Waldböden - intakt und funktional - WSL Berichte Heft 126, 2022

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Waldböden - intakt und funktional - WSL Berichte Heft 126, 2022
Heft 126, 2022
WSL Berichte
doi.org/10.55419/wsl:31996

Waldböden – intakt
und funktional

           Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
           CH-8903 Birmensdorf
Waldböden - intakt und funktional - WSL Berichte Heft 126, 2022
Waldböden - intakt und funktional - WSL Berichte Heft 126, 2022
Heft 126, 2022
WSL Berichte
doi.org/10.55419/wsl:31996

Waldböden – intakt
und funktional

Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
Waldböden - intakt und funktional - WSL Berichte Heft 126, 2022
2                                                                                            Forum für Wissen 2022

Das Forum für Wissen ist eine Veranstaltung, die von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald,
Schnee und Landschaft WSL durchgeführt wird. Aktuelle Themen aus den Arbeitsgebieten
der Forschungsanstalt werden vorgestellt und diskutiert. Neben Referenten von der WSL
können auswärtige Fachleute beigezogen werden. Gleichzeitig zu jeder Veranstaltung
«Forum für Wissen» erscheint eine auf das Thema bezogene Publikation in der Reihe WSL
Berichte. Alle Beiträge wurden von zwei Fachpersonen begutachtet.

Verantwortlich für die Herausgabe
Eidg. Forschungsanstalt WSL

Verantwortlich für dieses Heft
Dr. Ivano Brunner, Leiter Forschungseinheit Waldböden und Biogeochemie

Schriftleitung
Sandra Gurzeler

Wir danken folgenden Personen, welche sich als Reviewer zur Verfügung stellten,
für die kritische Durchsicht der Beiträge und die hilfreichen Kommentare:
Andri Baltensweiler, Ivano Brunner, Andreas Chervet, Beat Frey, Lucie Greiner, Elena
Havlicek, Robert Jandl, Klaus Katzensteiner, Johann Kremer, Peter Lehmann, Peter
Lüscher, Jörg Luster, Henning Meesenburg, Patrick Schleppi, Christoph Sperisen, Ulrike
Talkner, Klaus von Wilpert, Peter Waldner, Lorenz Walthert, Stephan Zimmermann

Zitierung
Eidg. Forschungsanstalt WSL (Hrsg.), 2022: Forum für Wissen 2022. Waldböden – intakt
und funktional. WSL Ber. 126: 80 S. doi.org/10.55419/wsl:31996

Layout
Jacqueline Annen und Sandra Gurzeler, WSL

Fotos Umschlag von oben:
2 × Marco Walser, WSL, Fabian Bernhard, Anne Thimonier

Bezugsadresse
WSL Shop: e-shop@wsl.ch
PDF Download: www.wsl.ch/berichte

ISSN 2296-3448 (Print)
ISSN 2296-3456 (Online)
doi.org/10.55419/wsl:31996

Forschung für Mensch und Umwelt: Die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und
Landschaft WSL überwacht und erforscht Wald, Landschaft, Biodiversität, Naturgefahren
sowie Schnee und Eis. Sie ist ein Forschungsinstitut des Bundes und gehört zum ETH-Be-
reich. Das WSL-Institut für Schnee und Lawinenforschung SLF ist seit 1989 Teil der WSL.

Diese Publikation ist Open Access und alle Texte und Fotos, bei denen nichts anderes
angegeben ist, unterliegen der Creative-Commons-Lizenz CC BY 4.0. Sie dürfen unter
Angabe der Quelle frei vervielfältigt, verbreitet und verändert werden.
Waldböden - intakt und funktional - WSL Berichte Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022                                                                                     3

                        Vorwort

                        Waldböden erfahren bislang nur geringe Aufmerksamkeit, – und das, obwohl sie
                        die zentrale Schnittstelle des Naturhaushaltes von Waldökosystemen darstellen
                        und im Durchschnitt mehr Kohlenstoff speichern als in der oberirdischen Bio-
                        masse von Wäldern enthalten ist. Dabei ist die Multifunktionalität von Waldbö-
                        den, d. h. ihre vielfältigen Funktionen als Speicher für Kohlenstoff und Nährstoffe,
                        als Filter im Wasserkreislauf und als Lebensraum, von zentraler Bedeutung für
                        eine nachhaltige Waldnutzung wie auch für den Landschaftshaushalt. Noch viel zu
                        wenig im öffentlichen Bewusstsein ist beispielsweise, dass Böden ein Hort biolo-
                        gischer Vielfalt sind. Die Anzahl der Individuen und Arten an Bodenorganismen,
                        aber auch die Menge ihrer Biomasse kann weit über dem liegen, was an oberirdi-
                        schem Leben auf derselben Fläche zu finden ist. Trotz der großen Bedeutung der
                        Bodenorganismen für die verschiedenen Funktionen der Ökosysteme sind auch
                        aus Sicht der Wissenschaft noch grosse Teile des Bodenlebens unter der Oberflä-
                        che verborgen und ist der Anteil der noch nicht taxonomisch erfassten Organis-
                        men im Boden besonders hoch. Die erste systematische Erhebung von Bakterien
                        und Pilzen in Schweizer Böden, über die im anliegenden Band berichtet wird und
                        die eine immense Anzahl an Taxa zutage förderte, hat hier Pionierarbeit geleistet.
                             Auch im Klimawandel kommen Waldböden und deren Humusauflagen eine
                        zentrale Rolle zu, zumal in Schweizer Waldböden im europäischen Vergleich die
                        grössten Vorräte an organischer Bodensubstanz in Europa gespeichert sind. Das
                        führt allerdings zu einer ambivalenten Rolle von Waldböden, einerseits nämlich
                        als Kohlenstoffspeicher, andererseits jedoch verbunden mit dem Risiko, dass etwa
                        infolge von Störereignissen oder nicht angepasster Bewirtschaftung durch Hu-
                        musabbau verstärkt CO2 freigesetzt wird. Die zentrale Rolle der Böden für ein kli-
                        maangepasstes Waldmanagement gehört jedenfalls, wie einige der Beiträge deut-
                        lich machen, stärker in den Blick genommen.
                             Das Forum für Wissen 2022 spannt einen breiten Bogen von den Funktionen
                        von Waldböden und ihrer Bedeutung für Waldökosystemleistungen über mögli-
                        chen Beeinträchtigungen von Bodenfunktionen durch Klimawandel und Extre-
                        mereignisse bis hin zu möglichen Massnahmen, die zur langfristigen Erhaltung
                        und Verbesserung der Bodenfunktionen beitragen können. Ganz im Sinne des
                        Brückenschlages zwischen Wissenschaft und Praxis, dem sich die WSL verpflich-
                        tet fühlt, sind die Fragestellungen, die auch der anliegende Tagungsband aufgreift,
                        etwa: Wie wirken sich Windwürfe auf die Kohlenstoffspeicherung im Waldboden
                        aus? Lassen sich, zum Beispiel anhand der Wasserverfügbarkeit, besonders klima-
                        sensitive Waldstandorte identifizieren und in der Bewirtschaftung entsprechend
                        berücksichtigen? Wie kann die zentrale Schnittstelle der Waldböden im Klima-
                        wandel besser verstanden werden und was können sie konkret zum Klimaschutz
                        beitragen? In welcher Form sollten landesweite Bodeninformationen für For-
                        schung, Praxis und Vollzug aufbereitet werden? Inwieweit lässt sich durch Kal-
                        kung der fortschreitenden Bodenversauerung begegnen? Und wie kann im Zu-
                        sammenhang mit einer intensivierten Holzernte erreicht werden, dass das Nähr-
                        stoffpotenzial im Boden erhalten bleibt?
                             Ziel ist es, den Blick quasi unter den Tellerrand zu richten, d. h. Waldböden
                        stärker ins Bewusstsein zu rücken und einen Beitrag zu leisten, dass bei waldbezo-
                        genen Massnahmen vermehrtes Augenmerk auf den Erhalt und die Förderung der
                        natürlichen Bodenfunktionen gerichtet wird.

                                                                          Birmensdorf, 25. November 2022

                                                                             Beate Jessel, Direktorin WSL
Waldböden - intakt und funktional - WSL Berichte Heft 126, 2022
Waldböden - intakt und funktional - WSL Berichte Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022                                                                                5

                        Inhalt                                                                    Seite

                        Vorwort                                                                      3

                        Waldböden im Fokus                                                           7
                        Ivano Brunner und Jörg Luster

                        Organische Substanz in Schweizer Waldböden – eine wichtige,                 13
                        aber empfindliche Ressource
                        Frank Hagedorn, Mathias Mayer, Katrin Meusburger, Lorenz Walthert,
                        Stephan Zimmermann

                        Waldökosystemernährung und Klimawandel: Schmilzt mit                        19
                        der Humusauflage auch die Nährstoffverfügbarkeit?
                        Friederike Lang und Jörg Luster

                        Verborgene Biodiversität – die Vielfalt der Mikroorganismen              27
                        in unseren Böden
                        Johanna Mayerhofer, Beat Frey, Florian Gschwend, Reto Meuli, Franco Widmer

                        Wasserverfügbarkeit in Schweizer Wäldern während der Trockenjahre           33
                        2015 und 2018
                        Katrin Meusburger, Frank Hagedorn, Lorenz Walthert

                        Die Waldbodenkartierung des Kantons Zürich: Bodenversauerung                39
                        sichtbar machen
                        Andreas Gubler, Ubald Gasser, Cécile Wanner

                        Humusverlust nach Windwurf – Risiko im Bergwald?                            43
                        Mathias Mayer, Silvan Rusch, Markus Didion, Andri Baltensweiler, Lorenz
                        Walthert, Fabienne Ranft, Andreas Rigling, Stephan Zimmermann,
                        Frank Hagedorn

                        Stickstoff-Deposition in Schweizer Wälder und Nitrataustrag aus Waldböden 47
                        Peter Waldner, Sabine Braun, Ivano Brunner, Beat Rihm, Miriam Reinhard,
                        Noureddine Hajjar, Katrin Meusburger, Maria Schmitt, Anne Thimonier

                        Nährstoffnachhaltigkeit bei Waldbewirtschaftung                        57
                        Stephan Zimmermann, Golo Stadelmann, Daniel Kurz, Timothy Thrippleton,
                        Janine Schweier

                        Pilotprojekt Experimentelle Kalkung von Waldstandorten: Hintergrund         65
                        und erste Ergebnisse
                        Simon Tresch, Sven Hopf, Sabine Braun

                        Physikalischer Bodenschutz im Aargauer Wald im Jahr 23 nach Lothar          71
                        Andreas Freuler

                        Flächenhafte Bodeninformationen? Eckpunkte für eine ­zukünftige
                        Plattform für Bodeninformationen                                            75
                        Armin Keller, Urs Grob, Lucie Greiner, Felix Stumpf, Thorsten Behrens
Waldböden - intakt und funktional - WSL Berichte Heft 126, 2022
Waldböden - intakt und funktional - WSL Berichte Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022: 7–11 doi.org/10.55419/wsl:32000                                                                            7

Waldböden im Fokus
Ivano Brunner und Jörg Luster

Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee, und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
ivano.brunner@wsl.ch, joerg.luster@wsl.ch

Ein natürlich gewachsener und intakter Waldboden ist von unschätzbarem Wert.             denorganismen zum Beobachten und
Er sorgt für sauberes Trinkwasser, schützt vor Hochwasser, ist Lebensraum un-            Erforschen, und tragen so zum Wohl-
zähliger Organismen und bildet die Grundlage für die Holzproduktion. Eine be-            befinden und zur Wissenserweite-
sonders wichtige Rolle spielt der Waldboden als Kohlenstoffspeicher. Wird seine          rung der Menschen bei. Ebenfalls lie-
Speicherleistung beeinträchtigt, hat dies negative Auswirkungen auf das Klima.           fern Bodenmikroorganismen den typi-
Die Klimafolgen wiederum gefährden die bedeutenden Funktionen des Waldes                 schen duftenden Waldbodengeruch. Es
und seiner Böden. In diesem Forum für Wissen wollen wir (i) die Funktionen von           sind dies flüchtige und gasförmige Ter-
Waldböden und ihre Bedeutung für die Waldökosystemleistungen darstellen, (ii)            penverbindungen, sogenannte «Geos-
auf mögliche Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen durch Klimafolgen, zum               mine», welche von Aktinobakterien
Beispiel Sturmschäden, aufmerksam machen, (iii) Massnahmen und Handlungen                stammen und für den charakteristi-
aufzeigen, die zur langfristigen Erhaltung und Verbesserung der Bodenfunktionen          schen Geruch frischer Erde verant-
beitragen können, und (iv) auf zukünftige Trends hinweisen.                              wortlich sind.
                                                                                             Die Vereinten Nationen haben
                                                                                         2016 siebzehn Ziele für nachhaltige
1 Multifunktionalität                      ren für die Gewährleistung von Wald-          Entwicklung («Sustainable Develop-
  der Waldböden                            ökosystemleistungen, seien dies Regu-         ment Goals», SDG 1 – 17) definiert,
                                           lierungsleistungen wie Hochwasser-            die bis 2030 zu erreichen sind (unric.
Böden entwickeln sich in langen Zeit-      schutz oder Versorgungsleistungen wie         org/de/17ziele). Die zentrale Rolle in-
räumen aus dem Ausgangsgestein             sauberes Trinkwasser (vgl. auch Staub         takter Bodenfunktionen für das Errei-
durch das Einwirken von Klima, Relief      et al. 2011). Während solche Waldöko-         chen mehrerer SDG’s (Keesstra et al.
und Lebewesen (Bakterien, Pilze, Bo-       systemleistungen oft im Fokus stehen,         2016) stand an der letztjährigen Konfe-
dentiere, Pflanzen). In der Schweiz sind   werden kulturelle Leistungen von Wäl-         renz «Eurosoil 2021» im Zentrum (eu-
die meisten Böden rund 10 000 Jahre        dern häufig unterschätzt. So liefern          rosoil-congress.com). Waldböden spie-
alt, denn ihre Entwicklung begann mit      Waldböden Früchte und Speisepilze             len insbesondere eine Rolle für SDG
der Freilegung des Ausgangsgesteins        zum Sammeln, beherbergen viele Bo-            6 («Sauberes Wasser und Sanitärein-
nach dem Rückzug der Gletscher am
Ende der letzten Eiszeit. Dank hete-
rogener Geologie und Klima ist so in
unserem Land eine grosse Vielfalt an
unterschiedlichen Waldböden entstan-
den (Abb. 1; Luster und Zimmermann
2017). Waldböden gelten als naturnah,
da die Nutzung der Wälder ohne die
üblichen landwirtschaftlichen Kultur-
massnahmen wie Bearbeitung, Dün-
gung oder Bewässerung auskommt
(Walser et al. 2021).
     Dank ihrer Porenstruktur, ihren
Oberflächen aus mineralischen und or-
ganischen Bestandteilen und ihrer In-
teraktion mit Pflanzenwurzeln erfül-
len unbelastete, intakte Waldböden
zahlreiche wichtige Funktionen in bei
der Regulierung von Wasser, Nährstof-
fen und Kohlenstoff («Regulierungs-
funktion»), der Produktion von Holz
(«Produktionsfunktion») und als Le-
bensraum für unzählige Bodenorga-
nismen («Lebensraumfunktion») (vgl.        Abb. 1. Ausgewählte Waldboden-Profile der Schweiz (Einzelprofilbilder aus Walthert et al.
auch BAFU 2017). Diese Funktionen          2004; Blaser et al. 2005; Zimmermann et al. 2006; modifiziert aus Luster und Zimmermann
der Waldböden sind wichtige Fakto-         2017).

WSL Berichte, Heft 126, 2022
Waldböden - intakt und funktional - WSL Berichte Heft 126, 2022
8                                                                                                       Forum für Wissen 2022

richtungen»), SDG 13 («Massnahmen           gung der Bodenversauerung, die an und       gehören die Trockenjahre 2015 und
zum Klimaschutz») und SDG 15 («Le-          für sich ein natürlicher Prozess ist. In    2018 sowie das Sturmjahr 2018 (Meus-
ben an Land», Luster et al. 2022). Bei      stark versauerten Böden ist das Wurzel-     burger et al. 2022; Rigling et al. 2019).
letzterem geht es um Schutz, Wieder-        wachstum sensitiver Baum­arten durch        Sterben zum Beispiel grosse Baum-
herstellung und nachhaltige Nutzung         die Freisetzung von Aluminium einge-        bestände nach starker Trockenheit
von terrestrischen Ökosystemen mit ei-      schränkt und die mikrobielle Aktivi-        ab (vgl. auch Hunziker et al. 2022),
nem besonderen Augenmerk auf den            tät ist verringert. Zum Glück, und wie      kommt dies einer potentiellen Gefähr-
Wald. Das Deutsche Umweltbundes-            im Waldbericht von 2015 (Rigling und        dung der Bodenfunktionen und der mit
amt schlägt explizit vor, einen boden-      Schaffer 2015) festgehalten, sind die       ihnen verbundenen Ökosystemleistun-
bezogenen Indikator zu entwickeln,          Schwefeleinträge in den letzten Jahren      gen gleich.
um das zentrale Unterziel SDG 15.3.         dank strengerer Vorschriften bei den            Wenn Baumwurzeln absterben
einer landdegradationsneutralen Welt        Heizungsanlagen zurückgegangen. Die         oder Bäume umgerissen werden, be-
(«land degradation neutrality») zu er-      Stickstoffeinträge sind jedoch immer        einflusst dies nachhaltig die Wald-
reichen (Wunder et al. 2018).               noch hoch, und die Gefahr von Nitrat-       böden und deren Funktionalität (vgl.
                                            auswaschung, Nährstoffverlusten und         auch Abb. 2). Durch die Zerstörung der
                                            Nährstoffungleichgewichten bleibt wei-      Bodenstruktur gelangt vermehrt Sau-
                                            terhin bestehen (www.bafu.admin.ch/         erstoff in den Boden, wodurch Zer-
2 Beeinträchtigungen                        bafu/de/home/themen/wald/dossiers/          setzungsprozesse ausgelöst werden,
                                            stickstoff-wald.html).                      die zum Abbau des im Waldboden ge-
In den letzten Jahrzehnten erfuhren             In den letzten Jahren kam jedoch        speicherten Kohlenstoffs und letzt-
Waldböden allerdings schleichende           der Klimawandel als neue Bedrohung          endlich zur erhöhten Freisetzung von
Veränderungen, Schwefel- und Stick-         hinzu. Erhöhte Temperaturen, Zu-            Kohlendioxid führen. Durch den Ver-
stoffeinträge aus der Luft nahmen zu        nahme von Hitzetagen, längere Tro-          lust von Humus wird auch die Spei-
und veränderten langsam die Verhält-        ckenperioden sowie veränderte Inten-        cherleistung für Wasser und Nährstoffe
nisse im Waldboden. Diese Einträge          sitäten und Häufigkeiten von Starknie-      stark beeinträchtigt. Eine weitere ne-
veränderten die chemische Zusammen-         derschlägen und Stürmen beeinflussten       gative Folge kann sein, dass durch ab-
setzung der Waldböden und führten an        die Wälder zunehmend. Zu den wich-          sterbende Bäume die Stabilität eines
bestimmten Orten zu einer Beschleuni-       tigsten Ereignissen in der jüngsten Zeit    Hanges schwindet, da der Waldboden

Abb. 2: Zerstörte Bodenstruktur durch umgestürzte Bäume nach einem Windwurf in der LWF-Fläche Lägern (Foto: Peter Waldner).

                                                                                                  WSL Berichte, Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022                                                                                                     9

nicht mehr durch ein intaktes Wur-
zelwerk zusammengehalten wird, was
schliesslich an steilen Hängen zu Ero-
sion führt. Und nicht nur dies: Das Ab-
sterben der Bäume kann seinerseits
zum Klimawandel beitragen, indem
durch die Zersetzung des absterben-
den Pflanzenmaterials vermehrt Koh-
lendioxid an die Atmosphäre abgege-
ben wird.

3 Erhalt und Förderung

Angesichts seiner Multifunktionalität
und der langen Zeiträume, die es zu
seiner Entstehung braucht, muss der
Waldboden als eine nicht erneuerbare
Ressource betrachtet werden (Syn-         Abb. 3: Auslegung von Reisigmatten in den Rückegassen zur Vermeidung von Bodenver-
thesebericht «Boden und Umwelt»           dichtung durch schwere Forstmaschinen (Foto: Fritz Frutig).
des Schwerpunktprogrammes NFP 68
«Ressource Boden»; Hagedorn et al.
2018). Im Forum für Wissen von 2013       die Schlüsselrolle der organischen Bo-    die Eiche bewirken mit ihrem tief rei-
stand der «physikalische Bodenschutz      densubstanz (Humus) eingegangen, da       chenden Wurzelwerk einen umfassen-
bei der Holzernte» im Vordergrund,        sie für die meisten Eigenschaften und     deren Nährstoffkreislauf, wodurch sich
das heisst insbesondere die Gefahr        Funktionen der Waldböden mitverant-       Nährstoffverluste durch Auswaschung
der Bodenverdichtung durch inten-         wortlich ist.                             minimieren lassen (Luster und Zim-
sive Holznutzung, und damit der Er-           Der Erhaltung der organischen Bo-     mermann 2017).
halt einer guten Bodenstruktur (Eidg.     densubstanz kommt deshalb bei der
Forschungsanstalt WSL 2013). Letztere     nachhaltigen Bewirtschaftung von Bö-
ist für die Ausbildung des Porenraums     den und deren Klimawirksamkeit eine
wichtig, der, wie oben schon erwähnt,     besondere Bedeutung zu. Im Hinblick       4 Zukünftige Trends
eine zentrale Rolle bei der Erfüllung     auf die Umsetzung von Massnahmen
vieler Bodenfunktionen spielt. In die-    in der Praxis wollen wir, ausgehend von   2019 wurde das Kompetenzzentrum für
sem Forum für Wissen «Waldböden –         einer Bestandesaufnahme, ergründen,       Boden (KOBO) gegründet. Betrieben
intakt und funktional» nehmen wir die-    wie heutzutage wichtige Bodenfunk-        wird es gemeinsam von den Bundes-
ses Thema wieder – auf im Sinne einer     tionen und Dienstleistungen erhalten      ämtern für Raumentwicklung (ARE),
Zwischenbilanz, inwieweit die entspre-    und gefördert werden, und welche He-      Umwelt (BAFU) und Landwirtschaft
chenden Massnahmen aktuell umge-          rausforderungen die Zukunft bereit-       (BLW). Das KOBO ist eine nationale
setzt werden. Inwieweit sind Forstwart-   hält. Wichtige Themen sind die Rolle      Servicestelle für Bund und Kantone
Lernende und Forstpersonal durch          des Waldbodens als Kohlenstoffspei-       und soll diese im Bodenschutzvollzug
gezielte Schulung und Aufklärung in       cher, die Nährstoffnachhaltigkeit bei     und bei der nachhaltigen Nutzung der
Bezug auf bodenschonende Holzernte        der Waldbewirtschaftung, die Über-        Ressource Boden unterstützen. Das
sensibilisiert? Werden zum Beispiel       wachung der Wasserverfügbarkeit, die      Kompetenzzentrum koordiniert und
nach lang anhaltenden Niederschlägen      Folgen hoher Stickstoffeinträge, und      standardisiert dazu Methoden und In-
bodenschonende Massnahmen wie das         die Rolle der Waldböden als Biodiver-     strumente für die Erhebung, Bewer-
Reduzieren des Reifenfülldruckes oder     sitäts-Hotspots.                          tung und Bereitstellung von Bodenin-
das Auslegen von Reisigmatten in den          Mit einer geeigneten Baumarten-       formationen in der Schweiz (ccsols.ch/
Rückegassen angewendet (Abb. 3; vgl.      wahl kann der Forstdienst sogar eine      de/ueber-uns). Insbesondere werden
auch Lüscher et al. 2016)?                Verbesserung der Funktionalität der       im KOBO altbewährte mit neuen Me-
     Durch Beachten solcher Leitlinien    Waldböden erreichen. Baumarten mit        thoden verknüpft. So sollen neue di-
kann der Forstdienst viel zum Erhalt      verdichtungstoleranten Wurzeln wie        gitale Werkzeuge wie die Auswertung
der Bodenfunktionalität beitragen. Wir    die Erle können die Regeneration von      von Fernerkundungsdaten, spektrosko-
gehen aber zusätzlich breiter auf die     Bodenverdichtungen beschleunigen.         pische Messmethoden für Bodeneigen-
vielfältigen Funktionen der Waldbö-       Andere Baumarten wie der Ahorn, ha-       schaften oder eine computergestützte
den sowie die Herausforderungen ein,      ben eine gut abbaubare Streu und kön-     Stichprobenplanung das Erheben und
wie diese erhalten und gegebenenfalls     nen so der Versauerung des Bodens         Auswerten von Bodeninformationen
verbessert werden können. Insbeson-       entgegenwirken. Und wiederum an-          unterstützen. Das heisst auch, dass für
dere wird in mehreren Beiträgen auf       dere Baumarten, wie die Tanne oder        Bodenkartierungen in Zukunft unter-

WSL Berichte, Heft 126, 2022
10                                                                                                           Forum für Wissen 2022

                                                                                            Vielfalt der Böden, inklusive der Wald-
                                                                                            böden, zu schaffen. Die europäischen
                                                                                            Behörden und Interessengruppen be-
                                                                                            nötigen dringend zuverlässige Instru-
                                                                                            mente zur Überwachung und Bewer-
                                                                                            tung des Umweltzustands der Böden.
                                                                                                 Zusammen genommen sind die
                                                                                            vorgestellten neuen Werkzeuge wich-
                                                                                            tig, um die Bodenfunktionen in der
                                                                                            Landnutzungsplanung adäquat zu be-
                                                                                            rücksichtigen und so die vom Bundes-
                                                                                            rat 2020 erarbeitete «Bodenstrategie
                                                                                            Schweiz für einen nachhaltigen Um-
                                                                                            gang mit dem Boden» erfolgreich um-
                                                                                            zusetzen (Schweizerischer Bundesrat
                                                                                            2020). Mit unserem Forum für Wissen
                                                                                            wollen wir darauf hinweisen, wie wich-
                                                                                            tig es für diese nationale Umweltstra-
                                                                                            tegie ist, Waldböden als nicht erneu-
Abb. 4: Vorhersage des pH-Wertes in 5-15 cm Bodentiefe für die bewaldete Fläche der         erbare natürliche Ressource von gros-
Schweiz, einschließlich einer Karte mit der feinräumigen pH-Verteilung (aus Baltensweiler   sem ökologischem und ökonomischem
et al. 2021). (1) Jura, (2) Mittelland, (3) Voralpen, (4) Alpen, (5) Alpensüdseite.         Wert zu erhalten.

schiedliche Fachdisziplinen zusammen-         des Wasserretentions- oder des Säu-
gebracht werden müssen. «Optimal              repuffervermögens, wie sie das Baye-          5 Literatur
wäre es, wenn allen Akteurinnen und           rische Landesamt für Umwelt heraus-
Akteuren sämtliche Informationen              gibt     (www.lfu.bayern.de/boden/kar-        BAFU (Hrsg.), 2017: Boden in der Schweiz.
und Produkte über den Boden, die sie          ten_daten/bfk25). Während aktuell               Zustand und Entwicklung. Stand 2017.
für eine nachhaltige Nutzung und den          für die landwirtschaftliche und urbane          Bern, Bundesamt für Umwelt. Umwelt-
Schutz dieser Ressource benötigen, zur        Raumplanung in der Schweiz erste sol-           Zustand Nr. 1721, 86 S.
Verfügung stünden,» und es ist zu hof-        che Karten entstehen, fehlen sie für          Baltensweiler, A.; Walthert, L.; Hane-
fen, «… dass der Boden in absehba-            den Schweizer Wald gänzlich. In ei-             winkel, M.; Zimmermann, S.; Nussbaum,
rer Zeit von der Gesellschaft als wert-       nem ersten Schritt werden aus Bode-             M., 2021: Machine learning based soil
volle und nicht erneuerbare Ressource         neigenschaften Indikatoren für Boden-           maps for a wide range of soil properties
wahrgenommen wird und es dann                 funktionen und Ökosystemleistungen              for the forested area of Switzerland. Geo-
selbstverständlich ist, dass unsere Bö-       abgeleitet (Greiner et al. 2017). In ei-        derma Reg. 27, e00437. doi: 10.1016/j.geo-
den nachhaltig genutzt und geschützt          nem zweiten Schritt können dann Kar-            drs.2021.e00437
werden.» (Zitate von Armin Keller,            ten dieser Indikatoren aus den Boden-         Blaser, P.; Zimmermann, S.; Luster, J.; Wal-
Leiter KOBO, www.bafu.admin.ch/               eigenschaftskarten abgeleitet oder mit          thert, L.; Lüscher, P., 2005: Waldböden
bafu/de/home/themen/boden/dossiers/           den gleichen Methoden wie die Karten            der Schweiz. Band 2. Regionen Alpen
magazin2020-2-kompetenzzentrum-               der Eigenschaften erstellt werden.              und Alpensüdseite. Birmensdorf, Eidg.
boden.html).                                      Einen aktuellen Trend gibt es auch          Forschungsanstalt WSL. Bern, Hep Ver-
    Mit Hilfe von maschinellen Lern-          in der Bodenbiologie, wo die Fach-              lag, 920 S.
Algorithmen sind wir seit Kurzem in           gruppe Vollzug Bodenbiologie (VBBio;          Eidg. Forschungsanstalt WSL (Hrsg.) 2013:
der Lage, räumlich hochaufgelöste di-         www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/the-             Forum für Wissen 2013. Bodenschutz im
gitale Karten von Bodeneigenschaf-            men/boden/fachinformationen/mass-               Wald: Ziele – Konflikte – Umsetzung.
ten für den ganzen Schweizer Wald zu          nahmen-fuer-den-bodenschutz/arbeits-            WSL Ber. 6, 116 S.
erstellen, zum Beispiel eine Vorher-          gruppe-vollzug-bodenbiologie--vbb-.           Greiner, L.; Keller, A.; Grêt-Regamey,
sage des pH-Wertes in 5 bis 15 cm Bo-         html) Auswertungstools und ökologi-             A.; Papritz, A. 2017: Soil function assess-
dentiefe (Abb. 4; Baltensweiler et al.        sche Modellierung von Bodenlebens-              ment: review of methods for quantifying
2021).                                        gemeinschaften als Entscheidungsbasis           the contribution of soils to ecosystem ser-
    Um aber Bodeninformationen                für Anspruchsgruppen (Stakeholder)              vices. Land Use Policy 69: 224–237. doi:
als Planungshilfe für Vollzugsbehör-          erarbeitet. Dazu gibt es aktuell eine           10.1016/j.landusepol.2017.06.025
den und forstliche Entscheidungsträ-          europäische Initiative (COST Aktion           Hagedorn, F.; Krause, H.M.; Studer, M.;
ger nutzbar zu machen, muss ein finaler       CA18237 «EUdaphobase»; www.euda-                Schellenberger, A.; Gattinger, A.,
Schritt von der Kartierung einzelner          phobase.eu) mit dem Ziel, Strukturen            2018: Boden und Umwelt: Organische
Bodeneigenschaften zur Bewertung              und Verfahren für die Entwicklung ei-           Bodensubstanz, Treibhausgasemissionen
und Kartierung von Bodenfunktionen            ner offenen, europaweiten Dateninfra-           und physikalische Belastung von Schwei-
gemacht werden. Beispiele sind Karten         struktur zur Erfassung der biologischen         zer Böden. Thematische Synthese TS2

                                                                                                       WSL Berichte, Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022                                                                                                                  11

  des Nationalen Forschungsprogramms              Indikatoren für Ökosystemleistungen:        Wunder, S.; Kaphengst, T.; Frelih-Larsen,
  «Nachhaltige Nutzung der Ressource Bo-          Systematik, Methodik und Umsetzungs-          A.; McFarland, K.; Albrecht, S., 2018:
  den» (NFP 68): Vol. 2. Bern: Schweize-          empfehlungen für eine wohlfahrtsbe-           Land degradation neutrality. Handlungs-
  rischer Nationalfonds zur Förderung der         zogene Umweltberichterstattung. Bern,         empfehlungen zur Implementierung des
  wissenschaftlichen Forschung.                   Bundesamt für Umwelt. Umwelt-Wissen           SDG-Ziels 15.3 und Entwicklung eines
Hunziker, S.; Begert, M.; Scherrer, S.C.;         Nr. 1102, 106 S.                              bodenbezogenen Indikators. Umwelt-
  Rigling, A.; Gessler, A., 2022: Below          Walser, M.; Köchli, R.; Walthert, L.; Zim-     bundesamt, Texte 15/2018, 102 S.
  average midsummer to early autumn pre-          mermann, S.; Brunner, I., 2021: Den         Zimmermann, S.; Luster, J.; Blaser, P.; Wal-
  cipitation evolved into the main driver         Waldboden verstehen – Vielfalt und            thert, L.; Lüscher, P., 2006: Waldböden
  of sudden Scots pine vitality decline in        Funktion der Waldböden in der Schweiz.        der Schweiz. Band 3. Regionen Mittel-
  the Swiss Rhône valley. Frontiers in Fo-        Merkbl. Prax. 68: 12 S.                       land und Voralpen. Birmensdorf, Eidg.
  rests and Global Change 5, 874100. doi:        Walthert, L.; Zimmermann, S.; Blaser, P.;      Forschungsanstalt WSL; Bern, Hep Ver-
  10.3389/ffgc.2022.874100                        Luster, J.; Lüscher, P., 2004: Waldböden      lag. 848 S.
Keesstra, S.D.; Bouma, J.; Wallinga, J.;          der Schweiz. Band 1. Grundlagen und Re-
  Tittonell, P.; Smith, P.; Cerdà, A.; …          gion Jura. Birmensdorf, Eidg. Forschungs-
  Fresco, L.O., 2016: The significance of         anstalt WSL; Bern, Hep Verlag. 768 S.
  soils and soil science towards realization
  of the United Nations Sustainable De-
  velopment Goals. SOIL 2, 111–128. doi:
  10.5194/soil-2-111-2016                        Abstract
Lüscher, P.; Frutig, F.; Thees, O., 2016: Phy-   Forest soils in focus
  sikalischer Bodenschutz im Wald. Wald-         A naturally grown and intact forest soil is invaluable. It provides clean drinking
  bewirtschaftung im Spannungsfeld zwi-          water, protects against floods, is the habitat of countless organisms, and is the basis
  schen Wirtschaftlichkeit und Erhaltung         for wood production. Forest soils play a particularly important role as carbon
  der physikalischen Bodeneigenschaften.         storage, and an impaired storage capacity has a negative impact on the climate.
  Bern, Bundesamt für Umwelt. Umwelt-            Climate change in turn endangers important functions of the forest and its soils. In
  Wissen Nr. 1607, 159 S.                        this “Forum für Wissen” workshop, we want to (i) present the various functions of
Luster, J.; Crockford, L.; Keller, T.;           forest soils and their significance for forest ecosystem services, (ii) draw attention
  Muñoz-Rojas, M.; Wollschläger, U.,             to possible degradation of soil functions due to climate impacts, e.g. damage
  2022: Editorial: Eurosoil 2021: Sustaina-      caused by storms, (iii) highlight measures and actions that can contribute to the
  ble management of soil functions as a ba-      long-term maintenance and improvement of soil functions, and (iv) identify future
  sis to avoid, halt, and reverse land degra-    trends.
  dation. Frontiers in Environmental Scien-
  ces (in Vorbereitung)                          Keywords: Forest soils, ecosystem services, soil functions, soil degradation, sustain-
Luster, J.; Zimmermann, S., 2017: Der Wald-      able forest management, soil protection, soil information
  boden – kostbar, unentbehrlich, gefähr-
  det. Bündnerwald 4: 5–8.
Meusburger, K.; Trotsiuk, V.; Schmidt-
  Walter, P.; Baltensweiler, A.; Brun, P.
  et al. 2022: Soil-plant interactions modu-
  lated water availability of Swiss forests
  during the 2015 and 2018 droughts. Glob.
  Change Biol. (akzeptiert).
Rigling, A; Schaffer, H.P., 2015 (Ed.) 2015:
  Waldbericht 2015: Zustand und Nutzung
  des Schweizer Waldes. Bern, Bundes-
  amt für Umwelt; Birmensdorf, Eidg. For-
  schungsanstalt WSL. 144 S.
Rigling, A.; Etzold, S.; Bebi, P.; Brang, P.;
  Ferretti, M.; Forrester, D.; … Wohlge-
  muth, T., 2019: Wie viel Trockenheit er-
  tragen unsere Wälder? Lehren aus ext-
  remen Trockenjahren. Forum für Wissen
  78: 39–51.
Schweizerischer Bundesrat (Hrsg.), 2020:
  Bodenstrategie Schweiz für einen nach-
  haltigen Umgang mit dem Boden. Um-
  welt-Info, BAFU 2020, 69 S.                    Diese Publikation ist Open Access und alle Texte und Fotos, bei denen nichts ande-
Staub, C.; Ott, W.; Heusi, F.; Klingler, G.;     res angegeben ist, unterliegen der Creative-Commons-Lizenz CC BY 4.0. Sie dür-
  Jenny, A.; Häcki, M.; Hauser, A., 2011:        fen unter Angabe der Quelle frei vervielfältigt, verbreitet und verändert werden.

WSL Berichte, Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022: 13–18 doi.org/10.55419/wsl:32001                                                                                13

Organische Substanz in Schweizer Waldböden – eine
wichtige, aber empfindliche Ressource
Frank Hagedorn, Mathias Mayer, Katrin Meusburger, Lorenz Walthert und Stephan Zimmermann

Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee, und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
frank.hagedorn@wsl.ch, mathias.mayer@wsl.ch, katrin.meusburger@wsl.ch, lorenz.walthert@wsl.ch, stephan.zimmermann@wsl.ch

Der Boden ist eine zentrale Schnittstelle in Waldökosystemen. Er erfüllt wichtige             sprünglichen Pflanzenstreu verbleiben
Funktionen als Lebensraum, als Speicher für Kohlenstoff und Nährstoffe, und er                längerfristig in der organischen Bo-
reguliert die Wasser- und Stoffkreisläufe. Für alle Bodenfunktionen spielt die or-            densubstanz. Die OBS kann mehrere
ganische Bodensubstanz eine Schlüsselrolle. Aufgrund des feuchten und kühlen                  Tausend Jahre alt werden (Gies et al.
Klimas sowie der relativ nachhaltigen Waldnutzung speichern Schweizer Waldbö-                 2021), wenn der Humus an Minerale
den pro Flächeneinheit die grössten Vorräte organischer Bodensubstanz Europas.                gebunden vor dem vollständigen Ab-
Dieser Vorrat hat sich über Tausende Jahre hinweg aufgebaut. Der Klimawandel –                bau geschützt ist (Lehmann und Kle-
höhere Temperaturen und eine intensivere Trockenheit – sowie grossflächige Stö-               ber 2015). Bei gleichbleibenden Bedin-
rungen, beispielsweise durch Windwürfe und Kahlschläge, gefährden die organi-                 gungen geht man davon aus, dass ein
sche Bodensubstanz. Eine bodenschonende Waldbewirtschaftung sowie eine per-                   dynamisches Gleichgewicht zwischen
manente Bestockung mit standortsangepassten Baumarten tragen zum Erhalt                       Kohlenstoffeintrag durch Pflanzen und
dieser wichtigen Ressource bei.                                                               -austrag durch mikrobiellen Abbau be-
                                                                                              steht. Klimawandel, forstliche Nutzung
                                                                                              und Waldstörungen, wie beispielsweise
1 Organische Substanz                          dene Arten von Organismen, deren pri-          Windwürfe, verschieben dieses dy-
  in Waldböden                                 märe Energiequelle die OBS ist (Bard-          namische Gleichgewicht und können
                                               gett und van der Putten 2014).                 dazu führen, dass vermehrt organische
Die organische Bodensubstanz (OBS)                 Pflanzen sind der wichtigste Lie-          Substanz verloren geht und Waldböden
spielt in Böden eine Schlüsselrolle. Sie       ferant organischer Bodensubstanz.              zu CO2-Quellen werden.
speichert CO2 in Form von organischem          Kleine Bodentiere und Mikroorganis-                Dieser Beitrag gibt einen Überblick,
Kohlenstoff, und in Waldböden ent-             men zersetzen abgestorbene Blätter             wie viel Kohlenstoff in der organischen
hält sie über 90 Prozent des Stickstoffs       und Wurzeln und wandeln einen klei-            Bodensubstanz gespeichert wird, welche
(N) sowie über 50 Prozent des Phos-            nen Teil davon in organische Boden-            Faktoren ihre Speicherung in Schweizer
phors (P). Die Organische Bodensubs-           substanz um, die landläufig auch «Hu-          Waldböden steuern, wie empfindlich sie
tanz vermag Kationen und Anionen so            mus» genannt wird (Abb. 1).                    auf den Klimawandel und Störungen re-
zu binden, dass sie von Pflanzen auf-              Die OBS besteht etwa zur Hälfte            agiert und mit welchen Massnahmen
genommen, aber kaum ausgewaschen               aus Kohlenstoff, der in einer Viel-            man die OBS schützen kann.
werden. Ausserdem erhöht die OBS die           zahl organischer Verbindungen vor-                 Methodik: Die hier gezeigten Er-
Porosität des Bodens und damit des-            liegt. Sie bildet sich aus abgestorbe-         gebnisse stützen sich auf die Analyse
sen Kapazität, Wasser und Luft zu spei-        nem Pflanzenmaterial, das von Boden-           von 1050 Bodenprofilen der WSL-Bo-
chern. Auch das Leben im Boden ist             organismen ab- und umgebaut wird.              dendatenbank, bei denen die Kohlen-
eng mit der organischen Bodensubstanz          Die grösste Menge wird dabei wieder            stoffvorräte bis zum Ausgangsgestein
verknüpft. In einem Gramm Boden le-            als CO2 an die Atmosphäre zurückge-            (oder durchschnittlich bis in 120 cm
ben zwischen 2000 und 18 000 verschie-         geben. Nur wenige Prozente der ur-             Tiefe) erfasst wurden. Die Identifika-

a                                        b                                       c                             d
Abb. 1. Organische Bodensubstanz im Schweizer Wald. a) Typischer Rohhumus eines subalpinen Nadelwaldes, bei dem sich aufgrund der
geringen biologischen Aktivität eine mächtige organische Auflage bildete. b) Typischer Mull des Schweizer Mittellandes, bei dem durch rege
biologische Aktivität insbesondere durch Regenwürmer die anfallende Streu innerhalb eines Jahres weitgehend abgebaut beziehungsweise
mit dem Mineralboden durchmischt wird. Elektronenmikroskop-Aufnahmen zeigen die OBS-Entwicklung von c) schwach zersetzten Pflan-
zenrückständen bis zu d) an Minerale gebundene OBS, deren Struktur nicht mehr erkennbar ist (Fotos: M. Walser, B. Frey, WSL).

WSL Berichte, Heft 126, 2022
14                                                                                                                                                                                            Forum für Wissen 2022

a)                                                                                                                                                 b)
                                                                                                                                                                      200

                                                                                                                                                 Biomasse C (tC/ha)
                                                                                                                                                                      150

                                                                                                                                                                      100

                                                                                                                                                                       50

                                                                                                                                                                        0

                                                                                                                                                 Boden-OBS (tC/ha)
                                                                                                                                                                       50

                                                                                                                                                                      100

                                                                                                                                                                      150

                                                                                                                      ±                                               200
                                                                                                                1:2'200'000                                                  Jura   Mittel-   Vor- Alpen Alpen-
                           -2
                                                                                                        0             25            50 km
                                                                                                                                                                                     land     alpen      südseite
 SOC stock 0-100 cm [kg m ]

     0   3      6      9        12   15   18   21   24                         40                                                 Data Source:
                                                                                             Lakes: Vector 200 © 2007 swisstopo (DV033492.2)                     Biomasse              Organische          Mineral-
                                                                                                           Relief 1:1'000'000 © 2012 swisstopo
                                                                                                    Swiss Boundary: BFS GEOSTAT, swisstopo                                             Auflage             boden
Abb. 2. a) Kohlenstoff-Vorräte in Schweizer Waldböden, die mittels geostatistischer Methoden aus der signifikanten Beziehung zwischen
Niederschlag, Topografie und C-Vorrat ermittelt wurden (von Nussbaum et al. 2014). b) Vorrat an Kohlenstoff in der Waldbiomasse, in der
organischen Auflage und im Mineralboden bis in 120 cm Tiefe von Waldböden in den biogeographischen Regionen der Schweiz (n=1012
Profile; WSL-Bodendatenbank).

tion der steuernden Faktoren erfolgte                    genannten organischen Auflage. Diese                                                                               Der grösste Teil der OBS liegt im Mi-
mit einer Varianzanalyse (Gosheva                        besteht fast vollständig aus rein orga-                                                                            neralboden vor. Neue Erkenntnisse
et  al. 2017); die Kohlenstoffvorräte                    nischen Verbindungen, zum einen aus                                                                                zeigen, dass «alte», stabile OBS in ers-
wurden mittels multivariater Metho-                      erkennbaren Rückständen der Streu,                                                                                 ter Linie aus abgestorbenen Mikro-
den in die Fläche extrapoliert, woraus                   aber auch aus stark abgebauten und                                                                                 organismen (Nekromasse) und deren
sich die C-Vorräte auf regionaler und                    umgewandelten Komponenten (siehe                                                                                   Umwandlungsprodukten besteht, die
schweizweiter Ebene ergaben (Nuss-                       Abb. 1). Schweizer Nadelwälder spei-                                                                               sich mit Bodenmineralen verbinden.
baum et  al. 2014).                                      chern in der organischen Auflage mehr                                                                              Diese Verbindungen verhindern oder
                                                         Kohlenstoff als Laubwälder (38 vs. 10                                                                              verzögern den vollständigen Abbau
                                                         tC/ha), weil Nadelstreu schlechter ab-                                                                             der OBS stark (Lehmann und Kleber,
                                                         baubar ist als Laubstreu. Dagegen wei-                                                                             2015). Im Unterboden (> 50 cm Tiefe)
2 Schweizer Waldböden                                    sen Laubwälder im Mineralboden et-                                                                                 von Schweizer Waldböden fanden Gies
  verfügen über hohe                                     was höhere Kohlenstoffvorräte auf                                                                                  et al. (2021) mehrere tausend Jahre alte
  Kohlen­stoff-Vorräte                                   (Abb. 3).                                                                                                          Rückstände von Mikroorganismen.

Schweizer Waldböden speichern in der
organischen Bodensubstanz durch-                                                       200
schnittlich 143 Tonnen Kohlenstoff  (C)
                                                                                       175
                                                         Bodenkohlenstoff (tC ha–1)

pro Hektar (Nussbaum et al. 2014,
Abb.  2a). Dies sind etwa 20 Prozent                                                   150                                                                                                              Organische
mehr als in der lebenden Biomasse                                                                                                                                                                       Auflage
                                                                                       125
von Wäldern enthalten sind (Abb. 2b).
Damit haben Schweizer Waldböden                                                        100
pro Flächeneinheit die höchsten Koh-
                                                                                        75                                                                                                              Mineral-
lenstoff-Vorräte in Europa. Deutsche
                                                                                                                                                                                                        boden
Waldböden weisen beispielsweise ei-                                                     50
nen Vorrat von nur 117 Tonnen C / ha
                                                                                        25
auf (Grüneberg et al. 2014). Ursache
für den hohen Kohlenstoffvorrat in                                                       0
Schweizer Waldböden ist das relativ                                                                     1500 m
kühle und feuchte Klima, die relativ na-                                                                                                                       Höhe ü.M.
turnahe Waldnutzung sowie das hohe                                                    Laubwald                             Nadelwald
Alter des Waldes in der Schweiz.                         Abb. 3. Vorrat an Kohlenstoff in der organischen Auflage und im Mineralboden von Laub-
    In Schweizer Waldböden befinden                      und Nadelwald in verschiedenen Höhenlagen der Schweiz. (n=1012 Profile; WSL-Boden-
sich gut 15 Prozent der OBS in der so                    datenbank)

                                                                                                                                                                                     WSL Berichte, Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022                                                                                                          15

3 Welche Faktoren steuern                  Tab. 1. Steuernde Faktoren des Humusvorrats. Erklärende Varianz von Bodeneigenschaf-
                                           ten, mittlerer Jahrestemperatur (MAT), mittlerem Jahresniederschlag (MAP) und Waldtyp
  die organische Boden­                    (Gosheva et al. 2017). Varianzanalyse mit Daten von 1050 Bodenprofilen:
  substanz?                                n. s.: nicht ­signifikant, *p
16                                                                                                                                                              Forum für Wissen 2022

  2022). Ergebnisse eines 15-jährigen Be-                                                     25
  wässerungsversuchs der WSL in einem
  trockenen Föhrenwald (Pfynwald, Wal-

                                                            Kohlenstoff in Auflage (tC/ha)
  lis) zeigen aber, dass sich die Tiefen-                                                     20
  verteilung der organischen Bodensub-
  stanz verändert. Unter der durch den
  Klimawandel verstärkten Trocken-                                                            15
  heit hat es einen grösseren Kohlen-
  stoffvorrat in der organischen Auflage.
  Demgegenüber weist der obere Mine-                                                          10
  ralboden unter trockenen Bodenver-
  hältnissen einen geringeren Kohlen-
  stoffvorrat auf als unter feuchten Be-                                                       5
  dingungen (Abb. 4). Guidi et al. (2022)
  führen diese Effekte der Trockenheit
  auf einen geringeren Eintrag durch                                                           0
                                                                                                                            400–600                             900–1500
  Wurzeln und eine reduzierte Aktivi-                                                                                                            Höhe ü.M.
  tät von Regenwürmern zurück. Regen-
                                                                                             Kontrolle                       Windwurf
  würmer ziehen Streu in den Mineral-
  boden und vermengen sie dort mit Bo-
  denmineralen, verbrauchen dabei aber                       Abb. 5. Auswirkungen der durch Vivian und Lothar verursachten Windwürfe auf den Vorrat
  nur einen geringen Anteil der Streu                        an Kohlenstoff in der organischen Auflage. Mittelwerte und Standardfehler von je 10 Flächen
  für ihren eigenen Stoffwechsel. Regen-                     von 400–600 m ü. M. sowie je 8 Flächen von 900–1500 m ü. M.
  würmer fahren ihre Aktivität bei Tro-
  ckenheit stark zurück, was zu einem ge-                    dell kommt dem Niederschlag hinsicht-                                                nere Klima zurückführten. Langfristig
  ringeren Einbau von Kohlenstoff aus                        lich der Kohlenstoffvorräte im Mine-                                                 können solche scheinbar kleinen Än-
  der Streu in den Mineralboden führt                        ralboden eine grössere Bedeutung zu                                                  derungen im Humusvorrat grosse Aus-
  (Guidi et al. 2022). Langfristig führt                     als der Temperatur (Tab.  1). Insgesamt                                              wirkungen auf den CO2-Gehalt der At-
  dies zu einer niedrigeren Kohlenstoff-                     legen diese Ergebnisse nahe, dass in ei-                                             mosphäre haben.
  speicherung. Unterstützt wird dieser                       nem zukünftig wärmeren und trocke-                                                   Das Risiko, organische Bodensubs-
  Befund durch die regionale Verteilung                      neren Klima Kohlenstoff aus den Bö-                                                  tanz zu verlieren, besteht auch durch
  der Kohlenstoffvorräte in der Schweiz.                     den verloren geht. Wie schnell und wie                                               indirekte Folgen des Klimawandels. In
  Entlang des Klimagradienten in der                         stark die Abnahme sein wird, lässt sich                                              den letzten Jahrzehnten hat die Inten-
  Schweiz, bei dem es vom Schweizer                          bisher nicht quantifizieren. In den bay-                                             sität von Störungen zugenommen, wie
  Mittelland bis an die Waldgrenze küh-                      rischen Alpen fanden Prietzel et al.                                                 beispielsweise durch Windwürfe oder
  ler und feuchter wird, nimmt die Spei-                     (2016) eine 14 %-Abnahme des Koh-                                                    nach warmen und trockenen Som-
  cherung von Kohlenstoff in Schwei-                         lenstoffvorrats in Waldböden inner-                                                  mern durch Borkenkäferbefall. Solche
  zer Waldböden mit der Höhenlage zu                         halb dreier Jahrzehnte, was die Wissen-                                              Störungen verändern das Bestandes-
  (Abb. 2 und 3). Im statistischen Mo-                       schaftler auf das wärmere und trocke-                                                klima im Wald, sodass der Boden um

                             12
                                                                                                                                                                              Organische
                                                                                                                                                                              Auflage
                             10                                                                                             0
(verglichen mit Kontrolle)
  Bodenfauna Häufigkeit

                              8                                                                                             –5
                                                                                                         Bodentiefe (cm)

                                                                                                                                     Trockene                                 Mineral-
                                                                                                                                                                Bewässert
                              6                                                                                                      Kontrolle                                boden
                                                                                                                           –10

                              4
                                                                                                                           –15
                              2
                                                                                                                           –20
                              0
                                  Asseln   Milben Spring- Enchy- Regen-                                                          0       500      1000   1500     2000
                                                 schwänze träen würmer                                                                Organische Bodensubstanz (gC m–2)

                        Trockene Kontrolle            Bewässert

  Abb. 4. Häufigkeit der Bodenfauna und Tiefenverteilung der Kohlenstoffvorräte im Oberboden nach 15-jähriger Bewässerung in einem tro-
  ckenen Föhrenwald (Pfynwald, Wallis) (Guidi et al. 2022). Mittelwerte und Standardfehler von je vier Versuchsflächen mit jeweils 4 Profilen.

                                                                                                                                                             WSL Berichte, Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022                                                                                                           17

bis zu 5  °C wärmer werden kann. Auch      sich auf die OBS-Speicherung aus-           deutet dies eine bodenschonende Hol-
der Kohlenstoffeintrag in den Boden        wirkt. Eine intensive Waldbewirtschaf-      zernte, eine permanente Bestockung
nimmt ab, und die Struktur des Bo-         tung mit einer grossflächigen Hol-          durch Plenter- oder Dauerwald, sowie
dens wird durch Wurzelteller geworfe-      zernte (Kahlschläge) führt generell         die Förderung eines stabilen, arten-
ner Bäume gestört. Dies regt die bio-      zu Kohlenstoffverlusten aus dem Bo-         und strukturreichen Waldes zur Mini-
logische Aktivität im Boden an, so dass    den (Mayer et al. 2020). Besonders der      mierung von flächigen Störungen wie
Bodenorganismen die OBS verstärkt          Einsatz schwerer Forstmaschinen bei         Borkenkäferbefall oder Windwurf.
abbauen. Eine WSL-Studie (siehe Bei-       der Holzernte bricht die Bodenstruk-
trag von Mayer et al. 2022), in der die    tur mechanisch auf, was den mikrobi-
Böden von 19 Flächen Jahrzehnte nach       ellen Abbau vormals geschützter OBS
den Stürmen Lothar und Vivian unter-       anregt. Zusätzlich erhöht das wärmere       7 Literatur
sucht wurden, zeigt, dass Windwürfe zu     Bodenklima nach Kahlschlägen die
starken Kohlenstoff- bzw. CO2-Verlus-      CO2-Freisetzung aus dem Boden. Im           Bardgett, R.D.; van der Putten W.H.,
ten aus der organischen Auflage führen     Gegensatz hierzu fördert eine natur-          2014: Belowground biodiversity and eco-
(Abb. 5). Der Mineralboden war weni-       nahe und standortsangepasste Wald-            system functioning. Nature 515: 505–511.
ger betroffen. Die Verluste hängen je-     bewirtschaftung mit einer permanen-         Crowther, T.W; Todd-Brown, K.E.O.;
doch von der Höhenlage ab. Während         ten Bestockung die Kohlenstoffspei-           Rowe, C.W. et al. 2016: Quantifying glo-
Windwürfe in tiefergelegenen Wäldern       cherung in Böden (Jandl et al. 2007).         bal soil carbon losses in response to war-
im Schweizer Mittelland keine Aus-         In der Schweiz ist die Kahlschlagswirt-       ming. Nature 540, 104–108.
wirkungen hatten, traten bei höher-        schaft untersagt, und die Wälder wer-       Gies, H.; Hagedorn. F.; Lupker, M.; Mont-
gelegenen Standorten grosse Kohlen-        den im Grossen und Ganzen naturnah            luçon, D.; Haghipour, N.; van der Voort,
stoffverluste auf. Grund hierfür sind      bewirtschaftet. Dies ist wahrscheinlich       T.S.; Eglinton, T.I., 2021: Millennial-
wahrscheinlich die grossen Mengen an       auch einer der Gründe, wieso Schwei-          age glycerol dialkyl glycerol tetraethers
Kohlenstoff, die in höheren Lagen vor      zer Waldböden die höchsten Mengen             (GDGTs) in forested mineral soils: 14C-
allem in mächtigen organischen Aufla-      an Kohlenstoff pro Flächeneinheit im          based evidence for stabilization of micro-
gen gespeichert sind. Wenn sich nach       europäischen Vergleich aufweisen.             bial necromass. Biogeosci. 18: 189–205.
Windwürfen die mikroklimatischen               Böden können nur begrenzt Koh-          Gosheva, S.; Walthert, L.; Niklaus, P.A.;
Verhältnisse ändern, wird die Auflage      lenstoff speichern. Da Schweizer Wald-        Zimmermann, S.; Gimmi, U.; Hagedorn, F.,
schneller zu CO2 abgebaut. An steilen      böden bereits eine sehr hohe Koh-             2017: Reconstruction of Historic Forest
Hanglagen kann auch Erosion zu dem         lenstoffspeicherung haben, ist das            Cover Changes Indicates Minor Effects
Verlust beitragen; der mikrobielle Ab-     Potenzial, durch eine gezielte Bewirt-        on Carbon Stocks in Swiss Forest Soils.
bau scheint jedoch der bedeutendste        schaftung noch mehr CO2 zu spei-              Ecosystems 20: 1512–1528.
Mechanismus des Kohlenstoffverlusts        chern, gering. Prinzipiell wäre die För-    Grüneberg, E.; Ziche, D.; Wellbrock, N.,
aus dem Boden zu sein (Mayer et al.        derung von Laubholz eine geeignete            2014: Organic carbon stocks and seques-
2017). Im Gegensatz dazu haben Bö-         Massnahme, weil dadurch die langfris-         tration rates of forest soils in Germany.
den des Mittellandes eine mullartige       tige Kohlenstoffspeicherung im Mine-          Glob. Change Biol. 20: 2644–2662.
Humusform, wo der grösste Teil der         ralboden erhöht wird (Wiesmeier et  al.     Gubler, A.; Schwab, P.; Wächter, D.;
OBS durch die Wechselwirkung mit           2013). Experimentell konnte zudem             Meuli, R.G.; Keller, A., 2015: Ergeb-
der Mineralerde stabilisiert ist und da-   gezeigt werden, dass Wälder mit einer         nisse der Nationalen Bodenbeobachtung
her weniger empfindlich auf Störun-        hohen Baumarten-Vielfalt nicht nur zu         (NABO) 1985–2009. Zustand und Ver-
gen reagiert. Klimaprojektionen las-       einer höheren oberirdischen Biomasse,         änderung der anorganischen Schadstoffe
sen ein zunehmend extremeres Klima         sondern auch zu einem höheren Gehalt          und Bodenparameter. Bundesamt für
mit mehr Störungen erwarten – die ho-      an organischer Bodensubstanz füh-             Umwelt, Bern. Umwelt-Zustand Nr. 1507.
hen Vorräte an Bodenkohlenstoff im         ren (Liu et al. 2018). Allerdings ist der   Guidi, C.; Frey, B., Brunner I.; Meusbur-
Schweizer Wald, insbesondere in höhe-      Schweizer Wald vielerorts relativ arten-      ger, K.; Vogel, M.E.; Chen, X.; Stucky,
ren Lagen, wo Böden mächtige Aufla-        reich und hat, wo es die Standortsver-        T.; Gwiazdowicz, D.J.; Skubała, P.; Bose,
gen haben, könnten sich hier als nach-     hältnisse erlauben, schon einen hohen         A.K.; Schaub, M.; Rigling, A.; Hage-
teilig für die CO2-Bilanz erweisen.        Laubholzanteil. Zudem weisen Laub-            dorn, F., 2022: Soil fauna drives vertical
                                           und Nadelholzbestände im Schweizer            redistribution of soil organic carbon in a
                                           Wald einen vergleichbaren OBS-Vor-            long-term irrigated dry pine forest. Glob.
                                           rat auf (Abb. 3). Daher erscheint hier        Change Biol. 28, 9: 3145–3160.
6 Vermeiden von Kohlen-                    das Potenzial, durch gezielte Baumar-       Hagedorn, F.; Krause, H.-M.; Studer, M.;
  stoffverlusten: die beste                tenförderung noch mehr Kohlenstoff            Schellenberger, A.; Gattinger, A.,
  Massnahme                                im Waldboden zu speichern, mengen-            2018: Boden und Umwelt: organische
                                           mässig begrenzt.                              Bodensubstanz, Treibhausgasemissionen
Auch die Bewirtschaftung von Wäl-              Die geeignetste Massnahme ist             und physikalische Belastung von Schwei-
dern beeinflusst die Menge und Qua-        deswegen die Vermeidung von Kohlen-           zer Böden. Thematische Synthese TS2
lität des pflanzlichen Eintrags in den     stoffverlusten durch die Erhaltung des        des Nationalen Forschungsprogramms
Boden, die mikroklimatischen Ver-          bestehenden Humusvorrates im Bo-              «Nachhaltige Nutzung der Ressource Bo-
hältnisse und die Bodenstruktur, was       den. Für die Waldbewirtschaftung be-          den» (NFP 68), 2. 93 p.

WSL Berichte, Heft 126, 2022
18                                                                                                                Forum für Wissen 2022

Jandl, R.; Lindner, M.; Bauwens, B.; Ves-          nic carbon stocks after forest windthrow      Prietzel, J.; Zimmermann, L.; Schubert, A.;
  terdal, L.; Baritz, R.; Hagedorn, F.;            in a mountainous ecosystem. Funct. Ecol.        Christophel, D.; 2016: Organic matter
  Johnson, D.; Minkkinen, K.; Byrne, K.,           31: 1163–1172.                                  losses in German Alps forest soils since
  2007: Review: How strongly can forest           Mayer, M.; Prescott, C.E.; Abaker, W.E.A.;       the 1970s most likely caused by warming.
  management influence soil carbon se-             Augusto, L.; Cécillon, L.; Ferreira,            Nature Geosci. 9: 543–548.
  questration? Geoderma 137: 253–268.              G.W.D.; James, J.; Jandl, R.; Katzen-         Streit, K.; Hagedorn, F.; Hiltbrunner, D.;
Lehmann, J.; Kleber, M., 2015: The conten-         steiner, K.; Laclau, J.-P.; Laganière, J.;      Portmann, M.; Saurer, M.; Buchmann,
  tious nature of soil organic matter. Nature      Nouvellon, Y.; Paré, D.; Stanturf, J.A.;        N.; Wild, B.; Richter, A.; Wipf, S.; Sieg-
  528: 60–68.                                      Vanguelova, E.I.; Vesterdal, L., 2020:          wolf, R.T.W., 2014: Soil warming alters
Liu, X.; Trogisch S.; He, J.-S.; Niklaus, P.A.;    Tamm review: Influence of forest ma-            microbial substrate use in alpine soils.
  Bruelheide, H.; Tang, Z.; Erfmeier, A.;          nagement activities on soil organic car-        Glob. Change Biol. 20: 1327–1338.
  Scherer-Lorenzen, M.; Pietsch K.A.,              bon stocks: A knowledge synthesis. For.       Wiesmeier, M., Prietzel, J.; Barthold, F.,
  Yang B, Kühn, P.; Scholten, T.; Huang,           Ecol. Manage. 466: 118127.                      2013: Storage and drivers of organic car-
  Y.; Wang, C.; Staab, M.; Leppert K.N.;          Mayer, M.; Rusch, S.; Didion, M.; Baltens-       bon in forest soils of southeast Germany
  Wirth, C.; Schmid, B.; Ma, K., 2018: Tree        weiler, A.; Walthert, L; Ranft, F.; Rig-        – implications for carbon sequestration.
  species richness increases ecosystem car-        ling, A.; Zimmermann, S.; Hagedorn, F.,         For. Ecol. Manag. 2095: 162–172.
  bon storage in subtropical forests. Proc.        2022: Humusverlust nach Windwurf – Ri-
  R. Soc. B. 285: 20181240. http://dx.doi.org/     sik im Bergwald. In diesem Band: 43–45.
  10.1098/rspb.2018.1240                          Nussbaum, M.; Papritz, A.; Baltensweiler,
Mayer, M; Sandén, H.; Rewald, B.; God-             A.; Walthert, L., 2014: Estimating soil or-
  bold, D.L.; Katzensteiner, K., 2017: In-         ganic carbon stocks of Swiss forest soils
  crease in heterotrophic soil respiration by      by robust external-drift kriging. Geosci.
  temperature drives decline in soil orga-         Mod. Develop. 7: 1197–210.

Abstract
Soil Organic matter in Swiss forests – an essential but sensitive resource
Soil represents an essential component in forest ecosystems. It fulfills key func-
tions as living space, storage for carbon and nutrients, regulation of water and ele-
ment cycles. Soil organic matter plays a key role for all soil functions. Swiss forest
soils contain the greatest organic matter stocks per unit area of all European coun-
tries due to the relatively cool and humid climate and the overall sustainable fo-
rest management. The stocks have built up over thousands of years, but are put at
risk by climate change – higher temperatures and more intense drought – as well
as disturbances by windthrows or clear cuts. A soil-friendly forest harvest, a con-
tinuous forest cover, as well as the promotion of a structure- and species-rich fo-
rest are all contributing to preserve soil organic matter as an essential resource in
the soil.

Keywords: Carbon sequestration, climate change, disturbance, drought, ecosystem
service, forest management, tree species

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                                                                                                           WSL Berichte, Heft 126, 2022
Forum für Wissen 2022: 19–26         doi.org/10.55419/wsl:32002                                                                  19

Waldökosystemernährung und Klimawandel: Schmilzt mit
der Humusauflage auch die Nährstoffverfügbarkeit?
Friederike Lang1 und Jörg Luster2

1
    Professur für Bodenökologie, Institut für Forstwissenschaften, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Bertoldstrasse 17,
    D-79085 Freiburg; Fritzi.Lang@bodenkunde.uni-freiburg.de
2
    Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee, und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
    joerg.luster@wsl.ch

Humusauflagen bedecken die Mineralböden in Wäldern. Sie bestehen aus abge-               fikationsystem L oder OL), dem Fer-
storbenen Pflanzenresten in unterschiedlichen Zersetzungsstadien und erfüllen            mentations-Horizont aus teilweise ab-
wichtige Funktionen im Nährstoff- und Wasserkreislauf der Waldökosysteme. Ak-            gebauter Streu mit noch gut erkennba-
tuelle Arbeiten zur Phosphor-Ernährung von Buchenwäldern legen nahe, dass                ren Streufragmenten (F oder OF) und
mächtige Humusauflagen das Resultat ökosystemarer Anpassung an P-arme Mi-                dem humosen Horizont aus kaffeesatz-
neralböden sind. Als oberste Schicht des Bodens reagieren Humusauflagen beson-           artiger, stark abgebauter und umgewan-
ders sensitiv auf oberirdische Veränderungen. Dies ist für Stickstoffeinträge be-        delter organischer Substanz (H oder
reits gut belegt und könnte auch für Veränderungen gelten, die mit dem Klima-            OH). Der Aufbau der Humusauflage
wandel zu tun haben. Episodisch auftretende Störungen oder ein kontinuierlicher          aus 1 bis 3 dieser Horizonte definiert
Temperaturanstieg führen zu einer beschleunigten Mineralisation von Humusauf-            zusammen mit der Intensität der Ein-
lagen und können Nährstoffungleichgewichte hervorrufen. Das Belassen der Ern-            mischung organischer Substanz in den
terückstände (Äste, Zweige, Rinde) im Bestand sowie die Berücksichtigung des             darunterliegenden Mineralboden (Ah-
Waldinnenklimas beim Waldmanagement sind daher besonders an nährstoffar-                 Horizont) die sogenannten Humus-
men Standorten geboten.                                                                  formen (typische Ausprägungen: Mull,
                                                                                         Moder, Rohhumus). Die Humusformen
                                                                                         werden durch die Faktoren Bodenei-
1 Humusauflagen als sensible                stanz aufweisen (KA 5, Ad-hoc-AG-            genschaften, Vegetation (insbesondere
  Funktionsträger                           Boden, 2005). Nach einer groben Un-          Baumart), Klima und Bodenorganis-
                                            terteilung besteht die Humusauflage          men bestimmt (Abb. 1) und sind des-
Der Begriff Humusauflage umfasst die        aus bis zu drei verschiedenen Hori-          halb wichtige ökologische Indikatoren.
organischen Horizonte, die in Wäldern       zonten, die sich durch ihren Zerset-         Die genannten Faktoren werden durch
dem Mineralboden aufliegen und nach         zungsgrad unterscheiden: Dem Streu-          Störungen stark beeinflusst. Für Bei-
Definition der Deutschen Bodenklassi-       Horizont aus wenig zersetzter Streu          spiele realer Ausprägungen der Humus-
fikation mehr als 30 % organische Sub-      (Horizontbezeichnung je nach Klassi-         formen siehe Walthert et al. (2004).

                                                 Klima:                            Störungen:
                                                 – Niederschlag                    – Stickstoffeinträge
                                                 – Temperatur                      – Sturmwurf
                                                 – Frost                           – Schädlingskalamitäten
                                                 – Witterungsextreme               – Waldbewirtschaftung

Baumart:
– Streumenge
– Streuqualität                                                              Streufall
– Durchwurzelung                                                                                Zersetzung

                                            Humusauflage
Bodenorganismen:                                                                                        (O)L      Bioturbation
                                                             (O)H                        (O)F
– Artenzusammensetzung                   Bodenoberfläche
– Aktivität/Abundanz
                                                                                                          Ah
                                            Mineralboden
Bodeneigenschaften:
                                                                           Kapillarer       Verlagerung mit Perkolat,
– Wasserverfügbarkeit
                                                                           Aufstieg         Auswaschung
– Nährstoffverfügbarkeit
– Säurezustand
                                               Humusform: Rohhumus                              Moder                     Mull

Abb. 1. Steuergrössen und Schlüsselprozesse, welche gemäss Stand der Forschung die Eigenschaften der Humusauflage und die Humusform
beeinflussen. Dargestellt ist der Aufbau der wichtigsten drei typischen Humusformen.

WSL Berichte, Heft 126, 2022
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