Wirtschaftsreport Juni 2021 - Titelthema: Betriebliches Mobilitätsmanagement - IHK-Siegen

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Wirtschaftsreport Juni 2021 - Titelthema: Betriebliches Mobilitätsmanagement - IHK-Siegen
Wirtschaftsreport
                      Juni 2021

            Titelthema:
            Betriebliches
            Mobilitätsmanagement
Wirtschaftsreport Juni 2021 - Titelthema: Betriebliches Mobilitätsmanagement - IHK-Siegen
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Wirtschaftsreport Juni 2021 - Titelthema: Betriebliches Mobilitätsmanagement - IHK-Siegen
Wirtschaftsreport        Juni 21            1

                                                        Editorial
                                                                     Kraft-Zentrum
Wenn sich mit wachsender Impfquote der Schleier der Pandemie langsam hebt,
wird der Weg in eine neue Normalität wieder frei. Dann jedoch werden sich
die Auswirkungen von Corona in unserem Umfeld, über die man heute in
großen Teilen allenfalls spekulieren kann, immer deutlicher zeigen. Beispiel:
Stadt- und Gemeindezentren. Die IHK Siegen hat in den vergangenen Jahren
mit einem Zentrumsmonitor für jede Kommune die Attraktivität der Zentren
wissenschaftlich untersucht, Handlungsempfehlungen erarbeitet und mit den
Bürgermeistern und Werbegemeinschaften besprochen. Wer sich hiermit
ernsthaft auseinandergesetzt hat, profitiert hiervon gerade jetzt. Denn Corona
wirkt wie ein Brennglas: Angebote brechen weg, Geschäfte sterben, die Gas-
tronomie schwindet, digitale Angebote nehmen zu. Netflix & Co. bereiten
Kinos und Theatern existenzielle Probleme. Wer sich daheim einigelt, weiß
Lieferdienste zu schätzen und neigt nicht zum regelmäßigen Restaurantbe-
such. Diese Entwicklungen sind überhaupt nicht neu. Allerdings wirkt Corona
hier wie ein Brandbeschleuniger. Der Trend zur Digitalisierung wird bleiben
und deutliche Spuren hinterlassen: auf Dienstleistungen, auf den Handel, auf
das Kunden- und Besucherverhalten, auf den Verkehr – kurz: auf all das, was
unsere Innenstädte bislang lebendig hielt. Und so drohen vielerorts Leerstän-
de und Verödung, wenn nicht gegengesteuert wird.

Im Fall des regionalen Oberzentrums gibt es in diesen Monaten eine weitere
einschneidende Entwicklung, die sich indessen als ausgesprochen segensreich
erweisen könnte. „Siegen. Wissen verbindet“ ist die Vision einer Stadt, die
„ihre“ Universität in die Mitte holt. Am Ende könnten es bis zu 14.000 junge
Menschen sein, die künftig die Siegener Innenstadt mit neuem Leben füllen.
Und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem Corona im Verbund mit dem Online-
handel in anderen mittelgroßen Städten bundesweit die Attraktivität dauer-            Die Nähe zu Unternehmen, Schulen und Kulturbetrieben in der Stadt kann
haft zu beschädigen droht. Während anderswo händeringend nach einer neu-              neue Geschäftsmodelle und kreative Visionen freisetzen, die am Ende für mehr
en strategischen Ausrichtung gesucht wird, ist sie hier bereits angelegt: In          Beschäftigung und damit individuelle Zukunftsperspektiven sorgen. Die Stadt-
Siegen wird die Universität zum entscheidenden Zukunftsanker. Richtig grei-           mitte wird zu einem attraktiven, vielfältigen Lebensumfeld für dringend be-
fen kann er jedoch nur, wenn er seinen Platz im Herzen der Stadt hat – und            nötigte Fachkräfte – ganz gleich, ob in Industrie, Handel oder Handwerk.
nicht an der Peripherie.                                                              Diese Effekte wirken dank der oberzentralen Funktion freilich über das Stadt-
                                                                                      gebiet Siegen hinaus. Da verwundert es nicht, dass sich Arbeitgeberverbände,
Das Vorhaben ist ambitioniert: Bis 2028 sollen zwei weitere Fakultäten in die         Gewerkschaften, das Handwerk und die IHK öffentlich für das Projekt stark-
Stadtmitte ziehen. Der Campus Unteres Schloss wird um die Bereiche Sand-              machen.
straße/Friedrichstraße und Löhrtor erweitert. Das Zentrum erhält eine nach-
haltige und deutlich sichtbare Verjüngungsspritze. Drei Viertel der Unterneh-         Es bestehen jedoch auch Risiken: Welche Folgen ergeben sich für den Woh-
men im Siegener Zentrum vertreten laut einer aktuellen IHK-Umfrage die                nungsmarkt, auch mit Blick auf soziale Fragen? Wie sollen das Verkehrsauf-
Auffassung, dass das Projekt dazu beitragen wird, die Innenstadt zu beleben.          kommen bewältigt und neuen Mobilitätsformen Rechnung getragen werden?
Ebenso viele glauben, dass es sich positiv oder sogar sehr positiv auf die wirt-      Wie wird sich das Stadtbild in ästhetischer Hinsicht wandeln? Auf diese Fragen
schaftliche Entwicklung der Stadt auswirken wird. Immerhin 58 % der Be-               müssen ehrliche Antworten gefunden werden. Die Dimension des Projekts
triebe sind überzeugt, dass sich die demografische Entwicklung in Folge des           macht es erforderlich, die Öffentlichkeit aktiv mitzunehmen. Das gilt längst
Vorhabens verbessern wird. Eine große Chance also für Siegen, die zu ergreifen        nicht nur für die Rubensstadt! Der Erfolg stellt sich ein, wenn miteinander
ebenso großen Mut erfordert.                                                          gesprochen wird, nicht übereinander. Nur durch Mitmachen und Mitreden
                                                                                      breiter Bevölkerungsgruppen werden Innenstädte Orte des „Wir-Gefühls“, der
Mit Halbherzigkeit lassen sich die sichtbaren und durch Corona verstärkten            Identifikation und des demokratischen Zusammenwirkens bleiben. Hierzu be-
Probleme nicht lösen: Wer die eigene Zukunft nicht dem Zufall überlassen will,        darf es wirksamer Beteiligungs- und Mitspracheangebote. Aber es braucht
der darf sich nicht aufs Abwarten versteigen. Wer sich von der Vergangenheit          auch die Bereitschaft aller Betroffenen, sich mit Vorschlägen, Anregungen –
verabschieden will, muss den Schritt in die Zukunft tun. Wer sich „Universitäts-      und ja: auch Kritik – einzubringen. Wenn dies konstruktiv und nicht mit pau-
stadt“ auf die Ortsschilder schreibt, darf die Universität nicht weiter verstecken.   schalen Vorbehalten geschieht, wird der Prozess umso erfolgreicher sein. !
Deshalb muss die Politik bei allen anstehenden Entscheidungen das Große und
Ganze im Blick behalten. Dann kann sich die Universität am Ende als zentraler
Impuls für die neue Siegener Mitte erweisen. Sie kann so die Corona-Krise mit
                                                                                                   In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
der Aussicht hinter sich lassen, ein echtes Kraftzentrum zu werden, das sich
zum Beispiel durch ein breiteres und zukunftsfesteres Angebot in Einzelhandel                                        Jost Schneider
und Gastronomie oder im Dienstleistungssektor auszeichnet.                                                         IHK-Vize-Präsident
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                           Inhaltsverzeichnis
                                                                                                                                               Titelthema

                                                                                                                                                      4
                                                                                                                                         Betriebliches
                                                                                                                                    Mobilitätsmanagement:
                                                                                                                                     Vieles in Bewegung
                                                                                                                            Dichtes Verkehrsaufkommen, zeitaufwendige
                                                                                                                             und kostenpflichtige Parkplatzsuche, inner-
                                                                                                                           städtische Fahrverbote, Baustellenverkehr oder
                                                                                                                          auch der damit verbundene CO2-Ausstoß sorgen
                                                                                                                           nicht nur bei Pendlern und Geschäftsreisenden
                                                                                                                            häufig für Frust und Ärger. Neue Mobilitäts-
                                                                                                                            angebote rücken in der Folge vermehrt in den
                                                                                                                                              Fokus …

                                                                                                                                                 Titelseite:
                                                                                                                                           Foto: Carsten Schmale

31          ACTIWARE Infosystems
            Daten sind Gold                                      34          Technischer Fachwirt
                                                                             Theorie und Praxis vereint                   48          Hotel im Auerbachtal
                                                                                                                                      Aktiv in der Natur

Impressum
Der WIRTSCHAFTSREPORT ist das offizielle Organ der IHK Siegen    Herausgeber                                              Layout
und wird den kammerzugehörigen Unternehmen im Rahmen             Industrie- und Handelskammer Siegen,                     Christian Reeh
ihrer beitragspflichtigen Mitgliedschaft ohne besonderes Be-     Hauptgeschäftsstelle, Postfach 10 04 51, 57069 Siegen,   Druck, Anzeigen und Verlag
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Bestellung nur durch den Verlag.                                 Telefax 0271 3302-400                                    Obergraben 39, 57072 Siegen, Telefon 0271 5940-0
                                                                 E-Mail: si@siegen.ihk.de,
Erscheinungsweise: jeweils am 1. jedes Monats.                   Internet: http://www.ihk-siegen.de                       Anzeigenannahme: Günter Chojetzki
Druckauflage: 22 150 Exemplare                                                                                            Telefon 0271 5940-338, Telefax 0271 5940-373
Quartal 1/2021                                                   Geschäftsstelle Olpe, Postfach 14 46, 57444 Olpe,        E-Mail: wirtschaftsreport@vorlaender.de
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wieder. Nachdruck mit Genehmigung des Herausgebers und           Patrick Kohlberger: 0271 3302-317
Quellenangabe sowie fotomechanische Vervielfältigung für         Hans-Peter Langer: 0271 3302-313                         Beilagenhinweis
innerbetrieblichen Bedarf gestattet. Für unverlangt eingesand-   E-Mail: presse@siegen.ihk.de                             Dieser Ausgabe liegt ein Prospekt der Fa. WEMAG
te Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.                                                                    GmbH & Co. KG, 36043 Fulda, bei.
Der WIRTSCHAFTSREPORT ist keine auf Erwerb ausgerichtete         Mitarbeiter dieser Ausgabe:
Veröffentlichung.                                                Meike Menn, Andrea Schumacher-Vogel, Katja Sponholz      Zurzeit gültige Anzeigenpreisliste Nr. 60
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» 4 Titelthema                                 10 | Nachrichten                                  » 62 Jubiläen/Bücher
28 | Berichte                                  » 10 Arbeitskreis Verkehrswirtschaft              62 | Börsen
» 28 „Vom Vlies bis in die                     » 11 Schwertransporte                             » 62 Recyclingbörse
     Verpackung“                               » 12 Konjunktur                                   » 63 Unternehmensnachfolgebörse
» 31 Daten sind Gold                           » 51 Energiegenossenschaft                        » 64 Handels- und
» 34 Theorie und Praxis vereint                » 52 G-TEC Ingenieure                                  Genossenschaftsregister
» 37 Produkten im Internet mehr                » 54 Corona-Tests                                 » 72 Veranstaltungskalender
     „Sichtbarkeit“ verleihen
» 40 Innovativ und nachhaltig
» 44 Italienischer Charme
     im Siegerland
» 48 Aktiv in der Natur

                                                                                                                   >JHB@E45? 2@&"J&4JHE
                                                                                                                F99F A61
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                                   Betriebliches Mobilitätsmanagement

                           Vieles in
                          Bewegung
         Dichtes Verkehrsaufkommen, zeitaufwendige und kostenpflichtige Parkplatzsuche,
    innerstädtische Fahrverbote, Baustellenverkehr oder auch der damit verbundene CO2-Ausstoß
          sorgen nicht nur bei Pendlern und Geschäftsreisenden häufig für Frust und Ärger.
     Neue Mobilitätsangebote rücken in der Folge vermehrt in den Fokus. In vielen Unternehmen
                gibt es eine größere Offenheit für ein verändertes Mobilitätsverhalten.

                Text: Meike Menn    |   Fotos: Carsten Schmale (6), Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-Süd (1)
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                                                                                                                                         Sabine Klein ist das
                                                                                                                                         Thema Nachhaltig­
                                                                                                                                         keit von zentraler
                                                                                                                                         Bedeutung.

»   Das Auto bzw. der motorisierte Individualverkehr (MIV) spielt
    nach wie vor sowohl für den Arbeitsweg als auch für dienst-
    liche Fahrten eine sehr bedeutende Rolle. Der vorhandene
    Pkw-Stellplatz stellt dabei durchaus einen Anreiz dar, mit dem
                                                                     Auto zur Arbeit zu kommen. Doch Unternehmen und Dienst-
                                                                     leister können die Verkehrsmittelwahl ihrer Beschäftigten ak-
                                                                     tiv mitgestalten und beispielsweise ein Jobticket für den ÖPNV
                                                                     einführen, den Kauf von E-Bikes finanziell fördern sowie ein
                                                                     nachhaltiges Fuhrpark- und Dienstreisemanagement einfüh-
                                                                     ren. Für die Unternehmen ist dies interessant, denn sie erhöhen
                                                                     ihre Attraktivität als Arbeitgeber, steigern die Zufriedenheit
                                                                     der Mitarbeiter und sparen unter Umständen Verkehrsfläche
                                                                     ein, wenn Stellplätze verzichtbar werden. Auch die Mitarbeiter
                                                                     gewinnen: Sie verbringen weniger Lebenszeit im dichten Ver-
                                                                     kehr oder bei der Parkplatzsuche und profitieren von verrin-
                                                                     gerten Mobilitätskosten.

                                                                     Mit dem Betrieblichen Mobilitätsmanagement können Ange-
                                                                     bote entwickelt werden, die es attraktiver machen, den ÖPNV
                                                                     zu nutzen oder mit dem Rad zu fahren. Zudem können neue
                                                                     Mobilitäts- oder Antriebsformen wie die E-Mobilität gefördert
                                                                     oder Fahrgemeinschaften initiiert werden. Das Betriebliche
                                                                     Mobilitätsmanagement umfasst alle Maßnahmen, die Arbeit-
                                                                     geber ergreifen, um den von ihnen verursachten Verkehr zu
                                                                     lenken und möglichst zu verringern. Welche Ansätze aufgegrif-
                                                                     fen und am Ende umgesetzt werden, hängt von der Unterneh-
                                                                     mens- bzw. Betriebsgröße, der Veränderungsbereitschaft sowie
                                                                     den zur Verfügung gestellten Mitteln ab. Wichtige Grundlage
                                                                     ist eine Bewertung des Mobilitätsverhaltens – meist in Form
                                                                     einer Mitarbeiterbefragung und einer Standort-Analyse. Aus
                                                                     den Ergebnissen werden Lösungsansätze und weitere Schritte
                                                                     für das Unternehmen oder den Dienstleister entwickelt. Die
                                                                     jeweils sinnvollen Mobilitätsmaßnahmen münden anschlie-
                                                                     ßend in ein Mobilitätskonzept.

                                                                     Schon heute lässt sich deutlich erkennen, dass regionale Un-
                                                                     ternehmen erhebliche Veränderungen im Dienstreise- und
                                                                     Fuhrparkmanagement umgesetzt haben. Elektromobilität und
                                                                     Digitalisierung eröffnen neue Möglichkeiten, und das Fahrrad-
                                                                     bzw. E-Bike-Leasing erfreut sich wachsender Beliebtheit. Die
                                                                     Hermann Münker GmbH in Siegen-Birlenbach ist ein modernes
                                                                     Unternehmen, das sich auf Holzwerkstoffe und holznahe Ma-
                                                                     terialen spezialisiert hat. „Das Thema Nachhaltigkeit sollte sich
Wirtschaftsreport Juni 2021 - Titelthema: Betriebliches Mobilitätsmanagement - IHK-Siegen
6             Juni 21    Wirtschaftsreport

                                                                                            Zahlreiche Förderrichtlinien und Programme von der Be-
                                                                                            ratung bis zur Durchführung des Betrieblichen Mobili-
                                                                                            tätsmanagements sowie die Finanzierungshilfen für Elek-
                                                                                            tro- und Hybridautos, Wallboxen, Schnellladestationen
                                                                                            oder klassische Ladesäulen bieten Bund und Land an.

                                                                                          trisch auf dem Betriebsgelände unterwegs sein. Bei der eks
                                                                                          Engel FOS GmbH & Co. KG, einem inhabergeführten Familien-
                                                                                          unternehmen für innovative Netzwerklösungen, sind die Hyb-
                                                                                          rid-Fahrzeuge täglich im Einsatz. Geschäftsführer Ralph Engel
                                                                                          hat bei dem Erwerb des ersten reinen Elektroautos schnell
                                                                                          feststellen müssen, dass dessen Reichweite von Wenden-Hill-
                                                                                          micke zu den Kunden nach Köln oder ins Ruhrgebiet zu gering
                                                                                          war. Für die Außendienstmitarbeiter war ein größerer Radius
                                                                                          nötig. Mit den mittlerweile vier angeschafften Hybrid-Autos
                                                                                          ist man nun auf der sicheren Seite. Beim Hybridantrieb wird
                                                                                          bei längeren Strecken automatisch der Verbrennungsmotor
                                                                                          zugeschaltet. „Unser tatsächlich verbrauchter Kraftstoff be-
                                                                                          läuft sich auf monatlich nicht mehr als eine Tankfüllung. Der
                                                                                          Einsatz der Hybrid-Autos hat sich für uns hundertprozentig
                                                                                          rentiert“, begründet Ralph Engel seine Entscheidung, „und für
                                                                                          das Stromtanken steht uns eine eigene Ladesäule mit drei
                                                                                          Wandladestation (Wallboxen) zur Verfügung.“

                                                                                          Bei der HERING GmbH & Co. KG in Burbach wird neben einer
                                                                                          breiten Einführung von E-Bikes (mehr als 225 Verträge in den
                                                                                          letzten Jahren) auf eine Umstellung des Fuhrparks (mehr als
                                                                                          ein Drittel ist bereits elektrisch bzw. teilelektrisch) gesetzt, wie
                                                                                          Fuhrparkleiterin Petra Pieronczyk berichtet. Neu sei die Er-
                                                                                          gänzung um Wasserstofffahrzeuge: „Wir sehen in der Wasser-
                                                                                          stofftechnik eine große Chance und hoffen auf die Einrichtung
                                                                                          einer Tankstelle im südlichen Siegerland. Denn zurzeit müssen
     Die Firma Hering                                                                     wir zum Tanken noch nach Siegen fahren.“ Das betriebliche
    Bau bietet E­Bike­   auch in der Ausrichtung unseres Fuhrparks widerspiegeln.         Mobilitätsmanagement setzt sich bei HERING neben den Ver-
Abstellmöglichkeiten     Dementsprechend haben wir in diesem Bereich Umstellungen         änderungen im Fuhrpark auch bei Dienstreisen und Arbeits-
mit Spind. Der Strom     vorgenommen“, erläutert Geschäftsführer Frank Klein. Die         fahrten fort: Das Bahnfahren wird offensiv gefördert, ein
wird aus der eigenen     Pkw-Firmenwagenflotte des Unternehmens besteht heute             „Bahnfahrer des Jahres“ wird nominiert, notwendige Dienst-
Photovoltaik­Anlage      schon zu zwei Dritteln aus Elektro- bzw. Hybridfahrzeugen. Die   Flugreisen werden mit CO2-Kompensationen ausgeglichen und
          eingespeist.   beiden für den Elektro-Fuhrpark benötigten Ladesäulen auf        in Zusammenarbeit mit benachbarten Unternehmen wird an
                         dem Firmengelände stehen auch den Kunden kostenlos zur           der Umsetzung einer Azubi-App für Fahrgemeinschaften ge-
                         Verfügung und werden zukünftig sogar durch Strom aus der         arbeitet.
                         eigenen Photovoltaik-Anlage gespeist. Der bereits bestellte
                         Sechs-Tonnen-Stapler wird ab Ende des Jahres ebenfalls elek-     Der Fuhrpark der Heinrich Georg GmbH Maschinenbaufabrik
                                                                                          besteht unter anderem aus zwei E-Autos sowie drei (Betriebs-)
                                                                                          Fahrrädern für das Betriebsgelände. Die Ladestationen werden
                                                                                          mit Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage versorgt. „Das
    E-Bike-Leasing hält Mitarbeiter fit, schont die                                       E-Bike-Leasing wird von den Mitarbeitern rege genutzt und
    Umwelt und zieht Fachkräfte an                                                        führt sogar soweit, dass bereits ein Mitarbeiter seinen Pkw
    Unternehmen können ihren Mitarbeitern ein Leasing von Fahrrädern, E-Bikes,            verkauft hat und ganz auf das Rad umgestiegen ist“, erklärt
    Pedelecs, S-Pedelecs, MTBs, Rennrädern oder Trekkingrädern anbieten. Dabei            Peter Lepschy, Leiter Facility Management.
    stellen sie den Beschäftigten erworbene oder geleaste Fahrräder zur Verfügung,
    die die Raten anhand eines Gehaltsumwandlungsmodells aus ihrem monatlichen            Die Unternehmens-Beispiele stellen neue Mobilitätsmöglich-
    Bruttogehalt finanzieren. Es handelt sich dabei um einen geldwerten Vorteil. Die      keiten im ländlichen Raum dar: Die Senkung des Kraftstoffver-
    regionalen Fahrradhändler o.a. bieten den kompletten Service von der Auswahl          brauchs wird berücksichtigt, der Kauf von elektrisch angetrie-
    des Rades über die Beratung bis hin zur Leasingabwicklung an.                         benen Fahrzeugen angestrebt, Fahrgemeinschaften werden
                                                                                          gegründet und das E-Bike-Leasing für Mitarbeiter wird ein-
Wirtschaftsreport Juni 2021 - Titelthema: Betriebliches Mobilitätsmanagement - IHK-Siegen
Wirtschaftsreport        Juni 21               7

                                                                                                                                  Hering­Fuhrpark­
                                                                                                                                  leiterin Petra
                                                                                                                                  Pieronczyk sieht in
                                                                                                                                  der Wasserstoff­
                                                                                                                                  technologie eine
                                                                                                                                  große Chance.

geführt. Doch im Gegensatz zum urbanen Raum kämpfen die           dem gibt es in Siegen eine Umweltzone. Radfahrer können
Unternehmen im ländlichen Raum mit weiteren Hemmnissen,           ihre eigene – mit Elektroantrieb sogar eine von der Topogra-
wie mit einer unzureichenden Verkehrsinfrastruktur. Der ÖPNV      phie unabhängige – Route wählen. Für den ÖPNV gibt es ver-
ist eher am Bedarf des Schülertransports ausgerichtet und da-     mehrt freie Fahrt auf den Busspuren der Hauptverkehrsachsen.
rüber hinaus wenig angebunden. Die Bahnlinien durchqueren         Die Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein, die Marien Gesell-
den Kammerbezirk, und eine anschließende Direktanbindung          schaft Siegen gGmbH und viele mehr bieten in Zusammenar-
in die kleinen Siedlungen und Dörfer ist oft nicht gegeben.       beit mit den Verkehrsbetrieben Westfalen-Süd ihren Beschäf-
Nicht selten führen die Radwege entlang schnell befahrener        tigten das „JobTicket Westfalen-Süd“ an. Die Einrichtungen
Landstraßen. Mobilitätsmaßnahmen in den ländlichen Räu-           organisieren und verwalten die Vergabe und Rücknahme der
men, unter anderem Jobticket, Mobilitätsbudget oder Car-          JobTickets. Die monatliche Abrechnung erfolgt über die Ge-
Sharing-Angebote, stoßen aufgrund dieser Gegebenheiten            haltsabrechnung. Manche Unternehmen bezuschussen zudem
derzeit an ihre Grenzen und spielen traditionell eine geringere   monatlich das Ticket. Die G-TEC Ingenieure GmbH – mit den
Rolle. Die Unternehmen sind somit für ihre Dienstfahrten,         Arbeitsschwerpunkten Gebäudeenergetik, Gebäudetechnik
ebenso wie die Mitarbeiter auf den täglichen Arbeitswegen,        und Gebäudephysik – nutzt in der Friedrichstraße der Siegener
weiterhin vorwiegend auf den Pkw angewiesen, wenngleich           Innenstadt E-Autos als Pool- und Firmenfahrzeuge. Das im
dabei gerne die Elektro- und die Hybridtechnik in Anspruch        Besitz von G-TEC befindliche E-Poolfahrzeug kann bei Bedarf
genommen werden. Andreas Benfer, EJOT Holding GmbH & Co.          von verschiedenen Mitarbeitern für Planungsbesprechungen
KG, bringt es für den Standort Bad Berleburg auf den Punkt:       oder Baustellentermine genutzt werden. Zudem werden E-
„Es fehlt an der notwendigen Infrastruktur in der Region, wo-     Bike-Leasing und die BahnCard angeboten.
durch wir eine hohe Auto-Pendlerquote haben. Der Parkplatz
ist voll. Die Verkehrsanbindung mit dem ÖPNV ist schwierig        Die Siegener Versorgungsbetriebe GmbH (SVB) ermöglicht ihren
und wird nur von wenigen Mitarbeitern genutzt, die direkt         Mitarbeitern neben dem JobTicket schon bald auch das beliebte
entlang der Bahnstrecke wohnen.“                                  E-Bike-Leasing. Mit der Erdgastankstelle, der E-Ladesäule und
                                                                  den Wallboxen auf dem SVB-Betriebshof in der Siegener Morley-
Ein Beispiel, an dem sich die Zurückhaltung gut ablesen lässt,
ist das landesweit eingeführte Azubiticket. Umfragen der IHK
Siegen hatten in der Vergangenheit gezeigt, dass dieser Tarif
                                                                    JobTicket Westfalen-Süd und Westfalen
aus Sicht der heimischen Unternehmen nur dann Sinn ergibt,
wenn das ÖPNV-Angebot für die Auszubildenden deutlich ver-          Mindestens 30 % günstiger als das MonatsTicket ist das „JobTicket“ der Ver-
bessert wird. Das betrifft die Ausweitung des Geltungs- und         kehrsgemeinschaft Westfalen Süd (VGWS), das für die Arbeitsweg- und Freizeit-
Streckenangebotes – das Siegerland grenzt an zwei weitere           fahrten im gewählten Geltungsbereich oder als JobTicket Plus im Gesamtnetz
Bundesländer –, eine bessere Anbindung der Industrie- und           des Teilraumes Westfalen-Süd gültig ist. Mit diesem Ticket können Busse und
Gewerbegebiete sowie eine Verdichtung der Taktung.                  Bahnen jederzeit genutzt sowie abends und am Wochenende weitere Personen
                                                                    oder Fahrräder mitgenommen werden. Das JobTicket gibt es ab einer Abnahme
Mehr Potenzial für Fußgänger, Roller, E-Scooter, Fahrrad- und       von 20 Tickets oder als Bezugsgemeinschaft im Zusammenschluss mit anderen
E-Bike-Fahrer sowie den ÖPNV bietet das urbane Umfeld, ins-         Unternehmen oder Dienstleistern.
besondere der städtische Nahbereich. Gerade im Innenstadt-          Weitere Informationen:
bereich verhindert das hohe Verkehrsaufkommen ein zügiges           VWS Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd GmbH, 0271 3181-4010, vws-siegen.de
Fahren und erfordert die Parkplatzsuche häufig viel Zeit. Zu-
Wirtschaftsreport Juni 2021 - Titelthema: Betriebliches Mobilitätsmanagement - IHK-Siegen
8             Juni 21    Wirtschaftsreport

     SVB­Marketing­
      verantwortliche
     Jessica Wolff vor
der Erdgastankstelle
            in Siegen.

                         straße bietet der Versorger eine zentral gelegene Infrastruktur   Um herauszufinden, ob und wie Verbesserungen der Verkehrs-
                         für alternative Mobilitätskonzepte, sowohl für Mitarbeiter als    wege bei der IHK Siegen möglich sind, wurde eine interne
                         auch für Kunden. Der Fuhrpark des Energiedienstleisters wird      Mobilitätsbefragung durchgeführt, an der sich zwei Drittel der
                         zunehmend elektrischer und aktuell um zwei E-Bikes ergänzt,       Mitarbeiter beteiligten. Die IHK ermittelte die individuellen
                         die den Mitarbeitern auch privat und in ihrer Freizeit zur Ver-   Arbeitswege, die genutzten Verkehrsmittel bei Dienstreisen
                         fügung stehen. Generell verstehen sich die SVB als kompetenter    und mögliche Anreize zur Veränderung des Mobilitätsverhal-
                         Ansprechpartner, wenn es um innovative und ganzheitliche          tens der Mitarbeitenden. Bei der Auswertung stand die kriti-
                         Elektromobilitätskonzepte – auch für Unternehmen – geht.          sche Überprüfung des eigenen Mobilitätsverhaltens an erster
                                                                                           Stelle. Dazu zählen im Nahbereich das Zu-Fuß-Gehen und die
                         Dem Wunsch nach flexiblerer und unabhängigerer Nutzung            Nutzung des Fahrrads, des E-Bikes oder des ÖPNV. Für weite
                         von Verkehrsmitteln kommen Sharing-Angebote für Fahrräder         Strecken bietet sich die Verknüpfung verschiedener Verkehrs-
                         und Autos (mit und ohne Strom) nach. In der Region sind ers-      mittel (etwa Auto/Fahrrad und Bahn) an. Um die Pkw-Fahrten
                         te Car- und Bike-Sharing-Stationen entstanden. Zusätzlich zu      und unter Umständen Flugreisen bei entfernteren Dienstrei-
                         dem eigenen Fuhrpark können bei Bedarf einzelne „Fahrein-         sen zu reduzieren, wird auf eine verstärkte Bahnnutzung ge-
                         heiten“ hinzugebucht werden. Auf diese Weise können die           drungen. Darüber hinaus wird derzeit das „JobTicket“ in Zu-
                         Mitarbeiter gleichzeitig mobil sein, ohne dass weitere Autos      sammenschluss mit einem benachbarten Dienstleiter den
                         angeschafft werden müssen.                                        Mitarbeitern angeboten. Der Kauf eines E-Autos nach dem
                                                                                           Auslauf des bestehenden Leasing-Vertrages ist vorgesehen
                                                                                           sowie die Installation einer Ladesäule für E-Autos der Mitar-
    Webinare zum Thema Betriebliches                                                       beiter, der Besucher oder des eigenen Fuhrparks auf dem IHK-
    Mobilitätsmanagement                                                                   Parkplatz geprüft. Für die Fahrrad- und E-Bike-Fahrer wurde
                                                                                           eine sichere Unterstellmöglichkeit am Haupteingang einge-
    Die IHK Siegen bietet im Rahmen der Webinar-Reihe „Berufsverkehr und Mobi-
                                                                                           richtet. !
    lität der Mitarbeiter optimieren“ zwei weitere Webinare an:

    ­ 17.06.2021, 14:00–15:30 Uhr: Betriebliches Mobilitätsmanagement für                  Diesen Bericht finden Sie auch unter www.ihk-siegen.de, Seiten-ID 3914.
      Unternehmen im urbanen Raum – Wege zur Integration der vielfältigen Mo-
      bilitätsangebote

    ­ 01.07.2021, 14:00–15:30 Uhr: Betriebliches Mobilitätsmanagement für                    IHK-Ansprechpartnerin zum Thema:
      Unternehmen im ländlichen Raum – Neue Mobilitätsangebote schaffen und in               Meike Menn, Referatsleiterin Ver-
      die betriebliche Praxis integrieren                                                    kehr und Mobilität (0271 3302-319,
                                                                                             meike.menn@siegen.ihk.de).
    Referenten: Michael Schramek und Knut Petersen, EcoLibro GmbH – strategische
    & operative Mobilitätsberatung, Troisdorf

    Anmeldung unter:
    events.ihk-siegen.de/termine/761/ bzw. events.ihk-siegen.de/termine/760/
Wirtschaftsreport     Juni 21   9

Interview mit Günter Padt, Geschäftsführer Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-Süd (ZWS)
Mobilstationen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe
Unterschiedliche Verkehrsmittel können sowohl inner­
halb eines Weges (intermodal) als auch bei verschiede­
nen Wegen (multimodal) genutzt werden. Mit einer Ver­
netzung der Verkehrsmittel kann eine Verbesserung der
inter­ und multimodalen Angebote erreicht werden. Was
plant der ZWS hinsichtlich der Verknüpfung unter­
schiedlicher Verkehrsmittel im Kammerbezirk?
Innovative Verkehrsentwicklungen sind die Voraussetzung,
um in unserer zum Teil ländlich geprägten Region unter-
schiedliche Mobilitätskonzepte umsetzen und etablieren zu
können. Die Verfügbarkeit von umfangreichen Mobilitäts-
angeboten soll das Mobilitätsverhalten der Bürgerinnen und
Bürger zugunsten des Umweltverbundes unterstützen. Mo-
bilstationen als Anlaufstelle für die Verknüpfung von Fuß
und Rad mit Bus und Bahn bilden einen wichtigen Baustein
für ein zukunftsfähiges Angebot bei der Verknüpfung der
unterschiedlichen Verkehrsträger.

Was wird in den Kreisen Siegen­Wittgenstein und Olpe
geschehen?
                                                             Günter Padt, Geschäftsführer Zweckverband Personennahverkehr
Im Auftrag der beiden Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe
                                                             Westfalen­Süd.
plant der Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-
Süd (ZWS) die Umsetzung von 20 Mobilstationen, wobei in      Über welchen Zeitraum sprechen wir hier?
jeder Kommune mindestens eine Station an zentraler Lage      Die Planungen zur Bauausführung werden voraussichtlich
errichtet werden soll. Die wesentlichen Bausteine sind das   noch 2021 abgeschlossen sein, sodass mit der Baudurch-
dynamische Fahrgastinformationssystem (vergleichbar mit      führung im Jahr 2022 zu rechnen ist. Die Gesamtkosten in
ZOB Siegen und den Haltestellen Kölner Tor in Siegen), die   Höhe von etwa 4,1 Mio. € werden durch erwartete Förde-
Fahrradboxen, die Sammelschließanlage und weitere Ele-       rungen vom Land in Höhe von etwa 3,45 Mio. € sowie ca.
mente, etwa das Basismodul Stele und Gepäckschließfächer.    650.000 € Eigenanteil durch die Kreise Siegen-Wittgenstein
Die Belange mobilitätseingeschränkter Nutzer werden bei      und Olpe sowie durch den ZWS gedeckt. Die geschätzten
der Umsetzung berücksichtigt.                                jährlichen Folgekosten sind mit 300.000 € angesetzt.
10           Juni 21    Wirtschaftsreport

IHK-Arbeitskreis Verkehrswirtschaft
Blick auf „Ever-Given“-Havarie im Suezkanal
                                                                                                                Von Vorteil sei zudem, zu verschiffende Ware
                                                                                                                den Standard-Containerabmessungen anzupas-
                                                                                                                sen. „Durch die Corona-Pandemie sind die inter-
                                                                                                                nationalen Lieferketten offenkundig richtig
                                                                                                                durcheinandergeraten. Sie dürften sich erst im
                                                                                                                Frühjahr 2022 wieder normalisieren“, prognos-
                                                                                                                tizierte wenig verheißungsvoll Arbeitskreisvor-
                                                                                                                sitzender Michael Kröhl, Krombacher Brauerei
                                                                                                                Bernhard Schadeberg GmbH & Co. KG.

                                                                                                                Im weiteren Verlauf der Sitzung befassten sich
                                                                                                                die rund 30 teilnehmenden Unternehmensver-
                                                                                                                treter mit dem Thema Brennstoffzellenantriebe.
                                                                                                                „Der Trend nimmt deutlich Fahrt auf: Immer
                                                                                                                mehr zugelassene Fahrzeuge, Lkw, Busse, Stap-
                                                                                                                ler und Niederflurfahrzeuge sind bereits mit
                                                                                                                dieser Technik unterwegs“, erklärte Dominik

                                                                                                      pixabay
                                                                                                                Eichbaum, der bei der Wirtschaftsförderung der
Containerschiffe standen im Fokus des IHK­Arbeitskreises Verkehrswirtschaft.                                    Stadt Siegen den Themenbereich Elektromobili-
                                                                                                                tät und Digitale Infrastruktur verantwortet. Er
Eine Woche lang blockierte das 400 Meter lange          Container ihrer Kunden auf dem zwischenzeit-            stellte die Gestaltung der urbanen Wirtschafts-
Containerschiff „Ever Given“ den Suezkanal. Es          lich beschlagnahmten Schiff. „Jetzt geht es um          verkehre mit Wasserstoff als alternative An-
verursachte damit einen Stau von mehreren               die vermögens- und versicherungsrechtliche              triebs- und Speichertechnologie vor. Die Flur-
hundert Schiffen. „Ob die Voraussetzungen für           Abwicklung des Havarie-Schadens; dies wird              förderzeug-Branche (Hubwagen, Gabelstapler
einen ,Havarie-Grosses-Fall‘ gegeben sind, prü-         sich vermutlich noch einige Zeit hinziehen. Vor-        etc.) sei schon lange Vorreiter für Elektromobili-
fen derzeit Versicherungen, Gutachter und               rangig wird daran gearbeitet, Schiff und Ladung         tät – und nun auch für die Wasserstofftechno-
Gerichte. Bis dato sind Schiff und Ladung im            wieder freigegeben zu bekommen“, so der Logis-          logie. Seit einiger Zeit würden immer häufiger
Suezkanal noch von den Behörden blockiert“,             tikexperte.                                             E-Stapler als Alternative zu Staplern mit Ver-
beschrieb Uwe Stupperich, M.G. International                                                                    brennungsmotoren nachgefragt. Über die Vor-
Logistik GmbH, das Unglück vor einigen Wochen           Doch der Stau im Suezkanal hat noch weit-               teile und Anwendungsmöglichkeiten dieser
im Arbeitskreis Verkehrswirtschaft der IHK Sie-         reichendere Auswirkungen, denn er verschärft            Technologie referierten Stefan Prokosch, Linde
gen. Die Spedition mit Hauptsitz in Siegen ist          die ohnehin durch die Corona-Pandemie ange-             Material Handling GmbH aus Aschaffenburg,
selbst betroffen: Immerhin befinden sich 20             spannte Situation bei den internationalen Lie-          und Sven Kuhnert, Richter Fördertechnik GmbH
                                                        ferketten. Unternehmen stehen vor Liefereng-            & Co. KG, Herborn.
                                                        pässen, sei es durch Produktionsausfälle bei
                                                        Lieferanten oder Einschränkungen in der Logis-          Im abschließenden Austausch wurden die ersten
                                                        tik. Hinzu komme der Containermangel in Asien           Erfahrungen mit den Auswirkungen der Stra-
                                                        für die Routen nach Nordamerika und Europa.             ßenverkehrsordnung-Novelle (StVO-Novelle),
                                                        Über eine halbe Million Container lägen (Stand:         der neuen Gebührenverordnung sowie die Her-
                                                        Ende April) auf den Schiffen an der Ost- und            ausforderungen im Verfahrensmanagement für
                                                        Westküste der USA, betonte Uwe Stupperich.              Großraum- und Schwerlasttransporte (VEMAGS-
                                                        Die Häfen seien überfüllt, und die Abwicklung           Antragsverfahren) thematisiert. Jörn Demmer,
                                                        verzögere sich. Die Folge: Die Frachtpreise stie-       STL Logistik AG, beklagte die enorme Gebühren-
                                                        gen um ein Vielfaches. Auch in der Luftfracht           steigerung im Genehmigungsverfahren: „Nach
                                                        gebe es coronabedingt Kapazitätsveränderun-             der Neuregelung der Gebührenstruktur zum
                                                        gen, da die Passagierflüge auf bestimmten               Start des Jahres sind für uns die Kosten wie er-
                                                        Routen fast komplett entfallen seien – und da-          wartet explodiert. Dabei sind die bisherigen Ge-
                                                        mit auch die Möglichkeit der Frachtmitnahme.            bühren für innerdeutsche Genehmigungen auf
                                                        Uwe Stupperich: „Um die gestiegenen Fracht-             300 € bis 1.300 € je nach Komplexität angestie-
                                                        kosten aufzufangen, empfehlen wir, frühzeitig           gen – eine Verteuerung um 400 bis 500 %. Das
                                                        zu planen und die Spedition rechtzeitig damit           eigentliche Ziel der neuen Gebührenordnung
                                                        zu beauftragen, eine Alternativroute auszuar-           bestand unter anderem in der besseren Ver-
                                                        beiten. Bei Verzögerungen und Ausfällen sind            gleichbarkeit und Transparenz in diesem Pro-
                                                        die ‚Force-Majeure-Klauseln‘ zu prüfen, die             zess. Für uns fühlt es sich aber eher so an, als
                                                        Regelungen bei höherer Gewalt beschreiben.“             wäre der Prozess undurchsichtiger denn je.“ !
Wirtschaftsreport        Juni 21          11

Schwertransporte
Achillesferse der heimischen Industrie
44 Meter lang, 140 Tonnen schwer: Der Koloss,                                                                         schäftsführer Klaus-Dieter Wolf. „Die Topografie
der sich aus dem Wilnsdorfer Industrie- und Ge-                                                                       macht uns im Siegerland das Leben nicht gerade
werbegebiet Lehnscheid auf den Weg zu einer                                                                           einfach. Aber sie ist nur eines von vielen Proble-
Raffinerie in Gelsenkirchen machte, ist derart                                                                        men, mit denen wir bei den Schwertransporten
mächtig, dass es zweier schwerer Fahrzeuge be-                                                                        konfrontiert sind. Auch die Verkehrsinfrastruktur
durfte, um ihn erfolgreich über die Straße zu füh-                                                                    ist ausgesprochen schwierig.“ Brücken wiesen
ren. Alleine die Ausfahrt aus der Fertigungshalle                                                                     eine zu geringe Höhe auf oder seien so in die Jah-
war Millimeterarbeit und nahm drei Stunden in                                                                         re gekommen, dass sie Lasten von mehreren hun-
Anspruch. Der CO2-Washer aus Edelstahl wird                                                                           dert Tonnen nicht mehr tragen könnten.
künftig in einer Wasserstoffanlage in großem
Maßstab CO2 abscheiden. Der von der Robert Jo-                                                                        Das Unternehmen hat vor diesem Hintergrund
sef Wolf GmbH & Co. KG hergestellte Behälter ist                                                                      einen Doppelstockbehälter mit einem Durch-
dabei besonderer Beanspruchung durch Hitze und                                                                        messer von sechs Metern, einer Länge von 20
Druck ausgesetzt. Er wird vor Inbetriebnahme mit                                                                      Metern und einem Gewicht von 65 Tonnen
Rundbühnen und einem Leitersystem versehen;                                                                           durch eigene Mitarbeiter in den Niederlanden

                                                                                                    Carsten Schmale
beides bringt noch einmal 30 bis 40 Tonnen zu-                                                                        gefertigt, und zwar in einer Halle unmittelbar
sätzlich auf die Waage. Der Transport bis zum                                                                         am Wasser. „Ein Transport dieses Behälters hät-
Zielort dauerte insgesamt sieben Nächte. Schwer-                                                                      te, um ihn aus dem Siegerland heraustranspor-
transporte dieser Art dürfen nur nachts, ab 22       Unternehmer Klaus­Dieter Wolf bezieht Stellung zu                tieren zu können, bei verschiedenen Brücken ein
Uhr, fahren. Am 27. April begann der Schwer-         den Problemen bei Großraum­ und Schwertransporten.               Umladen bzw. Heben über die Brücken notwen-
transport seine Reise über die Lipper Höhe und                                                                        dig gemacht. Die Transportkosten hätten sich
den Westerwald bis Andernach (Hafen), wo der         auf einen Lkw umgeladen werden musste, um an-                    hierdurch auf 20 % des Auftragswertes belau-
Behälter am 30. April auf ein Binnenschiff um-       schließend nach Gelsenkirchen transportiert zu                   fen. Eine Fertigung von Behältern dieser Dimen-
geladen wurde. Von dort aus ging es über den         werden. Hier traf er schließlich am folgenden Tag                sion ist im Siegerland wirtschaftlich nicht mehr
Wasserweg bis Dorsten, wo er am 3. Mai erneut        ein. „Der Aufwand ist erheblich“, erklärt Ge-                    darstellbar“, erläutert Klaus-Dieter Wolf. !

  „Gesetze und Verordnungen nicht praxisgerecht“
  Mehr als 50 Produktionsbetriebe, Bauun­            konnten. Heute müssen dies private Begleiter                     cke gestern, vorgestern und letzte Woche
  ternehmen, Dienstleister für Bau und Ge­           übernehmen. Anders als bei der Polizei müssen                    schon „nachgerechnet“ wurde. Es würde allen
  werbe sowie Speditionen und Logistikbe­            jetzt in der Regel mehrere Verwaltungshelfer                     Beteiligten Arbeit und Aufwand ersparen,
  triebe sind im Bezirk der IHK Siegen               und Begleitfahrzeuge pro Transport eingesetzt                    wenn diese Daten zentral erfasst und abgeru-
  regelmäßig mit der Organisation von Son­           werden, was ebenfalls zu Mehrkosten führt.                       fen werden könnten. Aber das geschieht
  dertransporten befasst. Die Genehmigungs­          Mitten in der Corona-Pandemie hat sich der                       nicht. Das alles hat dazu geführt, dass die
  behörden in den Kreisen Siegen­Wittgen­            Gesetzgeber zudem eine neue Gebührenord-                         Transportkosten inzwischen einen großen Teil
  stein und Olpe bearbeiten mehr als 10.000          nung für das Genehmigungsverfahren einfallen                     des Auftragsvolumens ausmachen. Wir haben
  Anträge auf Durchführung von Großraum­             und diese in Kraft treten lassen. Die Gebühren                   ganz klar schon Aufträge abgeben müssen,
  und Schwertransporten im Jahr. Die Rah­            haben sich vervielfacht. Über die Genehmi-                       weil sie zu hoch waren. Der Wettbewerbs-
  menbedingungen sind aus Sicht der Wirt­            gungsbürokratie an sich könnte ich ein ganzes                    druck zieht dann irgendwo eine Grenze.
  schaft deutlich verbesserungswürdig.               Buch schreiben.
                                                                                                                      Was erwarten Sie von den politischen Ent­
  Wo liegen die Probleme bei den Schwer­             Was stört Sie hieran besonders?                                  scheidungsträgern?
  transporten?                                       Der Aufwand ist enorm und bindet Mitarbeiter,                    Wir haben schon mehrfach erfahren müssen,
  Klaus-Dieter Wolf: Die Schwierigkeiten be-         die wir eigentlich für andere Aufgaben im Be-                    dass Gesetze und Verordnungen in ihrer ur-
  ginnen schon bei den Straßen und Brücken-          trieb dringend benötigen. Das Verfahrensma-                      sprünglichen Form nicht praxisgerecht waren.
  bauwerken, die abgelastet wurden, also für         nagement ist nicht auf dem Stand, der dem di-                    Entweder müssen in die Fachgruppen auf
  Schwertransporte nicht mehr befahrbar sind.        gitalen Zeitalter angemessen wäre. Nach wie                      Bundesebene mehr Praktiker einbezogen wer-
  Weite Umfahrungen werden notwendig, was            vor dauert es, je nach zuständigem Bundesland,                   den oder sie müssen besser gehört werden.
  die Transportkosten in die Höhe schnellen          zu lange, bis Anträge geprüft sind. Und: Es wird                 Mit Regelungen, die im konkreten Fall nicht
  lässt. Früher wurden Transporte durch die          vieles doppelt und dreifach gemacht. Wenn die                    umsetzbar sind oder am Ende dazu beitragen,
  Polizei begleitet, damit unterwegs verkehrs-       Statik-Nachrechnung einer Brücke zur Auflage                     dass Produktionsstandorte ins Ausland verla-
  rechtliche Anordnungen getroffen werden            gemacht wird, spielt es keine Rolle, ob die Brü-                 gert werden, ist niemandem gedient.
12            Juni 21          Wirtschaftsreport

IHK Siegen
Schere zwischen den Branchen geht auseinander
                                                                                                                                      nehmen melden Liquiditätsengpässe und 22 %
                                                                                                                                      einen Eigenkapitalrückgang. Während in der In-
                                                             137                                                                      dustrie, im Baugewerbe und im Großhandel zwi-
                                                       130
                                                                   126 123
                   122                           120                                                                  118             schen 70 und 80 % der Unternehmen ihre finan-
             115                         117 118
                               111 112                                        112                                                     zielle Lage als unproblematisch einschätzen, ist
       103               106                                                               106
                                                                                    99                          100         Langfr.
                                                                                                           92                Mittel   es im Gastgewerbe nur jedes Fünfte. IHK- Haupt-
                                                                                                                                      geschäftsführer Klaus Gräbener: „19 % der Ein-
                                                                                                                                      zelhändler und 44 % der Gastronomen melden
                                                                                                 65
                                                                                                                                      Liquiditätsengpässe. Große Teile dieser Unter-
                                                                                                                                      nehmen fühlen sich perspektivlos und von der
                                                                                                                                      Politik verlassen. Würden sie durch die Politik
                                                                                                                                      auch nur ansatzweise so in Watte gepackt wie
                                                                                                                                      hochbezahlte Fußballteams, ginge es ihnen deut-
                                                                                                                                      lich besser.“ Mut mache demgegenüber, dass sich
       Jan Sep Jan Sep Jan Sep Jan Sep Jan Sep Jan Sep Jan Apr Sep Jan Mai Sep Jan Apr                                                in den anderen Branchen die Beschäftigungsab-
       13 13 14 14 15 15 16 16 17 17 18 18 19 19 19 20 20 20 21 21
                                                                                                                                      sichten und die Investitionsneigungen wieder
                                                                                                                                      positiv entwickeln. Erstmals seit zwei Jahren
Konjunkturklimaindex für den Bezirk der Industrie­ und Handelskammer Siegen.                                                          wollen wieder mehr Unternehmen Personal auf-
                                                                                                                                      bauen (18 %) als abbauen (17 %). Zum Jahres-
„In weiten Teilen der heimischen Wirtschaft hat                und Erwartung - steigt um 18 Punkte auf einen
                                                                                                                                      beginn lag das Verhältnis von positiven und ne-
sich die Stimmung in den letzten Wochen deut-                  Wert von 118 und somit auf den höchsten Stand
                                                                                                                                      gativen Einstellungsabsichten noch bei 14 zu
lich aufgehellt. Der Optimismus ist in der Indus-              seit Januar 2019. Erstmals seit zwei Jahren liegt
                                                                                                                                      25 %. Noch optimistischer ist die Investitions-
trie, im Bau sowie im Großhandel zurück, aber                  der Klimaindex wieder über dem Mittelwert der
                                                                                                                                      neigung. 27 % (+7 Prozentpunkte) der Unterneh-
eben nicht überall. Teile des Handels und der                  letzten 20 Jahre (106). 39 % der Unternehmen
                                                                                                                                      men wollen in den kommenden Monaten mehr
Dienstleistungen, vor allem aber das Gastgewer-                aus Siegen-Wittgenstein und Olpe berichten von
                                                                                                                                      investieren, 16 % (-12 Prozentpunkte) gehen von
be sind die eindeutigen Corona-Verlierer. Wir                  einer guten und 20 % von einer schlechten Lage.
                                                                                                                                      geringeren Investitionen aus.
sehen eine konjunkturelle Zweiklassen-Gesell-                  Der Lagesaldo verbessert sich um 19 Punkte.
schaft. Die einen kommen immer besser durch,                   Ebenfalls deutlich verbessert haben sich die Ge-
                                                                                                                                      In großen Teilen der Industrie überwiegen die
bei den anderen liegen die Nerven blank.“ Mit                  schäftsaussichten für die kommenden Monate
                                                                                                                                      positiven Meldungen. 42 % beurteilen ihre der-
diesen Worten kommentiert IHK-Präsident Felix                  (+18 Punkte). Felix G. Hensel: „Seit dem konjunk-
                                                                                                                                      zeitige Geschäftslage als gut, 14 % als schlecht.
G. Hensel die Ergebnisse der im April durchge-                 turellen Tiefpunkt vor einem Jahr kletterte der
                                                                                                                                      Der Lagesaldo steigt um beachtliche 24 Punkte.
führten IHK-Konjunkturumfrage, an der sich 553                 Klimaindex der heimischen Wirtschaft um mehr
                                                                                                                                      Die Erwartungen sind ebenfalls deutlich positiver
Unternehmen mit mehr als 42.000 Beschäftigten                  als 50 Punkte. Das ist über alles gesehen eine
                                                                                                                                      als noch zu Jahresbeginn. 39 % der Industrie-
aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienst-               sehr erfreuliche Entwicklung, die Mut macht.“
                                                                                                                                      unternehmen blicken optimistisch in die Zukunft,
leistungsgewerbe in den Kreisen Siegen-Witt-                   Weiterhin problematisch und nur unwesentlich
                                                                                                                                      13 % der Betriebe sind hingegen pessimistisch.
genstein und Olpe beteiligten. Der Konjunktur-                 besser als zu Jahresbeginn ist in Teilen der Wirt-
                                                                                                                                      Klaus Gräbener: „Weit überwiegend brummt es
klimaindex – er ergibt sich aus Lagebeurteilung                schaft die finanzielle Situation. 12 % der Unter-
                                                                                                                                      in unserer Industrie wieder. Die Auftragseingän-
                                                                                                                                      ge haben spürbar angezogen, auch wegen der
 60                                                                                                                                   Bewegung auf wichtigen Absatzmärkten in Asien
                                    49
 50                                        45                                                                                         und Amerika. Die Auslastung ist deutlich ge-
                               43                44
                                                                                                                                      wachsen, die Exporterwartungen sind so optimis-
 40
                                                                                                                                      tisch wie seit drei Jahren nicht mehr. Vielleicht
             28      27                                  27
 30     24                                                                                                                            sind wir ja schneller als erwartet über den Berg.“
                                                                   18    19                                     19
 20                                 27                                                                                                Aber: Nicht in allen Industriezweigen ist die
                               18                                                                               18                    Lageeinschätzung so positiv. Bei den Metaller-
 10                  14                                                                                                Lage
       10     9                            10                                                      0                                  zeugern überwiegen weiterhin die negativen Ein-
   0                                             5                                                                     Erwartung
                                                                                      -5                                              schätzungen, wenngleich auch nicht mehr in
                                                        -1                                             0
- 10                                                                                                                                  dem Maße wie noch zu Jahresbeginn. Über alle
                                                                        -6                  - 12
- 20                                                                            - 31
                                                                                                                                      Industriezweige hinweg hat sich die Ertragslage
                                                               - 16
                                                                                                                                      deutlich verbessert. Zur Unzeit ziehen derzeit von
- 30
                                                                                                                                      anderer Seite dunkle Wolken auf. Zahlreiche
- 40                                                                                                                                  Unternehmen haben mit hohen Energie- und
                                                                               - 39
- 50                                                                                                                                  Rohstoffpreisen und deutlich anziehenden Vor-
   Jan 16 Sep 16 Jan 17 Sep 17 Jan 18 Sep 18 Jan 19 Apr 19 Sep 19 Jan 20 Mai 20 Sep 20 Jan 21 Apr 21                                  materialkosten zu kämpfen. Felix G. Hensel: „Die
Lagebeurteilungen und Erwartung aller Unternehmen im IHK­Bezirk Siegen.                                                               Materialverfügbarkeit entwickelt sich zum Fla-
Wirtschaftsreport            Juni 21                       13

schenhals, etliche Lieferketten sind brüchig. Drei    100
Viertel der Industrieunternehmen klagen aktuell        90    81
                                                       80         74
über Lieferengpässe, 93 % melden steigende Vor-                        64
                                                       70
                                                                                                                                                                              59
materialkosten. Das sind historisch hohe Werte.        60                        50
                                                                                                                                                                                           45 47
Der gerade auf Touren kommende Konjunktur-             50                   42        40
                                                                                           36                                                   35
                                                                                                                                                                         41        41 39
                                                       40                                                                  33 32
motor droht schon bald wieder zu stottern.“ Als        30                                            22            24 27                24 27
                                                                                                20                                                                  20
                                                                                                                                   16                          16
Ursachen der Lieferengpässe beobachten 94 %            20                                                 11 9 8
                                                       10                                                                                            3 3 6 5
der Unternehmen eine Verknappung der Mate-              0
rialverfügbarkeit. Für 61 % ist die Abhängigkeit
von internationalen Lieferketten ursächlich für
die derzeitige Problemlage, für zwei Fünftel der
Unternehmen sind es Lieferengpässe durch Lo-
gistik, Zoll und Transportwege.                                                                              Mai 20   Sep 20       Jan 21       Apr 21

                                                      Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich
Die Baubranche zeigt sich weiterhin unbeein-
                                                     Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung.
druckt von der Corona-Krise. So gut wie alle der
befragten Baubetriebe geben eine gute oder be-       Beim konsumnahen Großhandel hingegen ist die                                  unter welchen Voraussetzungen zumindest ein
friedigende Geschäftslage an. Stephan Häger,         Lageeinschätzung im Vergleich zum Jahresbeginn                                Termin-Einkauf möglich ist?“ Vor allem der Mo-
Leiter des Referates Konjunktur, Arbeitsmarkt und    etwas verhaltener.“ Die Stimmung in der Dienst-                               deeinzelhandel und der Kfz-Handel blicken je-
Statistik: „Die Auftragsbücher im Bausektor sind     leistungsbranche ist gespalten. Während unter-                                doch nach den ersten Fortschritten der Impfkam-
gut gefüllt und die Auslastung sehr ordentlich.      nehmensbezogene Dienstleister und die Logistik-                               pagne wieder optimistischer in die Zukunft. Die
Acht von zehn Unternehmen melden einen Aus-          branche vom Aufschwung und von der Nähe zur                                   Hoffnung auf eine baldige Auflösung des Kon-
lastungsgrad von über 70 %. Zudem kann die           Industrie profitieren, ist die Situation bei den                              sumstaus scheint zu wachsen. Im Gegensatz zum
steigende industrielle Investitionsbereitschaft      personenbezogenen und sonstigen Dienstleistern                                Einzelhandel ist in der gesamten Gastronomie die
dem zuletzt kriselnden Wirtschaftsbau Rücken-        nach wie vor sehr angespannt.                                                 Stimmung äußerst düster. Neun von zehn Gast-
wind verleihen. Aber auch in der Baubranche sind                                                                                   ronomen bewerten ihre derzeitige Geschäftslage
Materialknappheit und steigende Kosten ein gro-      Äußerst schwierig ist immer noch die Lage in                                  als schlecht. Auch die Zukunftsaussichten sind
ßes Thema. Sie dämpfen die Zukunftserwartun-         Teilen des Einzelhandels. Sechs von zehn Händ-                                von deutlichem Pessimismus geprägt. Nur 16 %
gen ebenso wie fehlende Fachkräfte.“ Die Lage-       lern bewerten ihre derzeitige Geschäftslage als                               erwarten in den kommenden Monaten bessere
beurteilung der regionalen Großhändler klettert      schlecht, ein Fünftel als gut. Stephan Häger: „Le-                            Geschäfte. 64 % gehen weiterhin von schlechten
auf ein Rekordniveau. 60 % der Unternehmen           bensmittel laufen nach wie vor bestens, während                               Umsätzen aus. Klaus Gräbener: „Das sind unter-
bewerten ihre Lage als gut, 6 % als schlecht. Auch   beispielsweise in den Segmenten Mode und Be-                                  irdische Werte. Der Endlos-Lockdown setzt dem
die Zukunftserwartungen hellen sich im Vergleich     kleidung, aber auch im Kfz-Einzelhandel die                                   Hotel- und Gastgewerbe immens zu. Zahlreiche
zum Jahresbeginn merklich auf. Stephan Häger:        kaum nachvollziehbaren Öffnungsvorgaben von                                   Unternehmen kämpfen ohne wirkliche Perspek-
„Insbesondere der produktionsnahe Großhandel         Bund und Land für großen Unmut sorgen. Wie                                    tive um das nackte Überleben. Etliche von ihnen
profitiert von der gut laufenden Industrie und der   soll auch der Strohhalm ,Click and Meet‘ funktio-                             glauben nicht mehr daran, dass bei ihnen nach
wieder an Fahrt aufnehmenden Weltwirtschaft.         nieren, wenn die Kunden nicht wissen, ob und                                  der Krise die Lichter wieder angehen.“ !

                                                                                                                                                                schmelzermedien.de

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14          Juni 21     Wirtschaftsreport

IHK-Einzelhandelsausschuss
Shutdown hat erhebliche Auswirkungen auf stationäre Geschäfte
                                                                                                                   kaufen.“ Während des ersten Shutdowns im Früh-
                                                                                                                   jahr 2020 habe beispielsweise der Abholservice
                                                                                                                   im Markt in Olpe ein Umsatzplus von etwa 500 %
                                                                                                                   erwirtschaftet. Jörg Dornseifer: „Dennoch macht
                                                                                                                   das Angebot nur 1,5 % des Gesamtumsatzes aus.“
                                                                                                                   Generell hänge es von der Komplexität eines Sor-
                                                                                                                   timentes ab, ob ein stationärer Händler dieses
                                                                                                                   auch komplett online abbilden könne.

                                                                                                                   Thomas Weissner, Geschäftsführender Gesell-
                                                                                                                   schafter der Leder Jaeger GmbH in Siegen, pflich-
                                                                                                                   tete dieser Aussage bei. Seine Erfahrung zeige,
                                                                                                                   dass Produkte wie Schulranzen mit entsprechen-

                                                                                                         pixabay
                                                                                                                   den Informationen durchaus gut online zu ver-
Komplett offene Läden ohne Einschränkungen wird es auch weiterhin nicht in allen Bereichen des Einzelhandels       kaufen seien. Allerdings büße der Non-Food-Han-
geben.                                                                                                             del derzeit einen Großteil seiner Umsätze ein, da
                                                                                                                   es Spontankäufe im Internet seltener gebe. Echte
Die heimischen Konsumenten sind derzeit opti-           Verbraucher eine deutliche Fokussierung in Bezug           Emotionen, die einen Kaufimpuls auslösen, könn-
mistisch, stellte Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein         auf regionale Anbieter entwickelt“, so Hanna               ten nicht eins zu eins digital vermittelt werden.
fest. Das spiegele sich im Anstieg ihrer Konsum-        Schramm-Klein. „Nichtsdestotrotz wägen Kun-                Ausschussvorsitzender Wolfgang Keller, Inhaber
neigung wider. Allerdings sorgten die Corona-           den bereits zu Hause ab, ob sich die Anfahrt               der Autohaus Keller GmbH & Co. KG in Kreuztal,
Schutzbeschränkungen dafür, dass die Kunden             lohnt.“ Kunden, die beispielsweise keine Informa-          bestätigte die Zurückhaltung der Privatkunden
dieser gestiegenen Kauflaune nicht voll und ganz        tionen online dazu fänden, zu welcher Uhrzeit ein          auch in der Automobilbranche. Auch umfangrei-
nachgehen könnten. „Wir erwarten, dass die Kun-         Ladengeschäft geöffnet sei oder wie aufgrund der           che Social-Media-Aktivitäten könnten die Zu-
den gewisse Anschaffungen in eine Zeit nach             Corona-Schutzmaßnahmen dort eingekauft wer-                rückhaltung der Konsumenten nur begrenzt redu-
Corona verschieben“, zeigte die Inhaberin des           den könne, tätigten ihre Besorgungen über ande-            zieren.
Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbe-         re Kanäle, warnte sie. Diese Basisinformationen
sondere Marketing und Handel, der Universität           über eine eigene Website, einen Suchmaschinen-             „Auffindbarkeit im Internet“ und „Online-Handel“
Siegen jetzt im Einzelhandelsausschuss der IHK          anbieter oder Social-Media-Kanäle zur Verfü-               sind das eine. Wie aber steht es um das Thema
Siegen auf. „Nur so ist zu erklären, dass zwar Käu-     gung zu stellen, gehöre mittlerweile zum Stan-             „Einkaufserlebnis schaffen“? Alexander Kremer,
fe getätigt, aber die finanziellen Möglichkeiten        dard und werde auch in Zukunft eine wichtige               Geschäftsführender Gesellschafter der Garten-
nicht voll ausgeschöpft werden.“ Das zeige auch,        Rolle für die Auffindbarkeit spielen. Hanna                Center Kremer GmbH in Lennestadt, stellte hierzu
dass digitale Angebote wie Click & Collect kein         Schramm-Klein empfahl den Ausschussmitglie-                die Philosophie seines vor 13 Monaten eröffneten
Allheilmittel für den stationären Einzelhandel sei-     dern, am eigenen Standort mit allen Akteuren               Naturgartencenters vor. Ziel sei es von Anfang an
en. „Insgesamt ist diese Entwicklung aber als ein       zusammenzuarbeiten. „Zentren sind für Men-                 gewesen, „keinen weiteren Pflanzensupermarkt“
gutes Signal für den stationären Einzelhandel zu        schen attraktiv, da sie dort eine räumliche An-            zu eröffnen, sondern „ein kleines, grünes Aus-
bewerten.“                                              gebotsballung vorfinden, die viele Aktivitäten             flugsziel“ zu erschaffen. Das gelte für das gesam-
                                                        ermöglicht.“ Bezogen auf den stationären Einzel-           te Naturgartencenter, das sich minimalistisch und
Grundsätzlich habe der Pandemieausbruch im              handel bedeute dies, dass jeder ansässige Händler          reduziert als Tor zwischen Landstraße und Lenne-
vergangenen Jahr dazu geführt, dass die Ein-            seinen Teil zu einer optimalen Handelsstruktur             aue einfüge. „Wir brauchen allein deutlich mehr
kaufshäufigkeit zurückgegangen sei, erklärte            beitrage und das zur Verfügung stehende Stand-             Besucher von außerhalb, um überhaupt wirt-
Hanna Schramm-Klein. Wie und ob diese Beob-             ortsortiment erweitere. „Wettbewerber sind nicht           schaftlich zu sein“, gab Alexander Kremer unum-
achtung Stadtteil- und Ortszentren verändern            in erster Linie auf der anderen Straßenseite zu            wunden zu. Zu dem Gesamtkonzept gehörten am
wird, könne noch nicht abschließend gesagt wer-         finden, sondern verstärkt im Internet.“                    Standort Altenhundem ein Café, ein Gartenmu-
den. Positiv stimme in jedem Fall, dass über alle                                                                  seum, ein Naturspielplatz sowie ein Naturpfad,
Altersgruppen hinweg die Menschen immer noch            Im Internet noch wenig repräsentiert ist der Le-           dessen 28 Stationen auf dem Gelände des Gar-
am liebsten in stationären Geschäften einkauften.       bensmitteleinzelhandel, wie Jörg Dornseifer, In-           tencenters von Groß und Klein entdeckt werden
Allerdings haben sich laut der Handelsexpertin          haber der Friedhelm Dornseifer GmbH & Co. KG               können. Die gesamte Ausstellungsfläche sei als
die Erwartungen an die ortsansässigen Händler           in Wenden, aufzeigte. Er setzt unter anderem auf           „begehbares Instagram – jeder Meter ein Foto-
verändert. Digitale Sichtbarkeit ist hier das ent-      einen Abholservice. Bemerkenswert: Der Ein-                motiv“ ausgelegt und wird von den „Naturtalen-
scheidende Schlagwort. Kleine und mittlere Han-         kaufswert eines Warenkorbs, der über dieses Ser-           ten“ für Social-Media-Aktivitäten genutzt. Alex-
delsunternehmen verkaufen und kommunizieren             viceangebot bestellt werde, ist höher als der Wert         ander Kremer: „Das Thema ‚Natur‘ ist Unterhaltung
aber oftmals über traditionelle Wege, was sich          eines normalen Durchschnittseinkaufs. „Trotzdem            und soll nicht als Belehrung vermittelt werden.“
besonders in Pandemiezeiten zum Nachteil aus-           gehen die Kunden beim Abholen ihres Waren-                 Und eine Möglichkeit, die Kaufzurückhaltung in
wirken könne. „Im Laufe der Pandemie haben die          korbs noch in den Markt, um weitere Artikel zu             dieser Branche auf Strecke zu überwinden. !
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