiegen bin. Beides ist bis heute nicht eingetre- jeder auch sein Privatleben in die Hand nehmen. Das muss man ten. Weshalb? Weil am Arbeitsplatz nebst dem geschäftlichen wollen, das kommt nicht von allein. auch ein sozialer Austausch stattfindet. Auch wenn die Arbeits- Damit ich persönlich den zum Teil rasanten Wandel nicht zeitmodelle heute mehr Flexibilität zulas- verpasse, schare ich gute Leute um mich. sen, so werden wir uns auch noch in zehn Ich masse mir nicht an, die neusten oder zwanzig Jahren am Arbeitsplatz tref- Trends und Entwicklungen selbst zu or- fen und in Teams arbeiten. Die Digitali- ten und meine richtigen Schlüsse zu zie- sierung wird uns noch stärker unterstüt- hen. Ich war aber zeitlebens offen für zen, sie wird uns aber nicht zu Sklaven in Neues und habe gelernt, sehr gut zuzuhö- einer virtuellen Welt machen. ren. Mir macht der Wandel noch immer Der Wandel in der Arbeitswelt hat richtig Freude, auch wenn die Entschei- auch dazu geführt, dass Frauen heute die dungsintensität in den letzten Jahren besseren Chancen haben, eine Berufskar- enorm zugenommen hat: Ich muss heute riere zu machen, diese mit der Familie zu viel mehr Entscheide in noch kürzerer kombinieren und dies alles mit der Arbeit Zeit fällen. Wer gerne und mit Überzeu- des Partners zu vereinbaren. Das ist sehr gung entscheidet, wie ich dies tue, dem positiv, aber nichtsdestotrotz ist das Er- bereitet so was Spass. gebnis immer noch sehr ernüchternd, Doch nicht überall fallen meine Ent- auch bei Raiffeisen: Es sind noch viel zu scheide auf Begeisterung. So versuche ich wenige Frauen im Kader angekommen. Vielleicht haben wir das bei meinen beiden Töchtern mit abnehmendem Erfolg, sie beim traditionelle Familienmodell mit nach wie vor zahlreichen Vor- Eintritt in die Arbeitswelt zu beraten. Heute sind die Vorausset- teilen etwas unterschätzt. Gleichberechtigte Familienmodelle zungen ganz anders: Zu meiner Zeit musste man mit Schulaus- sind noch zu sehr die Ausnahme. tritt fast schon entschieden haben, wo man am Ende pensioniert Der Wandel hat auch vor den Banken nicht haltgemacht. Sie wird. Deshalb mein Rat an meine Töchter: Lernt die Welt ken- sind in den letzten Jahren immer mehr ein Teil der Gesellschaft nen, geht hinaus und entscheidet euch dann. Dafür haben sie geworden und viel stärker ins Schaufenster von Medien und bestimmt ein offenes Ohr. Politik gestellt worden. Das ist eine Entwicklung, die man so akzeptieren muss. Ereignisse auf der Welt haben heute viel mehr und schneller Einfluss auf unsere Arbeit. Und dieser Einfluss macht an Landesgrenzen keinen halt. In dieser schnelllebigen Zeit wird es immer wichtiger zu unterscheiden, was relevant ist und was nicht. Denn trotz allem Tempo ist längst nicht alles relevant. Pierin Vincenz Man muss in diesem Tempo-Teufel-Zeitalter aber auch Vorsitzender der Geschäftsleitung akzeptieren, dass es Menschen gibt, die dieses Tempo nicht der Raiffeisen Gruppe PANORAMA RAIFFEISEN 2/2015
INHALT FOKUS 6 ARBEITSWELT VON MORGEN – Künstliche Intelli- genz wird die Arbeitswelt von Grund auf verändern. Welche Berufe eine Zukunft haben und welche nicht. 15 SINN IN DER ARBEIT – Michael Federer, Leiter HRM bei Raiffeisen Schweiz, im Interview über die Generation Y und den Wandel in der Arbeitswelt. 16 MASSGESCHNEIDERTE JOBMODELLE – Arbeitgeber müssen flexibler werden. Drei Porträts von Raiffeisen-Mitarbeitenden mit speziellen Anstellungsb edingungen. SWISSNESS 19 AUFTAKT – Die alten Gebäude im Freilichtmuseum Ballenberg bedürfen einer besonderen Pflege. 20 ZU GAST – bei Dieter Bachmann, dem Chef der Gottlieber Spezialitäten AG. Seine Mission: Das Traditionshaus in die Zukunft führen. Sein Job: kein Zuckerschlecken, sondern Knochenarbeit. 25 UNTERHALT VON WOHNEIGENTUM – zahlt sich 6 aus, denn auch Immobilien haben ihren Lebenszyklus. Was es bei Sanierung und Renovation zu beachten gilt. 28 ENERGETISCH SANIEREN – Darüber geredet wird viel, getan wird viel zu wenig. Das soll sich dank einer Initiative von Raiffeisen nun ändern. 32 BLICK ZURÜCK – Der Schweizer Kinderalltag in den 1950er-Jahren: Mit der Transportbahn und einem Stossgebet zur Schule. 36 KOLUMNE – Richard Reich, Publizist und Autor, über die mitunter aufreibende Suche nach dem stimmigen Ort für Familienferien. 20 GELD 37 AUFTAKT – Cashless Payment am Openair St.Gallen 38 INTERVIEW – «Schneller innovieren als die Konkurrenz uns kopiert.» Marcel Kalbermatter, CEO von Amberg Technologies, über die guten Seiten von schwierigen Zeiten. 42 ANLEGEN l – Investieren im Niedrigzinsumfeld bedingt 38 eine Ausweitung und Diversifikation des Portfolios. 43 ANLEGEN ll – Neun von zehn Befragten erwägen, bei Fragen zum Anlegen Raiffeisen zurate zu ziehen. Das gute Umfrageergebnis kommt nicht von ungefähr. 32 44 WIRTSCHAFT SCHWEIZ – Deflationsängste sind dank günstigeren Importen unbegründet. 2/2015 PANORAMA RAIFFEISEN
| 5 Gewinnen Sie Gold! 47 KOMMENTAR – Martin Neff, Chefökonom bei Wie kommt unser Magazin bei Ihnen an? Wir sind an Ihrer Raiffeisen Schweiz, über das Phänomen der Nullen- Meinung interessiert. Machen Sie bei unserer Umfrage mit Invasion in der Wirtschaft. und helfen Sie uns, noch besser zu werden. raiff.ch/survey 48 VORSORGE – Wer früh mit der persönlichen Vorsorge anfängt, kann nichts falsch machen. Im Gegenteil. 52 DARK SIDE OF MONEY – Der Onlinehandel blüht – und mit ihm die Betrügereien. So schützen Sie sich. LANDAUF LANDAB 54 VOR ORT – Die erste virtuelle Empfangsdame in der Raiffeisenbank in Alchenflüh, das neue Unternehmer- 48 zentrum Baar, ein innovatives Wohnprojekt für Senioren in Solothurn und der Clean-up-Day in Schöftland. 57 FESTIVAL-SOMMER 2015 – Drei Eventtipps der Redaktion. 57 IMPRESSUM MEMBERPLUS 59 Auf den Spuren von Wilhelm Tell – Mitglieder entdecken die Schönheiten der Zentralschweiz wie die Rigi, das Stanserhorn oder den Pilatus jetzt zum Vorzugspreis. 52 RAIFFEISEN Blog Finanzinformationen, Videos, Tipps zu Geldfragen, Wettbewerbe, Hintergründe und Umfragen finden Sie auf dem Raiffeisen-Blog, a uf Facebook und Twitter. panorama-magazin.ch facebook.com/raiffeisen.ch twitter.com/raiffeisen_ch 59 PANORAMA RAIFFEISEN 2/2015
FOKUS ARBEITSWELT VON MORGEN DIGITAL ANALOG Die fortschreitende Digitalisierung vereinfacht den Im Gegenzug wächst das Bedürfnis nach «alten Din- Alltag von uns Menschen. Computer und Roboter gen». Das Interesse an analogen Geräten und scheinbar übernehmen immer mehr Aufgaben. Auch das Wissen überholter Technik wird grösser. Schallplatten haben wird schneller und einfacher zugänglich. Hochkonjunktur, genauso wie Oldtimer. PREISDRUCK NACHHALTIGKEIT Die Konkurrenz führt zu immer effizienteren Produk- Es ist uns nicht egal, was wir essen und konsumieren. tionsmethoden und günstigeren Preisen. Das ist gut für Die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit bei der Pro- uns als Konsumenten. Wir profitieren von immer mehr duktion und in Unternehmenskulturen wird immer Leistung für immer weniger Geld. mehr zur Voraussetzung für langfristigen Erfolg. ONLINE OFFLINE Mobilität und ständige Erreichbarkeit nehmen weiter Das Bedürfnis nach Ruhe wächst. Im bewussten Ver- zu. Und mit ihnen die Möglichkeiten, mit der ganzen zicht liegt auch ein Gewinn. Wer «offline» geht, kehrt Welt in Kontakt zu treten und zu sein. der vernetzten Welt den Rücken zu und geniesst den Moment. Mit Freunden oder für sich allein. Weitere Infos dazu im Blog unter unft-arbeitswelt agazin.ch/zuk panorama-m VOTEN SIE auf unserem Blog zur Frage: Wird es Ihren Beruf 2030 noch geben? /berufsbilder -magazin.ch panorama Wettbewerb WUSSTEN SIE, Gewinnen Sie Wissen! «Offliner» nutzen Internet DASS MAN RENTNER und Handy bewusst und mit MIETEN KANN? gezielten Pausen. Sie leben eine Gegenkultur zur zuneh- Pensionierte verfügen über viel Erfahrung, die oft ungenutzt menden Digitalisierung. Mit brachliegt. Das muss nicht sein. Im Internetportal «Rent-a-Rentner» etwas Glück gewinnen Sie das unterhaltsame bieten über 4000 Pensionierte ihr Wissen an. Immer mehr Firmen Sachbuch von Joël Luc Cachelin. Machen Sie greifen auf die weisen grauen Füchse zurück. Denn sie sind eine mit und schicken Sie eine Postkarte mit Ver- wichtige, bislang unterschätzte Ressource unserer Gesellschaft. merk «Offliner» bis 31. Juli an: rentarentner.ch Raiffeisen Panorama, Postfach, 9001 St.Gallen. 2 /2015 PANORAMA RAIFFEISEN
| 7 WAS KOMMT PÄCKLIS AUS DER LUFT AUF UNS ZU? Sind Drohnen die kommenden Postboten und Lastesel? Nach dem Internetanbieter Amazon testet nun auch die Schweizer Post die unbemannte Zustellung von Gütern auf dem Luftweg. Was heute kaum realistisch erscheint, kann schon bald Normalität werden, besonders für schwer zugängliche Regionen. raiff.ch/paketdrohne TOP LEHRER ZAHNÄRZTE WERBER ERSATZ AUS CHAUFFIEREN DEM PRINTER LASSEN (ELEKTRO-)INGENIEURE Bald drucken wir neben Papier Wir lassen uns künftig fahren CHOREOGRAFEN ganz selbstverständlich auch Er- und können dabei andere Dinge satzteile. Die Taste kaputt? Kein tun: Gespräche führen, einen Film HR-MANAGER Problem, der 3D-Drucker liefert schauen oder ungestört arbei- eine neue. Vier Thesen der ten. Das Forschungsfahrzeug FÖRSTER Schweizer Handelskammer. Mercedes-Benz F 015 zeigt eine ERNÄHRUNGSBERATER raiff.ch/drucker zukunftsnahe Form der Mobilität. raiff.ch/auto BERUFE MIT UND OHNE ZUKUNFT TELEMARKETEERS DIGITALE 58 % BUS-/TRAMCHAUFFEURE FREUDE STEUERBERATER KASSIERER 69 % der Schweizer Unternehmen investieren 2015 in die Digi- BIBLIOTHEKAR talisierung. Damit sind wir Bei Weltmeister.* KÖCHE der Unternehmen weltweit spielen digitale Technologien eine entscheidende Rolle fürs Geschäftsmodell.* Nur noch 4% VELOMECHANIKER ZUSTELLPROFI der Unternehmen betrachten die zunehmende Digitalisie- FLOP rung als Bedrohung der Geschäftskultur.* * Quelle: Studie «Digitalisierung: Wer investiert und Quelle: «The Future of Employment», University of profitiert – wer verliert?» der Wirtschaftsprüfungs- Oxford. Studie zum Download: oxfordmartin.ox.ac.uk gesellschaft Ernst & Young, März 2015. (Lasche Research, dann Publications). PANORAMA RAIFFEISEN 2/2015
FOKUS Arbeitswelt von morgen | 9 SCHÖNE AUSSICHTEN Die digitale Revolution ist in vollem Gang. Sie wird in den kommenden Jahren ihre ganze Wirkung entfalten – und die Arbeitswelt in den nächsten Jahren von Grund auf verändern. Womit zu rechnen ist, wer die Gewinner sind, wer die Verlierer. Autorin Iris Kuhn-Spogat Illustration Stephan Schmitz Fotos Chris Mansfield PANORAMA RAIFFEISEN 2/2015
10 | FOKUS Arbeitswelt von morgen D as Treffen mit dem Kunden ist beendet. Eine Pro- jektion am Handgelenk von Thomas Müller zeigt an, wann und wo der nächste Termin ist, wie er am besten dorthin kommt: mit dem Bus zum Hauptbahnhof, um- steigen auf die S-Bahn, 200 Meter zu Fuss. In der S-Bahn blinkt angestellt. Dies alles in Personalunion – «und oft alle drei an einem Tag». Wie wird die Arbeitswelt der Zukunft aussehen? Dies ist eine der Fragen, hinter denen Cachelin her ist. Und mit ihm ein Heer von Romanautoren, Zukunftsforschern, Meinungsma- sein Tool: Der Mann in seinem Abteil wäre ein interessanter Ge- chern, Beratern, Personalchefs, Statistikern, Ökonomen, IT- sprächspartner, steht auf dem Bildschirm, da dieser wie auch er Freaks und Wissenschaftlern. an medizinaler Robotik interessiert ist. Um ein Gespräch anzu- zetteln ist die Zeit aber zu kurz. Darum übermittelt er seinem Rasantes Tempo Gegenüber seine digitale Visitenkarte. Menschenleere Fabriken, in denen miteinander vernetzte Robo- Das Szenario stammt von Joël Luc Cachelin. Er hat es ter und intelligente Maschinen autonom das Produktionsgesche- erfunden, als Antwort auf die Frage nach einer für ihn typi- hen steuern; Mitarbeiter, die nicht mehr zu festen Zeiten ins schen Arbeitssituation im Jahr 2030. Der 33-jährige promo- Büro kommen, sondern über alle Welt verstreut miteinander in vierte Betriebswirt nennt sich «Wissensnomade mit verschie- einer virtuellen Datenwolke kommunizieren; 3D-Drucker, wel- denen Arbeitsverhältnissen». Er ist mit seinem Unternehmen che die Produktionswelt in ihren Grundfesten erschüttern. Die Wissensfabrik selbstständig erwerbend, als Freelancer ist er einen glauben, dass künftig die meisten Menschen virtuell arbei- bei Projektarbeiten verschiedener Unternehmen engagiert, ten. Andere rechnen damit, dass das Kader verschwinden wird und er ist mit einem 20-Prozent-Pensum bei Raiffeisen und konstruieren Organigramme flach wie eine Pizza. Tech- no-Optimisten glauben, dass Technologie die Mitarbeiter noch viel stärker als heute unterstützen und ergänzen wird. Und Pes- simisten, dass Roboter und künstliche Intelligenz den Menschen ersetzen und ihm damit schaden werden. So verschieden die Szenarien zur Arbeitswelt von morgen auch sind, eines haben sie gemeinsam: Sie gehen davon aus, dass Die Zeit für ein Gespräch ist zu knapp, wir uns erst am Anfang einer digitalen Revolution befinden. Thomas M. übermittelt dem Unbe- Dass diese eingespielte Ordnungen durcheinanderbringen und kannten seine virtuelle Visitenkarte. die Arbeitswelt tiefgreifend verändern wird. Und alle prognosti- zieren, dass der Wandel schneller vonstattengehen wird, als sich dies die meisten von uns heute vorstellen können. Das Tempo wird vom Tempo der Computer bestimmt. Und die werden immer schneller: Ihre Rechenkapazität verdoppelt sich alle 18 Monate. Heute verfügt ein Smartphone schon über mehr Rechenleistung, als die NASA bei der Mondlandung 1969 zur Verfügung hatte. Immer schneller, immer kleiner – Compu- ter durchdringen alles, stecken bald in jedem Gegenstand, ver- netzen alle und alles via Internet. Gegenstände und Umgebungen werden immer «intelligen- ter». Räume merken, wenn sie betreten werden, und sorgen für angemessenes Licht oder optimales Raumklima. Autos fahren von allein, unfallfrei und ohne je in einen Stau zu geraten. Ge- sprächspartner erscheinen nicht mehr persönlich, sondern als 3D-Hologramme an Sitzungen, und ein Universalübersetzer sorgt dafür, dass Menschen aus aller Welt miteinander reden können. Klingt alles nach Science-Fiction, dies alles und noch einiges mehr steht aber vor dem Durchbruch. Roboter im Verwaltungsrat «Für viele wird sich aber trotzdem wenig ändern», sagt Cachelin, «ausser halt die technologische Umwelt.» Konkret: Roboter und Computer im Jahr 2030 werden die Arbeitswelt bevölkern, und zwar nicht nur Fabrikhallen, sondern auch Läden, Spitäler und Büros. Sie werden Aufgaben überneh- men, die heute auch wenig Qualifizierten ein Auskommen
Bei Deep Knowledge Ventures sitzt bei Abstimmungen bereits künstliche Intelligenz am Vorstandstisch. ermöglichen: Kassiererinnen, Warenprüfer, Lageristen. Und Neue Berufe gleichzeitig spielen Computer in Jobs von hoch Qualifizier- In der digitalen Revolution wird es Verlierer geben – mindestens ten eine immer wichtigere Rolle: Rechner assistieren Wis- vorübergehend. Fraglos werden Unternehmen vom Markt ver- sensarbeiter, bei denen Präzision, Erfahrung und fundiertes schwinden, und mit ihnen ganze Wirtschaftszweige, Berufs- Know-how gefragt sind. Zum Beispiel Chirurgen, Anwälte bilder und Arbeitsplätze. Davor Angst zu haben, hält der oder Richter. deutsche Zukunftsforscher Matthias Horx aber für verfrüht: «Je- Unvorstellbar riesige Datenmengen, sogenannte Algorith- der Technologieschub führt zu gesteigerter Nachfrage und neuen men, werden bei Jobs, in denen Wissen gesammelt, ausgewer- Bedürfnissen», sagt er. Die Freigesetzten finden rasch neue Jobs tet und kombiniert werden muss, künftig nicht mehr weg‑ und Berufe – und zwar solche, von denen man heute noch gar zudenken sein. Schlechte Nachrichten fürs Kader? «Diese nichts ahnt. Die Canadian Scholarship Trust Foundation und Mitarbeiter sind ja nicht von ungefähr in dieser Position», eine Forschergruppe haben sich die Mühe gemacht und neue Job- sagt Karin Frick, Zukunftsforscherin am Gottlieb Duttwei- profile ausgeheckt, die den künftigen Anforderungen gerecht ler Institut (GDI) in Rüschlikon, «das sind gescheite Leute, werden könnten (siehe dazu eine Auswahl auf der nächsten Sei- vielleicht etwas bequem und träge geworden, aber von ihren te). Eines haben all diese künftigen Berufsbilder gemeinsam: Sie Fähigkeiten her durchaus in der Lage, zu neuen Ufern erfordern die Fähigkeit, altes Wissen und neue Technologien aufzubrechen.» miteinander zu verbinden. Trotzdem: Maschinen als Entscheidungsträger? Why not, Verändern werden sich aber nicht nur Joblandschaft und sagte sich der Verwaltungsrat des Risikokapitalgebers Deep Berufsbilder, sondern auch Arbeitsplätze und -umstände an sich. Knowledge Ventures und nahm letztes Jahr einen Algorith- Von den Mitarbeitenden wird künftig ein noch höheres Mass an mus ins Gremium auf: Er heisst «Vital» und hat eine Stimme, Flexibilität und die Bereitschaft verlangt, ständig Neues zu ler- wenn es zur Abstimmung kommt, ob ein Investitionsvorha- nen. Dafür soll Arbeiten vielschichtiger, bunter und selbstbe- ben realisiert oder abgeschossen wird. stimmter werden. Die Taktgeber für diese Entwicklung sind die PANORAMA RAIFFEISEN 2/2015
12 | FOKUS Arbeitswelt von morgen Nostalgologe: Inneneinrichter, die Räume so gestalten, dass glückliche Erinnerungen oder ein bestimmtes Lebensgefühl erhalten bleiben. Ausbildung: Innenarchitektur, Geschichte, Psychologie. NEUE BERUFE 2030 Die kanadische Stiftung für Bildungsförderung (Canadian Scholarship Trust) hat in Kooperation mit einer Gruppe von Wissenschaftlern 2014 eine Liste mit Jobprofilen erstellt, die es 2030 geben könnte. Eine kleine Auswahl. Roboterberater: Es wird dereinst kein Leichtes sein, den für sich passenden Roboter zu finden. Roboterberater analysieren die Bedürfnisse und kennen den Markt. Ausbildung: klassische Verkäuferqualitäten, soziokulturelle Kenntnisse, Faible für Technik. Telechirurg: Chirurgen operieren via Roboter und Kamera – total ortsunabhängig. Ausbildung: Medi- zinstudium, Kenntnisse von komple- xen Robotern. 2 /2015 PANORAMA RAIFFEISEN
FOKUS Arbeitswelt von morgen | 13 nachrückenden Generationen. Gut ausgebildete Youngsters wer- den künftig sehr begehrt sein, weil die Gesellschaft altert und auf eine Knappheit an Arbeitskräften zusteuert. Sie anzulocken erfordert neue Ideen, denn sie ticken anders. «Die Generationen Y und Z wollen spannende Aufgaben, Freiräume und Entwick- lungsmöglichkeiten», sagt Karin Frick, «mit ihren Wertvorstel- lungen werden sie die Arbeitswelt neu prägen.» Laut einer aktuellen Studie von CBRE, einem der weltgröss- ten Immobiliendienstleister, mit dem Titel «Fast Forward 2030» sind triste Bürolandschaften künftig passé, fixe Arbeitsplätze ebenso. Ein Blick nach Kalifornien, wo einige der innovativsten Techfirmen ständig bestrebt sind, die talentiertesten Köpfe an sich zu binden, zeigt augenfällig, wohin diese Reise führt: zu völ- lig neuen Gebäudekonzepten und Raumwelten. Bei Cisco zum Beispiel kann Teamwork in konventionellen Konferenzräumen stattfinden oder auch in abgesenkten Sofalandschaften. Für Abfalldesigner: Das Schlagwort heisst Gespräche im kleineren Kreis stehen eine Art Kokons zur Verfü- Upcycling, das Rezept: aus Abfall hochwertige gung, zum Abschalten Gamekonsolen, Schlafinseln und auch Produkte herstellen. Ausbildung: Kenntnis in WiFi-freie Zonen. Weil zudem statistisch jeder fünfte Bürotisch kreativen Produktionsprozessen, Industriede- nicht besetzt ist, da Angestellte in den Ferien sind oder an Sit- sign, Material- und Ingenieurswissenschaften. zungen, hat in diesen Firmen kaum mehr jemand einen fest zu- geteilten Arbeitsplatz oder gar einen 9-to-5-Job. Flexibilität versus Freiheit «Festangestellte werden auch hierzulande ein Mass an Freiheit und Selbstbestimmung bekommen, wie es bisher nur Selbststän- dige kannten», sagt Cachelin. Sie gehen tagsüber ins Kino, ver- bringen Zeit mit ihren Kindern, integrieren ihre Hobbys in den Tagesablauf – ohne Abstriche im Job. Immer mehr Angestellte werden je nach Tagesverfassung und Aufgabenstellung auswäh- len, ob sie im Grossraumbüro, in Ruhezellen, in der Kantine, draussen im Firmenpark oder irgendwo sonst arbeiten. Von den 4,5 Millionen Beschäftigten in der Schweiz haben gemäss einer Umfrage der Initiative Home Office Day schon heu- te 54 Prozent die Möglichkeit, ortsunabhängig zu arbeiten. Über Urbaner Bauer: Kartoffeln auf Hochhausdä- eine Million Angestellte machen davon bereits Gebrauch. Sie chern, Beerenkulturen in vertikalen Gärten ent- arbeiten zu Hause, in Cafés, im Schwimmbad, im Zug oder in lang von Hausmauern – Lebensmittel werden sogenannten Co-Working-Spaces: In Schweizer Städten gibt es angebaut, wo sie gebraucht werden. Ausbildung: bislang schätzungsweise 30 solche Arbeitsorte für Freelancer, Landwirtschaft, Treibhausanbau, Energieeffi- digitale Nomaden und Homeofficers. Gegen Gebühr gibt es dort zienz und Architektur. Sitzplätze, WLAN, Kaffee – alles in einer Atmosphäre kreativer Emsigkeit. Fixe Arbeitsplätze oder dauerhafte Anstellungsverhältnisse: «Diese Zeiten sind definitiv vorbei», sagt GDI-Forscherin Frick, «das Arbeitsleben wird eher wellenförmig verlaufen.» Ein Hoch- schulabsolvent wird gemäss Eric Lippmann, dem Leiter des Zen- trums Leadership, Coaching und Change Management an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, künftig mindestens zwölfmal den Arbeitgeber wechseln – so er sich denn überhaupt noch fest anstellen lässt: «Firmen tendieren bereits heute zu Freelancern», sagt Frick. Das Extrembeispiel: Uber. Eine Plattform, keine Flotte, kein Wartungspersonal – trotzdem ist der neue Taxidienst, bei dem jeder Private als selbstständiger Unternehmer ins Chauffiergewerbe einsteigen kann, heute bereits mehr wert PANORAMA RAIFFEISEN 2/2015
14 | FOKUS Arbeitswelt von morgen als der grosse Autovermieter Budget. Und Airbnb, ebenfalls nicht viel mehr als eine Plattform, auf der jedermann seine Privaträume untervermieten kann, soll bereits 13 Milliarden Dollar wert sein, mehr als die ganze Hyatt-Gruppe. Uber und Airbnb sind wertvoll wie Weltkonzerne, sie kommen mit ei- nem Bruchteil des Personalbestands von Grossunternehmen aus und bieten Privaten Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Mensch versus Maschine Zu den Gewinnern in der Arbeitswelt von morgen werden die Handwerker gehören. «Sie gewinnen an Bedeutung, weil Men- schen handwerkliche Fähigkeiten im Allgemeinen verlieren», sagt Cachelin, «es gibt noch viele andere Bereiche, in denen der Mensch auch in Zukunft die Maschine übertrifft.» Im Vorder- grund stehen Cachelin zufolge Tätigkeiten wie Entwickeln, Be- treuen und Inszenieren. Aber auch auf ganz anderen Tätigkeits- gebieten werden Rechner im Vergleich zum Menschen vorderhand chancenlos bleiben: Maschinen haben kein Gewis- sen, sie haben keinen Geschmack und null Stilbewusstsein. Sie sind zudem nicht kreativ oder gar innovativ. Sie verstehen keine Ironie und taugen nicht dazu, um Traurige zu trösten, Neuroti- ker zu therapieren, Unglückliche aufzumuntern oder Kinder zu erziehen. Und last but not least formiert sich zur digitalen Revo- lution bereits eine Gegenbewegung: Wissen- und Gedanken- sammler Cachelin hat dazu gerade ein Buch veröffentlicht – mit dem Titel «Offliner». Sie können es gewinnen, mehr dazu auf Seite 6. GLOSSAR Uberisierung: Was bei Taxis erfolgreich funktioniert, geht auch bei Fingernägeln, Floristen und Textilpflege: Produkte und Dienstleistungen via App bestellen, direkt abrechnen. Co-Working: Neudeutsch für das moderne Gemeinschafts- büro. Selbstständige, Freelancer und Heimarbeiter teilen sich Equipment, Ideen und Wissen. Sharing-Economy: Schlagwort für kollektiven Konsum: Ge- genstände – von der Bohrmaschine über das Auto bis zum Bestseller – werden ausgeliehen, getauscht oder vermietet. Arbeitgeber erwarten künftig ein noch höheres Mass an Flexibilität, Digital Natives: alle nach 1980 Geborenen, auch Generati- und sie verlangen die Bereitschaft, on Y (bis frühe 2000-er) und Generation Z (ab frühe 2000-er). ständig Neues zu lernen. Dafür wird Arbeiten vielschichtiger, Digital Immigrants: alle vor 1980 Geborenen. bunter und selbstbestimmter. Algorithmus: Eine Handlungsanweisung, um ein bestimmtes Problem zu lösen – ein Computerprogramm zum Beispiel. 2 /2015 PANORAMA RAIFFEISEN
FOKUS Arbeitswelt von morgen | 15 «WANDEL AN SICH IST JA NICHTS NEUES» Interview Iris Kuhn-Spogat Illustration Kornel Stadler Michael Federer, 42, Leiter HRM bei Raiffeisen Schweiz, über neue Arbeitsmodelle und seine Motivation, neue Computer zu kaufen, obschon es der alte noch täte. PANORAMA: Schlagwort «Arbeitswelt 2030» – was kommt Ihnen dazu in den Sinn? Michael Federer: Es wird sich vieles ändern. Es gibt zwei grosse Treiber für die Dynamik: erstens die Digita- lisierung und zweitens der Generationenwechsel. Bis im Jahr 2030 werden die meisten unserer Mitarbeiter soge- nannte «Digital Natives» sein. Sie stellen ja seit Längerem schon Ypsiloner ein. Tickt diese Generation wirklich anders? Das Bedürfnis nach Teilzeitstellen und danach, nicht eingetreten bin, gab es weder Smartphones noch Video nur dem Karrierepfad zu folgen, sondern auch anderen konferenzen. Im Zahlungsverkehr hat man die Einzah- Interessen, ist klar ausgeprägter. lungsscheine bis vor gar nicht so langer Zeit noch von Hand eingetippt. Dann gab es die Scanner, und inzwi- Was für Qualitäten muss ein Mitarbeiter heute haben? schen läuft alles vollautomatisch. Der Wandel an sich Das kommt auf den jeweiligen Job an. Grundsätzlich ist nichts Neues. Was neu ist, ist das Tempo. Neue sind heute aber Flexibilität und Veränderungsbereit- rungen kommen immer schneller und in kürzeren schaft sicher sehr wichtig. Abständen. Wie sorgen Sie dafür, dass Raiffeisen weiterhin als Was machen Sie selbst, um den Anschluss nicht Arbeitgeberin attraktiv ist? zu verlieren? Indem auch wir selbst am Ball bleiben, uns anpassen Ich zwinge mich dazu mitzuhalten, sowohl mit den und verändern. Wir führen zum Beispiel neue Arbeits- fachlichen Fortschritten als auch mit den technolo formen ein, unterstützen die Teilzeitarbeit auch für gischen. Das führt unter anderem auch dazu, dass ich Männer und fördern generell die Flexibilität, z.B. durch mir ein neues Gerät anschaffe, obschon es das alte in das Angebot von Home Office. Aber es sind freilich meinen Augen noch lange tun würde. Heute kann nie- nach wie vor die Arbeitsinhalte und die Perspektiven, mand mehr erwarten, vom Arbeitgeber zur Schulung die es ausmachen. Gerade neue Generationen wollen über die neuste Word-Version eingeladen zu werden – es spannende Inhalte und Sinn in der Arbeit ... ist selbstverständlich, sich à jour zu halten. Man muss offen bleiben und am Ball. Das ist sehr wichtig. Und ... und gleichzeitig möglichst viel verdienen! dies liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen. Das auch. Aber nicht in erster Linie. Die meisten sind in Wohlstand aufgewachsen und streben daher nach mehr als nur Geld. Was steht für Sie als Leiter HRM zuoberst auf Ihrer Prioritätenliste? ZUKUNFT HEUTE >>>>>>>> Die Entwicklung unserer Arbeitswelt. Und zwar nicht Drei Beispiele für flexible Arbeitsmodelle, erst seit gestern. Als ich vor 15 Jahren bei Raiffeisen die bei Raiffeisen schon heute Realität sind. PANORAMA RAIFFEISEN 2/2015
16 | FOKUS Arbeitswelt von morgen Nadine Nussle, 38 – Kreditrisiko Officer Ich bin ein Raiffeisen-Kind. Ich arbeite bei dieser Inzwischen arbeite ich mit einem 40-Pro- Bank, seit ich mit der Lehre angefangen habe. Arbeit zent-Pensum bei Raiffeisen und zu 50 Prozent als und Umfeld haben mir immer schon gefallen. Trotz- Maskenbildnerin am Opernhaus Zürich. Diese Kom- dem wollte ich mit 30 Jahren noch eine andere Seite bination von Kopfarbeit und Handwerk ist perfekt von mir ausleben, jedoch ohne den Job in der Bank für mich. Dank viel Einsatz und dem Willen und der aufzugeben: Als grosser Theaterfan träumte ich da- Unterstützung meiner Vorgesetzten habe ich den von, Maskenbildnerin zu werden. Ich bin bei der Weg zu einem Zweitberuf geschafft. Natürlich hat es Umsetzung dieses Wunsches bei meinen Vorgesetz- auch einen Preis, in zwei so verschiedenen Welten ten auf offene Ohren gestossen und habe mich – als gleichzeitig zu arbeiten. Meine Wochen sind inten- Raiffeisen-Mitarbeiterin – umschulen lassen, mein siv, Freizeit habe ich wenig – und einen Rhythmus Pensum erst auf 80 Prozent und zeitweilig sogar auf schon gar nicht. Aber gerade diese Abwechslung ist 20 Prozent reduziert. für mich das «Salz in der Suppe». 2 /2015 PANORAMA RAIFFEISEN
Fabian Christ, 34 – Social Media Manager Ich spiele gerade meine letzte Saison als Profihand- Deutschland hatte ich einst eine entsprechende drei- baller. Danach werde ich mich voll auf meinen Job jährige Ausbildung absolviert. Mein Pensum von da- bei Raiffeisen konzentrieren. Ich bin 2007 als Hand- mals 50 Prozent habe ich bei Raiffeisen inzwischen baller nach St. Gallen gekommen und arbeite seither auf 90 Prozent hochschrauben können. Nebst dem bei Raiffeisen Schweiz. Dass ich überhaupt einem Handballsport auch noch den Job bei Raiffeisen zu Beruf nachgehe, hat damit zu tun, dass ich als Profi- haben, war in vielerlei Hinsicht eine gute Entschei- handballer in der Schweiz auf einmal mehr Zeit hat- dung. Lief es am einen Ort nicht so gut, funktionier- te neben dem Sport – und die wollte ich sinnvoll te es dafür meist am anderen. Beides zu haben, hat nutzen. Zudem wollte ich mir ein zweites Standbein manches Tief ausgeglichen. Und nun habe ich eine aufbauen. Perspektive: Ich bin seit einem halben Jahr Social Ich habe mich für eine Stelle im Marketing Media Manager – und werde jetzt beruflich weiter beworben – während meiner Profikarriere in Gas geben. PANORAMA RAIFFEISEN 2/2015
18 | FOKUS Arbeitswelt von morgen Marco Gämperle, 19 – KV-Lernender in spe Skifahren ist mein Leben. Dieser Weg hat sich früh abgezeichnet. Alles begann in der Skischu- le Flims. Ich war sechs Jahre alt, als ein Skileh- rer mein Talent entdeckte. Wenig später wech- selte ich zur Renngruppe – und wurde gefördert. Ich absolvierte die Sekundarschule in der Talentschule Ilanz. Am Ende erhielt ich von Gabriel Casutt, Vorsitzender der Leitung der Raiffeisenbank Surselva und damals Präsident des Bündner Skiverbands, eine Lehrstellenga- rantie: Sollte ich es bis 2021 nicht zum Profi ge- schafft haben, kann ich bei der Raiffeisenbank das KV absolvieren. Seither widme ich mich voll dem Sport. Seit einem Jahr absolviere ich quasi im Nebenamt eine Detailhandelslehre bei meinem Ausrüster «Stöckli». Ich erhalte da keinen Lohn, habe da- für aber alle Freiräume für Trainings und Ren- nen. Ich werde alles mir Mögliche geben, um an die Weltspitze zu kommen. Dafür muss ich ver- letzungsfrei bleiben und brauche auch eine Prise Glück. Jederzeit bei Raiffeisen einsteigen zu können, ist mein Plan B. Er macht mir den Kopf frei und beruhigt mich. 2 /2015 PANORAMA RAIFFEISEN
Raiffeis die vertrau en ist | 19 e n sw ü Schweizer rdigste Bank SWISSNESS In der Kateg Banken /Fin orie anzdienstle Raiffeisen P ister belegt latz 1 seit ze aufeinander hn folgenden Ja Das zeigt die hren. «European aktuelle Stu Trusted Bra die rdtrustedbra nds 2015». nds.com TIPPS FÜR DIE SOMMERFERIEN Der Untersee, wo das Unternehmen Gottlieber Hüppen (siehe nächste Sei- te) beheimatet ist, bietet sich für einen Tagesausflug an. Die Redaktion verrät «FRÜHER HAT MAN ihre Lieblingsplätze. LANGLEBIGER GEBAUT» Wandern entlang des Untersees/TG Auf dem etwa dreistündigen Rundwander- Ballenberg ist eines der attraktivsten Freilichtmuseen Europas. weg in Steckborn erwartet Sie ein unver- Die teilweise 500 Jahre alten Bauernhäuser und Scheunen werden gessliches Panorama über den Bodensee. sorgfältig mit natürlichen Baumaterialien saniert. alt-steckborn.ch/rundwanderweg.html Panorama: Heutige Häuser haben eine Lebensdauer von 75 bis 100 Jahren. Hat man früher langlebiger gebaut? Norbert Schmid: Früher hat man Naturmaterialien wie Holz oder Stein eingesetzt, die Erwartungen an die Isolation waren nicht so hoch. Doch auch unsere über 100 Ballenberg-Gebäude müssen regelmässig saniert werden. Das Wetter sowie 250 000 Besucher pro Saison führen zu Abnützungen. Welche Baumaterialien verwenden Sie bei der Sanierung? Ballenberg arbeitet mit Holz, Naturstein, Eisen sowie Stroh für zwei Dächer. Für Entspannen auf der Schifffahrt Verputz dient Mauermörtel und Sumpfkalk, den wir auf dem Museumsgelände Lassen Sie sich danach die Strapazen von produzieren. der frischen Seebrise auf der Fahrt nach Gibt es denn noch Fachleute für diese speziellen Techniken? Gottlieben wegblasen. Das Schiff verkehrt Gerade in diesem Bereich haben wir auf dem Ballenberg eine hohe Kompetenz. Bei viermal täglich. einem Aufbau oder Unterhalt eines Gebäudes kommen alle bekannten Berufsgat- tungen wie Zimmermann, Maurer oder Dachdecker zum Einsatz. Das Spezielle an Schlemmen im Gottlieber Seecafé den Ballenberg-Häusern ist aber der Umstand, dass es sich um unersetzliches Kul- Gönnen Sie sich nach den Anstrengungen turgut handelt. Die Leute auf dem Ballenberg und ihre externen Partnerfirmen ein Dessert auf der einladenden Seeterrasse haben sich im Verlaufe der Jahrzehnte wertvolles Wissen im Umgang mit histori- des Gottlieber Manufakturladens. schen Originalbauten erarbeitet. Norbert Schmid, Leiter Marketing Ballenberg, SMART-HOME-STUDIE Freilichtmuseum der Schweiz MIT GDI Eine GDI-Studie im Auftrag von Raiffeisen Tipp: Raiffeisen-Mitglieder (inkl. 5 Kinder) können den Ballen- Schweiz untersucht, wie die Digitalisierung berg mit der persönlichen Raiffeisen Maestro- oder V PAY-Karte, und Vernetzung von Wohngegenständen unser MasterCard oder Visa Card gratis besuchen. Jugendliche benö- Zuhause revolutionieren. Die Studie erscheint tigen lediglich eine Maestro- oder V PAY-Jugendkarte. im November 2015. gdi.ch raiffeisen.ch/museum PANORAMA RAIFFEISEN 2/2015
NAPOLEONS NASCHWERK
SWISSNESS Zu Gast | 21 In einem beschaulichen Dorf am Untersee stellt die Gottlieber Spezialitäten AG seit Jahrzehnten feinste Waffelröllchen her, die Gottlieber Hüppen. Durch das Traditionsunternehmen weht ein frischer Wind. Es macht sich fit für die Zukunft und setzt dabei nicht zuletzt auf Wandel in der Firmenkultur. Autor Leander Schwarz Fotos Dominic Büttner D ie Delikatesse aus dem Thurgau Geschenke in den Regalen jeder besseren der Konservator des Napoleonmuseums durfte im Bundeshaus nicht feh- Bäckerei. Doch mit der Zeit verschwanden auf Schloss Arenenberg von Kaufquittun- len. Als die Ostschweizer Parla- immer mehr althergebrachte Verkaufs- gen für die Gaufrettes erzählte, wie die mentarier ihren Kolleginnen und Kollegen punkte und damit auch Stammkunden. Naschereien zu Hof hiessen. in der Bundesversammlung im letzten Mit einem Satz: Die Spezialitäten aus dem Der Marketingprofi liess sich nicht Herbst kulturelle und kulinarische High- 300-Seelen-Dorf am Bodensee brauchten zweimal bitten. «Die traditionsreiche Ge- lights präsentierten, gab es auch Gottlieber dringend einen Vermarktungsschub. schichte unseres Produkts», sagt er, «wurde Hüppen zu naschen. Schliesslich sind die Damit kannte sich Dieter Bachmann lange nicht als der Schatz wahrgenommen, mit diversen Schokoladen gefüllten Waf- aus. Als der damals 37-Jährige die 1928 den sie für unsere Firma darstellt. Das ist felröllchen ein Klassiker und deren Her- gegründete Firma übernahm, konnte er doch eine tolle Story, ein lässiges Ver- stellerin ein Vorzeige-KMU. bereits auf eine bewegte Berufskarriere kaufsargument!» Auch Verpackung ist Hauptaktionär der Gottlieber Speziali- zurückblicken: Er hatte eine Lehre als Marketing. Deshalb machen bei Gottlieber täten AG ist seit 2008 Dieter Bachmann. Augenoptiker gemacht, als selbstständiger neuerdings elegante dunkelbraune Falt- Als Geschäftsführer hält er die Geschicke Veranstaltungsorganisator gearbeitet, ein schachteln klar: Hüppen sind ein Premi- des Unternehmens selbst in der Hand. «Ich Betriebswirtschaftsstudium abgeschlossen, um-Produkt. Exklusives schätzen nicht hatte unterschätzt, wie lange es dauern ein Werbe- und ein Internetunternehmen zuletzt Firmenkunden. Der Blumenver- würde, den Betrieb vollständig zu erneu- aufgebaut, als Unternehmensberater gear- sand Fleurop zum Beispiel oder die Lu- ern», sagt er rückblickend. Das Problem beitet und war Wirtschaftsförderer von xus-Hotelgruppe Peninsula aus Hongkong. war nicht etwa die Qualität der Produkte Winterthur gewesen. Der rote Faden bei Und auch Swiss verwöhnt ihre First- – die Hüppen werden wie eh und je aus allen diesen Tätigkeiten: verkaufen. Class-Passagiere mit dem zarten Gebäck. erstklassigen Rohstoffen und mit viel Marken leben von Geschichten. Und Handarbeit hergestellt. Der Absatz kam so werden Besucher bei der Betriebsbe- Im Premium-Segment angekommen mehr und mehr ins Stocken. sichtigung der Gottlieber Spezialitäten AG Wir sind auf unserer Tour in der Backstu- mit einem Film über das Leben des jungen be angelangt. Dieter Bachmann öffnet bei Qualität allein genügt nicht Napoleon III. (1808 – 1873) empfangen. einer der Maschinen ein Türchen, heisse Man hatte sich in Gottlieben auf den Lor- Der künftige Kaiser von Frankreich wuchs Luft und süsse Duftschwaden schlagen beeren ausgeruht. Jahrzehntelang lief der im Thurgau auf und konnte als Knirps of- uns entgegen. Wir erhaschen einen Blick Verkauf fast von selbst. Die Teigrollen mit fenbar nicht genug bekommen von den auf die Backstrasse, auf der die hauchdün- ihrer Schokoladefüllung waren im ganzen Hüppen. Die Anekdote ist Dieter Bach- nen Crêpes gebacken werden, die anschlies Land ein Begriff und standen als beliebte mann gewissermassen zugeflogen, als ihm send einzeln zu Hüppen gerollt werden. PANORAMA RAIFFEISEN 2/2015
22 | SWISSNESS Zu Gast «Fürs Massengeschäft in der EU sind wir einfach zu exklusiv.» Als diese automatische Produktionsanlage drohte zum gefährlichen Klumpenrisiko sein. Der 2012 in Winterthur eröffnete vor 30 Jahren gebaut wurde, war sie der zu werden. Zudem wurde das Geschäft mit Flagshipstore soll ebenfalls als Kombina- Stolz der Firma. Heute hingegen ist sie ein den Grossverteilern zunehmend schwie tion von Laden und Café funktionieren. Sorgenkind. Wenn die Maschinen am riger und weniger rentabel. Die Margen Morgen angefahren werden, ist nicht im- schrumpften und schrumpften. Vor diesem Expansion nach Asien mer sicher, ob sie es ohne Panne bis zum Hintergrund zog sich Gottlieber beispiels- Die Stossrichtung für die Zukunft also ist Abend schaffen. weise nach dem ersten Frankenschock 2011 klar und die Strategie («Abhängigkeiten Da sieht es in den Produktionsräu- völlig vom äusserst preissensiblen deut- erkennen und vermeiden») steht mitten in men, wo die Hüppen mit einem Dutzend schen Markt zurück. «Fürs Massengeschäft der Umsetzung. Dazu gehört auch eine unterschiedlicher Füllungen – von Gian- in der EU», bilanziert Dieter Bachmann, vorsichtige Expansion ins Ausland. Bereits duja über Amaretto bis zu Irish Cream – «sind wir einfach zu exklusiv.» gibt es «Sweets & Coffee» in der südchine- gefüllt und verpackt werden, ganz anders Die Lösung des Margenproblems, so sischen 12-Millionen-Stadt Guangzhou, aus. Hier sind brandneue Maschinen im erkannte der neue Geschäftsführer, liegt und ein weiterer Ableger wird demnächst Einsatz. Doch bis diese Spezialanferti im Direktverkauf. Darauf will die Firma in Dubai eröffnet. Dabei arbeitet Gottlie- gungen wie gewünscht funktionierten, künftig vor allem setzen. Bereits wird ber mit Partnern vor Ort zusammen, denen dauerte es mehrere Jahre. Ein aufreiben- übers Internet und in den eigenen Ge- die Firma ihr Verkaufskonzept in Lizenz der Prozess, den der Geschäftsführer sei- schäften die Hälfte des Umsatzes erzielt. vergibt. Die Neuausrichtung erfolgt dabei nen rund 40 Mitarbeitenden nicht zur Der Onlinehandel wächst mit gegen 40 nicht überhastet, sondern Schritt für gleichen Zeit ein zweites Mal zumuten Prozent pro Jahr, und allein das Seecafé in Schritt und wohlüberlegt. wollte. Der längst fällige Ersatz von Gottlieben verkauft weit mehr Hüppen als Seine neuen Ideen diskutiert Dieter Backstrasse und Rollanlage wurde deshalb beispielsweise ein Schweizer Grossvertei- Bachmann unter anderem mit einem zurückgestellt. Doch nun werden auch ler mit 500 Filialen. So erfolgreich wie das Beirat von «kompetenten Gottlieber diese Maschinen als Einzelanfertigungen Gottlieber Café mit Manufakturladen di- Fans». Dieses prominent besetzte Gremi- noch in diesem Jahr neu gebaut. rekt am Produktionsstandort soll bald um besteht aus Gabriela Manser, Chefin «Danach», so Dieter Bachmann, «wer- auch das «Gottlieber Sweets & Coffee» der Mineralquelle Gontenbad und den wir auf sehr gesunden Füssen stehen» – nicht nur technisch, sondern auch finan- ziell. «Wir finanzieren alle unsere Investi- tionen meist sehr konservativ aus dem Ge- winn, jeder verdiente Franken fliesst wieder in die Firma.» Die grösste Heraus- forderung auf dem Weg, die Gottlieber Spezialitäten AG in die Zukunft zu füh- ren, waren aber nicht die in die Jahre ge- kommenen Maschinen, sondern das Ent- wickeln einer neuen Verkaufsstrategie. Abschied vom Massengeschäft Wir sitzen mittlerweile im firmeneigenen Seecafé direkt am Seerhein, der die beiden Teile des Bodensees verbindet. Dieter Bachmann erzählt von den Abhängig keiten, die seinem Unternehmen immer mehr zu schaffen gemacht hätten. Einer- seits wurde verstärkt im Auftrag einzelner Grosskunden produziert, welche die Hüp- pen unter eigenem Namen verkauften – dieses sogenannte Private-Label-Geschäft 01 2 /2015 PANORAMA RAIFFEISEN
SWISSNESS Zu Gast | 23 02 01 Im Gottlieber Seecafé gelangen Hüppen und 03 andere süsse Versuchungen direkt von der Produktion in den Verkauf. 02 Gottlieber Hüppen entstehen aus erstklassigen, möglichst aus der Schweiz stammenden Zutaten. 03 Der Crêpes-Teig für die feinen und hauchdünnen Waffelröllchen wird maschinell angerührt. 04 Die Qualität muss zu 100 Prozent stimmen, bevor die Hüppen ausgeliefert werden. 05 Am Ende des Produktionsablaufs wird jede Hüppe einzeln von Hand kontrolliert und mit dem Auge begutachtet. 04 05 PANORAMA RAIFFEISEN 2/2015
24 | SWISSNESS Zu Gast Unternehmerin des Jahres 2005, Martin Naville, CEO der Swiss-American Cham- «Wir richten den ber of Commerce und Präsident Zoo Zü- Blick auf positive rich, Alexander Ospelt, VR-Präsident der Ospelt Gruppe (u.a. Fleischspezialitäten), Dinge und nicht sowie Philipp Jöhr, Inhaber BW Gruppe. darauf, was nicht Anders als ein Verwaltungsrat müsse die- läuft. Lob und ser «Gestaltungsrat», wie ihn Bachmann auch nennt, nicht zurückblicken und das Anerkennung Geschäftsergebnis analysieren, sondern fördern Motivation könne ausschliesslich nach vorn schauen. und Produktivität.» Dieter Bachmann, Klima und Umsatz stimmen Geschäftsführer Gottlieber Spezialitäten AG Und wie hat Dieter Bachmann den Wandel innerhalb seines Unternehmens herbeige- führt? Unter seinen Mitarbeiterinnen und möchte. «Das bringt eine gewisse Offen- können. Das Motto dabei könnte lauten: Mitarbeitern, die zum Teil 20 Jahre und heit, so werden wir alle offener für Neues», profitabel klein bleiben.» mehr in der Hüppen-Produktion beschäf- sagt Bachmann. Klein, aber fein – was für die gerollten tigt sind? «Wir haben ein System aufge- Nicht nur das gute Betriebsklima be- Köstlichkeiten aus dem Thurgau zutrifft, baut, das auf gegenseitige Wertschätzung stärkt den Geschäftsführer in seiner Neu- soll also auch für die Firma gelten, die sie setzt», erklärt der Quereinsteiger im Con- ausrichtung, auch die Zahlen tun dies. Der produziert. Und die Strategie der Gottlie- fiseriegeschäft. «Wir richten den Blick auf Umsatz der Eigenmarke Gottlieber Spezi- ber Spezialitäten AG könnte durchaus auf- positive Dinge und nicht darauf, was nicht alitäten AG hat sich seit seinem Antritt gehen. In einer Welt, in der sich Produkte läuft; Lob und Anerkennung fördern die 2008 mehr als verdoppelt. Der Erfolg also zunehmend gleichen und global verfügbar Motivation und Produktivität.» gibt ihm Recht. Doch was heisst Erfolg? sind, freuen sich immer mehr Konsumen- Konkretes Beispiel für diese Art der Dieter Bachmann überlegt einen Moment, tinnen und Konsumenten an lokalen, mit Firmenkultur sind die Sitzungen, bei de- wägt seine Worte ab und sagt dann: «Wir Herzblut hergestellten Spezialitäten – und nen sich die Teilnehmer zum Einstieg je- wollen profitabel sein, ohne immer wach- an Firmen, die ihre Produkte mit guten weils gegenseitig aufbauendes Feedback sen zu müssen. Unser Ziel ist es nicht, so Geschichten anzureichern wissen. geben. Oder die Workshops, die mit der gross zu werden wie die Big Player in un- ganzen Belegschaft durchgeführt werden: serem Geschäft. Wir wollen vielmehr den Werfen Sie im Video einen Blick hinter Sie drehen sich darum, was man gemein- Ansprüchen unserer Kunden gerecht wer- die Kulissen. sam erreicht hat, was es zu feiern gibt und den, eine spannende Welt kreieren und die tlieber-hueppen agazin.ch/got was man im nächsten Jahr alles feiern Löhne unserer Mitarbeitenden zahlen panorama-m Wettbewerb Das «Gottlieber» Hüppen-Hotel erwartet Sie und Ihre Begleitung! Lassen Sie sich bei einer Betriebsbesichtigung in die Geheimnisse der Hüppen-Backkunst einweihen und gewinnen Sie eine Übernachtung für vier Personen inkl. Nachtessen im exklusiven «Gottlieber» Hüppen-Hotel mit fantastischer Terrasse an den Gestaden des Seerheins. Auf dem geführten Rundgang werden Sie sehen, wie sorgfältig die gebackenen, noch warmen Crêpes wie ein Zigarrenblatt einzeln gerollt, mit zartschmelzender Schokolade gefüllt und einzeln verpackt werden. Ergänzen Sie den folgenden Satz «Gottlieber Hüppen sind etwas ganz Besonderes, weil sie…» und sind Sie bei der Verlosung dabei. Reichen Sie uns Ihren Vorschlag bis 31. Juli 2015 als Kommentar auf dem Blog panorama-magazin.ch/ gottlieber-wettbewerb ein, schicken Sie eine E-Mail (Betreff «Gottlieber Hüppen») an wettbewerb@raiffeisen.ch oder eine Postkarte an: Raiffeisen Schweiz, Panorama, «Gottlieber Hüppen», Postfach, 9001 St.Gallen. 2 /2015 PANORAMA RAIFFEISEN
SWISSNESS Lebenszyklus von Immobilien | 25 Lebensdauer in Jahren Sonnenkollektoren Schrägdach Dachfenster Fenster mit Isolationsverglasung Fassade Lamellenstoren Sonnenstoren Dachrinne Garagentor Haustürschloss Terrassenboden Hauskatze Zahlen: Lebensdauertabelle, HEV Schweiz, 2015 GUT UNTERHALTEN Immobilien brauchen Pflege, sonst verlieren sie an Wert. Regelmässige Investitionen und eine sinnvolle Planung senken die Kosten, erhalten die Freude an der Liegenschaft und steigern deren Verkaufspreis. Autor Dr. Robert Weinert Infografik Bruno Muff Wer eine Immobilie nicht nur als Nutz- verwendeten Bauteile bestimmt. Überla- Prozent der Gesamtkosten aus. Diese objekt, sondern auch als eine langfristige gert wird der individuelle Lebenszyklus Phase beeinflusst jedoch massgeblich die Investition betrachtet, sollte sich regel- einer Immobilie jeweils vom Zyklus des weiteren 80 Prozent der Kosten, die erst mässig Gedanken über den Unterhalt gesamten Immobilienmarkts. Hier zeigt nach der Fertigstellung anfallen. und mögliche Sanierungsmassnahmen sich, welches Immobilienangebot vorhan- Um die Kosten unter Kontrolle zu machen. Denn jedes Wohngebäude hat den ist, wie sich das Nachfrageverhalten halten, braucht es regelmässige Sanie- eine bestimmte Lebensdauer. Der soge- entwickelt und welche Finanzierungskon- rungsmassnahmen. Diese sind zwar mit nannte Lebenszyklus von Immobilien ditionen den Markt begleiten. einem entsprechenden Kapitaleinsatz beginnt mit dem Erwerb eines Grund- verbunden, sie beeinflussen den Werter- stücks und führt über die Realisierungs- Investitionen lohnen sich halt jedoch entscheidend. So erhöht sich phase zur Fertigstellung, danach zur Die Lebenszykluskosten, also die Kosten der Verkaufspreis bei einer Eigentums- Nutzung oder Umnutzung und schliess- für die gesamte Lebensdauer einer Immo- wohnung beispielsweise um über 15 Pro- lich zum Abriss. bilie, werden meist nicht richtig einge- zent, wenn sich das Objekt in einem Bereits mit der Fertigstellung eines schätzt und in der Regel unterschätzt. guten statt nur durchschnittlichen Zu- Objekts setzt dessen Alterungsprozess ein. Oft machen die Baukosten während der stand befindet. Bei einem überdurch- Dieser wird von der Lebensdauer der Realisierungsphase gerade einmal 20 schnittlichen Zustand (unter anderem PANORAMA RAIFFEISEN 2/2015
26 | SWISSNESS Lebenszyklus von Immobilien werden mögliche Massnahmen durch neue gesetzliche Normen ausgelöst. Dazu Elektrizität 8 % Heizungsverluste zählen etwa feuerpolizeiliche Bestim- mungen oder Regulierungen zugunsten Warmwasser 9 % von Umwelt (Altlasten), Energie, Park- Estrichboden/Dach platzsituation und Sicherheit. Gegenwärtig wird bei bevorstehenden Sanierungsmassnahmen oft auch geprüft, ob sich allenfalls Ersatzneubauten oder Anbauten lohnen. Ist nämlich die Ausnüt- Aussenwände Fenster zung eines Grundstücks bereits ausge- schöpft, lässt sich zusätzlicher Wohnraum Undichtigkeiten/Lüften schaffen. Dieser kann entweder vermietet oder selbst genutzt werden. Aufgrund at- traktiver Fremdfinanzierungskonditionen und einer hohen Nachfrage nach Wohn- raum können diese beiden Massnahmen Boden insbesondere in stark wachsenden Ge- meinden vielversprechend sein. Sanieren zum richtigen Zeitpunkt Die Energiezukunft Schweiz hat berechnet, wo die Wärme im Haus verloren geht. An zweiter Stelle folgen die Steuergeset Aussenwände, Dach und Fenster tragen über die Hälfte zum Wärmeverlust bei. ze. Sanierungsmassnahmen sind für den Eigentümer mit zahlreichen steuerlichen durch den Einbau von Multifunktions- grösseren Wohnflächen, grosszügigerer Auswirkungen verbunden. Dabei wird küchen, verbesserten Nasszellen oder Badelandschaft und zusätzlicher Dusch- zwischen werterhaltenden (oft abzugs- hochwertigen Bodenbelägen) lässt sich gelegenheit, offeneren Räumen mit ei- fähig) und wertvermehrenden Ausgaben der Verkaufspreis bei Eigentumswohnun- nem hohen Fensteranteil sowie Wänden (meist nicht abzugsfähig) unterschieden. gen sogar um bis zu 45 Prozent steigern. und Belägen, die den heutigen Ge- In Abhängigkeit zur erwarteten Einkom- Diese Zahlen illustrieren, dass es für schmack treffen. Deshalb ist auch dieser mensentwicklung beeinflussen bauliche den nachhaltigen Wert einer Immobilie Aspekt im Vorfeld einer Sanierung zu Massnahmen die private Erfolgsrech- nicht nur wichtig ist, wo sich ein Objekt berücksichtigen. nung massgeblich. Demzufolge gilt es, befindet, wie gut die Anbindung an die den richtigen Zeitpunkt einer Sanie- lokale Infrastruktur ist und wie gut sich Abwarten oder handeln? rungsmassnahme zu wählen. ein Objekt nutzen lässt. Regelmässige, Entscheidungen mit langer zeitlicher Per- Leitplanken setzt als Dritter auch der sinnvolle Unterhalts- und Sanierungs- spektive sind kein leichtes Unterfangen, Denkmalschutz. Die Bestimmungen sind massnahmen haben einen ebenso rele- denn die Palette der Möglichkeiten ist grundsätzlich auf kantonaler Stufe gere- vanten Einfluss auf einen späteren Ver- gross. Sie reicht vom bewussten Abwar- gelt. Die damit verbundenen Leitprinzi- kauf oder die Weitergabe an die Kinder. ten, bis eine Renovation unumgänglich pien gestalten sich aber schweizweit ähn- ist, über die schlichte, nicht nachhaltige lich. Die Messlatte für schützenswerte Ansprüche steigen «Pinselrenovation» bis hin zu einem Er- oder denkmalgeschützte Objekte liegt Neben der technischen Lebensdauer ei- satzneubau. Mehrere Faktoren beein- insbesondere bei angestrebten Umnut- ner bewohnten Immobilie, die zwischen flussen dabei die Entscheidungsfindung. zungen oder Ersatzneubauten hoch. Da- 75 und 100 Jahre beträgt, hat auch die Neben den persönlichen Interessen, den mit wirken diese Gesetze tendenziell soziale Alterung einen grossen Einfluss finanziellen Möglichkeiten und Finanzie- «konservierend» auf Teile des Schweizer auf den Wert einer Liegenschaft. Denn rungskonditionen sind insbesondere der Gebäudeparks – was auch das grundsätz- die Bedürfnisse und Ansprüche an ein gesetzliche Rahmen und die Restlebens- liche Ziel des Denkmalschutzes ist. Wohnobjekt wandeln sich. Dies hat zur dauer der Bauteile ins Kalkül zu ziehen. Die vierte und letzte Leitplanke stel- Folge, dass sich ältere Gebäude schlechter Vier rechtliche Systeme setzen dabei len Subventionen dar. Marktunabhängi- vermieten oder verkaufen lassen. Denn die Leitplanken für die Sanierung. Teil- ge finanzielle Anreize der öffentlichen sie entsprechen nicht mehr den heutigen weise ermöglichen sie auch finanzielle Hand beeinflussen die Entscheidungsfin- Erwartungen, auch wenn sie technisch Zuschüsse. An erster Stelle stehen die Bau- dung bei baulichen Massnahmen eben- noch in einem guten Zustand sind. gesetze: Die kantonalen und kommunalen falls. Insbesondere im energetischen Be- Die gestiegenen Ansprüche zeigen Baubestimmungen setzen bei Sanierungs- reich existiert heute eine stattliche sich etwa beim Wunsch nach generell massnahmen klare Anreizstrukturen. Oft Palette an Subventionen in Form von 2 /2015 PANORAMA RAIFFEISEN
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