www.noe.gv.at Band 64 - Land Niederösterreich
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Denkmalpflege in Niederösterreich Mühlen Band 64 – Mühlen Mitteilungen aus Niederösterreich Nr. 5 /2021 Österreichische Post AG MZ02Z032683M Amt der NÖ Landesregierung Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten Band 64 www.noe.gv.at
Vorwort Mit der 64. Ausgabe der Broschüre „Denkmalpflege in Niederösterreich“ tauchen wir in die Welt der Mühlen ein. Geht man an Flüssen und Bächen entlang, wird man nur noch wenige Mühlen finden, deren Räder sich drehen. Das Klappern ist verstummt, der Bach abgeleitet. Wo in der Mahlstube früher der mächtige Mahlstein sich drehte, wo Gesellen Korn hinein- und Mehl hinaustrugen, finden sich heute oftmals nur noch Relikte des einst blühenden Mühlenwesens. Es ist an der Zeit, mit dem vorliegenden Band die Mühlen, als eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit und bedeutendes Kulturgut, wieder ins Bewusstsein zu rufen und aufzuzeigen, dass sie als Bauwerke für eines der ältesten Gewerbe besonders schützens- und erhaltenswert sind. Seit 2.000 Jahren haben die Mühlen in unserem Land mit Hilfe von Wasserkraft oder Windkraft Getreide gemahlen und so zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen. Durch die Einführung neuer Maschinen und Antriebskräfte verloren im 20. Jahrhundert viele alte Mühlen ihre Bestimmung. Sie wurden stillgelegt, die Gebäude verfielen oder wurden anderweitig genutzt. Heute sind es nicht mehr romantisch anmutende Wassermühlen, sondern industrielle Großmühlen mit computergesteuerten Anlagen, die unser Getreide mahlen. Die Erhaltung traditioneller Mühlen bedeutet für die Denkmalpflege eine besondere Herausforderung. Einerseits gilt es, Mühlen im Idealfall als funktionsfähiges technisches Denkmal zu bewahren, oder andererseits mit Schaumühlen die Geschichte und das traditionelle Handwerk der MüllerInnen lebendig zu halten. Im Bewusstsein um die Besonderheit des Mühlenhandwerks soll dieses in nächster Zeit für die nationale Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO vorgeschlagen werden. Denn sowohl die Gebäude als auch das Handwerk sind wichtige Träger kultureller Identität. Und so möchte ich alle Leserinnen und Leser mit dem alten Müllergruß „Glück zu“ einladen, sich auf die spannende Spurensuche nach den Mühlen und dem MüllerInnenhandwerk in Niederösterreich zu begeben! Johanna Mikl-Leitner Landeshauptfrau von Niederösterreich
Editorial Das Arbeitsprinzip von Mühlen ist eine Schlüsseltechnologie in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaften. Die technische Fähigkeit, das harte Getreidekorn durch Zermahlen in ein jederzeit genießbares, aber dennoch lagerfähiges Grundnahrungsmittel zu verwandeln, bedeutete eine große Unabhängigkeit des Nahrungsangebotes von knappen jahreszeitlichen Ressourcen und deren kurzfristiger Verfügbarkeit im Jahreslauf. Vitruv, Chronist und römischer Baumeister, beschreibt in seinem Werk „De architectura libri decem“ die logistische Meisterleistung der Umwandlung und Kraftumlenkung der vertikalen Drehbewegung der Wassermühlen in eine horizontale Mahl-Bewegung mittels Winkelgetriebe. Mühlen Die Wassermühle gilt als das bedeutendste Erbe der Antike. In Mitteleuropa können wir auf die 2.000 Jahre bestehende Kontinuität einer die Wasserkraft nutzenden Technologie blicken: als Getreidemühlen, Hammerwerke, Brettersägen bis zu Hebemaschinen. In Niederösterreich sind uns über 3.000 Mühlenstandorte bekannt. Etwa die Hälfte davon ist in ihrem Ursprung als zumindest spätmittelalterlich einzustufen. In windbegünstigten Lagen, wie der hügeligen Landschaft des Weinviertels, sind seit dem 16. Jahrhundert auch Windmühlen bekundet. Die letzte Gutachtersitzung zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO hat sich nicht von ungefähr mit der Aufnahme des traditionellen Mühlenwesens in die Liste der historisch bedeutenden Kulturtechniken befasst. In diesem Sinne: Christian Knechtl
Mühlen Gerold Eßer Mella Waldstein Mühlen. Eine Denkmalkategorie der Glück zu! 44 Kulturlandschaft des ländlichen Raumes 6 Otto Schöffl Dimitri Egorov Österreichische Gesellschaft der Mühlenfreunde Typologien der niederösterreichischen Herkunft und Zukunft 47 Wassermühlen 12 Restaurierbeispiel Torsten Rüdinger Wasser, Wind und Motorenkraft: die Julia Katschnig Entwicklung der Antriebstechnik in Mühlen 16 Die Hofmühle in Hollabrunn Bewegte Vergangenheit – lebendige Zukunft 48 Gerhard A. Stadler Mühlen – Sägen – Schmieden – Stampfen 19 Blick über die Grenzen Denkmalpflege International Johann Wagner Zur Entwicklung der Getreidemühlen-Maschinen 23 Marie Rosenfeld Cohen Die Wassermühle in Slup Therese Bergmann Nationales Technikdenkmal des Windmühlen im Weinviertel 26 Technischen Museums in Brünn 50 Sabine Bergauer Aktuelles aus der Denkmalpflege Schiffmühlen: im Strom 29 in Niederösterreich 54 Nora Siegmeth, Alexander Stagl, Michaela Binder Buchempfehlungen 58 Zur archäoglogischen Untersuchung der ehemaligen Wassermühle Michelstetten 32 Überblick Mühlenmuseen und Museen in Mühlen in Niederösterreich 60 Richard Dieckmann Mühlen – zum Schutz der Technischen Literaturhinweise 62 Denkmale in Niederösterreich 35 Wolfgang Galler Die Müllerzünfte am Beispiel der Rußbachmüller in Ulrichskirchen 39 Ralph Andraschek-Holzer Ansichten niederösterreichischer Mühlen 41
Mühlen. Eine Denkmalkategorie der Kulturlandschaft des ländlichen Raumes Gerold Eßer Zur Kulturgeschichte der Mühlen Getreidemühlen. Bereits in der Antike ging es aber Das Arbeitsprinzip der Mühlen gehört zu den keineswegs nur um die Nutzbarmachung unter- Schlüsseltechnologien in der Entwicklung der schiedlicher Antriebsenergien (Mensch, Tier, Was- menschlichen Gesellschaften weltweit. Die Fähig- serkraft) und die Verfeinerung der technischen keit, Getreide durch Zermahlen in einen Zustand Anlagen des Mahlprozesses. Weitere Anwendungs- zu versetzen, der uns Menschen dessen Nutzung fälle wurden erdacht, in denen natürliche Ener- als lagerfähiges Grundnahrungsmittel ermöglicht, giequellen effizienzsteigernd in Fertigungsprozes- brachte eine größere Unabhängigkeit von einem bis sen eingesetzt werden konnten. So ist etwa aus dem dahin fast ausschließlich von natürlichen Ressour- antiken Hierapolis eine wasserbetriebene Steinsäge cen und deren saisonaler Verfügbarkeit bestimmten des 3. Jahrhunderts – in Form einer Zeichnung Nahrungsangebot. – nachgewiesen. Diese Sägemühle gilt als erste Die Geschichte der Mühlen beginnt weit bekannte Maschine, bei der eine Drehbewegung vor unserer Zeitrechnung und die technische Wei- – jene des Wasserades – mit Hilfe einer Kurbel- terentwicklung der Getreidemühlen begleitet den welle und einer Pleuelstange in eine lineare Bewe- Menschen seither in seinen wesentlichen Entwick- gung umgesetzt wurde. Mit den Römern kam die lungsschritten. Antike wasserbetriebene Mahlmüh- Kenntnis von mit Wasserkraft betriebenen Produk- Mühle in der Land- len sind uns aus China, Mesopotamien, Ägypten tionsmaschinen in den Raum nördlich der Alpen, schaft: Zwettl, Uttissen- und Persien bekannt. Auch die Römer verfügten wo diese seit dem Frühmittelalter den Landesaus- bachmühle mit Säge über mit unterschiedlichen Antrieben ausgestattete bau anfeuerten. 6
Technische Fortschritte im Hochmittelalter, die in die horizontale Drehbewegung eines Mahlstei- eine immer effizientere Nutzung der Wasser- nes umgesetzt wird, erfolgt in verschiedenen ande- kraft zur Folge hatten, werden wegen ihrer mit der ren Anwendungen durch Einsatz einer Kurbel die Transformation der Gesellschaften und Gemein- Transformation in linear oszillierende Bewegungen, wesen verbundenen Folgen von Historikern als wie etwa das oben genannte Beispiel der Steinsäge eine im Spätmittelalter vorweg genommene indus- zeigt. In unseren Breiten konnten auf diese Weise trielle Revolution bezeichnet. Im Kern ging es etwa Brettersägen, Lohstampfen, Loden- und dabei um die technische Übersetzung verschiede- Lederwalken sowie Papier-, Schleif- und Pulver- ner der Wasser-, aber auch der Windkraft inhä- mühlen betrieben werden. Eine ebenfalls verbrei- renter Energieformen in eine steuerbare und tete Form der Anwendung dieser Energiewandler damit nutzbare mechanische Bewegung. Wäh- waren die Hammerwerke, lokal auch Eisenhämmer Eine Säge in ihrem rend etwa bei der mitteleuropäischen Getreide- oder Schmiedemühlen genannt, bei denen große landschaftlichen mahlmühle die Drehbewegung einer horizon- Schmiedehämmer über an der Hauptwelle befes- Umfeld: Sägemühle in tal liegenden Welle eines stehenden Wasserrades tigte Nocken angehoben wurden und die kine- Yspertal, Otto Elsner durch zwei Winkelzahnräder um 90 Grad umge- tische Energie des herabfallenden Hammers zur 1939 lenkt und mittels einer zweiten, stehenden Welle Umformung genutzt wurde. Die etymologische Betrachtung der Begriffe „Mühle“ und „mahlen“ ist dabei interessant: Das Verb „mahlen“ ist ein Erbwort aus der indogermani- schen Sprachwurzel *[s]mel mit der Bedeutung „zer- reiben, zermalmen, mahlen“. Auch „Mühle“ kommt ursprünglich aus dieser Wurzel, wurde aber über das romanische (spätlateinische) Nomen molina (Was- ser-Mühle) als Lehnwort ins Germanische rücküber- nommen. Es bezeichnet eine Einrichtung zur „was- serkraftbetriebenen“ Zerkleinerung von Gütern und verdrängt nach der Einführung der Wassermüh- len in Mitteleuropa durch die Römer das germa- nische Wort für Hand-Mühle (mittelhochdeutsch kürn). „Mühlen“ konnten in unseren Breiten histo- risch nicht nur etwa „mahlen“, sondern bezeichne- ten sehr bald schon gewerbliche Einrichtungen zur wasser- und auch windkraftunterstützten Zerkleine- rung von Materialien. Daher wurden und werden zu den Mühlen im allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur Getreide- oder Mahlmühlen, sondern eben auch Säge-, Papier-, Walk-, Schleif- und Pulvermühlen gezählt. Es waren folglich die fast überall zur Ver- fügung stehenden Energieressourcen Wasser und Wind, die überall im Land kleine, spezialisierte Handwerksbetriebe entstehen ließen, ihrerseits Ausdruck einer fortschreitenden Diversifizierung der Berufe. Mühlen sicherten also nicht nur die Versorgung der Menschen mit Brot, sondern waren 7
Ein vielseitiger Betrieb im voralpinen Raum: Gutenstein, Säge, Ham- mer und Lohstampfe innerhalb der Klaus, Leopold Kupelwieser 1822 überall auch Motoren der Transformation rein der zusehends spürbaren Wasserknappheit an den agrarisch organisierter Gesellschaften hin zu bür- Bächen und kleineren Flüssen alternative Energie- gerlichen Gesellschaftsformen arbeitsteiligen Wirt- quellen für die Mehlproduktion zu erschließen. schaftens in den Siedlungszentren. So erscheint es Doch auch in der Epoche der Industriel- wenig verwunderlich, dass Mühlen jeder Art und len Revolution spielten Mühlen eine wichtige Arbeitsweise als dezentrale Kraftmaschinen über- Rolle. Gerade die Getreidemühlen führen uns ein- all dort errichtet wurden, wo das Angebot von drücklich ihre Wandlungsfähigkeit von agrari- Energie und Rohstoffen und die Nachfrage nach schen Handwerksbetrieben zu industriell ausge- Gütern des täglichen Gebrauchs gewinnbringend bauten Wirtschaftsbetrieben vor Augen. Im Zuge zur Deckung gebracht werden konnten. Müh- der Umstellung der Produktionsprozesse von der len – und in Niederösterreich sprechen wir bis ins Flach- zur Hochmüllerei entstanden die sogenann- 18. Jahrhundert in erster Linie von Wassermühlen ten Kunst- oder Industriemühlen, die sich auch – wurden nach und nach und schließlich in gro- baulich ganz wesentlich von den älteren Mühlen- ßer Zahl überall dort an den Wasserläufen errich- typen unterscheiden: Nicht nur machte man sich tet, wo die verfügbare Energiemenge den wirt- im fortschreitenden 19. und beginnenden 20. Jahr- schaftlichen Betrieb ermöglichte. Im 18. und 19. hundert neue Antriebsenergien zu Nutze. Der von Jahrhundert gesellten sich zu den Wassermühlen jeher mit der Schwerkraft arbeitende Prozess der auch die Windmühlen und an der Donau wurden Reinigung, Vermahlung, Klassierung und Abfül- schwimmende Produktionsstätten zur Getreidever- lung der Produkte wurde nun weiter optimiert in mahlung, die Schiffsmühlen, errichtet, um wegen mehrere Geschoße hohen kubischen Baukörpern 8
untergebracht, deren innere Struktur großer offe- Abhängigkeit zur Form des Geländes und der zur ner Arbeitsebenen eine flexible und anpassungsfä- Verfügung stehenden Energiemenge aus Wasser- hige Organisation der Arbeitsschritte erlaubte. kraft stehen dürfte. Während an einem sanft dahin- fließenden Fluss wie der Pulkau jeder der hier Der historische Mühlenbestand im Überblick nachweisbaren Mühlenstandorte über eine Ein- Die Kenntnis des Mühlenbestandes in Niederöster- zugsfläche des Wasserlaufs – inkl. Zuflüssen – von reich ist regional äußerst unterschiedlich. Während im Mittel ca. 10,3 km2 verfügen konnte, benötigen zu einzelnen Flüssen – besonders im Wald- und die historischen Mühlen des östlichen Alpenrandes Weinviertel – flächendeckende Untersuchungen zwischen Wien und dem Schneeberg mit seinem vorliegen, fehlen im Landesteil südlich der Donau deutlich steileren Gelände und den höheren Nie- – mit Ausnahme des Gebiets am Fuße des Schnee- derschlagsmengen gerade einmal ein mittleres Ein- bergs – entsprechende Aufnahmen weitgehend. zugsgebiet von 3,3 km2. Durch Extrapolierung der Den auf den bestehenden Untersuchungen Ergebnisse der genannten Untersuchungen wird fußenden Erhebungen des Autors zufolge dürfte erkennbar, dass die Mühlendichte im Most-, Wald- Niederösterreich über insgesamt zwischen 3.000 und Industrieviertel mit 5,3–5,6 km2 Einzugsge- und 3.500 historische Mühlenstandorte an Wasser- biet je Mühle in etwa gleich hoch liegt, während läufen aufweisen. Etwa 95% der Standorte dürften sie im flacheren Weinviertel im gesamten Zeitraum heute noch über erhaltene Mühlenbauwerke lokali- mit etwa 8,0 etwas niedriger ist. In Zahlen ausge- sierbar sein. Etwa die Hälfte ist in ihrem Ursprung drückt dürften im Weinviertel insgesamt etwa 580, als zumindest spätmittelalterlich einzustufen. Es im Industrieviertel 745, im Waldviertel 875 und scheint dabei nicht weiter verwunderlich, dass die im Mostviertel etwa 1.050 historische Mühlen Mühlendichte pro Flächeneinheit in einer gewissen standorte an Wasserläufen nachweisbar sein. Ein klassisches Mühlen- ensemble: Waidhofen an der Ybbs, Mühle und Mühlgang, Hugo Darnaut 1882 9
Österreichs, finden sich fast ausschließlich Getrei- demühlen. Dementsprechend gehören einige der mit vier oder sogar acht Mahlgängen ausgestatte- ten Weinviertler Mühlen auch zu den größten des Landes und die Anzahl der jüngeren, bereits indus- triell produzierenden Kunstmühlen ist hier beson- ders hoch. Kulturlandschaft der Mühlen Die historischen Mühlen sind wegen ihrer großen Anzahl, ihrer Verteilung in der Fläche und ihrer meist gut sichtbaren, solitären Stellung entlang der das Land durchziehenden Wasserläufe auch heute noch omnipräsent. Im Landschaftszusammenhang Mühlenlandschaft: In den waldigen Gebirgsgegenden des Alpenrau- vermitteln ihre oft massigen, ausdrucksstarken Altenmarkt im Thale, mes finden sich vergleichsweise bescheidene Pro- Baukörper gemeinsam mit den für den Mühlen- die Feldmühle mit duktionsstandorte: Charakteristisch sind hier die betrieb notwendigen Wohn- und Nebengebäuden dem ehemaligen Lauf Kleinbetriebe der Waldbauern, die in vielen Fällen in besonderer Weise historische Kontinuität. Wei- des Unterwassers und Mahlmühlen und Brettersägen an einem Betriebs- ters vermitteln auch und gerade die ehemals wirt- Lindenallee standort kombinierten. Erst im Zuge der Erschlie- schaftlich genutzten Freiflächen und betriebli- ßung der bis dahin schwer zugänglichen Gebirgstä- chen Anlagen im Umfeld der Gebäude wesentliche ler durch bessere Straßen wurden in dieser Region Erkenntnisse über funktionale Zusammenhänge. nach 1800 viele Getreidemühlen nach und nach Das weitere Umfeld einbeziehende wasserbauli- aufgegeben und die Standorte als reine Säge- che Einrichtungen, etwa Mühlbäche, Mühlteiche, werke weitergeführt. In den Gebirgsgegenden des Mühlgänge, Wehre, Fluter und Entlastungsgerinne, Mostviertels wird diese Situation in der Region erklären erst, wie die Wasserkraft im Mühlenbe- Eisenstraße noch ergänzt um eine im Viertels-Ver- trieb nutzbar gemacht werden konnte. gleich deutlich höhere Anzahl an Hammerwerken, Als ein Erfordernis unserer Zeit erscheint die der Verarbeitung des Eisenerzes zu Halbzeugen, daher die ganzheitliche Betrachtung der kultu- Werkzeugen und sonstigen Gebrauchsgegenstän- rell bedeutsamen Gebäude und Betriebsanlagen den aus Eisen und Stahl dienten. Für den Mühlen- im Zusammenhang mit dem bewirtschafteten bestand des Waldviertels sei stellvertretend die Situ- Umfeld und den oft auch ökologisch wertvollen ation des Kamp und seiner Nebenflüsse dargestellt: Naturräumen. Denn es ist die Einheit aus Funk- Bei insgesamt 308 nachgewiesenen Standorten ent- tion, Gestalt, historischer Bedeutung und Natur, fallen hier auf 100 Standorte im Mittel knapp 90 die den Wert der Kulturlandschaft erfahrbar Getreidemühlen mit – je nach Betriebsgröße – macht. In intakten kulturlandschaftlichen Ein- ein bis vier Mahlgängen. Weiterhin kann zusätz- heiten stehen Denkmale im Einklang mit ihrer lich mit etwa 65 Brettersägen, 11 Hammerwerken, Umgebung. Sie vermitteln die ästhetische Emp- einer Papiermühle und einer Lohmühle gerech- findung eines sinnvollen, erfüllenden Gesamtzu- net werden. Fünf Standorte wurden ab der ersten sammenhangs von Gesellschaft und Natur. Denk- Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Betrieben der loka- male in der Kulturlandschaft sind Erholungs- und len Stromproduktion umgerüstet. Die Aufstellung Lebensräume, fördern die Volksgesundheit und zeigt anschaulich, dass viele Standorte im Laufe generieren Einkommen, als extensiv oder nicht ihrer Geschichte mehreren Produktionszwecken bewirtschaftete Naturräume sind sie wichtige Fak- dienten. Im Weinviertel dagegen, der Kornkammer toren für das Ökosystem. 10
Der Mühlenbestand heute der Unterschutzstellungen umfasst explizit auch die Die Veränderungen der Zeit haben die komple- Mühlenmaschinen sowie auch die wasserbaulichen xen räumlich-kulturellen Zusammenhänge mas- Einrichtungen im Umfeld. Erhaltungsvorgaben siv gestört. Um die Gefahr von Überschwemmun- für das landschaftliche Umfeld der Objekte sind gen einzudämmen, wurden Flüsse bereits seit dem im Denkmalschutz allerdings nicht enthalten. Nur 19. Jahrhundert reguliert – mit der Folge gesenk- wenige Mühlen wurden als Anlagen unter Denk- ter Grundwasserspiegel und heute schmerzlich feh- malschutz gestellt, ein Status, der einen gewissen lender Feuchtwiesen und Überflutungsflächen. Schutz auch der Freiflächen bei denkmalgeschütz- Starke Konzentrationsprozesse in der Produktion ten Mühlen zur Folge hätte. und ein stetig fallender Mehlpreis hatten in der Die Anzahl der auf Grund ihrer kultu- zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Verlust rellen, regionalgeschichtlichen Bedeutung und der wirtschaftlichen Nutzung vieler Mühlen zur ihres authentisch überlieferten Erhaltungszustan- Folge, während die Wohnnutzung vielfach fortbe- des erhaltenswerten und daher schutzwürdigen stand. Wasserrechte wurden in der Folge zurück- Objekte muss insgesamt allerdings als weit höher gegeben, Mühlbäche aufgelassen oder gar zuge- beziffert werden. Genaue Zahlen könnten im Zuge schüttet, sodass viele Objekte heute wegen ihrer einer flächenhaften Erfassung etwa als Teil eines isolierten Lage fernab der Wasserläufe in ihrem Kulturkatasters erhoben werden. Dieser müsste Landschaftszusammenhang nur noch schwer les- auch eine Erfassung der wasserbaulichen Anla- bar sind. Die Zahl der unbeeinträchtigt erhaltenen gen sowie der Naturflächen und Landschaftsele- Objekte in ihrem gewachsenen Umfeld ist heute mente umgreifen. Die Technische Universität Wien sehr gering, sodass sich die Frage nach Möglichkei- hat am Beispiel der Inventarisierung der Müh- ten des Schutzes dringender denn je stellt. len an der Zaya einen Vorschlag für eine standardi- sierte Erfassung geliefert. Es zeigt sich am Beispiel Denkmalschutz der hier vorgestellten Denkmalkategorie, wie sehr In Niederösterreich genießen 73 Mühlen gesetz- ein Umgebungsschutz für Denkmale in der natio lichen Schutzstatus, 50 weitere werden als Kan- nalen Gesetzgebung fehlt. Auch wäre im gegebe- Wilfersdorf, denkmal- didaten für eine Denkmalschutzprüfung geführt. nen Fall die Verbindung des Denkmalschutzes mit geschützte Häring- Von diesen 123 Objekten dienten 96 Wassermüh- einem Schutzstatus für den Landschaftszusammen- mühle, bedrängt durch len und zwei Windmühlen der Getreidevermah- hang wünschenswert. die Zufahrtsrampe der lung, 21 sind oder waren Hammerwerke, drei Bundesstraße Sägemühlen und eine Lohstampfmühle. Ein Teil Blick in die Zukunft Im Falle der Mühlen als einer Denkmalkatego- rie des ländlichen Raumes zeigt sich das große Potenzial einer ganzheitlichen Betrachtung bau- kultureller Objekte gemeinsam mit der durch die menschliche Wirtschaftstätigkeit geformten Kul- turlandschaft. Die Erkenntnis könnte im besten Fall in einem erweiterten und auch rechtlich abge- sicherten Denkmalbegriff münden, der Denkmale und Objekte der Baukultur, Kulturlandschaft und Naturräume als letztlich untrennbar miteinander verwobene Einheiten umgreift. 11
Typologien der niederösterreichischen Wassermühlen Dimitri Egorov Niederösterreichs wasserbetriebene Getreidemüh- länglichen Grundriss erkennen. Sie stehen in der len haben ihren Ursprung im Mittelalter. Leider Regel solitär am Rande oder weiter außerhalb einer sind keine von diesen urkundlich erwähnten Bau- Siedlung, mit ihrer Längsseite parallel zum Fluss werken vollständig erhalten geblieben – die ältesten und verfügen über eine traufenseitige Radstube Gebäude, die ihre ursprüngliche Integrität zum Teil sowie weitere kleinere Anbauten, die sich meis- bewahrt haben, stammen aus dem 16. Jahrhun- tens an den Giebelseiten befinden. Der Haupttrakt dert. Veränderungen der Nachfrage, Katastrophen, beinhaltet dabei größtenteils sowohl den Mühlen- Besitzerwechsel, regionale Faktoren sowie tech- stock als auch Wohnräume für den ansässigen Mül- nologische Anpassungen hinterließen gewachsene ler. Die größeren Varianten dieses Typs verfügen Baustrukturen mit vielen historischen Schichten, über einen eigenständigen Wohnflügel, der an den deren typologische Einordnung sich oft als schwie- Mühlentrakt angegliedert ist und sich diesem bau- rig erweist. Dennoch ist es möglich, einige grund- lich unterordnet. legende Bautypologien festzulegen. Aufgrund der freistehenden Lage werden diese recht hohen Bauwerke zu prägenden bau- Schopfwalmdach-Mühlen (16. –17. Jahrhundert) lichen Elementen der Umgebung. Ihre reprä- Dieser vorindustrielle Typ der Getreidemühlen sentative Rolle wird durch Fassaden in der For- aus dem 16. –17. Jahrhundert ist überall in Nie- mensprache der Renaissance unterstrichen. Diese derösterreich in seinen verschiedenen Abwandlun- sind vertikal von annähernd quadratischen Fens- gen zu finden. Mühlen dieses Typs verfügen meis- tern sowohl an der Giebel- als auch an der Trau- tens über drei bis vier Mahlgänge und lassen sich fenseite gegliedert. Die zum Teil nicht verglasten an einem charakteristischen steilen Schopfwalm- Fensteröffnungen verfügen oft über Holzlä- dach über einem zweistöckigen Bau mit einem den und werden durch Faschen sowie profilierte Mühle des Salmhofes in Marchegg 12
Brauneismühle in Roggendorf Fensterverdachungen und Sohlbänke hervorge- errichteten kombinierten Getreide- und Sägemüh- hoben. An der Längsseite findet man häufig zwei len des Wald- und Industrieviertels bis hin zu der übereinander positionierte Eingänge, die sowohl außergewöhnlichen Doppelanlage der Salmhof- zum Erd- als auch zum Obergeschoß der Mühle Mühle in Marchegg. führen. Das obere Portal wird außen mit einer symmetrischen zweiflügeligen Treppe erschlossen. Satteldachmühlen (16. –17. Jahrhundert) Ebenfalls findet man bei den meisten Vertretern Die Mühlen dieses Typs sind in Niederösterreich des Schopfwalmdach-Typs Ecksteinquaderungen ebenfalls stark verbreitet. Sie haben zwei Stock- – zum Teil nur an der Schauseite – sowie Giebel- werke und ein steiles Satteldach, das oft zwei wei- und Traufengesimse. Die im Renaissance-Stil aus- tere Arbeitsböden beinhaltet. Beide Geschoße gestalteten Rauchfänge ergänzen das stimmige Aus- verfügen über einen Eingang, wobei das untere sehen dieser Bauwerke. Geschoß oft abgesenkt ist. Im Gegensatz zu den Das steile Schopfwalmdach bietet diesem Schopfwalmdach-Mühlen haben diese Bau- Mühlentyp einige Vorteile: Es kombiniert die bes- ten keine weitere Aufgabe neben dem Getreide- sere Ausnutzbarkeit eines Satteldachs mit der Sta- vermahlen, das üblicherweise von zwei Mahlgän- bilität und dem erhöhten Witterungsschutz eines gen im Flachmahlverfahren erledigt wurde. Aus Walmdachs. So können die Dachböden der Müh- diesem Grund werden die Mühlhäuser mithilfe len in zwei Ebenen gegliedert und giebelseitig von Anbauten mit anderen Funktionen ergänzt. belichtet werden. Hier findet man eine große Vari- Auf diese Weise entstehen größere Ensembles mit ation unterschiedlicher Lösungen – von kleinen diversen Trakten und auch einzeln stehenden Bau- runden oder quadratischen Luken bis hin zu Fens- werken. Der annähernd quadratische Grundriss tern in gleicher Ausführung wie beim Rest des der Mühlen erlaubt dabei sowohl ihre flexible Posi- Gebäudes. tionierung entlang der Gewässer als auch vielfältige Die Schopfwalmdach-Mühlen waren in Erweiterungsmöglichkeiten. allen Teilen Niederösterreichs verbreitet. Aus die- Die reduzierte Gestaltung der Satteldach- sem Grund findet man verschiedene Ausformun- Mühlen unterstreicht den Charakter dieser ano- gen dieses Bautyps: Von den zum Teil aus Holz nymen Zweckarchitektur. Ihre Fassaden werden 13
durch eine regelmäßige Anordnung von kleinen tangieren. Umso bemerkenswerter ist die ortho- Fenstern gegliedert. Die Fenster werden gar nicht gonale Position der Bauwerke zur Zufahrtsstraße. oder ggf. nur mit Putzfaschen hervorgehoben. Nur so kann die barocke Giebelfront in ihrer vol- Bemerkenswert ist die große Bandbreite der Gie- len Pracht präsentiert werden. belluken dieser Bauwerke. Die Vielfalt von For- Im Inneren sind die zweistöckigen Bau- men und Anordnungen der Öffnungen verleiht werke in zwei Bereiche geteilt. Straßenseitig liegt diesen Mühlen eine gewisse Individualität. Weitere der Wohntrakt; auf der gegenüberliegenden Seite Gestaltungselemente sind ebenfalls eher individuell des länglichen Baukörpers ist der Mühlstock situ- und stammen meistens nicht aus der Entstehungs- iert. Der traufenseitige Eingang erschließt beide zeit dieser Bauten. Trakte. Ein hohes Mansardsatteldach – eine Errun- Die einfache Bauform sowie der frühe Ver- genschaft des Barock – bietet weitere Zimmer lust der ursprünglichen Funktion ergaben bei vie- oberhalb des Wohntrakts sowie zwei zusätzliche len Mühlen dieses Typs zahlreiche Umnutzungen, Arbeitsböden für den Mühltrakt. Bei kleineren Adaptierungen und Umbauten, die diese Bauwerke Mühlen ersetzt das einfache Satteldach die barocke zum Teil bis zur Unkenntlichkeit veränderten. Konstruktion. Weitere Nutzräume befinden sich in Daher wäre es besonders wichtig, die letzten unver- Anbauten oder in frei stehenden Baukörpern der sehrten Vertreter der Satteldach-Mühlen für nach- Anlage. folgende Generationen zu sichern. Das prägendste Merkmal des Stockerauer Mühlenstils ist die aufwendige Gestaltung der Bau- Mühlen des Stockerauer Mühlenstils werke. Bemerkenswert sind dabei ihre reichlich (Ende 17. –18. Jahrhundert) verzierten Giebelwände an der Straßenfront, die Die vorindustrielle Mühlenbaukunst Niederöster- den Wohlstand ihrer Besitzer effektvoll zur Schau reichs erreicht ihren Höhepunkt im Barock. Wäh- stellen. Die Fassaden der Mühlen erhalten ihre ver- rend dieser Epoche entsteht eine prunkvolle Wei- tikale Gliederung mithilfe regelmäßig angeord- terentwicklung des Schopfwalmdach-Typs – die neter, doppelflügeliger Holzkastenfenster, wobei Mühlen des Stockerauer Mühlenstils. Ihre Lage sie im Wohn- und im Mühltrakt oft unterschied- in Bezug auf den Mühlbach ist freier im Vergleich liche Formate aufweisen. Kordon-, Traufen- und Teufelhartmühle in zu den Renaissance-Mühlen. Die Baukörper kön- Giebelgesimse sorgen für die horizontale Untertei- Oberolberndorf nen diesen sowohl giebel- als auch traufenseitig lung. Die beachtliche Individualität einzelner Bau- ten wird durch den großen Katalog barocker Ver- zierungen erreicht. Die bindenden Elemente sind dabei die geschwungenen Giebel, die oft mit Volu- ten, Ochsenaugen, Pinienzapfen und anderem Dekor verziert werden. Die meisten dieser herrschaftlichen Bau- ten befinden sich außerhalb von Ortschaften. Ihre Gestaltung begünstigt allerdings die Eingliede- rung der Mühlen in ein Straßengefüge. Daher fin- det man ebenfalls Objekte, die erfolgreich in Dorf- oder Stadtstrukturen integriert sind. Barocke Walmdachmühlen (18. –19. Jahrhundert) Die ersten Mühlen dieses Bautyps entstanden im 18. Jahrhundert, wobei die meisten Bauwerke zwischen 1800 und 1850 errichtet wurden. Im 14
Hauptbaus oder in architektonisch untergeordne- ten Nebenbauwerken. Der neue Typ: Industriemühlen (19. –Anfang 20. Jahrhundert) Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in England begonnene Industrialisierung mar- kierte den Beginn einer neuen Ära im Mühlwe- sen. Dampfmaschinen ermöglichten den Betrieben eine wesentlich höhere Leistung als Wassermüh- len. Außerdem konnte man solche Werke überall errichten, da man nicht mehr von der Wasser- oder Windkraft abhängig war. Da die neue Technolo- gie die Habsburger-Monarchie recht spät erreichte, kam es erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun- derts zu einer starken Verbreitung der Industrie- Schlossmühle in Vergleich zu den Mühlen des Stockerauer Müh- mühlen im Land. Die Einführung des Walzen- Ebendorf lenstils wirken sie schlichter, obwohl sie eben- stuhls begünstigte diese Entwicklung. Gleichzeitig falls eine barocke bis früh-historistische Gestaltung kam es zu einer stetigen Abnahme alter Wasser- aufweisen. mühlen. Viele Kleinmüller versuchten ihre Betriebe Das Hauptmerkmal dieser Bauwerke ist aufzurüsten, aber nur wenigen gelang dieser die homogene Erscheinung des Gesamtarrange- Umstieg. Viele Mühlhäuser mussten daher umge- ments, die zumindest an den Schauseiten des Bau- nutzt oder stillgelegt werden. ensembles angestrebt wird. Die dominante Rolle Die neuen Kunstmühlen haben ihre drei spielt dabei der meistens zweistöckige Hauptbau, wesentlichen Arbeitsschritte – Lagerung, Reini- der sowohl das Wohnhaus als auch den üblicher- gung und Vermahlung des Getreides – in einem weise kleinen Mühlstock mit zwei bis drei Mahl- Gebäude mithilfe eines abwärts gerichteten Pro- gängen beinhaltet. Die regelmäßige Strukturierung duktionsvorganges verrichtet. Das definierte die seiner Fassaden wird durch eine axiale Anord- Form des neuen Bautyps. Die großen mehrstöcki- nung von rechteckigen, zwei- oder vierflügeligen gen Bauwerke mit einem flachen Satteldach wur- Pfostenstock-Kastenfenstern erreicht. Sie werden den oft an bereits vorhandenen Mühlstandor- durch Putzfaschen, profilierte Fensterverdachun- ten erbaut und dominieren seitdem die älteren gen und Sohlbänke betont. Die horizontale Glie- Baustrukturen. derung übernehmen Kordon- und Kranzgesimse. Die fortschreitende Technisierung der Land- Dabei gibt es kaum einen Unterschied in der äuße- wirtschaft im 20. Jahrhundert brachte viele von ren Gestaltung des Wohn- und Mühlbereichs. Erst diesen ehemals höchst innovativen Betrieben zum bei genauerer Betrachtung bemerkt man Abwei- Stillstand. Einige dieser wichtigen Zeitzeugen der chungen in der Proportionierung und Konstruk- dramatischen Transformation des Mühlwesens, das tion der Fenster, der Achsenverteilungen sowie sich viele Jahrhunderte lang kaum geändert hatte, zusätzliche Portale, die auf eine Funktionsänderung stehen nun leer und verlangen wie auch ihre Vor- hinter der Fassade hinweisen. Die mit einem fla- gänger nach Schutz sowie nach Strategien ihrer chen Walmdach bedeckten Baukörper verstecken denkmalgerechten Erhaltung. somit ihre Zweckbereiche und wirken eher wie reine Wohnhäuser. Zusätzliche Wirtschafts- und Lagerräume befinden sich in weiteren Flügeln des 15
Wasser, Wind und Motorenkraft: die Entwicklung der Antriebstechnik in Mühlen Torsten Rüdinger Mühlen im traditionellen Sinn sind komplexe Gemeinsames Merkmal wasser- und windgetriebe- technische Anlagen, in denen Arbeitsmaschi- ner, aber auch von vielen der motorisch angetrie- nen zu sehr unterschiedlichen Zwecken angetrie- benen kleineren, handwerklich arbeitenden Müh- ben werden. Bekannt sind über 180 verschiedene len ist der Einsatz eines zentralen Antriebsaggregats Nutzungsarten als Wegbereiter einer industriellen und die Verteilung der Kraft zu einzelnen Maschi- Entwicklung. nen und Anlagen. Die Wasserkraft wird in Europa seit über 2.000 Jahren genutzt, die Windkraft seit weit Mühlen mit Wasserrad oder Wasserturbine über 800 Jahren. Die Nutzung fossiler Energie- Eine entscheidende Rolle spielt die Einbaulage der träger zum Antrieb von Dampfmaschinen und Wasserradwelle. Sie kann senkrecht oder waage- Verbrennungsmotoren sowie die Entdeckung recht angeordnet sein, wobei die Zuführung des des elektromechanischen Prinzips ermöglich- Wassers (Beaufschlagung) von oben (oberschläch- ten einen technologischen Schub in der Entwick- tig), oberhalb der Radwelle (rück(en)schlächtig), lung leistungsfähiger Systeme zur Nutzung der auf Höhe der Radwelle (mittelschlächtig) oder Naturkräfte, führten aber zwangsläufig zu ihrem unterhalb der Radwelle (unterschlächtig) erfolgen Oberschlächtiges Was- Niedergang. Mittels Verbrennungs- und Elek kann. serrad an der Stein- tromotoren ließ sich unabhängig von den Natur- Unterschiede bestehen im technischen Auf- mühle Polleben kräften in einem erheblich größeren Umfang bau bzw. der Form und Stellung der Schaufeln als (Sachsen-Anhalt) produzieren. Schaufel- oder Zellenräder, der Art des Aufbaus in freihängende oder Kropfräder und der des Arm- verbands (durchgesteckte Radarme, holländischer oder Rosetten-Armverband). Entsprechend der an einer Mühle verfügbaren Fallhöhe gibt es folgende Bauarten: Ober- und rückschlächtige Räder besitzen dreiseitig geschlossene Radzellen, in die das Betriebs- wasser über ein Gerinne geleitet wird. Die Schwer- kraftwirkung löst so eine Drehbewegung aus. Mittelschlächtige (und unterschlächtige) Räder werden als Schaufelräder gebaut und von einem kropfartigen Gerinne mit Seitenwänden umschlossen. Eine typische Konstruktion ist das Zuppinger(niedergefälle)rad, das Mitte des 19. Jahr- hunderts konstruiert wurde und auf Grund der Schaufelform einen sehr guten Wirkungsgrad erreicht. Unterschlächtige Räder, die nur ein gerin- ges Gefälle nutzen, haben zwei Bauformen. Als 16
Strauberräder werden die sehr schmalen mit einem einen Flachriementrieb direkt auf die Mühlen- Radkranz, an dem die Schaufeln befestigt sind, haupttransmission übertragen werden. bezeichnet. Die breiteren Staberräder besitzen zwei Typisch für Wassermühlen sind die sie umge- Radkränze, zwischen denen die Schaufeln sitzen. benden wasserbaulichen Anlagen. Zu ihnen gehö- Eine besondere Bauform ist das Pansterrad, das je ren Wehre, Mühlgräben und Stauteiche. nach Unterwasserstand in seiner Höhenlage ver- ändert werden kann. Schiffmühlen gelten als eine Windkraftnutzung an Mühlen besondere Bauform mit einem oder mehreren Bestimmendes Merkmal von Windmühlen unter- unterschlächtigen Rädern. schiedlicher Bauart ist das Flügelkreuz, seltener ein Traditionell wurden Wasserräder aus Holz Windrad. Vorherrschend sind Kreuze mit vier Flü- gebaut. Seit dem späten 19. Jahrhundert gibt geln und einer Drehrichtung gegen den Uhrzei- es Räder aus Holz und Eisen/Gusseisen bzw. gersinn. Die Flügel sind am Ende der Flügelwelle Ganzmetallräder. außerhalb der Mühle in einem Wellkopf oder an Ende des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts einer Art Armkreuz rechtwinklig zueinander befes- hielt die Wasserturbine Einzug, von der es eine tigt. Bei den gusseisernen Wellköpfen bildet je ein Vielzahl unterschiedlicher Arten gibt. Die Fran- Flügelpaar eine Rute, die zueinander leicht ver- cis-Turbine ist die meist gebaute und eingesetzte in setzt im Wellkopf angeordnet sind. Jene Rute, die Mühlen. In einen Turbinenschacht oder eine Tur- sich näher an der Mühle befindet, wird als Haus- binenkammer eingebaut, kann sie eine liegende rute, die äußere als Feldrute bezeichnet. Dabei oder stehende Welle besitzen. Im Inneren befin- gibt es den ein- und den mehrteiligen Aufbau. Bei det sich ein Laufrad, auf das der zum Turbinenge- einem einteiligen Aufbau wird die gesamte Rute häuse gehörende Leitapparat mit seinen verstellba- durch den Wellkopf als „Durchsteckrute“ geführt. Unterschlächtiges Was- ren, klappenartigen Leitschaufeln das Wasser leitet, Üblicher ist ein dreiteiliger Aufbau. Dafür wird im serrad an der Schleif- sodass die Energie an die Welle abgegeben werden Wellkopf ein hölzernes oder eisernes Bruststück mühle Schwerin (Meck- kann. Auf Grund der weitaus höheren Drehzahlen befestigt, an das die Spitzen als die eigentlichen lenburg-Vorpommern) im Vergleich zu Wasserrädern kann die Kraft über Flügel befestigt werden. Sie können aus Holz, Stahl oder einer Mischkonstruktion bestehen. Zum Ein- fangen des Windes sind an den Spitzen die eigent- lichen Windflächen angebracht, das Heckwerk, das aus dem schmalen Vor- und dem breiten Haupt- bzw. Hinterheck besteht. Eine in sich gedrehte, windschiefe Fläche mit durch die Rute gesteckten Heckscheiten und parallel zur Rute angebrachte innere und äußere Saumleisten werden zur Bil- dung einer Windangriffsfläche ausgefüllt. Zu den ältesten Konstruktionsformen gehört der Türenflü- gel. In das Heckwerk werden Tafeln aus leichtem Holz, die „Türen“, eingehängt. Da jeder Flügel ein- zeln bedient werden muss, erfordert dies großen Arbeitsaufwand. Bei dem Segelgatterflügel wird manuell vor das Gatter des Haupthecks ein langes, recht- eckiges Segeltuch gelegt bzw. gespannt. Ver- schiedene Befestigungspunkte, bestehend aus in Haken gehängten Schlaufen und Schlagleinen, 17
ein selbsttätiges, stufenloses Öffnen oder Schließen während des Betriebs ermöglicht. Unterschiedliche Systeme konnten miteinander kombiniert werden, z.B. zwei Segel- mit zwei Jalousieklappenflügeln. Ende des 19. und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gab es weitere Verbesserungen und Veränderungen, die zu einer Leistungserhö- hung führten. Zu diesen gehören der La-Cour- Flügel, der Bilau´sche Ventikantenflügel und der Ten-Have-Flügel. Bei diesen Entwicklungen spiel- ten wissenschaftliche Untersuchungen und aero- dynamisch fundierte Erkenntnisse eine erhebliche Rolle, um strömungsbedingte Energieverluste zu verringern. Motormühlen Mit dem Bau von zuverlässig arbeitenden Dampf- maschinen hielt ab dem Beginn des 19. Jahrhun- derts ein neues Antriebsaggregat Einzug. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts werden mit Gas, Flüs- sigkraftstoff und elektrischem Strom betriebene Motoren entwickelt und zum Einsatz gebracht. Diese Antriebsmöglichkeiten führten zum Bau einer gänzlich neuen Mühlengattung, die in die Industrialisierung führte und das „Sterben“ kleiner Naturkraftmühlen zur Folge hatte. Elektro- und Verbrennungsmotoren kamen als Zweit- und Hilfs- antriebe in Wind- oder Wassermühlen zum Einsatz oder ersetzten die Naturkraft gänzlich. Eine kaum beachtete Mühlenart stellt die Bockwindmühle ermöglichen eine Veränderung der Angriffsflä- mittels eines Windmotors betriebene Mühle dar. Berlin-Marzahn mit che durch Vorlegen oder Reffen an jedem einzel- Zum mechanischen Antrieb diente hierbei eine Jalousieklappenflügeln nen Flügel. In die Fläche des schmalen Vorhecks separat aufgestellte Windturbine. (Volljalousie) werden in der Regel Holztafeln, die „Vorbretter“, eingehängt. Eine Erleichterung in der Bedienung brachte der im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts kon- struierte Jalousieklappenflügel. Zentrales Ele- ment ist ein Lammellensystem, „die Jalousieklap- pen“, die parallel zu den Heckscheiten angebracht und in den Saumleisten drehbar gelagert sind. Gibt es Klappen im Vor- und Hauptheck, so wird von einer Volljalousie gesprochen. Alle Klappen sind mit einem Regulierungssystem über ein Zugstan- gensystem oder mittels Federkraft verbunden, das 18
Mühlen – Sägen – Schmieden – Stampfen Gerhard A. Stadler Wassermühlen wurden seit der römischen Antike die Überreste einer römischen Wassermühle aus auch in den alpinen Regionen Europas für die dem frühen 2. Jahrhundert, einer merowingi- Vermahlung von Getreide genutzt. Neben den schen Mühle mit vorgelagertem Stauwehr aus von einem horizontalen Wasserrad angetriebe- dem späten 7. Jahrhundert und einer karolingi- nen Stockmühlen fanden auch Mühlen mit Ver- schen Mühle aus der Mitte des 9. Jahrhunderts, tikalrad und den komplizierten Konstruktions- die 1993/94 im Paartal bei Dasing in Bayern frei- elementen eines Winkelgetriebes Verwendung, gelegt wurden. wie sie der römische Baumeister Vitruv in seinem Bemerkenswert ist das bei der römischen Werk „De architectura libri decem“ (Zehn Bücher Mühle aufgefundene Strauberrad, ein mit 24 über Architektur) in der Zeit um Christi Geburt Schaufeln besetztes, vertikal montiertes Wasser- beschrieben hat. Wenngleich bislang nur wenige rad aus Birkenholz mit einem Durchmesser von Funde von antiken und frühmittelalterlichen 1,60 m. Räder dieses Typs waren weit verbreitet Wassermühlen bekannt sind, können wir in Mit- und in Tirol, im Trentino oder in Graubünden bis teleuropa eine zumindest 2.000 Jahre bestehende in das 20. Jahrhundert gebräuchlich. Bei der Tra- Kontinuität einer die Wasserkraft nutzenden dierung des technischen Wissens der Antike spielte Mühlentechnologie festhalten. Eindrucksvolle der gebildete Klerus in den Klostergemeinschaften Zeugnisse dieser technischen Konstanz bilden eine entscheidende Rolle, die im Hochmittelalter Blick in die Mahlstube der 1845 im Reifgraben bei St. Anton an der Jeßnitz errichteten Weherberg-Mühle 19
von Stampfen in Ölmühlen und Lumpenstampf- werken bei der Papiererzeugung sowie von Walken bei der Tuchherstellung oder Lederbearbeitung. Darüber hinaus diente die Universalmaschine zum Betrieb von Gebläsen an Schmelzöfen, von Aufzü- gen zur Erzförderung und der Hebung von Gru- benwasser aus Schächten in Bergbaurevieren, sie ermöglichte das Anheben der Stößel in Pulver- stampfen und Farbreibemühlen oder gewährleistete die erforderliche Zugspannung für das mit Lochei- sen kalibrierte Drahtziehen. Wolfgang von Stromer hat diese bedeutenden technischen Veränderun- gen als „Industrielle Revolution des Spätmittelal- ters“ bezeichnet, als ein Phänomen, das gleichsam die von Karl Marx titulierte Industrielle Revolu- tion des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts antizipierte. Die technischen Innovationen, die am Ende Das zu Beginn des vor allem vom Orden der Zisterzienser maßgeblich des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit eine 19. Jahrhunderts zu bestärkt wurde. Mechanisierung der gewerblichen Produktion einem Herrenhaus Die Wassermühle gilt als das bedeutendste ermöglichten, führten zu einer Spezialisierung der umgestaltete Gebäude technische Erbe der Antike, das schließlich im Mit- Handwerker, der Zerlegung von Arbeitsprozes- an der Lainsitz bei telalter zu entscheidender Entfaltung gelangte. sen in einzelne Verfahrensschritte und einer weit- Weitra zeigt mit In den Gebirgsregionen überwogen zunächst die reichenden Arbeitsteilung. Der „Mühlzurichter“ seinem mächtigen, erwähnten Stockmühlen mit horizontalen Wasser- – wie hierzulande der Mühlenbauer bezeichnet mehrgeschoßigen rädern, mit deren Hilfe die Kraft des Wassers direkt wurde – etablierte sich auf Basis seines handwerk- Walmdach typische auf die ebenfalls horizontal laufenden Mühlsteine lichen Geschicks, seines technischen Wissens und Bauelemente der übertragen werden konnte. Im Flachland hinge- seiner praktischen Erfahrung bei der Konstruktion vorindustriellen gen bediente man sich der mit vertikalen, unter- der einzelnen, aus verschiedenen Holzarten ange- Papiererwerkstätten. schlächtigen Wasserrädern ausgestatteten Mühlen, fertigten Maschinenteile wie auch der Dimensio- deren Kernstück, das aus Kammrad und Drehling nierung der Wasserräder oder der Ausführung des bestehende Winkelgetriebe mit liegendem Vorge- Holzkastengerinnes. lege, die Kraftumlenkung einer vertikalen Dreh- Eine auf Basis der Wasserkraft gebildete bewegung in eine horizontale ermöglichte. Im Agglomeration von Gewerbebetrieben kann an Hoch- und Spätmittelalter gelang mit der Anwen- den nunmehr im Stadtgebiet von St. Pölten zu bei- dung der Daumenwelle sowie mit der Entwicklung den Seiten der Traisen verlaufenden Mühlbächen des oberschlächtigen Zellenrades eine effizientere bereits im ausgehenden Mittelalter und in der frü- und zugleich universelle Verwendung der vertika- hen Neuzeit nachgewiesen werden. Getreide- und len Wasserräder. Sägemühlen, Hammerschmieden, Gerbstoffstamp- Seit der Erfindung der Rädertransmission fen, Lederwalken und Papiermühlen nutzten das wurde der Antrieb mehrerer Arbeitsmaschinen mit reichliche Dargebot an Wasser sowohl direkt als einer Wasserradwelle möglich. Die weiterhin als auch mittelbar für die Produktion. Bemerkenswert Mühlwerk bezeichnete Maschinerie kam nun auch erscheint etwa die annähernd 900 Jahre umfas- für den Antrieb von Hammerschmieden zum Ein- sende Tradition der Getreidevermahlung am Stand- satz sowie von Pochwerken zur Erzaufbereitung, ort der Zwetzbacher Mühle. Die 1108 im Besitz 20
des Stiftes Göttweig verzeichnete Mühle im „obe- Eisenhammer in eine Papiermühle umgestalten. ren Prüll“ wechselte im späten 14. Jahrhundert in Sigmund Fink, der die Papiererwerkstatt 1790 das Eigentum der St. Pöltener Chorherren. Mitte erwarb, zeichnete verantwortlich für den Umbau des 16. Jahrhunderts von Hochwasser zerstört, in das imposante Herrenhaus. Charakteristisch für wurde die wieder errichtete Neumühle am Traisen- die Betriebsstätte ist das mächtige, mehrere Etagen steg von 1679 bis 1972 von der aus Kärnten stam- aufnehmende Walmdach des Gebäudes, in dem die menden Müllerdynastie Zwetzbacher betrieben. geschöpften Papierbögen nach dem Pressen zum Ebenso befand sich die benachbarte Untere Mühle Trocknen aufgehängt wurden. Josef Fink, der letzte im Besitz des Chorherrenstiftes, wie ein Urbar aus Betreiber der Papiermühle, sah sich infolge über- dem Jahr 1426 festhält. Zwar sucht man heute mächtiger Konkurrenz zur Schließung der Anlage vergebens nach den Überresten der längst abge- veranlasst. Das aus Papiermühle, Sägewerk und kommenen Anlage, doch zählte der 1469 in eine Getreidemühle bestehende Ensemble veräußerte Hadernmühle umgestaltete Betrieb zu den ältesten er samt Landwirtschaft 1865 an den aus Weitra seiner Art in Österreich. gebürtigen Textilfabrikanten Heinrich Hackl. Die Papiermacherei wurde während des Mit- Die Daumenwelle, die in der Fink’schen telalters von der arabischen Welt übernommen. Werkstatt das mit Stirnhämmern betriebene Schon bei ihrer Einführung in Europa erfolgten Lumpenstampfwerk in Gang setzte, diente im zwei wesentliche Innovationen, die den Herstel- lungsprozess von den außereuropäischen Produk- tionsstätten wesentlich unterschieden: Zum einen wurde durch die Übernahme des mit Wasserkraft betriebenen Stampfwerks aus anderen Gewer- ben der zentrale Prozess der Rohstoffaufbereitung, nämlich die Zerkleinerung und Auflösung alter Lumpen, aus denen bis in das 19. Jahrhundert hin- ein das Papier hergestellt wurde, mechanisiert. Zum anderen ermöglichte die fortgeschrittene Drahtziehtechnik, Siebe aus feinen Drähten herzu- stellen, sodass das Wasser beim Schöpfen der ein- zelnen Papierbogen schneller abfließen konnte und das Schöpfen eine arbeitsteilige Tätigkeit wurde, bei der drei Personen, nämlich der Schöpfgeselle, der Gautscher und der Leger, Hand in Hand arbei- teten. Einblick in das alte Handwerk des Papier- schöpfens gewährt Margarethe Mörzinger am Standort der 1789 gegründeten Wurzmühle in Bad Großpertholz. Als das am besten erhalten geblie- bene Objekt der vorindustriellen Papierherstel- lung in Niederösterreich gilt die zu Beginn des 19. Esse des einstigen Jahrhunderts in ein Herrenhaus ausgebaute Papie- Zerrennhammerwerks rerwerkstatt in Weitra. Das im Kern in das frühe Vorderhammer 16. Jahrhundert zurückreichende Gebäude zählte am Eingang des zum Ensemble der Obermühle, die im Besitz der Steinbachtals bei landgräflichen Herrschaft stand. 1689 ließen die Göstling an der Ybbs Fürstenberg einen hier am Lainsitzufer situierten 21
Die Wandl-Säge in Kirchbach wurde nach mehrjährigem Stillstand und teilweisem Verfall restauriert und 1995 als Freilichtmuseum eröffnet. vormaligen Hammerwerk dem Anheben des Sägen oder Pfannen gefertigt wurden, einige noch schweren Schmiedehammers zur Umformung des als Schauobjekte erhalten. Werkstoffes. Wasserbetriebene Hämmer finden seit Nach demselben Prinzip wie ein mit Was- dem Mittelalter in Europa Verwendung, wie etwa serkraft betriebener Hammer funktionierte auch die schriftliche Erwähnung der Ortschaft „Schmid- die Klopfsäge, der älteste Typ der Sägemühlen: mühle“ in der Steiermark im Jahr 1010 vermu- Die Nocken am Wellenbaum hoben das Säge- ten lässt. Die gebräuchlichste Hammerform war gatter nach oben und beim Zurückfallen erfolgte der Schwanzhammer, dessen Stielende von den auf der Sägeschnitt. Das laute Klopfen, das der Säge der Welle verankerten Nocken oder Zapfen ange- den Namen gab, entstand beim Anschlagen der hoben wurde. In unmittelbarer Nachbarschaft Nocken an das Gatter und beim Herunterfallen zum steirischen Erzberg gelegen verfügte die nie- des Gatters. Bei den Kurbelsägen hingegen wurde derösterreichische Eisenwurzen mit ihrem reichli- die Kreisbewegung des Wasserrades mit einer Kur- chen Wasserangebot für eine effiziente Transportin- bel auf die senkrechte Bewegungsebene des Gat- frastruktur und als Antriebskraft sowie mit ihrem ters übertragen. Der Gatterkeller nahm die Ein- Holzreichtum als Grundlage für Bauwerke aller richtungen zur Kraftübertragung auf, der darüber Art und als Brennstoff für die Essen der Hammer- liegende Sägeboden das Sägegatter und den Bloch- schmieden ideale Voraussetzungen für eine bis in wagen. Einblicke in die vorindustrielle Sägetechno- das 19. Jahrhundert blühende Kleineisenindustrie. logie bietet etwa die Wandl-Säge in Kirchberg im Von den großen sogenannten Zerrennhammerwer- Waldviertel, eine mit oberschlächtigem Wasserrad ken, in denen durch Entkohlung des Roheisens die und Stirnrad ausgestattete Sägemühle mit Venezi- Umwandlung in schmiedbares Eisen erfolgte, sind anergatter, die Mitte der 1990er Jahre restauriert etwa im Steinbachtal bei Göstling nur noch Über- und als Freilichtmuseum dem interessierten Publi- reste des Vorderhammers und des Hinterhammers kum zugänglich gemacht wurde. erhalten geblieben. Hingegen sind von den einst unzähligen Werkzeugschmieden, in denen Sensen, 22
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