Journal für Generationengerechtigkeit - von Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit

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Journal für Generationengerechtigkeit - von Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit
13. Jahrgang · Ausgabe 1/2013
             ISSN 1617-1799

                                              Journal für
                                Generationengerechtigkeit

                                   Thema:
                                   Ernährung im Zeichen
                                          ne rati one nge re chti gkeit
                                   von Ge
                                   und Nachhaltigkeit
Journal für Generationengerechtigkeit - von Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit
Die Gutachter dieser Ausgabe
Inhaltsverzeichnis                                          (in alphabetischer Reihenfolge):

                                                            Dr. Christine Chemnitz arbeitet bei der Heinrich-Böll-Stiftung
                                                            in der Abteilung Internationale Zusammenarbeit. Dort ist sie
Thema: Ernährung im Zeichen von Generationen-
                                                            Referentin für Internationale Agrarpolitik.
gerechtigkeit und Nachhaltigkeit
                                                            Dr. Andrea Fink-Keßler leitet das Büro für Agrar- und Regio-
                                                            nalentwicklung in Kassel und ist Redakteurin des Kritischen
Editorial                                               3   Agrarberichts. Sie gehört zudem den „Landforschern“
                                                            (www.landforscher.de) an.
Vegetarische Ernährung – ein bewährtes Konzept
für Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit            Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Heidhues war bis 2006 Leiter des
von Prof. Dr. Claus Leitzmann                           4   Fachgebiets Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik für
                                                            den ländlichen Raum an der Uni Hohenheim.
Gut für uns, gut für den Planeten: Gesunde Ernährung        Dr. Guido Knoche ist Experte für Klimaschutz am Umwelt-
und eine geringe Lebensmittelverschwendung können           bundesamt in Dessau-Roßlau.
unseren ökologischen Fußabdruck in erheblichem              Dr. Melanie Kröger studierte Politikwissenschaft, Soziologie
Ausmaß reduzieren                                           und Psychologie an der RWTH Aachen. Seit Ende 2008 ist
von Tanja Dräger de Teran                              11   sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum Technik und
Ernährungsgewohnheiten und ihre Auswirkungen                Gesellschaft der TU Berlin und seit Februar 2013 an der
auf die Ernährungssicherung künftiger Generationen          Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde.
von Martin Schlatzer                                   17   PD Dr. Harald Lemke promovierte an der Uni Frankfurt bei
                                                            Axel Honneth in Philosophie. 2006 erfolgte die Habilitation in
Nachhaltiger Lebensmittelkonsum gestern,                    Philosophie und Kulturwissenschaft. Aktuell ist er unter ande-
heute und morgen: Trends und Herausforderungen              rem Dozent im Bereich Philosophie an der Leuphana-Universi-
auf dem Weg zu Generationengerechtigkeit                    tät Lüneburg.
von Dr. Jessica Aschemann-Witzel                       23   Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer ist seit 2010 stellvertretende Ge-
Der Einfluss des Ernährungsverhaltens auf die               schäftsführerin am Zentrum Technik und Gesellschaft der TU
Rechte künftiger Generationen am Beispiel des               Berlin. Sie beschäftigt sich in ihrer Forschung unter anderem
Fleischkonsums in Deutschland                               mit nachhaltiger Ernährung und nachhaltigem Konsum.
von Stephanie Schropp                                  29   Dr. Detlef Virchow ist Geschäftsführer des Food Security
                                                            Center an der Uni Hohenheim, eine interdisziplinäre wissen-
Rezensionen                                                 schaftliche Einrichtung, die sich mit Ernährungssicherung und
                                                            Hungerbekämpfung beschäftigt.
Harald Lemke (2012):                                        Dr. Bernhard Walter ist Landwirtschafts- und Ernährungsex-
Politik des Essens. Wovon die Welt von morgen lebt     35   perte beim evangelischen Hilfswerk „Brot für die Welt - Evange-
                                                            lischer Entwicklungsdienst“.
ilo Bode (2011):
Die Essensfälscher. Was uns die Lebensmittelkonzerne
auf die Teller lügen                                   36   Impressum
Irene Antoni-Komar, Reinhard Pfriem,                        Herausgeber: Prof. Dr. Dr. Jörg Tremmel - Juniorprofessor
orsten Raabe und Achim Spiller (Hg.) (2008):               Institut für Politikwissenschaft
Ernährung, Kultur, Lebensqualität.                          Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Wege regionaler Nachhaltigkeit                         38   Eberhard Karls Universität Tübingen
                                                            Tel.: +49(0)7071-2975296
Peter Carnau (2011):
                                                            Email: joerg.tremmel@uni-tuebingen.de
Nachhaltigkeitsethik. Normativer Gestaltungsansatz
für eine global zukunftsfähige Entwicklung in               Chefredakteur: Jörg Tremmel
eorie und Praxis                                      40   Redaktion: Hans-Ulrich Kramer
                                                            Layout: Obla Design, Am Mulgraben 4, 64732 Bad König
Hans Carl von Carlowitz (2013):                             Druck: LokayDruck, Königsberger Str. 3, 64354 Reinheim
Sylvicultura oeconomica                                41
                                                            Das Journal für Generationengerechtigkeit (JfGG) erscheint
John F. May (2012):                                         halbjährlich und publiziert Artikel, nachdem sie ein Peer-
World Population Policies.                                  Review-Verfahren durchlaufen haben.
eir Origin, Evolution and Impact                      42   Das Editorial Board setzt sich aus 50 Experten zusammen,
                                                            die aus zehn verschiedenen Ländern kommen. Die Zeitschrift
Hinweise auf weitere Bücher                                 erscheint online im Open Access-Verfahren, auf Wunsch
                                                            können gedruckte und gebundene Einzelexemplare gefertigt
Carlo Petrini (2003):                                       werden (Einzelpreis pro Heft 30 €). Die in das Heft einge-
Slow Food. Genießen mit Verstand                       43
                                                            streuten Zitate wurden von der Redaktion ausgewählt, nicht
Richard Reynolds (2012):                                    von den Autoren. Im Sinne einer geschlechtsneutralen
Guerilla Gardening. Ein botanisches Manifest           43   Sprache werden im Heft die männliche und die weibliche
                                                            Wortform abgewechselt.

2    Journal für Generationengerechtigkeit
     13. Jahrgang · Ausgabe 1/2013
Editorial

D
           iese Ausgabe des JfGG befasst sich   tes, sei enorm. Aber auch die Umwelt und        ‚nachhaltig‘ angesehener Lebensstil oft nicht
           mit einem eher selten thematisier-   das Klima würden durch eine vegetarische        nachhaltig genug im Sinne der Brundtland-
           ten Aspekt von Generationenge-       Ernährung geschont: So führe die Techni-        Definition. Vor diesem Hintergrund sei die
rechtigkeit und Nachhaltigkeit: den             sierung der Lebensmittelproduktion, gerade      Rückbesinnung auf einen eingeschränkten
Auswirkungen unserer heutigen Lebensmit-        bei tierischen Produkten, zur Verschmut-        Konsum und auf postmaterielle Werte wich-
telproduktion und unseres Ernährungsver-        zung und Belastung der Umwelt.                  tig. Ohne Suffizienz geht es nicht, so das
haltens auf künftige Generationen, in           Tanja Dräger de Teran bezeichnet in ihrem       Credo des Beitrags.
Deutschland und weltweit. Aktuelle Debat-       Beitrag neben dem zu hohen Fleischkonsum        Stephanie Schropp unterscheidet sieben
ten, etwa über den Klimawandel und dessen       die      Lebensmittelverschwendung         in   unterschiedliche Ernährungsstile: Desinteres-
anthropogene Ursachen, rücken die Art und       Deutschland als ein großes Problem: Etwa        sierte FastFooderInnen, Billig- und Fleisch-
Weise unserer alltäglichen Nahrungsauf-         ein Viertel aller Nahrungsmittel würden in      Esser, Konventionelle Gesundheitsorientierte,
nahme zunehmend in den Fokus der Auf-           unseren Privathaushalten weggeworfen. So-       Fitnessorientierte Ambitionierte, Gestresste
merksamkeit. Essen wird zu einem                dann erläutert die Autorin mit vielen Abbil-    AlltagsmanagerInnen, Ernährungsbewusste
politischen und ethischen Akt. Das Un-          dungen das Konzept des virtuellen               Anspruchsvolle und Freudlose Gewohnheits-
gleichgewicht zwischen Menschen, die Hun-       Landhandels: Als virtuelle Fläche wird dabei    köchInnen. Erstaunlicherweise hinterlassen
ger leiden und Menschen, die ein Übermaß        jene Menge an Fläche definiert, die zur Pro-    letztere den geringsten Klima-Fußabdruck.
an Lebensmitteln konsumieren, ist gewaltig:     duktion einer bestimmten Einheit eines          Schropp listet fünf Merkmale einer nachhal-
923 Millionen Hungernden weltweit stehen        Agrarprodukts benötigt wird. Der kalkula-       tigen Ernährungsweise auf: Umweltverträg-
1,5 Milliarden Übergewichtige, vor allem in     torische Flächenbedarf zur Erzeugung tieri-     lichkeit, Gesundheitsförderung, Ethische
den reichen Industrieländern, gegenüber.1       scher Produkte in Deutschland beträgt für       Verantwortung, Alltagstauglichkeit und För-
Eine solche ungleiche Verteilung der Le-        Rindfleisch 27 qm pro Kilogramm, für            derung sozio-kultureller Vielfalt.
bensmittel ist weder nachhaltig noch gene-      Schweinefleisch 8,9 qm pro Kilogramm und
rationengerecht. In einem reichen Land wie      für Geflügelfleisch 8,1 qm pro Kilogramm,       Es ist übrigens kaum überraschend, dass
Deutschland hat sich der Fleischverzehr, der    für 1 kg Weizen aber nur 1,42 qm und für        Frauen den überwiegenden Teil von Beiträgen
eine besonders schlechte Umwelt- und Kli-       1 kg Kartoffeln nur 0,25 qm. Aufbauend auf       in diesem Heft verfasst haben. Frauen essen in
mabilanz aufweist, zwischen 1950 und            dieser Methode kommt die Autorin zu dem         Deutschland nur halb so viel fleischliche Pro-
heute pro Kopf mehr als verdoppelt. Er liegt    Ergebnis, dass die EU im großen Maßstab         dukte wie Männer, dafür befürworten sie weit
heute (Stand: 2010) bei 61 kg.2 Auch auf die    Flächen virtuell importiert. Über 70 Prozent    stärker als Männer Veggie-Days (vegetarische
eigene Gesundheit schlägt sich dieser Trend     unseres Flächen-Fußabdruckes entstehen          Tage) in Restaurants, Kantinen und Mensen.
negativ nieder. Damit sind die großen e-       durch den Verzehr von tierischen Lebens-
menbereiche, die in diesem Heft behandelt       mitteln                                         Eine diesmal recht große Zahl von Buchre-
werden, genannt: Die Ungleichheit und Un-       Martin Schlatzer nimmt in seinem Artikel        zensionen zum ema rundet diese Ausgabe
gerechtigkeit bei der Verteilung der Lebens-    eine globale Perspektive ein und stellt den     ab.
mittel; die Auswirkungen unserer heutigen       durchschnittlichen Konsum tierischer Pro-
Lebensmittelproduktion und unserer Er-          dukte (Fleisch, Milch, Eier) in Industrielän-
nährungsweise auf Umwelt, Klima und             dern und Entwicklungsländern gegenüber.
Gesundheit; mögliche Wege zu einem nach-        Um die Ernährungssicherung auch in den
haltigeren und generationengerechten            kommenden Dekaden zu gewährleisten, ist
Lebensstil auf individueller wie auf gesamt-    es laut Schlatzer von großer Bedeutung,
gesellschaftlicher Ebene.                       pflanzliche gegenüber tierischen Produkten
Der Ernährungswissenschaftler Claus Leitz-      zu bevorzugen.                                  Jörg Tremmel,
mann plädiert in seinem Artikel für mehr        Jessica Aschemann-Witzel präsentiert Er-        Institut für Politikwissenschaft,
vegetarische Ernährungsanteile. Er listet       gebnisse der Konsumverhaltensforschung          Eberhard-Karls-Universität Tübingen
dafür gesundheitliche, ethische, ökologische,   und geht dabei auf vergangene und heutige
religiöse, ästhetische, hygienische, kosmeti-   Konsumtrends ein, die als ethisch und nach-     1. FAO (2012): e state of food insecurity
sche, ökonomische, politische, soziale und      haltig angesehen wurden bzw. werden. Ein        in the world. Economic Growth is necessary
spirituelle Gründe auf. Ausführlich geht        Beispiel ist die Fair-Trade-Bewegung seit den   but not sufficient to accelerate reduction of
Leitzmann auf Gesundheitsaspekte ein.           1980er Jahren. Der nachhaltige Konsum           hunger and malnutrition. Rom, 4.
Groß angelegte Ernährungsstudien zeigten,       stehe heute vor allem vor zwei Herausforde-     2. Deutscher Fleischer-Verband (DFV)
dass eine ausgewogene vegetarische Ernäh-       rungen: Erstens sei der Anteil der Konsu-       (2012): Geschäftsbericht des Deutschen
rung gesundheitsförderlich sei. Ihr präven-     menten, die tatsächlich sozial-ökologische      Fleischer-Verbandes 2010/2011. Frankfurt
tives Potenzial, etwa im Hinblick auf           Produkte kaufen, immer noch gering. Zwei-       am Main, 38.
Krankheiten wie Übergewicht oder Diabe-         tens sei selbst ein von Konsumenten als

                                                                                                              Journal für Generationengerechtigkeit   3
                                                                                                                     13. Jahrgang · Ausgabe 1/2013
Vegetarische Ernährung – ein bewährtes Konzept
für Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit
von Prof. Dr. Claus Leitzmann

Z
            usammenfassung: Wissenschaftliche      Die Besorgnis erregenden Anzeichen globa-       den Fleisch und Fleischprodukte bei uns für
            Untersuchungen bestätigen zuneh-       ler Probleme häufen sich und werden immer       alle Bürger ein regelmäßiger, weil auch fi-
            mend, dass sich eine fleischlose Er-   deutlicher. Dabei handelt es sich sowohl um     nanzierbarer, Bestandteil der täglichen
nährung langfristig positiv auf die Gesundheit     die seit Jahrzehnten nicht abnehmende Zahl      Mahlzeiten.5
des Menschen, vorteilhaft für die Gesellschaft     an Hungernden (derzeit knapp 900 Millio-        Der Philosoph Pythagoras (Griechenland,
und günstig auf die Umwelt auswirkt. Deshalb       nen) als auch um die schnell zunehmende         570-500 v. Chr.) hat als Begründer des mo-
werden vegetarische Ernährungsformen immer         Zahl der Übergewichtigen (derzeit etwa 1,5      dernen Vegetarismus viele Zeitgenossen,
mehr als zeitgemäße und nachhaltige Kostfor-       Milliarden).2 Außerdem gibt es Schwierig-       aber auch Gelehrte nach ihm mit seinen Ge-
men angesehen. Nachhaltigkeit bedeutet auch        keiten mit den allgemeinen Umweltbelas-         danken bis ins 19. Jahrhundert beeinflusst.
Generationengerechtigkeit, die dann gegeben        tungen, den von Menschen verursachten           Seine Lehre beinhaltete den Verzehr von
ist, wenn die Chancen zukünftiger Generatio-       Klimaveränderungen und den ernsthaften          Produkten toter, also getöteter Tiere zu mei-
nen auf Befriedigung ihrer Bedürfnisse min-        Auseinandersetzungen um die Ressourcen          den, Produkte von lebenden Tieren wie
destens so groß sind wie die der heutigen          der Erde, inklusive Lebensmittel und Was-       Milch und Eier waren erlaubt. In der Zeit
Generation. Diesem Nachhaltigkeitsziel kann        ser. Durch eine vegetarische Ernährung kön-     von Pythagoras entstand der Buddhismus,
man mit einer vegetarischen Ernährung ent-         nen diese gravierenden Probleme teilweise       der genau wie die viel ältere asiatische Welt-
scheidend näher kommen.                            deutlich vermindert werden. Studien bele-       religion des Hinduismus den Vegetarismus
Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, in-     gen mit überzeugenden Daten, dass sich in       vertritt.6
wieweit der Vegetarismus zur Generationenge-       allen Problembereichen Verbesserungen           Vegetarische Ernährung wird in verschiede-
rechtigkeit beitragen kann. Der Beitrag gliedert   durch einen vegetarischen Lebensstil errei-     nen Ausprägungen praktiziert. Der größte
sich in folgende Abschnitte:                       chen lassen. Von den verschiedenen Aspek-       Teil der heutigen Vegetarier folgt den
- Nachhaltigkeit und Generationengerechtig-        ten, die durch unsere Ernährung berührt         Anweisungen von Pythagoras, die als Pytha-
   keit durch vegetarische Ernährung               werden, sind es besonders die Bereiche der      goreer oder als Lakto-ovo-Vegetarier be-
- Vegetarische Ernährung                           Gesundheit, Gesellschaft und Umwelt, aber       zeichnet werden. Die Gruppen der Lakto-
- Gesundheitsstatus von Vegetariern                auch der Ethik.3                                Vegetarier (essen keine Eier) und Ovo-Vege-
- Gesellschaftliche Aspekte des Vegetarismus                                                       tarier (essen keine Milchprodukte) sind
- Umweltaspekte der vegetarischen Ernährung          Den Menschen obliegt die Pflicht, die         recht klein, etwa jeder Zehnte Vegetarier ist
- Schlussbemerkungen und Fazit                       Geschöpfe der Tierwelt zu ehren und           ein Veganer (essen keine Produkte von Tie-
                                                     zu schonen.                                   ren).
Nachhaltigkeit und Generationengerech-               / Johann Wolfgang von Goethe /                Der Vegetarismus lässt sich nicht nur auf Er-
tigkeit durch vegetarische Ernährung                                                               nährung reduzieren, denn er ist Teil eines Le-
Die Menschheit befindet sich in einem tief-        Vegetarische Ernährung                          bensstilkonzeptes. Neben der Gesundheit
greifenden Strukturwandel. So bestimmen            In der langen Evolution der Ernährung des       befassen sich Vegetarier unter anderem mit
die Entwicklungen im Gesundheitsbereich,           Menschen hat eine weitaus überwiegend auf       Aspekten von Tierschutz, Perspektiven der
in der Gesellschaft und der Umwelt sowie           Pflanzen basierende Ernährung vorge-            Welternährung, Umweltproblemen, der Mei-
bei der Ressourcenverfügbarkeit die Ge-            herrscht. Auch in der Zeit der Sammler und      dung von Suchtgiften, körperlicher Aktivität
schwindigkeit dieses Wandels. Die von vie-         Jäger, die vor etwa 2,5 Millionen Jahren be-    und Meditation. Demzufolge sind die Über-
len Experten und Organisationen geführte           gann, stellten Pflanzen eine wichtige und vor   legungen, Einstellungen und Verhaltenswei-
gesellschaftliche Diskussion über einen            allem zuverlässige Nahrungsquelle dar. Die      sen von Vegetariern anders als die der
nachhaltigen oder zukunftsfähigen Umgang           anatomischen und physiologischen Gege-          Durchschnittsbevölkerung. Daher lässt sich
mit den verbliebenen natürlichen Ressour-          benheiten des heutigen Menschen zeigen          das vielschichtige Phänomen des Vegetarismus
cen und der bereits in Mitleidenschaft gezo-       deutlich, dass sie überwiegend durch pflanz-    auch nicht mit wenigen Worten beschreiben.7
genen Umwelt findet inzwischen weltweit            liche Nahrung geprägt sind.4 Mit dem Be-        Vor nicht allzu langer Zeit wurden Vegeta-
statt. Dabei spielt das ema Generationen-         ginn der Landwirtschaft vor etwa 10 000         rier noch belächelt und als Sektierer abge-
gerechtigkeit eine immer wichtigere Rolle.         Jahren nahm der Anteil an tierischer Nah-       tan. Sie galten als kränklich, schwach,
Besonders die wohlhabenden Menschen                rung kontinuierlich ab. In den vergangenen      mangelernährt und irregeleitet. Individuen,
weltweit müssen ihren Lebensstil ändern,           Jahrtausenden avancierte Fleisch zu einem       die sich aus der Sicht von Fleischessern aus
bevor durch ein zu spätes Handeln wesent-          begehrten Nahrungsmittel, das sich nur          sentimentaler Tierliebe zwangen auf Fleisch
lich schmerzhaftere Kurskorrekturen Not-           wohlhabende Menschen täglich leisten            und Fisch zu verzichten, erweckten Miss-
wendig werden.1                                    konnten. Erst in den letzten 50 Jahren wur-     trauen.

4    Journal für Generationengerechtigkeit
     13. Jahrgang · Ausgabe 1/2013
Heute stellt sich die Situation ganz anders
dar. In Deutschland leben etwa sechs Mil-
lionen Vegetarier, und viele andere Men-
schen haben ihren Fleischkonsum reduziert.
In den letzten Jahrzehnten ging der Fleisch-
verzehr in Deutschland von 66 Kilogramm
pro Person und Jahr (1985) auf 61 Kilo-
gramm zurück.8 Die weiter steigende Ten-
denz zur vegetarischen Lebensweise wird
besonders von jungen Menschen und über-
wiegend von Frauen getragen, die unter an-
derem von immer mehr Prominenten aus
Sport, Kunst, der Unterhaltungsindustrie
und Politik in ihrer Haltung bestätigt und
motiviert werden. Die Flut von vegetari-
schen Rezepten in Kochbüchern, Zeitschrif-
ten und Kochsendungen dokumentiert, dass
sich breite Teile der Gesellschaft für vegeta-
rische Ernährung interessieren und offenbar
überlegen, diese auch zu praktizieren.9

  Die Größe und den moralischen
  Fortschritt einer Nation kann man
  daran messen, wie sie die Tiere
  behandelt.
  / Mahatma Gandhi /
                                                   Empfohlene Mengenangaben
Gesundheitsstatus von Vegetariern
Menschen entscheiden sich aus den unter-           Wasser und andere alkoholfreie, energiearme Getränke: täglich 1-2 Liter
schiedlichsten Motiven für den Vegetaris-          Gemüse (inklusive unerhitzter Frischkost): mind. 400 g pro Tag (ein Viertel der
mus. Neben ethischen und ökologischen              Menge kann als Saft getrunken werden)
Gründen waren und sind es weiterhin ge-            Obst: mind. 300 g pro Tag, davon max. 50 g Trockenfrüchte (ein Viertel der Obst-
sundheitliche Anliegen. Im Vordergrund             menge kann als Saft getrunken werden)
steht die Verhütung von ernährungsmitbe-           Vollkornprodukte und Kartoffeln: 2-3 Mahlzeiten pro Tag
dingten Krankheiten und zunehmend von              pro Mahlzeit: Getreide/Reis 80 g (Rohware) bzw. 250 g (gekocht)
Übergewicht und Fettsucht. Es war beson-           oder Vollkornbrot 2-3 Scheiben (zu je 50 g)
ders die Wissenschaft, die lange Zeit eine         oder Vollkornteigwaren 125 g (Rohware) bzw. 300 g (gekocht)
Ernährung ohne tierische Produkte als Man-         oder Kartoffeln 2-4 Stück (200-350 g)
gelernährung erachtete. Diese Annahme be-          Hülsenfrüchte: 1-2 x pro Woche 40 g (Rohware) bzw. 100 g (gekocht)
ruhte allerdings nicht auf wissenschaftlichen      Sojaprodukte, weitere Proteinquellen (z.B. Seitan): 50-150 g pro Tag
Untersuchungen, sondern mehr auf Vermu-            Nüsse und Samen (auch Nussmus): 30-60 g pro Tag
tungen oder gar Vorurteilen.                       Pflanzliche Öle und Fette: 2-4 Esslöffel pro Tag
Inzwischen hat sich diese Sichtweise deut-         Milchprodukte: pro Tag Milch 0-250 g
lich verändert, vornehmlich bewirkt durch          oder Joghurt 0-250 g
den auffallend guten Gesundheitsstatus von          oder Käse 0-50 g
Vegetariern sowie den zahlreichen wissen-          oder entsprechende Anteile mischen
schaftlichen Veröffentlichungen zur fleisch-        Eier: 0-2 Stück pro Woche
losen Ernährung. Da die vermuteten                 Snacks, Alkohol, Süßigkeiten: falls gewünscht, in Maßen
Mangelerscheinungen nur in Ausnahmefäl-
len oder nur bei extremer und einseitiger ve-      Die Mengenempfehlungen ergeben eine Nahrungsenergiezufuhr von etwa 2000
getarischer Ernährung festgestellt wurden,         kcal pro Tag.
wuchs das Interesse der Wissenschaftler an         Veganer würden durch das Meiden von Milchprodukten und Eiern etwa 200 kcal
dieser in westlichen Ländern ungewöhnli-           weniger aufnehmen.
chen Ernährungsweise. Die zunehmende               Bei einem höheren Energiebedarf müssten entsprechend höhere Anteile der Lebens-
Zahl an Untersuchungen mit Vegetariern             mittel aus allen Gruppen verzehrt werden.
lieferte den wissenschaftlichen Beweis dafür,
dass sich in fast allen Fällen das Gegenteil
von dem zeigte, was zunächst befürchtet,         Abbildung 1: Gießener vegetarische Lebensmittelpyramide.
vermutet oder gar erwartet wurde.10              Darstellung nach Leitzmann / Keller 2013: 318.

                                                                                                            Journal für Generationengerechtigkeit   5
                                                                                                                   13. Jahrgang · Ausgabe 1/2013
Die besten Belege für den positiven gesund-     wenn sie nicht vollwertig zusammengestellt       und Krankheiten bekannt sind, bedarf es
heitlichen Einfluss einer fleischfreien Er-     sind. In diesen Fall sind die kritischen Nähr-   keiner weiteren Ursachenforschung, um
nährung kamen von den teilweise sehr            stoffe bei Vegetariern und besonders Vega-        unsere derzeitigen Erkenntnisse gezielt um-
großen Bevölkerungsgruppen in Asien, die        ner Vitamin B12 und Eisen. Wie bei der           zusetzen. Durch Prävention können ge-
sich seit Jahrtausenden vornehmlich aus re-     üblichen Ernährung auch, ist Ernährungs-         sundheitliche Schädigungen verhindert oder
ligiösen Gründen vegetarisch ernähren. Bei      beratung bei Vegetariern ebenfalls wichtig.18    verzögert sowie das Risiko des Auftretens
ausreichender Nahrungsverfügbarkeit er-         Die vorliegenden Untersuchungen zeigen,          einer Krankheit vermindert werden. Prä-
freuen sich diese Menschen guter Gesund-        dass Vegetarier einige problematische Sub-       vention leistet einen entscheidenden Beitrag
heit. Inzwischen liegt eine Vielzahl von        stanzen mit ihrer Kost in geringerer Menge       zur Senkung von Krankheiten, Behinderun-
teilweise groß angelegten Studien auch aus      (Dioxine, persistente Organochlor-Pflan-         gen und vorzeitigem Tod.21 Prävention ist
westlichen Ländern vor die überzeugend          zenschutzmittel, Tierarzneimittel) aufneh-       ein wichtiges Element in der Realisierung
nachweisen, dass eine gut zusammengestellte     men, andere (Cadmium, Mycotoxine, nicht          von Generationengerechtigkeit.
vegetarische Ernährung eine optimale Ver-       persistente Pflanzenschutzmittel) in größe-
sorgung mit allen Nährstoffen in allen Le-       rer Mengen zuführen. Letztere stellen aber       Gesellschaftliche Aspekte
bensabschnitten sichern kann.11                 bei den üblichen Verzehrmengen keine ge-         des Vegetarismus
Aus gesundheitspolitischer Sicht ist der        sundheitliche Gefährdung dar.19                  Früher waren es überwiegend gesundheitli-
wichtigste Faktor bei vegetarischen Kostfor-                                                     che Gründe, die Menschen zum Vegetaris-
men das präventive Potential gegenüber            Was der Bauer nicht kennt, das frisst          mus führten, heute sind es zunehmend
Krankheiten.12 So wird auch von der eta-          er nicht. Würde der Städter kennen,            ethische Überlegungen, die im Vordergrund
blierten Medizin inzwischen erkannt, dass         was er frisst – er würde umgehend              stehen. Die überwiegende Mehrheit der
eine vegetarische Ernährung in erheblichem        Bauer werden.                                  Menschen, die sich vom Fleischverzehr ver-
                                                  / Oliver Hassencamp /
Maße dazu beitragen kann, ernährungsmit-                                                         abschieden, will es nicht länger hinnehmen,
bedingten Krankheiten vorzubeugen,                                                               dass für sie Tiere ausgebeutet, gequält und
besonders Übergewicht, Diabetes, Arterios-      Die bedenkliche Zunahme vieler Zivilisati-       getötet werden. Die zunehmende Aufklä-
klerose,     Herz-Kreislauf-Erkrankungen,       onskrankheiten belastet nicht nur den ein-       rung über die tatsächlichen Zustände bei
Hypertonie, Gicht und verschiedene Krebs-       zelnen Menschen und seine Angehörigen,           Aufzucht, Mast, Transport und Schlachtung
krankheiten.13 Diese Erkenntnisse haben         sondern unser gesamtes Gesundheitssystem         unserer Nutztiere brachte viele ehemalige
dazu geführt, dass inzwischen eine ausgewo-     in einem bisher nicht gekannten Ausmaß.          Fleischesser zu der Entscheidung, den Ver-
gene lakto-ovo-vegetarische Ernährung aus-      Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchun-        zehr von Produkten getöteter Tiere oder aller
drücklich empfohlen wird.14                     gen haben die Zusammenhänge zwischen             tierischen Produkte zu meiden, wie es bei
Pflanzen weisen in der Regel ein günstiges      diesen Erkrankungen und der Lebensweise          Veganern der Fall ist. Ein bestimmter Anteil
Verhältnis von lebensnotwendigen Nähr-          des bewegungsarmen Wohlstandsbürgers             dieser besorgten Menschen fand einen Aus-
stoffen zur Nahrungsenergie auf (hohe            weltweit aufgezeigt. Dabei spielt die Ernäh-     weg aus diesem Dilemma im Kauf und Ver-
Nährstoffdichte).15 Für den bewegungsar-         rung eine entscheidende Rolle, denn die Ko-      zehr von Erzeugnissen von Tieren, die in der
men Wohlstandsbürger ist es besonders           sten, die durch ernährungsmitbedingte            ökologischen Landwirtschaft artgerecht ge-
wichtig, dass mit relativ wenig Nahrungs-       Krankheiten entstehen, werden mit 30 Pro-        halten wurden.22
energie reichlich essenzielle Nährstoffe auf-    zent aller Gesundheitskosten kalkuliert und      Ethisch orientierte Menschen erkennen
genommen werden, um Übergewicht                 betragen damit jährlich mehr als 70 Milliar-     immer deutlicher, dass die Situation vieler
vorzubeugen und gleichzeitig eine optimale      den Euro. Hinzu kommen die nicht quanti-         Menschen in materiell armen Ländern, die
Nährstoffversorgung zu gewährleisten.            fizierbaren Kosten durch Bewegungsmangel.        zu mittellos sind, um sich die vorhandenen
Dabei spielen neben Gemüse, Obst und            Damit wird auch die wirtschaftliche              Lebensmittel zu kaufen, auch mit unserem
Vollkornprodukten auch Hülsenfrüchte,           Dimension von ernährungsmitbedingten             Lebensstil und besonders mit unserer
Nüsse und Samen eine wichtige Rolle. Der        Krankheiten deutlich.20 Hier könnte durch        Ernährungsweise sowie den derzeitigen Be-
Verzehr dieser Lebensmittel wird in entspre-    eine vernünftige Ernährungsweise minde-          dingungen der Weltwirtschaft zusammen-
chenden Mengen bei einer vegetarischen Er-      stens die Hälfte dieser Ausgaben und durch       hängen. Unsere Nutztiere werden teilweise
nährung empfohlen.                              eine vegetarische Ernährung noch deutlich        mit Ackerfrüchten aus diesen Ländern ge-
Ferner werden eine Vielzahl gesundheitsför-     mehr eingespart werden. Damit wäre auch          füttert, die den Menschen dort als Grund-
dernder Lebensmittelinhaltsstoffe nur von        der Generationengerechtigkeit gedient, denn      nahrungsmittel dienen, wie Sojabohnen und
Pflanzen gebildet, nämlich Ballaststoffe und     diesen riesigen Summen könnten für die Bil-      Maniok.23 Vegetarier sind an diesen proble-
sekundäre Pflanzenstoffe.16 Studien mit Ve-      dung oder die Tilgung der Staatsschulden         matischen Entwicklungen kaum beteiligt.
getariern zeigen, dass diese überwiegend eine   eingesetzt werden, um die Lebensqualität         Ein geringerer Verzehr tierischer Lebensmit-
gute Nährstoffversorgung und einen ent-          derzeitiger und zukünftiger Generationen zu      tel bzw. deren geringere Produktion führt zu
sprechenden Gesundheitszustand aufweisen,       sichern.                                         einer Verminderung der Importe von Fut-
da pflanzliche Lebensmittel ein großes ge-      Nicht nur aus diesen Gründen sollte die          termitteln aus wirtschaftlich armen Län-
sundheitliches Potential haben.17               Vorbeugung von Krankheiten sowohl bei            dern, die dort als Nahrung für den
Argumente gegen den Vegetarismus lassen         den einzelnen Menschen als auch in der           Menschen dienen könnten (Sojabohnen,
sich dahingehend zusammenfassen, dass           bundesweiten Gesundheitspolitik ein vor-         Maniok/Cassava, Getreide). Die Verfütte-
Nährstoffdefizite wie bei jeder anderen Er-      rangiges Ziel sein. Obwohl noch nicht alle       rung dieser Lebensmittel ist mit einem gro-
nährungsform auch nur dann eintreten,           Details in der Beziehung von Ernährung           ßen Verlust an Nahrungsenergie und Protein

6    Journal für Generationengerechtigkeit
     13. Jahrgang · Ausgabe 1/2013
verbunden (sog. Veredelungsverluste).24 So
 ethisch            • Töten als Unrecht                                                     werden zur Erzeugung von einem Kilo-
                    • Recht der Tiere auf Leben und Unversehrtheit                          gramm Fleisch, abhängig von der Tierart,
                    • Mitgefühl mit Tieren                                                  zwischen drei und zwölf Kilogramm Ge-
                    • Ablehnung der Massen- bzw. Intensivtierhaltung
                                                                                            treide benötigt. Diese Verschwendung von
                    • Ablehnung der Tiertötung als Beitrag zur Gewaltfreiheit in der Welt
                                                                                            Nahrung können sich Wohlstandsgesell-
                    • Ablehnung des Fleischverzehrs und Einschränkung des Verzehrs
                                                                                            schaften zwar finanziell leisten, ethisch gese-
                      tierischer Lebensmittel als Beitrag zur Lösung des Welthunger-
                                                                                            hen ist es aber eine Katastrophe.
                      problems
                                                                                            Die ethischen oder moralischen Anliegen
                                                                                            der Vegetarier betreffen auch die Generatio-
 gesundheitlich     • Allgemeine Gesunderhaltung (undifferenziert)
                                                                                            nengerechtigkeit, denn Bürgerkriege und
                    • Körpergewichtsabnahme
                                                                                            andere militärische Auseinandersetzungen
                    • Prävention bestimmter Erkrankungen
                                                                                            kosten Geld, belasten die Umwelt und füh-
                    • Heilung bestimmter Erkrankungen
                    • Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit                        ren zu Flüchtlingsströmen, die langfristig die
                    • Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit                           Lebensqualität für kommende Generationen
                                                                                            negativ beeinflussen. Die ethischen Anliegen
 ökologisch         • Beitrag zum globalen Klimaschutz durch bevorzugten                    einer vegetarischen Ernährungsweise kön-
                      Verzehr pflanzlicher Lebensmittel                                     nen einen Beitrag zu mehr Generationenge-
                    • Verminderung der durch Tierhaltung (intensiv und extensiv)            rechtigkeit leisten.
                      bedingten Umweltbelastungen
                    • Vermeidung von Veredelungsverlusten                                     Alles, was das Leben bedroht, muss
                                                                                              verboten sein. Jede Generation
 religiös           • Töten als Sünde                                                         muss die Interessen der kommenden
                    • Fleischverzehr als religiöses Tabu                                      Generation wahrnehmen.
                                                                                              / Jacques Attali /
                    • Barmherzigkeit gegenüber Tieren
                    • Fleischverzicht als Teil einer asketischer Lebensweise
                      (Beherrschung der körperlichen Begierden)                             Umweltaspekte der vegetarischen
                    • Körperliche, geistige und seelische Reinheit                          Ernährung
                                                                                            Der Einfluss der Ernährung auf die Umwelt
 ästhetisch         • Abneigung gegen den Anblick toter Tiere bzw. von Tierteilen           wird besonders deutlich bei den Teilberei-
                    • Ekel vor Fleisch                                                      chen Produktion und Verarbeitung der Nah-
                    • Höherer kulinarischer Genuss vegetarischer Gerichte                   rungsmittel, die hier thematisiert werden.
                                                                                            Jede Ernährungsweise hat neben den
 hygienisch-        • Bessere Küchenhygiene in vegetarischen Küchen                         gesundheitlichen und gesellschaftlichen Ein-
 toxikologisch      • Verminderung der Schadstoffaufnahme                                    flüssen auch direkte und indirekte Auswir-
                                                                                            kungen auf die Umwelt. Die hohe
 kosmetisch         • Körpergewichtsabnahme                                                 Technisierung der Lebensmittelproduktion
                    • Beseitigung von Hautunreinheiten                                      erfordert einen deutlich höheren Einsatz von
                                                                                            Ressourcen und verursacht eine stärkere Ver-
 ökonomisch         • Begrenztes Angebot (v.a. in sog. Entwicklungsländern)                 schmutzung und Belastung der Umwelt, als
                    • Begrenzte finanzielle Möglichkeiten                                   die traditionelle Erzeugung und Verarbei-
                                                                                            tung von Lebensmitteln.
 politisch          • Ablehnung des Fleischverzehrs und Einschränkung des Verzehrs          Aus der Art der Produktion, Verarbeitung,
                      tierischer Lebensmittel als Beitrag zur Lösung des Welthunger-        Vermarktung und Zubereitung der Lebens-
                      problems
                                                                                            mittel sowie der Entsorgung von Verpack-
                    • Ablehnung des Fleischverzehrs als Bestandteil einer patriarchalen
                                                                                            ungsmüll und organischen Abfällen resultiert
                      Gesellschaftsordnung
                                                                                            ein erheblicher Teil der Umweltprobleme in-
                                                                                            nerhalb des Ernährungssystems. Hierzu
 sozial             • Erziehung
                                                                                            zählt eine Reihe von Problembereichen, die
                    • Gewohnheit
                                                                                            teilweise miteinander verflochten sind:25
                    • Gruppeneinflüsse (peer groups)
                                                                                            - Schadstoffbelastung von Luft, Wasser,
                                                                                              Böden und Nahrung mit chemischen
 spirituell         • Freisetzung geistiger Kräfte
                                                                                              Substanzen
                    • Spirituelle Weiterentwicklung
                    • Unterstützung von meditativen Übungen und Yoga                        - Waldsterben und zunehmende
                    • Mäßigung bzw. Beherrschung des Geschlechtstriebes                       Abholzung der Wälder
                                                                                            - Zerstörung der Ozonschicht
                                                                                            - Globaler Klimawandel
Tabelle 1: Motive für eine vegetarische Ernährung.                                          - Boden- und Biotopzerstörung durch
Darstellung nach Leitzmann / Keller 2013: 26.                                                 Erosion, Verdichtung, Versalzung,

                                                                                                           Journal für Generationengerechtigkeit   7
                                                                                                                  13. Jahrgang · Ausgabe 1/2013
Versteppung und Verwüstung                     reduziert werden, um die damit verbunde-        die negativen Umweltwirkungen des globa-
- Artenschwund bei Pflanzen und Tieren            nen Schäden für Umwelt und Gesundheit           len Ernährungssystems am effektivsten re-
- Überfischung der Meere                          zu begrenzen.                                   duzieren.28 Eine Bevorzugung ökologisch
- Ungelöste Probleme der Abfallentsorgung         Bei der Produktion von Nahrungsmitteln ist      erzeugter Lebensmittel gegenüber konven-
Bei der Produktion von Nahrungsmitteln            ein deutlich höherer Anteil an Primärenergie    tionell erzeugter Nahrung trägt auch zu
tragen tierische Produkte überdurchschnitt-       für tierische Produkte erforderlich als für     einem gewissen Grade zur Umweltentlas-
lich zur Schädigung der Umwelt bei, insbe-        pflanzliche Erzeugnisse.                        tung bei.29
sondere zum Klimawandel. Neben dem                Auch zur Tierfutterherstellung muss insge-      Auch der Einsatz von Ressourcen wie Ener-
Einsatz von Hormonen und Tierarzneimit-           samt ein hoher Anteil an Energie aufgewen-      gie für die Produktion und Verarbeitung tie-
                                                                                                  rischer Nahrungsmittel liegt um ein
    Nahrungsmittel (Art der Erzeugung)         Verhältnis Energieaufwand zu Energieertrag         Vielfaches höher als für pflanzliche Lebens-
                                                         Input: Output-Relation                   mittel.30 Gleiches gilt für den Wasserbedarf.
                                                                                                  Schon heute gibt es ernste Auseinanderset-
    Kartoffeln (ökologisch)                                          1:6                           zungen bei den Nutzungsrechten der vor-
    Kartoffeln (konventionell)                                       1:2                           handenen Wasservorräte. Zukunftsforscher
    Obst                                                            2:1                           sehen in diesen Entwicklungen die Ursachen
    Gemüse (Gewächshaus, Winter)                              bis 575 : 1                         für Bürgerkriege und militärische Auseinan-
    Milch (extensiv)                                                1:3                           dersetzungen mit den entsprechenden
    Milch (intensiv)                                               10 : 1                         Flüchtlingsbewegungen.31 Das Potential der
    Eier (extensiv)                                                 2:1                           Erde ist mehr als ausreichend, um alle Men-
    Eier (intensiv)                                                 7:1                           schen derzeit und in Zukunft bedarfsgerecht
    Rindfleisch (Weide)                                             1:2                           zu ernähren. Allein die weltweite Getrei-
    Rindfleisch (Kraftfutter)                                  10-35 : 1                          deernte würde dafür ausreichen, wenn nicht
    Fisch (Küstenfischerei, extensiv)                               4:1                           ein Großteil des Getreides verfüttert würde,
    Fisch (Hochseefischerei)                                  10-250 : 1                          denn durch den Anbau von Futtermitteln
                                                                                                  werden etwa ein Drittel der Weltackerfläche
Tabelle 2: Primärenergiebedarf bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln.                             ver(sch)wendet. Diese Flächen könnten für
Darstellung nach Lünzer 1992: 293.                                                                den Anbau von pflanzlichen Lebensmitteln
                                                                                                  für den Menschen genutzt werden und
teln, die teilweise in die Umwelt gelangen,       det werden, besonders für Stickstoffdünger,      einen entscheidenden Beitrag zur weltwei-
führt die Entsorgung der Tierexkremente zu        aber auch für die weiteren landwirtschaftli-    ten Nahrungssicherheit leisten.
erheblichen Belastungen des Oberflächen-          chen Maßnahmen. Genauso ist der Wasser-
und Grundwassers. Die Eutrophierung von           verbrauch bei der Fleischproduktion im            Der Mensch ist nicht das Produkt
Gewässern und Flüssen sowie der Eintrag           Vergleich zu pflanzlichen Lebensmitteln un-       seiner Umwelt – die Umwelt ist das
von Nitrat in Ackerböden, Pflanzen und            verhältnismäßig hoch. Um Weideflächen zu          Produkt des Menschen.
damit Lebensmitteln stellen zunehmend             schaffen oder Sojaanbau zur Tiermast zu be-        / Benjamin Disraeli /
Probleme dar. Der Ausstoß von Methan              treiben werden Regenwälder abgeholzt; die-
durch Wiederkäuer trägt weltweit mehr zur         ser Raubbau ist aus ökologischer Sicht nicht    Vegetarische Ernährungsformen leisten
Schädigung des Klimas bei, wie der gesamte        mehr zu verantworten. Bäume dienen als          somit einen entscheidenden Beitrag zur
Transportverkehr, denn Methan verursacht          CO2-Speicher und können somit die Kli-          Schonung der Umwelt und zum Schutz des
etwa die 25-fache Klimaschädigung wie             maveränderungen verlangsamen. Durch             Klimas, da ihre ganzheitlichen und nach-
CO2.26                                            eine Verringerung des Verzehrs tierischer zu-   haltigen Konzepte umweltverträgliche Ver-
Tiere nehmen etwa 30 Prozent der weltwei-         gunsten pflanzlicher Lebensmittel lassen sich   fahren der Nahrungserzeugung fördern.
ten Landfläche in Anspruch, wobei die Wie-
sen, Weiden und andere Flächen zum
Grasen zur Tierzucht sinnvoll genutzt wer-          Bereich                                                     CO2-Äquivalente, %
den sollten. Dem Anbau von Tierfutter
dient ein Drittel der weltweiten Ackerfläche,       Landwirtschaft                                                        52
die mehr als ausreichen würde, um weitere               Tierproduktion                                                    44
sieben Milliarden Menschen zu ernähren.                 Pflanzenproduktion                                                 8
Der Weltagrarbericht fasst die Probleme der         Verarbeitung                                                           6
industrialisierten Landwirtschaft zusammen              (Industrie, Handwerk)
und fordert insbesondere eine Ausdehnung            Handel                                                                13
der ökologischen Landwirtschaft und die                 (Verpackung, Transport)
Förderung von Kleinbauern. Die Grüne                Verbraucher                                                           29
Gentechnik, Agrochemie und geistiges                    (Heizung, Kühlen, Gastgewerbe, Einkauf, Erhitzen, Spülen)
Eigentum von Saatgut werden kritisch hin-
terfragt.27 Die Massentierhaltung sollte          Tabelle 3: Beitrag der Ernährung zum Treibhauseffekt in Deutschland.
abgeschafft und der Fleischkonsum drastisch        Darstellung nach von Koerber et al. 2012: 14.

8      Journal für Generationengerechtigkeit
       13. Jahrgang · Ausgabe 1/2013
Auch die Bevorzugung regionaler und sai-        Es ist bekannt, dass sich Ernährungsge-           Anmerkungen
sonaler Lebensmittel sowie von Erzeugnis-       wohnheiten nicht per Knopfdruck ändern            1. Wuppertal IKUE 2005.
sen aus ökologischer Landwirtschaft             lassen, denn traditionelle, kulturelle, geo-      2. Leitzmann 2001; FAO 2008;
unterstützen einen umweltschonenden Um-         graphische und klimatische Bedingungen            Krawinkel et al. 2008.
gang mit der Natur. Wenn Verbraucher eine       haben die Esskultur der Menschen geprägt.         3. Spitzmüller et al. 1993; Leitzmann
pflanzlich betonte Ernährung bevorzugen,        Es hat sich aber auch gezeigt, dass beispiels-    2003; Hoffmann et al. 2012.
kann trotz einer weiter wachsenden Weltbe-      weise in Deutschland in den letzten 50 Jah-       4. von Koerber et al. 2012.
völkerung und des zunächst noch steigen-        ren eine umfangreiche Erweiterung und             5. von Koerber et al. 2012.
den Fleischverzehrs in Schwellen- und           Veränderung der Ernährungsgewohnheiten            6. Leitzmann/Keller 2013.
Entwicklungsländern der Umweltzerstörung        stattgefunden hat. Mit zunehmender Er-            7. Leitzmann 2011.
entgegengewirkt werden.                         kennung der Wichtigkeit einer Umstellung          8. DFV 2012.
Unsere Lebensmittel sind, gemessen an der       auf eine pflanzlich betonte Kost, wird sich       9. Leitzmann 2009.
Einkommensentwicklung, auch deshalb so          der Trend zur vegetarischen Kost fortsetzen.      10. Keller/Leitzmann 2010.
billig, weil die direkten Kosten für den Pro-   Neben Umwelt- und Gesundheitskatastro-            11. ADA 2009.
duktionsfaktor „Umwelt“ bisher kaum auf         phen können persönliche Einsichten sowie          12. Hoffmann et al. 2001; Waldmann et
Produzenten und Verbraucher umgelegt            Vorbilder eine wichtige Rolle spielen. Das        al. 2007.
werden. Auf indirektem Wege wird die Be-        Beispiel des Rückgangs des Rauchens zeigt,        13. WCRF/AICR 2007.
seitigung der im Ernährungssystem verur-        dass Menschen bereit sind, schädliche Ge-         14. Fraser 2009.
sachten Umweltschäden jedoch von den            wohnheiten aufzugeben.                            15. Leitzmann/Keller 2010.
Steuerzahlern finanziert.32 Die gesundheitli-                                                     16. Watzl/Leitzmann 2005.
che Beurteilung einer Ernährungsform er-          Wage es weise zu sein! Höre auf Tiere           17. Marsh et al. 2012.
gibt sich daher nicht nur aus deren               zu töten!                                       18. Keller/Leitzmann 2013.
ernährungsphysiologischem Wert, sondern           / Horaz /                                       19. Keller/Petter 2012.
wird auch durch ihre Auswirkungen auf den                                                         20. BMELV 2009.
Lebensraum bestimmt. Die Umweltbedin-           Fazit                                             21. Marsh et al. 2012.
gungen wiederum wirken sich über Luft,          Eine vegetarische Ernährung ist gleichzuset-      22. Hülsbergen/Klostermann 2008.
Wasser und Boden auf die Qualität der er-       zen mit der Umsetzung der aktuellen               23. McMichel et al. 2007.
zeugten Lebensmittel und so letztlich auf die   wissenschaftlichen Erkenntnisse aus ernäh-        24. Strahm 1995.
Gesundheit des Menschen aus.                    rungswissenschaftlicher, ernährungsmedizi-        25. Ergänzt nach von Koerber et al. 2012: 12f.
Die Folgen dieser anthropogenen Eingriffe        nischer, sozialwissenschaftlicher, ökologischer   26. FAO 2006.
sind eine Gefährdung der natürlichen Le-        und gesellschaftlicher Forschung in prakti-       27. Weltagrarbericht 2008.
bensgrundlagen für alle Menschen durch die      sche Empfehlungen. Vegetarismus ist nicht         28. Pimentel/Pimentel 2003.
Verknappung von fruchtbaren Ackerböden,         nur eine zeitgemäße, sondern auch eine            29. Reinhardt et al. 2009.
Wasser und fossiler Energie sowie durch die     nachhaltige Ernährungsweise, die erheblich        30. Reijnders 2001.
Zunahme an Dürren und Überflutungen.            zur Generationengerechtigkeit beitragen           31. von Koerber/Kretschmer 2009.
Im Vergleich mit der derzeitigen Situation      kann.                                             32. Mertens et al. 2008.
dürfte es für kommende Generationen             Der Verbraucher als letztes Glied in der Pro-     33. Leitzmann/Keller 2013.
schwierig werden, die für uns noch vorhan-      duktionskette kann durch sein Kaufverhal-         34. Hayn 2008.
dene hohe Lebensqualität zu halten.             ten mit darüber entscheiden, wie in den
                                                vorgelagerten Gliedern der Produktionskette       Literatur
Schlussbemerkungen                              gearbeitet wird. Hier gilt das Motto: Jeder       ADA (American Dietetic Association)
Bei einem Vergleich des rasant gestiegenen      Lebensmitteleinkauf ist ein Stimmzettel.          (2009): Position of the American Dietetic
Bewusstseins in der Bevölkerung und dem         Durch die Umsetzung einfacher Empfeh-             Association and Dietitians of Canada: vege-
Anstieg der Anzahl von Vegetariern in den       lungen werden entscheidende Weichen für           tarian diets. In: Journal of the American
letzten Jahrzehnten, vollzieht sich ein         eine nachhaltige Entwicklung gestellt.            Dietetic Association, Jg. 109 (7/2009),
Wandel im Bereich der Ernährung. Es ist         Damit Wissen zum Handeln führt, ist es ei-        1266-1282.
deutlich erkennbar, dass vorhergesagte Ka-      nerseits erforderlich, den Beteiligten im Er-
tastrophen aller Art mit einem Bruchteil an     nährungssystem sowie Mittlerpersonen auf          BMELV (Bundesministerium für Ernäh-
Mitteln vermieden werden können, wenn           allen Ebenen unserer Gesellschaft die Zu-         rung, Landwirtschaft und Verbraucher-
sich eine Mehrheit der Menschen unter an-       sammenhänge im Ernährungssystem in den            schutz) (2009): Tagungsband des
derem für eine vegetarische Ernährung           verschiedenen Bildungseinrichtungen zu            Fachkongresses Besser essen, mehr bewegen.
entscheidet. Die vorliegenden wissenschaft-     vermitteln.34 Andererseits kann und sollte        Berlin (12.2.2009), 7.
lichen Daten belegen mit großer Klarheit,       das Potential einer vegetarischen Ernährung
dass sich der Vegetarismus im Vergleich zur     genutzt werden, um die gewünschte Nach-           DFV (Deutscher Fleischer-Verband) (2012):
konventionellen Ernährung ausgesprochen         haltigkeit zu erreichen, die zum Wohle der        Geschäftsbericht 2012. Frankfurt, 41.
nachhaltig auswirkt, dadurch zur Genera-        Mitwelt, der Umwelt, der Nachwelt und
tionengerechtigkeit beiträgt und gute Chan-     damit zur Generationengerechtigkeit drin-         FAO (Food and Agricultural Organisation
cen hat, die Ernährungsweise der Zukunft        gend erforderlich ist.                            of the United Nations) (2008): e state of
zu werden.33                                                                                      food insecurity in the world. High food pri-

                                                                                                                 Journal für Generationengerechtigkeit   9
                                                                                                                        13. Jahrgang · Ausgabe 1/2013
ces and food security – threads and oppor-       Leitzmann, Claus / Keller, Markus (2013):       Reinhardt, Guido et al. (2009): Ökologische
tunities. Rom.                                   Vegetarische Ernährung. 3. Aufl. Stuttgart:     Optimierung regional erzeugter Lebensmit-
                                                 Ulmer Verlag.                                   tel: Energie- und Klimagasbilanzen. Heidel-
FAO (Food and Agricultural Organization                                                          berg: IFEU.
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                                                                                                 and triacylglycerols. In: Annals of Nutrition
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                                                                                                 Aufl. Stuttgart: Hippokrates Verlag.
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Jg. 12 (11-12/2012), 382-387.                    1263.
                                                                                                                       Prof. Dr. Claus Leitz-
Koerber, Karl von / Männle, omas / Leitz-       Mertens, Eva et al. (2008): Lebensmittelko-                           mann, geboren am
mann, Claus (2012): Vollwert-Ernährung –         sten bei verschiedenen Ernährungsweisen.                              6. Februar 1933 in
Konzeption einer zeitgemäßen und nach-           Vergleich einer üblichen Lebensmittelaus-                             Dahlenburg, ist ein
haltigen Ernährung. 11. Aufl. Stuttgart:         wahl mit einer Lebensmittelauswahl ent-                               deutscher Ernährungs-
Haug Verlag. (1. Aufl. 1981).                    sprechend Empfehlungen zur Prävention                                 wissenschaftler. Er stu-
                                                 ernährungsabhängiger Krankheiten. In: Er-       dierte Chemie an der Capital University in
Koerber, Karl von / Kretschmer, Jürgen           nährungs Umschau, Jg. 55, Teil 1 (3/2008),      Columbus, Ohio, und schloss 1962 als Ba-
(2009): Ernährung und Klima – Nachhalti-         139-143; Teil 2 (4/2008), 210-215.              chelor of Science ab. Danach studierte er an
ger Konsum ist ein Beitrag zum Klima-                                                            der University of Minnesota, Minneapolis,
schutz. In: Agrar-Bündnis (Hg.): Der             Pimentel, David / Pimentel, Marcia (2003):      Mikrobiologie und graduierte 1964 zum
kritische Agrarbericht 2009. Hamm: ABL           Sustainability of meat-based and plant-based    Master of Science. 1967 wurde er dort zum
Verlag, 280-285.                                 diets and the environment. In: American         Dr. rer. nat. (Biochemie) promoviert. Von
                                                 Journal of Clinical Nutrition, Jg. 78           1967-69 arbeitete Claus Leitzmann an der
Krawinkel, Michael-Bernhardt et al. (2008):      (3/2003), 660-663.                              University of California in Los Angeles mit
Eine umfassende Herausforderung – Welt-                                                          dem späteren Nobelpreisträger Paul Boyer.
ernährung im 21. Jahrhundert. In: Biologie       Reijnders, Lucas (2001): Environmental im-      Von 1969-71 war er als Dozent an der Ma-
in unserer Zeit, Jg. 38, Teil 1 (5/2008), 312-   pacts of meat production and vegetarianism.     hidol Universtät in Bangkok tätig und
318; Teil 2 (6/3008), 382-389.                   In: Sabaté, J. (Hg.): Vegetarian nutrition.     anschließend leitete er bis 1974 das Labora-
                                                 Boca Raton: CRC Press, 441-461.                 torium am Anemia and Malnutrition Re-

10   Journal für Generationengerechtigkeit
     13. Jahrgang · Ausgabe 1/2013
search Center in Chiang Mai, ailand. Ab          Instituts für Ernährungswissenschaft. 1998        Kontaktdaten: Prof. Dr. Claus Leitzmann,
1974 arbeitete er am Institut für Ernäh-          wurde Prof. Dr. Claus Leitzmann emeritiert.       Institut für Ernährungswissenschaft,
rungswissenschaft der Justus-Liebig-Univer-       Seine Forschungsschwerpunkte sind unter           Universität Gießen, Wilhelmstr. 20,
sität Gießen, wo er 1976 habilitierte und         anderem die internationale Ernährung,             35392 Gießen.
1978 zum Professor für „Ernährung in Ent-         Ernährung in Entwicklungsländern, Voll-           E-Mail: Claus@Leitzmann-Giessen.de
wicklungsländern“ berufen wurde. Von              wert-Ernährung, Ernährungsökologie, Ve-
1990 bis 1995 war er dort Direktor des            getarismus und Nachhaltigkeit.

     Gut für uns, gut für den Planeten: Gesunde Ernährung und eine
              geringe Lebensmittelverschwendung können unseren
      ökologischen Fußabdruck in erheblichem Ausmaß reduzieren
                                                                                                               von Tanja Dräger de Teran

Z
            usammenfassung: Welcher Zusam-        Allein zwischen 1950 und 2009 hat sich der        den, von denen in Deutschland 15 Millio-
            menhang besteht zwischen unserer      Fleischverzehr in Deutschland mehr als ver-       nen Tonnen anfallen.8 Nach Schätzungen
            täglichen Ernährung und Land-         doppelt. Seither ging der Verbrauch leicht        könnten bis zu 60 Prozent der derzeitigen
nutzungsänderungen hier und anderswo in der       zurück und stagnierte zuletzt auf immer           Nahrungsmittelverluste vermieden werden,
Welt? In welchem Maße tragen wir mit unse-        noch hohem Niveau.                                unter anderem durch eine verbesserte
ren Ernährungsgewohnheiten und unserer der-       Eine gegenläufige Entwicklung ist bei den         Einkaufsplanung oder Lagerung.9 In der ak-
zeitigen Verschwendung von Lebensmitteln          Hülsenfrüchten zu beobachten, die eine al-        tuellen Diskussion zum ema Lebensmit-
zum weltweiten Flächenverzehr bei? Ist die        ternative Proteinquelle zu Fleisch darstellen.    telverschwendung werden vor allem die
Entscheidung, was wir täglich essen bzw. wie      Lag der Pro-Kopf-Verbrauch zu Beginn der          moralisch-ethischen und finanziellen Aspek-
viele Nahrungsmittel wir wegwerfen, wichtig       1960er Jahre noch bei knapp zwei Kilo-            te der Lebensmittelverschwendung disku-
für das Klima? Ist gesunde Ernährung gut für      gramm2, sind es 2006 nur noch 0,5 Kilo-           tiert, die damit einhergehende Ressourcen-
die Umwelt und gut für das Klima? Im Rah-         gramm gewesen.3 Gemessen an Empfehlungen          verschwendung aber kaum beleuchtet. Die
men von drei umfassenden Studien (Noleppa         der Deutschen Gesellschaft für Ernährung          Studie „Tonnen für die Tonne“ ist dieser
und von Witzke, 2011 und 2012) wurde im           (DGE), aber auch international tätiger Or-        Fragestellung in Bezug auf den Flächenver-
Auftrag des WWF untersucht, wie sich die          ganisationen wie der internationalen Krebs-       brauch nachgegangen.10
Ernährungsgewohnheiten der Deutschen dar-         forschungsorganisation (WCRF), wird in
stellen und wie sich diese auf den Ressourcen-    Deutschland und der EU zu viel Fleisch ver-         Selbst wer am Wasser lebt,
verbrauch auswirken. Darüber hinaus wurde         zehrt. So kommt zum Beispiel die Nationale          verschwende nicht das Wasser.
anhand von verschiedenen Szenarien analy-         Verzehrstudie aus dem Jahr 2008 zu dem              / Aus China /
siert, inwieweit veränderte Ernährungsge-         Schluss, dass in Deutschland der durch-
wohnheiten den Flächenverbrauch bzw. die          schnittliche Erwachsene täglich mehr als 120      Konzept des virtuellen Landhandels
Emissionen von Treibhausgasen reduzieren. Im      Gramm Fleisch konsumiert.4 Demgegenüber           Der methodische Ansatz der Studien grün-
Folgenden sollen ausgewählte Ergebnisse dar-      empfiehlt die DGE im Mittel nur 64                det auf dem Konzept des Handels mit vir-
gestellt werden.                                  Gramm je Person und Tag.5 Die Deutschen           tuellen Inputs.11 Der virtuelle Input ist in
                                                  essen also doppelt so viel Fleisch, wie aus er-   diesem Fall die „Fläche“. Als virtuelle Fläche
Der Deutschen Lust auf Fleisch                    nährungsphysiologischer Sicht empfohlen           wird dabei jene Menge an Fläche definiert,
Derzeit verbraucht jede Person in Deutsch-        wird.                                             die zur Produktion einer bestimmten Ein-
land pro Jahr insgesamt 677 Kilogramm an                                                            heit eines Agrarprodukts benötigt wird.
Nahrungsmitteln, davon 89,3 Kilogramm             Lebensmittelverschwendung                         Wird zum Beispiel eine Tonne eines Agrar-
Fleischerzeugnisse.1 An erster Stelle steht der   Laut Schätzungen werfen allein die Privat-        produkts gehandelt, dann wird mit dieser
Verzehr von Schweinefleisch mit 54,4 Kilo-        haushalte rund ein Viertel aller Nahrungs-        Menge eine ganz bestimmte Anzahl von
gramm, gefolgt von Geflügelfleisch mit 19,3       mittel weg, insgesamt rund 6,6 Millionen          Hektar virtuell gehandelt. Um die Fragestel-
Kilogramm und Rindfleisch mit 12,6 Kilo-          Tonnen, mehr als 80 Kilogramm pro Person          lungen der Studie zu beantworten, wurden
gramm. Ein Blick zurück in die Vergangen-         und Jahr.6 Dadurch entstehen finanzielle          die Import- und Exportströme des Agrar-
heit zeigt, dass der Konsum von Fleisch           Verluste in Höhe von rund 25 Milliarden           handels für die EU und Deutschland für die
besonders drastisch seit den 1950er Jahren        Euro.7 Diese Daten beziehen sich allein auf       Jahre 2001 bis 2010 unter Zugrundelegung
angestiegen ist, begründet vor allem durch        essbare Nahrungsmittel und sollten nicht          der so genannten SITC-Klassifizierung,
den wachsenden ökonomischen Wohlstand.            mit Lebensmittelabfällen verwechselt wer-         einer Standardisierung für Handelsgüter,

                                                                                                                  Journal für Generationengerechtigkeit   11
                                                                                                                         13. Jahrgang · Ausgabe 1/2013
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