Die Digitalisierung als Chance Generation Zukunft - 32 Einsparfaktor "Müll" - IHK-Siegen

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Die Digitalisierung als Chance Generation Zukunft - 32 Einsparfaktor "Müll" - IHK-Siegen
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                                                                                                                                    A 4791

INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER SIEGEN   WIRTSCHAFTSREPORT SIEGEN · OLPE · WITTGENSTEIN                                      REPORT

                                                                                                2

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                                                                                                    als Chance
                                                                                                    Die Digitalisierung

                                                                           Generation Zukunft

                                               Einsparfaktor „Müll“
Die Digitalisierung als Chance Generation Zukunft - 32 Einsparfaktor "Müll" - IHK-Siegen
Wir leben
die Region.
                       Weil wir Visionen fördern,
                       um neue Aussichten zu
                       schaffen. Das ist unsere
                       Kultur. Seit 175 Jahren.
                       Wir leben die Region – seit 1842.
                       In Siegen, Freudenberg, Kreuztal,
                       Netphen und Wilnsdorf begleitet
                       die Sparkasse Siegen die Menschen
                       in der Region und ihre Ideen, die
                       heimische Wirtschaft und den
                       technologischen Fortschritt.

 sparkasse-siegen.de
Die Digitalisierung als Chance Generation Zukunft - 32 Einsparfaktor "Müll" - IHK-Siegen
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                                                                                               Die IHK Siegen online:
Liebe Leser,                                                                                   www.ihk-siegen.de

Industrie 4.0 – ein Schlagwort, das zahlrei-    Interpretationen das sein können, stellen      schon heute wieder an seine Grenzen. Ab
che Unternehmer schon gar nicht mehr            wir Ihnen in unserer Titelgeschichte ab        Seite 48 schildert Geschäftsführer Frank
hören mögen. Nicht etwa, weil die soge-         Seite 2 vor.                                   Hustadt sein Erfolgsrezept.
nannte vierte industrielle Revolution für ih-
                                                Nicht minder spannend ist der Traum, vom       Im Erwerbsleben spielt für die Arbeitneh-
re Unternehmen nicht von Belang wäre.
                                                Auszubildenden zum Chef einer mittelstän-      mer selbst wie auch für die Arbeitgeber die
Ganz im Gegenteil. Sie wissen sehr wohl,
                                                dischen Firma zu reifen. Nicht möglich?        psychische Gesundheit eine immer größere
dass unter Industrie 4.0 eine weitestgehend
                                                Doch! Dann ist es eine Ausnahme? Mag           Rolle. Derzeit geht man davon aus, dass
selbstorganisierte Produktion möglich wer-
                                                sein. Jedenfalls legt die HTI Hortmann KG      rund 13 Prozent aller Arbeitsunfähigkeits-
den soll, dass Menschen, Maschinen, Lo-
                                                ab Seite 32 ein gutes Beispiel dafür ab, wie   tage auf psychische Erkrankungen zurück-
gistik, Produkte unmittelbar miteinander
                                                sich Mitarbeiter innerhalb eines Unterneh-     zuführen sind. Die Folgen sind immens: sehr
kommunizieren und kooperieren werden.
                                                mens verantwortliche Positionen erarbeiten     lange Krankschreibungen, Unternehmen ver-
Und sie sind sich bewusst, dass sie diese
                                                können.                                        lieren vorzeitig Mitarbeiter. Mit welchen
Entwicklung nicht verschlafen dürfen. Zahl-
                                                                                               Maßnahmen man frühzeitig gegensteuern
reiche Unternehmer können schlicht mit          Ebenfalls eine Bilderbuchentwicklung legte
                                                                                               kann, erfahren Sie ab Seite 50.
dem zugegebenermaßen inzwischen über-           die Tecnorm GmbH & Co. KG hin. Der Spe-
strapazierten Oberbegriff „Industrie 4.0“       zialist für Norm-, Präzisions- und Zeich-      Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen
nichts oder nur wenig anfangen. Denn für        nungsteile wurde erst 2006 als H&T-Norm
jeden Unternehmer und jedes Unterneh-           gegründet, übernahm 2008 die Firma Tec-        Ihre Redaktion
men hat er eine andere Bedeutung. Welche        norm aus dem Raum Plettenberg und stößt                          REPORT

In dieser Ausgabe                                                                                           Juni 2017
 Titelgeschichte             ab Seite 2         „Speerspitze des                                Nachrichten für die Praxis 56
                                                deutschen Mittelstandes“                 30
Industrie 4.0 –                                                                                Auszeichnungen, Jubiläen
Die Digitalisierung als Chance                  HTI Hortmann: Generation Zukunft         32    und Geburtstage                         59
                                                Schlemmen an historischem Ort            36    Bücher                                  59
 Aktuell                    ab Seite 12
                                                P&B: Einsparfaktor „Müll“                46
Konjunkturklima so gut wie                                                                      Börsen                    ab Seite 60
lange nicht mehr                          14    Tecnorm – Alles aus einer Hand           48
                                                                                               Recyclingbörse                          60
Wirtschaft will Siegerland-Flughafen            Psychische Gesundheit:                         Unternehmensnachfolgebörse              60
unterstützen                              18    Betriebliche Herausforderung steigt      50
                                                                                               Handels- und
Kongress für Marketing und IT 2017        22    Existenzgründung:                              Genossenschaftsregister                 61
                                                Mit Beteiligungskapital zum Erfolg       52
IHKs und DGB gründen erstes                                                                     Kultur                              70
regionales Bündnis                        27    Innovationsstrategie                     54
                                                                                               Kommentiert – Notiert                   72
 Berichte                   ab Seite 30          Wirtschaft in der Region             40       Impressum                               72

                   REPORT   6/17                                                                                                         1
Die Digitalisierung als Chance Generation Zukunft - 32 Einsparfaktor "Müll" - IHK-Siegen
Maschinen denken mit und kommunizieren miteinander, Fertigungs- und IT-Technik
verschmelzen, und der Laptop gibt Bescheid, welches Ersatzteil an der Maschine
bestellt wird, damit die Produktion nicht gefährdet ist. Was sich für manchen eher
noch nach „Betrieb der Zukunft“ anhört, ist mehr als Science-Fiction: In vielen Unter-
nehmen in Siegen-Wittgenstein und im Sauerland ist die moderne Technologie, die
unter dem Stichwort „Industrie 4.0“ verstanden wird und reale Betriebsobjekte mit
virtuellen Datenwelten vernetzt, längst Standard. Denn nach Mechanisierung, Massen-
produktion und Automatisierung bietet die Digitalisierung neben der Herausforderung
vor allem eines: neue Möglichkeiten.
Die Digitalisierung als Chance Generation Zukunft - 32 Einsparfaktor "Müll" - IHK-Siegen
Die   INDUSTRIE 4.0

Digitalisierung
  als Chance
Die Digitalisierung als Chance Generation Zukunft - 32 Einsparfaktor "Müll" - IHK-Siegen
Z   u den Vorreiterunternehmen in Sachen
    Industrie 4.0 zählt die Invers GmbH in
Netphen. Umso überraschender ist es, wenn
                                                neue Informations-Techniken entwickelt
                                                worden – auch im Bereich Kommunikation
                                                und Funk-Kommunikation –, dass man solche
                                                                                              halten konnte, damit man keinen Schlüssel
                                                                                              mehr brauchte, um die Tür zu öffnen, war
                                                                                              das der neueste Schrei.“
man Gründer Uwe Latsch fragt, was er un-        Daten heute für wenig Geld austauschen
ter dem Begriff versteht: „Konkret könnte       könne. Weil die Funktechnik heute immer       Dass die Invers GmbH überhaupt im Jahr
ich gar nicht sagen, was Industrie 4.0 be-      stromsparender, immer leistungsfähiger, im-   1996 von ihm gegründet wurde, geht ge-
deutet“, gibt er zu. „Für                                           mer zuverlässiger wer-    nau darauf zurück, dass er selbst kein eige-
mich ist das ein Mar-                                               de, könne man darüber     nes Auto hatte und als wissenschaftlicher
keting-Schlagwort oder         „Der neueste                         nachdenken, dass Ma-      Mitarbeiter immer mit dem Fahrrad zur Uni
eine von der Politik               Schrei“                          schinen miteinander ar-   nach Siegen fuhr. „Irgendwann kamen wir
kreierte Bezeichnung.“                                              beiten und kommunizie-    auf die Idee, ein Auto mit ein paar Leuten
Dabei handele es sich seiner Ansicht nach       ren, die bislang nicht miteinander vernetzt   zu teilen. Und weil wir als Techniker das
bei dem, was man unter Industrie 4.0 ver-       waren. Auch Invers selbst profitiere letzt-   Teilen korrekt abrechnen wollten, haben
stehe, noch nicht einmal um eine „industri-     endlich mit seiner Technik für Carsharing –   wir zuerst einen Bordcomputer entwickelt
elle Revolution“. „Für mich ist alles, was in   also fürs „Autoteilen“ – von dieser Weiter-   und dann die entsprechende Software“, er-
nächster Zukunft in diesem Bereich pas-         entwicklung. „Viele Dinge sind heute viel     zählt er und gibt lachend zu: „Wahrschein-
siert, eher eine Evolution, eine ganz nor-      einfacher als vor 20 Jahren. Und die End-     lich wäre es einfacher gewesen, sich ein
male Weiterentwicklung“, sagt der Ge-           kunden, die unser System benutzen, bekom-     Auto zu kaufen!“ Denn ein wirkliches Inter-
schäftsführer. Die Invers GmbH in Netphen       men natürlich einen viel besseren Service     net habe es damals noch nicht gegeben, erst
ist Marktführer in Sachen Carsharing-Tech-      als damals.“ Heute können Menschen, die       recht kein Smartphone. „Trotzdem konnte
nologie, also für die gemeinschaftliche Nut-    kein eigenes Auto haben und Kunde bei ei-     man zu der Zeit Daten zwischen Auto und
zung von Autos. Heute sind mehr als 55.000      nem Carsharing-Anbieter sind, auf einer       Computer übertragen – das haben wir ge-
Fahrzeuge in über 20 Ländern mit der Tech-      Karte auf ihrem Smartphone sehen, wo das      macht“, schildert er. Mit Erfolg: Dank per-
nologie aus dem Siegerland unterwegs.           nächste freie Auto steht und es mit ihrem     manenter Innovation hat sich Invers mitt-
                                                Smartphone sofort öffnen und losfahren.       lerweile zum weltweiten Marktführer für
Schon vor 20 Jahren hätte man seiner An-        „Das war früher undenkbar“, erinnert sich     Carsharing-Technologie entwickelt. Heute
sicht nach jede Maschine miteinander ver-       der Elektroingenieur. „Da sind wir in eine    werden mit der Technologie aus Netphen
netzen können. „Es wäre halt nur viel zu        Telefonzelle gegangen, haben ein Callcen-     nicht nur zahlreiche Carsharing-Flotten
kompliziert und zu teuer gewesen – deswe-       ter angerufen und gefragt, wo steht ein Au-   betrieben, sondern auch Fuhrparks von Un-
gen hat es keiner gemacht“, sagt Latsch. In     to. Und als es dann kontaktlose Chipkarten    ternehmen und öffentlichen Einrichtun-
den letzten Jahren seien jedoch so viele        gab, die man an die Windschutzscheibe         gen.

                                                »          Für Geschäftsführer Uwe Latsch
                                                           ist die Digitalisierung in den Betrieben
                                                           eine Evolution statt einer Revolution.
                                                           „In 20 Jahren wird es wieder neue Dinge
                                                           geben, die wir uns heute nicht vorstellen
                                                           können.“

4                                                                                                                            REPORT   6/17
Die Digitalisierung als Chance Generation Zukunft - 32 Einsparfaktor "Müll" - IHK-Siegen
Rupprecht Kemper ist überzeugt,
       dass die industrielle Entwicklung für sein
   Unternehmen eindeutig „Teil der Zukunft“ ist.
                                                                                  «
       Als Beispiel nennt er die neue Fabrik mit
     vollautomatischem Lager- und Montage-
      system, das komplett datengesteuert ist.

Die Technologie, die aus Software und In-        Prozesse zu optimieren und konkurrenz-          Für Rupprecht Kemper, Geschäftsführer des
Car-Technologie besteht, wird in Deutsch-        fähig zu bleiben. Und wenn man feststellt,      weltweit tätigen Familienunternehmens
land entwickelt und produziert. Darüber          es lohnt sich, Maschine und Teile miteinan-     Gebrüder Kemper GmbH & Co. KG aus Olpe,
hinaus ist das Unternehmen inzwischen mit        der zu vernetzen, werden sie es sicherlich      stellt sich die Frage nach der Bedeutung
einem Standort in Vancouver international        auch tun – ohne dass sie es gleich ‚Industrie   von „Industrie 4.0“ gar nicht erst. „Es ist ei-
vertreten und beschäftigt mehr als 80 Mit-       4.0‘ nennen.“ Seine Bi-                                               ne ganz große Chance“,
arbeiter. Nicht nur die Erwartungen und
Ansprüche der Kunden, auch die Komple-
                                                 lanz – ganz gleich, wie
                                                 auch immer man diese
                                                                                 „Ein Teil                             sagt er. Eine mögliche
                                                                                                                       Gefahr könne er ledig-
xität vor allem der Software sei dabei ge-       aktuelle Evolution oder      unserer Zukunft“                         lich im Bereich Daten-
stiegen. „Natürlich ist es heute leichter als    Revolution auch be-                                                   sicherheit sehen. Doch
noch vor 20 Jahren, eine solche Technologie      zeichnet: „Auch in 20 Jahren wird es wieder     auch dieser Aspekt ließe sich in einem Ge-
auf Basis der bestehenden Standardisie-          neue Dinge geben, die wir uns heute nicht       samtkonzept entsprechend berücksichtigen.
rung zu entwickeln“, gibt Latsch zu. „Aber       vorstellen können. Ich denke, Fortschritt ist   Nur der Begriff „Industrie 4.0“ gefalle ihm
letztendlich ist es immer noch so, dass man,     auf keinen Fall schädlich. Er bedeutet dabei    „überhaupt nicht“: „Die Bezeichnung ‚digi-
wenn man mit diesen modernen Techniken           immer wieder neue Herausforderungen –           tale Wertschöpfung‘ oder ‚Digital Enginee-
arbeitet, sehr viele Spezialisten braucht, die   aber auch Chancen.“                             ring‘ ist viel zutreffender“, meint der IHK-
diese überhaupt beherrschen. Es ist nicht
damit getan, dass man ein billiges Funkmo-
dul kauft – und dann funktioniert das! Es
gehört ein ganzes System dazu. Wenn man
sich überlegt, dass wir vor 20 Jahren einen
Programmierer hatten und jetzt 50 haben,
dann fragt man sich doch: Wenn alles so
einfach geworden ist, warum braucht man
dann so viele Leute?“ Deshalb hätten es
sicherlich andere Branchen schwerer, „bei
einem solchen Fortschritt mitzuhalten“, weil
sie natürlich nicht die Spezialisten im Haus
hätten, die überblicken könnten, was sinn-
voll für ihr Geschäftsmodell sei. „Die, die
jetzt klassisch im Siegerland in der Stahl-
industrie tätig sind, müssen sich dazu Spe-
zialisten heranholen“, ist Uwe Latsch über-
zeugt.
Doch auf jeden Fall biete eine solche Ent-
wicklung Chancen. „Schon jetzt arbeitet doch
jeder Unternehmer, der eine Gießerei oder
eine Stahlverarbeitung hat, ständig daran,

                    REPORT   6/17                                                                                                             5
Die Digitalisierung als Chance Generation Zukunft - 32 Einsparfaktor "Müll" - IHK-Siegen
Vizepräsident. „Es geht nur darum, dass Da-     beschreibt Kemper, „bei dem die Mitarbei-       Angst herrscht, man könnte seinen Arbeits-
tentechnologie mit in die Produktionspro-       ter detailliert auf dem Bildschirm verfolgen    platz verlieren, haben wir nicht feststellen
zesse eingebunden wird. Dabei handelt es        können, wo sich welches Produkt, welche         können“, berichtet der Geschäftsführer.
sich um eine ganz normale technische Wei-       Kiste, welches Teil gerade befindet.“ Für       Gleichwohl räumt er ein, dass das Unterneh-
terentwicklung der Datentechnik und Ro-         diese komplett vernetz-                                             men durch die techni-
botertechnik der 90er Jahre – und keines-
falls um eine große technische Revolution,
                                                te Fertigung habe Kem-
                                                per entsprechende Lie-
                                                                                 Agieren                            sche Weiterentwicklung
                                                                                                                    auch Rationalisierungs-
wie es heute dargestellt wird.“                 feranten gehabt und die        statt reagieren                      effekte erzielen konnte.
                                                Mitarbeiter auf dem                                                 „Aber dadurch wurde
Für sein Unternehmen, das sich in die drei      System, das sie inzwischen mühelos beherr-      kein einziger Mitarbeiter entlassen“, betont
Geschäftsbereiche Gebäudetechnik, Guss-         schen, entsprechend schulen lassen. Angst       Rupprecht Kemper. „Sie sind lediglich an
und Walzprodukte gliedert, sei diese indus-     vor der neuen Technik, vor neuen Aufgaben       anderen Stellen im Betrieb eingesetzt wor-
trielle Entwicklung eindeutig „Teil unserer     oder vielleicht sogar vor einem Stellenab-      den.“
Zukunft“. Das beste Beispiel dafür stelle die   bau durch die Digitalisierung hätten die
neue Fabrik dar, die im April des vergange-     Kollegen nicht gehabt. „Sie haben die Schu-     Derzeit beschäftigt das Unternehmen 785
nen Jahres in Betrieb genommen wurde.           lungen sehr offen aufgenommen und ge-           Mitarbeiter in Olpe, weltweit sind es 890.
„Ein vollautomatisches Lager- und Monta-        sagt, das müsse sein, weil es technischer       Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten,
gesystem, das komplett datengesteuert ist“,     Fortschritt sei. Dass da irgendwo eine große    sei es wichtig, mit der technologischen Ent-

Prorektor Prof. Dr.-Ing. Peter Haring Bolívar
„Digitalisierung ist kein Selbstzweck“
Der Elektrotechnikingenieur Prof. Dr.-Ing.      vernachlässigt worden ist. Wenn man Poli-
Peter Haring Bolívar ist an der Universität     tik mobilisieren möchte, hat der Begriff
Siegen am Lehrstuhl Höchstfrequenztechnik       „Revolution“ natürlich eine höhere Bedeu-
und Quantenelektronik tätig und Prorektor       tung, ist publikumswirksamer und deshalb
für Forschung und wissenschaftlichen Nach-      nützlicher. Aber letztendlich ist es ein gra-
wuchs. Der WIRTSCHAFTSREPORT sprach mit         dueller Prozess, den jeder, jedes Unterneh-
ihm darüber, welche Chancen und Risiken         men für sich selbst übersetzen und sich fra-
die Digitalisierung bietet – und was dies für   gen muss: Was bedeutet es für mich und ab
die Unternehmen in der Region bedeutet.         wann ist es eine Chance, ab wann verän-
                                                dern sich die Produkte, die ich entwickle.
Ist diese „vierte industrielle Revolution“
                                                Ob so etwas erfolgreich umgesetzt wird,
wirklich so revolutionär?
                                                hängt aber nicht nur davon ab, wie weit die
Nun ja, eigentlich ist das nichts Neues. Im     Produktion automatisierbar ist. Auch die
Kontext der Automatisierung findet so et-       menschliche Komponente spielt eine Rolle.
was schon seit Langem statt. Aber weil die      Das heißt: Wie weit kommt die Arbeitneh-
Medien immer verfügbarer, kostengünsti-         merschaft mit, um den Prozess effektiv mit-
ger und leistungsfähiger werden, und sich       zugestalten? Es geht nicht nur um den Kauf
der Einsatz zunehmend auch in weiteren          von Anlagen und die Verknüpfung von Da-
Bereichen der Produktion weiter lohnen          ten, sondern auch um die Nutzbarmachung,
wird, schreitet diese Entwicklung natürlich     um die Möglichkeit, die Mitarbeiter mitein-     ist der Prozess nicht so leicht automatisier-
voran.                                          zubeziehen. Letztendlich wollen doch alle die   bar. Die großen Anlagenhersteller müssen
                                                Fachkräfte, die in unserer Region begrenzt      sich natürlich Gedanken machen, wie sie
Dann wäre es also eher eine Evolution                                                           den Wunsch nach einer viel besseren Über-
statt eine Revolution, was da gerade pas-       vorhanden sind, effektiver nutzen können.
                                                                                                wachung, Datenversorgung und Austausch
siert?                                          In welchem Stadium befinden sich denn           von Produktionsdaten in ihre Anlagen inte-
Ja! Das mag eine unpopuläre Meinung sein,       die Unternehmen in der Region auf diesem        grieren können. Denn der Kunde wird das
aber es ist tatsächlich eine Evolution. Au-     Weg?                                            wollen. Deshalb stellen sich hier andere
tomatisierung machen wir seit 30 Jahren.        Viele sind schon ganz enorm weit. Gerade        Fragen als für die Massenteileproduzenten.
Sie ist jetzt eben plötzlich nur sehr kosten-   die Branchen, die Massenteilefertigung an-      Immer geht es jedoch darum: Was kann ich
günstig geworden, und deshalb ist es jetzt      bieten, der klassische Automobilzulieferer.     an neuen Produkten ermöglichen und wie
denkbar, die Automatisierung in vielen wei-     Die Attendorner können ihre komplette Pro-      kann ich sie leistungsfähiger machen? Man
teren Bereichen von produzierenden Unter-       duktion weltweit im Halbstunden-Takt ak-        muss die Zeit nutzen und sollte sie sich
nehmen zu implementieren. Wobei man             tualisieren, das ist jetzt schon möglich! Bei   nehmen, ohne in Panik zu verfallen. Aber
auch sagen muss, dass die Investitionen in      Unternehmen allerdings, die Einzelprodukte      verschlafen sollte es keiner. Notfalls sollte
Informationstechnologie in Europa sträflich     herstellen, wo nichts von der Stange kommt,     man externe Beratung in Anspruch nehmen.

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Die Digitalisierung als Chance Generation Zukunft - 32 Einsparfaktor "Müll" - IHK-Siegen
»    Die Geschäftsführer der Tracto-Technik Wolfgang Schmidt (Inhaber),
              Timotheus Hofmeister (CEO), Meinolf Rameil (CTO) und Uwe Prinz
 (CMO) in der neuen Grundomat-Montage, deren Herzstück ein automatisches
                                      System zur Montage der Erdraketen ist.

wicklung Schritt zu halten. „Sonst wird man    ist dabei der zentrale Faktor der Wachs-      Dienstleistungen als auch Produktion und
abgehängt“, warnt Kemper. Bundesweit je-       tumsstrategie: „Die Digitalisierung ist ein   Logistik. Die Auswirkungen seien bereits
doch, so habe er kürzlich bei einer Umfrage    Schlüsselbaustein, mit dem wir Tracto-Tech-   jetzt in allen Unternehmensbereichen er-
gelesen, beschäftigten                                            nik fit für die Zukunft    kennbar. „Unter dem Begriff ‚Werkstruktur-
sich nur 30 bis 40 Pro-     Digitalisierung                       machen. Sie ermöglicht     planung‘ erfolgte bei uns die Neuorganisa-
zent der Unternehmen                                              uns, unseren Kunden        tion von interner Struktur, Abläufen und
mit der Digitalisierung       als Schlüssel                       noch innovativere Pro-     Herstellungsprozessen, um sie noch pro-
in den Betrieben. Rup-                                            dukte und herausragen-     duktiver und effizienter zu machen“, er-
precht Kemper ist überzeugt, dass man im       dere Dienstleistungen anzubieten“, erklärt    läutert Schmidt. „Dazu wird die Montage
südwestfälischen Raum jedoch „ganz gut         Inhaber Wolfgang Schmidt. Die Digitalisie-    aller grabenloser Systeme, die bisher in ver-
aufgestellt“ sei. „Das mag man in anderen      rung betrifft dabei sowohl Produkte und       schiedenen Werken erfolgt, bis Ende 2017
Regionen anders sehen, doch hier bei uns,
wo doch sehr viel Innovationskraft in den
Unternehmen steckt, setzt man sich sehr
intensiv mit diesem Thema auseinander, dass
man datentechnische Vernetzung auch an-
wendet, wo es Sinn macht.“ Etwas anderes
bliebe den Unternehmen auch eigentlich
gar nicht übrig, um langfristig am Markt
bestehen zu können: „Wenn man Innova-
tionen nicht mitmacht, werden sie irgend-
wann von außen aufdiktiert. Dann muss man
reagieren. Und das wollen wir nicht! Wir
wollen lieber agieren!“

Auch für den Spezialmaschinenhersteller
Tracto-Technik GmbH & Co. KG aus Lenne-
stadt ist die Digitalisierung ein großer und
bereits realer Themenkomplex, der unter dem
Begriff „Fit4Future“ vorangetrieben wird.
Gezielte Strategien sollen das Unternehmen
im Rahmen der Industrie 4.0 für die Zukunft
rüsten – die größtmögliche Digitalisierung

                   REPORT   6/17                                                                                                        7
Die Digitalisierung als Chance Generation Zukunft - 32 Einsparfaktor "Müll" - IHK-Siegen
»           Die Digitalisierung hat in den Betrieben
                                                           schon längst Einzug gehalten, ist sich
                                                           Sabine Bechheim von der IHK sicher.
                                                           Dort werden Unternehmen mit Informations-
                                                           veranstaltungen, Ideen zur Qualifizierung
                                                           von Mitarbeitern und Informationen zur
                                                           IT-Sicherheit unterstützt.

am Standort in Lennestadt-Saalhausen zu-       Tracto-Technik bereits heute alle relevan-     zung aller Komponenten über Cloud-Ser-
sammengelegt und um ein neues, hochmo-         ten Medien über eine zentrale Plattform di-    vices.
dernes Logistikzentrum ergänzt. Zur Förde-     gital zur Verfügung. „Zudem wird ein elek-     Auch Sabine Bechheim, Leiterin des Referats
rung der Innovationskraft wird parallel für    tronischer Produktkonfigurator bald dafür      Gründung, Finanzierung und Branchenini-
die Bereiche Konstruktion sowie Forschung      sorgen, dass die Kunden passgenaue Ange-       tiativen bei der IHK Siegen, ist überzeugt,
und Entwicklung ein neues Technologie-         bote in verschiedenen Sprachen blitzschnell    dass der Prozess der Digitalisierung in der
zentrum als zukünftige Innovationszentrale     auf Knopfdruck erhalten“, sagt Wolfgang        südwestfälischen Industrie „natürlich längst
am Standort in Lennestadt-Langenei ge-         Schmidt. Weitere Bausteine der digitalen       in den Unternehmen angekommen“ sei.
baut.“                                         Vertriebsstrategie sind Finanzierungsmög-      Denn die Bedeutung digital gesteuerter Fer-
Bereits im Frühjahr 2014 wurde mit der         lichkeiten, Servicepakete und neue Abrech-     tigung, digitaler Serviceleistungen oder di-
Umsetzung der Zukunftsvision begonnen.         nungsmodelle wie beispielsweise „Pay-Per-      gital aufgewerteter Produkte sei für die gut
Hier spiele die Digitalisierung in zweierlei   Use“.                                          aufgestellten Industrieunternehmen in der
Hinsicht eine zentrale Rolle, so der Ge-       Nicht nur der Herstellungsprozess der gra-     Region offensichtlich. „Und doch muss da
schäftsführer. „Sie führt einerseits dazu,     benlosen Systeme der Tracto-Technik wird       jedes Unternehmen seinen eigenen Weg ge-
dass der Kunde aufgrund der vielseitigen       durch digitale Prozesse optimiert, auch        hen, ein Patentrezept gibt es nicht“, meint
Informationsmöglichkeiten eine besonders       die Maschinen selbst – sie werden durch        Bechheim. Durch die Vernetzung bekämen
hohe Erwartungshaltung an Produkte und         die Digitalisierung benutzerfreundlicher.      Prozesse und Produkte eine neue Qualität.
Dienstleistungen hat,                                              „Funktionen wie Fern-      Auch die Kundenbeziehungen änderten sich.
andererseits ist sie der     Transparenz                           wartung und Bohrda-        Das nötige IT- und Kommunikations-Know-
Schlüsselfaktor um die-                                            tenprotokollierung ge-     how dazu müsse ihrer Ansicht nach natür-
se Anforderungen der         und Effektivität                      hören bereits heute zum    lich vorhanden sein – oder eingekauft wer-
Kunden weltweit so um-                                             Standard, die Bohran-      den. „Dabei sollten Betriebe jedoch auch auf
fassend wie möglich erfüllen zu können.“       lagen der Zukunft werden jedoch noch smar-     die eigene Kompetenz im Kerngeschäft ver-
Um dem Kunden die beste Gesamtlösung           ter und vollautomatisch“, führt Schmidt        trauen“, rät die Referatsleiterin. Von der IHK
für die entspreche Aufgabe zu bieten, wür-     weiter aus. Stichworte sind hier autonomes     Siegen gibt es auf diesem Weg übrigens Hil-
den alle internen und externen vertriebli-     Fahren per GPS, Erfassung aller Umge-          fe: Sie unterstützt die Unternehmen zum Bei-
chen Prozesse transparenter, effektiver und    bungsdaten mittels Sensortechnik zur selbst-   spiel mit Informationsveranstaltungen, Ideen
schneller gemacht. So stünden Vertrieb,        ständigen Anpassung des Bohrvorgangs an        zur Qualifizierung von Mitarbeitern und In-
Händlern und Schwestergesellschaften der       die jeweiligen Bedingungen und Vernet-         formationen zur IT-Sicherheit.           ksp/ck

8                                                                                                                              REPORT   6/17
Aus der Sicht eines Dienstleisters:
Patrick Schulte, Geschäftsführer „billiton internet services GmbH“ Siegen
Das, was unter „Industrie 4.0“ verstanden      ginale Kosten sind.“ Auch in Siegen-Witt-
wird, ist für die billiton internet services   genstein und im Sauerland werde seiner
GmbH in Siegen alles andere als neu. „Was      Ansicht nach „Industrie 4.0“ positiv einge-
wir machen, ist seit jeher mehr als eine       stuft. „Ich beobachte, dass sich viele Unter-
reine inhaltslastige Internetseite gewe-       nehmen darüber Gedanken machen, es als
sen“, so Geschäftsführer Patrick Schulte.      wichtiges Thema betrachten und als Chan-
„Es war immer schon eine Funktion und          ce sehen. Viele Mittelständler erkennen,
Anbindung von Drittsystemen.“ Das fängt        dass dieser kreative Prozess eine Sache
an mit einem Online-Shop oder einem            einen ganzen Schritt weiterbringen kann.“
Produktions-Steuerungssystem und geht          In vielen Bereichen werde damit bereits ex-
bis dahin, dass die Experten der Agentur       perimentiert, auf ganz unterschiedliche
tatsächlich Hardware für die Steuerung         Weise. „Einige haben eigene Abteilungen,
und Prüfung vor Ort beim Endkunden ent-        um etwas auszuprobieren und Erfahrungen
wickeln. „Das können Pumpensteuerun-           zu sammeln, andere gehen mit Externen an
gen sein, Ventilsteuerungen oder was           das Thema heran oder suchen die Koopera-
auch immer“, erläutert der Geschäftsfüh-       tion mit der Universität.“
rer. „Man kann alles messen, überall gibt
es Möglichkeiten. Und wenn nicht, kann         Auch billiton selbst profitiere von Industrie
man die schaffen.“ Das alles in einen Pro-     4.0: „Das Interesse an komplexeren digita-
zess zu gießen, verlange jedoch vielfältige    len Anwendungen ist größer geworden“, so
Kenntnisse. „Meistens haben die Kunden         Schulte. „Das ist exakt das, was wir immer
nur eine grobe Idee. Sie haben zwar ein        schon gemacht haben. Insofern ist diese         Art Brainstorming-Modus mit uns gehen,
Wissen darüber, was sie sehr gut können,       Entwicklung natürlich sehr positiv für uns.“    dass sie einmal sagen: ‚Wir sprechen eini-
aber sie wissen natürlich nicht, wie sie       Doch gerade weil es sich immer um ein sehr      ge Stunden über die Möglichkeiten und
das Ganze stärker digitalisieren können.“      komplexes Thema handle, wenn es darum           überlegen dann, was man daraus machen
Doch gerade darum gehe es: Innovation          gehe, neue Anwendungsmöglichkeiten in           kann, bevor es intern zu lange zu dem
zu betreiben, um dem Kunden zusätzli-          Betrieben zu schaffen, setze dies ein be-       Man-müsste-mal kommt.‘“ Auf der ande-
chen Service oder Vorteile gegenüber dem       sonderes Verhältnis zum Kunden voraus: „Er      ren Seite glaubt der Informatiker nicht,
Mitbewerber zu bieten. Das Internet brin-      muss sich mit uns auf einen langen Weg          dass die Unternehmen nun schon unter
ge dabei vollkommen neue Anwendungs-           begeben, auf dem man sich partnerschaft-        einem besonderen zeitlichen Druck stün-
möglichkeiten für Webtechnologie mit           lich verhält. Dazu gehört auch Vertrauen“,      den. „Man sollte nicht denken, dass man
sich. Das Spektrum reiche von Produk-          erklärt der Geschäftsführer. Auch wenn          nicht mehr zu lange warten darf. Es ist
tions- und Verbrauchsstatistiken bis hin zu    die Siegerländer Neuem gegenüber auf-           nicht so, dass der Zug schon bald ab-
Fernkonfiguration und Fernüberwachung          geschlossener seien als man vermute, hat        gefahren ist. Aber je früher man sich mit
von Geräten. Doch um diese Möglichkei-         der billiton-Chef für die Zukunft einen         dem Thema beschäftigt, umso besser natür-
ten zu nutzen, ist ein kreativer Prozess       Wunsch: „Dass die Kunden auch in eine           lich.“
erforderlich. „Es ist ja nicht so, dass ein
Kunde sagt: ‚Wir wollen telefonieren, ich
brauche einen Telefonanschluss‘“, erläu-
tert Schulte. Eher gehe es darum, gemein-
sam Ideen zu entwickeln, die realisierbar
sind und das Produkt im Markt einzigartig
machen – durch den Mehrwert, der mit-
hilfe zusätzlicher Services für den Anwen-
der geschaffen wird.
Die Technik selbst sei in einem Unterneh-
men für das Management eher unwichtig.
„Die muss eh funktionieren“, weiß der Ex-
perte. „Aber wenn ein Hersteller noch tolle
Analysen macht und Daten verknüpft,
kann das vielleicht der Grund sein, warum
diese Firma den Auftrag erhält. Und dabei
handelt es sich nur um eine Software-
Komponente, die ich oben draufsetze –
was im Vergleich zu den Maschinen mar-

                  REPORT   6/17                                                                                                             9
Aus der Sicht eines Dienstleisters:
 Ulf Lück, Geschäftsführer „Conception GmbH“ Siegen
                                                  dungen wie Webs, Apps & Software, die           tige Start-ups, die unabhängig und ohne
                                                  durch die zahlreichen Endgeräte und die         kurzfristigen Umsatzdruck arbeiten“, er-
                                                  immer besser werdende Internet-Verfüg-          klärt Lück. Conception habe zum Beispiel
                                                  barkeit ermöglicht werden.“                     vor über zwei Jahren die conception lab
                                                                                                  GmbH gegründet und konnte so neue Ar-
                                                  Bei Conception spielt Digitalisierung eine      beitsmethoden lernen, eigene Produkte
                                                  doppelte Rolle: Einerseits berät das Unter-     entwickeln und neue Märkte erschließen.
                                                  nehmen andere Betriebe bei ihren Digita-
                                                  lisierungsvorhaben – zum Beispiel bei der       Als problematisch erachtet Lück allerdings
                                                  Entwicklung von smarten Produkten und           die Reduzierung der Digitalisierung auf
                                                  digitalen Services – und setzt diese dann um.   Industrie 4.0. „Das ist mir zu kurz gedacht,
                                                  Andererseits nutzt Conception die Digitali-     da hier vor allem Kosteneinsparung und
                                                  sierung dazu, das eigene Geschäftsmodell        Rationalisierung angestrebt werden.“ Der
                                                  weiterzuentwickeln – zum Beispiel mit eige-     größte Nutzen von Industrie 4.0, nämlich
                                                  nen Software-Produkten wie dem Schu-            das Verwerten von durch die Vernetzung
                                                  lungssystem MYNDCORE.                           gewonnenen Daten von Maschinen, Pro-
                                                                                                  dukten und Nutzern (Kunden) werde bei
                                                  Digitalisierung ist für Ulf Lück aber auch      vielen Unternehmen noch nicht erreicht.
                                                  eine strategische Herausforderung, bei der      „Probleme sehe ich in einigen Bereichen:
                                                  die zentrale Frage lautet: Wie kann ein Un-     Fehlende Strukturen, um ‚digital innova-
                                                  ternehmen mit Hilfe digitaler Technologien      tiv‘ zu werden, das ‚Wie-fangen-wir-an-
                                                  zukunftssicher gemacht werden, in dem es        Problem‘ oder fehlendes Personal bezie-
                                                  zum Beispiel neue digitale Geschäftsideen,      hungsweise fehlende Partner, um nur
                                                  smarte Produkte oder nutzbringende digi-        einige zu nennen. Wir beobachten aber
                                                  tale Services für seine Kunden entwickelt?      zunehmend die intensive Absicht vieler
                                                  „Unter anderem mit dieser Frage beschäf-        Unternehmen, sich dem Thema Digitali-
                                                  tigen wir uns im Auftrag unserer Kunden.        sierung zu widmen und das in allen drei
                                                  Digitalisierung bietet enorme Chancen für       oben genannten Bereichen.“ Um im inter-
                                                  Change-Management, Innovationen und             nationalen Umfeld Erfolg zu haben, reich-
                                                  neue Wertschöpfungsmöglichkeiten und            ten „German Engineering“ und ein Top-Pro-
                                                  eben nicht nur für Kosteneinsparung. Unter-     dukt allein nicht mehr aus. Unternehmen
                                                  nehmen müssen ohnehin permanent über-           müssten ihren Kunden vom Produkt über
                                                  legen, womit sie in fünf oder zehn Jahren       nutzbringende Services bis hin zur Ver-
 Für Ulf Lück, den Geschäftsführer der Con-       Geld verdienen – und warum sollten digi-        marktung herausragende Erlebnisse bie-
 ception GmbH in Siegen, besteht Digitali-        tale Ideen und Modelle nicht dabei hel-         ten. „Und da bietet Digitalisierung beinahe
 sierung aus drei Säulen: erstens aus neuen       fen?“, führt der Geschäftsführer an. Um         unendliche Möglichkeiten“, ist sich Lück
 Formen der Zusammenarbeit in Unterneh-           solche neuen Geschäfts-, Produkt- oder          sicher.
 men (digitale Arbeitswelten), zweitens aus       Service-Ideen zu generieren, müssten
 Vernetzung und fortschreitender Automa-          Unternehmen allerdings Freiräume
 tisierung von Produktionsabläufen (Indus-        schaffen, die nicht durch das Ta-
 trie 4.0) und drittens aus der Entwicklung       gesgeschäft eingeschränkt wer-
 neuer Geschäftsideen, Produkte und Ser-          den. Letztlich sind dafür Maßnah-
 vices. „Digitalisierung ist ja eigentlich kein   men notwendig, bei denen unter
 neues Phänomen, wenn man zum Beispiel            Umständen zu Beginn noch kein
 an die E-Mail- oder Informations-Techno-         Return on Investment absehbar ist.
 logie im Allgemeinen denkt, die es seit          „Das ist für viele Unternehmen
 Jahrzehnten gibt und im Endeffekt analo-         natürlich erst mal ein Problem. Die
 ge Prozesse abgelöst hat“, erläutert Lück.       meisten tun sich aufgrund beste-
 „Auch im Produktionsumfeld gibt es schon         hender Strukturen, Abläufe und
 lange digitale Anwendungen wie Robotik,          Mitarbeiter schwer mit diesem
 Sensorik und Automatisierung. Neu sind           ‚freien Denken‘. Deshalb ent-
 die Möglichkeiten, Produktions- und Nut-         stehen bei einigen Firmen
 zer-Daten zu generieren, diese auszuwer-         neue Positionen wie zum
 ten und daraus automatisierte, gewinn-           Beispiel der ‚Chief Digital
 bringende Maßnahmen abzuleiten. Und              Officer (CDO)‘, neue Abtei-
 relativ neu sind auch die vielen Anwen-          lungen oder sogar rich-

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Wir fördern
das Gute in NRW.

Sabine Baumann-Duvenbeck und ihr Kraftpaket –
unterstützt durch die Fördermittel der NRW.BANK.
Die Stärke mittelständischer Unternehmen ist ein wichtiger Motor der Wirtschaft in unserer Region.
Eine Eigenschaft, die es wert ist, gefördert zu werden. Z.B. durch den NRW.BANK.Effizienzkredit:
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Aktuell

ZDW neu aufgestellt
Potenziale der Digitalisierung in Südwestfalen erschließen
Im September 2016 wurde das Zentrum für         Wirrwarrs und der Komplexität in den digi-
die Digitalisierung der Wirtschaft Südwest-     talen Kanälen um, sie müssen die „Custo-
falen e. V. (ZDW) als Verein gegründet und      mer Journey“ nachvollziehen. So bieten die
so auf neue Füße gestellt. Im Verwaltungs-      digitalen Kanäle enorme Möglichkeiten,
rat ist die Universität Siegen mit Prof. An-    den Kunden zielgenau zu adressieren und
dreas Dutzi und Prof. Ralph Dreher ebenso       mehr über sein Verhalten zu erfahren – digi-
vertreten wie die regionale Wirtschaft mit      tal wie analog. Um die tatsächliche Kennt-
Harald Peter (Sparkasse Siegen), Cornelie       nis der „Customer Journey“ steht es bei-
Rothmaler-Schön (Vorländer GmbH & Co.           spielsweise in Kliniken eher schlecht.
KG) und Konstantin Slawinski (Slawinski &
Co. GmbH). Der Vorstand besteht aus Daniel      Was ist für die erfolgreiche Umsetzung
Schnitzler (Siegener Mittelstandsinstitut der   einer digitalen Agenda wichtig?
Universität Siegen) und Dr. Christian Stof-     Das liegt meiner Meinung nach auf der Hand.
fers (St. Marienkrankenhaus Siegen). Mit        Die interne Kultur ist wesentlich, wenn es
ihm sprach der WIRTSCHAFTSREPORT über           gilt, die digitalen Herausforderungen zu meis-
die Ziele und Möglichkeiten, die das ZDW        tern. Sperrige Prozesse und ausgeprägtes
für die regionale Wirtschaft bietet.            Hierarchiedenken bremsen die Entscheider
                                                wesentlich auf ihrem Weg der digitalen
Nutzen Unternehmen die Chancen der              Transformation hin zu Industrie 4.0 aus.
Digitalisierung?
Das Thema Digitalisierung sollte für Ent-       An wen könnten sich die Entscheider in
scheider höchste Priorität genießen. Gele-      den Unternehmen orientieren?                     Das ist schwierig. Den Kundenerwartungen
gentlich werden die Potenziale übersehen,                                                        und der Kultur des „Jetzt und Sofort“ ge-
                                                Es ist schwer, den eigenen Status der Digita-
die mit dem Thema verbunden sind. Dabei                                                          recht zu werden, stellt das Unternehmen
                                                lisierung einzuschätzen. Bei einem Vergleich
ist die digitale Transformation kein Science-                                                    vor enorme Herausforderungen. Das fängt
                                                mit den digitalen Protagonisten sehen sich
Fiction, vielmehr liegen die meisten Tech-                                                       schon bei der Online-Bestellung an und
                                                die meisten als Verlierer; im eigenen „Saft“,
nologien schon vor und müssen lediglich                                                          geht weiter bei der Prozessgestaltung in-
                                                also dem Vergleich mit anderen Unterneh-
eingesetzt werden.                                                                               nerhalb des Unternehmens und endet ganz
                                                men der gleichen Branche, wächst das
                                                                                                 sicher nicht bei der Überleitung in den
Wie verhält es sich mit dem „Kundenver-         Selbstbewusstsein. Doch bietet dies nur eine
                                                                                                 nachfolgenden Fertigungsbereich. Das ZDW
ständnis“ in den Unternehmen?                   scheinbare Sicherheit, da ein Unternehmen
                                                                                                 plant für 2017 mehrere Veranstaltungen, so
                                                mit einem innovativen Geschäftsmodell
Um die Chancen der Digitalisierung zu nut-                                                       zum Beispiel zu den Themen „Interne Logi-
                                                schnell den Markt aufrollen kann.
zen, sind noch einige Herausforderungen                                                          stik“ und „Einkauf“. Hier können Unterneh-
zu meistern. Zuvorderst treibt die Unter-       Kann ein Unternehmen einen Rückstand             men sich wichtige Hinweise für die Gestal-
nehmen die Steuerung des vermeintlichen         aufholen?                                        tung im eigenen Betrieb holen.

      Technik, die bewegt.                                                                         Erich Schäfer GmbH & Co. KG
                                                                                                   Förder- und Antriebstechnik seit 1950

                                                                                                   Käner Straße 11 I 57074 Siegen I Germany
                                                                                                   Fon +49 (0)2737/ 501-0 I Fax +49 (0)2737/ 501-100
                                                                                                   info@e-schaefer-kg.de I www.e-schaefer-kg.de

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Aktuell

   Kommentar
   Bitte keine Hängepartien!
   NRW hat gewählt. Ein monatelanger              die Abgeordneten in den nächsten Jahren in      in welcher Konstellati-
   Wahlkampf liegt hinter uns. Anke Fuchs-        die Pflicht nehmen wird. Die Unternehmen        on am Ende in Düssel-
   Dreisbach (CDU), Jens Kamieth (CDU), Jo-       wollen eine berechenbare Schul- und Bil-        dorf regiert wird.
   hannes Remmel (Grüne) und Jochen Ritter        dungspolitik, vor allem mehr Dampf beim         Alle gewählten Abge-
   (CDU) vertreten zukünftig die Interessen       Ausbau der Infrastruktur und weniger Büro-      ordneten sind daher
   der heimischen Region im Düsseldorfer          kratie. Das jedenfalls ergab eine IHK-Um-       aufgerufen, im Parla-
   Landtag. Siegen-Wittgenstein und Olpe          frage im Vorfeld der Wahl, an der sich im       ment noch stärker für die Interessen Süd-
   haben im neuen Landtag mit vier Abgeord-       April über 350 Firmen beteiligten. Bei den      westfalens zu streiten. Hier schlägt das in-
   neten einen Vertreter weniger als in der       Flächen sollte sich mehr tun, vor allem bei     dustrielle Herz Nordrhein-Westfalens.
   letzten Legislaturperiode. Unter den vier      den Verkehrswegen und in der Breitband-         Gerade deswegen hemmen die unbestreit-
   Abgeordneten befinden sich zwei, die erst-     Infrastruktur. Schließlich ermöglichen neue     baren Standortnachteile bei Straßen,
   mals das Düsseldorfer Parkett betreten.        Technologien und online-basierte Netz-          Flächen, Schwertransporten und Breit-
   Beide Faktoren dürften zumindest zu-           werke erhebliche Effizienzsteigerungen in       band die weitere wirtschaftliche Entwick-
   nächst das heimische Gewicht in der            der Produktion, aber auch in der Logistik und   lung. Die heimische Wirtschaft erwartet
   Landeshauptstadt reduzieren. Andererseits      im Vertrieb. Je schneller die Unternehmen       hier mehr Dynamik. Mehr konkret verbes-
   stehen nach wie vor drei Abgeordnete in        die damit verbundenen Chancen nutzen,           sernde Tat als nur rückwärtsgewandte Er-
   den Reihen einer Regierungsfraktion; und       desto geringer ist die Gefahr, dass sie auf     klärungen dessen, was alles nicht geht.
   zwar unabhängig davon, welche Koalition        den Märkten abgehängt werden. Leider            Das wird die wesentliche Aufgabe unserer
   am Ende das Land regiert – eine schwarz-       fehlen in etlichen Industrie- und Gewer-        Abgeordneten sein, die im Übrigen ebenso
   gelbe oder (trotz aller „Ausschließeritis“)    begebieten nach wie vor leistungsfähige         nachdrücklich dafür streiten sollten, dass
   eine große. Unklar erscheint derzeit, wie      Breitbandanbindungen. Bei den Produkten         es möglichst schnell eine handlungsfähige
   sich diese neue Konstellation für die regio-   jedoch „Champions League“ und zugleich          Landesregierung gibt. Hängepartien, die
   nal relevanten Projekte auswirkt.              bei Flächen, Straßen und Breitband „Kreis-      wegen der Pflege persönlicher Eitelkeiten
   Klar ist indessen, was sich aus Sicht der      klasse“ – das wird auf Dauer nicht gehen.       gespielt werden, helfen schließlich nie-
   Wirtschaft ändern sollte und wofür man         Und zwar vollkommen unabhängig davon,           mandem.                        Klaus Gräbener

                                                  Qualität ist unsere Verpflichtung   | Schnelligkeit unser Auftrag | Erfahrung unsere Stärke.

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Aktuell

IHK-Umfrage
Konjunkturklima so gut wie lange nicht mehr
                                                                                                                 tionistisch motivierte Aussagen untergra-
                                                                                                                 ben“, schränkt IHK-Hauptgeschäftsführer
                                                                                                                 Klaus Gräbener ein und empfiehlt bei aller
                                                                                                                 Freude über die aktuelle Lage einen Tritt auf
                                                                                                                 die Euphorie-Bremse.
                                                                                                                 Momentan melden indessen knapp neun
                                                                                                                 von zehn Industriebetrieben Produktionsaus-
                                                                                                                 lastungen von über 70 Prozent. 56 Prozent
                                                                                                                 können Spitzenauslastungen (über 85 Pro-
                                                                                                                 zent) vorweisen. „Das sind schon stramme
                                                                                                                 Werte. Die Auftragseingänge werden deut-
                                                                                                                 lich positiver beurteilt als noch zu Jahres-
                                                                                                                 anfang. Vom Export erhoffen sich die Firmen
                                                                                                                 trotz bestehender Risiken weitere positive
                                                                                                                 Impulse“, verdeutlicht Felix G. Hensel. Ge-
                                                                                                                 rade der industrielle Auslandsumsatz hat im
                                                                                                                 ersten Quartal des laufenden Jahres einen
                                                                                                                 deutlichen Sprung nach vorne gemacht. Bis
Fast jedes zweite Unternehmen bezeichnet seine aktuelle Lage als gut. Der Blick in die                           zum Februar 2017 lag das regionale Aus-
Zukunft ist verhalten optimistisch.                                                                              landsplus bei 15,4 Prozent. Damit verbes-
                                                                                                                 serte sich der gesamte Umsatz um 6,7 Pro-
„Die Stimmung in der Wirtschaft hellte sich                      stigeren Entwicklung aus, nur 9 Prozent         zent. Der Inlandsumsatz verzeichnet einen
in den letzten Wochen merklich auf. Der                          seien skeptisch. Getragen wird die deutlich     Zuwachs von 5,7 Prozent. Im Kreis Siegen-
Konjunkturklimaindex stieg um weitere                            verbesserte Stimmung insbesondere durch         Wittgenstein ist der Umsatz mit einem Plus
acht Zähler auf 128 Punkte an. Dieses                            die Industrie und das Baugewerbe. Auch der      von 14,2 Prozent spürbar angestiegen. Das
Niveau erreichte er zuletzt im März 2007.                        Großhandel fühlt sich etwas besser als zu       darf aber nicht darüber hinwegtäuschen,
Besonders die Lageeinschätzungen ent-                            Jahresbeginn. Im Einzelhandel und im Dienst-    dass es nicht in allen Bereichen rund läuft.
wickeln sich weiter positiv. Fast jedes                          leistungsgewerbe ist demgegenüber eher          Im Kreis Olpe ging der Industrieumsatz um
zweite antwortende Unternehmen gibt zur-                         eine Seitwärtsbewegung zu beobachten.           3,2 Prozent zurück, allerdings von einem
zeit eine gute Lage an, nur 8 Prozent eine                       Das aber nach wie vor auf hohem Niveau,         höheren Niveau als im Nachbarkreis.
schlechte.“ Mit diesen Worten fasst IHK-                         ergänzt IHK-Vizepräsident Jost Schneider,       In beiden regionalen Kreisen beurteilt die
Präsident Felix G. Hensel die Ergebnisse der                     der zugleich hervorhebt, dass fast jeder        Industrie ihre Lage jedoch besser als zuvor.
jüngsten Konjunkturumfrage der Kammer                            dritte Einzelhändler gute Geschäfte meldet,     Klaus Gräbener: „Im Kreis Olpe spielen die
zusammen, an der sich knapp 360 Unter-                           jedoch nur 16 Prozent ungünstige: „Die          Autozulieferer eine dominierende Rolle. In
nehmen beteiligten. Der Blick nach vorne                         Rahmenbedingungen für den Konsum sind           dieser Sparte brummt es nach wie vor. Die
bleibe verhalten optimistisch. Immerhin ge-                      weiterhin gut: Geringe Arbeitslosigkeit, ho-    Einschätzungen dort sind nach wie vor po-
he ein Viertel aller Betriebe von einer gün-                     he Beschäftigung und gestiegene Einkom-         sitiver als die aus Siegen-Wittgenstein. Die
                                                                 men. Allerdings drücken die internationalen     Schere zwischen beiden Kreisen könnte sich
                                                                 Unsicherheiten auch etwas auf die Ver-          daher noch weiter öffnen. Die Unterneh-
                                                                 braucherstimmung“, bringt Schneider die         men im Südsauerland erwarten kurz- und
                                                                 Stimmungslage im regionalen Handel auf          mittelfristig einen noch besseren Verlauf,
                                                                 den Punkt.                                      die Betriebe in Siegen-Wittgenstein zeigen
                                                                 In der Industrie beschreiben 55 Prozent der     sich demgegenüber nur verhalten zuver-
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                                                                 Unternehmen ihre Lage als gut und nur 7         sichtlich.“ Im für die heimische Wirtschafts-
                                                                 Prozent als schlecht. Die Erwartungen in        struktur wichtigen Maschinenbau fällt die
                                                                 der Industrie verbesserten sich indessen        Umsatzentwicklung am Jahresanfang sehr
                                                                 nicht durchgreifend. Die unternehmeri-          unterschiedlich aus. Der Export stieg um
                                                                 schen Aussagen zu den Inlandsinvestitio-        25,1 Prozent, der Inlandsumsatz sank um
                                                                 nen bleiben jedoch ein dicker Wermuts-          33,6 Prozent. Insgesamt verbuchte der Ma-
                              bleiben Sie                        tropfen. Zwar möchte ein Drittel künftig        schinenbau in den ersten beiden Monaten
                                                                 mehr dafür ausgeben, aber knapp ein Fünf-       ein Umsatzminus von 7,7 Prozent. In der
                                                                 tel plant weniger ein. „Die Lage ist über al-   Metallerzeugung und -bearbeitung wurde
     Luft-Luft-Wärmepumpen – die clevere und kostengünstige      les gesehen wirklich gut. Die Investitions-     im laufenden Jahr ein Plus von 13,8 Prozent
     Lösung. Bei Ihrem Kälte-Klima-Fachbetrieb:
                                                                 zurückhaltung verdeutlicht jedoch das           erzielt, bei den Herstellern von Metall-
                                                                 Problem. Zahlreiche Unternehmen trauen          erzeugnissen – vorwiegend Autozulieferer
                                                                 dem Braten nicht wirklich. Dazu sind die        – ein Plus von 8,8 Prozent. Noch aber sind
                                                                 geopolitischen Unsicherheiten zu ausge-         die Umsatzdaten nicht belastbar genug, um
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                                                                 prägt. Das Zutrauen in einen fairen Welt-       eine gesicherte Prognose für das Jahr 2017
                                                                 handel wird nahezu täglich durch protek-        abgeben zu können.

14                                                                                                                                              REPORT   6/17
Aktuell

Nachruf
Hans Werner
Kocherscheidt †

Die Region Wittgenstein verliert mit
Hans Werner Kocherscheidt eine der
profiliertesten Unternehmerpersön-
lichkeiten. Er hat sich um seine Heimat,
um die Wirtschaft und um die Men-
schen in Wittgenstein verdient ge-
macht.

Die Mitarbeiter der EJOT-Gruppe mit
Hauptsitz in Bad Berleburg trauern
um ihren Senior-Chef. Im Alter von
88 Jahren ist am Karfreitag Hans
Werner Kocherscheidt nach kurzer,
schwerer Krankheit verstorben. Er
war ein Unternehmer, der nahezu 60
Jahre die Geschicke der EJOT-Gruppe
maßgeblich mitgestaltete. Er ent-
wickelte sich im Laufe dieser Jahr-
zehnte zugleich zu einem wahrhaften
Streiter für die Belange Wittgensteins
insgesamt. Hans Werner Kocher-
scheidt kam nach seinem juristischen
Studium Ende der 50er Jahre ins
Wittgensteiner Land. Eines seiner
Hauptanliegen bestand darin, dass
Wittgenstein nicht abgehängt wird.
Daher trat er nachhaltig über Jahr-
zehnte hinweg für eine verbesserte
infrastrukturelle Anbindung dieser
Teilregion ein. Die bemerkenswerte
wirtschaftliche Entwicklung der
EJOT-Gruppe wäre ohne das vom ihm
geschaffene Fundament nicht mög-
lich gewesen. Wittgenstein verliert
einen erfolgreichen Unternehmer, ei-
ne große Persönlichkeit und zugleich
einen seiner größten Förderer.

                 REPORT   6/17             15
Aktuell

IHK-Diskussionsveranstaltung
Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit
                                                                                                 „Grundsätzliches Ziel des Jobcenters ist“, so
                                                                                                 Achim Otto in seinem Diskussionsbeitrag,
                                                                                                 „die Flüchtlinge nicht in spezielle Flücht-
                                                                                                 lingsqualifizierungen zu stecken, sondern
                                                                                                 in ‚normale‘. Dadurch funktioniert die Inte-
                                                                                                 gration besser.“ Ein wichtiger Punkt dabei:
                                                                                                 Betriebspraktika. So früh wie möglich müs-
                                                                                                 se eine berufsbegleitende Qualifizierung
                                                                                                 stattfinden. Otto erhofft sich deshalb, mehr
                                                                                                 Unternehmen ließen sich genau darauf ein.
                                                                                                 IHK-Geschäftsführer Klaus Fenster fügte
                                                                                                 hinzu: „Wir haben im Berufsbildungszen-
                                                                                                 trum die Erfahrung gemacht, dass der Wille,
                                                                                                 Flüchtlinge zu integrieren und auch auszu-
                                                                                                 bilden, groß ist.“ Er ergänzte: „Der nächste
                                                                                                 Schritt ist jetzt, Betriebe systematisch nach
                                                                                                 Praktikumsplätzen zu fragen.“
IHK-Geschäftsführer Klaus Fenster (links) diskutierte mit Experten über bereits durchge-         Einen Schritt früher setzt das kommunale
führte Integrationsmaßnahmen und mögliche zukünftige Schwerpunkte.                               Integrationszentrum des Kreises Siegen-
                                                                                                 Wittgenstein an: die Integration der Kinder
                                                                                                 und Jugendlichen in den Schulen. In einem
„Die Einreise von Flüchtlingen nach Deutsch-     tegration Point Siegen. Er befindet sich in     Gespräch sucht Friederike Schlehbusch die
land hatte im Jahr 2015 ihren Höhepunkt.         den Räumen des Jobcenters. Seine Aufga-         passende Schulform aus. Aber auch hier
Seitdem sind die Zahlen deutlich rückläufig      be: Flüchtlinge so früh wie möglich in den      wird ein Problem offenkundig: „Wir haben
– das mag vor allem am Flüchtlingspakt           Ausbildungs- und Arbeitsmarkt integrieren.      das mit der Sprache unterschätzt“, sagte
zwischen der EU und der Türkei liegen. Die-      Eine der Grundvoraussetzungen dafür ist         sie im Rahmen der IHK-Veranstaltung. Für
ser Rückgang der Zahlen veranlasst bereits       die entsprechende Förderung, insbesondere       Kinder und Jugendliche sei es schwierig,
einige Kommunen, einen Teil ihrer Unter-         im Bereich der Sprache, aber auch auf an-       Deutsch zu lernen. Normalerweise bräuchte
bringungseinrichtungen für Flüchtlinge zu        deren Gebieten. „Die ersten kommen gerade       man sechs bis acht Jahre, um eine Sprache
schließen. Heißt das, die Arbeit ist getan?      aus den Qualifizierungsmaßnahmen zurück“,       soweit zu beherrschen, dass man im Unter-
Nein – denn auch, wenn nicht mehr ganz           berichtete Nina Appel. Sie ist im Integration   richt mitkäme. Das sei Grundvoraussetzung,
so viele Menschen aus dem Iran, dem Irak,        Point für die Arbeitsagentur zuständig und      um zum Beispiel die gymnasiale Oberstufe
Syrien oder Afghanistan zu uns kommen,           führte weiter aus: „Die Sprachkenntnisse        zu meistern. „Bei den meisten besteht aller-
geht die Integration derjenigen, die gekom-      entwickeln sich dabei schlechter als ge-        dings der unbedingte Wunsch, ein Gymna-
men sind, jetzt erst richtig los.“ Mit die-      dacht.“                                         sium zu besuchen“, verdeutlichte Friederike
sem Eingangsstatement eröffnete IHK-Ge-                                                          Schlehbusch weiter. „Sehr wenige schaffen
schäftsführer Klaus Fenster die Diskussions-     Das Jobcenter betreut momentan 1.400            das – derzeit sind es vier. Wenn man das den
veranstaltung „Integration von Flüchtlingen      Kunden im Integration Point und zusätzlich      Kindern und Jugendlichen kundtut, sinkt die
in Ausbildung und Arbeit“ in den Räumen          ca. 500 geflüchtete Menschen in den re-         Motivation ganz schnell.“ Am Ende der Ver-
der Industrie- und Handelskammer Siegen.         gionalen Anlaufstellen. An den Integration      anstaltung kristallisierten sich zwei wesent-
Experten des Kreises Siegen-Wittgenstein,        Point vermittelt werden die Geflüchteten        liche Gesichtspunkte heraus, die für eine er-
der Bildungsträger, der Agentur für Arbeit       vor allem über die Städte und Gemeinden         folgreiche Integration von Flüchtlingen in
und des Jobcenters berichteten dazu aus          in Siegen-Wittgenstein und Olpe. Hier           Ausbildung und Arbeit unabdingbar sind
ihrer Arbeit. Es ging um eine erste Bilanz der   äußerte Nina Appel den Wunsch, dass die         und in Zukunft verstärkt behandelt werden
schon durchgeführten Integrationsmaß-            Kommunen mit genug Informationsmate-            müssen: Zum einen geht es um die Förder-
nahmen und eine Erörterung möglicher             rial ausgestattet werden, um zu einer bes-      maßnahmen. Diese müssen so abgestimmt
Schwerpunkte und Bedarfe der nächsten            seren Vermittlung beizutragen. Eine andere      werden, dass keine zeitlichen Lücken zwi-
Jahre. Rund 60 Teilnehmer waren der Ein-         Anregung kam aus dem Teilnehmerkreis.           schen ihnen entstehen. So wird verhindert,
ladung durch die IHK Siegen und den Kreis        André Schmidt von der Stadt Siegen kriti-       dass Flüchtlinge das Erlernte durch die be-
Siegen-Wittgenstein gefolgt. Aktuell gibt        sierte den zentralen Standort: „Wer zum         sagte zeitliche Trennung wieder vergessen.
es laut Martin Schreier von der Ausländer-       Beispiel aus Wittgenstein kommt, hat es         Zum anderen geht es um Betriebspraktika.
behörde des Kreises 1228 Asylbewerber in         unglaublich schwer, nach Siegen zu gelan-       „Eine berufliche Qualifizierung muss in den
Siegen-Wittgenstein (die Stadt Siegen er-        gen. Es wäre besser, wenn der Integration       Betrieben stattfinden“, resümierte IHK-Ge-
hebt eigene Zahlen). Davon haben 455 Per-        Point in die Kommunen reinginge.“ Achim         schäftsführer Klaus Fenster. Denn nur durch
sonen gute Bleibeperspektiven.                   Otto vom Jobcenter in Siegen merkte an,         eine Kombination aus Arbeit und Qualifika-
Die zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge        dass die Betreuung bereits teilweise in der     tion lernten Flüchtlinge die Arbeitswelt ken-
und Zuwanderer – die mit hoher Wahr-             Fläche erfolge. Darüber hinaus biete der        nen und könnten eigene Ziele entwickeln.
scheinlichkeit bleiben dürfen oder zumin-        Integration Point bedarfsabhängig Sprech-       „Sie haben dann eine Perspektive vor Au-
dest eine Duldung bekommen – ist der In-         stunden vor Ort an.                             gen“, so Fenster abschließend.

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