Wirtschafts spiegel - IHK
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wirtschafts 12 | 2022
spiegel
Aufgaben stellen Anschluss finden Aufbruch wagen
Akademie für Azubis 36 Glasfaser für die Region 54 „Triple Zero“ für die Umwelt 60
2022-12-IHK-NW_WiSpi-Umschlag.indd 1 29.11.22 15:19
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Bürokonzepte
› Planung
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Die Arbeitswelt steht vor einem Wandel. Im Wettbewerb um die Homeoffice dazu motiviert werden gerne wieder regelmäßig
besten Köpfe sind bereits in den letzten Jahren die Bürowelten ins Büro zu kommen? Sehen Sie vielleicht die Notwendig-
in den Fokus gerückt, um funktionierende Teamarbeit, Kreativi- keit einer Umgestaltung Ihrer Bürofläche, scheuen aber den
tät und Erfolg möglich zu machen. Themen wie Schalldämmung Aufwand? Wir können Ihnen als „GU für innen“ die gesamte
und Schallabsorption, Kühlung, Lüftung, natürliche Belichtung, Aufgabe abnehmen – nach dem Prinzip „Alles aus einer Hand“.
Meeting- und Verweilflächen, Flexibilität, Mobilität, Flächen- Wir sprechen mit Ihrem Team, erstellen Planungen, prüfen die
ausnutzung sind immer mehr in den Mittelpunkt gerückt. Nun technischen Umbaumöglichkeiten und erstellen Budgets und
kommen durch die Erfahrungen aus der Pandemie weitere Timelines. Wir schaffen Ihr „Homeoffice im Büro“, während Sie
Themen hinzu, wie Videokonferenzräume, notwendige Abstän- sich um Ihr eigenes Business kümmern können. Gern zeigen wir
de und Hygienevorschriften – und ein ganz besonderer Aspekt: Ihnen in unserem Green Building, was wir unter Homeoffice im
Wie können die Mitarbeitenden trotz gut funktionierendem Büro verstehen.
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AUSRUFEZEICHEN
Nach vorn schauen
Es braucht vor allem eines, um die aktuelle Krise
gut zu überstehen: Mut.
Das Ziel ist klar und in der regionalen Denn vom Ziel der klimaneutralen Wirt-
Wirtschaft unumstritten: Deutschland schaft lassen wir uns trotz allem nicht
will 2045 klimaneutral sein. Genauer ge- abbringen. Das zeigt nicht nur das En-
sagt (und das ist wichtig), ein klimaneu- gagement der Unternehmen im IHK-
trales Industrieland. Auf dem Weg dahin Nachhaltigkeitsausschuss. Mitten in der
drohen allerdings viele Unternehmen auf Energiekrise haben 30 Unternehmen aus
der Strecke zu bleiben. Denn die durch den der Emscher-Lippe-Region unter ande-
russischen Angriffskrieg auf die Ukraine rem mit Unterstützung der IHK die Initia-
ausgelöste Energiekrise mit ihren extre- tive „transform to zero“ gegründet (Seite
men Preissteigerungen über- 60). Sie gehen voran, um durch zirkuläre
fordert in rasantem Tempo im- Wirtschaftsweise wahre Klimaneutralität
mer mehr Unternehmen (Seite nach den Zielen des European Green Deal
42 und Titelthema). zu erreichen und zugleich einen Wettbe-
Politik und Verwaltung tun werbsvorsprung zu gewinnen.
derzeit alles, damit die Ener- Genau diesen Mut von Unternehmen mit
giekrise keine verheeren- dem Blick über die aktuelle Krise hinaus
de Schneise in unsere Wirt- brauchen wir jetzt. Auch in der Politik.
schaftsstruktur schlägt. Schon Sie muss jetzt alles dafür tun, dass Un-
mehren sich nach einem über- ternehmen wieder Vertrauen gewinnen
raschend guten dritten Quartal und hierzulande in die Zukunft investie-
mit einem leichten Wachstum ren. Dann wird das nächste Jahr vielleicht
des Bruttoinlandsprodukts die wirklich besser als gedacht.
Stimmen, die Rezession ver-
laufe vielleicht doch milder
als zunächst prognostiziert.
Dr. Benedikt Hüffer (l.) und Dr. Fritz Jaeckel Doch dafür muss die Wirt-
Foto: Mensing/IHK schaft hierzulande nicht nur
winterfest, sondern auch zu-
kunftsfest gemacht werden. Das völlig Dr. Benedikt Hüffer
außer Form geratene energiepolitische Präsident
Dreieck aus Klima- und Umweltverträg-
lichkeit, Versorgungssicherheit sowie Be-
zahlbarkeit muss wieder neu justiert wer-
den. Für eine neue Energiesicherheit sind
alle Optionen der Energieherstellung vor-
urteilsfrei zu prüfen und zu nutzen. Bis Dr. Fritz Jaeckel
die Energiewende endlich geschafft ist. Hauptgeschäftsführer
Wirtschaftsspiegel Dezember 2022 3
INHALT
54 23
Langsame Leitungen bremsen Vollversammlung
Unternehmen aus verabschiedet Positionen
Titelthema Themen
14 Auf Sparflamme 23 Wettbewerbsfähig bleiben 42 Energiepreisschock trifft
Wirtschaft in der Energiekrise IHK-Vollversammlung bezieht Position Wirtschaft
zu Energiekrise, Außenwirtschaft und Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage
19 Die Sorge vor der Mangellage Regionalplanung
Wie Unternehmen sich vorbereiten 54 Anschluss gefunden
34 „Unternehmen und Regionale Netzbetreiber liefern
17 Gesprächsbasis für Familie trennen“ manchmal die Lösung für Unterneh-
den Ernstfall Tipps für Familienunternehmen beim men auf der Suche nach dem
Sogar in den ARD-tagesthemen wurde 6. IHK-Forum Nachfolge Glasfaseranschluss
das „Gelsenkirchener Modell“ gelobt
36 Das Extra in der Ausbildung 58 Gelegenheit macht Datendiebe
22 Unabhängigkeit Ambitionierte Azubis beweisen sich in Eine Untersuchung des IT-Forums
bei Gas und Strom Projekten der Azubi-Akademie Nord Westfalen zeigt Handlungsbedarf
Das Beispiel Oexmann bei der IT-Sicherheit
38 Azubis als Industrie-Botschafter
326 Auszubildende zeigen bei den 60 Ziel ist die dreifache Null
Social Days Verantwortung Die Unternehmensinitiative „Transform
to Zero“ ist ganz vorne auf dem Weg zu
null Abfall, null Umweltverschmutzung
40 Klimafreundlicher abheben und null Emissionen
Die Wirtschaft braucht den Flughafen
Münster/Osnabrück
4
INHALT
In eigener Sache
Ab 2023 erscheinen jährlich nur noch vier Ausgaben des
„Wirtschaftsspiegel“. Mit diesem Beschluss hat die Vollversammlung
auf die steigenden Papier- und Energiepreise reagiert. Die nächste
Ausgabe erscheint im März 2023.
Für aktuelle Themen stehen neben dem ständig aktualisierten IHK-Inter-
netangebot neun IHK-Newsletter mit Informationen direkt aus den Ge-
schäftsbereichen zur Verfügung (www.ihk.de/nordwestfalen). Das Themen-
spektrum reicht von der Ausbildung und Außenwirtschaft über Handel und
Industrie bis hin zu Unternehmensgründung sowie Verkehr und Mobilität.
Und natürlich ist die IHK auch schon lange auf den für ihre Arbeit wesent-
lichen Social-Media-Kanälen präsent.
Mit der Umstellung des „Wirtschaftsspiegel“ auf eine Erscheinungsweise
im Dreimonatsrhythmus endet die jahrzehntelange gute Zusammenarbeit
mit dem Aschendorff Verlag, der sich angesichts dieser Entwicklung ent-
schlossen hat, das Mandat für die Vermarktung von Anzeigen abzugeben.
Unternehmen, die weiterhin Anzeigen publizieren möchten, können ihr
Interesse unverbindlich durch eine Mail bekunden:
» wirtschaftsspiegel@ihk-nordwestfalen.de, Betreff: Anzeigen 63
Komplette Standortverlagerung
Ihr
Guido Krüdewagen, Redaktionsleiter mit Landesbürgschaft
Rubriken VerlagsSpezial
62 G
roßprojekt mit 3 AusrufeZeichen 70 Sicherheit im Unternehmen,
Landesbürgschaft
Serie Förderprogramme: LUEB + 6 TerminBörse 72 Wirtschaftsraum Borken,
WOLTERS hat komplett den Standort
verlagert 8 BlickFang
76 Dienstleistung und Outsourcing
10 Nord-Westfalen
64 Starke Leistungen
Die besten Auszubildenden aus 25 KonsumGut Den Wirtschaftsspiegel gibt es
ganz NRW wurden in Wuppertal geehrt auch als E-Paper
- 24 Azubis aus Nord-Westfalen waren 26 IHK-Service
dabei
www.ihk-nw.de/wirtschaftsspiegel
30 Bildung
66 Gemeinsam ans Klimaziel
Serie Nachhaltigkeit: Schuhhersteller 32 Recht
IHK-Telefonnummern
L. Priebs misst seine Klimafortschritte
mithilfe der Science Based Targets 44 BetriebsWirtschaft
Initiative 0251 707-0 (Münster)
68 Menschen 0209 388-0 (Gelsenkirchen)
02871 9903-0 (Bocholt)
80 LebensWert
81 Spezialisten
82 SchlussPunkt
Wirtschaftsspiegel Dezember 2022 5
TERMINBÖRSE
IHK-Sprechtage IHK-Zukunftspapier zum nachhaltigen Wirtschaften
Unternehmen sind gefragt
Steuern Bis zum 20. Dezember 2022 können sich Unternehmen an der Onlinebefragung der IHK
Grundwissen und Tipps vom
Steuerberater für Existenzgründer Nord Westfalen zum nachhaltigen Wirtschaften beteiligen. Die Hinweise, Anregungen
und Bewertungen werden abwägend berücksichtigt in dem Zukunftspapier „Nachhal-
13. Dezember 2022 tige Wirtschaft Nord-Westfalen“, das im kommenden Jahr von der IHK-Vollversamm-
17. Januar 2023
lung verabschiedet werden soll. Das Papier behandelt grundlegende, alle Unternehmen
13. Februar 2023
online betreffende Fragen einer nachhaltigen Wirtschaft. Das Ausfüllen der Umfrage dauert
ungefähr sieben bis acht Minuten.
www.ihk.de/nordwestfalen, » www.ihk.de/nordwestfalen/zukunft
Nr. 156144623
Weiterbildung
Nachfolge
Beratung zu Rechtsfragen im Beratung im
Nachfolgeprozess durch einen
Rechtsanwalt Unternehmen
22. März 2023 Eine Weiterbildungsberatung
IHK in Gelsenkirchen
im Unternehmen bietet die
www.ihk.de/nordwestfalen, IHK-Weiterbildung zwischen
Nr. 156120521 dem 6. und 10. Februar 2023
an – persönlich vor Ort oder
digital, anbieterneutral, kos-
Finanzierung tenfrei und unverbindlich. Es
Expertenrat zur Unternehmens- geht um Lehrgänge, die auf
finanzierung und Informationen IHK-Prüfungen wie Industrie-
über Förderprogramme
meister vorbereiten, duale und
14. Dezember 2022 berufsbegleitende Studien-
18. Januar 2023 gänge mit Bachelorabschluss
15. Februar 2023 oder Tagesseminare.
online
» Anmeldung:
www.ihk.de/nordwestfalen, Beratungsangebot: Die IHK unterstützt Unternehmen Miriam Marcoux
Nr. 156127179 bei der Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden. Tel. 02871 9903-616
Foto: Robert Kneschke/AdobeStock miriam.marcoux@ihk-nw.de
CE-Sprechtag
Beratung zur Anwendung von Gründung MentorenNetz
Richtlinien und Normen bei der
CE-Kennzeichnung Starthilfe Expertencheck
12. Dezember 2022 Das Seminar „Fahrplan in die Selbststän- Im MentorenNetz der IHK Nord West-
online digkeit“ vermittelt Basiswissen, um er- falen stehen ehemalige Führungskräfte
folgreich ein Unternehmen zu gründen. Existenzgründern, jungen Unterneh-
www.ihk.de/nordwestfalen,
Experten stellen Gründungskonzepte vor men sowie Unternehmensnachfolgern
Nr. 156141263
und erarbeiten mit den Teilnehmenden mit ihrem Expertenwissen und ihrer
einen Fahrplan für die Gründung. Ver- Führungserfahrung beratend zur Seite.
anstalter ist die Initiative „Münster grün- Das Angebot ist kostenfrei, eine An-
@ Alle Veranstaltungen der IHK
Nord Westfalen:
www.ihk.de/nordwestfalen/
det!“, in der die IHK Mitglied ist.
» 17. Januar 2023, online
meldung erforderlich.
» 14. Dezember 2022, 2. Februar 2023
termine »w ww.ihk.de/nordwestfalen, »w ww.ihk.de/nordwestfalen,
Nr. 156132380 Nr. 156131706
6 Wirtschaftsspiegel Dezember 2022
TERMINBÖRSE
#KurzErklärt
Fachkräfte aus dem
Ausland integrieren
Mit einem modernen Mobilitätsmanagement können Unternehmen unter anderem ihre Die neue Webinarreihe #KurzErklärt
CO2-Emissionen reduzieren und zum Klimaschutz beitragen. Foto: scharfsinn86/AdobeStock informiert Betriebe in jeweils 45-mi-
nütigen Einheiten zu verschiedenen
Themen rund um die Arbeitsmarktin-
Mobilitätskonzepte für tegration von Geflüchteten und Zuge-
wanderten. Beim nächsten Termin am
den Betrieb entwickeln 24. Januar geht es um neue rechtliche
Rahmenbedingungen und das geplante
Chancen-Aufenthaltsrecht.
Im Frühjahr 2023 startet im IHK-Bildungszentrum in » 24. Januar 2023, 10 Uhr, online
»w ww.event.dihk.de/IHK_Nord_
Münster der IHK-Zertifikatslehrgang „Betrieblicher
Westfalen
Mobilitätsmanager“.
Während des Lehrgangs erwerben die wie zu Kostensenkungen beitragen. Der Großer Preis des Mittelstandes
Teilnehmenden Kenntnisse, um für ihr Lehrgang ist ein Angebot des IHK-Netz-
Unternehmen Mobilitätskonzepte zu ent- werks „Betriebliche Mobilität NRW“. Ge-
Jetzt bewerben
wickeln und umzusetzen. Damit möchte fördert durch das Verkehrsministerium Noch bis zum 31. Januar 2023 können
die IHK Nord Westfalen Betriebe dabei des Landes Nordrhein-Westfalen betragen Betriebe, Kommunen und Banken für
unterstützen, ihre Mobilität nachhaltig zu die Lehrgangskosten für IHK-Mitglieds- den „Großen Preis des Mittelstandes
gestalten. Denn ein modernes Mobilitäts- unternehmen 300 Euro pro Teilnehmer. 2023“ der Oskar-Patzelt-Stiftung no-
management bringt viele Vorteile: Neben » Anmeldung: miniert werden. Die Gewinner 2022
der Sicherung von Fachkräften können Fabian Bannier, Tel. 0251 707-303, aus Nord-Westfalen werden auf Seite
Unternehmen zum Gesundheitsmanage- fabian.bannier@ihk-nw.de 52 vorgestellt.
ment, zum Umwelt- und Klimaschutz so- » www.ihk.de/nordwestfalen, Nr. 4854354 » www.mittelstandspreis.com
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BLICKFANG
Aus dem Hobby wird Beruf. Victoria
Hövel ist eine von über 7500 Gründer-
innen und Gründern, die sich im Jahr
2020 in Nord-Westfalen zunächst im
Nebenerwerb selbstständig gemacht
haben. Unterstützt wurde sie dabei von
IHK-Gründungsberater Christian Seega,
der ihr Tipps beim Businessplan und bei
Finanzierungsfragen gab. Ihre Geschäfts-
idee erwies sich als glänzend. Die ehema-
lige OP-Assistentin entwirft und ver-
kauft Schmuckkombinationen, die sich
ihre Kundinnen und Kunden aus Anhän-
gern, Ketten und Ohrringen zusammen-
stellen können. Nach Eröffnung eines
eigenen Onlineshops und eines Pop-up-
Stores in Münster wagte sie Anfang 2021
mit einem Laden in Münsters Innenstadt
den Schritt in die hauptberufliche Selbst-
ständigkeit. Acht Mitarbeiterinnen sind
jetzt bei ihr angestellt. Weitere Pop-up-
Stores sind geplant. Die Zahl der
Beratungen für eine Selbstständigkeit
im Nebenerwerb habe in den ver-
gangenen Jahren stetig zugenommen,
weiß Christian Seega. „Es ist eine gute
Möglichkeit, unternehmerisches Han-
deln auszuprobieren und dabei weiter
finanziell abgesichert zu sein“, so der
Gründungsberater. Und oft entwickele
sich daraus, wie bei Victoria Hövel, ein
Haupterwerb.
www.ihk.de/nordwestfalen/gruendung
8 Wirtschaftsspiegel Dezember 2022
BLICKFANG
Foto: Stephan/IHK
Wirtschaftsspiegel Dezember 2022 9
NORD-WESTFALEN
Wirtschaftsjunioren Transformation
Besuch bei Shopware
Viele Unternehmen nutzen für ihren
gemeinsam bewältigen
Onlineshop die Lösung der Shopwa-
re AG aus Schöppingen. Sebastian Mit engeren Kooperationen will die Wirtschaft in der
Hamann begrüßte Ende Oktober die Emscher-Lippe-Region die Transformation zu einer
Wirtschaftsjunioren zu einem Unter-
nehmensbesuch. Hamann, der das Un- digitalen und nachhaltigen Wirtschaft bewältigen.
ternehmen mit seinem damals erst 16
Jahre alten Bruder gründete, beant- Das wurde deutlich bei der gemeinsamen menschließen, um miteinander Lösungen
wortete Fragen wie: Wie ist Shopwa- Sitzung der IHK-Regionalausschüsse der zu erarbeiten.
re eigentlich entstanden und gewach- Städte Bottrop und Gelsenkirchen so- Als Beispiele nannte er den Klimahafen
sen? Was macht den Shopware-Spirit wie des Kreises Recklinghausen in Cas- Gelsenkirchen, wo bereits 17 Unterneh-
aus und wie entstehen die Produkte? trop-Rauxel. Mehr als 50 Unternehme- men engagiert sind, und die neu ge-
„Es war unglaublich spannend, ei- rinnen und Unternehmer erörterten mit gründete Unternehmensinitiative „TTZ –
nen Blick hinter die Kulissen von Vertretern der regionalen Wirtschaftsför- Transform To Zero“ (siehe Seite 60).
Shopware werfen zu dürfen“, betont derungseinrichtungen und der IHK Nord Bodo Klimpel, Vorsitzender des Präsidi-
Christina Elbert von den Wirtschafts- Westfalen, wie die Neuausrichtung der ums der WiN Emscher-Lippe GmbH, un-
junioren. Auch 2023 stehen bei den Wirtschaft gelingen kann. terstrich: „Unsere Wasserstoff-Roadmap
Wirtschaftsjunioren wieder spannen- Lars Baumgürtel, Sprecher der drei IHK- sowie die Projekte Smart Region und Pro-
de Unternehmensbesuche an. Regionalausschüsse der Emscher-Lippe- sperkolleg werden überregional beachtet.“
» www.wjnw.de Region und Vizepräsident der IHK Nord Prof. Dr. Julia Frohne, Geschäftsführerin
Westfalen, ist überzeugt, dass die konse- der Business Metropole Ruhr (BMR) be-
quente Umsetzung der energetischen und tonte, die Emscher-Lippe-Region mit ih-
Hansa-Business-Park Münster stofflichen Transformation mit dem Ziel rer Erfahrung in regenerativer Produk-
einer CO₂-neutralen Kreislaufwirtschaft, tion und in der Zirkulärwirtschaft leiste
Wasserstoff für die wie sie die EU plane, letztendlich zu einen wichtigen Beitrag, „für die nachhal-
Batterieforschung Wettbewerbsvorteilen führen werde. Dazu tige Entwicklung zu einem grünen Wirt-
müssten sich die Unternehmen zusam- schaftsstandort Metropole Ruhr“.
Die Westfalen AG will in Kooperation
mit der Stadtwerke Münster GmbH,
der Stadtnetze Münster GmbH und
der Fraunhofer FFB im Hansa-Busi-
ness-Park in Münster bereits im Jahr
2025 grünen Wasserstoff produzieren.
Etwa zu der Zeit wird auch die Bat-
terieforschungsfabrik der Fraunhofer-
Gesellschaft starten, die am stärksten
von der Wasserstoffproduktion im
südlichsten Gewerbegebiet der Stadt
profitieren würde. Eine Machbarkeits-
studie in Regie der Technologieförde-
rung Münster soll klären, wie das Pro- Neue Arbeitswelten
jekt unter Beteiligung weiterer Nutzer
Einblicke in die Umsetzung neuer Arbeitswelten in einem Großunternehmen hat Dr.
umgesetzt werden kann. Zudem will Mathias Kleuker (3. v. l.) , Vorstandsvorsitzender des LVM, in der Sitzung des IHK-Regional-
die Stadtnetze Münster GmbH die ausschusses Münster aufgezeigt. Torben Atzberger (links), Geschäftsführer der Vereda GbR,
Einspeisung beziehungsweise Beimi- hat in seinem Unternehmen die vier-Tage-Woche eingeführt. Über den regen Austausch
schung ins Erdgasnetz prüfen. Einen freuten sich Joachim Brendel, IHK Nord Westfalen; Isabel Habla, Vizepräsidentin und IHK-
Kooperationsvertrag unterzeichneten Regionalausschuss-Vorsitzende sowie die stellvertretenden Regionalausschuss-Vorsitzen-
die Partner im September. den Julian Sievers und Wolfgang Stricker (v. l. n. r.). Foto: IHK
10 Wirtschaftsspiegel Dezember 2022„Zeit für wirkliche Action“ sei es jetzt beim Thema Wasserstoff, befand IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel (2. v. r.) auf dem Podium des
NRW HY Summit. Foto: Krüdewagen/IHK
Für Wasserstoff in Aktion
Einblicke, wie das Land Nordrhein-Westfalen bis 2030 das größte Wasserstoff-Ökosystem Europas
aufbauen möchte, vermittelte am 9. November der internationale NRW HY Summit 2022 in Essen.
Gleich mit zwei Spitzenvertretern war die IHK Nord Westfalen auf dem Podium. » Von Guido Krüdewagen
I n der ersten Diskussionsrunde rund
um die Perspektiven bis 2030 machte
IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jae-
Wasserstoff schon in drei bis fünf Jahren
bei acht Cent liegen werde. „Auf diesem
Niveau wird Wasserstoff wettbewerbsfähig
aus Branchen und Anwendungen, die als
beihilfeberechtigte Unternehmen unter
die sogenannte KUEBLL-Liste fallen, ein
ckel Dampf: „Wir haben alles, was wir und eine echte Option“, ist Jaeckel sicher. Recht auf den Bezug von grünem Wasser-
technisch brauchen, um unsere Probleme Rund um die konkrete Nutzung von stoff als Energieträger haben sollten.
zu lösen: Wir müssen das jetzt schneller Wasserstoff in der Industrie ging es in der Dabei wies Baumgürtel darauf hin, dass
umsetzen. Wir können nicht länger war- vierten Diskussionsrunde. IHK-Vizepräsi- NRW mit seiner dichten Industrieland-
ten, es ist Zeit für wirkliche Action.“ Das dent Lars Baumgürtel, Geschäftsführen- schaft technologisch über alle not-
Land könne bei der nächsten Welle der wendigen Player und das notwendige
industriellen Transformation ganz vorne Know-how verfüge, um die energetische
dabei sein. „Wir haben besondere Stärken „Auf diesem Niveau Transformation zu einem modernen, kli-
im Maschinenbau und der Ingenieurs- wird Wasserstoff maneutralen Industriestandort zu bewäl-
kunst insgesamt“, betonte Jaeckel: „Damit tigen. Voraussetzung dafür sei aber eine
schaffen wir es, die Energieversorgung
wettbewerbsfähig.“ diskriminierungsfreie Teilhabe für den
der Zukunft zum Exportmodell für das energieintensiven Mittelstand und Un-
Land zu machen.“ Dr. Fritz Jaeckel terstützung des Mittelstands bei der Um-
Voraussetzung dafür seien Fachkräfte. stellung auf kohlenstofffreie Energieträ-
„Deshalb starten wir zusammen mit dem ger. „Diese Transformation wird ohne den
DIHK ein Trainings- und Lehrgangspro- der Gesellschafter der ZINQ GmbH & Co. energieintensiven Mittelstand nicht ge-
gramm. Es soll im nächsten Jahr in Müns- KG (Gelsenkirchen) verdeutlichte hier den lingen“, sagte Baumgürtel. Ein gutes Bei-
ter starten.“ Als interessanten Hinweis für großen Bedarf von 465 Terawattstunden, spiel ist für Baumgürtel der „Klimahafen
die Beurteilung der „Wasserstoff-Perspek- der in der deutschen Industrie allein bei Gelsenkirchen“ mit einem jährlichen Be-
tiven bis 2030“ wertet Jaeckel, dass der der Prozesswärme besteht - mehr als das darf von über 15 000 Tonnen Wasserstoff.
Gaspreis nach dem Ende des Angriffskriegs Doppelte der jährlichen Erzeugung von Im Zuge des Projektes GetH2 sollen hier
Russlands auf die Ukraine von Fachleuten Strom aus erneuerbaren Energien. Er be- 17 Unternehmen an die zukünftige Ver-
auf sieben Cent geschätzt werde. Er wie- tonte, dass alle energieintensiven Unter- sorgung mit grünem Wasserstoff ange-
derum prognostizierte, dass der Preis für nehmen - unabhängig von ihrer Größe - schlossen werden. «
Wirtschaftsspiegel Dezember 2022 11NORD-WESTFALEN
Wirtschaftsflächen
nachhaltig nutzen
Mit einer effizienteren Nutzung und nachhaltigen Gestaltung
von Wirtschaftsflächen sollen „der Flächenbedarf der Unter-
nehmen und die Nachhaltigkeitsziele besser in Einklang“ ge-
bracht werden.
Das betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Jaeckel. Gelungene Beispiele nachhaltiger
Dr. Fritz Jaeckel am 8. November 2022 in Gestaltung zeigten einige Beispiele von
Verkehrsprojekte Münster während der IHK-Veranstaltung Unternehmen: „Mit Photovoltaik-Anla-
„Wirtschaftsflächen nachhaltig gestal- gen, Dach- und Fassadenbegrünung ha-
im Fokus ten – Perspektiven und Beiträge der Wirt- ben wir unser Firmengelände nicht nur
schaft“. Mehr als 70 Fachleute vor allem ökologisch aufgewertet, sondern auch
Zu einem verkehrspolitischen Meinungs-
austausch begrüßte IHK-Geschäftsbe- aus Kommunalverwaltungen sowie aus Energiekosten reduziert“, beschreibt Da-
reichsleiter Joachim Brendel die müns- Wirtschaft und Politik tauschten sich aus. vid Tenorstendarp von SPALECK GmbH &
tersche Landtagsabgeordnete Simone Jaeckel machte deutlich: „Für unsere Co. KG aus Bocholt. Dietmar Dirks, Ge-
Wendland in der IHK Nord Westfalen wirtschaftliche Entwicklung sind be- schäftsführer von Strumpf Dirks GmbH
in Münster. Wendland ist Mitglied im darfsgerechte, qualitativ hochwertige und Billerbeck, der seine Produktionsfläche
Verkehrsausschuss des NRW-Landtags. schnell verfügbare Wirtschaftsflächen durch Aufstockung verdoppelt hat, zeigte
Themen waren wichtige Infrastruktur- von besonderer Bedeutung.“ Gleichzeitig planungsrechtliche und architektonische
und Mobilitätsprojekte im Münsterland, sei den Unternehmen bewusst, dass eine Hürden einer effizienten Flächennutzung
wie die S-Bahn Münsterland, eine Ver- Inanspruchnahme von neuen Flächen so auf. Dass Wirtschaft und Verwaltung als
besserung der Ost-West-Verbindungen
weit wie möglich reduziert werden müsse. Kooperationspartner agieren sollten, be-
im Münsterland oder auch der zwei-
Die sich zuspitzende Konkurrenz um noch tont Andreas Mayr von der Baum Zerspa-
gleisige Ausbau der Schienenstrecke
Münster-Lünen. Foto: IHK
verfügbare Flächen werde für die Unter- nungstechnik aus Marl: „Bei der ökologi-
nehmen vor Ort konkret spürbar. Denn die schen Umgestaltung unseres Standortes
Kommunen müssten die gestiegenen öko- haben wir von der Beratung und Umset-
IHK-Regionalausschuss Coesfeld logischen Anforderungen in der Flächen- zungsbegleitung seitens der Stadtverwal-
und Bauleitplanung berücksichtigen, so tung sehr profitiert.“
„Entlastung muss
schnell ankommen“
Die gewerbliche Wirtschaft im Kreis
Coesfeld ächzt unter den hohen Gas-
und Strompreisen. Existenzbedrohen-
de Ausmaße schilderten viele Unter-
nehmerinnen und Unternehmer im
IHK-Regionalausschuss für den Kreis
Coesfeld in der Sitzung bei der Wein
Stork GmbH & Co. KG in Lüdinghau-
sen. „Die beschlossenen Entlastungs-
maßnahmen müssen darum jetzt sehr
schnell bei den Betrieben ankommen“,
appellierte Ausschussvorsitzender
Lieferten gute Beispiele für eine nachhaltige Nutzung von Wirtschaftsflächen (v. l.): Christina
Helmut Rüskamp an Politik und Ver- Kleinheins, Anja Radermacher, Dr. Fritz Jaeckel, Dietmar Dirks, David Tenorstendarp, Prof. Dr.
waltung. Frank Roost und Andreas Mayr. Foto: Krüdewagen/IHK
12 Wirtschaftsspiegel Dezember 2022NORD-WESTFALEN
Gelsenkirchen
Mobilitätskonzept
Am 3. November konnten sich interes-
sierte Unternehmen in der Geschäfts-
stelle der IHK in Gelsenkirchen über
den aktuellen Entwurf des Masterplans
Mobilität Gelsenkirchen informieren.
Junge Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Führungskräfte feierten das Jubiläum im Vertreter von Stadt Gelsenkirchen so-
Mövenpick Hotel in Münster. Foto: WJ wie des Gutachterbüros Planersocietät
erläuterten das Maßnahmenkonzept
und stellten sich den Fragen aus der
Wirtschaftsjunioren Wirtschaft. Im Fokus der Diskussionen
standen die Gestaltung des Pendler-
feiern Jubiläum und Wirtschaftsverkehrs, die Themen
City-Logistik und Parkraum in der Alt-
stadt und in Buer sowie die Umgestal-
Unter dem Motto: „Gemeinsam. Wirtschaft. Bewegen.“ tung von Verkehrsräumen.
haben die Wirtschaftsjunioren Nord Westfalen (WJ) mit
einer Fest-Gala ihr 60-jähriges Bestehen gefeiert. Stadtwerke-Chef Jurczyk
Mehr als 120 junge Unternehmerinnen richteten ehemalige WJ-Vorsitzende, was
Plan B im Winter
und Unternehmer und Führungskräfte, sie in ihrer Amtszeit bewegt hat und was Noch entspannt, aber auch mit einem
Start-ups, ehemalige Wirtschaftsjunioren die Wirtschaftsjunioren für sie ausmacht. Plan B in der Schublade bereitet sich
sowie politische Vertreter kamen ins Mö- Beim Blick zurück auf das Erreichte nutz- die Wirtschaft in Münster auf eine
venpick Hotel Münster. Das Vorstands- ten die WJ die Gelegenheit, Daniel Münz- nicht auszuschließende Gasmangel-
duo Isabel Habla und Johanna Münzer berg für sein großartiges Engagement in lage vor. Bei einer Veranstaltung mit
führte durch den Abend mit hochkarä- seiner Zeit als Verantwortlicher der WJ- rund 40 Teilnehmern in der IHK Nord
tigen Gästen – darunter Bezirksbürger- Geschäftsstelle zu danken. In seiner Zeit Westfalen betonte Stadtwerke-Chef
meister Klaus Rosenau, Tobias Hocke als Verantwortlicher der WJ-Geschäfts- Sebastian Jurczyk, die sei in Müns-
vom Bundesvorstand der Wirtschaftsju- stelle realisierte er Highlights wie den ter „sehr unwahrscheinlich“. Münster
nioren Deutschland und Dr. Fritz Jaeckel, Visionär auf Schalke, bei dem die Wirt- habe schon aufgrund seiner Nähe zu
Hauptgeschäftsführer IHK Nord Westfa- schaftsjunioren interessante Einblicke in den Gasspeichern eine extrem gute
len. In kurzweiligen Videostatements be- den Esports von Schalke 04 erhielten. Ausgangssituation.
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l Kommunale Gebäude www.temmink-bau.de l Bauträgermaßnahmen www.ht-konzeptbau.de
Wirtschaftsspiegel Dezember 2022 13Strom- und Gaspreise belasten die regionale Wirtschaft stark. Die Vorschläge
der Gaskommission zeigen erste Entlastungsoptionen auf. Die Vollversammlung
der IHK Nord Westfalen fordert in ihrer Resolution weitere Maßnahmen, um die
Wirtschaft auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähig zu halten. Wasserstoff
bleibt der Hoffnungsträger. » Von Dr. Eckhard Göske
D ie Stimmung in der regionalen Wirtschaft ist an-
gespannt. Schaut man sich neueste Berechnun-
gen der Bundesnetzagentur an, könnte die Notfallstufe
Die Unternehmen bereiten sich derzeit so gut wie
möglich vor. Manche versuchen, ihre Produktion von
Erdgas auf andere Gasarten oder Öl umzustellen. Da-
durchaus im Februar kommenden Jahres eintreten. Und bei drängen sie auf zügige Genehmigungsverfahren,
das hieße: die 2500 größten Gasverbraucher Deutsch- um noch die Zeit für die notwendigen Investitionen
lands, davon allein 66 im Emscher-Lippe-Raum, bekä- zu haben, und werden dabei von den Genehmigungs-
men von der Bundesnetzagentur vorgegeben, wie viel behörden unterstützt. Manche erhöhen ihre Energie-
Gas sie noch verbrauchen dürfen. Die übrigen Kunden effizienz, teilweise erheblich. Gas (und auch Strom)
mit Registrierender Leistungsmessung (RLM) bekämen sparen hat dabei zwei Effekte: Zum einen wird der
eine ähnliche Nachricht von ihren Netzbetreibern. Moment hinausgezögert, zu dem die Gasvorräte nicht
Allerdings kann nicht jedes Unternehmen einfach mehr reichen. Zum andern, und da geht es den Be-
so beliebig viel Gas einsparen. Die großen Schmelz- trieben wie den privaten Haushalten: Wer Energie
wannen der Glasindustrie oder die Verzinkereien spart, senkt die eigenen Kosten, denn die Preise für
können nicht heruntergeregelt werden. Hier stün- Gas und Strom belasten viele Betriebe erheblich.
de schnell die Produktion still. Die IHK geht davon Die Industrie, bundesweit über 24 000 Unterneh-
aus, dass bei einer Gasmangellage zwischen 18 und men, hat den Gasverbrauch inzwischen schon bis zu
30 Prozent der energieintensiven Unternehmen ihre 25 Prozent durch Effizienz und Prozessoptimierung,
Produktion herunterfahren. einen Wechsel von Gas auf andere Brennstoffe (Fuel
14 Wirtschaftsspiegel Dezember 2022Switch) und Produktionsrückgänge senken können. Probleme für energieintensive Unternehmen
Der aktuelle Gasverbrauch liegt nach den Auswer- Zwei Probleme bleiben aber auch mit der von der
tungen der Bundesnetzagentur insgesamt unter dem Kommission vorgeschlagenen Gaspreisbremse unge-
Niveau von vor einem Jahr. Umso größer sind die löst: Wie bleiben die energieinten-
Hoffnung der Betriebe, dass bei einer möglichen An- siven Betriebe auch auf mittlere
ordnung zum Gassparen auch die bisherigen Einspar- bis lange Sicht wettbewerbsfä- Es wird gespart
erfolge angerechnet werden. hig, und wie kann verhindert wer- Gasverbrauch im Oktober 2022
Die Gaspreise sind deutlich gestiegen, zunächst den, dass wachsende Unterneh-
Industriekunden
durch den Lieferausfall russischen Erdgases. Die men vor den steigenden Kosten
Okt 21: 1450 GWh/Tag
weltweite Beschaffung von LNG sorgt ebenfalls für kapitulieren müssen? Allein im
Okt 22: 1133
höhere Preise. Über den Merit Order-Effekt schlägt IHK-Bezirk produzieren rund 500
dies auch auf die Strompreise durch: Das teuerste energieintensive und meist ex- Haushalts- und Gewerbekunden
Kraftwerk bestimmt den Marktpreis. Da dieses regel- portorientierte Unternehmen, sie Okt 21: 1019 GWh/Tag
mäßig Gas zur Stromerzeugung verwendet, sind auch stellen zusammen rund 49 000 Okt 22: 549
die Strompreise deutlich gestiegen. Davon betroffen Arbeitsplätze.
ist die gesamte Wirtschaft, vom Dienstleister über Die fünf energieintensivsten In- Jeweils monatliche Mittelwerte
Einzelhändler bis zum Industrieunternehmen. dustrien in Deutschland nutzen Quelle: Bundesnetzagentur
76 Prozent der Gesamtenergie
Konjunkturrisiko Energiepreise der deutschen Industrie. Und die
Laut der jüngsten IHK-Konjunkturumfrage sind die Preise bremsen die Produktion derzeit bereits deut-
gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise für 80 Pro- lich aus, denn der preisbereinigte Produktionswert
zent der Unternehmen eine Bedrohung der eigenen macht hier derzeit nur 88,9 Prozent des Wertes von
Geschäftsentwicklung und damit das zentrale Kon- 2015 aus. Mögliche Folgen dieser Entwicklung sind
junkturrisiko für die Wirtschaft in Nord-Westfalen. bekannt: Geschäftsaufgaben, Ar-
Gleichzeitig sieht sich jeder fünfte Industriebetrieb beitsplatzabbau und Deindustria-
angesichts der Kosten gezwungen, die Produktion lisierung. Gaspreisbremse
Die Gas-Expertenkommission der Bun-
herunterzufahren. Die zweite besonders betroffene
desregierung hat eine Gaspreisbremse
Gruppe von Unternehmen sind
für alle Verbraucher empfohlen.
Erste Hilfe: Gaspreisbremse die, die derzeit stark wachsen. Die Haushalte und Gewerbe mit Ver-
Hilfen der Bundesregierung sind dementsprechend zu Denn die Gaspreisbremse soll bräuchen unter 1,5 Mio. kWh sollen eine
begrüßen. In der Expertenkommission Gas war die den Preis für 70 Prozent des bis- Einmalzahlung im Dezember bekom-
IHK-Organisation mit dem DIHK-Präsidenten Peter herigen Verbrauchs festsetzen – men. Ab 1. März 2023 bis 30. April 2024
Adrian und weiteren bestens präparierten DIHK-Kol- doch wer wächst, benötigt mehr soll dann die Preisbremse mit 12 Cent/
legen vertreten. Tatsächlich wurde hart gerungen um Energie und muss für den Mehr- kWh Endkundenpreis für 80 Prozent
des Verbrauchs auf der Basis von 2021
die Vorschläge zur Gaspreisbremse, die Unternehmen verbrauch komplett die höheren
greifen. Die Reduzierung soll automa-
wie private Haushalte gut durch Energiekrise bringen Preise zahlen. Einige wachsende tisch erfolgen und einkommenssteuer-
sollen. Dabei verfolgte die Kommission gleich meh- Unternehmen spielen schon mit pflichtig sein.
rere Ziele: eine schnelle Entlastungswirkung, einen dem Gedanken, ihr Wachstum ins
wirksamen Schutz vor finanzieller Überforderung Ausland zu verlagern und dort die Für die industriellen Gasverbraucher
von Unternehmen, klare Einsparanregize und die Be- Arbeitsplätze zu schaffen. wird ein Beschaffungspreis von 7 Cent/
rücksichtigung der Energiekrise über den nächsten kWh für 70 Prozent des Verbrauchs von
November 2021 bis Oktober 2022 vor-
Winter hinaus. Versorgungssicherheit
geschlagen. Administriert werden soll
Der DIHK-Präsident formulierte an einer Stelle im Ein Blick auf das energiewirt- die Preisbremse über die Versorgungs-
Abschlussbericht ein abweichendes Votum zum Stand- schaftliche Zieldreieck aus Versor- unternehmen.
orterhalt. Denn diese Anforderungen könnten viele, vor gungssicherheit, Wirtschaftlich-
allem mittelständische, Industriebetriebe überfordern keit und Umweltverträglichkeit
– ohne Standortgarantie steht ihnen aber auch keine verdeutlicht die Auswirkungen
Entlastung zu. Da nun auch leistungsgemessene Ge- der Energiekrise. Im Hinblick auf die Versorgungs-
werbebetriebe, wie beispielsweise Hotels oder größere sicherheit gibt es gute Nachrichten. Die Füllstände
Handelsbetriebe, diesen Restriktionen unterliegen sol- der Gasspeicher lagen Anfang November bei fast 100
len, wäre ein noch größerer Kreis an Betrieben gefährdet. Prozent.
Wirtschaftsspiegel Dezember 2022 15ENERGIEKRISE
Also Entwarnung? Nein, denn alles kommt auf den
kommenden Winter an. Auch wenn Deutschland die Energieintensive
größten Gasspeicher Europas hat, können darin nur
25 Prozent des jährlichen nationalen Gasverbrauchs
Betriebe
eingespeichert werden. Bei Rund 500 Betriebe in Nord-Westfalen gehören zu de-
niedrigen Temperaturen nen, die für ihren Betrieb besonders viel Energie benö-
leeren sich die Speicher tigen. Darunter fallen über 100 Hersteller von Glas und
Zement und fast 100 metallverarbeitende Betriebe. Sie
Die Kunden schnell. stellen zusammen rund 49 000 Arbeitsplätze.
Am Ende hängt die Ver- Damit haben diese Betriebe einen Anteil von gut fünf
Die Strom- und Gasversorger und auch sorgungssicherheit in Prozent an der Gesamtbeschäftigung in Nord-Westfa-
die Bundesnetzagentur unterscheiden Deutschland vom Bau der len, bundesweit liegt der Anteil nur bei 3,4 Prozent.
zwischen zwei Kundengruppen:
geplanten LNG-Termin-
Ein SLP-Zähler kommt bei kleinen Ver-
brauchsstellen zum Einsatz. Dazu gehören als in Wilhelmshaven,
Privathaushalte und Gewerbekunden mit Brunsbüttel, Stade und Die Gaspreisentwicklung belastet Unternehmen, die
einem Stromverbrauch bis zu 100 000 kWh Lubmin sowie den dafür Prozesswärme benötigen, ebenso wie die Erzeuger
bzw. 1,5 GwH Gasverbrauch. erforderlichen Anbindun- von grauem Wasserstoff für die chemische Industrie.
Bei Verbräuchen, die darüber liegen, spricht gen an das nationale Gas- Die Bundesregierung hat auf die Energiekrise mit Än-
man von RLM- Kunden, das steht für Regis- netz ab. Wilhelmshaven derungen beim Gaspreis bereits reagiert. So wurde
trierende Leistungsmessung.
und Lubmin sollen noch in die Umsatzsteuer auf Gaslieferungen vom 1. Oktober
2022 fertiggestellt werden, 2022 bis zum 31. März 2024 auf sieben Prozent ab-
allein Wilhelmshaven kann gesenkt. Gleichzeitig ist eine befristete Gasspeicher-
acht Prozent des deutschen umlage von 0,059 Cent/kWh vorgesehen. Ebenso soll
Foto: Morsey/IHK
Gasbedarfs umschlagen. die sogenannte SLP-Bilanzierungsumlage von 0,57
Gleichzeitig muss im kom- Cent/kWh und die RLM-Bilanzierungsumlage von
menden Jahr der Ausfall 0,39 Cent/kWh erhoben werden.
russischen Erdgases, in der Auch die von der Gas-Experten-Kommission vor-
Vergangenheit immerhin geschlagene Gaspreisbremse lindert die Auswirkun-
54 Prozent des nationalen gen der Preisentwicklung – mit den oben genannten
Gasverbrauchs, vollständig Einschränkungen bei stark wachsenden Unterneh-
kompensiert werden. Vor- men und Unternehmen, die sehr energieintensiv
rangiges Ziel ist und bleibt sind.
deshalb die Verbrauchsre-
duktion. Die Bundesnetz- Umweltverträglichkeit
agentur warnt dazu: „Eine Ein in der Vergangenheit dominierendes Ziel des
nationale Gasmangellage energiewirtschaftlichen Dreiecks ist die Umweltver-
im Winter kann vermieden träglichkeit. Ein Aspekt dabei ist der Klimaschutz
werden, wenn erstens das und der damit verbundene CO₂-Preis. Im nationalen
Sparziel von mindestens 20 Emissionshandelssystem (nEHS) liegt der CO₂-Preis
„Was kommt ab dem Prozent weiterhin erreicht nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG)
2. Quartal 2024?“ wird. Zweitens müssen die in diesem Jahr bei 30 Euro pro Tonne CO₂ und im
LNG-Terminals zum Jah- nächsten Jahr bei 35 Euro. Die Energiekosten liegen
Bernd Eßer, resbeginn einspeisen und heute deutlich über dem, was mit der Preiserhöhung
Geschäftsführer Berief Food in drittens der winterbedingte im nEHS als Steuerungsinstrument bezweckt wer-
Beckum, sucht die langfristige Rückgang der Importe so- den sollte. Der DIHK fordert, den nationalen Emis-
Perspektive wie der Anstieg der aktuell sionshandel befristet auszusetzen. Die Politik agiert
besonders niedrigen Expor- hier aber noch viel zu zögerlich. So hat der Bundes-
te eher moderat ausfallen.“ rat Ende Oktober beschlossen, die Erhöhung des CO₂-
Preises im kommenden Jahr einmal auszusetzen.
Wirtschaftlichkeit Überhaupt stellt sich die Frage, wie der CO₂-
Vor allem die Volatilität der Energiepreise macht den
Gas- wie auch den Stromverbrauchern zu schaffen. » weiter auf Seite 18
16 Wirtschaftsspiegel Dezember 2022RUBRIK • DIREKT ENTSPERREN!
Gesprächsbasis
für den Ernstfall
Sogar in den ARD-tagesthemen wurde es gelobt: Das Gelsen-
kirchener Modell - eine Initiative, damit Unternehmen im Fall
einer Gasmangellage möglichst handlungsfähig bleiben.
Diese „Rasenmähermethode“ hat
jedoch auf jedes Unternehmen
unterschiedliche Auswirkungen.
Grundlegende Intention der Ge-
Unsere Gäste erwartet eine familiäre Atmosphäre
spräche war es deshalb, einen
mit professionellem Service und einer hoch gelob-
vertrauensvollen Austausch auf
ten Küche. Durch die Erweiterung stehen heute
einheitlicher Informationsbasis zu
mehrere moderne Tagungsräume mit eigenen
schaffen – mit möglichst hoher
Foyers zur Verfügung. Das Tagungshotel liegt
Transparenz für die betroffenen
ruhig und ländlich, ist aber verkehrstechnisch sehr
Unternehmen und den Netzbetrei-
gut zu erreichen.
ber. „Nur die Unternehmen selbst
kennen ihr Einsparpotenzial und • 100 Zimmer mit 195 Betten
ihre Möglichkeiten, den Gasver- • Tagungsräume mit modernster Tagungstechnik
brauch zumindest phasenweise
abwechselnd und nach Absprache • großzügiger Wellness- und Spa-Bereich auf
zu drosseln“, so Jaeckel, etwa durch 700 m2 Fläche mit Schwimmbad, Sauna,
Führten Gespräche mit „ungeschützten“ Industrie- Betriebsferien oder den Wechsel Dampfbad, Sanarium und Fitness-Bereich
unternehmen: IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz auf einen anderen Energieträger, • Gartenterrasse mit Blick auf Billerbeck
Jaeckel, IHK-Vizepräsident Lars Baumgürtel und den sogenannten Fuel-Switch. Und • idyllischer Park mit großem Wildgehege
Boris Pateisky, Geschäftsführer der ELE Verteilnetz nur, wenn dieses Wissen bei allen
GmbH (EVNG). Foto: SeitenPlan/Marcel Kusch
Beteiligten vorhanden sei, be-
stehe im Fall der Fälle überhaupt
Wie lässt sich wirtschaftlicher Schaden die Chance, auf eine Abschaltverfügung
für die Region vermeiden oder zumindest reagieren zu können. Im optimalen Fall
minimieren, wenn eine Gasmangellage kann durch freiwillige Vereinbarungen der
eintritt? Diese Frage stellte sich IHK-Haupt- Unternehmen untereinander die erforder-
geschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel bereits im liche Reduzierung im Netz erzielt werden
Frühjahr. Mit Unterstützung der Arbeit- wirtschaftlicher Schaden für alle minimiert
geberverbände Emscher-Lippe und den werden.
kommunalen Wirtschaftsförderungen in Bereits im August hatte der Deutsche
Gelsenkirchen, Bottrop und Gladbeck initi- Städtetag bundesweit alle Kommunen über
ierte die IHK Nord Westfalen deshalb regel- das „Gelsenkirchener Modell“ informiert. Er
mäßige Gespräche zwischen dem Netzbe- hält diesen kontinuierlichen Austausch „für
treiber ELE Verteilnetz GmbH (EVNG) und einen empfehlenswerten Weg, Vorkehrun-
energieintensiven Unternehmen, die zu gen zu treffen, um einer Gasmangellage
den ungeschützten Kunden zählen. entgegenzuwirken. Es ist ganz entschei-
Im Bereich der EVNG gibt es in Gelsen- dend, lokal mit möglichst vielen Akteuren
kirchen 37 ungeschützte Industriegroß- Krisenvorsorge zu treffen, um auf unter-
kunden, im Netzbereich Bottrop/Gladbeck schiedliche Szenarien vorbereitet zu sein.“
nochmals 29. Sollte die Bundesnetzagentur Am 24. Oktober folgte nach Berichterstat-
die Gasmangellage ausrufen, kann sie per tung in landesweiten Sendungen des WDR
Allgemeinverfügung die Gasversorgung der dann ein Bericht in den ARD-tagesthemen.
ungeschützten Kunden zum Beispiel um Ein Kommentator vom Bayerischen Rund- st i
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Familie Niehoff
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einen bestimmten Prozentsatz reduzieren. funk lobte: „Eine gute Initiative“.
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48727 Billerbeck
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PRÜFSIEGEL 2020 Tel. (02543) 75-0
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Zukunft
Wirtschaftsspiegel Dezember 2022 75275
17
www.hotel-weissenburg.deENERGIEKRISE
Resolution zur Energiekrise
Die wichtigsten Forderungen aus dem Beschluss der IHK-Vollversammlung vom
24. November 2022 (siehe auch Seite 24/25) .
1 » Alle verfügbaren Kohle- und Ölkraftwerke in den Markt zurückholen
2 » Verfügbare Kernkraftwerke bis zum Ende der Krise weiterbetreiben
3 » Preisbremse für die Wirtschaft einführen
4 » Strom- und Gaspreisumlagen in den Bundeshaushalt überführen und
Zuschuss zu den Netzentgelten einführen
5 » Stromsteuer und Energiesteuer auf Gas auf europäische Mindestsätze senken
6 » Entlastungen bei den CO2 Handelssystemen schaffen
Foto: Nowaczyk/IHK
7 » Dauerhafte Ersatzversorgung Strom und Gas einführen sowie
Liquidität der Energieversorger sichern
8 » Absicherungsinstrument im Stromsektor einführen
9 » Zusätzliches Gasauktionsmodell einführen
10 » Heimische Ressourcen noch stärker nutzen
Der volle Wortlaut der Resolution: www.ihk.de/nordwestfalen/positionen
„Wenn wir von der
Gasversorgung Ausstoss national gesenkt auch an großen Erzeugungsanlagen gearbeitet, eine
abgeschaltet werden, werden soll. Russisches Gas sichere, hinreichende und wirtschaftliche Versorgung
steht hier alles still.“ wird in den kommenden Jah- mit grünem Wasserstoff als alternativer Brennstoff ist
ren voraussichtlich nicht mehr aber noch nicht in Sicht. Dem Ausbau der Erneu-
Bernd Groß, zur Verfügung stehen. Fra- erbaren Energien sind hierzulande nicht nur natür-
Geschäftsführer beim Maschinen- cking, also die Förderung von liche Grenzen durch verfügbare Flächen gesetzt, im
bauer SEEPEX in Bottrop Schiefergas, findet keine poli- Zeichen der steigenden Rohstoffpreise und Liefer-
tische Mehrheit und LNG ist engpässe wird der Ausbau vermutlich nur langsam
teuer und belastet die Wett- vorankommen. Es bleibt die Hoffnung, dass grüner
bewerbsfähigkeit der Indust- Wasserstoff möglichst schnell nach Deutschland in
rie. Da die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke großen Mengen importiert werden kann.
sehr kurz ausgefallen ist, bleibt die Kohleverstro- Der DIHK und auch die Vollversammlung der IHK
mung die einzige mittelfristige Alternative. Der da- Nord Westfalen empfehlen zehn Sofort-Maßnahmen,
durch entstehende CO₂-Ausstoß kann durch den eu- um die Versorgung zu sichern und die Energiekostenbe-
ropäischen Emissionshandel abgedeckt werden und lastung für Unternehmen zu verringern. Denn niemand
steht dadurch grundsätzlich nicht im Widerspruch zu möchte, dass in Deutschland das Licht ausgeht – ob im
den klimapolitischen Zielen. Dem entgegen steht die Produktionsbetrieb, im Handel oder bei einem Dienst-
politische Entscheidung für einen Kohleausstieg im leister. Und die Wirtschaft will nicht nur „sicher durch
Jahr 2030. den Winter“, wie der Bericht der Gas-Kommission über-
Fest steht, Energie wird teurer und Alternativen zu schrieben ist, sondern auch sicher in die Zukunft. «
Gas, Kohle, Öl und Kernenergie gibt es nur begrenzt.
Wasserstoff wird immer wieder als Lösung genannt. Dr. Eckhard Göske, der Autor dieses Leitartikels, ist
Zwar wird sowohl am Bau eines Wasserstoffnetzes als Teamleiter Industrie in der IHK Nord Westfalen.
Emissionshandel
Der Europäische Emissionshandel vergibt Verschmutzungsrechte an Akteure in Industrie, Kraftwerken und Flug-
verkehr. Die Zertifikate werden gehandelt, der Preis für eine Tonne liegt derzeit bei etwa 80 Euro.
Der deutsche Emissionshandel vergibt Zertifikate für die Sektoren Wärmeerzeugung und Verkehr. Der Preis wird
festgelegt und liegt in diesem Jahr bei 30 Euro, im Jahr 2023 dann bei 35 Euro.
18 Wirtschaftsspiegel Dezember 2022ENERGIEKRISE
Die Sorge vor der
Mangellage
Was tun, wenn der Wirtschaft das „Licht ausgeht“ bzw. der „Gashahn zugedreht“
wird? Viele Unternehmen haben Vorkehrungen getroffen. Doch es bleibt Verun-
sicherung. » Von Daniel Boss
D ie auf den ersten Blick einfachste Methode,
Heizenergie einzusparen, ist die Absenkung der
Temperatur. Das gilt für Wohnungen, Büros, Indust-
der Überschrift „Gasmangellage im Emscher-Lippe-
Land“ nannte Christoph Queens, Leiter Betrieb Gas
bei der EVNG, zunächst die
riehallen und Schwimmbäder - und sogar im ÖPNV Fakten in Sachen Einspar-
ist es nun mancherorts deutlich kühler. Bei der Pro- maßnahmen. Zunächst das
zessenergie ist die Sache nicht ganz so einfach. Hier Positive: „Die Industrie-
sind niedrigere Temperaturen als üblich sogar oft un- Gaskunden haben schon
möglich. „Wenn wir den Backprozess verlängern, in früh im Jahr auf die sich
dem wir die Temperatur herabsetzen, würden wir statt verschärfende Lage re-
Brot nur Paniermehl produzieren“, beschreibt Chris- agiert.“
tian Scherpel, Geschäftsführer der Malzers Backstube
GmbH & Co. KG. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Erst Aufforderung vom
Gelsenkirchen betreibt ein Netz von rund 150 Filialen Netzbetreiber
im Ruhrgebiet und beschäftigt mehr als 2000 Mit- Jenseits aller Panikmache
arbeiter. „Wir kümmern uns also mit um die Grund- lag der Schwerpunkt des
versorgung der Menschen in unserer Region“, betont Gesprächs auf dem Ernst-
Christian Scherpel. In dieser Verantwortung sehe man fall. Laut dem zuständi-
Foto: Malzers
sich auch im Fall einer Gasmangellage. „Dann wür- gen EVNG-Fachmann ha-
den wir alles tun, um den Ausstoß so hoch wie mög- ben alle Gasnetzbetreiber
lich zu halten“, sagt der Geschäftsführer. Das Unter- bei einer Gasmangellage
nehmen hat vorgesorgt. So wurden alte Heizöltanks die Systemstabilität zu ge-
im Keller reaktiviert und neue Brenner angeschafft. währleisten. So muss ein „Wir könnten nur eine
„Deren Leistung reicht aber nicht für den Normal- bestimmter Gasdruck auf-
eingeschränkte Produkt-
betrieb“, stellt Christian Scherpel klar. „Wir könn- rechterhalten werden, um ein
ten nur eine eingeschränkte Produktpalette bieten.“ Kollabieren des Netzes zu palette anbieten.“
Heißt: Zahlreiche Brot- und Brötchensorten würden verhindern. Es könnte erfor-
Christian Scherpel,
auf unbestimmte Zeit aus der Auslage verschwinden. derlich werden, bei den so- Geschäftsführer der Malzers
Beim Kuchen sähe es ohnehin mau aus. genannten „ungeschützten Backstube, Gelsenkirchen
Industriekunden“ den Gas-
Notfallpläne bezug zu reduzieren. Auch
Was tun, wenn der Wirtschaft das „Licht ausgeht“ ein Abschalten - bei vorheriger Ankündigung - ist
oder der „Gashahn zugedreht“ wird? Was vor dem nicht ausgeschlossen. Christoph Queens betont, dass
Krieg Russlands gegen die Ukraine undenkbar schien, der Gesetzgeber klar vorgebe, „welche Kunden ab-
ist seit Wochen Gegenstand ernsthafter Diskussionen geschaltet oder gedrosselt werden müssen und wel-
und Notfallpläne. Vor dem Hintergrund der ange- che nicht“. Das Procedere: Es wird keine Leitung ge-
spannten Situation hatte so auch die ELE Verteilnetz drosselt, sondern die Kunden werden aufgefordert,
GmbH (EVNG) Medien- und Wirtschaftsvertreter zu ihren Verbrauch zu reduzieren beziehungsweise ein-
einem virtuellen Gespräch im Oktober geladen. Unter zustellen. Wenn ein Kunde der Aufforderung nicht
Wirtschaftsspiegel Dezember 2022 19ENERGIEKRISE
nachkommt, müssen die anderen Kunden umso mehr ben der Gasversorgung geschaffen. Gemeint ist ein Öl-
drosseln. Eine Abschaltaufforderung des Bundes- tank, „der nun eine zweite Chance bekommt“. Eigent-
lastverteilers (BLastV) würde direkt an den Kunden lich hätte er in Kürze demontiert werden sollen. Doch
gehen. Erst wenn dieser nicht Folge geleistet wür- angesichts der aktuellen Entwicklung bleibt er bis auf
de, würde der BLastV die EVNG mit der Unterbre- Weiteres stehen. „Wir haben ihn bereits betankt und
chung der Anschlussnutzung, die Dampfkessel sind umgerüstet“, erklärt Bernd Eßer.
sprich Sperrung, beauftragen. Etwa Zweidrittel des Gasbedarfs könne das Unterneh-
Die Verbräuche der Kunden men auf diese Weise ersetzen - allerdings nur für zwei
können in Echtzeit ausgelesen Tage. Überhaupt sei Öl keine Alternative, schon gar
und aufsummiert werden. nicht beim Blick auf den Preis. „Es geht uns im Augen-
Grob formuliert wären alle blick schlicht und einfach darum, dass wir im Ernstfall
Unternehmen mit sehr ho- weiter produzieren können.“
hem Verbrauch betroffen, de-
ren Geschäftsmodell nicht aus Planungssicherheit gefordert
der Lieferung von Heizwärme Die Gas- und Strompreisbremse aus Berlin bezeich-
für Endverbraucher besteht. net Bernd Eßer als „Breitband-Antibiotikum“. Mäkeln
Queens nannte die Zahl von wolle er daran nicht - „es ist durchaus ein Schritt in
37 Kunden in Gelsenkirchen, die richtige Richtung“. Doch der Geschäftsführer ist
17 in Bottrop und 12 in Glad- gedanklich schon weiter. „Was kommt ab dem zwei-
beck. „Die könnten theoretisch ten Quartal 2024?“ Die deutsche Wirtschaft müsse
Foto: BASF
abgeschaltet beziehungswei- frühzeitig wissen, wie es weitergehen soll. „Müssen
se gedrosselt werden.“ Natür- wir auf LNG setzen? Oder auf Wasserstoff? Und was
lich habe jedes Unternehmen ist mit den gesetzlichen Vorgaben?“ Für ihn wäre es
„25 Prozent des Erd- nachvollziehbare Gründe, wa- ein Horror-Szenario, wenn eines Tages genug Was-
rum gerade bei ihm der Betrieb serstoff vorhanden wäre, aber die entsprechende Zu-
gases dienen der unbedingt weiterlaufen müsse. lassung für den Einsatz vor Ort fehlen würde.
Wärmeerzeugung für „Aber diese Entscheidung liegt Erfreut ist Bernd Eßer über den „Schulterschluss“
notwendige Prozesse.“ außerhalb unseres Kompetenz- vieler Unternehmen in Beckum angesichts der miss-
bereichs“, stellt Queens klar. lichen Lage. „Wir sprechen uns ab, auch zwischen
Mathias Schöttke, Geschäftsführer Für die SEEPEX GmbH wäre Wettbewerbern.“ Der gemeinsame Nenner: „Unseren
der BASF Coatings AG in Münster ein Gas-Stopp katastrophal. Energiebedarf sichern“. Die Energiekrise sei insofern
„Wenn wir abgeschaltet wer- ein „Kick-off“ für verstärkte Kooperationen in der
den, steht hier alles still“, sag- Zukunft.
te Bernd Groß, Geschäftsführer beim Bottroper Ma- Der Gasverbrauch am BASF Coatings-Produktions-
schinenbauer und Teilnehmer der Gesprächsrunde. standort in Münster liegt bei maximal einem Pro-
Sein Unternehmen tue alles, um ein solche Situation zent des europäischen Gasverbrauchs von BASF. „In
zu verhindern. So wurden unter anderem die Pro- Münster werden 75 Prozent des Erdgases zum Be-
zesstemperaturen bei der Lackierung und Trocknung heizen von Gebäuden verwendet. 25 Prozent dienen
angepasst. Auch die Raumtemperaturen gingen deut- der Wärmeerzeugung für notwendige Prozesse“, sagt
lich nach unten: „Jetzt haben wir 19 Grad Mathias Schöttke, Geschäftsführer und
in den Büros, 16 Grad an den Werkbänken Arbeitsdirektor des Unternehmens.
und bis zu 12 Grad bei besonders schwe-
rer, ohnehin schweißtreibender Arbeit.“ Alternative Kraftstoffe,
wenn verfügbar
„Zweite Schlagader“ In den letzten Monaten habe man ge-
Auch in anderen Regionen des Kammerbe- prüft, wie man den Erdgasbedarf der
zirks bereiten sich Unternehmen auf Produktionsprozesse durch verschiedene
Worst-Case-Szenarien vor. Der Beckumer Maßnahmen reduzieren könne. „Zu den
Lebensmittelhersteller Berief Food hat sich kurzfristigen Maßnahmen gehören tech-
nach Aussage von Geschäftsführer Bernd Christoph Queens nische Optimierungen im Produktions-
Eßer „eine zweite Lebensschlagader“ ne- Foto: EVNG netzwerk von BASF und die Umstellung
20 Wirtschaftsspiegel Dezember 2022Sie können auch lesen
