Zalp - fressen und saufen - Zeitschrift der Älp le rin nen und Älp ler
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I N H A LT zalp die dreiundzwanzigste «fressen und saufen» 2 Zum Geleit Fressen und Saufen 4 Wer frisst am Käse 6 Die Alp im Maul 9 Milch, Brei und Brot 10 Rezepte 11 Grünkost 13 Knack, Kopf ab 14 Der Säufer und seine Alp 15 Impressum 16 Eine Veganerin auf der Alp 17 gedankengut 18 Hirnschmalz statt Kraftfutter 20 Und nach dem Fressen … 22 Poster Magazin 25 Kurzfutter aus der Presse 28 Rohmilch nur für Mutige? 30 Ziegen kriegen Der kleine Unterschied des kleinen r quasi am selben Tisch einen Apéro miteinander saufen, bevor ren, welche Mengen Öl wir in die Meere schütten, wieviel süd- Mein Mami hat immer geschimpft mit mir, wenn ich «fressen» die Mahlzeit begänne und der eine den andern oder der andere amerikanisches Soja wir den Kühen in die Krüpfe kippen und 31 Alpofon gesagt habe. «Tierli fressen, der Mensch isst!» Der Unterschied den einen fressen oder eben essen würde. auf welch übertrieben globalen Füssen wir über unsere Erde 32 Kinderseite zwischen Mensch und Tier hat für mich etwa die Grösse eines Wenn man den Obertan nach dem Unterschied zwischen trampeln. Alles überaus vernünftig, nicht wahr? Tiere machen kleinen r’s. Es mag ja sein, dass in der christlichen Religion das Mensch und Tier fragt, bekommt man gescheite Antworten, wie zalp 23 | 2012 Illustration: Res Huber | Zum Geleit: Giorgio Hösli das nicht. In erster Linie, weil sie es nicht für nötig befinden, 34 Drei Frauen auf der einen der zwei Tier dem Mensch untertan ist. Diese Idee hatte aber bezeich- es sich für die überlegene Spezies geziemt: Zum Beispiel «Der sich zu bereichern. nenderweise ein Mensch, zudem mit zuwenig Schneid, um für Mensch weiss, was gut und böse ist». Aha. Präziser müsste man Manch ein Mensch ist ein Kamel, ein Affe, eine dumme Gans, 36 zalp Finanzen seine Aussage geradezustehen. Möglicherweise hatte er Angst sagen, der Mensch weiss vor allem, wer gut und wer böse ist, ein gieriger Wolf oder einfach eine blöde Kuh. Was als Beleidi- 37 Der goldene Isolator vor einer Heuschreckenplage oder vor dem Tritt eines Elefanten insbesondere wissen es der Amerikaner, Benjamin Netanjahu, gung für den Menschen gedacht ist, ist genau besehen eine für und so schob er seine Idee Gott in den Mund. Wer meint, Gott Mahmud Ahmadinedschad und Toni Brunner. Hingegen was das Tier. Die Charaktereigenschaften, die wir den Tieren zuord- 38 Bücher und CDs hätte sich ja wehren können, der vergisst die Macht der Kirche gut und böse ist, ist kulturell bedingt. Für manchen guten Men- nen, zeigen, wie wir die Tiere sehen, nicht wie sie sind. Wieso 40 Bücher und Filme und die Macht der Druckereien, die Bibel für Bibel den Unsinn schen ist der Mensch böse, der Tiere isst. Das Tier interessieren soll ein Wolf gierig sein, wieso eine Kuh blöd. Nur weil er tötet, vervielfältigt haben und unter die Massen brachten. solche Spitzfindigkeiten weniger. Wer Hunger hat, der frisst. um seinen Hunger zu stillen, nur weil sie Augen hat, die glot- 41 zalpkreuzzalp «Unterschied» ist ja nicht gleichbedeutend mit «untertan», Der Obertan Wissenschafter geht nüchtern an das Thema. zen? Schaut mal in die Glotze, da reihen sich die Toten am Lauf- da will ich jetzt nicht vermischen, was auseinandergehört. Aber Er sagt: «Beide stammen aus dem Einzeller, der Mensch hat die meter über den Bildschirm. Und kaum ein Toter darunter, der 42 Service zalp indem wir uns über das Tier stellen, können wir es gewissen- Vernunft bekommen. Er kann über sein Handeln nachdenken, vom Wolf getötet wurde. 44 Dilemma mit Kräutern los benutzen, zu unseren Profit mästen, rumkarren, industriell reflektieren und daraus Lehren ziehen.» Eine satirische Laune Wenn ich mit fressen und saufen den Abstand zum Tier ver- schlachten. Wären wir auf derselben Ebene, würde das Tier der Natur, dass wir meinen denken zu können, vernünftig zu kleinere, und den zum Menschen vergrössere, soll mir das recht 44 Am Ende: Bezahlen nicht vergessen! gleichviel Menschen fressen wir wir Tiere essen, könnte man sein. Vor allem wenn wir daran denken, wieviele Kriege wir füh- sein. Das sollte sich mein Mami mal überlegen. 2 |3
Wer frisst am Käse (und frisst ihn nicht auf)? Am Käse wird gefressen – im Kessi, auf der Presse, im Salzbad und Keller frisst eine Vielzahl von Mikro- aus dem Produktionsumfeld und we- organismen im, am und auf dem Käse. Ohne Mikroben würde aus Milch kein Käse, der Senn putzte nicht niger aus der zugesetzten Reifungskul- tur. Sie fallen über den Käse her, weil er mit Lauge und Säure, und die Lebensmittellabore hätten weniger zu tun. ihnen gute Lebensbedingungen bietet. Text Anne Weber, Bild Giorgio Hösli Das Gleiche gilt leider auch für uner- wünschte Mikroorganismen wie Schim- melpilze und Listerien. Im Käsekeller leben diverse Schimmelarten, die am Kä- se fressen wollen. Sie besiedeln die Ober- A n der Käsefabrikation und -reifung sind viele verschiedene Mikroor- ganismen beteiligt. Sie lassen sich aus In der Käsereimilch sollten nicht zu viele Mikroorganismen leben, denn je mehr enthalten sind, desto höher ist noch vorhandener Milchzucker würde während der Käsereifung unkontrolliert weitergären, der Teig könnte nicht ent- fläche, werden aber bei guter Käsepflege zumeist von der Reifungsflora in Schach gehalten. Vernachlässigt der Senn seinen Sennensicht in erwünschte und uner- das Risiko von Fabrikations- und Rei- säuern, nasse Käselaibe mit glitschiger Käse, beginnen Punkte in allen Farben wünschte unterteilen. Die einen unter- fungsproblemen. Um dieses Risiko zu Schmiere wären die Folge. Das Salzbad auf der Oberfläche zu wachsen, die nicht stützen den Sennen beim Käsemachen, minimieren, gibt der Senn zu Beginn der sorgt für eine weitere Selektion der Mi- nur Rindenfarbe und Geruch, sondern die anderen verderben den Käse in Ge- Fabrikation «Kultur» ins Kessi. Nein, er kroorganismen, die am Käse fressen. Die unter Umständen auch den Geschmack schmack und Aussehen und unter Um- beschallt es nicht mit Bach und Mozart Milchsäurebakterien stellen ihre Arbeit verderben können. Weitaus gefährlicher, ständen die Gesundheit der Käsefresser. oder tanzt den sterbenden Schwan auf ein und machen Platz für die Entwick- weil gesundheitsschädlich, ist die Kon- Wie gelangen diese klitzekleinen, aber dem Kessirand, sondern er rührt hoch- lung der salztoleranten Reifungsflora. tamination des Käses mit Listerien. Sie wirkungsstarken Lebewesen in den Käse? potente Milchsäurebakterien in die vor- Ausserdem verschlechtern sich die Le- gelangen über Geräte zur Reinigung Hauptsächlich über die Rohmilch, aber gewärmte Milch ein. Dadurch verstärkt bensbedingungen für unerwünschte und Käseschmierung, Schwachstellen in auch über Käsereigeräte und Sennenhän- er die gewünschten Mikroorganismen Mikroorganismen, die bis jetzt im Käse technischen Anlagen und Kleidung, vor de, übers Salzbad, Käsepflegeutensilien mengenmässig und verschafft ihnen so überlebt haben, weiter. Salz entzieht allem Schuhe, auf den Käse. Obwohl sie und übers Wasser. einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den dem Käse Wasser und das vertragen diese überall vorkommen, kann der Senn sie Die Rohmilchflora setzt sich aus einer unerwünschten. Diese stresst er zusätz- nicht besonders gut, sie werden dauer- am Käsefressen hindern, Disziplin und Vielzahl von Mikroorganismen zusam- lich durch die Nachwärmphase, denn haft in ihrer Aktivität gehemmt. Damit Strenge vorausgesetzt: Geräte und An- men, die während des Melkens in die Temperaturen jenseits von 45 Grad Celsi- dies auch so funktioniert, wird der Senn lagen richtig reinigen und trocknen (Li- Milch gelangen. Den Hauptanteil stellen us sind für viele Arten unangenehm und täglich Salz zugeben, die Salzkonzentra- sterien lieben winzige Wassermengen), Mikrokokken, Staphylokokken und ver- für einige tödlich. tion regelmässig messen und dafür sor- getrennte Schürze und Schuhe für den schiedene Milchsäurebakterien. Weiter- Die Milchsäurebakterien vermehren gen, dass die Käselaibe rundherum von Keller, von jung nach alt schmieren und hin sind in sehr viel kleineren Anteilen sich während der Käsefabrikation und Salzwasser umspült sind. nicht jeden in den Keller trampeln lassen. Bazillen und Clostridien, Coryneforme auf der Presse exponentiell. Sie fressen Während der Käse auf der Bankung Während an der Käseoberfläche He- unter Gasbildung und sorgen im reifen- Leben so schwer wie möglich zu machen, Mikroorganismen, Coliforme, Pseudo am Käse, was ihr Organismus hergibt, reift, wird weiter an ihm gefressen, aber fen, Coryneforme und Schimmel mitei- den Käse für fleckigen Teig, grosse und hat der Senn nicht nur seine Putzmittel, monaden sowie Hefen und Schimmel- vergären den Milchzucker zu Milchsäure von anderen Mikroben als bisher. Durch nander um Lebensraum ringen, sterben unregelmässige Lochung, Aufblähung sondern auch Kulturen, Brenntempera- pilze enthalten. Wie viele davon ins Kessi und senken dadurch den pH-Wert auf ein das Salzbad ist der pH-Wert auf der Kä- im Innern die Milchsäurebakterien ab. und einen unreinen Geschmack. Je nach tur und Salzkonzentration im Arsenal. gelangen, hängt einerseits von den hygi- Niveau, das anderen Mikroorganismen seoberfläche weiter abgesunken und der Ihre Zellen lösen sich auf und setzen für Käsetyp genügt schon eine Handvoll Damit gelingt es ihm, in ein sehr kom- enischen Umständen während des Mel- nicht behagt und sie in ihrer Aktivität Salzgehalt stark angestiegen, was vielen die Käsereifung wichtige Enzyme sowie Sporen in einem Liter Rohmilch, um plexes System steuernd einzugreifen, das kens und andererseits von den Lage- lähmt. War die Säuerung erfolgreich, Mikroorganismen erst einmal den Appe- Nährstoffe für die so genannten Nicht- nach einigen Wochen diese Spätblähung durch Völlerei, Überlebenskämpfe und rungsbedingungen der Milch ab. Bei nimmt der Senn am Morgen danach ei- tit verdirbt. Hefen hingegen vertragen Starter-Milchsäurebakterien frei. Diese auszulösen. Clostridien und Propion Massensterben geprägt ist und am Ende guter Euter- und Melkhygiene und rich- nen gelbblumigen Käse mit glatter, leicht diese Bedingungen und vermehren sich haben den Fabrikationsprozess bis jetzt säurebakterien leben überall dort, wo es doch nur Käse gibt. m tig gereinigtem Milchgeschirr gelangen feuchter Rinde und elastischem Teig von in den ersten Reifungstagen sehr schnell. überlebt und finden nun optimale Be- schmutzig und feucht ist: an dreckigen weniger als 5000 Mikroorganismen, ge- der Presse. Findet er den Käselaib jedoch Dadurch steigt der pH-Wert auf der dingungen vor. Sie vermehren sich in Eutern, im Schmierfilm von Tränke- messen in KbE (Koloniebildende Ein- bleich wie den Mond, schwammig-ge- Oberfläche wieder an, sie wird entsäuert den ersten Reifungswochen sehr schnell becken, auf unzureichend gereinigtem heiten) in einen Milliliter Milch. Unter schwollen und nass vor, dann konnten und bietet nun gute Lebensbedingungen und tragen durch die Aufspaltung von Milchgeschirr, in feuchten Leitungen der Zum Weiterlesen: Albrecht-Seidel, Marc; Mertz, Luc: Die Hofkäserei, schlechten hygienischen Bedingungen sich die Milchsäurebakterien nicht gegen für die Coryneformen. Diese sind für die Eiweissen und Fetten zur Aromabildung Melkanlage, im Morast der Auslaufhöfe Ulmer 2006 kann ihre Zahl auf über 100’000 KbE/ml ihre Widersacher durchsetzen und die Käsereifung von entscheidender Bedeu- bei. Ausser diesen können sich auch un- oder den schmutzigen Händen des Senn Krömker, Volker (Hrsg.): Kurzes Lehrbuch Milch- ansteigen. Ohne Kühlung vervielfachen coliformen Mikroorganismen eine Früh- tung: sie färben die Rinde durch Pig- erwünschte Mikroorganismen im rei- nach dem Einstallen der Kühe. Gegen kunde und Milchhygiene, Parey 2007 sich diese Mengen während der Lagerung blähung verursachen. Ein GAU für den mentbildung, sie spalten Eiweisse und fenden Käse vermehren, so Clostridien sie, wie auch viele andere unerwünschte Kursunterlagen aus dem «Alpkäserkurs 2012», noch, denn die euterwarme Milch ist für Senn, dem eine Putzorgie, das Auswech- Fette mit Vorteil für Teig und Aroma und und Propionsäurebakterien. Sie vergären Mikroorganismen, helfen Laugen und organisiert vom Alpwirtschaftlichen Verein Glarus, Leitung Stefan Bless, Milchwirtschaftlicher die Mikroorganismen ein Paradies – seln der Kultur und der Milchwirtschaft- sie hemmen die Auskeimung von Schim- Milchsäure zu Butter- bzw. Propionsäure Säuren in Verbindung mit Heisswasser, Berater am Plantahof, 2012 reichliches Nährstoffangebot und die liche Berater folgen sollten. melsporen. Diese Reifungsflora fördert Bürste und Sennenschweiss. Kursunterlagen aus dem Kurs «Propionsäure- warme Umgebung sorgen dafür, dass aus Bevor die jungen Käselaibe im Salz- der Senn durch anfänglich tägliches Am Käse fressen viele und viele ver- bakterien und Staphylokokken – Unerwünscht zalp 23 | 2012 Anne Weber freut sich auf ihren zweiten die Einen – Gefährlich die Anderen», organisiert Tausenden einer Art schnell Millionen wasser baden gehen, sollte die Milch- Schmieren und die richtige Kellertem- schiedene, mit ein wenig Glück, etwas Alpsommer als Sennerin auf der Alp hintere vom Alpwirtschaftlichen Verein Schwyz, Leitung werden. säuregärung abgeschlossen sein. Denn peratur. Die an der Reifung beteiligten Rotmatt im Muotatal und erzählt davon mehr Verstand und viel Fleiss, sind es die Christoph Mächler, Milchwirtschaftlicher Berater Salz hemmt die Milchsäurebakterien und Mikroorganismen stammen vorwiegend unter www.alpgeschichten.ch Richtigen. Um den Unerwünschten das am Plantahof, 2012 4|5
Die Alp im Maul Kopf runter und Rasenmäher-Modus rein, gefressen wird alles, was vors Maul kommt? Die meisten Tiere Kommt einmal der Schnee, muss sich die wählen überraschend genau, was geschluckt wird und was nicht. Wie der Mensch nutzen sie Augen, Nase, Hirtin / der Hirte nicht gleich fürchten, Schafe finden auch unter 30 cm Schnee Mund und Haut, um ihren Speiseplan zu bestücken und sind dabei sehr selektiv und vielfältig. Futter, solange sie ihn noch wegscharren Text und Bild: Alice Vollenweider können. Dank fragwürdigen Versuchen aus den 70er Jahren mit geblendeten (des Sehvermögens beraubten) Schafen wis- W sen wir, dass der Sehsinn für die Nah- as die Kuh denn fressen soll, Schlingende weniger. Bei Wildtieren kann beobachtet rungsaufnahme von untergeordneter Be- darüber wird viel geforscht. Un- Kühe bevorzugen Gräser mit hohem Zu- werden, dass sie ihren Bedarf nach Mine- deutung ist. Fehlen aber Geruchs-, Ge- zählige Menupläne werden erstellt und ckergehalt, was schnell verfügbare Ener- ralstoffen und Spurenelementen durch schmacks- oder Tastsinn verändert sich jeder Wissenschaftler glaubt der besse- gie bringt, und meiden gleichzeitig die das Lecken von Steinen, Fressen von Er- das Weideverhalten stark. re Koch zu sein. Die Rezepte enthalten meisten Giftpflanzen konsequent. Heil de und ähnlichem decken. Tritt bei den sogenannte Bedarfsnormen für Rinds- kräuter mit hohem Gehalt an ätherischen Kühen ein Mineralstoffmangel auf, ver- Sortierende und Wühlende viecher, die über Hauptgericht (Tro- Ölen scheinen ihnen nicht zuzusagen, suchen sie diesen auszugleichen, indem Pferde sind insofern speziell, da sie sehr ckensubstanz), Beilage (Mineralstoffe), dafür bittere Pflanzen mit niedrigem sie, etwa bei Kupfermangel, tonhaltige lange und gründlich kauen, wobei sie al- Gewürze (Spurenelemente) und Dessert Gerbstoffgehalt. Auch der Geruchssinn Erde fressen. Es liegt aber zwingend in les, was ihnen nicht schmeckt oder sich (Vitamine) informieren, wobei oft aber spielt eine Rolle, so mögen Kühe anschei- der Verantwortung der Älplerin / des Älp- als Fremdkörper erweist, mit der Zun- die Frage ungeklärt bleibt, welches Ge- nend Futter, das mit Anis- oder Fenchel- lers einem Mangel durch Gabe von Mi- fressen und zerstören können. Besonders Scharrende ge wieder nach draussen befördern. Sie richt dem Geschmackssinn der Kuh denn geruch versetzt wurde. neralstoffgemischen vorzubeugen oder bedroht sind junge Bäume und Büsche. Schafe weiden sehr tief und grasen auch fressen selektiv süsse und saure Gräser nun am besten entspricht. Denn fressen Der Sehsinn spielt bei der Nahrungs- das Verhalten als mögliches Krankheits- Wer nun aber mit einem übermässigen am liebsten dort, wo die Vegetation nied- und Kräuter, Rinden und Zweige, bittere soll sie ja nicht zur Freude, sondern zur suche wahrscheinlich eine untergeord- zeichen zu untersuchen. Kühe sind keine Alpenrosen-Bewuchs zu kämpfen hat, rig ist. Dabei sind sie sehr wählerisch, Pflanzen verschmähen sie meist. Auch Produktion von möglichst hochwertigen nete Rolle, das Farbsehen der Kühe ist Wildtiere mehr, sie werden seit langer sollte zur Eindämmung trotzdem nicht wobei den Vorlieben ein Lernprozess Pferde scharren das Gras unter einer Milch- und Fleischprodukten. eingeschränkt, dafür reagieren sie stark Zeit nach den Ansprüchen des Menschen auf Ziegen setzen: Alpenrosen sind gif- zugrunde liegt. So ist es möglich, Schafe Schneedecke hervor. Nicht viel besser ergeht es den Ziegen, auf Kontraste. Sie unterscheiden Pflan- gezüchtet, produzieren eine unnatür- tig. Der Energiebedarf von Ziegen kann zu Weidepflegezwecken als «Buschfres- Schweine werden auf den Alpen meist Schafen, Pferden, Schweinen und Hüh- zen sehr genau und auch zwischen ver- liche Menge an Milch und haben entspre- auf der Alp verglichen mit dem Talbe- ser» zu erziehen und dies dann auch als als lebende Schotte-Verwerter gehalten, nern, auch ihr Bedarf wurde genormt und schiedenen Pflanzenteilen und Wachs- chend einen veränderten Mineralstoffbe- trieb um 75 % höher sein, sie erleichtern Zuchtkriterium einzusetzen, da Lämmer wobei gerne vergessen geht, wie vielfältig den Leistungen angepasst. Könnte man tumsstadien, weshalb die Beweidung darf, den sie ohne Beigaben meist nicht deshalb die Weiden jeden Tag um etwa wiederum von ihren Müttern lernen. Be- der Speiseplan von Schweinen aussieht, diese Tabellen den Tieren präsentieren, durch Kühe einen starken Einfluss auf decken können. 6,5 – 9 kg Gras und saufen 2 – 4 Liter. (In- liebt sind neben Gras und Kräutern auch wenn sie diesen selbst bestücken dürfen. verginge wohl den meisten schlagartig die Vegetation hat. Bestens bekannt ist teressant, aber nicht zur Nachahmung Blätter, und oft knabbern sie sogar die Es finden sich darauf Insekten, Würmer, der Appetit. das dem Weidebeobachter in Form der Spitzfindige zu empfehlen, ist die Beobachtung, dass Rinde von Bäumen ab. Wie auch Ziegen Aas, Laub, Eicheln, Früchte, Pilze, Kräu- Nun ist es aber so, dass einige Tiere sogenannten Geilstellen – Flecken auf der Ziegen haben eine Vorliebe für saftige Ziegen auch Fleisch in Form von Küchen- können Schafe mit spärlicher Vegetati- ter, Wurzeln, Knospen und Gras, richtige sich im Sommer ernähren dürfen wie in Weide mit höherem Bewuchs – auf denen Pflanzenteile und knabbern deswegen abfällen fressen, wenn sie von klein auf on leben, da ihr Magen nährstoffarmes, Allesfresser also. Dabei zeigen sie eine freier Wildbahn – auf der Alp. Und da vor längerer Zeit einmal ein Kuhfladen am liebsten Zweiglein und junge Triebe daran gewohnt sind.) rohfaserreiches Futter verwerten kann. Vorliebe für Süsses und Gerbstoffe (zum hört’s dann oft mit den Untersuchungen gelegen haben muss, dessen Geruch die von Bäumen und Büschen, Pflanzenspit- Beispiel in Eicheln), gleichzeitig eine auf, denn nun wählt das Rind, die Zie- Tiere vom Fressen abhält. zen und Blüten. Können Ziegen bei reich- Abneigung gegen Salziges und Saures. ge oder das Pferd selbst, welcher Halm Kühe Fressen durch Umschlingen und lichem Angebot selbst wählen, so fressen Viele der bei Schweinen beobachteten gefressen wird, und welcher doch eher Abreissen von Pflanzenbüscheln mit der sie in erster Linie Blätter, Zweige und Gut zu wissen Verhaltensstörungen könnten mit einem nicht. Dabei kommen die vielfältigen Zunge, weshalb sie die Weide nur bis auf junge Triebe, Gras steht bei ihnen nicht für katastrophenerprobte Älplerinnen und Älpler ist, dass Kühe einen totalen Was- vielfältiger dargebotenen Futterangebot Sinne der Tiere zum Einsatz. Es wird zirka 3 cm runter fressen können. Ist das besonders hoch im Kurs. Wird ihnen serentzug 6 Tage überleben, jedoch mit negativen Folgen für die Gesundheit. Ein behoben werden. Ein hungriges erwach- gesehen, gerochen, geschmeckt und Gras wiederum sehr hoch gewachsen, aber, wie zum Beispiel auf eingezäunten Wasserentzug von 24 Stunden bleibt bei erwachsenen Tieren ohne Konsequenzen. senes Schwein kann an einem Tag gut gefühlt, doch manchmal dauert es eine interessieren sie sich meist nur für den Alpweiden oberhalb der Baumgrenze, Wird das kühle Nass an der Alp langfristig knapp, empfiehlt sich eine Rationierung, und gern 15 – 20 kg Gras fressen. Und na- Weile, bis die Tiere mit der wilden Berg- oberen Teil der Stengel und weiden nicht nur dieses vorgesetzt, so sind sie nicht bei der jede Kuh mindestens 30 Liter pro Tag erhält, Jungrinder kommen mit minde- türlich freuen sie sich über Auslauf an der wiese klarkommen. Alpneulinge unter sauber. Da Kühe schlingen, kommt es besonders wählerisch und fressen alles, stens 15 Liter aus. Alp, auch wenn den meisten Älplerinnen ihnen, denen zuvor jahrelang das Futter oft vor, dass sie Fremdkörper oder Un- was ihnen vor die Füsse kommt und zwar Fehlt das Futter, zum Beispiel weil die Alp komplett eingeschneit wurde und keine und Älplern die durchwühlten Weiden direkt vors Maul gegeben wurde, können geniessbares verschlucken, manchmal sehr gründlich. Besserung in Sicht ist, sollten Milchkühe bevorzugt gefüttert werden, da sich ein ein Graus sind. m Anfangs durch die Qual der Wahl oder befördern sie die Teile aber auch mit der Ziegen können zur Weidepflege ein starker Milchleistungsabfall langfristig negativ auf die Laktation auswirken kann, eher die Aufgabe, die Bissen auf der Wei- Zunge wieder nach draussen. Segen, aber auch ein Fluch sein, da sie Quellen: während Rinder eine kurzfristige (max. 5 Tage) Mangelernährung durch kompensa- de selbst zu finden, überfordert sein und Pro Tag muss eine Kuh 50 – 80 kg Gras bestimmte Vegetationsteile komplett ab- Hoy S. (Hrsg.): Nutztierethologie, Verlag Eugen torisches Wachstum wieder ausgleichen können. Auf alle Fälle lohnt es sich zumin- Ulmer, Stuttgart 2009 entsprechend in den ersten Tagen zu we- fressen, um ihren Bedarf zu decken. Zu- dest auf Milchkuhalpen immer auch eine Tagesration Heu zu lagern. Je länger und Ulrich/Hoffmann/Drochner: Fütterung und Tier- nig fressen. Die Alpbekannten wiederum sätzlich trinkt sie 60 – 150 Liter Wasser, zalp 23 | 2012 weniger Wasser und Futter die Tiere erhalten haben, desto wichtiger ist es, ihnen gesundheit, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2004 kennen das Angebot bestens und erin- abhängig von der Menge Milch, die sie Alice Vollenweider ist junge Älplerin mit dieses anschliessend nicht plötzlich wieder unlimitiert anzubieten, sondern die Auf- Sambraus H.: Nutztierethologie, Verlag Paul Parey, nern sich an die schmackhaftesten Wei- ins Kessi oder Kälbermaul gibt, Galtkü- Herz und Studentin der Veterinärmedizin Berlin 1978 nahme mit kleinen aber häufigen Gaben langsam wieder zu steigern. degründe. Doch was zeichnet diese aus? he und Rinder brauchen entsprechend mit Verstand. www.ziege.ch 6 |7
Milch, Brei und Brot Auf jenen Alpen, die nicht von den Bauernfamilien selbst bewirtschaftet wurden und das Alppersonal meist einen reinen Männerhaushalt bildete, war früher die Ernährung sehr einseitig auf Milch und Milchprodukte ausgerichtet. Die Menge und die Qualität der Ernährung hing dabei stark von der ökonomischen Situation der Talschaften oder, wo ein Pachtverhältnis bestand, von der sozialen Lage der Älpler ab. Text Andreas Niederhäuser D ie mittelalterlichen Gelehrten in- teressierten sich noch kaum für die alpinen Landschaften. Erst mit dem an: Gegen 9 Uhr, wenn die Kühe auf die Weide gelassen und die Milch vom Vor- abend verkäst ist, nehmen Senn, Knecht der aus der Schotte gewonnene Ziger vom Alppersonal selbst verbraucht. Eine der Hauptspeisen der Älpler im ganzen man dagegen grosszügiger. So lieferten um 1800 die Bauern der Oberengadiner Gemeinde Celerina den Alpknechten, die Beginn der Aufklärung nahm auch das und Bub das Frühstück, «nämlich Schot- schweizerischen Alpenbogen war die so in etwa für 50 Kühe zuständig waren, ne- Interesse an den Bergen und den Lebens ten, Milch, Käs und Brod». Nachher genannte Suuffi: frischer Ziger entweder ben dem «was sie aus der Alp geniessen umständen ihrer BewohnerInnen stetig werden die Kühe wieder eingestallt und in der Schotte oder in Milch aufgelöst. (…) pro Kuh 2 Pf. Brod, 1 Pf. Kaes, 1 Pf. zu. Der Zürcher Naturforscher Johann gemolken. «Das Melken dauert so lange, Gerichte, bei denen Rahm oder Butter Mehl, Pf. Fleisch, Pf. Reis». Als Alterna- Jakob Scheuchzer war dabei einer der bis es Zeit zum Mittagessen ist, welches Verwendung fanden, wurden meist nur tive oder zusätzlich zum Reis gab es vie- ersten, der nicht einfach bereits be- aus Schotten, Milch und einer Rahm- bei besonderen Anlässen aufgetischt, da lerorts auch Mais. Im Prättigau nannte kanntes Wissen zusammentrug, son- zonne besteht. Dieser letztere Brey ist es sich um für die Bauern wertvollere Pro- man die einheimische Form der Polenta dern die Alpen selbst durchwanderte aus nichts anderem zusammengesetzt, dukte handelte. «Hirtemues». Fleisch erhielten die Älpler Zwei Hirten beim Essen / Pastori-casari sull’alpe Formazzolo um 1940 (Umschlagbild: Histoire und seine Beobachtungen in seiner 1708 als dass man Rahm mit dem weissesten Eine unangenehme Folge dieser sehr nur in verhältnismässig wohlhabenden des Alpes 2008/13: Das Bild stammt aus: Antonio Codoni / Vasco Gamboni: Il paese e la memoria [fotografie del Ticino di ieri rivissute e commentate], Bellinzona 1988. erstmals publizierten «Natur-Geschichte Mehl vermischt, und dasselbe so lange milchlastigen Ernährung scheint die Gegenden wie dem Engadin, ansonsten des Schweizerlandes» niederschrieb. Da- über dem Feuer kocht, bis es unten eine Verstopfung gewesen zu sein. Zum Glück mussten sie sich den Munggenbraten rin beschreibt er u.a. das Leben der Hir- gelbe Kruste ansetzen will, und bis alle wirkte als Ausgleich die Schotte abfüh- und den Rehpfeffer wohl selbst besorgen. ten aus dem norditalienischen Bergamo, Fettigkeit daraus gekocht ist, und oben rend und wenn alles nichts nützte und die Gemüse stand laut dem Volkskundler Ro- die im Pachtverhältnis die unwirtlichen auf schwimmt. Dies ist eine fette schwer Not gross war, empfahlen in Graubünden bert Weiss zumindest in Graubünden bis Anstatt des Naturallohnes wurde das ganzen Alpenraum. Der Pfarrer und Alpen des Hinterrheingebietes bewirt- zu verdauende Speise, wozu der Senn ge- die alten Sennen, dem Leidgeplagten in weit ins 20. Jahrhundert hinein definitiv Essen vermehrt aus der gemeinsamen Landwirtschaftsreformer Heinrich Ban- schafteten: «Die Bergomascer Schafhir- wöhnlich warme Schotten trinkt.» Nach Wasser vermischter Mäusedreck einzu- nicht auf dem Speiseplan und Salat war Alpkasse gekauft oder der Einkauf wurde si wetterte dagegen in einem 1808 veröf- ten (...) führen ein rauhes, wildes, einfäl- dem Mittagsschläfchen wird die Morgen- geben – allerdings sei das ein «mittel uf zu dieser Zeit «auch in der Talkost (...) ein in die Verantwortung des Sennen gege- fentlichten Beitrag ganz konkret gegen tiges Leben: Ihre Speise ist Hirse-Mehl milch verkäst und die Kühe auf die Wei- läben und tood!». Die Gelehrten wiede- seltenes und verachtetes Gericht». ben – bei besonders geizigen Exemplaren die «unfähigen und verschwenderischen mit Wasser gekochet, ohne Salz, ohne de getrieben. «Ist der 2te Käs gemacht, so rum waren der Meinung, dass von der nicht unbedingt zum Vorteil des übrigen Alpknechte», die für sich selbst zu viel Butter: zuweilen ergetzen sie sich mit wird das Vesperbrod genossen, welches vielen Milch und dem schweren Käse Neue Moden und traditionelle Alppersonals. Der Speiseplan zwischen Milch verbrauchten und so an der ge- einem über die Felsen zu tod gefallnen, in Brod, Schotten oder Milch, und Käse «endlich der Magen und die Därme mit Esskultur Talhaushalt und Alphütte glich sich da- ringen Produktivität der Bündner Alpen oder sonst crepirten Schaaf: ihr Trank ist oder Zieger besteht.» Nach dem Holz be- vielen Säuren und Schleim angefüllet Gänzlich unberührt von den Verände- her im Laufe des 20. Jahrhunderts immer schuldig seien. Er empfahl den Bauern, Wasser.» An der höchst bescheidenen Er- sorgen und diversen Verrichtungen wer- werden» und die Menschen melancho- rungen im Unterland blieb man aber mehr an. Die Verbindung von neuen Nah- ihnen weniger Nahrung zukommen zu nährung der Bergamasker Hirten änderte den die Kühe wieder in den Stall geholt lisch und phlegmatisch mache. auch auf den Alpen nicht. Dabei führte rungsmitteln und alter Esskultur zeitigte lassen und dafür dem Vieh mehr Salz zu sich dabei im Laufe der Jahrzehnte we- und gemolken, «worauf das Nachtessen, das Kaffeetrinken, das sich auch in den allerdings auch eigenartige Resultate. verabreichen. In der Realität waren die nig: Hundert Jahre später berichtet der das aus Schotten oder Milch besteht, die Zusatzfutter alpinen Gebieten rasch durchsetzte, zu Teigwaren etwa kochte man so lange, bis Lebensbedingungen des Alppersonals Bündner Landwirtschaftsreformer Frei- Tagesgeschäfte beschliesst». Zum Glück mussten aber die meisten einem kleinen Kulturkrieg. So sahen sie eine breiartige Konsistenz annahmen. wesentlich von der ökonomischen Lage herr Karl Ulysses von Salis-Marschlins Älpler nicht ausschliesslich von Milch- «die Alten» im Verbund mit den mora- Das lag nicht an den mangelnden Kennt- der Bauern oder, wo sie selbständig als von den fremden Hirten, dass sie Tag für Milchsegen produkten leben. Lange Zeit war es üb- linsauren Pfaffen darin ein Zeichen der nissen italiensicher Kochkunst, sondern Pächter arbeiteten, von ihrer sozialen Tag meist ungesalzene Wasserpolenta Nicht nur die Appenzeller Sennen er- lich, ihnen einen Teil des Lohnes in Natu- Korrumpierung und Zerstörung des tra- am Umstand, dass man als Besteck aus- Herkunft abhängig. Auch den von Stein- aus Mais- oder Hirsemehl essen, Wasser nährten sich aus naheliegenden Gründen ralien auszubezahlen. Diese wurden von ditionellen Lebensstils durch moderne schliesslich den eigenen Holzlöffel be- müller erwähnten Appenzeller Sennen oder Schotte trinken und von den eige- vor allem mit Milch und Milchprodukten. den einzelnen Bauern nach Anteil Kühe (Un)Sitten. Dass die Kuhhirten frühmor- nutzte. Zum Essen sass man, da einfache geht es nicht allen gleich gut. Viele muss- nen Milchprodukten nur den zweiten, In gewissen Alpen wurde bis zu einem oder Stoss geliefert. Neben letztjähri- gens vor dem Einholen der Kühe als «er- Hütten oft nicht einmal mit einem Tisch ten sich fast ausschliesslich von Milch herben Ziger geniessen. «Brod, Suppe Viertel des Milchertrags vom Alpperso- gem Käse gehörte in erster Linie Brot und stes Frühstück» einen kräftigen Schluck ausgestattet waren, auf den Melkstühlen und Milchprodukten ernähren, weil sie und andere ganz gemeine Speisen kom- nal selbst verbraucht. Dabei ist allerdings Mehl dazu. Im Bündner Oberland erhielt Schnaps zu sich nahmen, scheint dage- und löffelte die Suuffi oder den Brei di- sich nur ausnahmsweise Brot leisten men nicht über ihre Zunge, so lange sie zu bedenken, dass die Milchleistung das in der Regel aus drei Personen beste- gen niemanden gestört zu haben, wie rekt aus dem Topf. konnten. Die ohne Zweifel eintönige aber auf der Alp sind.» der Kühe früher sehr viel geringer war. hende Alppersonal drei Pfund Brot pro überhaupt der Schnaps ein häufig ge- immerhin regelmässige und fettreiche Eine Walliser Kuh gab um die Mitte des Kuh und zusätzlich zwei Gebsen Mehl. brauchter und allgemein akzeptierter Luxusleben auf der Alp? Ernährung auf den Kuhalpen dürfte zu- Eine fette Sache 17. Jahrhunderts im Tag ca. 5 Liter Milch Das musste für den ganzen Sommer rei- Trost für die Unbill des Älplerlebens war. Das Sagenmotiv des Sennen, der unacht- mindest für jene Männer und Knaben, Der vom Pfarrer und Naturforscher Jo- und auch in Graubünden zu Beginn des chen. Die Hirten der Eginenalp im Wallis Die Reformen in der Alpwirtschaft sam mit der Milch umgeht oder gar den die aus den armen und von Hunger nicht zalp 23 | 2012 hann Jakob Steinmüller überlieferte 19. Jahrhunderts war die Milchleistung bekamen ebenfalls nur 2 Pfund Brot und gegen Ende des 19. Jahrhunderts beein- Käse dazu missbraucht, seiner Liebsten verschonten ländlichen Unterschichten Speiseplan eines Appenzeller Sennen um der Kühe nur wenig höher. Neben Milch eine nicht näher definierte Menge nicht flussten, wenn auch nicht überall gleich einen trockenen Weg durch den Sumpf stammten, durchaus ihren Reiz gehabt 1800 mutet dagegen geradezu luxuriös und Schotte als Getränk wurde vor allem fetten Käses pro Kuh. Andernorts war schnell, auch die Ernährung der Älpler. vor der Hütte zu bauen, findet sich im haben. m 8|9
Grünkost Alpwiesen bieten nicht nur den betreuten Vierbeinern eine grosse Vielfalt an Pflanzen. Wer etwas Zeit und Geduld hat und bereit ist, sich auch auf neue (Geschmacks-)Erfahrungen einzulassen, der findet in seiner Gr ün kost Umgebung zahlreiche essbare Wildpflanzen, die den Speiseplan bereichern. Alte/Trad itionelle Text Priska Würgler und Andreas Niederhäuser, Illustration Kurt Stueber R e z e p t e Ein Steinm ilch/so die Kuemelcke auf f den Alpen ma chen r Blacken-Päckchen Je nach Grösse 20 – 30 junge hellg (Blacken); 2–3 Tassen Riso tto, rüne Alpenampferblätter Kartoffelbrei, Polenta o. ä. N icht weniger als 1500 Einträge finden sich in der im Aargauer AT-Verlag erschienen Enzyklopädie der Pflanzen sollten nicht geerntet werden, weil sie selten und geschützt sind, andere sollte man lieber nicht verwenden, weil eignen. Noch verbreiteter als Brennnes- seln sind besonders auf den Kuhalpen die Blacken (rumex alpinus). Da sie es gerne ter je besser/setz sie auff ein ig Kräutersalz, etwas Nimb gute feisste Milch/je feiss kalt, 3 – 4 Esslöffel Meh l, 2 Eier, wen essbaren Wildpflanzen Mitteleuropas. sie zu Bauchgrimmen oder noch stär- sehr nährstoffreich haben, wachsen sie Kiss elste in in das Fewr/dass sie glue- nach Belieben, Butter oder klein Fewr/leg schoene Reibkäse, Wurst oder Fleischreste Zangen ab/dass sie nicht un- Wenn auch nicht alle darin verzeichne- keren Vergiftungserscheinungen führen überall dort, wo das Vieh gerne steht und hend werden/so hebs mit einer Bratfett biss sie abgeloescht werden/ ten Pflanzen im alpinen Raum wachsen, können. scheisst, sprich an bevorzugten Schlaf- sauber sind/halts in die Milch r vom Stiel befreien und auf der Arbeits- Steinen krauss wirt/ alsdann 1. Die Ampferblätte das thu so offt biss die Milch von den bei Zimmertempe- so lassen sich doch viele davon in der nä- plätzen und vor dem Stall; nicht unbe- hirr / dass sie wider kalt wirdt. Diese fläche ausbreiten; nach 2 – 3 Stun thue es in ein sauber Gesc n sich falten, ohne zu bre- heren und weiteren Umgebung der Alp Pflanzen aller Gattig dingt besonders anmächelig, um die luftig/ und thut keinen Scha- ratur sind sie schlaff und lasse Milch ist zu Sommerszeit vast Rahm sein. chen. hütte entdecken. Gegenüber dem Treib- Essbar sind im Prinzip alle Pflanzen, die Pflanzen in der Küche zu verwenden, z.B. den: Es soll aber vast nur lauter (Risotto, Kartoffelbrei o. ä.) als erste Frau 1609 ein Kochbuch veröffentlichte. 2. Inzwischen die Grundmasse haussalat und dem Importgemüse aus nicht giftig sind, wobei in Übereinstim- die Stiele wie Rhabarber zu Kuchen und Ein Rezept von Anna Wecker, die nach Belieben einer wei- Woher Anna Wecker, die in Basel , Colmar und Nürnberg lebte, das Rezept hatte, mit Mehl, Eiern, Kräutersalz und 1 – 2 Stunden ruhen lassen. dem Supermarkt haben sie den Vorteil, mung mit den Vorlieben der Rindvie- Kompott. Bis in die 1970er Jahre wurden ist nicht bekannt. teren Zutat gut verrühren und er verteilen und darin einrollen, so wesentlich reicher an Vitaminen, Mine- cher gilt, je jünger und frischer, umso die Blacken als Schweinefutter verwendet 3. Die Masse auf die Blätt Nidelbrod und … dass sie gut verpackt sind. ralien, Eiweissen und mit Blick auf Pro- schmackhafter. Was einigermassen zart und teils sogar extra dafür angepflanzt; t nur der Milch, Butters, Bratpfanne in heissem Fett Es behelfen sich die Aelpler nich 4. Die Päckchen in einer weiten duktion und Transport, wesentlich är- daherkommt, lässt sich in der Regel als früher sollen sie – als älteste Gemüse- tten , sondern wissen auch ten anbraten, dann wenden Käses, Ziegers, Suffi, und scho bei mässiger Hitze 5 – 10 Minu mer an CO2 Verbrauch zu sein. Viele der Salat verwenden, zähere Blätter und Sa- pflanze der Alpen überhaupt – ein fester den anko mm ende n Gästen allerhand Minu ten bei kleinerer Hitze fertig ihnen selbst oder frem und zugedeckt noch 15 iten; unter denen vornehm- essbaren Wildpflanzen haben zudem bei men lassen sich als Gemüse zubereiten. Bestandteil des Speiseplans der Einhei- niedliche Milch=Speisen zu bere garen. werden, wormit sie ein in verschiedenen Gebresten eine heilende Eine Garantie, dass alles was essbar ist mischen gewesen sein. Auf alle Fälle ge- lich das Nidelbrod kann gezehlet Zusammen mit einem farbigen Salat servieren. geko chtes, in Schnitten oder heissen Nidel getuncktes, oder Gisula Tscharner: Wald und Wiese auf dem Teller, Aarau, AT Verlag 2009. Wirkung. Dafür ist das Sammeln und Zu- auch gut schmeckt, gibt es allerdings niessbar ist ihre «kleine Schwester», die gant z wol bene nnen, welche einige aus: Brocken zert heiltes Brod bereiten in der Regel zeitintensiver und nicht: Frischer Klee (vor der Blüte ge- Sauerampfer, die ebenfalls relativ häufig Grüne Gnocch i (4 Por tionen) sten; … auch mit Butter und Milch zurü aufwändiger. Wer den Tag in der Sen- pflückt) und als Salat oder Gemüse zube- rund um die Hütte zu finden ist. Und aus s, 4 Eier, 1 Teelöffel Salz, 500 g Blätter des Guten Heinrich Stu nckenwerne (Ziegerrost) 2 – 3 Zweige Thymian, 50 g Nüss e geha ckt, 300 g Mehl, 100 g nerei und im Käsekeller verbringt, wird reitet wäre vielleicht einen Versuch wert, eigener Erfahrung sehr empfehlenswert ein feisstes Muss, wird ge- hernach die Stunckenwerne, geriebener Käse eher weniger dazu kommen, aber auch während bei den Erlenblättern selbst der sind junge Löwenzahnblätter, die als Sa- n, wenn solche vorhanden machet aus Nidel, Mehl, und Eyer s kurz in kochendem Was- das Zäunen und Hüten kann erfahrungs- Autor der Enzyklopädie leicht zweifelnd lat hervorragend schmecken. l, und Zieger. Bey Zurüstung 1. Die Blätter des Grünen Heinrich sind. Andere nehmen Butter, Meh opfe n lasse n und fein hacken. gemäss so anstrengend sein, dass man meint, dass sie zwar essbar, aber wegen , dass , wenn es den höchsten ser blanchieren. Abtr dieses Musses ist zu mercken Eiern , Salz , Thymian, den gehackten t, und Zun ge und Hals verbrennen 2. Mit den verq uirlten am Abend dann doch lieber zur Beutel- ihres hohen Gerbstoffgehaltes «etwas Blüten und Wurzeln Grad der Hitze erreiche festen Teig verarbeiten. ende Bütterförmige Nidel nur Nüssen und dem Mehl zu einem suppe, der Convenience-Rösti oder dem bitter» sein sollen. Da viele der Wildpflanzen sehr ge- wurde, der oben auf schwimm Was ser auf grösster Flamme Löffelweise kann geschlue- 3. Einen möglichst grossen Topf lau ist, und ohne einige Gefahr Wen n das Was ser kocht, Salz zuge- Gemüse aus der Dose greift. Essbar ist bei weitem nicht nur, was schmacksintensiv sind, können sie fast zum Kochen bringen. cket werden. n. Vom Gnocchiteig mit Das Sammeln der Wildpflanzen schön und apart daher kommt: Die selbst alle, sei es frisch oder in getrockneter rgeschichte des Schweizerlandes » Bd. 1 (1708) ben und die Temperatur reduziere aus Johann Jakob Scheuchzer «Natu n abstechen und ins Was- einem Teelöffel kleine Klössche braucht zudem nicht nur Zeit und Ge- bei Ziegen nicht gerade beliebte Alpen- Form, auch als Kräuterzusatz zum Wür- ten sind sie gar und steigen Fän z ser geben. Nach etwa 10 Minu duld, sondern auch einiges an Wissen, Kratzdistel etwa ist überaus vielseitig zen verwendet werden. Erwähnt seien en will, so nimmt er viel hei- an die Oberfläche. Wenn ein Glar nersenn Fänz koch auf eine geölte feuerfeste Plat- das im Gegensatz zur angeborenen Intui- verwendbar: Die Wurzeln lassen sich in hier nur der wilde Gebirgsthymian t ganz frisc h, bringt sie in das kupferne, 4. Die Gnocchi nebeneinander sse Rahmbutter, meis n und überbacken. tion bei den betreuten vierbeinigen Gras- geschälter Form braten, frittieren oder (Quendel), der auf den meisten Alpen das meist am Kessiturm an te geben, mit dem Käse bestreue gut verzinnte Kochkesselchen, n für die Küche, Aarau, AT Verlag 2003. fressern erst erarbeitet, sprich angelesen kochen, die jungen Schösslinge (ohne an sonnigen und trockenen Standorten ld die Butter heiss ist, bringt aus Francois Couplan: Wildpflanze einer kurzen Kette hängt. Soba voll Mehl in die Butter, als Esser und ausprobiert sein muss. Nicht jedes Stacheln!) und die geschälten Stängel wächst, der wilde Majoran (Dost) und man ungefähr so viel Löffel geröstet, dann giesst man Wi lde Wiesenwä he (4 Por tionen) Kraut lässt sich für das wenig geübte Au- roh oder als Kochgemüse geniessen und der seltener anzutreffende, auf feuchtem da sind. Das Mehl wird schw ach hmesser, 2 sehr grosse Salat- e Milch hinein, bis das Mus die Für ein Blech von ca. 20 cm Durc nach und nach gesottene, ganz pfer und Wildspinat, 500 g ge auf Anhieb erkennen. Man muss wis- die Blätter und weichen Triebe zu Sauer- Boden wachsende Schnittlauch. Roman- Kesselchen leicht an der Kel- siebe Brennnesseln, Saueram richtige Konsistenz hat und im Bech er (180 g) Vollrahm, 1 Teelöffel sen, wo und unter welchen Bedingungen kraut verarbeiten – sozusagen als Vorrat tisch und/oder ästhetisch veranlagte Älp- oben sich viel Butter zeigt, ist Speisequark, 3 Eier, ein le sich drehen lässt. Nachdem g Kuchenteig, fertig ausge- über schü ssig e Butt er wird abgeschöpft, Bouillonkonzentrat, 250 – 300 eine Pflanze wächst, welche Teile essbar für den nächsten Alpsommer. Auch die lerInnen können den Salat, sei es der sel- genug gekocht. Die 1⁄2 Stunde! wallt, Salz, Pfeffer sind, wann sie geerntet, wie sie präpariert Brennnessel, ein weiteres «Unkraut», ist ber gepflückte oder der im Supermarkt Kochzeit reichlich 20 Minuten – mixen. Mit dem Quark 1. Die Kräuter überbrühen und t meinem Leben (…) www.uni-klu.ac.a und zubereitet werden müssen. Gewisse vielseitig verwendbar. Junge Brennnes- eingekaufte, mit Blüten schmücken. Christian Hitz (1857 – 1929): Aus mischen und würzen. seln können gut zu Spinat oder einem Besonders schön und schmackhaft sind onzentrat, Salz und Pfeffer Sch ma lzmus 2. Die Eier mit Rahm, Bouillonk Prisca Würgler ist Ziegen-Älplerin auf eigene Gemüseauflauf verarbeitet werden. Kurz trotz des Namens diejenigen der Teufels- bekannte Schmalzmus wird isch ung geben. Das in ganz Graubünden sehr mixen und zur Kräuterm Butter braun röstet und den ausl egen , die Füllung darauf geben Faust und mit Familie in Arni im Urnerland. gedämpft oder überbrüht verlieren die kralle, die in unterschiedlichen Arten auf zubereitet, in dem man Mehl in 3. Das Blech mit Teig zalp 23 | 2012 Milch ablöscht; dann wird : Bei 180 Grad und guter Andreas Niederhäuser arbeitet bei der Rost mit kaltem Wasser oder mit und ab in den vorgeheizten Ofen Nesseln ihre Wirkung und man kann die den meisten Alpweiden wächst. Wer dem en. Archäologischen Bodenforschung Basel- das ganze zu einem gelbliche n Mus eingekocht Unterhitze 40 – 50 Minuten back Pflanzen roh als Salat essen, während sich schönen Hirten oder der kecken Senne- iemen «Hexentrank und Wiesenschm aus», Stadt und als freier Historiker. Er ist den 12. s aus: Gisula Tscharner, Heinz Knier aus Weiss: Alpwesen Graubünden Sommer Rinderhirt auf der Alp Verdus GR. ihre getrockneten Blätter als Teeaufguss rin der Nachbarsalp «durch die Blume» Aarau, AT Verlag 2006. 10 | 11
Knack, Kopf ab Avancen machen will, dekoriert den Sa- Klar, der Hahn würde herumhüpfen, würde er nicht mit kräftiger Hand, kopfüber so- lat mit Veilchenblüten, etwa denjenigen Text und Bilder Eva Hulst zusagen, im Zinkkübel zum Ausbluten festgehalten. Nie mehr kann er mir hinterrücks des wilden Stiefmütterchens. Zeigen an die Waden springen, genau über dem Gummistiefelrand selbstverständlich. sich die Beglückten wenig empfänglich Sein Hennenverteidigungsdrang und mein Vorsatz (aus philosophisch gefärbten dafür oder machen sie gar abfällige Be- Gründen: Ich habe Hühner, sollte fähig sein sie zu töten, schlachten und verbrauchen), merkungen, kann man hinterher seinen mir endlich zeigen zu lassen, wie ein Huhn pfannenfertig gemacht wird, sind des Frust mit einem kräftigen Schluck En Güggels Todesurteil. Und auch zwei alte Habichthühner fallen meinem unbändigen zianschnaps hinunterspülen. Das lindert (verfluchten) Willen, das Richtige zu tun, zum Opfer. nicht nur den Schmerz im Herzen, son- Kurz: Getötet habe ich keins der drei Versuchskaninchen, ich fühle zu zaghaft zu sein dern auch allfällige Magenbeschwerden. und daher vielleicht keinen schnellen Tod herbeizuführen und habe keine Übung, was Der Schnaps wird entgegen weit verbrei- einen Fehlschlag umso wahrscheinlicher macht. Will nicht ungewollt quälen. Brauche teter Meinung nicht aus den blauen Blü- nicht mehr jede Herausforderung anzunehmen. ten, sondern aus den Wurzeln meist des Den ganzen Rest mache ich beherzt und interessiert. Das gelben Enzians gewonnen. Hier ist der PrügelBeilKlotz Rupfen ist noch chli läbig. Doch dann wird alles mehr und Griff zum gekauften Produkt allerdings GackernZappelnBluten mehr zu Hühnerhaut, Hühnerbrust, faszinierend prähisto- für einmal angebracht, nicht nur weil die risch wirkenden Füssen, einem Produkt vom Hof, einem Herstellung des Schnapses ziemlich auf- HeisswasserRupfenDistanzieren kleinen Teil des Geschäftes ‹Buurerei›. wändig ist, sondern auch weil alle Enzian- DorfbrunnenKaltwasserfliessen Der seltsame Hühnermagen wird ebenso in seine Bestand- arten mehr oder weniger geschützt sind. SchneidenZerrenZiehen teile zerlegt, wie wir das Herz halbieren; die Lebern der zwei alten Habichthühner sind verkrebst, die eine hat einen Beeren und Pilze LernenStaunenDiskutieren verhärteten Eierstock; Eigelbe in allen Grössen und Wachs- Ab Mitte August wird die Palette an ess- WürzenFüllenBraten tumsstadien kullern auf unserm Dorfbrunnenbrett herum. baren Wildpflanzen kleiner, da viele mit VerzehrenZusammengeniessen Die beiden alten Legehühner werden in ihrem Kreislauf des zunehmender Vegetationszeit zäher und man verschlingt gleich Unmengen der legen und eigenes Grünzeugs zu ziehen. Seins zu Schweinefutter, die robusten, gierigen Säue bilden entsprechend ungeniessbarer werden. roh sehr bitter schmeckenden Vogelbee- Allerdings braucht ein solcher Garten in- auch ein Teilchen ‹Buurerei›. Dafür lässt sich nun, wenn die klima- ren – ist beim Sammeln von Pilzen weit- tensive Pflege, was etwa auf arbeitsinten- Der Güggel landet erst im Kühlschrank, die Beine hätte ich ihm besser vorher an den tischen Bedingungen entsprechend gut aus grössere Vorsicht angebracht. Selbst siven Kuhalpen kaum möglich ist. Frost, Bauch gebunden, und dann in Marinade und dieser rätselhaften Erfindung der Neu- waren, der Speiseplan mit Beeren auf- gute Bestimmungsbücher helfen dem Hagel und Schnee können die ganze Ar- zeit, dem wunderbaren Bratsack. frischen. Viel falsch machen kann man Laien nur bedingt weiter, da sich viele beit zudem abrupt zunichte machen. Wer Meine nie sehr grosse Handfertigkeit beim Zerteilen von Geflügel schrumpft noch seit da nicht. Findet sich zwischen den Hei- Arten rein optisch wegen ihres Varian- beim Kochen aber gerne schnell frische ich kaum mehr als Profi koche; deshalb wird Güggel noch einmal gmetzget. Eine Brust, delbeeren einmal eine Rauschbeere – sie tenreichtums nur sehr schwer eindeutig Kräuter zur Hand hat, kann den wilden mir ausbedungen, da ich keine Knochennagerin sein kann (mir gefällt nicht, worein sieht sehr ähnlich aus, hat aber weisses identifizieren lassen. Steinpilze und Pfif- Thymian, den Dost und den Schnittlauch meine Zähne da geraten könnten), ist fast zart. Die liebe Familie, mit der ich am Tisch Fruchtfleisch – ist das weiter nicht tra- ferlinge lassen sich aus eigener Erfah- natürlich auch im eigenen Gärtchen zie- sitze kaut unterdessen auf muskulösen Sprungschenkeln und knabbert an mageren gisch. Dass der Genuss der Beeren tat- rung einigermassen leicht erkennen und hen. Verschiedene einheimische wilde Flügeln; alle sind zufrieden, angesichts des zMittags auf ihren Tellern. sächlich zu einem rauschähnlichen Zu- schmecken auch ausgezeichnet, von den Minz-, aber auch die meisten gezüchte- Einmal mehr versuche ich jemandem und mir zu erklären, dass ich eigentlich Vege- stand führen kann, ist nicht belegt, und restlichen Exemplaren sollte man ohne ten Pfefferminzsorten wachsen zudem tarierin bin. m ihr Name verweist auch nicht auf ihre einigermassen fundierte Kenntnisse oder problemlos und mit nur geringem Pfle- Wirkung, sondern leitet sich vom latei- einem Hang zu risikoreichem Verhalten geaufwand. Und wer nicht zu den Wild- nischen ruscus (Gestrüpp) ab. Abgesehen eher die Finger lassen. Während über pflanzenpuristen gehört, kann mit wenig davon, dass Heidelbeeren wie Walderd- die Wirkung des unschwer erkennbaren Arbeit und etwas grünem Daumen auch beeren und Himbeeren am besten direkt Fliegenpilzes Einigkeit besteht, gehen Pflücksalat, Kresse und Radieschen an- gepflückt schmecken, lassen sie sich bei die Meinungen über die häufig anzutref- pflanzen. Hier gilt eindeutig: Probieren genügend grossen Zuckervorräten leicht fenden «Kuhfladenpilze» weit auseinan- geht über Studieren. m zu Konfitüre verarbeiten. Getrocknet und der. Die einen schwören darauf, dass es ins Unterland verschleppt, erinnern sie sich dabei um sogenannte Psilos (psilo- einem, z. B. als Müslizusatz, an den ver- cybinhaltige Pilze) handelt und entspre- gangenen und bereits verklärt erschei- chend häufig sieht man sie in gebückter nenden Alpsommer. Auch Preiselbeeren Haltung über die Weiden streifen, für an- können sowohl roh gegessen, als auch zu dere sind sie unansehnlich, ungeniessbar Literaturhinweis: Kompott oder Konfitüre eingekocht und und jedenfalls ohne bewusstseinserwei- Steffen Guido Fleischhauer: Enzyklopädie der ess- nach der Alp zu Reh- oder Hirschpfeffer ternde Wirkung. baren Wildpflanzen. 1500 Pflanzen Mitteleuropas genossen werden. mit 400 Farbfotos, Aarau: AT Verlag, 2003. zalp 23 | 2012 Während die Gefahr, sich beim Ge- Alpgarten Im AT Verlag sind zudem eine ganze Reihe von Publikationen rund um das Thema erschienen, auch nuss von Beeren ein gröberes Bauchgrim- Grundsätzlich ist es selbst auf 2000 m solche mit konkreten Bestimmungs- und Verarbei- Eva Hulst seit 11 Jahren an den Alpsommern wachsend, dabei sich selbst und die behüteten men einzufangen eher gering ist – ausser Höhe noch möglich, einen Garten anzu- tungshinweisen. Tiere mehr und mehr verstehend. 12 | 13
Der Säufer und seine Alp In der Höhe mit Tieren, Weite und Freiheit, konnte Hans trotz Alkohol alles arrangieren; im Unterland stellte ihn das Leben mit seinen Tücken kalt, wie den Esel am Berg. Text Martin Marti, Bild Marina Flückiger zalp IMPRESSUM – Grüss Gott, Hans, sage ich. Er lacht. – Hinkommen. Sein Blick geht zum Fenster, in des- zalp Zeitschrift der Älplerinnen und Älpler Nr. 23 Sommer 2012 Er antwortet nicht. Sitzt da, den Blick an mir vorbei, zwischen sen Geviert die Flanke eines Berges steht. – Dort. Nun ist sein Auflage 5 100 Exemplare Abwehr und Stolz. Ein Blick, in dem Adler fliegen. Der Raum ist Blick lebendig, er fährt sich mit der Hand über die Stirn. – Dort. Alkohol auf der Alp Preis CHF 8.– / EUR 7.– Spende erlaubt ebenso spärlich beleuchtet wie möbliert. Der hölzerne Tisch, ein Der Berg gehört zum Senntum G., erklärt er mir. paar Stühle. An den Wänden Regale, in denen Schatten stehen. Das Gitter davor nicht, denke ich. Obwohl die Situation der Sennen und Hirten dazu einladen Redaktion Marina Flückiger (mfl), Bern (+ z'Alp) Magnus Furrer (mf), Grosshöchstetten Die Helligkeit, die ein einziges Fenster in den Raum wirft: Stau- Auf dem Senntum G. hatte man ihn genommen, einige Som- kann, mehr als anderswo zu trinken (Einsamkeit / Wegfall von Res von Gunten (rvg), Biel biges Wabern, das sich verliert, bevor es ankommt auf seiner mer lang, als Alpgehilfe. Später war er selbständiger Hirte, mit sozialer Kontrolle, wenig Ablenkung, schlechtes Wetter), ist Giorgio Hösli (gh), Mollis Eva Hulst (eh), Graenichen (+ z'Alp) Gestalt. Nur den strengen Scheitel berührt, den er sich kämmt, 50 Gusti, im Emmental. Das Bier organisierte er sich kistenwei- der Umgang mit Alkohol auf den Alpen weitherum wenig pro- Martin Marti (mm), Erlenbach (+ z'Alp) rechtsüber, und schnurgerade. se. Der Scheitel war wichtig, auch auf der Alp. Den Gusti war blematisch. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage bei drei Andreas Niederhäuser (an), Basel (+ z'Alp) Harald Satzer (hs), Bern und Kroatien Er war eins von 10 Kindern. Der Vater trank, die Mutter war sein Charakter egal. Auch das Bier. landwirtschaftlichen Fachstellen (Fachstelle Alpwirtschaft, Alice Vollenweider (av), Männedorf Anne Weber (aw), Muotathal (+ z'Alp) wenig gebildet und schwächlich. Man steckte den Buben schon Und jeden Herbst dann dasselbe: Er tauchte unter. Stahl, Plantahof, Kant. Bauernschule Uri, Inforama Berner Ober- Prisca Würgler (pw), Amsteg (+ z'Alp) früh in ein Heim, da er verhaltensauffällig war. Er blieb auch dort prellte Zechen, beging Hausfriedensbruch. Ihm sagte keiner land). Übereinstimmend erklären die befragten Personen, schwer zu erziehen. Die Behörde tat, was sie konnte. Doch der Bub was. Auch im Knast nicht. Im Knast war er Melker. Im Sommer dass man wenig gravierende Probleme wegen Alkohol auf den Kontakt Redaktion zalp Vorderdorfstrasse 4, 8753 Mollis war nur willig, wenn er arbeiten konnte. Nahm dann die Fäuste Alpknecht oder Hirte. Das war der Gang seiner Jahreszeit. Ironi- Alpen kenne. Für die Kontrolleure auf der Alp seien in erster Tel. 055 622 39 22, Fax 055 622 39 23 aus dem Sack, in die der Trotz sie ansonsten versorgte. Zum Bei- scherweise sitzt er dieses Mal örtlich so hinter Gittern, dass der Linie das Wohl der Tiere, Hygienevorschriften und die Qualität mail@zalp.ch, www.zalp.ch spiel beim Schreiben. Schulisch sah man ihm einiges nach. Blick aus den südlichen Fenstern der Anstalt auf den Berg fällt, des Käses wichtig. Interveniert würde nur dann, wenn man- Inserate Magnus Furrer «Flausen im Kopf.» Der Amtsbericht hinkt ihm seit Jahren wo er früher im Sommer Hirte war. gelnde Sorgfalt als Folge von Alkoholmissbrauch festgestellt Sonnmattstrasse 26, 3506 Grosshöchstetten hinterher, akribisch. «Aufgeweckt, straffe Führung notwendig, Ich bekäme Zustände, denke ich. werden müsste. Was offenbar kaum der Fall ist. Wenn doch, Tel. 079 613 08 19 Inseratenpreise auf Anfrage verbunden mit Natur und Tieren.» Er sagt: Wenn mein Bein wieder in Ordnung ist, nächsten sei es in erster Linie Sache des zuständigen Alpmeisters, sein Es fand sich ein Lehrmeister, der Hans in Ausbildung nahm. Sommer... Sein Blick steht noch immer am Fenster. Arthrose. Personal zur Ordnung zu rufen. Dass dies irgendwo zu grös- Konto CH zalp, Magnus Furrer Fuhrmann sollte er werden, und Knecht. Als Rekrut war er recht, Versorgen werde ihn keiner, da könne er schwören. – Auch du seren Problemen führe, ist bei keiner der Fachstellen bekannt. 3506 Grosshöchstetten PC 25-239558-6 im Grossen und Ganzen. Zu mehr Vaterlandsehre reichte es nicht – Bekannt seien höchstens Einzelfälle. IBAN CH17 0900 0000 2523 9558 6 nicht. Was er mitnahm vom Dienst: Derbe Zoten; den Alkohol. – Ich nicht, Hans, sage ich, aber das Amt. Das Amt legt Un- Auf den ersten Blick tönt das beinahe nach heiler Welt. Auf BIC POFICHBEXXX Frauengeschichten. Er sah gut aus zu der Zeit. Karisieren, wie er terlagen vor ihn auf den Tisch. Ein Männerheim. Er hätte Einzel- den zweiten weiss jeder Älpler, dass die Flasche ihren Platz Konto DE Volksbank Hochrhein es nannte – das musste ihn niemand lehren. Und den Umgang zimmer. Der Eintrittstermin steht schon fest. hat auf der Alp; nicht bloss fürs Einlegen von Alpenkräutern. Konto 1070 827, BLZ 684 922 00 IBAN DE 526 849 22 00000 1070 827 mit Pferden auch nicht. – Jaja, sagt er. Und jetzt lacht er. Wird an frühere Austritte Sondern auch mal gegen den Koller, und nicht nur bei schlech- BIC GENODE61WT1 Er trank nicht regelmässig, das nicht. Aber wenn er trank, aus der Haft denken. Er hatte nicht nur Gusti gehütet, nicht nur tem Wetter. Die spezielle Situation auf der Alp kann den Miss- dann soff er. Schlief, wo er sich fand. Mist gekarrt auf der Alp. Er hatte sich auch deren Örtlichkeiten brauch von Alkohol durchaus verschärfen. Gut möglich, dass Layout Büro für Gestaltung, Biel Res von Gunten, www.b-f-g.ch Ich setze mich ihm gegenüber. gemerkt. Vor allem die Lage der umliegenden Chalets und Jä- Kenntnis von einschlägigen Folgen den Weg nicht immer bis – Man wird nicht wohl hier, sage ich. gerhütten. Da fand er dann reichlich Schnaps und Obdach vor in die Fachstellen im Tal findet, wohl aber hörbar Echo in vie- Druck Spälti Druck AG, Glarus – Im Knast, sagt er grau. Die Hände gefaltet – den Wettern im Spätherbst, wenn alles leer stand. Brach ein, von len halbwahren Geschichten und Sagen und Mythen erhält. Poster Adrian Flückiger … arbeitsam, körperlich flott, charakterlich gefährdet. Ent- Hütte zu Hütte. War fidel. Einmal fand ihn die Polizei halb er- Man kann aber davon ausgehen, dass Menschen mit gesund- mündigung per Volljährigkeit. Wird Kettenraucher, gerät in froren. Im Suff. Drei Zehen verlor er dabei. Wurde älter. Bis nur heitsschädigendem Alkoholkonsum erst gar nicht auf die Alp Schulden. Landwirtschaftliches Lehrjahr mit Abschluss an der noch sein Blick auf die Alp ging, durch alle Gitter, der aufmüp- gehen, oder von da schnell wieder weg sind, weil die Arbeit Alpschule in H. fige Geist. der Sennen und Hirten physisch eine Konstitution erfordert, Der Aktenstapel wie Schnee, der sich türmt. Auf der Alp war Den Körper verzehrten die Jahre. die sich mit übermässigem Alkoholkonsum nicht verträgt. er gut versorgt, dachte das Amt. Das Amt hoffte, der Alpsommer Ein Wolke setzt sich über den Berg, draussen vorm Fenster. Dass zweitens die individuelle Gestaltung des Alltags auf der würde ewig dauern. Hans auch. Nicht wegen der Alp. Aber das – Wir sehen uns, sage ich. Alp – vor allem auf Galtviehalpen – auch mal einen Absturz Amt konnte ihn mal. – Im Nebel, sagt er, war es am Schönsten. Sein Blick folgt der erlaubt, ohne dass damit gleich der ganze Betrieb gefährdet In den Akten bin ich sein dritter Vormund. In seinem Dafür- Wolke, die über den Weiden seiner einstigen Alp hängt. Im Ne- wird. Oder, so hat Frode F., ein langjähriger, dem Alkohol nicht halten einer mehr, der gefälligst den Mund halten sollte. Bis ich bel sah keiner, wohin er verschwand, wenn der Durst ihn wieder abgeneigter Älpler es freimütig formuliert: Der Alkohol ge Foto: Marina Flückiger ihm einmal erklärte, dass ich selber Alphirte war. Da taute er mal rief. hört halt einfach dazu auf der Alp. Und er weiss durchaus, auf... Im Männerheim versteckte er die Flasche im Kleiderschrank. was es erträgt: Er hirtet seit dreissig Jahren auf derselben zalp 23 | 2012 Ich lege Papiere aus. Verschwand tageweise. Zwei Jahre später hat ihn der Tod geholt. Alp. – Du wirst bald entlassen, sage ich. Man muss sehen, wo du Was er im Himmel hütet, weiss ich nicht. Hoffentlich gibts da hinkommst. zu trinken … 14 | 15
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