Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote - Der Paritätische Berlin

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Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote - Der Paritätische Berlin
4. Quartal 2021

Der soziale Kiez
Hilfe, Beratung, Freizeitangebote
Seite 8                                                Seite 10                                 Seite 86

Mitgliederversammlung                                  #berlinbessermachen                      Fördermittel
Rückblick und Ausblick                                 Positionen für die künftige Politik      Antragstermine für 2022

Unterstützung und Spaß bei den Freiwilligentagen: Im Kreativhaus wurde die Klangoase erneuert
Foto: Nadine Wittek
Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote - Der Paritätische Berlin
Die Onlineplattform www.socialmap-berlin.de präsentiert
An­gebote Paritätischer Mitgliedsorganisationen aus allen
Arbeitsbereichen. Sie ermöglicht Ihnen als Organisation, den
Bekanntheitsgrad Ihrer Angebote bei verschiedenen Akteu-
ren, wie Politik, Verwaltung, Fördermittelgebern, Berlinerin-
nen und Berlinern, sowie in anderen Netzwerken und Medien
zu steigern.

Berlinerinnen und Berliner können socialmap berlin nutzen,
um niedrigschwellig nach sozialen Angeboten in ihrem Kiez zu
suchen.

Ob Pflegestützpunkt, Familienzentrum oder Beratungsstelle:
Tragen Sie Ihre Angebote auf www.socialmap-berlin.de ein. Wir
prüfen die Einträge zeitnah und geben sie frei. Sie sind dann
öffentlich sichtbar.

Helfen Sie uns, socialmap berlin in der Öffentlichkeit bekannt
zu machen, indem Sie die Seite über Ihre Kanäle bewerben!

             www.socialmap-berlin.de
             Ansprechpartnerinnen im Verband:
             Anika Haußner, Simone Hanjohr und Lea Winnig
             aus der Geschäftsstelle Bezirke

             Mail: socialmap@paritaet-berlin.de
Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote - Der Paritätische Berlin
Vorwort

Der soziale Kiez
Hilfe, Beratung, Freizeitangebote

G
          leich zu Beginn der Hinweis: dieses Vorwort ist anders.
          Statt wie sonst einem, widmet es sich vier Themen,
          denn es passiert viel in unserem Landesverband.
   Ein Hinweis gilt dem Schwerpunktthema dieser Ausgabe:
»Der soziale Kiez – Hilfe, Beratung, Freizeitangebote«. Wir
zeigen, wo überall Paritätische Mitgliedsorganisationen in
Berlin aktiv sind, darunter Stadtteilzentren, Nachbarschafts-
oder Mehrgenerationenhäuser und Treffpunkte. Alle können
Sie jetzt auf einen Blick erfassen: in der socialmap berlin.
   Egal ob Kita, Pflegeheim oder Sportkurs im Stadtteilzen­
trum – jede Organisation kann sich auf der Onlineplattform
eintragen und einfacher gefunden werden. Gut für die Ver-
netzung untereinander und als Info für alle Menschen im Kiez!
Denn Nachbarinnen und Nachbarn können in der Karte su-
chen oder nach Themen und Zielgruppen filtern. Wer sucht,
findet. Und zwar konkrete Angebote mit Website, Telefon-
nummern und kurzem Profil. Ein kurzer Steckbrief also. Pro-
bieren Sie es mal aus und melden Sie Ihre Organisation an.
Und wenn Sie eine Funktion vermissen oder Unterstützung
brauchen, lassen Sie es uns wissen. Wir lernen gemeinsam                   Barbara John 
und bessern nach!                                                                                   Foto: Holger Groß / Der Paritätische Berlin
   Zur Mitgliederversammlung Ende November haben wir
Sie diesmal in unseren eigenen Räumen, in einem neu um-
gebauten Haus der Parität, dem Bürgerzentrum Neukölln, be-
grüßt, online. Wie gern hätten wir Sie dabei wieder von Ange-       staltung der Türkischen Botschaft in Berlin teilgenommen
sicht zu Angesicht gesehen – aber bei mehr als 800 Mitglie-         und bin dort auf Dankbarkeit und Interesse für unsere Ver-
dern gab es dafür pandemiebedingt noch keine Möglichkeit.           öffentlichung gestoßen. Das gilt auch für die Zusammentref-
Auch wir finden das unbefriedigend und nervig. Aber seien           fen mit Menschen der ersten Einwanderergeneration in den
Sie sicher: Wir wollen, dass das so schnell wie möglich wie-        »Kiezgesprächen«, die wir durchgeführt haben. Drei Porträts
der anders wird und wir direkt miteinander ins Gespräch kom-        und einen Link zur Broschüre finden Sie ab Seite 12.
men. Diesen Wunsch haben nicht nur wir, sondern auch Sie,             Was in den Koalitionsverhandlungen genau beschlossen
wie wir aus zahlreichen Telefonaten und E-Mails wissen. Einen       wird, wissen wir noch nicht. Aber wir wissen, was wir vorge-
Bericht über die Mitgliederversammlung und das abgelau-             schlagen haben und was Berlin besser macht. Sie können das
fene Geschäftsjahr finden Sie auf Seite 8. PS: Die Gremienwah-      in unserer gleichnamigen Broschüre #berlinbessermachen
len folgen dann 2022.                                               nachlesen. Sie liegt einem Teil der Ausgabe bei. Und Sie kön-
   Am 30. Oktober 2021 ist es 60 Jahre her, dass das Anwerbe-       nen sicher sein: Wir werden verfolgen, was die Politik umsetzt,
abkommen zwischen Deutschland und der Türkei unter-                 und auf Lücken und Nötiges hinweisen über die nächsten Mo-
zeichnet wurde. Und wahrscheinlich gibt es keine Mitglieds-         nate und Jahre. Infos zur Broschüre lesen Sie auch auf Seite 10.
organisation, die nicht in irgendeiner Form Kontakt zu tür-
keistämmigen Einwanderern hat – ob bei Nachbarinnen und             Ich hoffe, dass Sie in dieser Infofülle einiges für sich finden.
Nachbarn, unter Kolleginnen und Kollegen, bei anderen Mit-
gliedern, bei Kundinnen und Kunden, Klientinnen und Klien-          Ihre
ten oder Patientinnen und Patienten. Uns war es ein Bedürfnis,
die Leistungen dieser Einwanderergruppe – immerhin sind es
insgesamt 200.000 Menschen allein in Berlin – zum Jahrestag
zu würdigen. In der Broschüre »Merhaba Berlin – Geschich-
ten vom Ankommen und Hierbleiben«, gemeinsam herausge-
geben mit der Türkisch-Deutschen Unternehmervereinigung             Barbara John, Vorsitzende des
e. V., stellen wir 60 Personen vor. Ich habe an der Festveran-      Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin

Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021	                                                                                                  3
Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote - Der Paritätische Berlin
Inhalt

                                                                                                                           Schneller finden: Fachspezifische Themenfelder (wie Gesund-
                                                                                                                           heit, Migration etc.) haben eigene Bereichsfarben, allgemeine
                                                                                                                           Themen des Landesverbands das bekannte Paritätische Blau.

                                                                       Foto: Juliane Winkelmann / Paritätischer Berlin

                                                                                                                                                                                               Foto: Holger Groß
   Familie, Kinder und Jugendliche                                                                                            Freiwilliges Engagement
Demokratiebildung: Auftakt des E-Learning-Kurses                                                                         Grundreinigung mit Fensterputzen: eine Aktion von vielen bei
»Beschwerdeverfahren für Kitas«                            Seite 48                                                     der »Gemeinsamen Sache – Berliner Freiwilligentage«  Seite 60

6 – 20         Aus Stadt und Bezirken                                                                                              • Neue Studie: Sozialpädagogische Familienhilfe
          • Herzlich willkommen beim Paritätischen Berlin!                                                                         • Größte Kita in Berlin eröffnet
          • Was uns bewegt: Dr. Gabriele Schlimper                                                                                 • Zehn Jahre Bundesfreiwilligendienst
          • Mitgliederversammlung 2021: Bericht über die                                                                           • Medienpädagogik für Online-Seminare
            Online-Veranstaltung                                                                                                   • Mentoringprogramm für besonders
          • #berlinbessermachen: Broschüre mit unseren                                                                               begabte Kinder
            Positionen für die Politik                                                                                             • Keramikkunst: Kinder lernen spielend
          • LIGA-Pressekonferenz zum Start der Kältehilfe
          • 60 Jahre Anwerbeabkommen 1: Drei Porträts                                                                    55            Frauen
          • 60 Jahre Anwerbeabkommen 2: Kiezgespräche und                                                                          • Netzwerkarbeit im Traumanetz Berlin
            Kiezspaziergang
          • Projekt Level Fear des Grips-Theaters
          • Schreibabyambulanzen: Hilfen für Familien                                                                    56 – 60        Freiwilliges Engagement
          • Netzwerk Nachbarschafts- und Stadtteilarbeit                                                                           • Rückblick: Gemeinsame Sache – Berliner Freiwilligentage
            Treptow-Köpenick                                                                                                       • Eine Woche dabei: die Senatsverwaltung für Integration,
                                                                                                                                     Arbeit und Soziales
20 – 22       Digitalisierung, Innovation und Wirkung                                                                              • Verschönerungsaktion im Bürgerzentrum Neukölln
          • Wirkung sozialer Arbeit: Kurse im Überblick                                                                            • Frauencafé mit eritreischer Kaffeezeremonie
          • Zertifikatkurs Gemeinwesenarbeit                                                                                       • Ehrenamtsbüro Reinickendorf: Feier am zweiten
                                                                                                                                     Standort
22 – 23       Gesamtverband                                                                                                        • CleanUp im Reichenberger Kiez
          • Kampagne Mietenstopp: Forderungen an die neue                                                                          • Berlin ImpactCamp in Schöneberg
            Bundesregierung                                                                                                        • Pop-Up-Zebrastreifen am Moritzplatz
                                                                                                                                   • Fahrräder repariert – Schrauben verbindet
42 – 46         Ältere Menschen und Pflege                                                                                         • Spandauer Tag des Ehrenamts
          •   Hospiz Ost in Friedrichshain eröffnet                                                                                • Gegen das Vergessen: Stolpersteine putzen
          •   15 Jahre Seniorenstiftung Prenzlauer Berg                                                                            • Grundreinigung in der Notübernachtung
          •   30 Jahre Miteinander wohnen
          •   Digitale Medien für ältere Menschen                                                                        61 – 65          Gesundheit
          •   Drei Jahre Silbertelefon                                                                                             •   Erste Ergebnisse der Point-Studie
                                                                                                                                   •   Im Herznotfall helfen und Leben retten
47 – 54        Familie, Kinder und Jugendliche                                                                                     •   Krankentransportdienst gegründet
          • Klage freier Schulträger gegen Land Berlin                                                                             •   15 Jahre Fachstelle für Suchtprävention
          • Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung                                                                          •   50 Jahre Elternkreise

  Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021
4	
Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote - Der Paritätische Berlin
Inhalt

                                   4. Quartal 2021                                                              SCHWERPUNKT
                                   ParitaetBerlin
                                                                                                                Der soziale Kiez –
                                                                                                                Hilfe, Beratung, Freizeitangebote

                                                                      Foto: Mario Zeidler / Volkssolidarität

                                                                                                                                                                              Motiv: Logo der Plattform
     Gesundheit                                                                                                 Soziale Angebote online finden: Die socialmap berlin
Krankentransportdienst: Volkssolidarität startet mit erfahrenem                                                 zeigt Paritätische Mitglieder in jedem Kiez  Seite 30
Team ins erweiterte Dienstleistungsangebot               Seite 63

                                                                                                                Seite 24 – 41
65 – 67       Menschen in Notlagen
          • Unterstützung inhaftierter und haftentlassener Menschen
          • Obdachlosen-Uni: Wahlkampf und Freiheit                                                             • Einführung: Lokal und auf Augenhöhe: Vielfalt der
                                                                                                                  Angebote stärken heißt Zivilgesellschaft stärken.
                                                                                                                  Von Anne Jeglinski
68 – 71          Menschen mit Behinderung
                                                                                                                • Die Geschäftsstelle Bezirke des Paritätischen Berlin
          •   Teilhabe und unabhängigere Lebensführung
                                                                                                                  stärkt die bezirkliche Zusammenarbeit und fördert
          •   Neues Wohnangebot in Zehlendorf
                                                                                                                  Innovationen im sozialen Bereich
          •   Auszeit für Eltern und pflegebedürftige Kinder
                                                                                                                • Überall in Berlin vor Ort: Einrichtungen der Nachbar-
          •   Abschied bei der Galerie Art Cru Berlin
                                                                                                                  schafts- und Stadtteilarbeit im Überblick
                                                                                                                • Analogkarte: Paritätische Treffpunkte in den Bezirken
72 – 75          Stadtteilarbeit und Bezirksarbeit                                                              • Online finden: Noch mehr Paritätische Angebote in
          •   Einladung zum Chortreff im Juni 2022                                                                allen Kiezen – Angebote unserer Mitglieder
          •   Kommunales Bildungswerk erweitert Angebot um Kultur                                                 - Beispiel Stadtteilzentren und Nachbarschaftshäuser
          •   Aufbau des Stadtteilzentrums am Mehringplatz
                                                                                                                  - Beispiel Sozialer Treffpunkt
          •   Theater zwischen Stadt und Land
                                                                                                                  - Beispiel Selbsthilfekontaktstelle
                                                                                                                  - Beispiel Mehrgenerationenhaus
76 – 83          Paritätische Akademie Berlin
          •   Interview: Digitalisierung in der sozialen Arbeit                                                   - Beispiel Haus der Parität
          •   Berufsbegleitender Masterlehrgang                                                                   - Beispiel Familienzentrum
          •   Termine Paritätische Foren                                                                          - Beispiel Mobile Stadtteilarbeit
          •   Weitere Veranstaltungen                                                                           • Glückwunsch: 70 Jahre Verband für sozial-
                                                                                                                  kulturelle Arbeit
84            Paritätisches Bildungswerk Brandenburg                                                            • Corona-Spezial: Nachbarschaftsarbeit während
          • Termine Weiterbildungen                                                                               und nach Corona

85 – 91          Service
          •   Neue Mitglieder und Änderungen                                                                   Wir nutzen eine Gender­schreibweise, die auch
          •   Servicestelle Zuwendungsrecht: Termine 2022                                                      ­Barrierefreiheit und eine ­gute Lesbarkeit ermöglichen
          •   Fördermittel beantragen: Termine 2022                                                             soll. Die Bezeichnung von Personengruppen schließt so-
          •   Paritätjob: Stellen suchen und finden                                                             wohl männliche, weibliche als auch lesbische, ­schwule,
          •   Impressum                                                                                         bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche
          •   Fachgruppen und Arbeitskreise                                                                     ­Menschen (LSBTI) explizit mit ein.
          •   Telefonverzeichnis

Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021	                                                                                                                               5
Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote - Der Paritätische Berlin
Aus Stadt und Bezirken

Herzlich willkommen beim Paritätischen Berlin!
Andrea Zimmer ist seit März 2021 als Assistenz der Verwaltungsleitung tätig. Zuvor konnte sie bereits in anderen
Positionen Einblicke in die Arbeit des Verbands gewinnen

Mit welchen Erwartungen sind Sie
zum Paritätischen Berlin gekommen?
Die vielseitigen Bereiche und Aufga-
ben des Paritätischen Wohlfahrtsver-
bands kennenzulernen und in einem
guten Team zu arbeiten. Bisher war ich
überwiegend im sozialen Bereich in
verschiedenen Aufgabenfeldern, wie
Flüchtlingshilfe, Kinder- und Jugend-
bereich und zuletzt im Seniorenbe-
reich bei einem privaten Träger, aktiv.
Dort war ich am Empfang und in der
Verwaltung tätig. Zu meinen Aufga-
ben gehörten unter anderem die Kas-
senführung, die vorbereitende Buch-
haltung sowie das Belegungsmanage-
ment. Die Arbeit im einem Wohlfahrts-
verband ist mir durch meine frühere             Andrea Zimmer                                                Foto: Martin Thoma
Tätigkeit beim DRK in der Verwaltung
vertraut, daher fand ich eine neue Her-
ausforderung beim Paritätischen Wohl-     Was wünschen Sie sich für Ihr erstes       schon immer viele Namen von Bewoh-
fahrtsverband gerade als Assistentin      Jahr beim Paritätischen Berlin?            nerinnen und Bewohnern sowie An-
der Verwaltungsleitung sehr spannend      Ich wünsche mir für das erste Jahr einen   gehörigen merken musste, konnte ich
und für mich passend.                     umfassenden Einblick in die für mich       die Namen der Mitarbeitenden recht
                                          neuen Aufgaben des Fördermittelma-         schnell verinnerlichen.
Sie konnten sich zuvor bereits an an-     nagements, die tagtäglich neue span-
derer Stelle in unserem Verband be-       nende Herausforderungen für mich           Wo hat man die besten Chancen, Sie
weisen …                                  bringen. Ich arbeite in einem sehr net-    nach Dienstschluss anzutreffen?
Ja, zunächst war ich in der Kollwitz-     ten Team und wünsche mir, dass es so       Ich bin oft bei meinen Enkelkindern,
straße im Referat Pflege und Altenhilfe   bleibt.                                    unterstütze meine Tochter und ihre Fa-
als Sekretärin und als Empfangsmit-                                                  milie dabei, die Kinder aus der Kita ab-
arbeiterin in der Brandenburgischen       Was haben Sie in Ihr neues Büro mit-       zuholen und mit ihnen zum Beispiel auf
Straße tätig. Auch das Catering habe      gebracht?                                  den Spielplatz zu gehen. Des Öfteren
ich bei Engpässen, etwa bei Urlaub oder   Zwei Pflanzen, ein Wandbild und ver-       koche ich auch etwas vor und nehme
Krankheit von Kolleginnen und Kolle-      schiedene Lieblingstassen für Tee oder     es ihnen dann mit. In den Sommermo-
gen, tatkräftig unterstützt.              Kaffee.                                    naten verbringe ich die Wochenenden
                                                                                     meist in unserem Schrebergarten. Ein-
Auf welche Aufgaben freuen Sie sich       Sind Sie auch neu in die Stadt gekom-      mal in der Woche gehe ich zur Gymnas-
besonders? Was gehört eher zum            men oder haben Sie nur den Job ge-         tikgruppe, soweit es Corona zulässt.
Pflichtprogramm?                          wechselt?
Auf die vielseitigen neuen Aufgaben als   Ich wurde in Berlin geboren und habe       Was sollten die neuen Kollegen unbe-
Assistentin der Verwaltungsleitung und    nur den Job gewechselt.                    dingt von Ihnen wissen?
die unterstützende Tätigkeit im Förder-                                              Dass ich ein Familienmensch bin und
mittelmanagement.                         Wie viele Namen von Kolleginnen            mich auch gern mit Freunden treffe. Ich
Bisher sehe ich noch keine Tätigkeiten    und Kollegen konnten Sie sich bereits      esse gern Lakritze und alles mit salzi-
als Pflichtprogramm, da meine Arbeit      merken?                                    gem Karamell.
immer wieder sehr abwechslungsreich       Da ich mir durch meine Tätigkeit im
und nicht jeden Tag gleich ist.           Asylbewerber- und Seniorenheim             

  Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021
6	
Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote - Der Paritätische Berlin
Aus Stadt und Bezirken

Was uns bewegt
Von Dr. Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin

Zuhören, lernen, gestalten
Digitalisierung – schön und gut. Aber
bei unseren Treffen über die »Kacheln«
in Videokonferenzen fehlt etwas: Oft
bleibt in fachspezifischen Videokonfe-
renzen nicht genügend Raum für Zwi-
schentöne, weiterführende oder ver-
netzende Ideen. Deshalb wollen wir
uns auch wieder gemeinsam vor Ort,
von Angesicht zu Angesicht, treffen.
Wir sind überzeugt: Das persönliche Ge-
spräch ist unersetzbar, wenn es um Ihre
spezifischen Anliegen im Verband geht.
Das hören wir auch von Ihnen. Wir wol-
len wieder direkt miteinander ins Ge-
spräch kommen. Und wenn die Pande-
mie andauert, dann eben mit den nöti-
gen Schutzvorkehrungen. Unsere Idee
dafür: Wir planen fachbereichsübergrei-
fende Netzwerktreffen in den Bezirken.
Was möchten wir gern mit Ihnen disku-
tieren? Was verbinden Sie und was ver-            Dr. Gabriele Schlimper                                           Foto: Boaz Arad
bindet Sie mit dem Paritätischen? Was
bewegt Sie aktuell am meisten? Wir sind
an Ihrer Meinung interessiert, möchten      Familien. Auch Angebote in der Nach-          Berlin braucht Wohnraum
einen Austauschprozess anregen und          barschaft werden sichtbar, zum Beispiel       Jedes Jahr im Winter müssen wir die
Ihre Anliegen aufgreifen. Wir freuen uns    die nächste Schuldner- und Insolvenz-         Kältehilfe starten. Etwa 3000 bis 5000
auf einen intensiven Austausch und, wo      beratungsstelle, Wohnangebote für             Menschen in Berlin sind ohne Obdach;
nötig, auf gemeinsames Verändern!           Menschen mit Beeinträchtigung oder            ihnen wird ein Bett in einem Zimmer
                                            der nächste Jugendclub. Bitte tragen          für die Nacht zur Verfügung gestell.
Sichtbar im Netzwerk:                       auch Sie Ihre Angebote ein – damit wir        Etwa 50.000 weitere Menschen sind
Dank socialmap berlin                       gemeinsam Berlin besser machen. Mehr          zwar nicht obdach-, aber wohnungs-
Welche sozialen Angebote gibt’s in mei-     dazu lesen Sie auf Seite 30.                  los. Sie wohnen in Not- oder Gemein-
nem Kiez? Suchende Berlinerinnen und                                                      schaftsunterkünften, darunter Fami-
Berliner werden jetzt schnell fündig in     Erhöhte Ausgaben für                          lien. Gemeinsam würden diese 55.000
der »socialmap berlin – Paritätischer       Digitalisierung                               Menschen einen Großteil des Berli-
Wegweiser für soziale Angebote«. Seit       Die Digitalisierung ist in einigen sozialen   ner Olympiastadions mit fast 75.000
Juni können Paritätische Mitgliedsorga-     Organisationen in vollem Gange, andere        Plätzen füllen! Sie brauchen dringend
nisationen ihre Angebote dort veröf-        wissen um nötige Änderungen, aber             Wohnungen! Und wie viele Berlinerin-
fentlichen; im November waren bereits       ihnen sind die Hände gebunden. Denn           nen und Berliner sind auf der Suche
930 Einträge für soziale Dienstleistungs-   für Digitalisierung ist so gut wie nie Geld   nach Wohnungen? Wie viele Fachkräfte
angebote freigeschaltet. Alle Ange-         eingeplant. Wir spüren den Bedarf deut-       können nicht zuziehen, weil sie keine
bote lassen sich ausdrucken und etwa        lich: In diesem Jahr hat sich das Antrags-    Wohnungen finden? Wie viele ziehen
in einem Schaukasten aushängen oder         volumen von Mitgliedern für Digitali-         weg, weil sie die Mieten nicht mehr
mit einem Klick in sozialen Netzwerken      sierung verdreifacht. Daher müssen so-        bezahlen können? Berlin muss bauen
teilen. Der interaktive Berlinstadtplan     wohl bei entgeltfinanzierten als auch         und dabei gleich die passende Infra-
zeigt die Angaben auch gefiltert. Etwa      bei zuwendungsgeförderten Arbeiten            struktur für Verkehr und Soziales mit-
nach Themen, wie Arbeit, Beratung           die Kosten für die Digitalisierung an-        einplanen – das ist eine Kernaufgabe
oder Sport, sowie nach Zielgruppe, wie      erkannt und refinanziert werden.              der nächsten Regierung!

Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021	                                                                                      7
Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote - Der Paritätische Berlin
Aus Stadt und Bezirken

Mitgliederversammlung digital – die zweite
Ein Livestream informierte die Mitglieder am 24. November über die Arbeit und das Jahresergebnis
unseres Landesverbands im Jahr 2020/2021

G
         anz egal, wo Sie gerade sind, ob
         Sie auf dem Sofa sitzen oder im
         Auto: Ich freue mich, dass Sie
sich die Zeit nehmen!« Es war eine Be-
grüßung in Pandemiezeiten, mit der
Prof. Barbara John, Vorstandsvorsit-
zende des Paritätischen Berlins, die Mit-
gliederversammlung eröffnete. Sie fand
dieses Jahr zum zweiten Mal in Folge di-
gital statt. Fernsehstudioatmosphäre at-
testierte John dem Setting im Bürger-
zentrum Neukölln: Neben den Mitglie-
dern von Vorstand, Geschäftsführung
und Beirat waren nur der Wirtschafts-
prüfer, die Gebärdendolmetscherinnen
und das Produktionsteam vor Ort.

Verschobene Gremienwahlen                          Vorstand, Geschäftsführung und Beirat waren im Bürgerzentrum Neukölln vor Ort
Nach Prof. Barbara Johns Begrüßung                                                                              Foto: Patricia Kalisch
hatte Margit Hankewitz, Sprecherin des
Wahlausschusses zur Wahl von Vorstand
und Berufungsausschuss das Wort. Sie        gierung bei der Bewältigung der zentra-        den so von den Berlinerinnen und Ber-
verkündete, dass die für 2021 angekün-      len sozialen Fragen wie Pflegenotstand,        linern schneller gefunden. Mehr dazu
digten Gremienwahlen pandemiebe-            Wohnungsnot und wachsende Armut                lesen Sie auf Seite 30.
dingt auf das Frühjahr 2022 verlegt wur-    messe sich daran, wie viel Geld für diese         Im Folgenden verwies Schlimper auf
den. Die Mitgliedsorganisationen wür-       Zwecke bereitgestellt werde.                   die positiven Jahresabschlusszahlen
den in Kürze darüber informiert, wie sie       Andreas Kaczynski hat auf dieser            des Verbandes: Das hervorragende Er-
Kandidatinnen und Kandidaten für den        Front bereits Erfolge vorzuweisen: »In         gebnis mit einem Jahresüberschuss von
Vorstand und Berufungsausschuss vor-        Brandenburg haben wir uns mit Macht            970.000 Euro sei insbesondere auf die
schlagen können.                            gegen den Sparhaushalt der Landes-             steigenden Mitgliederzahlen zurückzu-
                                            regierung aufgelehnt und waren über            führen, die sich mit Stand vom Oktober
Die Pandemie als Katalysator einer          das parlamentarische Verfahren erfolg-         2021 auf 815 belaufen. Der Verband fi-
sozialeren Wirtschaft?                      reich«, freute er sich. »Das ist eine gute     nanziere sich zu 76,6 Prozent aus Mit-
Grußworte kamen per Videobotschaft          Nachricht, denn es zeigt, dass die Poli-       gliedsbeiträgen. »Das entspricht dem
vom Vorsitzenden des Gesamtverban-          tik in der Lage ist, die Zukunftschancen       Wachstumstrend der letzten Jahre und
des, Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, und von     von Menschen und den Zusammenhalt              ist eine sehr gute Entwicklung«, freute
Andreas Kaczynski, dem Vorstandsvor-        in der Gesellschaft über eine schwarze         sich Schlimper. »Alle Mittel, die der Ver-
sitzenden des Paritätischen Landesver-      Null zu setzen.«                               band nicht selbst für den Kernhaushalt
bands Brandenburg. Rosenbrock hob                                                          und Rücklagen benötigt, werden zur
die enorme Leistung sozialer Träger         Zur Positivbilanz 2020/21:                     Förderung der Projekte der Mitglieds-
während der Pandemie hervor und be-         Eine Sisyphusarbeit, die sich lohnt            organisationen bereitgestellt«, betonte
tonte gleichzeitig: »Die Pandemie hat       Nächste Rednerin war die Geschäftsfüh-         sie. Anschließend ging sie auf weitere
die Schwächen einer am Gewinn orien-        rerin Dr. Gabriele Schlimper. Sie stellte      Entwicklungen des vergangenen Jah-
tierten Pflege und Gesundheitsversor-       die neue Online-Datenbank des Paritä-          res ein: Der Landesverband Berlin, der
gung gezeigt und das Bewusstsein für        tischen Berlins vor: Auf socialmap berlin      bisher alleiniger Gesellschafter des Pa-
eine am Menschen und seinen Bedarfen        sind bereits über 930 soziale Angebote         ritätischen Seniorenwohnens (PSW)
orientierten Wirtschaft geschärft.« Die     hinterlegt.     Mitgliedsorganisationen        war, hat nun 60 Prozent seiner Anteile
Glaubwürdigkeit der neuen Bundesre-         können ihr Angebot eintragen und wer-          an die Mitgliedsorganisation Volkssoli-

  Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021
8	
Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote - Der Paritätische Berlin
Aus Stadt und Bezirken

darität Landesverband Berlin übertra-       kommende Jahr persönliche, fachüber-            Thema Wohnraumversorgung für Men-
gen. Außerdem konnte der Paritätische       greifende Netzwerktreffen in den Bezir-         schen mit Benachteiligung. Im Septem-
Berlin eine unbefristete Festbetragsdi-     ken an.                                         ber wurde der Jahresabschlussbericht
vidende von jährlich 450.000 Euro für                                                       im Beirat beraten und dem Vorstand zur
seine Gesellschafterrolle bei den Sana-     »Der Verband ist 2020 gut durch die             Entgegennahme empfohlen.
Kliniken aushandeln.                        Coronakrise gekommen.«
   Dr. Schlimper verwies zudem auf die      Im Folgenden hatte Ingo Fehlberg,               Ausblick auf ein Jahr in dem
Rolle der LIGA-Federführung, die der        Wirtschaftsprüfer bei Mazars, das Wort,         Covid-19 hoffentlich »seinen
Verband 2021 und 2022 inne hat, den         der das Jahresergebnis des Verbandes            Schrecken verliert«
neu erschienenen Geschäftsbericht           noch einmal im Einzelnen vorstellte.            Im Anschluss hatte noch einmal Dr. Ga-
2020/2021 sowie die Broschüre #ber-         Insgesamt konnten Erträge von knapp             briele Schlimper das Wort, die den Wirt-
linbessermachen mit den Forderungen         11,5 Millionen Euro erzielt werden, von         schaftsplan 2022 vorstellte: »Für 2022
des Verbands an Politik und Verwaltung      denen knapp 3,8 Millionen Euro als Zu-          planen wir konservativ mit einem Über-
für ein soziales Berlin, die im vergan-     wendungen an die Mitgliedsorgani-               schuss von 400.000 Euro«, so Schlimper.
genen Jahr anlässlich der Wahlen auf        sationen weitergeleitet wurden. »Man              Abschließend dankt Prof. Barbara
Bundes- und Landesebene entwickelt          kann sagen, dass der Verband 2020 gut           John allen Beteiligten. »Bleiben Sie be-
wurde. »Die Leistungen der sozialen         durch die Coronakrise gekommen ist«,            hütet und beschützt. Ich wünsche Ihnen
Arbeit müssen anerkannt, wahrgenom-         so Fehlberg.                                    und uns allen, dass Covid im neuen Jahr
men und ausreichend refinanziert wer-                                                       seinen Schrecken verliert«, schloss sie
den. An dieser Stelle, das verspreche ich   Von Hate Speech bis Wohnraum­                   die Veranstaltung.
Ihnen, lassen wir nicht locker.«            versorgung: die Arbeit des Beirats                                     Nina Roßmann, freie Autorin
   Ausbau der Schwangerenkonfliktbe-        Als nächstes stellte die Beiratsvorsit-
ratung, Hilfsangebote bei häuslicher        zende Ria Schneider die Arbeit des Bei-
Gewalt, Wohnungslosenhilfe oder auch        rats im Jahr 2021 vor. Insgesamt fünf Sit-        Wissenswertes
kindgerechte Settings für Besuche in        zungen haben im laufenden Jahr statt-
                                                                                              Hier finden Sie die Online-Plattform
Strafvollzugsanstalten und eine Om-         gefunden: Im März befasste sich der
                                                                                              socialmap berlin:
budsstelle im Rahmen des Bundesteil-        Beirat mit dem Thema Hate Speech, im
                                                                                              https://socialmap-berlin.de
habegesetzes – Baustellen für 2022 gibt     Juni mit dem Subsidiaritätsprinzip, ge-
                                                                                              Sehen Sie hier unseren Erklärfilm zur
es viele: »So machen wir gemeinsam          nauer gesagt mit Entwicklungen und
                                                                                              Vorstellung von Socialmap Berlin:
mit Ihnen immer weiter, auch wenn es        möglichen Rekommunalisierungsten-
                                                                                              https://bit.ly/socialmap_film
eine Sisyphusarbeit ist. Doch wie sagt      denzen, und im November mit dem
Albert Camus: ‚Wir müssen uns Sisyphos
als glücklichen Menschen vorstellen‘ –
und das gilt auch für uns!«                        Dr. Gabriele Schlimper präsentiert die socialmap berlin und den Geschäftsbericht
   Welche Erkenntnisse zieht die Sozial-                                                                           Foto: Patricia Kalisch
wirtschaft aus der Pandemie? Wohl-
fahrtsverbände müssen in einer Krise
direkt an den Planungsstäben beteiligt
werden, der persönliche Kontakt zur
Verwaltung muss gewährleistet sein
und die Folgekosten ausgewogen ver-
teilt werden, schloss Schlimper. Sie kri-
tisierte die mangelnde Inklusivität des
Gesundheitsschutzes, etwa, dass Men-
schen in Wohngemeinschaften der
Eingliederungshilfe bei der Organisa-
tion der Booster-Impfungen nicht mit-
gedacht worden seien, ebenso wenig
wie Obdachlose, die durch die John-
son&Johnson-Impfung quasi keinen
Impfschutz mehr hätten. Sie verwies
außerdem auf die Versachlichung der
Kommunikation in der Pandemie, die
sich durch die Verlagerung auf digitale
Kanäle ergeben hat, und kündigte fürs

Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021	                                                                                                 9
Der soziale Kiez Hilfe, Beratung, Freizeitangebote - Der Paritätische Berlin
Aus Stadt und Bezirken

Gemeinsam #berlinbessermachen
Neue Broschüre für Politik und Verwaltung: Positionen unseres Landesverbands für ein soziales Berlin

W
           ie kann es gelingen, dass Ber-
           lin sozial bleibt – ein lebens-
           werter Ort für alle, die dort
wohnen? Eine Stadt, die der Vielfalt und                               #berlinbessermachen
den unterschiedlichsten Lebensentwür-
fen ihrer Bürgerinnen und Bürger ge-                                     POSITIONEN
                                                                         des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin
recht wird. Eine Stadt, die Raum bietet                                  für ein soziales Berlin

für Menschen, die Unterstützung brau-
chen. Und die Menschen befähigt, sich
selbst zu helfen und für sich selbst zu
sprechen.
   Wir sind überzeugt, das kann nur ge-
meinsam gelingen, wenn wir mit Politik,
Verwaltung, Verbänden und sozialen
Trägern an einem Strang ziehen und ge-
meinsam auf das Ziel hinarbeiten: #ber-
linbessermachen.
   Die Vertreterinnen und Vertreter der
Berliner Politik und Verwaltung haben
Mitverantwortung für das Wohlergehen
der Berlinerinnen und Berliner über-               Das Titelblatt der Broschüre #berlinbessermachen:
nommen. Mit dieser Broschüre möch-                 Schulische Beratung in der Mierendorff-Grundschule                      Foto: Christian El Massri
ten wir sie bei ihrer Arbeit für Berlin
unterstützen. Wir bieten Expertise für
die vielfältigen Themen, die die Bür-        Angebote aufrechterhalten und wei-             ist, welche Angebote der Paritätische
gerinnen und Bürger bewegen: Pflege          tergeführt. Ob in Krisenzeiten oder im         und seine Mitglieder machen und was
und ältere Menschen, Teilhabe und In-        »normalen« Alltag: Wir sind systemre-          es jeweils für Politik und Verwaltung, im
klusion, Kinderbetreuung, Bildung, Ju-       levant und wünschen uns, dass diese            Senat und in den Bezirken, zu tun gibt.
gendhilfe, Familien, Flucht und Mi­          Leistungen der sozialen Arbeit von den         Wir stehen gern für persönliche Gesprä-
gration, zivilgesellschaftliches Engage-     politischen Verantwortlichen wahrge-           che zur Verfügung – die Kontaktdaten
ment und vieles mehr. Wir laden herz-        nommen und vor allem spürbar wert-             der Ansprechpersonen beim Paritäti-
lich ein, diese Erfahrungen und dieses       geschätzt werden.                              schen finden Sie jeweils direkt neben
Wissen für Ihre Arbeit zu nutzen und ge-        Für ihre gesellschaftlich wichtigen         den Forderungen.
meinsam mit uns an den Herausforde-          Aufgaben brauchen soziale Organi-              Packen wir es gemeinsam an – lassen
rungen dieser Stadt zu arbeiten.             sationen gute Rahmenbedingungen                Sie uns #berlinbessermachen!
   Der Paritätische Wohlfahrtsverband        und starke Partner. Trotzdem kämpfen                                              Dr. Gabriele Schlimper,
Berlin vertritt über 800 Mitgliedsorga-      immer wieder einzelne Einrichtungen                                 Geschäftsführerin Paritätischer Berlin
nisationen – von kleinen Vereinen bis        und Angebote um ihr Fortbestehen.
hin zu großen Sozialverbänden. Alle          Es fehlt vielerorts eine auskömmliche
unsere Mitglieder setzen sich dafür ein,     nachhaltige Finanzierung, um soziale             Wissenswertes
Berlin zu einem sozialeren Ort zu ma-        Arbeit zu sichern und bedarfsgerechte
                                                                                              Die Broschüre »#berlinbessermachen –
chen. Gerade in der Coronakrise haben        Versorgungsstrukturen zu ermöglichen.
                                                                                              Positionen des Paritätischen Wohlfahrts-
unsere Mitgliedsorganisationen beson-           In unserer neuen Broschüre #ber-
                                                                                              verbands Berlin für ein soziales Berlin«
dere Stärke bewiesen. Unter schwieri-        linbessermachen finden Sie zunächst
                                                                                              liegt einem Teil der gedruckten Rund-
gen Bedingungen haben die Mitarbei-          unsere Positionen dafür. Danach fol-
                                                                                              briefe bei. Über den folgenden Link ge-
tenden in Stadtteilzentren, in den Pfle-     gen die zahlreichen Themenbereiche
                                                                                              langen Sie zur Onlinefassung:
geeinrichtungen, in den Einrichtungen        der sozialen Arbeit und der Pflege. Für
                                                                                              https://bit.ly/berlinbessermachen_
für Kinder, für Jugendliche und für Men-     jeden Bereich fassen wir zusammen,
                                                                                              positionen
schen in schwierigen Lebenslagen ihre        wie aus unserer Sicht die aktuelle Lage

   Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021
10	
Aus Stadt und Bezirken

Berliner Kältehilfe startet
Wohlfahrtsverbände fordern mehr Unterstützung für obdachlose Menschen –
Pressemitteilung vom 1. November 2021

R
       und 50.000 Menschen haben in
       Berlin keine Wohnung und müs-
       sen in Not- und Gemeinschafts-
unterkünften untergebracht werden.
Mindestens 2000 von ihnen leben auf
der Straße. Um diese Menschen vor dem
Erfrieren zu schützen, gibt es die Berli-
ner Kältehilfe. Kirchengemeinden, Wohl-
fahrtsverbände, soziale Träger und Hilfs-
organisationen stellen in Kooperationen
mit den Bezirken in der Zeit von Oktober
bis Ende April Übernachtungsmöglich-
keiten zur Verfügung.
   Dazu Dr. Gabriele Schlimper, Ge-
schäftsführerin des Paritätischen Wohl-            Dr. Gabriele Schlimper (li.) bei der Pressekonferenz                         Foto: Nina Peretz
fahrtsverbands Berlin und Federfüh-
rung der LIGA Berlin: »Es gibt in Ber-
lin kaum freien Wohnraum – schon gar        und gut strukturiertes medizinisches          ten kann, die aus der Obdachlosigkeit
nicht für Menschen, die obdachlos bzw.      Angebot mit tragfähigen fachlichen            herauswollen. Dr. Ursula Schoen, Di-
wohnungslos sind. Es braucht zeitnah        und personellen Standards. Außerdem           rektorin des Diakonischen Werks Ber-
mehr Unterkünfte, und es müssen drin-       fehlen aktuell dringend Pflegefach- und       lin-Brandenburg, macht sich für die
gend mehr preiswerte Wohnungen neu          Hilfskräfte für die medizinische Versor-      Unterbringung von obdachlosen und
gebaut werden. Nur so ist eine lang-        gung obdachloser Menschen«, so Cari-          wohnungslosen Menschen nach dem
fristige Verbesserung der Lage zu errei-    tasdirektorin Prof. Dr. Ulrike Kostka.        Allgemeinen Sicherheits- und Ord-
chen. Das muss höchste Priorität haben.        Die Kältehilfe ist ein Beweis für das      nungsgesetz (ASOG) stark: »Die Berli-
Wohnen ist ein Menschenrecht!«              große humanitäre Engagement der               ner*innen haben sich am 26. Septem-
   Dass pro Nacht durch die Berliner Käl-   Stadtgesellschaft, aber sie ist und           ber eindeutig für eine soziale Landesre-
tehilfe bis zu 1500 Menschen auf diese      bleibt eine Nothilfe, die keine nachhal-      gierung ausgesprochen. Die Kältehilfe
Weise einen Schlafplatz und Essen er-       tige Unterstützung für Menschen bie-          dient dem Überleben – die Menschen
halten, ist vor allem dem herausragen-                                                    brauchen aber einen Platz, wo sie tags-
den Engagement vieler Ehrenamtli-                                                         über und nachts bleiben und unter-
cher zu verdanken. Finanziert wird die-         Zur Verbesserung der Situation            stützt von Sozialarbeiter*innen eine
ses Angebot, genauso wie die medizi-            obdachloser Menschen fordert der          Perspektive entwickeln können. Und
nische Versorgung, größtenteils durch           Paritätische Berlin:                      das so kurz wie möglich, bis sie, notfalls
Spenden.                                                                                  mit staatlicher Unterstützung, wieder
   »Wie in jedem Jahr stehen die Mit-           1. verstärkten Neubau von                 eine eigene Wohnung und Lebenspers-
arbeitenden der Kältehilfe vor densel-             bezahlbaren Mietwohnungen für          pektive haben.«
ben Problemen. Wohin mit Menschen,                 alle                                      Die LIGA Berlin fordert deshalb ein
die suchtkrank oder psychisch krank             2. Ausweitung von Housing first           größeres Engagement insbesondere
sind oder andere Erkrankungen haben?            3. keine Verdrängung und                  der für die Unterbringung zuständigen
Sie haben meist keine sozialrechtlichen            unangekündigte Räumungen von           Bezirksämter. Gebraucht werden neben
Ansprüche, sind nicht krankenversi-                öffentlichen Plätzen                   neuen bezahlbaren Wohnungen ein
chert und können deshalb nicht ins Re-          4. Ausbau von Streetwork                  niedrigschwelliges Angebot und eine
gelsystem vermittelt werden. Die me-               (multilingual) an Brennpunkten         bessere Unterstützung obdachloser
dizinische Versorgung von Obdachlo-             5. Umsetzung des Rechtsanspruchs          Menschen, um das Ziel, die Obdachlo-
sen erfolgt durch ein zumeist defizitäres          zur Unterbringung auch von EU-         sigkeit in Berlin bis 2030 abzuschaffen,
System kleiner Ambulanzen. Wir brau-               Bürgerinnen und EU-Bürgern             zu erreichen.
chen jedoch ein stabil ausfinanziertes             durch die Bezirksämter                        Kathrin Zauter, Pressesprecherin für die LIGA Berlin

Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021	                                                                                                      11
Aus Stadt und Bezirken

Merhaba Berlin – Geschichten vom Ankommen und Hierbleiben
Am 30. Oktober 1961 trat das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei in Kraft

D
         er Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin hat aus die-
         sem Anlass türkeistämmige ehemalige Gastarbeite-
         rinnen und Gastarbeiter sowie deren Kinder und Enkel
befragt. Ihre Geschichten erzählen von den Schwierigkeiten
des Anfangs, von Mut, Freude und Enttäuschungen. Und sie
berichten, wie Berlin im Laufe der Jahre zu dem wurde, was es
heute für sie ist: Heimat und Zuhause.
  Die Porträtierten kommen aus allen sozialen Bereichen,
sind verschieden alt, haben unterschiedliche Berufe und
verschiedene Ansichten, aber in einem sind sie sich einig:
Sie gehören nicht nur zu dieser vielfältigen Stadt, sie ma-
chen sie aus.
  Mit der Broschüre Merhaba Berlin wollen wir die Leistung
der türkeistämmigen, ehemaligen Gastarbeiterinnen und
Gastarbeiter würdigen. Sie haben mit ihrer Arbeit nicht nur
die Wirtschaftskraft der Stadt gestärkt, sie haben auch einen
ganz anderen Reichtum nach Berlin gebracht: Sie haben den
Anstoß dafür gegeben und viel dafür getan, dass Berlin eine
vielfältige, interkulturelle Stadt geworden ist.
  Die Broschüre ist in Zusammenarbeit mit der Türkisch-
Deutschen Unternehmervereinigung e. V. (TDU) entstanden.
Viel Vergnügen beim Lesen!
                         Kathrin Zauter, Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
                                                          beim Paritätischen Berlin   Titelblatt der Broschüre                  Quelle: Paritätischer Berlin

    Wissenswertes
    Die gedruckte Broschüre Merhaba Berlin ist kostenlos und kann beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin
    unter presse@paritaet-berlin.de bestellt werden. Hier finden Sie die Broschüre „Merhaba Berlin“ zum Download:
    https://bit.ly/Merhaba_Berlin_Anwerbeabkommen
    Hier finden Sie alle Portraits zweisprachig veröffentlicht: www.paritaet-berlin.de/anwerbeabkommen
    Geplant ist dazu auch eine Ausstellung in verschiedenen Stadtteilzentren.

Was ist die Mehrzahl von Heimat?
»Ich habe türkische Wurzeln, aber ich lebe hier«, sagt die in Kelkit geborene Aysel Meral.
Sie ist seit 1972 in Deutschland, Diplom-Psychologin sowie stellvertretende Geschäftsführerin

I
   m Herzen bin ich Wilmersdorferin«,                   kurz vor Aysels Einschulung statt: vom               hier viel mehr – ohne die soziale Kon-
   sagt Aysel Meral und schmunzelt,                     Arbeiterbezirk Moabit in den bürgerli-               trolle der türkischen Community. Wir
   »auch wenn ich mittlerweile in Ma-                   chen Westen Berlins.                                 durften auf Klassenfahrten! Das hört
riendorf wohne.« Die 49-Jährige zeigt                     »Das ist meine Chance auf Bildung ge-              sich heute nach einer Selbstverständ-
auf drei Fenster einer Erdgeschoss-                     wesen«, meint Aysel Meral. Nachteile                 lichkeit an, aber in den 1980er Jahren
wohnung direkt gegenüber vom Volks-                     oder Diskriminierung hätten sie nie er-              war das ein Skandal.«
park Wilmersdorf. 1979 zieht Familie                    fahren, auch wenn sie aufgefallen seien.                Aysel Meral ist ehrgeizig, ihr gelingt
Meral in die 3,5-Zimmer-Wohnung, um                     In der Grundschule und später auf dem                eine klassische Bildungskarriere – samt
mehr Platz für die erst vier, später fünf               Gymnasium kannte man sie als die Me-                 Latinum. Nach dem Abitur studiert sie
Schwestern zu haben. Der Umzug findet                   ralschwestern. »Wir durften als Töchter              in Berlin Psychologie und bleibt vor-

   Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021
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Aus Stadt und Bezirken

                                                                                            antwortung. Eine Herausforderung, die
                                                                                            Aysel Meral Freude bereitet, wenn auch
                                                                                            der Abschied von ihren Lotsinnen und
                                                                                            Lotsen tränenreich ist. Aus der Diplom-
                                                                                            psychologin und Familienhelferin wird
                                                                                            mehr und mehr eine Managerin für so-
                                                                                            ziale Arbeit. 350 Mitarbeitende beschäf-
                                                                                            tigt das Nachbarschafts- und Selbsthil-
                                                                                            fezentrum in der UFA-Fa­brik, und Aysel
                                                                                            Meral ist seit Oktober 2019 dessen stell-
                                                                                            vertretende Geschäftsführerin.
                                                                                               Ihre Eltern sehen sie dagegen bis
                                                                                            heute vor allem als Tochter. Dass sie
                                                                                            nicht immer sofort erreichbar ist, ist für
                                                                                            ihre Eltern manchmal schwer zu verste-
                                                                                            hen. Sie stellen bis heute das Wohl der
Aysel Meral                                                         Foto: Freya Reiß       Familie, den Respekt vor Älteren über
                                                                                            das individuelle Glück. Der Vater war
erst – »wie es sich gehört« – bei den El-     ihre Eltern, die nie eine Schule besucht      als Gastarbeiter nach Berlin gekommen
tern wohnen. Während des Studiums             haben, bis heute die Lotsin durch das         und fand hier Arbeit als Maurer. Jahr-
beginnt sie schon, als Betreuerin in der      »System Deutschland«.                         zehntelang lebte die Familie sparsam
Familien- und Einzelfallhilfe zu arbeiten.       Mit der großen Zuwanderung von             vom Lohn des Vaters, um den Verwand-
Eine verantwortungsvolle, sehr inten-         Geflüchteten Mitte der 2010er Jahre           ten Geld schicken zu können. Für Aysel
sive Arbeit, die ihr nahegeht. Doch sie       braucht es einmal mehr Menschen, die          Meral ist das ein »grenzenloses Aufop-
will tiefer in die Projektkoordination ein-   das Ankommen Tausender in Berlin              fern«, das sie nicht immer nachvollzie-
steigen. Für den Bezirk Tempelhof-Schö-       unterstützen. Aysel Meral leitet das ste-     hen konnte. Als Kind und Jugendliche
neberg baut sie ab 2014 das senatsge-         tig wachsende Projekt der Integrations-       sei es für sie schwer gewesen, zwischen
förderte Projekt der Integrationslotsin-      lotsinnen und -lotsen und später auch         den Werten der Familie und dem geleb-
nen und -lotsen im Nachbarschafts- und        das Projekt Starthilfe für Geflüchtete, bis   ten Individualismus Berlins ihren eige-
Selbsthilfezentrum in der UFA-Fabrik          sie 2017 den Fachbereich Integration des      nen Weg zu finden. Doch da, wo sie jetzt
(NUSZ) auf. Eine Herzensangelegenheit         NUSZ übernimmt. Das bedeutet noch             ist, fühlt sie sich wohl und zu Hause.
sei das gewesen. Denn sie sei selbst für      mehr Aufgaben und noch mehr Ver-                                             Text: Freya Reiß

Unterschiede als Reichtum verstehen
»Ich springe ein, bevor die Sicherungen durchbrennen«, sagt Kazım Erdoğan.
Geboren in Gökçeharman, lebt er seit 1974 in Deutschland und ist Psychologe

E
      s ist eiskalt an diesem 5. Fe­bruar     ser schnurrbärtige Mann war mein Ret-         logie, Soziologie und Erziehungswis-
      1974, als Kazım Erdoğan aus einem       ter«, sagt Kazım Erdoğan. Und während         senschaften. Danach arbeitet er in ver-
      sehr alten Bus aussteigt und zit-       der Zugfahrt wird ihm klar: So, wie mir       schiedenen Schulen, kümmert sich als
tert. Nicht nur wegen der minus elf Grad      dieser Mann geholfen hat, möchte ich          Lehrer und Psychologe insbesondere
in München. Auch, weil er kein Wort           anderen helfen. »Das war die Geburts-         um Jugendliche, die Probleme mit der
Deutsch oder Englisch spricht. Er, der        stunde meines ehrenamtlichen Engage-          deutschen Sprache haben.
21-Jährige aus dem anatolischen Dorf          ments«, sagt er.                                 2003 fängt er im Bezirksamt Neukölln
Gökçeharman, fühlt sich plötzlich wie            In den nächsten Jahren muss er             in der Familienberatung an. Er arbei-
ein dreijähriges Kind. Lange steht er ein-    sich erst einmal durchschlagen. Mit           tet 80 Stunden pro Woche. »39 im Be-
fach nur da. Dann sucht er nach einem         Schwarzarbeit. »Mal hieß ich Mustafa,         zirksamt, 41 ehrenamtlich«, sagt er. En-
schnurrbärtigen türkischen Gastarbei-         mal Hasan, mal Ali«, erinnert er sich und     gagiert sich im Verein »Aufbruch Neu-
ter der ersten Generation. Als er einen       lacht laut. Er ist Möbelpacker. Kisten-       kölln«, begleitet Menschen zu Ämtern,
findet, gibt er ihm alles, was er hat: 100    schlepper. Maschinenführer. Und dann,         gründet eine Selbsthilfegruppe für
Mark. Davon kauft ihm dieser ein Zug-         nach einem Deutschkurs an der Freien          Spielsüchtige – und eine für Väter. »Für
ticket zu seinem Onkel in Berlin. »Die-       Universität Berlin, Student der Psycho-       Frauen und Mütter gab es schon Ange-

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Aus Stadt und Bezirken

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                                                                                       oft bei sogenannten »Importbräutiga-
                                                                                       men«, die in Berlin plötzlich in eine völ-
                                                                                       lig andere Welt geschmissen werden,
                                                                                       in der sie nicht zurechtkommen. Dem
                                                                                       Viereck stellt er seinen »Werkzeugkof-
                                                                                       fer« entgegen: Menschen auf gleicher
                                                                                       Augenhöhe begegnen, eine verständli-
                                                                                       che Sprache sprechen, sie da abholen,
                                                                                       wo sie sich befinden. »Ich springe ein,
                                                                                       bevor die Sicherungen durchbrennen«,
                                                                                       sagt er.
                                                                                          Kazım Erdoğan will, dass mehr darü-
                                                                                       ber gesprochen wird, was gut läuft. Die
                                                                                       Vielfalt in unserer Stadt, unserem Land
                                                                                       als etwas Positives begreifen. Auch
                                                                                       die Medien sieht er hier in der Pflicht.
                                                                                       Sie sollten keine »trennenden Wände«
                                                                                       aufstellen zwischen den Kulturen, for-
Kazım Erdoğan                                                       Foto: privat      dert er. »Wenn man die Unterschiede
                                                                                       als Reichtum betrachtet, dann gibt es
                                                                                       wenig Ich und Du. Dann gibt es Wir.
bote, deshalb brauchten wir eine Mög-      nen neunmonatigen Enkel. Auch, als es       Und da müssen wir hin«, sagt er.
lichkeit für Väter, sich auszutauschen«,   um das Thema Ehrenmorde geht. Meh-             Mit mehr als 4000 Vätern hatte Kazım
sagt er.                                   rere hat er durch seine Gespräche in der    Erdoğan im Laufe seiner Karriere zu
   Kazım Erdoğan strahlt Ruhe aus und      Väterselbsthilfegruppe verhindert, ist er   tun. Jetzt ist er 68 Jahre alt. Seine Väter-
Zuversicht. Egal, über welches Thema       sich sicher. Kazım Erdoğan spricht von      gruppe aufgeben? Niemals. »Man-
er spricht. Über seine Arbeit mit Schü-    einem toxischen Viereck, bestehend          che kommen nur meinetwegen in die
lern. Über seine wunderbare Frau, die      aus strenger Religiosität, extremem         Gruppe, die lasse ich sicher nicht im
er an der Kasse im Supermarkt kennen-      Nationalismus, tradierter Lebensweise       Stich«, sagt er. Und nichts ist sicherer
lernte. Über seine beiden Töchter. Sei-    sowie Druck durch Gesellschaft und          als das.                         Text: Anja Herr

Das hat mich erst recht angestachelt
»Erfolg hängt auch davon ab, ob man dazugehört oder nicht«, so Emine Can. Geboren in Izmir, lebt sie seit 1974 in
Deutschland. Die Diplompädagogin ist Mitarbeiterin im türkischen Frauenverein mit Schwerpunkt Sozialberatung

D
        ie selbst gemalten Bilder an
        der Wand des türkischen Frau-
        envereins in Kreuzberg zeigen
Landschaften, Schafe, Blumen, eine
Ansicht von Istanbul. »Wir versuchen
immer, unsere Arbeit möglichst viel-
seitig zu gestalten. Die Bilder sind in
einer Gruppenarbeit zum Thema Hei-
mat entstanden, die Kunst mit autoge-
nem Training verbindet«, erklärt Emine
Can. »Es haben überwiegend Frauen
aus unserem Alphabetisierungskurs
teilgenommen, eine hatte noch nie
zuvor einen Pinsel in der Hand. Ich war
überrascht, wie gut die Ergebnisse sind
und wie viele spannende Geschichten              Emine Can                                                          Foto: Nina Roßmann

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Aus Stadt und Bezirken

dabei zum Vorschein kamen. Das hat           immer wieder gestellt. Die Antwort war:       wie die Diplompädagogin aus ihrem
wirklich Spaß gemacht.« Die 47-jährige       ‚Wir hatten keine Option.‘ Meine Eltern       Beratungsalltag weiß. »Das ist eine Er-
Sozialberaterin unterstützt Frauen mit       lebten in dauerhafter Unsicherheit, ob        fahrung, durch die sich Schüler kom-
Migrationsgeschichte bei Behörden-           ihr Aufenthaltsstatus verlängert wird.        plett vom Schulleben distanzieren. Er-
gängen, berät in Krisensituationen und       Sie konnten nichts planen.«                   folg hängt auch davon ab, ob man da-
führt Begegnungs- und Bildungsange-             Fünf Jahre später, als Emine Can elf       zugehört oder nicht. Hätte ich nicht
bote durch.                                  ist, bekommt ihre Mutter endlich eine         gleichzeitig viele positive Erfahrungen
   Emine Can selbst kommt 1974 – mit         unbefristete Aufenthalts- und Arbeits-        gemacht, wäre vielleicht auch ich schu-
nur wenigen Monaten – gemeinsam              erlaubnis, und die Eltern holen Emine         lisch gescheitert.«
mit ihrer Mutter und ihrer dreijährigen      Can und ihre Schwester wieder zu sich.           Zu Emine Cans Positivbilanz zählt
Schwester nach Deutschland. Frisch mit       Doch »das mit dem Deutschlernen war           auch das engagierte Verhalten ihrer
dem Vater vereint, der seit seinem 15.       schwierig«, erzählt sie. Erst kommt sie in    Kommilitoninnen und Kommilitonen:
Lebensjahr in Stuttgart lebt, lässt sich     eine türkische Vorbereitungsklasse, und       »An der Uni hatten wir eine Dozentin,
die Familie in Berlin nieder, wo 1976        als sie in der zehnten Klasse ins Regel-      die sich selbst nach zwei Jahren noch
ihr jüngerer Bruder geboren wird. Er-        system wechselt, sind in ihrer Kreuzber-      weigerte, sich meinen Namen oder den
innerungen an ihre ersten Lebensjahre        ger Klasse ebenfalls nur drei Deutsche.       der anderen türkischstämmigen Kurs-
in Deutschland hat Emine Can aller-          Einige ihrer Lehrerinnen und Lehrer fin-      teilnehmerin zu merken«, erzählt sie.
dings kaum. Ihre Kindheit – das ist für      den, dass sie, statt Abitur zu machen,        »Ich habe das gegenüber meinen Kom-
sie die Türkei. Denn ihre Eltern beschlie-   lieber eine Ausbildung absolvieren            militonen angesprochen, und die be-
ßen, dass ihre ältere Schwester und sie      solle. »Das hat mich erst recht angesta-      schlossen, den Spieß umzudrehen: In
in Izmir die Grundschule besuchen und        chelt«, sagt Emine Can. Zwar habe sie in      einer Unterrichtsstunde sprachen sie
bei den Großeltern leben sollen. »Natür-     der Schule Diskriminierung erlebt, aber       die Dozentin permanent mit falschem
lich war das ein Alter, in dem man seine     die Mehrheit ihrer Lehrer und Lehrerin-       Namen an oder taten so, als wüssten
Eltern eigentlich dringend braucht.          nen sei sehr gut gewesen, betont sie.         sie den Namen nicht mehr.« Sie lacht.
‚Warum habt ihr uns zurückgeschickt?‘           Diskriminierendes Verhalten ist bei        »Mann, war die sauer«, freut sie sich
Diese Frage haben wir unseren Eltern         Lehrenden auch heute noch verbreitet,         noch heute.               Text: Nina Roßmann

Geschichte erzählen und hören
Wie war das damals? 60 Jahre nach Inkrafttreten des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und
der Türkei trafen sich Interessierte in »Erzählcafés« – drei Beispiele

Erzählcafé mit türkischem Tee und Gebäck in Neukölln

E
      twa 30 Menschen haben sich am          trum, das im Bürgerzentrum Neukölln           nen, darauf habe ich geachtet«, sagt
      Nachmittag im Saal des Bürger-         seinen Sitz hat.                              Waltraud Schulz. Die Älteren im Raum
      zentrums Neukölln an der Wer-            Als sie dran ist, berichtet Yildiz Akgün,   verständigen sich dagegen auch heute
bellinstraße versammelt. Sie sitzen im       wie sie als Kind nach Berlin kam, die         noch vor allem in ihrer Heimatsprache.
Kreis. Es sind vor allem Ältere, die bei     ländliche Gegend, die Tiere, die Natur          Die Runde ist zweisprachig, alles wird
Gebäck, Wasser und türkischem Tee            hier in der Stadt so vermisste und wie        übersetzt. Zum Deutschlernen hatten
erzählen, wie es damals war, als soge-       Berlin nach und nach ihre Heimat              die ehemaligen Gastarbeiterinnen und
nannte Gastarbeiterinnen oder Gast-          wurde. Ihr schräg gegenüber sitzt die         Gastarbeiter damals neben der Arbeit
arbeiter nach Deutschland oder eben          Neuköllnerin Waltraud Schulz, die von         kaum Zeit, es gab keinerlei Anreize
nach Berlin zu kommen.                       ihrem inzwischen verstorbenen türki-          oder Angebote, die deutsche Sprache
  Die Erinnerungen gehen reihum. Die         schen Mann erzählt und betont, wie            zu erlernen. Die deutschen Behörden
Jüngeren unter ihnen hören zu. Organi-       gut sie sich mit allen türkischen Ver-        und die Gekommenen selbst sahen die
siert wurde die Veranstaltung unter an-      wandten und Bekannten verstanden              Zeit als begrenzt an. »Aber«, so bemerkt
derem vom IBBC e. V., dem Interkultu-        habe, wie in einer großen Familie. »Dass      Barbara John, Vorstandsvorsitzende
rellen Beratungs- und Begegnungszen-         unsere Kinder sehr schnell Deutsch ler-       des Paritätischen Berlin, in der Runde

Paritätischer Rundbrief — 4. Quartal 2021	                                                                                          15
Aus Stadt und Bezirken

Erzählcafé im Bürgerzentrum Neukölln                                                                                     Foto: Kathrin Zauter

»nichts ist so beständig wie temporäre      sonders Neukölln. Das freut auch Bernd      Gastarbeitern und ihren Kindern und
Einwanderung, gerade Arbeitsmigra-          Szczepanski, ehemaliger Sozialstadtrat      Enkeln zum Positiven geändert. Neu-
tion ist nicht umkehrbar.«                  in Neukölln. »Ich bin hier aufgewach-       kölln ist offener und toleranter gewor-
   So erzählen alle auch davon, wie sie     sen«, erzählt er, »und fand damals Neu-     den.«
hier Wurzeln geschlagen haben und           kölln extrem eng und spießig. Das hat               Kathrin Zauter, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Berlin ihr Zuhause geworden ist, be-        sich mit den Gastarbeiterinnen und                                               Paritätischer Berlin

Ankommen im Wedding: Kiezspaziergang mit Erinnerungen
türkeistämmiger Berlinerinnen

F
      ür den Wedding war das vor 60 Jah-    mige Berlinerinnen und Berliner vor.        dann nach Berlin. Aliye Stracke-Gönül
      ren geschlossene Anwerbeabkom-        Darüber und über den Kiezspaziergang        berichtet von ihrer Kindheit im Hinter-
      men mit der Türkei ein prägendes      freut sich nicht nur Aliye Stracke-Gönül.   hof im Wedding. Es sind viele kleine An-
Ereignis. Wie Kreuzberg war der ehema-      »Meine Eltern finden es gut, dass es eine   ekdoten, die beim Kiezspaziergang er-
lige Bezirk im Norden der Stadt einer der   solche Wertschätzung gibt. Für mich ist     zählt werden: Sie handeln vom Ankom-
Ankommensorte für viele Türkinnen und       es auch die Erinnerung an sehr emotio-      men und vom Überlegen, ob Deutsch-
Türken in Berlin. Und viele sind geblie-    nale Stunden, die wir als Familie durch-    land eine Heimat werden könne. Es geht
ben: Heute hat fast ein Viertel der Men-    gemacht haben«, sagt sie.                   um Hürden im Alltag, um kleine Freu-
schen im Wedding türkische Wurzeln.            Um Aliye Stracke-Gönül zu finden,        den, auch um Ablehnung und ganz viel
   Die Fabrik Osloer Straße hat Ende        muss man etwas blättern. Ihre Gast-         Hoffnung. Am Ende, so Aliye Stracke-
Oktober 2021 im Rahmen eines Kiez-          arbeitergeschichte steht weiter hinten      Gönül, haben sie und ihre Geschwister
spaziergangs an das Abkommen und            in der Broschüre. Wer sie gefunden hat,     den wichtigsten Auftrag der Eltern an
die Erfahrungen der Gastarbeiterfami-       blickt tief in die Geschichte ihrer Fami-   ihre Kinder erfüllt und in Deutschland
lien erinnert. Die Veranstaltung fand       lie. Die heutige Geschäftsführerin des      studiert. »Schließlich sind wir als Familie
in Zusammenarbeit mit dem Paritä-           Fa­brik Osloer Straße e. V. wurde in Hei-   Deutsche geworden, alle zusammen«,
tischen Berlin statt. Der Paritätische      delberg geboren. Ihre Eltern waren An-      sagt Aliye Stracke-Gönül stolz. Und ihre
brachte dazu die Broschüre »Merhaba         fang der 1960er Jahre als Gastarbeiter      Eltern leben bis heute im Wedding.
Berlin« mit. Das Heft stellt türkeistäm-    nach Deutschland gekommen, zogen                                    Dominique Hensel, freie Autorin

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