Waldböden - intakt und funktional - WSL Berichte Heft 126, 2022
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Heft 126, 2022 WSL Berichte doi.org/10.55419/wsl:31996 Waldböden – intakt und funktional Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL CH-8903 Birmensdorf
Heft 126, 2022 WSL Berichte doi.org/10.55419/wsl:31996 Waldböden – intakt und funktional Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
2 Forum für Wissen 2022 Das Forum für Wissen ist eine Veranstaltung, die von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL durchgeführt wird. Aktuelle Themen aus den Arbeitsgebieten der Forschungsanstalt werden vorgestellt und diskutiert. Neben Referenten von der WSL können auswärtige Fachleute beigezogen werden. Gleichzeitig zu jeder Veranstaltung «Forum für Wissen» erscheint eine auf das Thema bezogene Publikation in der Reihe WSL Berichte. Alle Beiträge wurden von zwei Fachpersonen begutachtet. Verantwortlich für die Herausgabe Eidg. Forschungsanstalt WSL Verantwortlich für dieses Heft Dr. Ivano Brunner, Leiter Forschungseinheit Waldböden und Biogeochemie Schriftleitung Sandra Gurzeler Wir danken folgenden Personen, welche sich als Reviewer zur Verfügung stellten, für die kritische Durchsicht der Beiträge und die hilfreichen Kommentare: Andri Baltensweiler, Ivano Brunner, Andreas Chervet, Beat Frey, Lucie Greiner, Elena Havlicek, Robert Jandl, Klaus Katzensteiner, Johann Kremer, Peter Lehmann, Peter Lüscher, Jörg Luster, Henning Meesenburg, Patrick Schleppi, Christoph Sperisen, Ulrike Talkner, Klaus von Wilpert, Peter Waldner, Lorenz Walthert, Stephan Zimmermann Zitierung Eidg. Forschungsanstalt WSL (Hrsg.), 2022: Forum für Wissen 2022. Waldböden – intakt und funktional. WSL Ber. 126: 80 S. doi.org/10.55419/wsl:31996 Layout Jacqueline Annen und Sandra Gurzeler, WSL Fotos Umschlag von oben: 2 × Marco Walser, WSL, Fabian Bernhard, Anne Thimonier Bezugsadresse WSL Shop: e-shop@wsl.ch PDF Download: www.wsl.ch/berichte ISSN 2296-3448 (Print) ISSN 2296-3456 (Online) doi.org/10.55419/wsl:31996 Forschung für Mensch und Umwelt: Die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL überwacht und erforscht Wald, Landschaft, Biodiversität, Naturgefahren sowie Schnee und Eis. Sie ist ein Forschungsinstitut des Bundes und gehört zum ETH-Be- reich. Das WSL-Institut für Schnee und Lawinenforschung SLF ist seit 1989 Teil der WSL. Diese Publikation ist Open Access und alle Texte und Fotos, bei denen nichts anderes angegeben ist, unterliegen der Creative-Commons-Lizenz CC BY 4.0. Sie dürfen unter Angabe der Quelle frei vervielfältigt, verbreitet und verändert werden.
Forum für Wissen 2022 3 Vorwort Waldböden erfahren bislang nur geringe Aufmerksamkeit, – und das, obwohl sie die zentrale Schnittstelle des Naturhaushaltes von Waldökosystemen darstellen und im Durchschnitt mehr Kohlenstoff speichern als in der oberirdischen Bio- masse von Wäldern enthalten ist. Dabei ist die Multifunktionalität von Waldbö- den, d. h. ihre vielfältigen Funktionen als Speicher für Kohlenstoff und Nährstoffe, als Filter im Wasserkreislauf und als Lebensraum, von zentraler Bedeutung für eine nachhaltige Waldnutzung wie auch für den Landschaftshaushalt. Noch viel zu wenig im öffentlichen Bewusstsein ist beispielsweise, dass Böden ein Hort biolo- gischer Vielfalt sind. Die Anzahl der Individuen und Arten an Bodenorganismen, aber auch die Menge ihrer Biomasse kann weit über dem liegen, was an oberirdi- schem Leben auf derselben Fläche zu finden ist. Trotz der großen Bedeutung der Bodenorganismen für die verschiedenen Funktionen der Ökosysteme sind auch aus Sicht der Wissenschaft noch grosse Teile des Bodenlebens unter der Oberflä- che verborgen und ist der Anteil der noch nicht taxonomisch erfassten Organis- men im Boden besonders hoch. Die erste systematische Erhebung von Bakterien und Pilzen in Schweizer Böden, über die im anliegenden Band berichtet wird und die eine immense Anzahl an Taxa zutage förderte, hat hier Pionierarbeit geleistet. Auch im Klimawandel kommen Waldböden und deren Humusauflagen eine zentrale Rolle zu, zumal in Schweizer Waldböden im europäischen Vergleich die grössten Vorräte an organischer Bodensubstanz in Europa gespeichert sind. Das führt allerdings zu einer ambivalenten Rolle von Waldböden, einerseits nämlich als Kohlenstoffspeicher, andererseits jedoch verbunden mit dem Risiko, dass etwa infolge von Störereignissen oder nicht angepasster Bewirtschaftung durch Hu- musabbau verstärkt CO2 freigesetzt wird. Die zentrale Rolle der Böden für ein kli- maangepasstes Waldmanagement gehört jedenfalls, wie einige der Beiträge deut- lich machen, stärker in den Blick genommen. Das Forum für Wissen 2022 spannt einen breiten Bogen von den Funktionen von Waldböden und ihrer Bedeutung für Waldökosystemleistungen über mögli- chen Beeinträchtigungen von Bodenfunktionen durch Klimawandel und Extre- mereignisse bis hin zu möglichen Massnahmen, die zur langfristigen Erhaltung und Verbesserung der Bodenfunktionen beitragen können. Ganz im Sinne des Brückenschlages zwischen Wissenschaft und Praxis, dem sich die WSL verpflich- tet fühlt, sind die Fragestellungen, die auch der anliegende Tagungsband aufgreift, etwa: Wie wirken sich Windwürfe auf die Kohlenstoffspeicherung im Waldboden aus? Lassen sich, zum Beispiel anhand der Wasserverfügbarkeit, besonders klima- sensitive Waldstandorte identifizieren und in der Bewirtschaftung entsprechend berücksichtigen? Wie kann die zentrale Schnittstelle der Waldböden im Klima- wandel besser verstanden werden und was können sie konkret zum Klimaschutz beitragen? In welcher Form sollten landesweite Bodeninformationen für For- schung, Praxis und Vollzug aufbereitet werden? Inwieweit lässt sich durch Kal- kung der fortschreitenden Bodenversauerung begegnen? Und wie kann im Zu- sammenhang mit einer intensivierten Holzernte erreicht werden, dass das Nähr- stoffpotenzial im Boden erhalten bleibt? Ziel ist es, den Blick quasi unter den Tellerrand zu richten, d. h. Waldböden stärker ins Bewusstsein zu rücken und einen Beitrag zu leisten, dass bei waldbezo- genen Massnahmen vermehrtes Augenmerk auf den Erhalt und die Förderung der natürlichen Bodenfunktionen gerichtet wird. Birmensdorf, 25. November 2022 Beate Jessel, Direktorin WSL
Forum für Wissen 2022 5 Inhalt Seite Vorwort 3 Waldböden im Fokus 7 Ivano Brunner und Jörg Luster Organische Substanz in Schweizer Waldböden – eine wichtige, 13 aber empfindliche Ressource Frank Hagedorn, Mathias Mayer, Katrin Meusburger, Lorenz Walthert, Stephan Zimmermann Waldökosystemernährung und Klimawandel: Schmilzt mit 19 der Humusauflage auch die Nährstoffverfügbarkeit? Friederike Lang und Jörg Luster Verborgene Biodiversität – die Vielfalt der Mikroorganismen 27 in unseren Böden Johanna Mayerhofer, Beat Frey, Florian Gschwend, Reto Meuli, Franco Widmer Wasserverfügbarkeit in Schweizer Wäldern während der Trockenjahre 33 2015 und 2018 Katrin Meusburger, Frank Hagedorn, Lorenz Walthert Die Waldbodenkartierung des Kantons Zürich: Bodenversauerung 39 sichtbar machen Andreas Gubler, Ubald Gasser, Cécile Wanner Humusverlust nach Windwurf – Risiko im Bergwald? 43 Mathias Mayer, Silvan Rusch, Markus Didion, Andri Baltensweiler, Lorenz Walthert, Fabienne Ranft, Andreas Rigling, Stephan Zimmermann, Frank Hagedorn Stickstoff-Deposition in Schweizer Wälder und Nitrataustrag aus Waldböden 47 Peter Waldner, Sabine Braun, Ivano Brunner, Beat Rihm, Miriam Reinhard, Noureddine Hajjar, Katrin Meusburger, Maria Schmitt, Anne Thimonier Nährstoffnachhaltigkeit bei Waldbewirtschaftung 57 Stephan Zimmermann, Golo Stadelmann, Daniel Kurz, Timothy Thrippleton, Janine Schweier Pilotprojekt Experimentelle Kalkung von Waldstandorten: Hintergrund 65 und erste Ergebnisse Simon Tresch, Sven Hopf, Sabine Braun Physikalischer Bodenschutz im Aargauer Wald im Jahr 23 nach Lothar 71 Andreas Freuler Flächenhafte Bodeninformationen? Eckpunkte für eine zukünftige Plattform für Bodeninformationen 75 Armin Keller, Urs Grob, Lucie Greiner, Felix Stumpf, Thorsten Behrens
Forum für Wissen 2022: 7–11 doi.org/10.55419/wsl:32000 7 Waldböden im Fokus Ivano Brunner und Jörg Luster Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee, und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf ivano.brunner@wsl.ch, joerg.luster@wsl.ch Ein natürlich gewachsener und intakter Waldboden ist von unschätzbarem Wert. denorganismen zum Beobachten und Er sorgt für sauberes Trinkwasser, schützt vor Hochwasser, ist Lebensraum un- Erforschen, und tragen so zum Wohl- zähliger Organismen und bildet die Grundlage für die Holzproduktion. Eine be- befinden und zur Wissenserweite- sonders wichtige Rolle spielt der Waldboden als Kohlenstoffspeicher. Wird seine rung der Menschen bei. Ebenfalls lie- Speicherleistung beeinträchtigt, hat dies negative Auswirkungen auf das Klima. fern Bodenmikroorganismen den typi- Die Klimafolgen wiederum gefährden die bedeutenden Funktionen des Waldes schen duftenden Waldbodengeruch. Es und seiner Böden. In diesem Forum für Wissen wollen wir (i) die Funktionen von sind dies flüchtige und gasförmige Ter- Waldböden und ihre Bedeutung für die Waldökosystemleistungen darstellen, (ii) penverbindungen, sogenannte «Geos- auf mögliche Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen durch Klimafolgen, zum mine», welche von Aktinobakterien Beispiel Sturmschäden, aufmerksam machen, (iii) Massnahmen und Handlungen stammen und für den charakteristi- aufzeigen, die zur langfristigen Erhaltung und Verbesserung der Bodenfunktionen schen Geruch frischer Erde verant- beitragen können, und (iv) auf zukünftige Trends hinweisen. wortlich sind. Die Vereinten Nationen haben 2016 siebzehn Ziele für nachhaltige 1 Multifunktionalität ren für die Gewährleistung von Wald- Entwicklung («Sustainable Develop- der Waldböden ökosystemleistungen, seien dies Regu- ment Goals», SDG 1 – 17) definiert, lierungsleistungen wie Hochwasser- die bis 2030 zu erreichen sind (unric. Böden entwickeln sich in langen Zeit- schutz oder Versorgungsleistungen wie org/de/17ziele). Die zentrale Rolle in- räumen aus dem Ausgangsgestein sauberes Trinkwasser (vgl. auch Staub takter Bodenfunktionen für das Errei- durch das Einwirken von Klima, Relief et al. 2011). Während solche Waldöko- chen mehrerer SDG’s (Keesstra et al. und Lebewesen (Bakterien, Pilze, Bo- systemleistungen oft im Fokus stehen, 2016) stand an der letztjährigen Konfe- dentiere, Pflanzen). In der Schweiz sind werden kulturelle Leistungen von Wäl- renz «Eurosoil 2021» im Zentrum (eu- die meisten Böden rund 10 000 Jahre dern häufig unterschätzt. So liefern rosoil-congress.com). Waldböden spie- alt, denn ihre Entwicklung begann mit Waldböden Früchte und Speisepilze len insbesondere eine Rolle für SDG der Freilegung des Ausgangsgesteins zum Sammeln, beherbergen viele Bo- 6 («Sauberes Wasser und Sanitärein- nach dem Rückzug der Gletscher am Ende der letzten Eiszeit. Dank hete- rogener Geologie und Klima ist so in unserem Land eine grosse Vielfalt an unterschiedlichen Waldböden entstan- den (Abb. 1; Luster und Zimmermann 2017). Waldböden gelten als naturnah, da die Nutzung der Wälder ohne die üblichen landwirtschaftlichen Kultur- massnahmen wie Bearbeitung, Dün- gung oder Bewässerung auskommt (Walser et al. 2021). Dank ihrer Porenstruktur, ihren Oberflächen aus mineralischen und or- ganischen Bestandteilen und ihrer In- teraktion mit Pflanzenwurzeln erfül- len unbelastete, intakte Waldböden zahlreiche wichtige Funktionen in bei der Regulierung von Wasser, Nährstof- fen und Kohlenstoff («Regulierungs- funktion»), der Produktion von Holz («Produktionsfunktion») und als Le- bensraum für unzählige Bodenorga- nismen («Lebensraumfunktion») (vgl. Abb. 1. Ausgewählte Waldboden-Profile der Schweiz (Einzelprofilbilder aus Walthert et al. auch BAFU 2017). Diese Funktionen 2004; Blaser et al. 2005; Zimmermann et al. 2006; modifiziert aus Luster und Zimmermann der Waldböden sind wichtige Fakto- 2017). WSL Berichte, Heft 126, 2022
8 Forum für Wissen 2022 richtungen»), SDG 13 («Massnahmen gung der Bodenversauerung, die an und gehören die Trockenjahre 2015 und zum Klimaschutz») und SDG 15 («Le- für sich ein natürlicher Prozess ist. In 2018 sowie das Sturmjahr 2018 (Meus- ben an Land», Luster et al. 2022). Bei stark versauerten Böden ist das Wurzel- burger et al. 2022; Rigling et al. 2019). letzterem geht es um Schutz, Wieder- wachstum sensitiver Baumarten durch Sterben zum Beispiel grosse Baum- herstellung und nachhaltige Nutzung die Freisetzung von Aluminium einge- bestände nach starker Trockenheit von terrestrischen Ökosystemen mit ei- schränkt und die mikrobielle Aktivi- ab (vgl. auch Hunziker et al. 2022), nem besonderen Augenmerk auf den tät ist verringert. Zum Glück, und wie kommt dies einer potentiellen Gefähr- Wald. Das Deutsche Umweltbundes- im Waldbericht von 2015 (Rigling und dung der Bodenfunktionen und der mit amt schlägt explizit vor, einen boden- Schaffer 2015) festgehalten, sind die ihnen verbundenen Ökosystemleistun- bezogenen Indikator zu entwickeln, Schwefeleinträge in den letzten Jahren gen gleich. um das zentrale Unterziel SDG 15.3. dank strengerer Vorschriften bei den Wenn Baumwurzeln absterben einer landdegradationsneutralen Welt Heizungsanlagen zurückgegangen. Die oder Bäume umgerissen werden, be- («land degradation neutrality») zu er- Stickstoffeinträge sind jedoch immer einflusst dies nachhaltig die Wald- reichen (Wunder et al. 2018). noch hoch, und die Gefahr von Nitrat- böden und deren Funktionalität (vgl. auswaschung, Nährstoffverlusten und auch Abb. 2). Durch die Zerstörung der Nährstoffungleichgewichten bleibt wei- Bodenstruktur gelangt vermehrt Sau- terhin bestehen (www.bafu.admin.ch/ erstoff in den Boden, wodurch Zer- 2 Beeinträchtigungen bafu/de/home/themen/wald/dossiers/ setzungsprozesse ausgelöst werden, stickstoff-wald.html). die zum Abbau des im Waldboden ge- In den letzten Jahrzehnten erfuhren In den letzten Jahren kam jedoch speicherten Kohlenstoffs und letzt- Waldböden allerdings schleichende der Klimawandel als neue Bedrohung endlich zur erhöhten Freisetzung von Veränderungen, Schwefel- und Stick- hinzu. Erhöhte Temperaturen, Zu- Kohlendioxid führen. Durch den Ver- stoffeinträge aus der Luft nahmen zu nahme von Hitzetagen, längere Tro- lust von Humus wird auch die Spei- und veränderten langsam die Verhält- ckenperioden sowie veränderte Inten- cherleistung für Wasser und Nährstoffe nisse im Waldboden. Diese Einträge sitäten und Häufigkeiten von Starknie- stark beeinträchtigt. Eine weitere ne- veränderten die chemische Zusammen- derschlägen und Stürmen beeinflussten gative Folge kann sein, dass durch ab- setzung der Waldböden und führten an die Wälder zunehmend. Zu den wich- sterbende Bäume die Stabilität eines bestimmten Orten zu einer Beschleuni- tigsten Ereignissen in der jüngsten Zeit Hanges schwindet, da der Waldboden Abb. 2: Zerstörte Bodenstruktur durch umgestürzte Bäume nach einem Windwurf in der LWF-Fläche Lägern (Foto: Peter Waldner). WSL Berichte, Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022 9 nicht mehr durch ein intaktes Wur- zelwerk zusammengehalten wird, was schliesslich an steilen Hängen zu Ero- sion führt. Und nicht nur dies: Das Ab- sterben der Bäume kann seinerseits zum Klimawandel beitragen, indem durch die Zersetzung des absterben- den Pflanzenmaterials vermehrt Koh- lendioxid an die Atmosphäre abgege- ben wird. 3 Erhalt und Förderung Angesichts seiner Multifunktionalität und der langen Zeiträume, die es zu seiner Entstehung braucht, muss der Waldboden als eine nicht erneuerbare Ressource betrachtet werden (Syn- Abb. 3: Auslegung von Reisigmatten in den Rückegassen zur Vermeidung von Bodenver- thesebericht «Boden und Umwelt» dichtung durch schwere Forstmaschinen (Foto: Fritz Frutig). des Schwerpunktprogrammes NFP 68 «Ressource Boden»; Hagedorn et al. 2018). Im Forum für Wissen von 2013 die Schlüsselrolle der organischen Bo- die Eiche bewirken mit ihrem tief rei- stand der «physikalische Bodenschutz densubstanz (Humus) eingegangen, da chenden Wurzelwerk einen umfassen- bei der Holzernte» im Vordergrund, sie für die meisten Eigenschaften und deren Nährstoffkreislauf, wodurch sich das heisst insbesondere die Gefahr Funktionen der Waldböden mitverant- Nährstoffverluste durch Auswaschung der Bodenverdichtung durch inten- wortlich ist. minimieren lassen (Luster und Zim- sive Holznutzung, und damit der Er- Der Erhaltung der organischen Bo- mermann 2017). halt einer guten Bodenstruktur (Eidg. densubstanz kommt deshalb bei der Forschungsanstalt WSL 2013). Letztere nachhaltigen Bewirtschaftung von Bö- ist für die Ausbildung des Porenraums den und deren Klimawirksamkeit eine wichtig, der, wie oben schon erwähnt, besondere Bedeutung zu. Im Hinblick 4 Zukünftige Trends eine zentrale Rolle bei der Erfüllung auf die Umsetzung von Massnahmen vieler Bodenfunktionen spielt. In die- in der Praxis wollen wir, ausgehend von 2019 wurde das Kompetenzzentrum für sem Forum für Wissen «Waldböden – einer Bestandesaufnahme, ergründen, Boden (KOBO) gegründet. Betrieben intakt und funktional» nehmen wir die- wie heutzutage wichtige Bodenfunk- wird es gemeinsam von den Bundes- ses Thema wieder – auf im Sinne einer tionen und Dienstleistungen erhalten ämtern für Raumentwicklung (ARE), Zwischenbilanz, inwieweit die entspre- und gefördert werden, und welche He- Umwelt (BAFU) und Landwirtschaft chenden Massnahmen aktuell umge- rausforderungen die Zukunft bereit- (BLW). Das KOBO ist eine nationale setzt werden. Inwieweit sind Forstwart- hält. Wichtige Themen sind die Rolle Servicestelle für Bund und Kantone Lernende und Forstpersonal durch des Waldbodens als Kohlenstoffspei- und soll diese im Bodenschutzvollzug gezielte Schulung und Aufklärung in cher, die Nährstoffnachhaltigkeit bei und bei der nachhaltigen Nutzung der Bezug auf bodenschonende Holzernte der Waldbewirtschaftung, die Über- Ressource Boden unterstützen. Das sensibilisiert? Werden zum Beispiel wachung der Wasserverfügbarkeit, die Kompetenzzentrum koordiniert und nach lang anhaltenden Niederschlägen Folgen hoher Stickstoffeinträge, und standardisiert dazu Methoden und In- bodenschonende Massnahmen wie das die Rolle der Waldböden als Biodiver- strumente für die Erhebung, Bewer- Reduzieren des Reifenfülldruckes oder sitäts-Hotspots. tung und Bereitstellung von Bodenin- das Auslegen von Reisigmatten in den Mit einer geeigneten Baumarten- formationen in der Schweiz (ccsols.ch/ Rückegassen angewendet (Abb. 3; vgl. wahl kann der Forstdienst sogar eine de/ueber-uns). Insbesondere werden auch Lüscher et al. 2016)? Verbesserung der Funktionalität der im KOBO altbewährte mit neuen Me- Durch Beachten solcher Leitlinien Waldböden erreichen. Baumarten mit thoden verknüpft. So sollen neue di- kann der Forstdienst viel zum Erhalt verdichtungstoleranten Wurzeln wie gitale Werkzeuge wie die Auswertung der Bodenfunktionalität beitragen. Wir die Erle können die Regeneration von von Fernerkundungsdaten, spektrosko- gehen aber zusätzlich breiter auf die Bodenverdichtungen beschleunigen. pische Messmethoden für Bodeneigen- vielfältigen Funktionen der Waldbö- Andere Baumarten wie der Ahorn, ha- schaften oder eine computergestützte den sowie die Herausforderungen ein, ben eine gut abbaubare Streu und kön- Stichprobenplanung das Erheben und wie diese erhalten und gegebenenfalls nen so der Versauerung des Bodens Auswerten von Bodeninformationen verbessert werden können. Insbeson- entgegenwirken. Und wiederum an- unterstützen. Das heisst auch, dass für dere wird in mehreren Beiträgen auf dere Baumarten, wie die Tanne oder Bodenkartierungen in Zukunft unter- WSL Berichte, Heft 126, 2022
10 Forum für Wissen 2022 Vielfalt der Böden, inklusive der Wald- böden, zu schaffen. Die europäischen Behörden und Interessengruppen be- nötigen dringend zuverlässige Instru- mente zur Überwachung und Bewer- tung des Umweltzustands der Böden. Zusammen genommen sind die vorgestellten neuen Werkzeuge wich- tig, um die Bodenfunktionen in der Landnutzungsplanung adäquat zu be- rücksichtigen und so die vom Bundes- rat 2020 erarbeitete «Bodenstrategie Schweiz für einen nachhaltigen Um- gang mit dem Boden» erfolgreich um- zusetzen (Schweizerischer Bundesrat 2020). Mit unserem Forum für Wissen wollen wir darauf hinweisen, wie wich- tig es für diese nationale Umweltstra- tegie ist, Waldböden als nicht erneu- Abb. 4: Vorhersage des pH-Wertes in 5-15 cm Bodentiefe für die bewaldete Fläche der erbare natürliche Ressource von gros- Schweiz, einschließlich einer Karte mit der feinräumigen pH-Verteilung (aus Baltensweiler sem ökologischem und ökonomischem et al. 2021). (1) Jura, (2) Mittelland, (3) Voralpen, (4) Alpen, (5) Alpensüdseite. Wert zu erhalten. schiedliche Fachdisziplinen zusammen- des Wasserretentions- oder des Säu- gebracht werden müssen. «Optimal repuffervermögens, wie sie das Baye- 5 Literatur wäre es, wenn allen Akteurinnen und rische Landesamt für Umwelt heraus- Akteuren sämtliche Informationen gibt (www.lfu.bayern.de/boden/kar- BAFU (Hrsg.), 2017: Boden in der Schweiz. und Produkte über den Boden, die sie ten_daten/bfk25). Während aktuell Zustand und Entwicklung. Stand 2017. für eine nachhaltige Nutzung und den für die landwirtschaftliche und urbane Bern, Bundesamt für Umwelt. Umwelt- Schutz dieser Ressource benötigen, zur Raumplanung in der Schweiz erste sol- Zustand Nr. 1721, 86 S. Verfügung stünden,» und es ist zu hof- che Karten entstehen, fehlen sie für Baltensweiler, A.; Walthert, L.; Hane- fen, «… dass der Boden in absehba- den Schweizer Wald gänzlich. In ei- winkel, M.; Zimmermann, S.; Nussbaum, rer Zeit von der Gesellschaft als wert- nem ersten Schritt werden aus Bode- M., 2021: Machine learning based soil volle und nicht erneuerbare Ressource neigenschaften Indikatoren für Boden- maps for a wide range of soil properties wahrgenommen wird und es dann funktionen und Ökosystemleistungen for the forested area of Switzerland. Geo- selbstverständlich ist, dass unsere Bö- abgeleitet (Greiner et al. 2017). In ei- derma Reg. 27, e00437. doi: 10.1016/j.geo- den nachhaltig genutzt und geschützt nem zweiten Schritt können dann Kar- drs.2021.e00437 werden.» (Zitate von Armin Keller, ten dieser Indikatoren aus den Boden- Blaser, P.; Zimmermann, S.; Luster, J.; Wal- Leiter KOBO, www.bafu.admin.ch/ eigenschaftskarten abgeleitet oder mit thert, L.; Lüscher, P., 2005: Waldböden bafu/de/home/themen/boden/dossiers/ den gleichen Methoden wie die Karten der Schweiz. Band 2. Regionen Alpen magazin2020-2-kompetenzzentrum- der Eigenschaften erstellt werden. und Alpensüdseite. Birmensdorf, Eidg. boden.html). Einen aktuellen Trend gibt es auch Forschungsanstalt WSL. Bern, Hep Ver- Mit Hilfe von maschinellen Lern- in der Bodenbiologie, wo die Fach- lag, 920 S. Algorithmen sind wir seit Kurzem in gruppe Vollzug Bodenbiologie (VBBio; Eidg. Forschungsanstalt WSL (Hrsg.) 2013: der Lage, räumlich hochaufgelöste di- www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/the- Forum für Wissen 2013. Bodenschutz im gitale Karten von Bodeneigenschaf- men/boden/fachinformationen/mass- Wald: Ziele – Konflikte – Umsetzung. ten für den ganzen Schweizer Wald zu nahmen-fuer-den-bodenschutz/arbeits- WSL Ber. 6, 116 S. erstellen, zum Beispiel eine Vorher- gruppe-vollzug-bodenbiologie--vbb-. Greiner, L.; Keller, A.; Grêt-Regamey, sage des pH-Wertes in 5 bis 15 cm Bo- html) Auswertungstools und ökologi- A.; Papritz, A. 2017: Soil function assess- dentiefe (Abb. 4; Baltensweiler et al. sche Modellierung von Bodenlebens- ment: review of methods for quantifying 2021). gemeinschaften als Entscheidungsbasis the contribution of soils to ecosystem ser- Um aber Bodeninformationen für Anspruchsgruppen (Stakeholder) vices. Land Use Policy 69: 224–237. doi: als Planungshilfe für Vollzugsbehör- erarbeitet. Dazu gibt es aktuell eine 10.1016/j.landusepol.2017.06.025 den und forstliche Entscheidungsträ- europäische Initiative (COST Aktion Hagedorn, F.; Krause, H.M.; Studer, M.; ger nutzbar zu machen, muss ein finaler CA18237 «EUdaphobase»; www.euda- Schellenberger, A.; Gattinger, A., Schritt von der Kartierung einzelner phobase.eu) mit dem Ziel, Strukturen 2018: Boden und Umwelt: Organische Bodeneigenschaften zur Bewertung und Verfahren für die Entwicklung ei- Bodensubstanz, Treibhausgasemissionen und Kartierung von Bodenfunktionen ner offenen, europaweiten Dateninfra- und physikalische Belastung von Schwei- gemacht werden. Beispiele sind Karten struktur zur Erfassung der biologischen zer Böden. Thematische Synthese TS2 WSL Berichte, Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022 11 des Nationalen Forschungsprogramms Indikatoren für Ökosystemleistungen: Wunder, S.; Kaphengst, T.; Frelih-Larsen, «Nachhaltige Nutzung der Ressource Bo- Systematik, Methodik und Umsetzungs- A.; McFarland, K.; Albrecht, S., 2018: den» (NFP 68): Vol. 2. Bern: Schweize- empfehlungen für eine wohlfahrtsbe- Land degradation neutrality. Handlungs- rischer Nationalfonds zur Förderung der zogene Umweltberichterstattung. Bern, empfehlungen zur Implementierung des wissenschaftlichen Forschung. Bundesamt für Umwelt. Umwelt-Wissen SDG-Ziels 15.3 und Entwicklung eines Hunziker, S.; Begert, M.; Scherrer, S.C.; Nr. 1102, 106 S. bodenbezogenen Indikators. Umwelt- Rigling, A.; Gessler, A., 2022: Below Walser, M.; Köchli, R.; Walthert, L.; Zim- bundesamt, Texte 15/2018, 102 S. average midsummer to early autumn pre- mermann, S.; Brunner, I., 2021: Den Zimmermann, S.; Luster, J.; Blaser, P.; Wal- cipitation evolved into the main driver Waldboden verstehen – Vielfalt und thert, L.; Lüscher, P., 2006: Waldböden of sudden Scots pine vitality decline in Funktion der Waldböden in der Schweiz. der Schweiz. Band 3. Regionen Mittel- the Swiss Rhône valley. Frontiers in Fo- Merkbl. Prax. 68: 12 S. land und Voralpen. Birmensdorf, Eidg. rests and Global Change 5, 874100. doi: Walthert, L.; Zimmermann, S.; Blaser, P.; Forschungsanstalt WSL; Bern, Hep Ver- 10.3389/ffgc.2022.874100 Luster, J.; Lüscher, P., 2004: Waldböden lag. 848 S. Keesstra, S.D.; Bouma, J.; Wallinga, J.; der Schweiz. Band 1. Grundlagen und Re- Tittonell, P.; Smith, P.; Cerdà, A.; … gion Jura. Birmensdorf, Eidg. Forschungs- Fresco, L.O., 2016: The significance of anstalt WSL; Bern, Hep Verlag. 768 S. soils and soil science towards realization of the United Nations Sustainable De- velopment Goals. SOIL 2, 111–128. doi: 10.5194/soil-2-111-2016 Abstract Lüscher, P.; Frutig, F.; Thees, O., 2016: Phy- Forest soils in focus sikalischer Bodenschutz im Wald. Wald- A naturally grown and intact forest soil is invaluable. It provides clean drinking bewirtschaftung im Spannungsfeld zwi- water, protects against floods, is the habitat of countless organisms, and is the basis schen Wirtschaftlichkeit und Erhaltung for wood production. Forest soils play a particularly important role as carbon der physikalischen Bodeneigenschaften. storage, and an impaired storage capacity has a negative impact on the climate. Bern, Bundesamt für Umwelt. Umwelt- Climate change in turn endangers important functions of the forest and its soils. In Wissen Nr. 1607, 159 S. this “Forum für Wissen” workshop, we want to (i) present the various functions of Luster, J.; Crockford, L.; Keller, T.; forest soils and their significance for forest ecosystem services, (ii) draw attention Muñoz-Rojas, M.; Wollschläger, U., to possible degradation of soil functions due to climate impacts, e.g. damage 2022: Editorial: Eurosoil 2021: Sustaina- caused by storms, (iii) highlight measures and actions that can contribute to the ble management of soil functions as a ba- long-term maintenance and improvement of soil functions, and (iv) identify future sis to avoid, halt, and reverse land degra- trends. dation. Frontiers in Environmental Scien- ces (in Vorbereitung) Keywords: Forest soils, ecosystem services, soil functions, soil degradation, sustain- Luster, J.; Zimmermann, S., 2017: Der Wald- able forest management, soil protection, soil information boden – kostbar, unentbehrlich, gefähr- det. Bündnerwald 4: 5–8. Meusburger, K.; Trotsiuk, V.; Schmidt- Walter, P.; Baltensweiler, A.; Brun, P. et al. 2022: Soil-plant interactions modu- lated water availability of Swiss forests during the 2015 and 2018 droughts. Glob. Change Biol. (akzeptiert). Rigling, A; Schaffer, H.P., 2015 (Ed.) 2015: Waldbericht 2015: Zustand und Nutzung des Schweizer Waldes. Bern, Bundes- amt für Umwelt; Birmensdorf, Eidg. For- schungsanstalt WSL. 144 S. Rigling, A.; Etzold, S.; Bebi, P.; Brang, P.; Ferretti, M.; Forrester, D.; … Wohlge- muth, T., 2019: Wie viel Trockenheit er- tragen unsere Wälder? Lehren aus ext- remen Trockenjahren. Forum für Wissen 78: 39–51. Schweizerischer Bundesrat (Hrsg.), 2020: Bodenstrategie Schweiz für einen nach- haltigen Umgang mit dem Boden. Um- welt-Info, BAFU 2020, 69 S. Diese Publikation ist Open Access und alle Texte und Fotos, bei denen nichts ande- Staub, C.; Ott, W.; Heusi, F.; Klingler, G.; res angegeben ist, unterliegen der Creative-Commons-Lizenz CC BY 4.0. Sie dür- Jenny, A.; Häcki, M.; Hauser, A., 2011: fen unter Angabe der Quelle frei vervielfältigt, verbreitet und verändert werden. WSL Berichte, Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022: 13–18 doi.org/10.55419/wsl:32001 13 Organische Substanz in Schweizer Waldböden – eine wichtige, aber empfindliche Ressource Frank Hagedorn, Mathias Mayer, Katrin Meusburger, Lorenz Walthert und Stephan Zimmermann Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee, und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf frank.hagedorn@wsl.ch, mathias.mayer@wsl.ch, katrin.meusburger@wsl.ch, lorenz.walthert@wsl.ch, stephan.zimmermann@wsl.ch Der Boden ist eine zentrale Schnittstelle in Waldökosystemen. Er erfüllt wichtige sprünglichen Pflanzenstreu verbleiben Funktionen als Lebensraum, als Speicher für Kohlenstoff und Nährstoffe, und er längerfristig in der organischen Bo- reguliert die Wasser- und Stoffkreisläufe. Für alle Bodenfunktionen spielt die or- densubstanz. Die OBS kann mehrere ganische Bodensubstanz eine Schlüsselrolle. Aufgrund des feuchten und kühlen Tausend Jahre alt werden (Gies et al. Klimas sowie der relativ nachhaltigen Waldnutzung speichern Schweizer Waldbö- 2021), wenn der Humus an Minerale den pro Flächeneinheit die grössten Vorräte organischer Bodensubstanz Europas. gebunden vor dem vollständigen Ab- Dieser Vorrat hat sich über Tausende Jahre hinweg aufgebaut. Der Klimawandel – bau geschützt ist (Lehmann und Kle- höhere Temperaturen und eine intensivere Trockenheit – sowie grossflächige Stö- ber 2015). Bei gleichbleibenden Bedin- rungen, beispielsweise durch Windwürfe und Kahlschläge, gefährden die organi- gungen geht man davon aus, dass ein sche Bodensubstanz. Eine bodenschonende Waldbewirtschaftung sowie eine per- dynamisches Gleichgewicht zwischen manente Bestockung mit standortsangepassten Baumarten tragen zum Erhalt Kohlenstoffeintrag durch Pflanzen und dieser wichtigen Ressource bei. -austrag durch mikrobiellen Abbau be- steht. Klimawandel, forstliche Nutzung und Waldstörungen, wie beispielsweise 1 Organische Substanz dene Arten von Organismen, deren pri- Windwürfe, verschieben dieses dy- in Waldböden märe Energiequelle die OBS ist (Bard- namische Gleichgewicht und können gett und van der Putten 2014). dazu führen, dass vermehrt organische Die organische Bodensubstanz (OBS) Pflanzen sind der wichtigste Lie- Substanz verloren geht und Waldböden spielt in Böden eine Schlüsselrolle. Sie ferant organischer Bodensubstanz. zu CO2-Quellen werden. speichert CO2 in Form von organischem Kleine Bodentiere und Mikroorganis- Dieser Beitrag gibt einen Überblick, Kohlenstoff, und in Waldböden ent- men zersetzen abgestorbene Blätter wie viel Kohlenstoff in der organischen hält sie über 90 Prozent des Stickstoffs und Wurzeln und wandeln einen klei- Bodensubstanz gespeichert wird, welche (N) sowie über 50 Prozent des Phos- nen Teil davon in organische Boden- Faktoren ihre Speicherung in Schweizer phors (P). Die Organische Bodensubs- substanz um, die landläufig auch «Hu- Waldböden steuern, wie empfindlich sie tanz vermag Kationen und Anionen so mus» genannt wird (Abb. 1). auf den Klimawandel und Störungen re- zu binden, dass sie von Pflanzen auf- Die OBS besteht etwa zur Hälfte agiert und mit welchen Massnahmen genommen, aber kaum ausgewaschen aus Kohlenstoff, der in einer Viel- man die OBS schützen kann. werden. Ausserdem erhöht die OBS die zahl organischer Verbindungen vor- Methodik: Die hier gezeigten Er- Porosität des Bodens und damit des- liegt. Sie bildet sich aus abgestorbe- gebnisse stützen sich auf die Analyse sen Kapazität, Wasser und Luft zu spei- nem Pflanzenmaterial, das von Boden- von 1050 Bodenprofilen der WSL-Bo- chern. Auch das Leben im Boden ist organismen ab- und umgebaut wird. dendatenbank, bei denen die Kohlen- eng mit der organischen Bodensubstanz Die grösste Menge wird dabei wieder stoffvorräte bis zum Ausgangsgestein verknüpft. In einem Gramm Boden le- als CO2 an die Atmosphäre zurückge- (oder durchschnittlich bis in 120 cm ben zwischen 2000 und 18 000 verschie- geben. Nur wenige Prozente der ur- Tiefe) erfasst wurden. Die Identifika- a b c d Abb. 1. Organische Bodensubstanz im Schweizer Wald. a) Typischer Rohhumus eines subalpinen Nadelwaldes, bei dem sich aufgrund der geringen biologischen Aktivität eine mächtige organische Auflage bildete. b) Typischer Mull des Schweizer Mittellandes, bei dem durch rege biologische Aktivität insbesondere durch Regenwürmer die anfallende Streu innerhalb eines Jahres weitgehend abgebaut beziehungsweise mit dem Mineralboden durchmischt wird. Elektronenmikroskop-Aufnahmen zeigen die OBS-Entwicklung von c) schwach zersetzten Pflan- zenrückständen bis zu d) an Minerale gebundene OBS, deren Struktur nicht mehr erkennbar ist (Fotos: M. Walser, B. Frey, WSL). WSL Berichte, Heft 126, 2022
14 Forum für Wissen 2022 a) b) 200 Biomasse C (tC/ha) 150 100 50 0 Boden-OBS (tC/ha) 50 100 150 ± 200 1:2'200'000 Jura Mittel- Vor- Alpen Alpen- -2 0 25 50 km land alpen südseite SOC stock 0-100 cm [kg m ] 0 3 6 9 12 15 18 21 24 40 Data Source: Lakes: Vector 200 © 2007 swisstopo (DV033492.2) Biomasse Organische Mineral- Relief 1:1'000'000 © 2012 swisstopo Swiss Boundary: BFS GEOSTAT, swisstopo Auflage boden Abb. 2. a) Kohlenstoff-Vorräte in Schweizer Waldböden, die mittels geostatistischer Methoden aus der signifikanten Beziehung zwischen Niederschlag, Topografie und C-Vorrat ermittelt wurden (von Nussbaum et al. 2014). b) Vorrat an Kohlenstoff in der Waldbiomasse, in der organischen Auflage und im Mineralboden bis in 120 cm Tiefe von Waldböden in den biogeographischen Regionen der Schweiz (n=1012 Profile; WSL-Bodendatenbank). tion der steuernden Faktoren erfolgte genannten organischen Auflage. Diese Der grösste Teil der OBS liegt im Mi- mit einer Varianzanalyse (Gosheva besteht fast vollständig aus rein orga- neralboden vor. Neue Erkenntnisse et al. 2017); die Kohlenstoffvorräte nischen Verbindungen, zum einen aus zeigen, dass «alte», stabile OBS in ers- wurden mittels multivariater Metho- erkennbaren Rückständen der Streu, ter Linie aus abgestorbenen Mikro- den in die Fläche extrapoliert, woraus aber auch aus stark abgebauten und organismen (Nekromasse) und deren sich die C-Vorräte auf regionaler und umgewandelten Komponenten (siehe Umwandlungsprodukten besteht, die schweizweiter Ebene ergaben (Nuss- Abb. 1). Schweizer Nadelwälder spei- sich mit Bodenmineralen verbinden. baum et al. 2014). chern in der organischen Auflage mehr Diese Verbindungen verhindern oder Kohlenstoff als Laubwälder (38 vs. 10 verzögern den vollständigen Abbau tC/ha), weil Nadelstreu schlechter ab- der OBS stark (Lehmann und Kleber, baubar ist als Laubstreu. Dagegen wei- 2015). Im Unterboden (> 50 cm Tiefe) 2 Schweizer Waldböden sen Laubwälder im Mineralboden et- von Schweizer Waldböden fanden Gies verfügen über hohe was höhere Kohlenstoffvorräte auf et al. (2021) mehrere tausend Jahre alte Kohlenstoff-Vorräte (Abb. 3). Rückstände von Mikroorganismen. Schweizer Waldböden speichern in der organischen Bodensubstanz durch- 200 schnittlich 143 Tonnen Kohlenstoff (C) 175 Bodenkohlenstoff (tC ha–1) pro Hektar (Nussbaum et al. 2014, Abb. 2a). Dies sind etwa 20 Prozent 150 Organische mehr als in der lebenden Biomasse Auflage 125 von Wäldern enthalten sind (Abb. 2b). Damit haben Schweizer Waldböden 100 pro Flächeneinheit die höchsten Koh- 75 Mineral- lenstoff-Vorräte in Europa. Deutsche boden Waldböden weisen beispielsweise ei- 50 nen Vorrat von nur 117 Tonnen C / ha 25 auf (Grüneberg et al. 2014). Ursache für den hohen Kohlenstoffvorrat in 0 Schweizer Waldböden ist das relativ 1500 m kühle und feuchte Klima, die relativ na- Höhe ü.M. turnahe Waldnutzung sowie das hohe Laubwald Nadelwald Alter des Waldes in der Schweiz. Abb. 3. Vorrat an Kohlenstoff in der organischen Auflage und im Mineralboden von Laub- In Schweizer Waldböden befinden und Nadelwald in verschiedenen Höhenlagen der Schweiz. (n=1012 Profile; WSL-Boden- sich gut 15 Prozent der OBS in der so datenbank) WSL Berichte, Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022 15 3 Welche Faktoren steuern Tab. 1. Steuernde Faktoren des Humusvorrats. Erklärende Varianz von Bodeneigenschaf- ten, mittlerer Jahrestemperatur (MAT), mittlerem Jahresniederschlag (MAP) und Waldtyp die organische Boden (Gosheva et al. 2017). Varianzanalyse mit Daten von 1050 Bodenprofilen: substanz? n. s.: nicht signifikant, *p
16 Forum für Wissen 2022 2022). Ergebnisse eines 15-jährigen Be- 25 wässerungsversuchs der WSL in einem trockenen Föhrenwald (Pfynwald, Wal- Kohlenstoff in Auflage (tC/ha) lis) zeigen aber, dass sich die Tiefen- 20 verteilung der organischen Bodensub- stanz verändert. Unter der durch den Klimawandel verstärkten Trocken- 15 heit hat es einen grösseren Kohlen- stoffvorrat in der organischen Auflage. Demgegenüber weist der obere Mine- 10 ralboden unter trockenen Bodenver- hältnissen einen geringeren Kohlen- stoffvorrat auf als unter feuchten Be- 5 dingungen (Abb. 4). Guidi et al. (2022) führen diese Effekte der Trockenheit auf einen geringeren Eintrag durch 0 400–600 900–1500 Wurzeln und eine reduzierte Aktivi- Höhe ü.M. tät von Regenwürmern zurück. Regen- Kontrolle Windwurf würmer ziehen Streu in den Mineral- boden und vermengen sie dort mit Bo- denmineralen, verbrauchen dabei aber Abb. 5. Auswirkungen der durch Vivian und Lothar verursachten Windwürfe auf den Vorrat nur einen geringen Anteil der Streu an Kohlenstoff in der organischen Auflage. Mittelwerte und Standardfehler von je 10 Flächen für ihren eigenen Stoffwechsel. Regen- von 400–600 m ü. M. sowie je 8 Flächen von 900–1500 m ü. M. würmer fahren ihre Aktivität bei Tro- ckenheit stark zurück, was zu einem ge- dell kommt dem Niederschlag hinsicht- nere Klima zurückführten. Langfristig ringeren Einbau von Kohlenstoff aus lich der Kohlenstoffvorräte im Mine- können solche scheinbar kleinen Än- der Streu in den Mineralboden führt ralboden eine grössere Bedeutung zu derungen im Humusvorrat grosse Aus- (Guidi et al. 2022). Langfristig führt als der Temperatur (Tab. 1). Insgesamt wirkungen auf den CO2-Gehalt der At- dies zu einer niedrigeren Kohlenstoff- legen diese Ergebnisse nahe, dass in ei- mosphäre haben. speicherung. Unterstützt wird dieser nem zukünftig wärmeren und trocke- Das Risiko, organische Bodensubs- Befund durch die regionale Verteilung neren Klima Kohlenstoff aus den Bö- tanz zu verlieren, besteht auch durch der Kohlenstoffvorräte in der Schweiz. den verloren geht. Wie schnell und wie indirekte Folgen des Klimawandels. In Entlang des Klimagradienten in der stark die Abnahme sein wird, lässt sich den letzten Jahrzehnten hat die Inten- Schweiz, bei dem es vom Schweizer bisher nicht quantifizieren. In den bay- sität von Störungen zugenommen, wie Mittelland bis an die Waldgrenze küh- rischen Alpen fanden Prietzel et al. beispielsweise durch Windwürfe oder ler und feuchter wird, nimmt die Spei- (2016) eine 14 %-Abnahme des Koh- nach warmen und trockenen Som- cherung von Kohlenstoff in Schwei- lenstoffvorrats in Waldböden inner- mern durch Borkenkäferbefall. Solche zer Waldböden mit der Höhenlage zu halb dreier Jahrzehnte, was die Wissen- Störungen verändern das Bestandes- (Abb. 2 und 3). Im statistischen Mo- schaftler auf das wärmere und trocke- klima im Wald, sodass der Boden um 12 Organische Auflage 10 0 (verglichen mit Kontrolle) Bodenfauna Häufigkeit 8 –5 Bodentiefe (cm) Trockene Mineral- Bewässert 6 Kontrolle boden –10 4 –15 2 –20 0 Asseln Milben Spring- Enchy- Regen- 0 500 1000 1500 2000 schwänze träen würmer Organische Bodensubstanz (gC m–2) Trockene Kontrolle Bewässert Abb. 4. Häufigkeit der Bodenfauna und Tiefenverteilung der Kohlenstoffvorräte im Oberboden nach 15-jähriger Bewässerung in einem tro- ckenen Föhrenwald (Pfynwald, Wallis) (Guidi et al. 2022). Mittelwerte und Standardfehler von je vier Versuchsflächen mit jeweils 4 Profilen. WSL Berichte, Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022 17 bis zu 5 °C wärmer werden kann. Auch sich auf die OBS-Speicherung aus- deutet dies eine bodenschonende Hol- der Kohlenstoffeintrag in den Boden wirkt. Eine intensive Waldbewirtschaf- zernte, eine permanente Bestockung nimmt ab, und die Struktur des Bo- tung mit einer grossflächigen Hol- durch Plenter- oder Dauerwald, sowie dens wird durch Wurzelteller geworfe- zernte (Kahlschläge) führt generell die Förderung eines stabilen, arten- ner Bäume gestört. Dies regt die bio- zu Kohlenstoffverlusten aus dem Bo- und strukturreichen Waldes zur Mini- logische Aktivität im Boden an, so dass den (Mayer et al. 2020). Besonders der mierung von flächigen Störungen wie Bodenorganismen die OBS verstärkt Einsatz schwerer Forstmaschinen bei Borkenkäferbefall oder Windwurf. abbauen. Eine WSL-Studie (siehe Bei- der Holzernte bricht die Bodenstruk- trag von Mayer et al. 2022), in der die tur mechanisch auf, was den mikrobi- Böden von 19 Flächen Jahrzehnte nach ellen Abbau vormals geschützter OBS den Stürmen Lothar und Vivian unter- anregt. Zusätzlich erhöht das wärmere 7 Literatur sucht wurden, zeigt, dass Windwürfe zu Bodenklima nach Kahlschlägen die starken Kohlenstoff- bzw. CO2-Verlus- CO2-Freisetzung aus dem Boden. Im Bardgett, R.D.; van der Putten W.H., ten aus der organischen Auflage führen Gegensatz hierzu fördert eine natur- 2014: Belowground biodiversity and eco- (Abb. 5). Der Mineralboden war weni- nahe und standortsangepasste Wald- system functioning. Nature 515: 505–511. ger betroffen. Die Verluste hängen je- bewirtschaftung mit einer permanen- Crowther, T.W; Todd-Brown, K.E.O.; doch von der Höhenlage ab. Während ten Bestockung die Kohlenstoffspei- Rowe, C.W. et al. 2016: Quantifying glo- Windwürfe in tiefergelegenen Wäldern cherung in Böden (Jandl et al. 2007). bal soil carbon losses in response to war- im Schweizer Mittelland keine Aus- In der Schweiz ist die Kahlschlagswirt- ming. Nature 540, 104–108. wirkungen hatten, traten bei höher- schaft untersagt, und die Wälder wer- Gies, H.; Hagedorn. F.; Lupker, M.; Mont- gelegenen Standorten grosse Kohlen- den im Grossen und Ganzen naturnah luçon, D.; Haghipour, N.; van der Voort, stoffverluste auf. Grund hierfür sind bewirtschaftet. Dies ist wahrscheinlich T.S.; Eglinton, T.I., 2021: Millennial- wahrscheinlich die grossen Mengen an auch einer der Gründe, wieso Schwei- age glycerol dialkyl glycerol tetraethers Kohlenstoff, die in höheren Lagen vor zer Waldböden die höchsten Mengen (GDGTs) in forested mineral soils: 14C- allem in mächtigen organischen Aufla- an Kohlenstoff pro Flächeneinheit im based evidence for stabilization of micro- gen gespeichert sind. Wenn sich nach europäischen Vergleich aufweisen. bial necromass. Biogeosci. 18: 189–205. Windwürfen die mikroklimatischen Böden können nur begrenzt Koh- Gosheva, S.; Walthert, L.; Niklaus, P.A.; Verhältnisse ändern, wird die Auflage lenstoff speichern. Da Schweizer Wald- Zimmermann, S.; Gimmi, U.; Hagedorn, F., schneller zu CO2 abgebaut. An steilen böden bereits eine sehr hohe Koh- 2017: Reconstruction of Historic Forest Hanglagen kann auch Erosion zu dem lenstoffspeicherung haben, ist das Cover Changes Indicates Minor Effects Verlust beitragen; der mikrobielle Ab- Potenzial, durch eine gezielte Bewirt- on Carbon Stocks in Swiss Forest Soils. bau scheint jedoch der bedeutendste schaftung noch mehr CO2 zu spei- Ecosystems 20: 1512–1528. Mechanismus des Kohlenstoffverlusts chern, gering. Prinzipiell wäre die För- Grüneberg, E.; Ziche, D.; Wellbrock, N., aus dem Boden zu sein (Mayer et al. derung von Laubholz eine geeignete 2014: Organic carbon stocks and seques- 2017). Im Gegensatz dazu haben Bö- Massnahme, weil dadurch die langfris- tration rates of forest soils in Germany. den des Mittellandes eine mullartige tige Kohlenstoffspeicherung im Mine- Glob. Change Biol. 20: 2644–2662. Humusform, wo der grösste Teil der ralboden erhöht wird (Wiesmeier et al. Gubler, A.; Schwab, P.; Wächter, D.; OBS durch die Wechselwirkung mit 2013). Experimentell konnte zudem Meuli, R.G.; Keller, A., 2015: Ergeb- der Mineralerde stabilisiert ist und da- gezeigt werden, dass Wälder mit einer nisse der Nationalen Bodenbeobachtung her weniger empfindlich auf Störun- hohen Baumarten-Vielfalt nicht nur zu (NABO) 1985–2009. Zustand und Ver- gen reagiert. Klimaprojektionen las- einer höheren oberirdischen Biomasse, änderung der anorganischen Schadstoffe sen ein zunehmend extremeres Klima sondern auch zu einem höheren Gehalt und Bodenparameter. Bundesamt für mit mehr Störungen erwarten – die ho- an organischer Bodensubstanz füh- Umwelt, Bern. Umwelt-Zustand Nr. 1507. hen Vorräte an Bodenkohlenstoff im ren (Liu et al. 2018). Allerdings ist der Guidi, C.; Frey, B., Brunner I.; Meusbur- Schweizer Wald, insbesondere in höhe- Schweizer Wald vielerorts relativ arten- ger, K.; Vogel, M.E.; Chen, X.; Stucky, ren Lagen, wo Böden mächtige Aufla- reich und hat, wo es die Standortsver- T.; Gwiazdowicz, D.J.; Skubała, P.; Bose, gen haben, könnten sich hier als nach- hältnisse erlauben, schon einen hohen A.K.; Schaub, M.; Rigling, A.; Hage- teilig für die CO2-Bilanz erweisen. Laubholzanteil. Zudem weisen Laub- dorn, F., 2022: Soil fauna drives vertical und Nadelholzbestände im Schweizer redistribution of soil organic carbon in a Wald einen vergleichbaren OBS-Vor- long-term irrigated dry pine forest. Glob. rat auf (Abb. 3). Daher erscheint hier Change Biol. 28, 9: 3145–3160. 6 Vermeiden von Kohlen- das Potenzial, durch gezielte Baumar- Hagedorn, F.; Krause, H.-M.; Studer, M.; stoffverlusten: die beste tenförderung noch mehr Kohlenstoff Schellenberger, A.; Gattinger, A., Massnahme im Waldboden zu speichern, mengen- 2018: Boden und Umwelt: organische mässig begrenzt. Bodensubstanz, Treibhausgasemissionen Auch die Bewirtschaftung von Wäl- Die geeignetste Massnahme ist und physikalische Belastung von Schwei- dern beeinflusst die Menge und Qua- deswegen die Vermeidung von Kohlen- zer Böden. Thematische Synthese TS2 lität des pflanzlichen Eintrags in den stoffverlusten durch die Erhaltung des des Nationalen Forschungsprogramms Boden, die mikroklimatischen Ver- bestehenden Humusvorrates im Bo- «Nachhaltige Nutzung der Ressource Bo- hältnisse und die Bodenstruktur, was den. Für die Waldbewirtschaftung be- den» (NFP 68), 2. 93 p. WSL Berichte, Heft 126, 2022
18 Forum für Wissen 2022 Jandl, R.; Lindner, M.; Bauwens, B.; Ves- nic carbon stocks after forest windthrow Prietzel, J.; Zimmermann, L.; Schubert, A.; terdal, L.; Baritz, R.; Hagedorn, F.; in a mountainous ecosystem. Funct. Ecol. Christophel, D.; 2016: Organic matter Johnson, D.; Minkkinen, K.; Byrne, K., 31: 1163–1172. losses in German Alps forest soils since 2007: Review: How strongly can forest Mayer, M.; Prescott, C.E.; Abaker, W.E.A.; the 1970s most likely caused by warming. management influence soil carbon se- Augusto, L.; Cécillon, L.; Ferreira, Nature Geosci. 9: 543–548. questration? Geoderma 137: 253–268. G.W.D.; James, J.; Jandl, R.; Katzen- Streit, K.; Hagedorn, F.; Hiltbrunner, D.; Lehmann, J.; Kleber, M., 2015: The conten- steiner, K.; Laclau, J.-P.; Laganière, J.; Portmann, M.; Saurer, M.; Buchmann, tious nature of soil organic matter. Nature Nouvellon, Y.; Paré, D.; Stanturf, J.A.; N.; Wild, B.; Richter, A.; Wipf, S.; Sieg- 528: 60–68. Vanguelova, E.I.; Vesterdal, L., 2020: wolf, R.T.W., 2014: Soil warming alters Liu, X.; Trogisch S.; He, J.-S.; Niklaus, P.A.; Tamm review: Influence of forest ma- microbial substrate use in alpine soils. Bruelheide, H.; Tang, Z.; Erfmeier, A.; nagement activities on soil organic car- Glob. Change Biol. 20: 1327–1338. Scherer-Lorenzen, M.; Pietsch K.A., bon stocks: A knowledge synthesis. For. Wiesmeier, M., Prietzel, J.; Barthold, F., Yang B, Kühn, P.; Scholten, T.; Huang, Ecol. Manage. 466: 118127. 2013: Storage and drivers of organic car- Y.; Wang, C.; Staab, M.; Leppert K.N.; Mayer, M.; Rusch, S.; Didion, M.; Baltens- bon in forest soils of southeast Germany Wirth, C.; Schmid, B.; Ma, K., 2018: Tree weiler, A.; Walthert, L; Ranft, F.; Rig- – implications for carbon sequestration. species richness increases ecosystem car- ling, A.; Zimmermann, S.; Hagedorn, F., For. Ecol. Manag. 2095: 162–172. bon storage in subtropical forests. Proc. 2022: Humusverlust nach Windwurf – Ri- R. Soc. B. 285: 20181240. http://dx.doi.org/ sik im Bergwald. In diesem Band: 43–45. 10.1098/rspb.2018.1240 Nussbaum, M.; Papritz, A.; Baltensweiler, Mayer, M; Sandén, H.; Rewald, B.; God- A.; Walthert, L., 2014: Estimating soil or- bold, D.L.; Katzensteiner, K., 2017: In- ganic carbon stocks of Swiss forest soils crease in heterotrophic soil respiration by by robust external-drift kriging. Geosci. temperature drives decline in soil orga- Mod. Develop. 7: 1197–210. Abstract Soil Organic matter in Swiss forests – an essential but sensitive resource Soil represents an essential component in forest ecosystems. It fulfills key func- tions as living space, storage for carbon and nutrients, regulation of water and ele- ment cycles. Soil organic matter plays a key role for all soil functions. Swiss forest soils contain the greatest organic matter stocks per unit area of all European coun- tries due to the relatively cool and humid climate and the overall sustainable fo- rest management. The stocks have built up over thousands of years, but are put at risk by climate change – higher temperatures and more intense drought – as well as disturbances by windthrows or clear cuts. A soil-friendly forest harvest, a con- tinuous forest cover, as well as the promotion of a structure- and species-rich fo- rest are all contributing to preserve soil organic matter as an essential resource in the soil. Keywords: Carbon sequestration, climate change, disturbance, drought, ecosystem service, forest management, tree species Diese Publikation ist Open Access und alle Texte und Fotos, bei denen nichts ande- res angegeben ist, unterliegen der Creative-Commons-Lizenz CC BY 4.0. Sie dür- fen unter Angabe der Quelle frei vervielfältigt, verbreitet und verändert werden. WSL Berichte, Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022: 19–26 doi.org/10.55419/wsl:32002 19 Waldökosystemernährung und Klimawandel: Schmilzt mit der Humusauflage auch die Nährstoffverfügbarkeit? Friederike Lang1 und Jörg Luster2 1 Professur für Bodenökologie, Institut für Forstwissenschaften, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Bertoldstrasse 17, D-79085 Freiburg; Fritzi.Lang@bodenkunde.uni-freiburg.de 2 Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee, und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf joerg.luster@wsl.ch Humusauflagen bedecken die Mineralböden in Wäldern. Sie bestehen aus abge- fikationsystem L oder OL), dem Fer- storbenen Pflanzenresten in unterschiedlichen Zersetzungsstadien und erfüllen mentations-Horizont aus teilweise ab- wichtige Funktionen im Nährstoff- und Wasserkreislauf der Waldökosysteme. Ak- gebauter Streu mit noch gut erkennba- tuelle Arbeiten zur Phosphor-Ernährung von Buchenwäldern legen nahe, dass ren Streufragmenten (F oder OF) und mächtige Humusauflagen das Resultat ökosystemarer Anpassung an P-arme Mi- dem humosen Horizont aus kaffeesatz- neralböden sind. Als oberste Schicht des Bodens reagieren Humusauflagen beson- artiger, stark abgebauter und umgewan- ders sensitiv auf oberirdische Veränderungen. Dies ist für Stickstoffeinträge be- delter organischer Substanz (H oder reits gut belegt und könnte auch für Veränderungen gelten, die mit dem Klima- OH). Der Aufbau der Humusauflage wandel zu tun haben. Episodisch auftretende Störungen oder ein kontinuierlicher aus 1 bis 3 dieser Horizonte definiert Temperaturanstieg führen zu einer beschleunigten Mineralisation von Humusauf- zusammen mit der Intensität der Ein- lagen und können Nährstoffungleichgewichte hervorrufen. Das Belassen der Ern- mischung organischer Substanz in den terückstände (Äste, Zweige, Rinde) im Bestand sowie die Berücksichtigung des darunterliegenden Mineralboden (Ah- Waldinnenklimas beim Waldmanagement sind daher besonders an nährstoffar- Horizont) die sogenannten Humus- men Standorten geboten. formen (typische Ausprägungen: Mull, Moder, Rohhumus). Die Humusformen werden durch die Faktoren Bodenei- 1 Humusauflagen als sensible stanz aufweisen (KA 5, Ad-hoc-AG- genschaften, Vegetation (insbesondere Funktionsträger Boden, 2005). Nach einer groben Un- Baumart), Klima und Bodenorganis- terteilung besteht die Humusauflage men bestimmt (Abb. 1) und sind des- Der Begriff Humusauflage umfasst die aus bis zu drei verschiedenen Hori- halb wichtige ökologische Indikatoren. organischen Horizonte, die in Wäldern zonten, die sich durch ihren Zerset- Die genannten Faktoren werden durch dem Mineralboden aufliegen und nach zungsgrad unterscheiden: Dem Streu- Störungen stark beeinflusst. Für Bei- Definition der Deutschen Bodenklassi- Horizont aus wenig zersetzter Streu spiele realer Ausprägungen der Humus- fikation mehr als 30 % organische Sub- (Horizontbezeichnung je nach Klassi- formen siehe Walthert et al. (2004). Klima: Störungen: – Niederschlag – Stickstoffeinträge – Temperatur – Sturmwurf – Frost – Schädlingskalamitäten – Witterungsextreme – Waldbewirtschaftung Baumart: – Streumenge – Streuqualität Streufall – Durchwurzelung Zersetzung Humusauflage Bodenorganismen: (O)L Bioturbation (O)H (O)F – Artenzusammensetzung Bodenoberfläche – Aktivität/Abundanz Ah Mineralboden Bodeneigenschaften: Kapillarer Verlagerung mit Perkolat, – Wasserverfügbarkeit Aufstieg Auswaschung – Nährstoffverfügbarkeit – Säurezustand Humusform: Rohhumus Moder Mull Abb. 1. Steuergrössen und Schlüsselprozesse, welche gemäss Stand der Forschung die Eigenschaften der Humusauflage und die Humusform beeinflussen. Dargestellt ist der Aufbau der wichtigsten drei typischen Humusformen. WSL Berichte, Heft 126, 2022
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