Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote - Der Paritätische Berlin
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4. Quartal 2021 Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote Seite 8 Seite 10 Seite 86 Mitgliederversammlung #berlinbessermachen Fördermittel Rückblick und Ausblick Positionen für die künftige Politik Antragstermine für 2022 Unterstützung und Spaß bei den Freiwilligentagen: Im Kreativhaus wurde die Klangoase erneuert Foto: Nadine Wittek
Die Onlineplattform www.socialmap-berlin.de präsentiert Angebote Paritätischer Mitgliedsorganisationen aus allen Arbeitsbereichen. Sie ermöglicht Ihnen als Organisation, den Bekanntheitsgrad Ihrer Angebote bei verschiedenen Akteu- ren, wie Politik, Verwaltung, Fördermittelgebern, Berlinerin- nen und Berlinern, sowie in anderen Netzwerken und Medien zu steigern. Berlinerinnen und Berliner können socialmap berlin nutzen, um niedrigschwellig nach sozialen Angeboten in ihrem Kiez zu suchen. Ob Pflegestützpunkt, Familienzentrum oder Beratungsstelle: Tragen Sie Ihre Angebote auf www.socialmap-berlin.de ein. Wir prüfen die Einträge zeitnah und geben sie frei. Sie sind dann öffentlich sichtbar. Helfen Sie uns, socialmap berlin in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, indem Sie die Seite über Ihre Kanäle bewerben! www.socialmap-berlin.de Ansprechpartnerinnen im Verband: Anika Haußner, Simone Hanjohr und Lea Winnig aus der Geschäftsstelle Bezirke Mail: socialmap@paritaet-berlin.de
Vorwort Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote G leich zu Beginn der Hinweis: dieses Vorwort ist anders. Statt wie sonst einem, widmet es sich vier Themen, denn es passiert viel in unserem Landesverband. Ein Hinweis gilt dem Schwerpunktthema dieser Ausgabe: »Der soziale Kiez – Hilfe, Beratung, Freizeitangebote«. Wir zeigen, wo überall Paritätische Mitgliedsorganisationen in Berlin aktiv sind, darunter Stadtteilzentren, Nachbarschafts- oder Mehrgenerationenhäuser und Treffpunkte. Alle können Sie jetzt auf einen Blick erfassen: in der socialmap berlin. Egal ob Kita, Pflegeheim oder Sportkurs im Stadtteilzen trum – jede Organisation kann sich auf der Onlineplattform eintragen und einfacher gefunden werden. Gut für die Ver- netzung untereinander und als Info für alle Menschen im Kiez! Denn Nachbarinnen und Nachbarn können in der Karte su- chen oder nach Themen und Zielgruppen filtern. Wer sucht, findet. Und zwar konkrete Angebote mit Website, Telefon- nummern und kurzem Profil. Ein kurzer Steckbrief also. Pro- bieren Sie es mal aus und melden Sie Ihre Organisation an. Und wenn Sie eine Funktion vermissen oder Unterstützung brauchen, lassen Sie es uns wissen. Wir lernen gemeinsam Barbara John und bessern nach! Foto: Holger Groß / Der Paritätische Berlin Zur Mitgliederversammlung Ende November haben wir Sie diesmal in unseren eigenen Räumen, in einem neu um- gebauten Haus der Parität, dem Bürgerzentrum Neukölln, be- grüßt, online. Wie gern hätten wir Sie dabei wieder von Ange- staltung der Türkischen Botschaft in Berlin teilgenommen sicht zu Angesicht gesehen – aber bei mehr als 800 Mitglie- und bin dort auf Dankbarkeit und Interesse für unsere Ver- dern gab es dafür pandemiebedingt noch keine Möglichkeit. öffentlichung gestoßen. Das gilt auch für die Zusammentref- Auch wir finden das unbefriedigend und nervig. Aber seien fen mit Menschen der ersten Einwanderergeneration in den Sie sicher: Wir wollen, dass das so schnell wie möglich wie- »Kiezgesprächen«, die wir durchgeführt haben. Drei Porträts der anders wird und wir direkt miteinander ins Gespräch kom- und einen Link zur Broschüre finden Sie ab Seite 12. men. Diesen Wunsch haben nicht nur wir, sondern auch Sie, Was in den Koalitionsverhandlungen genau beschlossen wie wir aus zahlreichen Telefonaten und E-Mails wissen. Einen wird, wissen wir noch nicht. Aber wir wissen, was wir vorge- Bericht über die Mitgliederversammlung und das abgelau- schlagen haben und was Berlin besser macht. Sie können das fene Geschäftsjahr finden Sie auf Seite 8. PS: Die Gremienwah- in unserer gleichnamigen Broschüre #berlinbessermachen len folgen dann 2022. nachlesen. Sie liegt einem Teil der Ausgabe bei. Und Sie kön- Am 30. Oktober 2021 ist es 60 Jahre her, dass das Anwerbe- nen sicher sein: Wir werden verfolgen, was die Politik umsetzt, abkommen zwischen Deutschland und der Türkei unter- und auf Lücken und Nötiges hinweisen über die nächsten Mo- zeichnet wurde. Und wahrscheinlich gibt es keine Mitglieds- nate und Jahre. Infos zur Broschüre lesen Sie auch auf Seite 10. organisation, die nicht in irgendeiner Form Kontakt zu tür- keistämmigen Einwanderern hat – ob bei Nachbarinnen und Ich hoffe, dass Sie in dieser Infofülle einiges für sich finden. Nachbarn, unter Kolleginnen und Kollegen, bei anderen Mit- gliedern, bei Kundinnen und Kunden, Klientinnen und Klien- Ihre ten oder Patientinnen und Patienten. Uns war es ein Bedürfnis, die Leistungen dieser Einwanderergruppe – immerhin sind es insgesamt 200.000 Menschen allein in Berlin – zum Jahrestag zu würdigen. In der Broschüre »Merhaba Berlin – Geschich- ten vom Ankommen und Hierbleiben«, gemeinsam herausge- geben mit der Türkisch-Deutschen Unternehmervereinigung Barbara John, Vorsitzende des e. V., stellen wir 60 Personen vor. Ich habe an der Festveran- Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 3
Inhalt Schneller finden: Fachspezifische Themenfelder (wie Gesund- heit, Migration etc.) haben eigene Bereichsfarben, allgemeine Themen des Landesverbands das bekannte Paritätische Blau. Foto: Juliane Winkelmann / Paritätischer Berlin Foto: Holger Groß Familie, Kinder und Jugendliche Freiwilliges Engagement Demokratiebildung: Auftakt des E-Learning-Kurses Grundreinigung mit Fensterputzen: eine Aktion von vielen bei »Beschwerdeverfahren für Kitas« Seite 48 der »Gemeinsamen Sache – Berliner Freiwilligentage« Seite 60 6 – 20 Aus Stadt und Bezirken • Neue Studie: Sozialpädagogische Familienhilfe • Herzlich willkommen beim Paritätischen Berlin! • Größte Kita in Berlin eröffnet • Was uns bewegt: Dr. Gabriele Schlimper • Zehn Jahre Bundesfreiwilligendienst • Mitgliederversammlung 2021: Bericht über die • Medienpädagogik für Online-Seminare Online-Veranstaltung • Mentoringprogramm für besonders • #berlinbessermachen: Broschüre mit unseren begabte Kinder Positionen für die Politik • Keramikkunst: Kinder lernen spielend • LIGA-Pressekonferenz zum Start der Kältehilfe • 60 Jahre Anwerbeabkommen 1: Drei Porträts 55 Frauen • 60 Jahre Anwerbeabkommen 2: Kiezgespräche und • Netzwerkarbeit im Traumanetz Berlin Kiezspaziergang • Projekt Level Fear des Grips-Theaters • Schreibabyambulanzen: Hilfen für Familien 56 – 60 Freiwilliges Engagement • Netzwerk Nachbarschafts- und Stadtteilarbeit • Rückblick: Gemeinsame Sache – Berliner Freiwilligentage Treptow-Köpenick • Eine Woche dabei: die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales 20 – 22 Digitalisierung, Innovation und Wirkung • Verschönerungsaktion im Bürgerzentrum Neukölln • Wirkung sozialer Arbeit: Kurse im Überblick • Frauencafé mit eritreischer Kaffeezeremonie • Zertifikatkurs Gemeinwesenarbeit • Ehrenamtsbüro Reinickendorf: Feier am zweiten Standort 22 – 23 Gesamtverband • CleanUp im Reichenberger Kiez • Kampagne Mietenstopp: Forderungen an die neue • Berlin ImpactCamp in Schöneberg Bundesregierung • Pop-Up-Zebrastreifen am Moritzplatz • Fahrräder repariert – Schrauben verbindet 42 – 46 Ältere Menschen und Pflege • Spandauer Tag des Ehrenamts • Hospiz Ost in Friedrichshain eröffnet • Gegen das Vergessen: Stolpersteine putzen • 15 Jahre Seniorenstiftung Prenzlauer Berg • Grundreinigung in der Notübernachtung • 30 Jahre Miteinander wohnen • Digitale Medien für ältere Menschen 61 – 65 Gesundheit • Drei Jahre Silbertelefon • Erste Ergebnisse der Point-Studie • Im Herznotfall helfen und Leben retten 47 – 54 Familie, Kinder und Jugendliche • Krankentransportdienst gegründet • Klage freier Schulträger gegen Land Berlin • 15 Jahre Fachstelle für Suchtprävention • Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung • 50 Jahre Elternkreise Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 4
Inhalt 4. Quartal 2021 SCHWERPUNKT ParitaetBerlin Der soziale Kiez – Hilfe, Beratung, Freizeitangebote Foto: Mario Zeidler / Volkssolidarität Motiv: Logo der Plattform Gesundheit Soziale Angebote online finden: Die socialmap berlin Krankentransportdienst: Volkssolidarität startet mit erfahrenem zeigt Paritätische Mitglieder in jedem Kiez Seite 30 Team ins erweiterte Dienstleistungsangebot Seite 63 Seite 24 – 41 65 – 67 Menschen in Notlagen • Unterstützung inhaftierter und haftentlassener Menschen • Obdachlosen-Uni: Wahlkampf und Freiheit • Einführung: Lokal und auf Augenhöhe: Vielfalt der Angebote stärken heißt Zivilgesellschaft stärken. Von Anne Jeglinski 68 – 71 Menschen mit Behinderung • Die Geschäftsstelle Bezirke des Paritätischen Berlin • Teilhabe und unabhängigere Lebensführung stärkt die bezirkliche Zusammenarbeit und fördert • Neues Wohnangebot in Zehlendorf Innovationen im sozialen Bereich • Auszeit für Eltern und pflegebedürftige Kinder • Überall in Berlin vor Ort: Einrichtungen der Nachbar- • Abschied bei der Galerie Art Cru Berlin schafts- und Stadtteilarbeit im Überblick • Analogkarte: Paritätische Treffpunkte in den Bezirken 72 – 75 Stadtteilarbeit und Bezirksarbeit • Online finden: Noch mehr Paritätische Angebote in • Einladung zum Chortreff im Juni 2022 allen Kiezen – Angebote unserer Mitglieder • Kommunales Bildungswerk erweitert Angebot um Kultur - Beispiel Stadtteilzentren und Nachbarschaftshäuser • Aufbau des Stadtteilzentrums am Mehringplatz - Beispiel Sozialer Treffpunkt • Theater zwischen Stadt und Land - Beispiel Selbsthilfekontaktstelle - Beispiel Mehrgenerationenhaus 76 – 83 Paritätische Akademie Berlin • Interview: Digitalisierung in der sozialen Arbeit - Beispiel Haus der Parität • Berufsbegleitender Masterlehrgang - Beispiel Familienzentrum • Termine Paritätische Foren - Beispiel Mobile Stadtteilarbeit • Weitere Veranstaltungen • Glückwunsch: 70 Jahre Verband für sozial- kulturelle Arbeit 84 Paritätisches Bildungswerk Brandenburg • Corona-Spezial: Nachbarschaftsarbeit während • Termine Weiterbildungen und nach Corona 85 – 91 Service • Neue Mitglieder und Änderungen Wir nutzen eine Genderschreibweise, die auch • Servicestelle Zuwendungsrecht: Termine 2022 Barrierefreiheit und eine gute Lesbarkeit ermöglichen • Fördermittel beantragen: Termine 2022 soll. Die Bezeichnung von Personengruppen schließt so- • Paritätjob: Stellen suchen und finden wohl männliche, weibliche als auch lesbische, schwule, • Impressum bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche • Fachgruppen und Arbeitskreise Menschen (LSBTI) explizit mit ein. • Telefonverzeichnis Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 5
Aus Stadt und Bezirken Herzlich willkommen beim Paritätischen Berlin! Andrea Zimmer ist seit März 2021 als Assistenz der Verwaltungsleitung tätig. Zuvor konnte sie bereits in anderen Positionen Einblicke in die Arbeit des Verbands gewinnen Mit welchen Erwartungen sind Sie zum Paritätischen Berlin gekommen? Die vielseitigen Bereiche und Aufga- ben des Paritätischen Wohlfahrtsver- bands kennenzulernen und in einem guten Team zu arbeiten. Bisher war ich überwiegend im sozialen Bereich in verschiedenen Aufgabenfeldern, wie Flüchtlingshilfe, Kinder- und Jugend- bereich und zuletzt im Seniorenbe- reich bei einem privaten Träger, aktiv. Dort war ich am Empfang und in der Verwaltung tätig. Zu meinen Aufga- ben gehörten unter anderem die Kas- senführung, die vorbereitende Buch- haltung sowie das Belegungsmanage- ment. Die Arbeit im einem Wohlfahrts- verband ist mir durch meine frühere Andrea Zimmer Foto: Martin Thoma Tätigkeit beim DRK in der Verwaltung vertraut, daher fand ich eine neue Her- ausforderung beim Paritätischen Wohl- Was wünschen Sie sich für Ihr erstes schon immer viele Namen von Bewoh- fahrtsverband gerade als Assistentin Jahr beim Paritätischen Berlin? nerinnen und Bewohnern sowie An- der Verwaltungsleitung sehr spannend Ich wünsche mir für das erste Jahr einen gehörigen merken musste, konnte ich und für mich passend. umfassenden Einblick in die für mich die Namen der Mitarbeitenden recht neuen Aufgaben des Fördermittelma- schnell verinnerlichen. Sie konnten sich zuvor bereits an an- nagements, die tagtäglich neue span- derer Stelle in unserem Verband be- nende Herausforderungen für mich Wo hat man die besten Chancen, Sie weisen … bringen. Ich arbeite in einem sehr net- nach Dienstschluss anzutreffen? Ja, zunächst war ich in der Kollwitz- ten Team und wünsche mir, dass es so Ich bin oft bei meinen Enkelkindern, straße im Referat Pflege und Altenhilfe bleibt. unterstütze meine Tochter und ihre Fa- als Sekretärin und als Empfangsmit- milie dabei, die Kinder aus der Kita ab- arbeiterin in der Brandenburgischen Was haben Sie in Ihr neues Büro mit- zuholen und mit ihnen zum Beispiel auf Straße tätig. Auch das Catering habe gebracht? den Spielplatz zu gehen. Des Öfteren ich bei Engpässen, etwa bei Urlaub oder Zwei Pflanzen, ein Wandbild und ver- koche ich auch etwas vor und nehme Krankheit von Kolleginnen und Kolle- schiedene Lieblingstassen für Tee oder es ihnen dann mit. In den Sommermo- gen, tatkräftig unterstützt. Kaffee. naten verbringe ich die Wochenenden meist in unserem Schrebergarten. Ein- Auf welche Aufgaben freuen Sie sich Sind Sie auch neu in die Stadt gekom- mal in der Woche gehe ich zur Gymnas- besonders? Was gehört eher zum men oder haben Sie nur den Job ge- tikgruppe, soweit es Corona zulässt. Pflichtprogramm? wechselt? Auf die vielseitigen neuen Aufgaben als Ich wurde in Berlin geboren und habe Was sollten die neuen Kollegen unbe- Assistentin der Verwaltungsleitung und nur den Job gewechselt. dingt von Ihnen wissen? die unterstützende Tätigkeit im Förder- Dass ich ein Familienmensch bin und mittelmanagement. Wie viele Namen von Kolleginnen mich auch gern mit Freunden treffe. Ich Bisher sehe ich noch keine Tätigkeiten und Kollegen konnten Sie sich bereits esse gern Lakritze und alles mit salzi- als Pflichtprogramm, da meine Arbeit merken? gem Karamell. immer wieder sehr abwechslungsreich Da ich mir durch meine Tätigkeit im und nicht jeden Tag gleich ist. Asylbewerber- und Seniorenheim Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 6
Aus Stadt und Bezirken Was uns bewegt Von Dr. Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin Zuhören, lernen, gestalten Digitalisierung – schön und gut. Aber bei unseren Treffen über die »Kacheln« in Videokonferenzen fehlt etwas: Oft bleibt in fachspezifischen Videokonfe- renzen nicht genügend Raum für Zwi- schentöne, weiterführende oder ver- netzende Ideen. Deshalb wollen wir uns auch wieder gemeinsam vor Ort, von Angesicht zu Angesicht, treffen. Wir sind überzeugt: Das persönliche Ge- spräch ist unersetzbar, wenn es um Ihre spezifischen Anliegen im Verband geht. Das hören wir auch von Ihnen. Wir wol- len wieder direkt miteinander ins Ge- spräch kommen. Und wenn die Pande- mie andauert, dann eben mit den nöti- gen Schutzvorkehrungen. Unsere Idee dafür: Wir planen fachbereichsübergrei- fende Netzwerktreffen in den Bezirken. Was möchten wir gern mit Ihnen disku- tieren? Was verbinden Sie und was ver- Dr. Gabriele Schlimper Foto: Boaz Arad bindet Sie mit dem Paritätischen? Was bewegt Sie aktuell am meisten? Wir sind an Ihrer Meinung interessiert, möchten Familien. Auch Angebote in der Nach- Berlin braucht Wohnraum einen Austauschprozess anregen und barschaft werden sichtbar, zum Beispiel Jedes Jahr im Winter müssen wir die Ihre Anliegen aufgreifen. Wir freuen uns die nächste Schuldner- und Insolvenz- Kältehilfe starten. Etwa 3000 bis 5000 auf einen intensiven Austausch und, wo beratungsstelle, Wohnangebote für Menschen in Berlin sind ohne Obdach; nötig, auf gemeinsames Verändern! Menschen mit Beeinträchtigung oder ihnen wird ein Bett in einem Zimmer der nächste Jugendclub. Bitte tragen für die Nacht zur Verfügung gestell. Sichtbar im Netzwerk: auch Sie Ihre Angebote ein – damit wir Etwa 50.000 weitere Menschen sind Dank socialmap berlin gemeinsam Berlin besser machen. Mehr zwar nicht obdach-, aber wohnungs- Welche sozialen Angebote gibt’s in mei- dazu lesen Sie auf Seite 30. los. Sie wohnen in Not- oder Gemein- nem Kiez? Suchende Berlinerinnen und schaftsunterkünften, darunter Fami- Berliner werden jetzt schnell fündig in Erhöhte Ausgaben für lien. Gemeinsam würden diese 55.000 der »socialmap berlin – Paritätischer Digitalisierung Menschen einen Großteil des Berli- Wegweiser für soziale Angebote«. Seit Die Digitalisierung ist in einigen sozialen ner Olympiastadions mit fast 75.000 Juni können Paritätische Mitgliedsorga- Organisationen in vollem Gange, andere Plätzen füllen! Sie brauchen dringend nisationen ihre Angebote dort veröf- wissen um nötige Änderungen, aber Wohnungen! Und wie viele Berlinerin- fentlichen; im November waren bereits ihnen sind die Hände gebunden. Denn nen und Berliner sind auf der Suche 930 Einträge für soziale Dienstleistungs- für Digitalisierung ist so gut wie nie Geld nach Wohnungen? Wie viele Fachkräfte angebote freigeschaltet. Alle Ange- eingeplant. Wir spüren den Bedarf deut- können nicht zuziehen, weil sie keine bote lassen sich ausdrucken und etwa lich: In diesem Jahr hat sich das Antrags- Wohnungen finden? Wie viele ziehen in einem Schaukasten aushängen oder volumen von Mitgliedern für Digitali- weg, weil sie die Mieten nicht mehr mit einem Klick in sozialen Netzwerken sierung verdreifacht. Daher müssen so- bezahlen können? Berlin muss bauen teilen. Der interaktive Berlinstadtplan wohl bei entgeltfinanzierten als auch und dabei gleich die passende Infra- zeigt die Angaben auch gefiltert. Etwa bei zuwendungsgeförderten Arbeiten struktur für Verkehr und Soziales mit- nach Themen, wie Arbeit, Beratung die Kosten für die Digitalisierung an- einplanen – das ist eine Kernaufgabe oder Sport, sowie nach Zielgruppe, wie erkannt und refinanziert werden. der nächsten Regierung! Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 7
Aus Stadt und Bezirken Mitgliederversammlung digital – die zweite Ein Livestream informierte die Mitglieder am 24. November über die Arbeit und das Jahresergebnis unseres Landesverbands im Jahr 2020/2021 G anz egal, wo Sie gerade sind, ob Sie auf dem Sofa sitzen oder im Auto: Ich freue mich, dass Sie sich die Zeit nehmen!« Es war eine Be- grüßung in Pandemiezeiten, mit der Prof. Barbara John, Vorstandsvorsit- zende des Paritätischen Berlins, die Mit- gliederversammlung eröffnete. Sie fand dieses Jahr zum zweiten Mal in Folge di- gital statt. Fernsehstudioatmosphäre at- testierte John dem Setting im Bürger- zentrum Neukölln: Neben den Mitglie- dern von Vorstand, Geschäftsführung und Beirat waren nur der Wirtschafts- prüfer, die Gebärdendolmetscherinnen und das Produktionsteam vor Ort. Verschobene Gremienwahlen Vorstand, Geschäftsführung und Beirat waren im Bürgerzentrum Neukölln vor Ort Nach Prof. Barbara Johns Begrüßung Foto: Patricia Kalisch hatte Margit Hankewitz, Sprecherin des Wahlausschusses zur Wahl von Vorstand und Berufungsausschuss das Wort. Sie gierung bei der Bewältigung der zentra- den so von den Berlinerinnen und Ber- verkündete, dass die für 2021 angekün- len sozialen Fragen wie Pflegenotstand, linern schneller gefunden. Mehr dazu digten Gremienwahlen pandemiebe- Wohnungsnot und wachsende Armut lesen Sie auf Seite 30. dingt auf das Frühjahr 2022 verlegt wur- messe sich daran, wie viel Geld für diese Im Folgenden verwies Schlimper auf den. Die Mitgliedsorganisationen wür- Zwecke bereitgestellt werde. die positiven Jahresabschlusszahlen den in Kürze darüber informiert, wie sie Andreas Kaczynski hat auf dieser des Verbandes: Das hervorragende Er- Kandidatinnen und Kandidaten für den Front bereits Erfolge vorzuweisen: »In gebnis mit einem Jahresüberschuss von Vorstand und Berufungsausschuss vor- Brandenburg haben wir uns mit Macht 970.000 Euro sei insbesondere auf die schlagen können. gegen den Sparhaushalt der Landes- steigenden Mitgliederzahlen zurückzu- regierung aufgelehnt und waren über führen, die sich mit Stand vom Oktober Die Pandemie als Katalysator einer das parlamentarische Verfahren erfolg- 2021 auf 815 belaufen. Der Verband fi- sozialeren Wirtschaft? reich«, freute er sich. »Das ist eine gute nanziere sich zu 76,6 Prozent aus Mit- Grußworte kamen per Videobotschaft Nachricht, denn es zeigt, dass die Poli- gliedsbeiträgen. »Das entspricht dem vom Vorsitzenden des Gesamtverban- tik in der Lage ist, die Zukunftschancen Wachstumstrend der letzten Jahre und des, Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, und von von Menschen und den Zusammenhalt ist eine sehr gute Entwicklung«, freute Andreas Kaczynski, dem Vorstandsvor- in der Gesellschaft über eine schwarze sich Schlimper. »Alle Mittel, die der Ver- sitzenden des Paritätischen Landesver- Null zu setzen.« band nicht selbst für den Kernhaushalt bands Brandenburg. Rosenbrock hob und Rücklagen benötigt, werden zur die enorme Leistung sozialer Träger Zur Positivbilanz 2020/21: Förderung der Projekte der Mitglieds- während der Pandemie hervor und be- Eine Sisyphusarbeit, die sich lohnt organisationen bereitgestellt«, betonte tonte gleichzeitig: »Die Pandemie hat Nächste Rednerin war die Geschäftsfüh- sie. Anschließend ging sie auf weitere die Schwächen einer am Gewinn orien- rerin Dr. Gabriele Schlimper. Sie stellte Entwicklungen des vergangenen Jah- tierten Pflege und Gesundheitsversor- die neue Online-Datenbank des Paritä- res ein: Der Landesverband Berlin, der gung gezeigt und das Bewusstsein für tischen Berlins vor: Auf socialmap berlin bisher alleiniger Gesellschafter des Pa- eine am Menschen und seinen Bedarfen sind bereits über 930 soziale Angebote ritätischen Seniorenwohnens (PSW) orientierten Wirtschaft geschärft.« Die hinterlegt. Mitgliedsorganisationen war, hat nun 60 Prozent seiner Anteile Glaubwürdigkeit der neuen Bundesre- können ihr Angebot eintragen und wer- an die Mitgliedsorganisation Volkssoli- Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 8
Aus Stadt und Bezirken darität Landesverband Berlin übertra- kommende Jahr persönliche, fachüber- Thema Wohnraumversorgung für Men- gen. Außerdem konnte der Paritätische greifende Netzwerktreffen in den Bezir- schen mit Benachteiligung. Im Septem- Berlin eine unbefristete Festbetragsdi- ken an. ber wurde der Jahresabschlussbericht vidende von jährlich 450.000 Euro für im Beirat beraten und dem Vorstand zur seine Gesellschafterrolle bei den Sana- »Der Verband ist 2020 gut durch die Entgegennahme empfohlen. Kliniken aushandeln. Coronakrise gekommen.« Dr. Schlimper verwies zudem auf die Im Folgenden hatte Ingo Fehlberg, Ausblick auf ein Jahr in dem Rolle der LIGA-Federführung, die der Wirtschaftsprüfer bei Mazars, das Wort, Covid-19 hoffentlich »seinen Verband 2021 und 2022 inne hat, den der das Jahresergebnis des Verbandes Schrecken verliert« neu erschienenen Geschäftsbericht noch einmal im Einzelnen vorstellte. Im Anschluss hatte noch einmal Dr. Ga- 2020/2021 sowie die Broschüre #ber- Insgesamt konnten Erträge von knapp briele Schlimper das Wort, die den Wirt- linbessermachen mit den Forderungen 11,5 Millionen Euro erzielt werden, von schaftsplan 2022 vorstellte: »Für 2022 des Verbands an Politik und Verwaltung denen knapp 3,8 Millionen Euro als Zu- planen wir konservativ mit einem Über- für ein soziales Berlin, die im vergan- wendungen an die Mitgliedsorgani- schuss von 400.000 Euro«, so Schlimper. genen Jahr anlässlich der Wahlen auf sationen weitergeleitet wurden. »Man Abschließend dankt Prof. Barbara Bundes- und Landesebene entwickelt kann sagen, dass der Verband 2020 gut John allen Beteiligten. »Bleiben Sie be- wurde. »Die Leistungen der sozialen durch die Coronakrise gekommen ist«, hütet und beschützt. Ich wünsche Ihnen Arbeit müssen anerkannt, wahrgenom- so Fehlberg. und uns allen, dass Covid im neuen Jahr men und ausreichend refinanziert wer- seinen Schrecken verliert«, schloss sie den. An dieser Stelle, das verspreche ich Von Hate Speech bis Wohnraum die Veranstaltung. Ihnen, lassen wir nicht locker.« versorgung: die Arbeit des Beirats Nina Roßmann, freie Autorin Ausbau der Schwangerenkonfliktbe- Als nächstes stellte die Beiratsvorsit- ratung, Hilfsangebote bei häuslicher zende Ria Schneider die Arbeit des Bei- Gewalt, Wohnungslosenhilfe oder auch rats im Jahr 2021 vor. Insgesamt fünf Sit- Wissenswertes kindgerechte Settings für Besuche in zungen haben im laufenden Jahr statt- Hier finden Sie die Online-Plattform Strafvollzugsanstalten und eine Om- gefunden: Im März befasste sich der socialmap berlin: budsstelle im Rahmen des Bundesteil- Beirat mit dem Thema Hate Speech, im https://socialmap-berlin.de habegesetzes – Baustellen für 2022 gibt Juni mit dem Subsidiaritätsprinzip, ge- Sehen Sie hier unseren Erklärfilm zur es viele: »So machen wir gemeinsam nauer gesagt mit Entwicklungen und Vorstellung von Socialmap Berlin: mit Ihnen immer weiter, auch wenn es möglichen Rekommunalisierungsten- https://bit.ly/socialmap_film eine Sisyphusarbeit ist. Doch wie sagt denzen, und im November mit dem Albert Camus: ‚Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen‘ – und das gilt auch für uns!« Dr. Gabriele Schlimper präsentiert die socialmap berlin und den Geschäftsbericht Welche Erkenntnisse zieht die Sozial- Foto: Patricia Kalisch wirtschaft aus der Pandemie? Wohl- fahrtsverbände müssen in einer Krise direkt an den Planungsstäben beteiligt werden, der persönliche Kontakt zur Verwaltung muss gewährleistet sein und die Folgekosten ausgewogen ver- teilt werden, schloss Schlimper. Sie kri- tisierte die mangelnde Inklusivität des Gesundheitsschutzes, etwa, dass Men- schen in Wohngemeinschaften der Eingliederungshilfe bei der Organisa- tion der Booster-Impfungen nicht mit- gedacht worden seien, ebenso wenig wie Obdachlose, die durch die John- son&Johnson-Impfung quasi keinen Impfschutz mehr hätten. Sie verwies außerdem auf die Versachlichung der Kommunikation in der Pandemie, die sich durch die Verlagerung auf digitale Kanäle ergeben hat, und kündigte fürs Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 9
Aus Stadt und Bezirken Gemeinsam #berlinbessermachen Neue Broschüre für Politik und Verwaltung: Positionen unseres Landesverbands für ein soziales Berlin W ie kann es gelingen, dass Ber- lin sozial bleibt – ein lebens- werter Ort für alle, die dort wohnen? Eine Stadt, die der Vielfalt und #berlinbessermachen den unterschiedlichsten Lebensentwür- fen ihrer Bürgerinnen und Bürger ge- POSITIONEN des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin recht wird. Eine Stadt, die Raum bietet für ein soziales Berlin für Menschen, die Unterstützung brau- chen. Und die Menschen befähigt, sich selbst zu helfen und für sich selbst zu sprechen. Wir sind überzeugt, das kann nur ge- meinsam gelingen, wenn wir mit Politik, Verwaltung, Verbänden und sozialen Trägern an einem Strang ziehen und ge- meinsam auf das Ziel hinarbeiten: #ber- linbessermachen. Die Vertreterinnen und Vertreter der Berliner Politik und Verwaltung haben Mitverantwortung für das Wohlergehen der Berlinerinnen und Berliner über- Das Titelblatt der Broschüre #berlinbessermachen: nommen. Mit dieser Broschüre möch- Schulische Beratung in der Mierendorff-Grundschule Foto: Christian El Massri ten wir sie bei ihrer Arbeit für Berlin unterstützen. Wir bieten Expertise für die vielfältigen Themen, die die Bür- Angebote aufrechterhalten und wei- ist, welche Angebote der Paritätische gerinnen und Bürger bewegen: Pflege tergeführt. Ob in Krisenzeiten oder im und seine Mitglieder machen und was und ältere Menschen, Teilhabe und In- »normalen« Alltag: Wir sind systemre- es jeweils für Politik und Verwaltung, im klusion, Kinderbetreuung, Bildung, Ju- levant und wünschen uns, dass diese Senat und in den Bezirken, zu tun gibt. gendhilfe, Familien, Flucht und Mi Leistungen der sozialen Arbeit von den Wir stehen gern für persönliche Gesprä- gration, zivilgesellschaftliches Engage- politischen Verantwortlichen wahrge- che zur Verfügung – die Kontaktdaten ment und vieles mehr. Wir laden herz- nommen und vor allem spürbar wert- der Ansprechpersonen beim Paritäti- lich ein, diese Erfahrungen und dieses geschätzt werden. schen finden Sie jeweils direkt neben Wissen für Ihre Arbeit zu nutzen und ge- Für ihre gesellschaftlich wichtigen den Forderungen. meinsam mit uns an den Herausforde- Aufgaben brauchen soziale Organi- Packen wir es gemeinsam an – lassen rungen dieser Stadt zu arbeiten. sationen gute Rahmenbedingungen Sie uns #berlinbessermachen! Der Paritätische Wohlfahrtsverband und starke Partner. Trotzdem kämpfen Dr. Gabriele Schlimper, Berlin vertritt über 800 Mitgliedsorga- immer wieder einzelne Einrichtungen Geschäftsführerin Paritätischer Berlin nisationen – von kleinen Vereinen bis und Angebote um ihr Fortbestehen. hin zu großen Sozialverbänden. Alle Es fehlt vielerorts eine auskömmliche unsere Mitglieder setzen sich dafür ein, nachhaltige Finanzierung, um soziale Wissenswertes Berlin zu einem sozialeren Ort zu ma- Arbeit zu sichern und bedarfsgerechte Die Broschüre »#berlinbessermachen – chen. Gerade in der Coronakrise haben Versorgungsstrukturen zu ermöglichen. Positionen des Paritätischen Wohlfahrts- unsere Mitgliedsorganisationen beson- In unserer neuen Broschüre #ber- verbands Berlin für ein soziales Berlin« dere Stärke bewiesen. Unter schwieri- linbessermachen finden Sie zunächst liegt einem Teil der gedruckten Rund- gen Bedingungen haben die Mitarbei- unsere Positionen dafür. Danach fol- briefe bei. Über den folgenden Link ge- tenden in Stadtteilzentren, in den Pfle- gen die zahlreichen Themenbereiche langen Sie zur Onlinefassung: geeinrichtungen, in den Einrichtungen der sozialen Arbeit und der Pflege. Für https://bit.ly/berlinbessermachen_ für Kinder, für Jugendliche und für Men- jeden Bereich fassen wir zusammen, positionen schen in schwierigen Lebenslagen ihre wie aus unserer Sicht die aktuelle Lage Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 10
Aus Stadt und Bezirken Berliner Kältehilfe startet Wohlfahrtsverbände fordern mehr Unterstützung für obdachlose Menschen – Pressemitteilung vom 1. November 2021 R und 50.000 Menschen haben in Berlin keine Wohnung und müs- sen in Not- und Gemeinschafts- unterkünften untergebracht werden. Mindestens 2000 von ihnen leben auf der Straße. Um diese Menschen vor dem Erfrieren zu schützen, gibt es die Berli- ner Kältehilfe. Kirchengemeinden, Wohl- fahrtsverbände, soziale Träger und Hilfs- organisationen stellen in Kooperationen mit den Bezirken in der Zeit von Oktober bis Ende April Übernachtungsmöglich- keiten zur Verfügung. Dazu Dr. Gabriele Schlimper, Ge- schäftsführerin des Paritätischen Wohl- Dr. Gabriele Schlimper (li.) bei der Pressekonferenz Foto: Nina Peretz fahrtsverbands Berlin und Federfüh- rung der LIGA Berlin: »Es gibt in Ber- lin kaum freien Wohnraum – schon gar und gut strukturiertes medizinisches ten kann, die aus der Obdachlosigkeit nicht für Menschen, die obdachlos bzw. Angebot mit tragfähigen fachlichen herauswollen. Dr. Ursula Schoen, Di- wohnungslos sind. Es braucht zeitnah und personellen Standards. Außerdem rektorin des Diakonischen Werks Ber- mehr Unterkünfte, und es müssen drin- fehlen aktuell dringend Pflegefach- und lin-Brandenburg, macht sich für die gend mehr preiswerte Wohnungen neu Hilfskräfte für die medizinische Versor- Unterbringung von obdachlosen und gebaut werden. Nur so ist eine lang- gung obdachloser Menschen«, so Cari- wohnungslosen Menschen nach dem fristige Verbesserung der Lage zu errei- tasdirektorin Prof. Dr. Ulrike Kostka. Allgemeinen Sicherheits- und Ord- chen. Das muss höchste Priorität haben. Die Kältehilfe ist ein Beweis für das nungsgesetz (ASOG) stark: »Die Berli- Wohnen ist ein Menschenrecht!« große humanitäre Engagement der ner*innen haben sich am 26. Septem- Dass pro Nacht durch die Berliner Käl- Stadtgesellschaft, aber sie ist und ber eindeutig für eine soziale Landesre- tehilfe bis zu 1500 Menschen auf diese bleibt eine Nothilfe, die keine nachhal- gierung ausgesprochen. Die Kältehilfe Weise einen Schlafplatz und Essen er- tige Unterstützung für Menschen bie- dient dem Überleben – die Menschen halten, ist vor allem dem herausragen- brauchen aber einen Platz, wo sie tags- den Engagement vieler Ehrenamtli- über und nachts bleiben und unter- cher zu verdanken. Finanziert wird die- Zur Verbesserung der Situation stützt von Sozialarbeiter*innen eine ses Angebot, genauso wie die medizi- obdachloser Menschen fordert der Perspektive entwickeln können. Und nische Versorgung, größtenteils durch Paritätische Berlin: das so kurz wie möglich, bis sie, notfalls Spenden. mit staatlicher Unterstützung, wieder »Wie in jedem Jahr stehen die Mit- 1. verstärkten Neubau von eine eigene Wohnung und Lebenspers- arbeitenden der Kältehilfe vor densel- bezahlbaren Mietwohnungen für pektive haben.« ben Problemen. Wohin mit Menschen, alle Die LIGA Berlin fordert deshalb ein die suchtkrank oder psychisch krank 2. Ausweitung von Housing first größeres Engagement insbesondere sind oder andere Erkrankungen haben? 3. keine Verdrängung und der für die Unterbringung zuständigen Sie haben meist keine sozialrechtlichen unangekündigte Räumungen von Bezirksämter. Gebraucht werden neben Ansprüche, sind nicht krankenversi- öffentlichen Plätzen neuen bezahlbaren Wohnungen ein chert und können deshalb nicht ins Re- 4. Ausbau von Streetwork niedrigschwelliges Angebot und eine gelsystem vermittelt werden. Die me- (multilingual) an Brennpunkten bessere Unterstützung obdachloser dizinische Versorgung von Obdachlo- 5. Umsetzung des Rechtsanspruchs Menschen, um das Ziel, die Obdachlo- sen erfolgt durch ein zumeist defizitäres zur Unterbringung auch von EU- sigkeit in Berlin bis 2030 abzuschaffen, System kleiner Ambulanzen. Wir brau- Bürgerinnen und EU-Bürgern zu erreichen. chen jedoch ein stabil ausfinanziertes durch die Bezirksämter Kathrin Zauter, Pressesprecherin für die LIGA Berlin Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 11
Aus Stadt und Bezirken Merhaba Berlin – Geschichten vom Ankommen und Hierbleiben Am 30. Oktober 1961 trat das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei in Kraft D er Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin hat aus die- sem Anlass türkeistämmige ehemalige Gastarbeite- rinnen und Gastarbeiter sowie deren Kinder und Enkel befragt. Ihre Geschichten erzählen von den Schwierigkeiten des Anfangs, von Mut, Freude und Enttäuschungen. Und sie berichten, wie Berlin im Laufe der Jahre zu dem wurde, was es heute für sie ist: Heimat und Zuhause. Die Porträtierten kommen aus allen sozialen Bereichen, sind verschieden alt, haben unterschiedliche Berufe und verschiedene Ansichten, aber in einem sind sie sich einig: Sie gehören nicht nur zu dieser vielfältigen Stadt, sie ma- chen sie aus. Mit der Broschüre Merhaba Berlin wollen wir die Leistung der türkeistämmigen, ehemaligen Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter würdigen. Sie haben mit ihrer Arbeit nicht nur die Wirtschaftskraft der Stadt gestärkt, sie haben auch einen ganz anderen Reichtum nach Berlin gebracht: Sie haben den Anstoß dafür gegeben und viel dafür getan, dass Berlin eine vielfältige, interkulturelle Stadt geworden ist. Die Broschüre ist in Zusammenarbeit mit der Türkisch- Deutschen Unternehmervereinigung e. V. (TDU) entstanden. Viel Vergnügen beim Lesen! Kathrin Zauter, Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Paritätischen Berlin Titelblatt der Broschüre Quelle: Paritätischer Berlin Wissenswertes Die gedruckte Broschüre Merhaba Berlin ist kostenlos und kann beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin unter presse@paritaet-berlin.de bestellt werden. Hier finden Sie die Broschüre „Merhaba Berlin“ zum Download: https://bit.ly/Merhaba_Berlin_Anwerbeabkommen Hier finden Sie alle Portraits zweisprachig veröffentlicht: www.paritaet-berlin.de/anwerbeabkommen Geplant ist dazu auch eine Ausstellung in verschiedenen Stadtteilzentren. Was ist die Mehrzahl von Heimat? »Ich habe türkische Wurzeln, aber ich lebe hier«, sagt die in Kelkit geborene Aysel Meral. Sie ist seit 1972 in Deutschland, Diplom-Psychologin sowie stellvertretende Geschäftsführerin I m Herzen bin ich Wilmersdorferin«, kurz vor Aysels Einschulung statt: vom hier viel mehr – ohne die soziale Kon- sagt Aysel Meral und schmunzelt, Arbeiterbezirk Moabit in den bürgerli- trolle der türkischen Community. Wir »auch wenn ich mittlerweile in Ma- chen Westen Berlins. durften auf Klassenfahrten! Das hört riendorf wohne.« Die 49-Jährige zeigt »Das ist meine Chance auf Bildung ge- sich heute nach einer Selbstverständ- auf drei Fenster einer Erdgeschoss- wesen«, meint Aysel Meral. Nachteile lichkeit an, aber in den 1980er Jahren wohnung direkt gegenüber vom Volks- oder Diskriminierung hätten sie nie er- war das ein Skandal.« park Wilmersdorf. 1979 zieht Familie fahren, auch wenn sie aufgefallen seien. Aysel Meral ist ehrgeizig, ihr gelingt Meral in die 3,5-Zimmer-Wohnung, um In der Grundschule und später auf dem eine klassische Bildungskarriere – samt mehr Platz für die erst vier, später fünf Gymnasium kannte man sie als die Me- Latinum. Nach dem Abitur studiert sie Schwestern zu haben. Der Umzug findet ralschwestern. »Wir durften als Töchter in Berlin Psychologie und bleibt vor- Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 12
Aus Stadt und Bezirken antwortung. Eine Herausforderung, die Aysel Meral Freude bereitet, wenn auch der Abschied von ihren Lotsinnen und Lotsen tränenreich ist. Aus der Diplom- psychologin und Familienhelferin wird mehr und mehr eine Managerin für so- ziale Arbeit. 350 Mitarbeitende beschäf- tigt das Nachbarschafts- und Selbsthil- fezentrum in der UFA-Fabrik, und Aysel Meral ist seit Oktober 2019 dessen stell- vertretende Geschäftsführerin. Ihre Eltern sehen sie dagegen bis heute vor allem als Tochter. Dass sie nicht immer sofort erreichbar ist, ist für ihre Eltern manchmal schwer zu verste- hen. Sie stellen bis heute das Wohl der Aysel Meral Foto: Freya Reiß Familie, den Respekt vor Älteren über das individuelle Glück. Der Vater war erst – »wie es sich gehört« – bei den El- ihre Eltern, die nie eine Schule besucht als Gastarbeiter nach Berlin gekommen tern wohnen. Während des Studiums haben, bis heute die Lotsin durch das und fand hier Arbeit als Maurer. Jahr- beginnt sie schon, als Betreuerin in der »System Deutschland«. zehntelang lebte die Familie sparsam Familien- und Einzelfallhilfe zu arbeiten. Mit der großen Zuwanderung von vom Lohn des Vaters, um den Verwand- Eine verantwortungsvolle, sehr inten- Geflüchteten Mitte der 2010er Jahre ten Geld schicken zu können. Für Aysel sive Arbeit, die ihr nahegeht. Doch sie braucht es einmal mehr Menschen, die Meral ist das ein »grenzenloses Aufop- will tiefer in die Projektkoordination ein- das Ankommen Tausender in Berlin fern«, das sie nicht immer nachvollzie- steigen. Für den Bezirk Tempelhof-Schö- unterstützen. Aysel Meral leitet das ste- hen konnte. Als Kind und Jugendliche neberg baut sie ab 2014 das senatsge- tig wachsende Projekt der Integrations- sei es für sie schwer gewesen, zwischen förderte Projekt der Integrationslotsin- lotsinnen und -lotsen und später auch den Werten der Familie und dem geleb- nen und -lotsen im Nachbarschafts- und das Projekt Starthilfe für Geflüchtete, bis ten Individualismus Berlins ihren eige- Selbsthilfezentrum in der UFA-Fabrik sie 2017 den Fachbereich Integration des nen Weg zu finden. Doch da, wo sie jetzt (NUSZ) auf. Eine Herzensangelegenheit NUSZ übernimmt. Das bedeutet noch ist, fühlt sie sich wohl und zu Hause. sei das gewesen. Denn sie sei selbst für mehr Aufgaben und noch mehr Ver- Text: Freya Reiß Unterschiede als Reichtum verstehen »Ich springe ein, bevor die Sicherungen durchbrennen«, sagt Kazım Erdoğan. Geboren in Gökçeharman, lebt er seit 1974 in Deutschland und ist Psychologe E s ist eiskalt an diesem 5. Februar ser schnurrbärtige Mann war mein Ret- logie, Soziologie und Erziehungswis- 1974, als Kazım Erdoğan aus einem ter«, sagt Kazım Erdoğan. Und während senschaften. Danach arbeitet er in ver- sehr alten Bus aussteigt und zit- der Zugfahrt wird ihm klar: So, wie mir schiedenen Schulen, kümmert sich als tert. Nicht nur wegen der minus elf Grad dieser Mann geholfen hat, möchte ich Lehrer und Psychologe insbesondere in München. Auch, weil er kein Wort anderen helfen. »Das war die Geburts- um Jugendliche, die Probleme mit der Deutsch oder Englisch spricht. Er, der stunde meines ehrenamtlichen Engage- deutschen Sprache haben. 21-Jährige aus dem anatolischen Dorf ments«, sagt er. 2003 fängt er im Bezirksamt Neukölln Gökçeharman, fühlt sich plötzlich wie In den nächsten Jahren muss er in der Familienberatung an. Er arbei- ein dreijähriges Kind. Lange steht er ein- sich erst einmal durchschlagen. Mit tet 80 Stunden pro Woche. »39 im Be- fach nur da. Dann sucht er nach einem Schwarzarbeit. »Mal hieß ich Mustafa, zirksamt, 41 ehrenamtlich«, sagt er. En- schnurrbärtigen türkischen Gastarbei- mal Hasan, mal Ali«, erinnert er sich und gagiert sich im Verein »Aufbruch Neu- ter der ersten Generation. Als er einen lacht laut. Er ist Möbelpacker. Kisten- kölln«, begleitet Menschen zu Ämtern, findet, gibt er ihm alles, was er hat: 100 schlepper. Maschinenführer. Und dann, gründet eine Selbsthilfegruppe für Mark. Davon kauft ihm dieser ein Zug- nach einem Deutschkurs an der Freien Spielsüchtige – und eine für Väter. »Für ticket zu seinem Onkel in Berlin. »Die- Universität Berlin, Student der Psycho- Frauen und Mütter gab es schon Ange- Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 13
Aus Stadt und Bezirken Familie. Er beobachtet dieses Viereck oft bei sogenannten »Importbräutiga- men«, die in Berlin plötzlich in eine völ- lig andere Welt geschmissen werden, in der sie nicht zurechtkommen. Dem Viereck stellt er seinen »Werkzeugkof- fer« entgegen: Menschen auf gleicher Augenhöhe begegnen, eine verständli- che Sprache sprechen, sie da abholen, wo sie sich befinden. »Ich springe ein, bevor die Sicherungen durchbrennen«, sagt er. Kazım Erdoğan will, dass mehr darü- ber gesprochen wird, was gut läuft. Die Vielfalt in unserer Stadt, unserem Land als etwas Positives begreifen. Auch die Medien sieht er hier in der Pflicht. Sie sollten keine »trennenden Wände« aufstellen zwischen den Kulturen, for- Kazım Erdoğan Foto: privat dert er. »Wenn man die Unterschiede als Reichtum betrachtet, dann gibt es wenig Ich und Du. Dann gibt es Wir. bote, deshalb brauchten wir eine Mög- nen neunmonatigen Enkel. Auch, als es Und da müssen wir hin«, sagt er. lichkeit für Väter, sich auszutauschen«, um das Thema Ehrenmorde geht. Meh- Mit mehr als 4000 Vätern hatte Kazım sagt er. rere hat er durch seine Gespräche in der Erdoğan im Laufe seiner Karriere zu Kazım Erdoğan strahlt Ruhe aus und Väterselbsthilfegruppe verhindert, ist er tun. Jetzt ist er 68 Jahre alt. Seine Väter- Zuversicht. Egal, über welches Thema sich sicher. Kazım Erdoğan spricht von gruppe aufgeben? Niemals. »Man- er spricht. Über seine Arbeit mit Schü- einem toxischen Viereck, bestehend che kommen nur meinetwegen in die lern. Über seine wunderbare Frau, die aus strenger Religiosität, extremem Gruppe, die lasse ich sicher nicht im er an der Kasse im Supermarkt kennen- Nationalismus, tradierter Lebensweise Stich«, sagt er. Und nichts ist sicherer lernte. Über seine beiden Töchter. Sei- sowie Druck durch Gesellschaft und als das. Text: Anja Herr Das hat mich erst recht angestachelt »Erfolg hängt auch davon ab, ob man dazugehört oder nicht«, so Emine Can. Geboren in Izmir, lebt sie seit 1974 in Deutschland. Die Diplompädagogin ist Mitarbeiterin im türkischen Frauenverein mit Schwerpunkt Sozialberatung D ie selbst gemalten Bilder an der Wand des türkischen Frau- envereins in Kreuzberg zeigen Landschaften, Schafe, Blumen, eine Ansicht von Istanbul. »Wir versuchen immer, unsere Arbeit möglichst viel- seitig zu gestalten. Die Bilder sind in einer Gruppenarbeit zum Thema Hei- mat entstanden, die Kunst mit autoge- nem Training verbindet«, erklärt Emine Can. »Es haben überwiegend Frauen aus unserem Alphabetisierungskurs teilgenommen, eine hatte noch nie zuvor einen Pinsel in der Hand. Ich war überrascht, wie gut die Ergebnisse sind und wie viele spannende Geschichten Emine Can Foto: Nina Roßmann Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 14
Aus Stadt und Bezirken dabei zum Vorschein kamen. Das hat immer wieder gestellt. Die Antwort war: wie die Diplompädagogin aus ihrem wirklich Spaß gemacht.« Die 47-jährige ‚Wir hatten keine Option.‘ Meine Eltern Beratungsalltag weiß. »Das ist eine Er- Sozialberaterin unterstützt Frauen mit lebten in dauerhafter Unsicherheit, ob fahrung, durch die sich Schüler kom- Migrationsgeschichte bei Behörden- ihr Aufenthaltsstatus verlängert wird. plett vom Schulleben distanzieren. Er- gängen, berät in Krisensituationen und Sie konnten nichts planen.« folg hängt auch davon ab, ob man da- führt Begegnungs- und Bildungsange- Fünf Jahre später, als Emine Can elf zugehört oder nicht. Hätte ich nicht bote durch. ist, bekommt ihre Mutter endlich eine gleichzeitig viele positive Erfahrungen Emine Can selbst kommt 1974 – mit unbefristete Aufenthalts- und Arbeits- gemacht, wäre vielleicht auch ich schu- nur wenigen Monaten – gemeinsam erlaubnis, und die Eltern holen Emine lisch gescheitert.« mit ihrer Mutter und ihrer dreijährigen Can und ihre Schwester wieder zu sich. Zu Emine Cans Positivbilanz zählt Schwester nach Deutschland. Frisch mit Doch »das mit dem Deutschlernen war auch das engagierte Verhalten ihrer dem Vater vereint, der seit seinem 15. schwierig«, erzählt sie. Erst kommt sie in Kommilitoninnen und Kommilitonen: Lebensjahr in Stuttgart lebt, lässt sich eine türkische Vorbereitungsklasse, und »An der Uni hatten wir eine Dozentin, die Familie in Berlin nieder, wo 1976 als sie in der zehnten Klasse ins Regel- die sich selbst nach zwei Jahren noch ihr jüngerer Bruder geboren wird. Er- system wechselt, sind in ihrer Kreuzber- weigerte, sich meinen Namen oder den innerungen an ihre ersten Lebensjahre ger Klasse ebenfalls nur drei Deutsche. der anderen türkischstämmigen Kurs- in Deutschland hat Emine Can aller- Einige ihrer Lehrerinnen und Lehrer fin- teilnehmerin zu merken«, erzählt sie. dings kaum. Ihre Kindheit – das ist für den, dass sie, statt Abitur zu machen, »Ich habe das gegenüber meinen Kom- sie die Türkei. Denn ihre Eltern beschlie- lieber eine Ausbildung absolvieren militonen angesprochen, und die be- ßen, dass ihre ältere Schwester und sie solle. »Das hat mich erst recht angesta- schlossen, den Spieß umzudrehen: In in Izmir die Grundschule besuchen und chelt«, sagt Emine Can. Zwar habe sie in einer Unterrichtsstunde sprachen sie bei den Großeltern leben sollen. »Natür- der Schule Diskriminierung erlebt, aber die Dozentin permanent mit falschem lich war das ein Alter, in dem man seine die Mehrheit ihrer Lehrer und Lehrerin- Namen an oder taten so, als wüssten Eltern eigentlich dringend braucht. nen sei sehr gut gewesen, betont sie. sie den Namen nicht mehr.« Sie lacht. ‚Warum habt ihr uns zurückgeschickt?‘ Diskriminierendes Verhalten ist bei »Mann, war die sauer«, freut sie sich Diese Frage haben wir unseren Eltern Lehrenden auch heute noch verbreitet, noch heute. Text: Nina Roßmann Geschichte erzählen und hören Wie war das damals? 60 Jahre nach Inkrafttreten des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei trafen sich Interessierte in »Erzählcafés« – drei Beispiele Erzählcafé mit türkischem Tee und Gebäck in Neukölln E twa 30 Menschen haben sich am trum, das im Bürgerzentrum Neukölln nen, darauf habe ich geachtet«, sagt Nachmittag im Saal des Bürger- seinen Sitz hat. Waltraud Schulz. Die Älteren im Raum zentrums Neukölln an der Wer- Als sie dran ist, berichtet Yildiz Akgün, verständigen sich dagegen auch heute bellinstraße versammelt. Sie sitzen im wie sie als Kind nach Berlin kam, die noch vor allem in ihrer Heimatsprache. Kreis. Es sind vor allem Ältere, die bei ländliche Gegend, die Tiere, die Natur Die Runde ist zweisprachig, alles wird Gebäck, Wasser und türkischem Tee hier in der Stadt so vermisste und wie übersetzt. Zum Deutschlernen hatten erzählen, wie es damals war, als soge- Berlin nach und nach ihre Heimat die ehemaligen Gastarbeiterinnen und nannte Gastarbeiterinnen oder Gast- wurde. Ihr schräg gegenüber sitzt die Gastarbeiter damals neben der Arbeit arbeiter nach Deutschland oder eben Neuköllnerin Waltraud Schulz, die von kaum Zeit, es gab keinerlei Anreize nach Berlin zu kommen. ihrem inzwischen verstorbenen türki- oder Angebote, die deutsche Sprache Die Erinnerungen gehen reihum. Die schen Mann erzählt und betont, wie zu erlernen. Die deutschen Behörden Jüngeren unter ihnen hören zu. Organi- gut sie sich mit allen türkischen Ver- und die Gekommenen selbst sahen die siert wurde die Veranstaltung unter an- wandten und Bekannten verstanden Zeit als begrenzt an. »Aber«, so bemerkt derem vom IBBC e. V., dem Interkultu- habe, wie in einer großen Familie. »Dass Barbara John, Vorstandsvorsitzende rellen Beratungs- und Begegnungszen- unsere Kinder sehr schnell Deutsch ler- des Paritätischen Berlin, in der Runde Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 15
Aus Stadt und Bezirken Erzählcafé im Bürgerzentrum Neukölln Foto: Kathrin Zauter »nichts ist so beständig wie temporäre sonders Neukölln. Das freut auch Bernd Gastarbeitern und ihren Kindern und Einwanderung, gerade Arbeitsmigra- Szczepanski, ehemaliger Sozialstadtrat Enkeln zum Positiven geändert. Neu- tion ist nicht umkehrbar.« in Neukölln. »Ich bin hier aufgewach- kölln ist offener und toleranter gewor- So erzählen alle auch davon, wie sie sen«, erzählt er, »und fand damals Neu- den.« hier Wurzeln geschlagen haben und kölln extrem eng und spießig. Das hat Kathrin Zauter, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Berlin ihr Zuhause geworden ist, be- sich mit den Gastarbeiterinnen und Paritätischer Berlin Ankommen im Wedding: Kiezspaziergang mit Erinnerungen türkeistämmiger Berlinerinnen F ür den Wedding war das vor 60 Jah- mige Berlinerinnen und Berliner vor. dann nach Berlin. Aliye Stracke-Gönül ren geschlossene Anwerbeabkom- Darüber und über den Kiezspaziergang berichtet von ihrer Kindheit im Hinter- men mit der Türkei ein prägendes freut sich nicht nur Aliye Stracke-Gönül. hof im Wedding. Es sind viele kleine An- Ereignis. Wie Kreuzberg war der ehema- »Meine Eltern finden es gut, dass es eine ekdoten, die beim Kiezspaziergang er- lige Bezirk im Norden der Stadt einer der solche Wertschätzung gibt. Für mich ist zählt werden: Sie handeln vom Ankom- Ankommensorte für viele Türkinnen und es auch die Erinnerung an sehr emotio- men und vom Überlegen, ob Deutsch- Türken in Berlin. Und viele sind geblie- nale Stunden, die wir als Familie durch- land eine Heimat werden könne. Es geht ben: Heute hat fast ein Viertel der Men- gemacht haben«, sagt sie. um Hürden im Alltag, um kleine Freu- schen im Wedding türkische Wurzeln. Um Aliye Stracke-Gönül zu finden, den, auch um Ablehnung und ganz viel Die Fabrik Osloer Straße hat Ende muss man etwas blättern. Ihre Gast- Hoffnung. Am Ende, so Aliye Stracke- Oktober 2021 im Rahmen eines Kiez- arbeitergeschichte steht weiter hinten Gönül, haben sie und ihre Geschwister spaziergangs an das Abkommen und in der Broschüre. Wer sie gefunden hat, den wichtigsten Auftrag der Eltern an die Erfahrungen der Gastarbeiterfami- blickt tief in die Geschichte ihrer Fami- ihre Kinder erfüllt und in Deutschland lien erinnert. Die Veranstaltung fand lie. Die heutige Geschäftsführerin des studiert. »Schließlich sind wir als Familie in Zusammenarbeit mit dem Paritä- Fabrik Osloer Straße e. V. wurde in Hei- Deutsche geworden, alle zusammen«, tischen Berlin statt. Der Paritätische delberg geboren. Ihre Eltern waren An- sagt Aliye Stracke-Gönül stolz. Und ihre brachte dazu die Broschüre »Merhaba fang der 1960er Jahre als Gastarbeiter Eltern leben bis heute im Wedding. Berlin« mit. Das Heft stellt türkeistäm- nach Deutschland gekommen, zogen Dominique Hensel, freie Autorin Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021 16
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