Wirtschaftsreport Juni 2021 - Titelthema: Betriebliches Mobilitätsmanagement - IHK-Siegen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Wirtschaftsreport Juni 21 1 Editorial Kraft-Zentrum Wenn sich mit wachsender Impfquote der Schleier der Pandemie langsam hebt, wird der Weg in eine neue Normalität wieder frei. Dann jedoch werden sich die Auswirkungen von Corona in unserem Umfeld, über die man heute in großen Teilen allenfalls spekulieren kann, immer deutlicher zeigen. Beispiel: Stadt- und Gemeindezentren. Die IHK Siegen hat in den vergangenen Jahren mit einem Zentrumsmonitor für jede Kommune die Attraktivität der Zentren wissenschaftlich untersucht, Handlungsempfehlungen erarbeitet und mit den Bürgermeistern und Werbegemeinschaften besprochen. Wer sich hiermit ernsthaft auseinandergesetzt hat, profitiert hiervon gerade jetzt. Denn Corona wirkt wie ein Brennglas: Angebote brechen weg, Geschäfte sterben, die Gas- tronomie schwindet, digitale Angebote nehmen zu. Netflix & Co. bereiten Kinos und Theatern existenzielle Probleme. Wer sich daheim einigelt, weiß Lieferdienste zu schätzen und neigt nicht zum regelmäßigen Restaurantbe- such. Diese Entwicklungen sind überhaupt nicht neu. Allerdings wirkt Corona hier wie ein Brandbeschleuniger. Der Trend zur Digitalisierung wird bleiben und deutliche Spuren hinterlassen: auf Dienstleistungen, auf den Handel, auf das Kunden- und Besucherverhalten, auf den Verkehr – kurz: auf all das, was unsere Innenstädte bislang lebendig hielt. Und so drohen vielerorts Leerstän- de und Verödung, wenn nicht gegengesteuert wird. Im Fall des regionalen Oberzentrums gibt es in diesen Monaten eine weitere einschneidende Entwicklung, die sich indessen als ausgesprochen segensreich erweisen könnte. „Siegen. Wissen verbindet“ ist die Vision einer Stadt, die „ihre“ Universität in die Mitte holt. Am Ende könnten es bis zu 14.000 junge Menschen sein, die künftig die Siegener Innenstadt mit neuem Leben füllen. Und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem Corona im Verbund mit dem Online- handel in anderen mittelgroßen Städten bundesweit die Attraktivität dauer- Die Nähe zu Unternehmen, Schulen und Kulturbetrieben in der Stadt kann haft zu beschädigen droht. Während anderswo händeringend nach einer neu- neue Geschäftsmodelle und kreative Visionen freisetzen, die am Ende für mehr en strategischen Ausrichtung gesucht wird, ist sie hier bereits angelegt: In Beschäftigung und damit individuelle Zukunftsperspektiven sorgen. Die Stadt- Siegen wird die Universität zum entscheidenden Zukunftsanker. Richtig grei- mitte wird zu einem attraktiven, vielfältigen Lebensumfeld für dringend be- fen kann er jedoch nur, wenn er seinen Platz im Herzen der Stadt hat – und nötigte Fachkräfte – ganz gleich, ob in Industrie, Handel oder Handwerk. nicht an der Peripherie. Diese Effekte wirken dank der oberzentralen Funktion freilich über das Stadt- gebiet Siegen hinaus. Da verwundert es nicht, dass sich Arbeitgeberverbände, Das Vorhaben ist ambitioniert: Bis 2028 sollen zwei weitere Fakultäten in die Gewerkschaften, das Handwerk und die IHK öffentlich für das Projekt stark- Stadtmitte ziehen. Der Campus Unteres Schloss wird um die Bereiche Sand- machen. straße/Friedrichstraße und Löhrtor erweitert. Das Zentrum erhält eine nach- haltige und deutlich sichtbare Verjüngungsspritze. Drei Viertel der Unterneh- Es bestehen jedoch auch Risiken: Welche Folgen ergeben sich für den Woh- men im Siegener Zentrum vertreten laut einer aktuellen IHK-Umfrage die nungsmarkt, auch mit Blick auf soziale Fragen? Wie sollen das Verkehrsauf- Auffassung, dass das Projekt dazu beitragen wird, die Innenstadt zu beleben. kommen bewältigt und neuen Mobilitätsformen Rechnung getragen werden? Ebenso viele glauben, dass es sich positiv oder sogar sehr positiv auf die wirt- Wie wird sich das Stadtbild in ästhetischer Hinsicht wandeln? Auf diese Fragen schaftliche Entwicklung der Stadt auswirken wird. Immerhin 58 % der Be- müssen ehrliche Antworten gefunden werden. Die Dimension des Projekts triebe sind überzeugt, dass sich die demografische Entwicklung in Folge des macht es erforderlich, die Öffentlichkeit aktiv mitzunehmen. Das gilt längst Vorhabens verbessern wird. Eine große Chance also für Siegen, die zu ergreifen nicht nur für die Rubensstadt! Der Erfolg stellt sich ein, wenn miteinander ebenso großen Mut erfordert. gesprochen wird, nicht übereinander. Nur durch Mitmachen und Mitreden breiter Bevölkerungsgruppen werden Innenstädte Orte des „Wir-Gefühls“, der Mit Halbherzigkeit lassen sich die sichtbaren und durch Corona verstärkten Identifikation und des demokratischen Zusammenwirkens bleiben. Hierzu be- Probleme nicht lösen: Wer die eigene Zukunft nicht dem Zufall überlassen will, darf es wirksamer Beteiligungs- und Mitspracheangebote. Aber es braucht der darf sich nicht aufs Abwarten versteigen. Wer sich von der Vergangenheit auch die Bereitschaft aller Betroffenen, sich mit Vorschlägen, Anregungen – verabschieden will, muss den Schritt in die Zukunft tun. Wer sich „Universitäts- und ja: auch Kritik – einzubringen. Wenn dies konstruktiv und nicht mit pau- stadt“ auf die Ortsschilder schreibt, darf die Universität nicht weiter verstecken. schalen Vorbehalten geschieht, wird der Prozess umso erfolgreicher sein. ! Deshalb muss die Politik bei allen anstehenden Entscheidungen das Große und Ganze im Blick behalten. Dann kann sich die Universität am Ende als zentraler Impuls für die neue Siegener Mitte erweisen. Sie kann so die Corona-Krise mit In diesem Sinne grüßt Sie herzlich der Aussicht hinter sich lassen, ein echtes Kraftzentrum zu werden, das sich zum Beispiel durch ein breiteres und zukunftsfesteres Angebot in Einzelhandel Jost Schneider und Gastronomie oder im Dienstleistungssektor auszeichnet. IHK-Vize-Präsident
2 Juni 21 Wirtschaftsreport Inhaltsverzeichnis Titelthema 4 Betriebliches Mobilitätsmanagement: Vieles in Bewegung Dichtes Verkehrsaufkommen, zeitaufwendige und kostenpflichtige Parkplatzsuche, inner- städtische Fahrverbote, Baustellenverkehr oder auch der damit verbundene CO2-Ausstoß sorgen nicht nur bei Pendlern und Geschäftsreisenden häufig für Frust und Ärger. Neue Mobilitäts- angebote rücken in der Folge vermehrt in den Fokus … Titelseite: Foto: Carsten Schmale 31 ACTIWARE Infosystems Daten sind Gold 34 Technischer Fachwirt Theorie und Praxis vereint 48 Hotel im Auerbachtal Aktiv in der Natur Impressum Der WIRTSCHAFTSREPORT ist das offizielle Organ der IHK Siegen Herausgeber Layout und wird den kammerzugehörigen Unternehmen im Rahmen Industrie- und Handelskammer Siegen, Christian Reeh ihrer beitragspflichtigen Mitgliedschaft ohne besonderes Be- Hauptgeschäftsstelle, Postfach 10 04 51, 57069 Siegen, Druck, Anzeigen und Verlag zugsentgelt geliefert. Im freien Verkauf jährlich EURO 25,20 Koblenzer Straße 121, 57072 Siegen Vorländer GmbH & Co. KG + Porto und MwSt. Einzelheft EURO 2,10 + Porto und MwSt. Telefon 0271 3302-0 Buch- und Offsetdruckerei · Verlag · Werbeagentur Bestellung nur durch den Verlag. Telefax 0271 3302-400 Obergraben 39, 57072 Siegen, Telefon 0271 5940-0 E-Mail: si@siegen.ihk.de, Erscheinungsweise: jeweils am 1. jedes Monats. Internet: http://www.ihk-siegen.de Anzeigenannahme: Günter Chojetzki Druckauflage: 22 150 Exemplare Telefon 0271 5940-338, Telefax 0271 5940-373 Quartal 1/2021 Geschäftsstelle Olpe, Postfach 14 46, 57444 Olpe, E-Mail: wirtschaftsreport@vorlaender.de A 4791 In der Trift 11, 57462 Olpe, Telefon 02761 9 44 50, Zustellung Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung Telefax 02761 9445-40, E-Mail: oe@siegen.ihk.de Für Fragen, die die Zustellung betreffen, wenden Sie sich des Verfassers, nicht unbedingt die Meinung der IHK Siegen Redaktion: bitte an zustellung@siegen.ihk.de oder 0271 3302-273. wieder. Nachdruck mit Genehmigung des Herausgebers und Patrick Kohlberger: 0271 3302-317 Quellenangabe sowie fotomechanische Vervielfältigung für Hans-Peter Langer: 0271 3302-313 Beilagenhinweis innerbetrieblichen Bedarf gestattet. Für unverlangt eingesand- E-Mail: presse@siegen.ihk.de Dieser Ausgabe liegt ein Prospekt der Fa. WEMAG te Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen. GmbH & Co. KG, 36043 Fulda, bei. Der WIRTSCHAFTSREPORT ist keine auf Erwerb ausgerichtete Mitarbeiter dieser Ausgabe: Veröffentlichung. Meike Menn, Andrea Schumacher-Vogel, Katja Sponholz Zurzeit gültige Anzeigenpreisliste Nr. 60
Wirtschaftsreport Juni 21 3 IHK online » Die Titelgeschichte, alle Berichte sowie gekürzte Pressemeldungen finden Sie zusätzlich zur Printausgabe nun auch online unter www.ihk-siegen.de. Dazu geben Sie bitte die dem Text beigefügte ID in das Suchfeld unserer Website ein. « » 4 Titelthema 10 | Nachrichten » 62 Jubiläen/Bücher 28 | Berichte » 10 Arbeitskreis Verkehrswirtschaft 62 | Börsen » 28 „Vom Vlies bis in die » 11 Schwertransporte » 62 Recyclingbörse Verpackung“ » 12 Konjunktur » 63 Unternehmensnachfolgebörse » 31 Daten sind Gold » 51 Energiegenossenschaft » 64 Handels- und » 34 Theorie und Praxis vereint » 52 G-TEC Ingenieure Genossenschaftsregister » 37 Produkten im Internet mehr » 54 Corona-Tests » 72 Veranstaltungskalender „Sichtbarkeit“ verleihen » 40 Innovativ und nachhaltig » 44 Italienischer Charme im Siegerland » 48 Aktiv in der Natur >JHB@E45? 2@&"J&4JHE F99F A61
4 Juni 21 Wirtschaftsreport Betriebliches Mobilitätsmanagement Vieles in Bewegung Dichtes Verkehrsaufkommen, zeitaufwendige und kostenpflichtige Parkplatzsuche, innerstädtische Fahrverbote, Baustellenverkehr oder auch der damit verbundene CO2-Ausstoß sorgen nicht nur bei Pendlern und Geschäftsreisenden häufig für Frust und Ärger. Neue Mobilitätsangebote rücken in der Folge vermehrt in den Fokus. In vielen Unternehmen gibt es eine größere Offenheit für ein verändertes Mobilitätsverhalten. Text: Meike Menn | Fotos: Carsten Schmale (6), Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-Süd (1)
Wirtschaftsreport Juni 21 5 Für Frank Klein und Sabine Klein ist das Thema Nachhaltig keit von zentraler Bedeutung. » Das Auto bzw. der motorisierte Individualverkehr (MIV) spielt nach wie vor sowohl für den Arbeitsweg als auch für dienst- liche Fahrten eine sehr bedeutende Rolle. Der vorhandene Pkw-Stellplatz stellt dabei durchaus einen Anreiz dar, mit dem Auto zur Arbeit zu kommen. Doch Unternehmen und Dienst- leister können die Verkehrsmittelwahl ihrer Beschäftigten ak- tiv mitgestalten und beispielsweise ein Jobticket für den ÖPNV einführen, den Kauf von E-Bikes finanziell fördern sowie ein nachhaltiges Fuhrpark- und Dienstreisemanagement einfüh- ren. Für die Unternehmen ist dies interessant, denn sie erhöhen ihre Attraktivität als Arbeitgeber, steigern die Zufriedenheit der Mitarbeiter und sparen unter Umständen Verkehrsfläche ein, wenn Stellplätze verzichtbar werden. Auch die Mitarbeiter gewinnen: Sie verbringen weniger Lebenszeit im dichten Ver- kehr oder bei der Parkplatzsuche und profitieren von verrin- gerten Mobilitätskosten. Mit dem Betrieblichen Mobilitätsmanagement können Ange- bote entwickelt werden, die es attraktiver machen, den ÖPNV zu nutzen oder mit dem Rad zu fahren. Zudem können neue Mobilitäts- oder Antriebsformen wie die E-Mobilität gefördert oder Fahrgemeinschaften initiiert werden. Das Betriebliche Mobilitätsmanagement umfasst alle Maßnahmen, die Arbeit- geber ergreifen, um den von ihnen verursachten Verkehr zu lenken und möglichst zu verringern. Welche Ansätze aufgegrif- fen und am Ende umgesetzt werden, hängt von der Unterneh- mens- bzw. Betriebsgröße, der Veränderungsbereitschaft sowie den zur Verfügung gestellten Mitteln ab. Wichtige Grundlage ist eine Bewertung des Mobilitätsverhaltens – meist in Form einer Mitarbeiterbefragung und einer Standort-Analyse. Aus den Ergebnissen werden Lösungsansätze und weitere Schritte für das Unternehmen oder den Dienstleister entwickelt. Die jeweils sinnvollen Mobilitätsmaßnahmen münden anschlie- ßend in ein Mobilitätskonzept. Schon heute lässt sich deutlich erkennen, dass regionale Un- ternehmen erhebliche Veränderungen im Dienstreise- und Fuhrparkmanagement umgesetzt haben. Elektromobilität und Digitalisierung eröffnen neue Möglichkeiten, und das Fahrrad- bzw. E-Bike-Leasing erfreut sich wachsender Beliebtheit. Die Hermann Münker GmbH in Siegen-Birlenbach ist ein modernes Unternehmen, das sich auf Holzwerkstoffe und holznahe Ma- terialen spezialisiert hat. „Das Thema Nachhaltigkeit sollte sich
6 Juni 21 Wirtschaftsreport Zahlreiche Förderrichtlinien und Programme von der Be- ratung bis zur Durchführung des Betrieblichen Mobili- tätsmanagements sowie die Finanzierungshilfen für Elek- tro- und Hybridautos, Wallboxen, Schnellladestationen oder klassische Ladesäulen bieten Bund und Land an. trisch auf dem Betriebsgelände unterwegs sein. Bei der eks Engel FOS GmbH & Co. KG, einem inhabergeführten Familien- unternehmen für innovative Netzwerklösungen, sind die Hyb- rid-Fahrzeuge täglich im Einsatz. Geschäftsführer Ralph Engel hat bei dem Erwerb des ersten reinen Elektroautos schnell feststellen müssen, dass dessen Reichweite von Wenden-Hill- micke zu den Kunden nach Köln oder ins Ruhrgebiet zu gering war. Für die Außendienstmitarbeiter war ein größerer Radius nötig. Mit den mittlerweile vier angeschafften Hybrid-Autos ist man nun auf der sicheren Seite. Beim Hybridantrieb wird bei längeren Strecken automatisch der Verbrennungsmotor zugeschaltet. „Unser tatsächlich verbrauchter Kraftstoff be- läuft sich auf monatlich nicht mehr als eine Tankfüllung. Der Einsatz der Hybrid-Autos hat sich für uns hundertprozentig rentiert“, begründet Ralph Engel seine Entscheidung, „und für das Stromtanken steht uns eine eigene Ladesäule mit drei Wandladestation (Wallboxen) zur Verfügung.“ Bei der HERING GmbH & Co. KG in Burbach wird neben einer breiten Einführung von E-Bikes (mehr als 225 Verträge in den letzten Jahren) auf eine Umstellung des Fuhrparks (mehr als ein Drittel ist bereits elektrisch bzw. teilelektrisch) gesetzt, wie Fuhrparkleiterin Petra Pieronczyk berichtet. Neu sei die Er- gänzung um Wasserstofffahrzeuge: „Wir sehen in der Wasser- stofftechnik eine große Chance und hoffen auf die Einrichtung einer Tankstelle im südlichen Siegerland. Denn zurzeit müssen Die Firma Hering wir zum Tanken noch nach Siegen fahren.“ Das betriebliche Bau bietet EBike auch in der Ausrichtung unseres Fuhrparks widerspiegeln. Mobilitätsmanagement setzt sich bei HERING neben den Ver- Abstellmöglichkeiten Dementsprechend haben wir in diesem Bereich Umstellungen änderungen im Fuhrpark auch bei Dienstreisen und Arbeits- mit Spind. Der Strom vorgenommen“, erläutert Geschäftsführer Frank Klein. Die fahrten fort: Das Bahnfahren wird offensiv gefördert, ein wird aus der eigenen Pkw-Firmenwagenflotte des Unternehmens besteht heute „Bahnfahrer des Jahres“ wird nominiert, notwendige Dienst- PhotovoltaikAnlage schon zu zwei Dritteln aus Elektro- bzw. Hybridfahrzeugen. Die Flugreisen werden mit CO2-Kompensationen ausgeglichen und eingespeist. beiden für den Elektro-Fuhrpark benötigten Ladesäulen auf in Zusammenarbeit mit benachbarten Unternehmen wird an dem Firmengelände stehen auch den Kunden kostenlos zur der Umsetzung einer Azubi-App für Fahrgemeinschaften ge- Verfügung und werden zukünftig sogar durch Strom aus der arbeitet. eigenen Photovoltaik-Anlage gespeist. Der bereits bestellte Sechs-Tonnen-Stapler wird ab Ende des Jahres ebenfalls elek- Der Fuhrpark der Heinrich Georg GmbH Maschinenbaufabrik besteht unter anderem aus zwei E-Autos sowie drei (Betriebs-) Fahrrädern für das Betriebsgelände. Die Ladestationen werden mit Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage versorgt. „Das E-Bike-Leasing hält Mitarbeiter fit, schont die E-Bike-Leasing wird von den Mitarbeitern rege genutzt und Umwelt und zieht Fachkräfte an führt sogar soweit, dass bereits ein Mitarbeiter seinen Pkw Unternehmen können ihren Mitarbeitern ein Leasing von Fahrrädern, E-Bikes, verkauft hat und ganz auf das Rad umgestiegen ist“, erklärt Pedelecs, S-Pedelecs, MTBs, Rennrädern oder Trekkingrädern anbieten. Dabei Peter Lepschy, Leiter Facility Management. stellen sie den Beschäftigten erworbene oder geleaste Fahrräder zur Verfügung, die die Raten anhand eines Gehaltsumwandlungsmodells aus ihrem monatlichen Die Unternehmens-Beispiele stellen neue Mobilitätsmöglich- Bruttogehalt finanzieren. Es handelt sich dabei um einen geldwerten Vorteil. Die keiten im ländlichen Raum dar: Die Senkung des Kraftstoffver- regionalen Fahrradhändler o.a. bieten den kompletten Service von der Auswahl brauchs wird berücksichtigt, der Kauf von elektrisch angetrie- des Rades über die Beratung bis hin zur Leasingabwicklung an. benen Fahrzeugen angestrebt, Fahrgemeinschaften werden gegründet und das E-Bike-Leasing für Mitarbeiter wird ein-
Wirtschaftsreport Juni 21 7 HeringFuhrpark leiterin Petra Pieronczyk sieht in der Wasserstoff technologie eine große Chance. geführt. Doch im Gegensatz zum urbanen Raum kämpfen die dem gibt es in Siegen eine Umweltzone. Radfahrer können Unternehmen im ländlichen Raum mit weiteren Hemmnissen, ihre eigene – mit Elektroantrieb sogar eine von der Topogra- wie mit einer unzureichenden Verkehrsinfrastruktur. Der ÖPNV phie unabhängige – Route wählen. Für den ÖPNV gibt es ver- ist eher am Bedarf des Schülertransports ausgerichtet und da- mehrt freie Fahrt auf den Busspuren der Hauptverkehrsachsen. rüber hinaus wenig angebunden. Die Bahnlinien durchqueren Die Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein, die Marien Gesell- den Kammerbezirk, und eine anschließende Direktanbindung schaft Siegen gGmbH und viele mehr bieten in Zusammenar- in die kleinen Siedlungen und Dörfer ist oft nicht gegeben. beit mit den Verkehrsbetrieben Westfalen-Süd ihren Beschäf- Nicht selten führen die Radwege entlang schnell befahrener tigten das „JobTicket Westfalen-Süd“ an. Die Einrichtungen Landstraßen. Mobilitätsmaßnahmen in den ländlichen Räu- organisieren und verwalten die Vergabe und Rücknahme der men, unter anderem Jobticket, Mobilitätsbudget oder Car- JobTickets. Die monatliche Abrechnung erfolgt über die Ge- Sharing-Angebote, stoßen aufgrund dieser Gegebenheiten haltsabrechnung. Manche Unternehmen bezuschussen zudem derzeit an ihre Grenzen und spielen traditionell eine geringere monatlich das Ticket. Die G-TEC Ingenieure GmbH – mit den Rolle. Die Unternehmen sind somit für ihre Dienstfahrten, Arbeitsschwerpunkten Gebäudeenergetik, Gebäudetechnik ebenso wie die Mitarbeiter auf den täglichen Arbeitswegen, und Gebäudephysik – nutzt in der Friedrichstraße der Siegener weiterhin vorwiegend auf den Pkw angewiesen, wenngleich Innenstadt E-Autos als Pool- und Firmenfahrzeuge. Das im dabei gerne die Elektro- und die Hybridtechnik in Anspruch Besitz von G-TEC befindliche E-Poolfahrzeug kann bei Bedarf genommen werden. Andreas Benfer, EJOT Holding GmbH & Co. von verschiedenen Mitarbeitern für Planungsbesprechungen KG, bringt es für den Standort Bad Berleburg auf den Punkt: oder Baustellentermine genutzt werden. Zudem werden E- „Es fehlt an der notwendigen Infrastruktur in der Region, wo- Bike-Leasing und die BahnCard angeboten. durch wir eine hohe Auto-Pendlerquote haben. Der Parkplatz ist voll. Die Verkehrsanbindung mit dem ÖPNV ist schwierig Die Siegener Versorgungsbetriebe GmbH (SVB) ermöglicht ihren und wird nur von wenigen Mitarbeitern genutzt, die direkt Mitarbeitern neben dem JobTicket schon bald auch das beliebte entlang der Bahnstrecke wohnen.“ E-Bike-Leasing. Mit der Erdgastankstelle, der E-Ladesäule und den Wallboxen auf dem SVB-Betriebshof in der Siegener Morley- Ein Beispiel, an dem sich die Zurückhaltung gut ablesen lässt, ist das landesweit eingeführte Azubiticket. Umfragen der IHK Siegen hatten in der Vergangenheit gezeigt, dass dieser Tarif JobTicket Westfalen-Süd und Westfalen aus Sicht der heimischen Unternehmen nur dann Sinn ergibt, wenn das ÖPNV-Angebot für die Auszubildenden deutlich ver- Mindestens 30 % günstiger als das MonatsTicket ist das „JobTicket“ der Ver- bessert wird. Das betrifft die Ausweitung des Geltungs- und kehrsgemeinschaft Westfalen Süd (VGWS), das für die Arbeitsweg- und Freizeit- Streckenangebotes – das Siegerland grenzt an zwei weitere fahrten im gewählten Geltungsbereich oder als JobTicket Plus im Gesamtnetz Bundesländer –, eine bessere Anbindung der Industrie- und des Teilraumes Westfalen-Süd gültig ist. Mit diesem Ticket können Busse und Gewerbegebiete sowie eine Verdichtung der Taktung. Bahnen jederzeit genutzt sowie abends und am Wochenende weitere Personen oder Fahrräder mitgenommen werden. Das JobTicket gibt es ab einer Abnahme Mehr Potenzial für Fußgänger, Roller, E-Scooter, Fahrrad- und von 20 Tickets oder als Bezugsgemeinschaft im Zusammenschluss mit anderen E-Bike-Fahrer sowie den ÖPNV bietet das urbane Umfeld, ins- Unternehmen oder Dienstleistern. besondere der städtische Nahbereich. Gerade im Innenstadt- Weitere Informationen: bereich verhindert das hohe Verkehrsaufkommen ein zügiges VWS Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd GmbH, 0271 3181-4010, vws-siegen.de Fahren und erfordert die Parkplatzsuche häufig viel Zeit. Zu-
8 Juni 21 Wirtschaftsreport SVBMarketing verantwortliche Jessica Wolff vor der Erdgastankstelle in Siegen. straße bietet der Versorger eine zentral gelegene Infrastruktur Um herauszufinden, ob und wie Verbesserungen der Verkehrs- für alternative Mobilitätskonzepte, sowohl für Mitarbeiter als wege bei der IHK Siegen möglich sind, wurde eine interne auch für Kunden. Der Fuhrpark des Energiedienstleisters wird Mobilitätsbefragung durchgeführt, an der sich zwei Drittel der zunehmend elektrischer und aktuell um zwei E-Bikes ergänzt, Mitarbeiter beteiligten. Die IHK ermittelte die individuellen die den Mitarbeitern auch privat und in ihrer Freizeit zur Ver- Arbeitswege, die genutzten Verkehrsmittel bei Dienstreisen fügung stehen. Generell verstehen sich die SVB als kompetenter und mögliche Anreize zur Veränderung des Mobilitätsverhal- Ansprechpartner, wenn es um innovative und ganzheitliche tens der Mitarbeitenden. Bei der Auswertung stand die kriti- Elektromobilitätskonzepte – auch für Unternehmen – geht. sche Überprüfung des eigenen Mobilitätsverhaltens an erster Stelle. Dazu zählen im Nahbereich das Zu-Fuß-Gehen und die Dem Wunsch nach flexiblerer und unabhängigerer Nutzung Nutzung des Fahrrads, des E-Bikes oder des ÖPNV. Für weite von Verkehrsmitteln kommen Sharing-Angebote für Fahrräder Strecken bietet sich die Verknüpfung verschiedener Verkehrs- und Autos (mit und ohne Strom) nach. In der Region sind ers- mittel (etwa Auto/Fahrrad und Bahn) an. Um die Pkw-Fahrten te Car- und Bike-Sharing-Stationen entstanden. Zusätzlich zu und unter Umständen Flugreisen bei entfernteren Dienstrei- dem eigenen Fuhrpark können bei Bedarf einzelne „Fahrein- sen zu reduzieren, wird auf eine verstärkte Bahnnutzung ge- heiten“ hinzugebucht werden. Auf diese Weise können die drungen. Darüber hinaus wird derzeit das „JobTicket“ in Zu- Mitarbeiter gleichzeitig mobil sein, ohne dass weitere Autos sammenschluss mit einem benachbarten Dienstleiter den angeschafft werden müssen. Mitarbeitern angeboten. Der Kauf eines E-Autos nach dem Auslauf des bestehenden Leasing-Vertrages ist vorgesehen sowie die Installation einer Ladesäule für E-Autos der Mitar- Webinare zum Thema Betriebliches beiter, der Besucher oder des eigenen Fuhrparks auf dem IHK- Mobilitätsmanagement Parkplatz geprüft. Für die Fahrrad- und E-Bike-Fahrer wurde eine sichere Unterstellmöglichkeit am Haupteingang einge- Die IHK Siegen bietet im Rahmen der Webinar-Reihe „Berufsverkehr und Mobi- richtet. ! lität der Mitarbeiter optimieren“ zwei weitere Webinare an: 17.06.2021, 14:00–15:30 Uhr: Betriebliches Mobilitätsmanagement für Diesen Bericht finden Sie auch unter www.ihk-siegen.de, Seiten-ID 3914. Unternehmen im urbanen Raum – Wege zur Integration der vielfältigen Mo- bilitätsangebote 01.07.2021, 14:00–15:30 Uhr: Betriebliches Mobilitätsmanagement für IHK-Ansprechpartnerin zum Thema: Unternehmen im ländlichen Raum – Neue Mobilitätsangebote schaffen und in Meike Menn, Referatsleiterin Ver- die betriebliche Praxis integrieren kehr und Mobilität (0271 3302-319, meike.menn@siegen.ihk.de). Referenten: Michael Schramek und Knut Petersen, EcoLibro GmbH – strategische & operative Mobilitätsberatung, Troisdorf Anmeldung unter: events.ihk-siegen.de/termine/761/ bzw. events.ihk-siegen.de/termine/760/
Wirtschaftsreport Juni 21 9 Interview mit Günter Padt, Geschäftsführer Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-Süd (ZWS) Mobilstationen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe Unterschiedliche Verkehrsmittel können sowohl inner halb eines Weges (intermodal) als auch bei verschiede nen Wegen (multimodal) genutzt werden. Mit einer Ver netzung der Verkehrsmittel kann eine Verbesserung der inter und multimodalen Angebote erreicht werden. Was plant der ZWS hinsichtlich der Verknüpfung unter schiedlicher Verkehrsmittel im Kammerbezirk? Innovative Verkehrsentwicklungen sind die Voraussetzung, um in unserer zum Teil ländlich geprägten Region unter- schiedliche Mobilitätskonzepte umsetzen und etablieren zu können. Die Verfügbarkeit von umfangreichen Mobilitäts- angeboten soll das Mobilitätsverhalten der Bürgerinnen und Bürger zugunsten des Umweltverbundes unterstützen. Mo- bilstationen als Anlaufstelle für die Verknüpfung von Fuß und Rad mit Bus und Bahn bilden einen wichtigen Baustein für ein zukunftsfähiges Angebot bei der Verknüpfung der unterschiedlichen Verkehrsträger. Was wird in den Kreisen SiegenWittgenstein und Olpe geschehen? Günter Padt, Geschäftsführer Zweckverband Personennahverkehr Im Auftrag der beiden Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe WestfalenSüd. plant der Zweckverband Personennahverkehr Westfalen- Süd (ZWS) die Umsetzung von 20 Mobilstationen, wobei in Über welchen Zeitraum sprechen wir hier? jeder Kommune mindestens eine Station an zentraler Lage Die Planungen zur Bauausführung werden voraussichtlich errichtet werden soll. Die wesentlichen Bausteine sind das noch 2021 abgeschlossen sein, sodass mit der Baudurch- dynamische Fahrgastinformationssystem (vergleichbar mit führung im Jahr 2022 zu rechnen ist. Die Gesamtkosten in ZOB Siegen und den Haltestellen Kölner Tor in Siegen), die Höhe von etwa 4,1 Mio. € werden durch erwartete Förde- Fahrradboxen, die Sammelschließanlage und weitere Ele- rungen vom Land in Höhe von etwa 3,45 Mio. € sowie ca. mente, etwa das Basismodul Stele und Gepäckschließfächer. 650.000 € Eigenanteil durch die Kreise Siegen-Wittgenstein Die Belange mobilitätseingeschränkter Nutzer werden bei und Olpe sowie durch den ZWS gedeckt. Die geschätzten der Umsetzung berücksichtigt. jährlichen Folgekosten sind mit 300.000 € angesetzt.
10 Juni 21 Wirtschaftsreport IHK-Arbeitskreis Verkehrswirtschaft Blick auf „Ever-Given“-Havarie im Suezkanal Von Vorteil sei zudem, zu verschiffende Ware den Standard-Containerabmessungen anzupas- sen. „Durch die Corona-Pandemie sind die inter- nationalen Lieferketten offenkundig richtig durcheinandergeraten. Sie dürften sich erst im Frühjahr 2022 wieder normalisieren“, prognos- tizierte wenig verheißungsvoll Arbeitskreisvor- sitzender Michael Kröhl, Krombacher Brauerei Bernhard Schadeberg GmbH & Co. KG. Im weiteren Verlauf der Sitzung befassten sich die rund 30 teilnehmenden Unternehmensver- treter mit dem Thema Brennstoffzellenantriebe. „Der Trend nimmt deutlich Fahrt auf: Immer mehr zugelassene Fahrzeuge, Lkw, Busse, Stap- ler und Niederflurfahrzeuge sind bereits mit dieser Technik unterwegs“, erklärte Dominik pixabay Eichbaum, der bei der Wirtschaftsförderung der Containerschiffe standen im Fokus des IHKArbeitskreises Verkehrswirtschaft. Stadt Siegen den Themenbereich Elektromobili- tät und Digitale Infrastruktur verantwortet. Er Eine Woche lang blockierte das 400 Meter lange Container ihrer Kunden auf dem zwischenzeit- stellte die Gestaltung der urbanen Wirtschafts- Containerschiff „Ever Given“ den Suezkanal. Es lich beschlagnahmten Schiff. „Jetzt geht es um verkehre mit Wasserstoff als alternative An- verursachte damit einen Stau von mehreren die vermögens- und versicherungsrechtliche triebs- und Speichertechnologie vor. Die Flur- hundert Schiffen. „Ob die Voraussetzungen für Abwicklung des Havarie-Schadens; dies wird förderzeug-Branche (Hubwagen, Gabelstapler einen ,Havarie-Grosses-Fall‘ gegeben sind, prü- sich vermutlich noch einige Zeit hinziehen. Vor- etc.) sei schon lange Vorreiter für Elektromobili- fen derzeit Versicherungen, Gutachter und rangig wird daran gearbeitet, Schiff und Ladung tät – und nun auch für die Wasserstofftechno- Gerichte. Bis dato sind Schiff und Ladung im wieder freigegeben zu bekommen“, so der Logis- logie. Seit einiger Zeit würden immer häufiger Suezkanal noch von den Behörden blockiert“, tikexperte. E-Stapler als Alternative zu Staplern mit Ver- beschrieb Uwe Stupperich, M.G. International brennungsmotoren nachgefragt. Über die Vor- Logistik GmbH, das Unglück vor einigen Wochen Doch der Stau im Suezkanal hat noch weit- teile und Anwendungsmöglichkeiten dieser im Arbeitskreis Verkehrswirtschaft der IHK Sie- reichendere Auswirkungen, denn er verschärft Technologie referierten Stefan Prokosch, Linde gen. Die Spedition mit Hauptsitz in Siegen ist die ohnehin durch die Corona-Pandemie ange- Material Handling GmbH aus Aschaffenburg, selbst betroffen: Immerhin befinden sich 20 spannte Situation bei den internationalen Lie- und Sven Kuhnert, Richter Fördertechnik GmbH ferketten. Unternehmen stehen vor Liefereng- & Co. KG, Herborn. pässen, sei es durch Produktionsausfälle bei Lieferanten oder Einschränkungen in der Logis- Im abschließenden Austausch wurden die ersten tik. Hinzu komme der Containermangel in Asien Erfahrungen mit den Auswirkungen der Stra- für die Routen nach Nordamerika und Europa. ßenverkehrsordnung-Novelle (StVO-Novelle), Über eine halbe Million Container lägen (Stand: der neuen Gebührenverordnung sowie die Her- Ende April) auf den Schiffen an der Ost- und ausforderungen im Verfahrensmanagement für Westküste der USA, betonte Uwe Stupperich. Großraum- und Schwerlasttransporte (VEMAGS- Die Häfen seien überfüllt, und die Abwicklung Antragsverfahren) thematisiert. Jörn Demmer, verzögere sich. Die Folge: Die Frachtpreise stie- STL Logistik AG, beklagte die enorme Gebühren- gen um ein Vielfaches. Auch in der Luftfracht steigerung im Genehmigungsverfahren: „Nach gebe es coronabedingt Kapazitätsveränderun- der Neuregelung der Gebührenstruktur zum gen, da die Passagierflüge auf bestimmten Start des Jahres sind für uns die Kosten wie er- Routen fast komplett entfallen seien – und da- wartet explodiert. Dabei sind die bisherigen Ge- mit auch die Möglichkeit der Frachtmitnahme. bühren für innerdeutsche Genehmigungen auf Uwe Stupperich: „Um die gestiegenen Fracht- 300 € bis 1.300 € je nach Komplexität angestie- kosten aufzufangen, empfehlen wir, frühzeitig gen – eine Verteuerung um 400 bis 500 %. Das zu planen und die Spedition rechtzeitig damit eigentliche Ziel der neuen Gebührenordnung zu beauftragen, eine Alternativroute auszuar- bestand unter anderem in der besseren Ver- beiten. Bei Verzögerungen und Ausfällen sind gleichbarkeit und Transparenz in diesem Pro- die ‚Force-Majeure-Klauseln‘ zu prüfen, die zess. Für uns fühlt es sich aber eher so an, als Regelungen bei höherer Gewalt beschreiben.“ wäre der Prozess undurchsichtiger denn je.“ !
Wirtschaftsreport Juni 21 11 Schwertransporte Achillesferse der heimischen Industrie 44 Meter lang, 140 Tonnen schwer: Der Koloss, schäftsführer Klaus-Dieter Wolf. „Die Topografie der sich aus dem Wilnsdorfer Industrie- und Ge- macht uns im Siegerland das Leben nicht gerade werbegebiet Lehnscheid auf den Weg zu einer einfach. Aber sie ist nur eines von vielen Proble- Raffinerie in Gelsenkirchen machte, ist derart men, mit denen wir bei den Schwertransporten mächtig, dass es zweier schwerer Fahrzeuge be- konfrontiert sind. Auch die Verkehrsinfrastruktur durfte, um ihn erfolgreich über die Straße zu füh- ist ausgesprochen schwierig.“ Brücken wiesen ren. Alleine die Ausfahrt aus der Fertigungshalle eine zu geringe Höhe auf oder seien so in die Jah- war Millimeterarbeit und nahm drei Stunden in re gekommen, dass sie Lasten von mehreren hun- Anspruch. Der CO2-Washer aus Edelstahl wird dert Tonnen nicht mehr tragen könnten. künftig in einer Wasserstoffanlage in großem Maßstab CO2 abscheiden. Der von der Robert Jo- Das Unternehmen hat vor diesem Hintergrund sef Wolf GmbH & Co. KG hergestellte Behälter ist einen Doppelstockbehälter mit einem Durch- dabei besonderer Beanspruchung durch Hitze und messer von sechs Metern, einer Länge von 20 Druck ausgesetzt. Er wird vor Inbetriebnahme mit Metern und einem Gewicht von 65 Tonnen Rundbühnen und einem Leitersystem versehen; durch eigene Mitarbeiter in den Niederlanden Carsten Schmale beides bringt noch einmal 30 bis 40 Tonnen zu- gefertigt, und zwar in einer Halle unmittelbar sätzlich auf die Waage. Der Transport bis zum am Wasser. „Ein Transport dieses Behälters hät- Zielort dauerte insgesamt sieben Nächte. Schwer- te, um ihn aus dem Siegerland heraustranspor- transporte dieser Art dürfen nur nachts, ab 22 Unternehmer KlausDieter Wolf bezieht Stellung zu tieren zu können, bei verschiedenen Brücken ein Uhr, fahren. Am 27. April begann der Schwer- den Problemen bei Großraum und Schwertransporten. Umladen bzw. Heben über die Brücken notwen- transport seine Reise über die Lipper Höhe und dig gemacht. Die Transportkosten hätten sich den Westerwald bis Andernach (Hafen), wo der auf einen Lkw umgeladen werden musste, um an- hierdurch auf 20 % des Auftragswertes belau- Behälter am 30. April auf ein Binnenschiff um- schließend nach Gelsenkirchen transportiert zu fen. Eine Fertigung von Behältern dieser Dimen- geladen wurde. Von dort aus ging es über den werden. Hier traf er schließlich am folgenden Tag sion ist im Siegerland wirtschaftlich nicht mehr Wasserweg bis Dorsten, wo er am 3. Mai erneut ein. „Der Aufwand ist erheblich“, erklärt Ge- darstellbar“, erläutert Klaus-Dieter Wolf. ! „Gesetze und Verordnungen nicht praxisgerecht“ Mehr als 50 Produktionsbetriebe, Bauun konnten. Heute müssen dies private Begleiter cke gestern, vorgestern und letzte Woche ternehmen, Dienstleister für Bau und Ge übernehmen. Anders als bei der Polizei müssen schon „nachgerechnet“ wurde. Es würde allen werbe sowie Speditionen und Logistikbe jetzt in der Regel mehrere Verwaltungshelfer Beteiligten Arbeit und Aufwand ersparen, triebe sind im Bezirk der IHK Siegen und Begleitfahrzeuge pro Transport eingesetzt wenn diese Daten zentral erfasst und abgeru- regelmäßig mit der Organisation von Son werden, was ebenfalls zu Mehrkosten führt. fen werden könnten. Aber das geschieht dertransporten befasst. Die Genehmigungs Mitten in der Corona-Pandemie hat sich der nicht. Das alles hat dazu geführt, dass die behörden in den Kreisen SiegenWittgen Gesetzgeber zudem eine neue Gebührenord- Transportkosten inzwischen einen großen Teil stein und Olpe bearbeiten mehr als 10.000 nung für das Genehmigungsverfahren einfallen des Auftragsvolumens ausmachen. Wir haben Anträge auf Durchführung von Großraum und diese in Kraft treten lassen. Die Gebühren ganz klar schon Aufträge abgeben müssen, und Schwertransporten im Jahr. Die Rah haben sich vervielfacht. Über die Genehmi- weil sie zu hoch waren. Der Wettbewerbs- menbedingungen sind aus Sicht der Wirt gungsbürokratie an sich könnte ich ein ganzes druck zieht dann irgendwo eine Grenze. schaft deutlich verbesserungswürdig. Buch schreiben. Was erwarten Sie von den politischen Ent Wo liegen die Probleme bei den Schwer Was stört Sie hieran besonders? scheidungsträgern? transporten? Der Aufwand ist enorm und bindet Mitarbeiter, Wir haben schon mehrfach erfahren müssen, Klaus-Dieter Wolf: Die Schwierigkeiten be- die wir eigentlich für andere Aufgaben im Be- dass Gesetze und Verordnungen in ihrer ur- ginnen schon bei den Straßen und Brücken- trieb dringend benötigen. Das Verfahrensma- sprünglichen Form nicht praxisgerecht waren. bauwerken, die abgelastet wurden, also für nagement ist nicht auf dem Stand, der dem di- Entweder müssen in die Fachgruppen auf Schwertransporte nicht mehr befahrbar sind. gitalen Zeitalter angemessen wäre. Nach wie Bundesebene mehr Praktiker einbezogen wer- Weite Umfahrungen werden notwendig, was vor dauert es, je nach zuständigem Bundesland, den oder sie müssen besser gehört werden. die Transportkosten in die Höhe schnellen zu lange, bis Anträge geprüft sind. Und: Es wird Mit Regelungen, die im konkreten Fall nicht lässt. Früher wurden Transporte durch die vieles doppelt und dreifach gemacht. Wenn die umsetzbar sind oder am Ende dazu beitragen, Polizei begleitet, damit unterwegs verkehrs- Statik-Nachrechnung einer Brücke zur Auflage dass Produktionsstandorte ins Ausland verla- rechtliche Anordnungen getroffen werden gemacht wird, spielt es keine Rolle, ob die Brü- gert werden, ist niemandem gedient.
12 Juni 21 Wirtschaftsreport IHK Siegen Schere zwischen den Branchen geht auseinander nehmen melden Liquiditätsengpässe und 22 % einen Eigenkapitalrückgang. Während in der In- 137 dustrie, im Baugewerbe und im Großhandel zwi- 130 126 123 122 120 118 schen 70 und 80 % der Unternehmen ihre finan- 115 117 118 111 112 112 zielle Lage als unproblematisch einschätzen, ist 103 106 106 99 100 Langfr. 92 Mittel es im Gastgewerbe nur jedes Fünfte. IHK- Haupt- geschäftsführer Klaus Gräbener: „19 % der Ein- zelhändler und 44 % der Gastronomen melden 65 Liquiditätsengpässe. Große Teile dieser Unter- nehmen fühlen sich perspektivlos und von der Politik verlassen. Würden sie durch die Politik auch nur ansatzweise so in Watte gepackt wie hochbezahlte Fußballteams, ginge es ihnen deut- lich besser.“ Mut mache demgegenüber, dass sich Jan Sep Jan Sep Jan Sep Jan Sep Jan Sep Jan Sep Jan Apr Sep Jan Mai Sep Jan Apr in den anderen Branchen die Beschäftigungsab- 13 13 14 14 15 15 16 16 17 17 18 18 19 19 19 20 20 20 21 21 sichten und die Investitionsneigungen wieder positiv entwickeln. Erstmals seit zwei Jahren Konjunkturklimaindex für den Bezirk der Industrie und Handelskammer Siegen. wollen wieder mehr Unternehmen Personal auf- bauen (18 %) als abbauen (17 %). Zum Jahres- „In weiten Teilen der heimischen Wirtschaft hat und Erwartung - steigt um 18 Punkte auf einen beginn lag das Verhältnis von positiven und ne- sich die Stimmung in den letzten Wochen deut- Wert von 118 und somit auf den höchsten Stand gativen Einstellungsabsichten noch bei 14 zu lich aufgehellt. Der Optimismus ist in der Indus- seit Januar 2019. Erstmals seit zwei Jahren liegt 25 %. Noch optimistischer ist die Investitions- trie, im Bau sowie im Großhandel zurück, aber der Klimaindex wieder über dem Mittelwert der neigung. 27 % (+7 Prozentpunkte) der Unterneh- eben nicht überall. Teile des Handels und der letzten 20 Jahre (106). 39 % der Unternehmen men wollen in den kommenden Monaten mehr Dienstleistungen, vor allem aber das Gastgewer- aus Siegen-Wittgenstein und Olpe berichten von investieren, 16 % (-12 Prozentpunkte) gehen von be sind die eindeutigen Corona-Verlierer. Wir einer guten und 20 % von einer schlechten Lage. geringeren Investitionen aus. sehen eine konjunkturelle Zweiklassen-Gesell- Der Lagesaldo verbessert sich um 19 Punkte. schaft. Die einen kommen immer besser durch, Ebenfalls deutlich verbessert haben sich die Ge- In großen Teilen der Industrie überwiegen die bei den anderen liegen die Nerven blank.“ Mit schäftsaussichten für die kommenden Monate positiven Meldungen. 42 % beurteilen ihre der- diesen Worten kommentiert IHK-Präsident Felix (+18 Punkte). Felix G. Hensel: „Seit dem konjunk- zeitige Geschäftslage als gut, 14 % als schlecht. G. Hensel die Ergebnisse der im April durchge- turellen Tiefpunkt vor einem Jahr kletterte der Der Lagesaldo steigt um beachtliche 24 Punkte. führten IHK-Konjunkturumfrage, an der sich 553 Klimaindex der heimischen Wirtschaft um mehr Die Erwartungen sind ebenfalls deutlich positiver Unternehmen mit mehr als 42.000 Beschäftigten als 50 Punkte. Das ist über alles gesehen eine als noch zu Jahresbeginn. 39 % der Industrie- aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienst- sehr erfreuliche Entwicklung, die Mut macht.“ unternehmen blicken optimistisch in die Zukunft, leistungsgewerbe in den Kreisen Siegen-Witt- Weiterhin problematisch und nur unwesentlich 13 % der Betriebe sind hingegen pessimistisch. genstein und Olpe beteiligten. Der Konjunktur- besser als zu Jahresbeginn ist in Teilen der Wirt- Klaus Gräbener: „Weit überwiegend brummt es klimaindex – er ergibt sich aus Lagebeurteilung schaft die finanzielle Situation. 12 % der Unter- in unserer Industrie wieder. Die Auftragseingän- ge haben spürbar angezogen, auch wegen der 60 Bewegung auf wichtigen Absatzmärkten in Asien 49 50 45 und Amerika. Die Auslastung ist deutlich ge- 43 44 wachsen, die Exporterwartungen sind so optimis- 40 tisch wie seit drei Jahren nicht mehr. Vielleicht 28 27 27 30 24 sind wir ja schneller als erwartet über den Berg.“ 18 19 19 20 27 Aber: Nicht in allen Industriezweigen ist die 18 18 Lageeinschätzung so positiv. Bei den Metaller- 10 14 Lage 10 9 10 0 zeugern überwiegen weiterhin die negativen Ein- 0 5 Erwartung -5 schätzungen, wenngleich auch nicht mehr in -1 0 - 10 dem Maße wie noch zu Jahresbeginn. Über alle -6 - 12 - 20 - 31 Industriezweige hinweg hat sich die Ertragslage - 16 deutlich verbessert. Zur Unzeit ziehen derzeit von - 30 anderer Seite dunkle Wolken auf. Zahlreiche - 40 Unternehmen haben mit hohen Energie- und - 39 - 50 Rohstoffpreisen und deutlich anziehenden Vor- Jan 16 Sep 16 Jan 17 Sep 17 Jan 18 Sep 18 Jan 19 Apr 19 Sep 19 Jan 20 Mai 20 Sep 20 Jan 21 Apr 21 materialkosten zu kämpfen. Felix G. Hensel: „Die Lagebeurteilungen und Erwartung aller Unternehmen im IHKBezirk Siegen. Materialverfügbarkeit entwickelt sich zum Fla-
Wirtschaftsreport Juni 21 13 schenhals, etliche Lieferketten sind brüchig. Drei 100 Viertel der Industrieunternehmen klagen aktuell 90 81 80 74 über Lieferengpässe, 93 % melden steigende Vor- 64 70 59 materialkosten. Das sind historisch hohe Werte. 60 50 45 47 Der gerade auf Touren kommende Konjunktur- 50 42 40 36 35 41 41 39 40 33 32 motor droht schon bald wieder zu stottern.“ Als 30 22 24 27 24 27 20 20 16 16 Ursachen der Lieferengpässe beobachten 94 % 20 11 9 8 10 3 3 6 5 der Unternehmen eine Verknappung der Mate- 0 rialverfügbarkeit. Für 61 % ist die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten ursächlich für die derzeitige Problemlage, für zwei Fünftel der Unternehmen sind es Lieferengpässe durch Lo- gistik, Zoll und Transportwege. Mai 20 Sep 20 Jan 21 Apr 21 Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich Die Baubranche zeigt sich weiterhin unbeein- Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung. druckt von der Corona-Krise. So gut wie alle der befragten Baubetriebe geben eine gute oder be- Beim konsumnahen Großhandel hingegen ist die unter welchen Voraussetzungen zumindest ein friedigende Geschäftslage an. Stephan Häger, Lageeinschätzung im Vergleich zum Jahresbeginn Termin-Einkauf möglich ist?“ Vor allem der Mo- Leiter des Referates Konjunktur, Arbeitsmarkt und etwas verhaltener.“ Die Stimmung in der Dienst- deeinzelhandel und der Kfz-Handel blicken je- Statistik: „Die Auftragsbücher im Bausektor sind leistungsbranche ist gespalten. Während unter- doch nach den ersten Fortschritten der Impfkam- gut gefüllt und die Auslastung sehr ordentlich. nehmensbezogene Dienstleister und die Logistik- pagne wieder optimistischer in die Zukunft. Die Acht von zehn Unternehmen melden einen Aus- branche vom Aufschwung und von der Nähe zur Hoffnung auf eine baldige Auflösung des Kon- lastungsgrad von über 70 %. Zudem kann die Industrie profitieren, ist die Situation bei den sumstaus scheint zu wachsen. Im Gegensatz zum steigende industrielle Investitionsbereitschaft personenbezogenen und sonstigen Dienstleistern Einzelhandel ist in der gesamten Gastronomie die dem zuletzt kriselnden Wirtschaftsbau Rücken- nach wie vor sehr angespannt. Stimmung äußerst düster. Neun von zehn Gast- wind verleihen. Aber auch in der Baubranche sind ronomen bewerten ihre derzeitige Geschäftslage Materialknappheit und steigende Kosten ein gro- Äußerst schwierig ist immer noch die Lage in als schlecht. Auch die Zukunftsaussichten sind ßes Thema. Sie dämpfen die Zukunftserwartun- Teilen des Einzelhandels. Sechs von zehn Händ- von deutlichem Pessimismus geprägt. Nur 16 % gen ebenso wie fehlende Fachkräfte.“ Die Lage- lern bewerten ihre derzeitige Geschäftslage als erwarten in den kommenden Monaten bessere beurteilung der regionalen Großhändler klettert schlecht, ein Fünftel als gut. Stephan Häger: „Le- Geschäfte. 64 % gehen weiterhin von schlechten auf ein Rekordniveau. 60 % der Unternehmen bensmittel laufen nach wie vor bestens, während Umsätzen aus. Klaus Gräbener: „Das sind unter- bewerten ihre Lage als gut, 6 % als schlecht. Auch beispielsweise in den Segmenten Mode und Be- irdische Werte. Der Endlos-Lockdown setzt dem die Zukunftserwartungen hellen sich im Vergleich kleidung, aber auch im Kfz-Einzelhandel die Hotel- und Gastgewerbe immens zu. Zahlreiche zum Jahresbeginn merklich auf. Stephan Häger: kaum nachvollziehbaren Öffnungsvorgaben von Unternehmen kämpfen ohne wirkliche Perspek- „Insbesondere der produktionsnahe Großhandel Bund und Land für großen Unmut sorgen. Wie tive um das nackte Überleben. Etliche von ihnen profitiert von der gut laufenden Industrie und der soll auch der Strohhalm ,Click and Meet‘ funktio- glauben nicht mehr daran, dass bei ihnen nach wieder an Fahrt aufnehmenden Weltwirtschaft. nieren, wenn die Kunden nicht wissen, ob und der Krise die Lichter wieder angehen.“ ! schmelzermedien.de Virtueller Messestand. Messe abgesagt ... und was nun? Jetzt braucht es neue kreative Lösungen! Präsentieren Sie Ihre Produkte und Neuentwicklungen online und interaktiv als virtuellen 360-Grad-Messestand. So gewinnen Sie Kunden und Leads auch ohne Messe. Ist Ihr Interesse geweckt? Dann sprechen Sie uns an!
14 Juni 21 Wirtschaftsreport IHK-Einzelhandelsausschuss Shutdown hat erhebliche Auswirkungen auf stationäre Geschäfte kaufen.“ Während des ersten Shutdowns im Früh- jahr 2020 habe beispielsweise der Abholservice im Markt in Olpe ein Umsatzplus von etwa 500 % erwirtschaftet. Jörg Dornseifer: „Dennoch macht das Angebot nur 1,5 % des Gesamtumsatzes aus.“ Generell hänge es von der Komplexität eines Sor- timentes ab, ob ein stationärer Händler dieses auch komplett online abbilden könne. Thomas Weissner, Geschäftsführender Gesell- schafter der Leder Jaeger GmbH in Siegen, pflich- tete dieser Aussage bei. Seine Erfahrung zeige, dass Produkte wie Schulranzen mit entsprechen- pixabay den Informationen durchaus gut online zu ver- Komplett offene Läden ohne Einschränkungen wird es auch weiterhin nicht in allen Bereichen des Einzelhandels kaufen seien. Allerdings büße der Non-Food-Han- geben. del derzeit einen Großteil seiner Umsätze ein, da es Spontankäufe im Internet seltener gebe. Echte Die heimischen Konsumenten sind derzeit opti- Verbraucher eine deutliche Fokussierung in Bezug Emotionen, die einen Kaufimpuls auslösen, könn- mistisch, stellte Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein auf regionale Anbieter entwickelt“, so Hanna ten nicht eins zu eins digital vermittelt werden. fest. Das spiegele sich im Anstieg ihrer Konsum- Schramm-Klein. „Nichtsdestotrotz wägen Kun- Ausschussvorsitzender Wolfgang Keller, Inhaber neigung wider. Allerdings sorgten die Corona- den bereits zu Hause ab, ob sich die Anfahrt der Autohaus Keller GmbH & Co. KG in Kreuztal, Schutzbeschränkungen dafür, dass die Kunden lohnt.“ Kunden, die beispielsweise keine Informa- bestätigte die Zurückhaltung der Privatkunden dieser gestiegenen Kauflaune nicht voll und ganz tionen online dazu fänden, zu welcher Uhrzeit ein auch in der Automobilbranche. Auch umfangrei- nachgehen könnten. „Wir erwarten, dass die Kun- Ladengeschäft geöffnet sei oder wie aufgrund der che Social-Media-Aktivitäten könnten die Zu- den gewisse Anschaffungen in eine Zeit nach Corona-Schutzmaßnahmen dort eingekauft wer- rückhaltung der Konsumenten nur begrenzt redu- Corona verschieben“, zeigte die Inhaberin des den könne, tätigten ihre Besorgungen über ande- zieren. Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbe- re Kanäle, warnte sie. Diese Basisinformationen sondere Marketing und Handel, der Universität über eine eigene Website, einen Suchmaschinen- „Auffindbarkeit im Internet“ und „Online-Handel“ Siegen jetzt im Einzelhandelsausschuss der IHK anbieter oder Social-Media-Kanäle zur Verfü- sind das eine. Wie aber steht es um das Thema Siegen auf. „Nur so ist zu erklären, dass zwar Käu- gung zu stellen, gehöre mittlerweile zum Stan- „Einkaufserlebnis schaffen“? Alexander Kremer, fe getätigt, aber die finanziellen Möglichkeiten dard und werde auch in Zukunft eine wichtige Geschäftsführender Gesellschafter der Garten- nicht voll ausgeschöpft werden.“ Das zeige auch, Rolle für die Auffindbarkeit spielen. Hanna Center Kremer GmbH in Lennestadt, stellte hierzu dass digitale Angebote wie Click & Collect kein Schramm-Klein empfahl den Ausschussmitglie- die Philosophie seines vor 13 Monaten eröffneten Allheilmittel für den stationären Einzelhandel sei- dern, am eigenen Standort mit allen Akteuren Naturgartencenters vor. Ziel sei es von Anfang an en. „Insgesamt ist diese Entwicklung aber als ein zusammenzuarbeiten. „Zentren sind für Men- gewesen, „keinen weiteren Pflanzensupermarkt“ gutes Signal für den stationären Einzelhandel zu schen attraktiv, da sie dort eine räumliche An- zu eröffnen, sondern „ein kleines, grünes Aus- bewerten.“ gebotsballung vorfinden, die viele Aktivitäten flugsziel“ zu erschaffen. Das gelte für das gesam- ermöglicht.“ Bezogen auf den stationären Einzel- te Naturgartencenter, das sich minimalistisch und Grundsätzlich habe der Pandemieausbruch im handel bedeute dies, dass jeder ansässige Händler reduziert als Tor zwischen Landstraße und Lenne- vergangenen Jahr dazu geführt, dass die Ein- seinen Teil zu einer optimalen Handelsstruktur aue einfüge. „Wir brauchen allein deutlich mehr kaufshäufigkeit zurückgegangen sei, erklärte beitrage und das zur Verfügung stehende Stand- Besucher von außerhalb, um überhaupt wirt- Hanna Schramm-Klein. Wie und ob diese Beob- ortsortiment erweitere. „Wettbewerber sind nicht schaftlich zu sein“, gab Alexander Kremer unum- achtung Stadtteil- und Ortszentren verändern in erster Linie auf der anderen Straßenseite zu wunden zu. Zu dem Gesamtkonzept gehörten am wird, könne noch nicht abschließend gesagt wer- finden, sondern verstärkt im Internet.“ Standort Altenhundem ein Café, ein Gartenmu- den. Positiv stimme in jedem Fall, dass über alle seum, ein Naturspielplatz sowie ein Naturpfad, Altersgruppen hinweg die Menschen immer noch Im Internet noch wenig repräsentiert ist der Le- dessen 28 Stationen auf dem Gelände des Gar- am liebsten in stationären Geschäften einkauften. bensmitteleinzelhandel, wie Jörg Dornseifer, In- tencenters von Groß und Klein entdeckt werden Allerdings haben sich laut der Handelsexpertin haber der Friedhelm Dornseifer GmbH & Co. KG können. Die gesamte Ausstellungsfläche sei als die Erwartungen an die ortsansässigen Händler in Wenden, aufzeigte. Er setzt unter anderem auf „begehbares Instagram – jeder Meter ein Foto- verändert. Digitale Sichtbarkeit ist hier das ent- einen Abholservice. Bemerkenswert: Der Ein- motiv“ ausgelegt und wird von den „Naturtalen- scheidende Schlagwort. Kleine und mittlere Han- kaufswert eines Warenkorbs, der über dieses Ser- ten“ für Social-Media-Aktivitäten genutzt. Alex- delsunternehmen verkaufen und kommunizieren viceangebot bestellt werde, ist höher als der Wert ander Kremer: „Das Thema ‚Natur‘ ist Unterhaltung aber oftmals über traditionelle Wege, was sich eines normalen Durchschnittseinkaufs. „Trotzdem und soll nicht als Belehrung vermittelt werden.“ besonders in Pandemiezeiten zum Nachteil aus- gehen die Kunden beim Abholen ihres Waren- Und eine Möglichkeit, die Kaufzurückhaltung in wirken könne. „Im Laufe der Pandemie haben die korbs noch in den Markt, um weitere Artikel zu dieser Branche auf Strecke zu überwinden. !
Sie können auch lesen