Zalp - fressen und saufen - Zeitschrift der Älp le rin nen und Älp ler

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Zalp - fressen und saufen - Zeitschrift der Älp le rin nen und Älp ler
fressen und saufen

                                 zalp
23 | 2012

             Zeitschrift der Älp­le­rin­nen und Älp­ler

                                                          1 |1
Zalp - fressen und saufen - Zeitschrift der Älp le rin nen und Älp ler
I N H A LT
                                                                                                                                                                                                                                                                                    zalp die dreiundzwanzigste
                                                                                                                                                                                                                                                                                    «fressen und saufen»

                                                                                                                                                                                                                                                                                   2    Zum Geleit

                                                                                                                                                                                                                                                                                   		   Fressen und Saufen

                                                                                                                                                                                                                                                                                   4    Wer frisst am Käse

                                                                                                                                                                                                                                                                                   6    Die Alp im Maul

                                                                                                                                                                                                                                                                                   9    Milch, Brei und Brot

                                                                                                                                                                                                                                                                                   10   Rezepte

                                                                                                                                                                                                                                                                                   11   Grünkost

                                                                                                                                                                                                                                                                                   13   Knack, Kopf ab

                                                                                                                                                                                                                                                                                   14   Der Säufer und seine Alp

                                                                                                                                                                                                                                                                                   15   Impressum

                                                                                                                                                                                                                                                                                   16   Eine Veganerin auf der Alp

                                                                                                                                                                                                                                                                                   17   gedankengut

                                                                                                                                                                                                                                                                                   18   Hirnschmalz statt Kraftfutter

                                                                                                                                                                                                                                                                                   20   Und nach dem Fressen …

                                                                                                                                                                                                                                                                                   22   Poster

                                                                                                                                                                                                                                                                                   		   Magazin

                                                                                                                                                                                                                                                                                   25   Kurzfutter aus der Presse

                                                                                                                                                                                                                                                                                   28   Rohmilch nur für Mutige?

                                                                                                                                                                                                                                                                                   30   Ziegen kriegen
Der kleine Unterschied des kleinen r                                 quasi am selben Tisch einen Apéro miteinander saufen, bevor                                                                              ren, welche Mengen Öl wir in die Meere schütten, wieviel süd-
Mein Mami hat immer geschimpft mit mir, wenn ich «fressen»           die Mahlzeit begänne und der eine den andern oder der andere                                                                             amerikanisches Soja wir den Kühen in die Krüpfe kippen und           31   Alpofon
gesagt habe. «Tierli fressen, der Mensch isst!» Der Unterschied      den einen fressen oder eben essen würde.                                                                                                 auf welch übertrieben globalen Füssen wir über unsere Erde
                                                                                                                                                                                                                                                                                   32   Kinderseite
zwischen Mensch und Tier hat für mich etwa die Grösse eines             Wenn man den Obertan nach dem Unterschied zwischen                                                                                    trampeln. Alles überaus vernünftig, nicht wahr? Tiere machen
kleinen r’s. Es mag ja sein, dass in der christlichen Religion das   Mensch und Tier fragt, bekommt man gescheite Antworten, wie         zalp 23 | 2012 Illustration: Res Huber | Zum Geleit: Giorgio Hösli   das nicht. In erster Linie, weil sie es nicht für nötig befinden,    34   Drei Frauen auf der einen der zwei
Tier dem Mensch untertan ist. Diese Idee hatte aber bezeich-         es sich für die überlegene Spezies geziemt: Zum Beispiel «Der                                                                            sich zu bereichern.
nenderweise ein Mensch, zudem mit zuwenig Schneid, um für            Mensch weiss, was gut und böse ist». Aha. Präziser müsste man                                                                               Manch ein Mensch ist ein Kamel, ein Affe, eine dumme Gans,        36   zalp Finanzen
seine Aussage geradezustehen. Möglicherweise hatte er Angst          sagen, der Mensch weiss vor allem, wer gut und wer böse ist,                                                                             ein gieriger Wolf oder einfach eine blöde Kuh. Was als Beleidi-      37   Der goldene Isolator
vor einer Heuschreckenplage oder vor dem Tritt eines Elefanten       insbesondere wissen es der Amerikaner, Benjamin Netanjahu,                                                                               gung für den Menschen gedacht ist, ist genau besehen eine für
und so schob er seine Idee Gott in den Mund. Wer meint, Gott         Mahmud Ahmadinedschad und Toni Brunner. Hingegen was                                                                                     das Tier. Die Charaktereigenschaften, die wir den Tieren zuord-      38   Bücher und CDs
hätte sich ja wehren können, der vergisst die Macht der Kirche       gut und böse ist, ist kulturell bedingt. Für manchen guten Men-                                                                          nen, zeigen, wie wir die Tiere sehen, nicht wie sie sind. Wieso
                                                                                                                                                                                                                                                                                   40   Bücher und Filme
und die Macht der Druckereien, die Bibel für Bibel den Unsinn        schen ist der Mensch böse, der Tiere isst. Das Tier interessieren                                                                        soll ein Wolf gierig sein, wieso eine Kuh blöd. Nur weil er tötet,
vervielfältigt haben und unter die Massen brachten.                  solche Spitzfindigkeiten weniger. Wer Hunger hat, der frisst.                                                                            um seinen Hunger zu stillen, nur weil sie Augen hat, die glot-       41   zalpkreuzzalp
   «Unterschied» ist ja nicht gleichbedeutend mit «untertan»,           Der Obertan Wissenschafter geht nüchtern an das Thema.                                                                                zen? Schaut mal in die Glotze, da reihen sich die Toten am Lauf-
da will ich jetzt nicht vermischen, was auseinandergehört. Aber      Er sagt: «Beide stammen aus dem Einzeller, der Mensch hat die                                                                            meter über den Bildschirm. Und kaum ein Toter darunter, der          42   Service zalp
indem wir uns über das Tier stellen, können wir es gewissen-         Vernunft bekommen. Er kann über sein Handeln nachdenken,                                                                                 vom Wolf getötet wurde.
                                                                                                                                                                                                                                                                                   44   Dilemma mit Kräutern
los benutzen, zu unseren Profit mästen, rumkarren, indust­riell      reflektieren und daraus Lehren ziehen.» Eine satirische Laune                                                                               Wenn ich mit fressen und saufen den Abstand zum Tier ver-
schlachten. Wären wir auf derselben Ebene, würde das Tier            der Natur, dass wir meinen denken zu können, vernünftig zu                                                                               kleinere, und den zum Menschen vergrössere, soll mir das recht       44   Am Ende: Bezahlen nicht vergessen!
gleichviel Menschen fressen wir wir Tiere essen, könnte man          sein. Vor allem wenn wir daran denken, wieviele Kriege wir füh-                                                                          sein. Das sollte sich mein Mami mal überlegen.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             2 |3
Zalp - fressen und saufen - Zeitschrift der Älp le rin nen und Älp ler
Wer frisst am Käse (und frisst ihn nicht auf)?
Am Käse wird gefressen – im Kessi, auf der Presse, im Salzbad und Keller frisst eine Vielzahl von Mikro-                                                       aus dem Produktionsumfeld und we-
organismen im, am und auf dem Käse. Ohne Mikroben würde aus Milch kein Käse, der Senn putzte nicht                                                             niger aus der zugesetzten Reifungskul-
                                                                                                                                                               tur. Sie fallen über den Käse her, weil er
mit Lauge und Säure, und die Lebensmittellabore hätten weniger zu tun.
                                                                                                                                                               ihnen gute Lebensbedingungen bietet.
Text Anne Weber, Bild Giorgio Hösli
                                                                                                                                                               Das Gleiche gilt leider auch für uner-
                                                                                                                                                               wünschte Mikroorganismen wie Schim-
                                                                                                                                                               melpilze und Listerien. Im Käsekeller
                                                                                                                                                               leben diverse Schimmelarten, die am Kä-
                                                                                                                                                               se fressen wollen. Sie besiedeln die Ober-

         A      n der Käsefabrikation und -reifung
                sind viele verschiedene Mikroor-
         ganismen beteiligt. Sie lassen sich aus
                                                         In der Käsereimilch sollten nicht zu
                                                      viele Mikroorganismen leben, denn je
                                                      mehr enthalten sind, desto höher ist
                                                                                                  noch vorhandener Milchzucker würde
                                                                                                  während der Käsereifung unkontrolliert
                                                                                                  weitergären, der Teig könnte nicht ent-
                                                                                                                                                               fläche, werden aber bei guter Käsepflege
                                                                                                                                                               zumeist von der Reifungsflora in Schach
                                                                                                                                                               gehalten. Vernachlässigt der Senn seinen
         Sennensicht in erwünschte und uner-          das Risiko von Fabrikations- und Rei-       säuern, nasse Käselaibe mit glitschiger                      Käse, beginnen Punkte in allen Farben
         wünschte unterteilen. Die einen unter-       fungsproblemen. Um dieses Risiko zu         Schmiere wären die Folge. Das Salzbad                        auf der Oberfläche zu wachsen, die nicht
         stützen den Sennen beim Käsemachen,          minimieren, gibt der Senn zu Beginn der     sorgt für eine weitere Selektion der Mi-                     nur Rindenfarbe und Geruch, sondern
         die anderen verderben den Käse in Ge-        Fabrikation «Kultur» ins Kessi. Nein, er    kroorganismen, die am Käse fressen. Die                      unter Umständen auch den Geschmack
         schmack und Aussehen und unter Um-           beschallt es nicht mit Bach und Mozart      Milchsäurebakterien stellen ihre Arbeit                      verderben können. Weitaus gefährlicher,
         ständen die Gesundheit der Käsefresser.      oder tanzt den sterbenden Schwan auf        ein und machen Platz für die Entwick-                        weil gesundheitsschädlich, ist die Kon-
         Wie gelangen diese klitzekleinen, aber       dem Kessirand, sondern er rührt hoch-       lung der salztoleranten Reifungsflora.                       tamination des Käses mit Listerien. Sie
         wirkungsstarken Lebewesen in den Käse?       potente Milchsäurebakterien in die vor-     Ausserdem verschlechtern sich die Le-                        gelangen über Geräte zur Reinigung
         Hauptsächlich über die Rohmilch, aber        gewärmte Milch ein. Dadurch verstärkt       bensbedingungen für unerwünschte                             und Käseschmierung, Schwachstellen in
         auch über Käsereigeräte und Sennenhän-       er die gewünschten Mikroorganismen          Mikroorganismen, die bis jetzt im Käse                       technischen Anlagen und Kleidung, vor
         de, übers Salzbad, Käsepflegeutensilien      mengenmässig und verschafft ihnen so        überlebt haben, weiter. Salz entzieht                        allem Schuhe, auf den Käse. Obwohl sie
         und übers Wasser.                            einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den      dem Käse Wasser und das vertragen diese                      überall vorkommen, kann der Senn sie
            Die Rohmilchflora setzt sich aus einer    unerwünschten. Diese stresst er zusätz-     nicht besonders gut, sie werden dauer-                       am Käsefressen hindern, Disziplin und
         Vielzahl von Mikroorganismen zusam-          lich durch die Nachwärmphase, denn          haft in ihrer Aktivität gehemmt. Damit                       Strenge vorausgesetzt: Geräte und An-
         men, die während des Melkens in die          Temperaturen jenseits von 45 Grad Celsi-    dies auch so funktioniert, wird der Senn                     lagen richtig reinigen und trocknen (Li-
         Milch gelangen. Den Hauptanteil stellen      us sind für viele Arten unangenehm und      täglich Salz zugeben, die Salzkonzentra-                     sterien lieben winzige Wassermengen),
         Mikrokokken, Staphylokokken und ver-         für einige tödlich.                         tion regelmässig messen und dafür sor-                       getrennte Schürze und Schuhe für den
         schiedene Milchsäurebakterien. Weiter-          Die Milchsäurebakterien vermehren        gen, dass die Käselaibe rundherum von                        Keller, von jung nach alt schmieren und
         hin sind in sehr viel kleineren Anteilen     sich während der Käsefabrikation und        Salzwasser umspült sind.                                     nicht jeden in den Keller trampeln lassen.
         Bazillen und Clostridien, Coryneforme        auf der Presse exponentiell. Sie fressen        Während der Käse auf der Bankung                             Während an der Käseoberfläche He-        unter Gasbildung und sorgen im reifen-       Leben so schwer wie möglich zu machen,
         Mikroorganismen, Coliforme, Pseudo­          am Käse, was ihr Organismus hergibt,        reift, wird weiter an ihm gefressen, aber                    fen, Coryneforme und Schimmel mitei-         den Käse für fleckigen Teig, grosse und      hat der Senn nicht nur seine Putzmittel,
         monaden sowie Hefen und Schimmel-            vergären den Milchzucker zu Milchsäure      von anderen Mikroben als bisher. Durch                       nander um Lebensraum ringen, sterben         unregelmässige Lochung, Aufblähung           sondern auch Kulturen, Brenntempera-
         pilze enthalten. Wie viele davon ins Kessi   und senken dadurch den pH-Wert auf ein      das Salzbad ist der pH-Wert auf der Kä-                      im Innern die Milchsäurebakterien ab.        und einen unreinen Geschmack. Je nach        tur und Salzkonzentration im Arsenal.
         gelangen, hängt einerseits von den hygi-     Niveau, das anderen Mikroorganismen         seoberfläche weiter abgesunken und der                       Ihre Zellen lösen sich auf und setzen für    Käsetyp genügt schon eine Handvoll           Damit gelingt es ihm, in ein sehr kom-
         enischen Umständen während des Mel-          nicht behagt und sie in ihrer Aktivität     Salzgehalt stark angestiegen, was vielen                     die Käsereifung wichtige Enzyme sowie        Sporen in einem Liter Rohmilch, um           plexes System steuernd einzugreifen, das
         kens und andererseits von den Lage-          lähmt. War die Säuerung erfolgreich,        Mikroorganismen erst einmal den Appe-                        Nährstoffe für die so genannten Nicht-       nach einigen Wochen diese Spätblähung        durch Völlerei, Überlebenskämpfe und
         rungsbedingungen der Milch ab. Bei           nimmt der Senn am Morgen danach ei-         tit verdirbt. Hefen hingegen vertragen                       Starter-Milchsäurebakterien frei. Diese      auszulösen. Clostridien und Propion­         Massensterben geprägt ist und am Ende
         guter Euter- und Melkhygiene und rich-       nen gelbblumigen Käse mit glatter, leicht   diese Bedingungen und vermehren sich                         haben den Fabrikationsprozess bis jetzt      säurebakterien leben überall dort, wo es     doch nur Käse gibt.                   m
         tig gereinigtem Milchgeschirr gelangen       feuchter Rinde und elastischem Teig von     in den ersten Reifungstagen sehr schnell.                    überlebt und finden nun optimale Be-         schmutzig und feucht ist: an dreckigen
         weniger als 5000 Mikroorganismen, ge-        der Presse. Findet er den Käselaib jedoch   Dadurch steigt der pH-Wert auf der                           dingungen vor. Sie vermehren sich in         Eutern, im Schmierfilm von Tränke-
         messen in KbE (Koloniebildende Ein-          bleich wie den Mond, schwammig-ge-          Oberfläche wieder an, sie wird entsäuert                     den ersten Reifungswochen sehr schnell       becken, auf unzureichend gereinigtem
         heiten) in einen Milliliter Milch. Unter     schwollen und nass vor, dann konnten        und bietet nun gute Lebensbedingungen                        und tragen durch die Aufspaltung von         Milchgeschirr, in feuchten Leitungen der     Zum Weiterlesen:
                                                                                                                                                                                                                                                         Albrecht-Seidel, Marc; Mertz, Luc: Die Hofkäserei,
         schlechten hygienischen Bedingungen          sich die Milchsäurebakterien nicht gegen    für die Coryneformen. Diese sind für die                     Eiweissen und Fetten zur Aromabildung        Melkanlage, im Morast der Auslaufhöfe
                                                                                                                                                                                                                                                         Ulmer 2006
         kann ihre Zahl auf über 100’000 KbE/ml       ihre Widersacher durchsetzen und die        Käsereifung von entscheidender Bedeu-                        bei. Ausser diesen können sich auch un-      oder den schmutzigen Händen des Senn
                                                                                                                                                                                                                                                         Krömker, Volker (Hrsg.): Kurzes Lehrbuch Milch-
         ansteigen. Ohne Kühlung vervielfachen        coliformen Mikroorganismen eine Früh-       tung: sie färben die Rinde durch Pig-                        erwünschte Mikroorganismen im rei-           nach dem Einstallen der Kühe. Gegen          kunde und Milchhygiene, Parey 2007
         sich diese Mengen während der Lagerung       blähung verursachen. Ein GAU für den        mentbildung, sie spalten Eiweisse und                        fenden Käse vermehren, so Clostridien        sie, wie auch viele andere unerwünschte      Kursunterlagen aus dem «Alpkäserkurs 2012»,
         noch, denn die euterwarme Milch ist für      Senn, dem eine Putzorgie, das Auswech-      Fette mit Vorteil für Teig und Aroma und                     und Propionsäurebakterien. Sie vergären      Mikroorganismen, helfen Laugen und           organisiert vom Alpwirtschaftlichen Verein Glarus,
                                                                                                                                                                                                                                                         Leitung Stefan Bless, Milchwirtschaftlicher
         die Mikroorganismen ein Paradies –           seln der Kultur und der Milchwirtschaft-    sie hemmen die Auskeimung von Schim-                         Milchsäure zu Butter- bzw. Propionsäure      Säuren in Verbindung mit Heisswasser,        Berater am Plantahof, 2012
         reichliches Nährstoffangebot und die         liche Berater folgen sollten.               melsporen. Diese Reifungsflora fördert                                                                    Bürste und Sennenschweiss.                   Kursunterlagen aus dem Kurs «Propionsäure-
         warme Umgebung sorgen dafür, dass aus           Bevor die jungen Käselaibe im Salz-      der Senn durch anfänglich tägliches                                                                          Am Käse fressen viele und viele ver-      bakterien und Staphylokokken – Unerwünscht
                                                                                                                                              zalp 23 | 2012

                                                                                                                                                               Anne Weber freut sich auf ihren zweiten                                                   die Einen – Gefährlich die Anderen», organisiert
         Tausenden einer Art schnell Millionen        wasser baden gehen, sollte die Milch-       Schmieren und die richtige Kellertem-                                                                     schiedene, mit ein wenig Glück, etwas
                                                                                                                                                               Alpsommer als Sennerin auf der Alp hintere                                                vom Alpwirtschaftlichen Verein Schwyz, Leitung
         werden.                                      säuregärung abgeschlossen sein. Denn        peratur. Die an der Reifung beteiligten                      Rotmatt im Muotatal und erzählt davon        mehr Verstand und viel Fleiss, sind es die   Christoph Mächler, Milchwirtschaftlicher Berater
                                                      Salz hemmt die Milchsäurebakterien und      Mikroorganismen stammen vorwiegend                           unter www.alpgeschichten.ch                  Richtigen. Um den Unerwünschten das          am Plantahof, 2012

                                                                                                                                                                                                                                                                                                           4|5
Die Alp im Maul
Kopf runter und Rasenmäher-Modus rein, gefressen wird alles, was vors Maul kommt? Die meisten Tiere                                                                                                                                                        Kommt einmal der Schnee, muss sich die
wählen überraschend genau, was geschluckt wird und was nicht. Wie der Mensch nutzen sie Augen, Nase,                                                                                                                                                       Hirtin / der Hirte nicht gleich fürchten,
                                                                                                                                                                                                                                                           Schafe finden auch unter 30 cm Schnee
Mund und Haut, um ihren Speiseplan zu bestücken und sind dabei sehr selektiv und vielfältig.
                                                                                                                                                                                                                                                           Futter, solange sie ihn noch wegscharren
Text und Bild: Alice Vollenweider
                                                                                                                                                                                                                                                           können.
                                                                                                                                                                                                                                                              Dank fragwürdigen Versuchen aus
                                                                                                                                                                                                                                                           den 70er Jahren mit geblendeten (des
                                                                                                                                                                                                                                                           Sehvermögens beraubten) Schafen wis-

         W
                                                                                                                                                                                                                                                           sen wir, dass der Sehsinn für die Nah-
                   as die Kuh denn fressen soll,      Schlingende                                  weniger. Bei Wildtieren kann beobachtet
                                                                                                                                                                                                                                                           rungsaufnahme von untergeordneter Be-
                   darüber wird viel geforscht. Un-   Kühe bevorzugen Gräser mit hohem Zu-         werden, dass sie ihren Bedarf nach Mine-
                                                                                                                                                                                                                                                           deutung ist. Fehlen aber Geruchs-, Ge-
         zählige Menupläne werden erstellt und        ckergehalt, was schnell verfügbare Ener-     ralstoffen und Spurenelementen durch
                                                                                                                                                                                                                                                           schmacks- oder Tastsinn verändert sich
         jeder Wissenschaftler glaubt der besse-      gie bringt, und meiden gleichzeitig die      das Lecken von Steinen, Fressen von Er-
                                                                                                                                                                                                                                                           das Weideverhalten stark.
         re Koch zu sein. Die Rezepte enthalten       meisten Giftpflanzen konsequent. Heil­       de und ähnlichem decken. Tritt bei den
         sogenannte Bedarfsnormen für Rinds-          kräuter mit hohem Gehalt an ätherischen      Kühen ein Mineralstoffmangel auf, ver-
                                                                                                                                                                                                                                                           Sortierende und Wühlende
         viecher, die über Hauptgericht (Tro-         Ölen scheinen ihnen nicht zuzusagen,         suchen sie diesen auszugleichen, indem
                                                                                                                                                                                                                                                           Pferde sind insofern speziell, da sie sehr
         ckensubstanz), Beilage (Mineralstoffe),      dafür bittere Pflanzen mit niedrigem         sie, etwa bei Kupfermangel, tonhaltige
                                                                                                                                                                                                                                                           lange und gründlich kauen, wobei sie al-
         Gewürze (Spurenelemente) und Dessert         Gerbstoffgehalt. Auch der Geruchssinn        Erde fressen. Es liegt aber zwingend in
                                                                                                                                                                                                                                                           les, was ihnen nicht schmeckt oder sich
         (Vitamine) informieren, wobei oft aber       spielt eine Rolle, so mögen Kühe anschei-    der Verantwortung der Älplerin / des Älp-
                                                                                                                                                                                                                                                           als Fremdkörper erweist, mit der Zun-
         die Frage ungeklärt bleibt, welches Ge-      nend Futter, das mit Anis- oder Fenchel-     lers einem Mangel durch Gabe von Mi-
                                                                                                                                                                fressen und zerstören können. Besonders        Scharrende                                  ge wieder nach draussen befördern. Sie
         richt dem Geschmackssinn der Kuh denn        geruch versetzt wurde.                       neralstoffgemischen vorzubeugen oder
                                                                                                                                                                bedroht sind junge Bäume und Büsche.           Schafe weiden sehr tief und grasen auch     fressen selektiv süsse und saure Gräser
         nun am besten entspricht. Denn fressen          Der Sehsinn spielt bei der Nahrungs-      das Verhalten als mögliches Krankheits-
                                                                                                                                                                Wer nun aber mit einem übermässigen            am liebsten dort, wo die Vegetation nied-   und Kräuter, Rinden und Zweige, bittere
         soll sie ja nicht zur Freude, sondern zur    suche wahrscheinlich eine untergeord-        zeichen zu untersuchen. Kühe sind keine
                                                                                                                                                                Alpenrosen-Bewuchs zu kämpfen hat,             rig ist. Dabei sind sie sehr wählerisch,    Pflanzen verschmähen sie meist. Auch
         Produktion von möglichst hochwertigen        nete Rolle, das Farbsehen der Kühe ist       Wildtiere mehr, sie werden seit langer
                                                                                                                                                                sollte zur Eindämmung trotzdem nicht           wobei den Vorlieben ein Lernprozess         Pferde scharren das Gras unter einer
         Milch- und Fleischprodukten.                 eingeschränkt, dafür reagieren sie stark     Zeit nach den Ansprüchen des Menschen
                                                                                                                                                                auf Ziegen setzen: Alpenrosen sind gif-        zugrunde liegt. So ist es möglich, Schafe   Schneedecke hervor.
            Nicht viel besser ergeht es den Ziegen,   auf Kontraste. Sie unterscheiden Pflan-      gezüchtet, produzieren eine unnatür-
                                                                                                                                                                tig. Der Energiebedarf von Ziegen kann         zu Weidepflegezwecken als «Buschfres-          Schweine werden auf den Alpen meist
         Schafen, Pferden, Schweinen und Hüh-         zen sehr genau und auch zwischen ver-        liche Menge an Milch und haben entspre-
                                                                                                                                                                auf der Alp verglichen mit dem Talbe-          ser» zu erziehen und dies dann auch als     als lebende Schotte-Verwerter gehalten,
         nern, auch ihr Bedarf wurde genormt und      schiedenen Pflanzenteilen und Wachs-         chend einen veränderten Mineralstoffbe-
                                                                                                                                                                trieb um 75 % höher sein, sie erleichtern      Zuchtkriterium einzusetzen, da Lämmer       wobei gerne vergessen geht, wie vielfältig
         den Leistungen angepasst. Könnte man         tumsstadien, weshalb die Beweidung           darf, den sie ohne Beigaben meist nicht
                                                                                                                                                                deshalb die Weiden jeden Tag um etwa           wiederum von ihren Müttern lernen. Be-      der Speiseplan von Schweinen aussieht,
         diese Tabellen den Tieren präsentieren,      durch Kühe einen starken Einfluss auf        decken können.
                                                                                                                                                                6,5 – 9 kg Gras und saufen 2 – 4 Liter. (In-   liebt sind neben Gras und Kräutern auch     wenn sie diesen selbst bestücken dürfen.
         verginge wohl den meisten schlagartig        die Vegetation hat. Bestens bekannt ist
                                                                                                                                                                teressant, aber nicht zur Nachahmung           Blätter, und oft knabbern sie sogar die     Es finden sich darauf Insekten, Würmer,
         der Appetit.                                 das dem Weidebeobachter in Form der          Spitzfindige
                                                                                                                                                                zu empfehlen, ist die Beobachtung, dass        Rinde von Bäumen ab. Wie auch Ziegen        Aas, Laub, Eicheln, Früchte, Pilze, Kräu-
            Nun ist es aber so, dass einige Tiere     sogenannten Geilstellen – Flecken auf der    Ziegen haben eine Vorliebe für saftige
                                                                                                                                                                Ziegen auch Fleisch in Form von Küchen-        können Schafe mit spärlicher Vegetati-      ter, Wurzeln, Knospen und Gras, richtige
         sich im Sommer ernähren dürfen wie in        Weide mit höherem Bewuchs – auf denen        Pflanzenteile und knabbern deswegen
                                                                                                                                                                abfällen fressen, wenn sie von klein auf       on leben, da ihr Magen nährstoffarmes,      Allesfresser also. Dabei zeigen sie eine
         freier Wildbahn – auf der Alp. Und da        vor längerer Zeit einmal ein Kuhfladen       am liebsten Zweiglein und junge Triebe
                                                                                                                                                                daran gewohnt sind.)                           rohfaserreiches Futter verwerten kann.      Vorliebe für Süsses und Gerbstoffe (zum
         hört’s dann oft mit den Untersuchungen       gelegen haben muss, dessen Geruch die        von Bäumen und Büschen, Pflanzenspit-
                                                                                                                                                                                                                                                           Beispiel in Eicheln), gleichzeitig eine
         auf, denn nun wählt das Rind, die Zie-       Tiere vom Fressen abhält.                    zen und Blüten. Können Ziegen bei reich-
                                                                                                                                                                                                                                                           Abneigung gegen Salziges und Saures.
         ge oder das Pferd selbst, welcher Halm          Kühe Fressen durch Umschlingen und        lichem Angebot selbst wählen, so fressen
                                                                                                                                                                                                                                                           Viele der bei Schweinen beobachteten
         gefressen wird, und welcher doch eher        Abreissen von Pflanzenbüscheln mit der       sie in erster Linie Blätter, Zweige und
                                                                                                                                                                 Gut zu wissen                                                                             Verhaltensstörungen könnten mit einem
         nicht. Dabei kommen die vielfältigen         Zunge, weshalb sie die Weide nur bis auf     junge Triebe, Gras steht bei ihnen nicht
                                                                                                                                                                 für katastrophenerprobte Älplerinnen und Älpler ist, dass Kühe einen totalen Was-         vielfältiger dargebotenen Futterangebot
         Sinne der Tiere zum Einsatz. Es wird         zirka 3 cm runter fressen können. Ist das    besonders hoch im Kurs. Wird ihnen
                                                                                                                                                                 serentzug 6 Tage überleben, jedoch mit negativen Folgen für die Gesundheit. Ein           behoben werden. Ein hungriges erwach-
         gesehen, gerochen, geschmeckt und            Gras wiederum sehr hoch gewachsen,           aber, wie zum Beispiel auf eingezäunten
                                                                                                                                                                 Wasserentzug von 24 Stunden bleibt bei erwachsenen Tieren ohne Konsequenzen.              senes Schwein kann an einem Tag gut
         gefühlt, doch manchmal dauert es eine        interessieren sie sich meist nur für den     Alpweiden oberhalb der Baumgrenze,
                                                                                                                                                                 Wird das kühle Nass an der Alp langfristig knapp, empfiehlt sich eine Rationierung,       und gern 15 – 20 kg Gras fressen. Und na-
         Weile, bis die Tiere mit der wilden Berg-    oberen Teil der Stengel und weiden nicht     nur dieses vorgesetzt, so sind sie nicht
                                                                                                                                                                 bei der jede Kuh mindestens 30 Liter pro Tag erhält, Jungrinder kommen mit minde-         türlich freuen sie sich über Auslauf an der
         wiese klarkommen. Alpneulinge unter          sauber. Da Kühe schlingen, kommt es          besonders wählerisch und fressen alles,
                                                                                                                                                                 stens 15 Liter aus.                                                                       Alp, auch wenn den meisten Älplerinnen
         ihnen, denen zuvor jahrelang das Futter      oft vor, dass sie Fremdkörper oder Un-       was ihnen vor die Füsse kommt und zwar
                                                                                                                                                                 Fehlt das Futter, zum Beispiel weil die Alp komplett eingeschneit wurde und keine         und Älplern die durchwühlten Weiden
         direkt vors Maul gegeben wurde, können       geniessbares verschlucken, manchmal          sehr gründlich.
                                                                                                                                                                 Besserung in Sicht ist, sollten Milchkühe bevorzugt gefüttert werden, da sich ein         ein Graus sind.                          m
         Anfangs durch die Qual der Wahl oder         befördern sie die Teile aber auch mit der       Ziegen können zur Weidepflege ein
                                                                                                                                                                 starker Milchleistungsabfall langfristig negativ auf die Laktation auswirken kann,
         eher die Aufgabe, die Bissen auf der Wei-    Zunge wieder nach draussen.                  Segen, aber auch ein Fluch sein, da sie                                                                                                                 Quellen:
                                                                                                                                                                 während Rinder eine kurzfristige (max. 5 Tage) Mangelernährung durch kompensa-
         de selbst zu finden, überfordert sein und       Pro Tag muss eine Kuh 50 – 80 kg Gras     bestimmte Vegetationsteile komplett ab-                                                                                                                 Hoy S. (Hrsg.): Nutztierethologie, Verlag Eugen
                                                                                                                                                                 torisches Wachstum wieder ausgleichen können. Auf alle Fälle lohnt es sich zumin-         Ulmer, Stuttgart 2009
         entsprechend in den ersten Tagen zu we-      fressen, um ihren Bedarf zu decken. Zu-
                                                                                                                                                                 dest auf Milchkuhalpen immer auch eine Tagesration Heu zu lagern. Je länger und           Ulrich/Hoffmann/Drochner: Fütterung und Tier-
         nig fressen. Die Alpbekannten wiederum       sätzlich trinkt sie 60 – 150 Liter Wasser,
                                                                                                                                               zalp 23 | 2012

                                                                                                                                                                 weniger Wasser und Futter die Tiere erhalten haben, desto wichtiger ist es, ihnen         gesundheit, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2004
         kennen das Angebot bestens und erin-         abhängig von der Menge Milch, die sie
                                                                                                   Alice Vollenweider ist junge Älplerin mit                     dieses anschliessend nicht plötzlich wieder unlimitiert anzubieten, sondern die Auf-      Sambraus H.: Nutztierethologie, Verlag Paul Parey,
         nern sich an die schmackhaftesten Wei-       ins Kessi oder Kälbermaul gibt, Galtkü-      Herz und Studentin der Veterinärmedizin                                                                                                                 Berlin 1978
                                                                                                                                                                 nahme mit kleinen aber häufigen Gaben langsam wieder zu steigern.
         degründe. Doch was zeichnet diese aus?       he und Rinder brauchen entsprechend          mit Verstand.                                                                                                                                           www.ziege.ch

                                                                                                                                                                                                                                                                                                             6 |7
Milch, Brei und Brot
Auf jenen Alpen, die nicht von den Bauernfamilien selbst bewirtschaftet wurden und das Alppersonal meist
einen reinen Männerhaushalt bildete, war früher die Ernährung sehr einseitig auf Milch und Milchprodukte
ausgerichtet. Die Menge und die Qualität der Ernährung hing dabei stark von der ökonomischen Situation
der Talschaften oder, wo ein Pachtverhältnis bestand, von der sozialen Lage der Älpler ab.
Text Andreas Niederhäuser

         D        ie mittelalterlichen Gelehrten in-
                  teressierten sich noch kaum für
         die alpinen Landschaften. Erst mit dem
                                                        an: Gegen 9 Uhr, wenn die Kühe auf die
                                                        Weide gelassen und die Milch vom Vor-
                                                        abend verkäst ist, nehmen Senn, Knecht
                                                                                                      der aus der Schotte gewonnene Ziger
                                                                                                      vom Alppersonal selbst verbraucht. Eine
                                                                                                      der Hauptspeisen der Älpler im ganzen
                                                                                                                                                                    man dagegen grosszügiger. So lieferten
                                                                                                                                                                    um 1800 die Bauern der Oberengadiner
                                                                                                                                                                    Gemeinde Celerina den Alpknechten, die
         Beginn der Aufklärung nahm auch das            und Bub das Frühstück, «nämlich Schot-        schweizerischen Alpenbogen war die so                         in etwa für 50 Kühe zuständig waren, ne-
         Interesse an den Bergen und den Lebens­        ten, Milch, Käs und Brod». Nachher            genannte Suuffi: frischer Ziger entweder                      ben dem «was sie aus der Alp geniessen
         umständen ihrer BewohnerInnen stetig           werden die Kühe wieder eingestallt und        in der Schotte oder in Milch aufgelöst.                       (…) pro Kuh 2 Pf. Brod, 1 Pf. Kaes, 1 Pf.
         zu. Der Zürcher Naturforscher Johann           gemolken. «Das Melken dauert so lange,        Gerichte, bei denen Rahm oder Butter                          Mehl, Pf. Fleisch, Pf. Reis». Als Alterna-
         Jakob Scheuchzer war dabei einer der           bis es Zeit zum Mittagessen ist, welches      Verwendung fanden, wurden meist nur                           tive oder zusätzlich zum Reis gab es vie-
         ersten, der nicht einfach bereits be-          aus Schotten, Milch und einer Rahm-           bei besonderen Anlässen aufgetischt, da                       lerorts auch Mais. Im Prättigau nannte
         kanntes Wissen zusammentrug, son-              zonne besteht. Dieser letztere Brey ist       es sich um für die Bauern wertvollere Pro-                    man die einheimische Form der Polenta
         dern die Alpen selbst durchwanderte            aus nichts anderem zusammengesetzt,           dukte handelte.                                               «Hirtemues». Fleisch erhielten die Älpler       Zwei Hirten beim Essen / Pastori-casari sull’alpe Formazzolo um 1940 (Umschlagbild: Histoire
         und seine Beobachtungen in seiner 1708         als dass man Rahm mit dem weissesten              Eine unangenehme Folge dieser sehr                        nur in verhältnismässig wohlhabenden            des Alpes 2008/13: Das Bild stammt aus: Antonio Codoni / Vasco Gamboni: Il paese e la memoria
                                                                                                                                                                                                                    [fotografie del Ticino di ieri rivissute e commentate], Bellinzona 1988.
         erstmals publizierten «Natur-Geschichte        Mehl vermischt, und dasselbe so lange         milchlastigen Ernährung scheint die                           Gegenden wie dem Engadin, ansonsten
         des Schweizerlandes» niederschrieb. Da-        über dem Feuer kocht, bis es unten eine       Verstopfung gewesen zu sein. Zum Glück                        mussten sie sich den Munggenbraten
         rin beschreibt er u.a. das Leben der Hir-      gelbe Kruste ansetzen will, und bis alle      wirkte als Ausgleich die Schotte abfüh-                       und den Rehpfeffer wohl selbst besorgen.
         ten aus dem norditalienischen Bergamo,         Fettigkeit daraus gekocht ist, und oben       rend und wenn alles nichts nützte und die                     Gemüse stand laut dem Volkskundler Ro-
         die im Pachtverhältnis die unwirtlichen        auf schwimmt. Dies ist eine fette schwer      Not gross war, empfahlen in Graubünden                        bert Weiss zumindest in Graubünden bis          Anstatt des Naturallohnes wurde das              ganzen Alpenraum. Der Pfarrer und
         Alpen des Hinterrheingebietes bewirt-          zu verdauende Speise, wozu der Senn ge-       die alten Sennen, dem Leidgeplagten in                        weit ins 20. Jahrhundert hinein definitiv       Essen vermehrt aus der gemeinsamen               Landwirtschaftsreformer Heinrich Ban-
         schafteten: «Die Bergomascer Schafhir-         wöhnlich warme Schotten trinkt.» Nach         Wasser vermischter Mäusedreck einzu-                          nicht auf dem Speiseplan und Salat war          Alpkasse gekauft oder der Einkauf wurde          si wetterte dagegen in einem 1808 veröf-
         ten (...) führen ein rauhes, wildes, einfäl-   dem Mittagsschläfchen wird die Morgen-        geben – allerdings sei das ein «mittel uf                     zu dieser Zeit «auch in der Talkost (...) ein   in die Verantwortung des Sennen gege-            fentlichten Beitrag ganz konkret gegen
         tiges Leben: Ihre Speise ist Hirse-Mehl        milch verkäst und die Kühe auf die Wei-       läben und tood!». Die Gelehrten wiede-                        seltenes und verachtetes Gericht».              ben – bei besonders geizigen Exemplaren          die «unfähigen und verschwenderischen
         mit Wasser gekochet, ohne Salz, ohne           de getrieben. «Ist der 2te Käs gemacht, so    rum waren der Meinung, dass von der                                                                           nicht unbedingt zum Vorteil des übrigen          Alpknechte», die für sich selbst zu viel
         Butter: zuweilen ergetzen sie sich mit         wird das Vesperbrod genossen, welches         vielen Milch und dem schweren Käse                            Neue Moden und traditionelle                    Alppersonals. Der Speiseplan zwischen            Milch verbrauchten und so an der ge-
         einem über die Felsen zu tod gefallnen,        in Brod, Schotten oder Milch, und Käse        «endlich der Magen und die Därme mit                          Esskultur                                       Talhaushalt und Alphütte glich sich da-          ringen Produktivität der Bündner Alpen
         oder sonst crepirten Schaaf: ihr Trank ist     oder Zieger besteht.» Nach dem Holz be-       vielen Säuren und Schleim angefüllet                          Gänzlich unberührt von den Verände-             her im Laufe des 20. Jahrhunderts immer          schuldig seien. Er empfahl den Bauern,
         Wasser.» An der höchst bescheidenen Er-        sorgen und diversen Verrichtungen wer-        werden» und die Menschen melancho-                            rungen im Unterland blieb man aber              mehr an. Die Verbindung von neuen Nah-           ihnen weniger Nahrung zukommen zu
         nährung der Bergamasker Hirten änderte         den die Kühe wieder in den Stall geholt       lisch und phlegmatisch mache.                                 auch auf den Alpen nicht. Dabei führte          rungsmitteln und alter Esskultur zeitigte        lassen und dafür dem Vieh mehr Salz zu
         sich dabei im Laufe der Jahrzehnte we-         und gemolken, «worauf das Nachtessen,                                                                       das Kaffeetrinken, das sich auch in den         allerdings auch eigenartige Resultate.           verabreichen. In der Realität waren die
         nig: Hundert Jahre später berichtet der        das aus Schotten oder Milch besteht, die      Zusatzfutter                                                  alpinen Gebieten rasch durchsetzte, zu          Teigwaren etwa kochte man so lange, bis          Lebensbedingungen des Alppersonals
         Bündner Landwirtschaftsreformer Frei-          Tagesgeschäfte beschliesst».                  Zum Glück mussten aber die meisten                            einem kleinen Kulturkrieg. So sahen             sie eine breiartige Konsistenz annahmen.         wesentlich von der ökonomischen Lage
         herr Karl Ulysses von Salis-Marschlins                                                       Älpler nicht ausschliesslich von Milch-                       «die Alten» im Verbund mit den mora-            Das lag nicht an den mangelnden Kennt-           der Bauern oder, wo sie selbständig als
         von den fremden Hirten, dass sie Tag für       Milchsegen                                    produkten leben. Lange Zeit war es üb-                        linsauren Pfaffen darin ein Zeichen der         nissen italiensicher Kochkunst, sondern          Pächter arbeiteten, von ihrer sozialen
         Tag meist ungesalzene Wasserpolenta            Nicht nur die Appenzeller Sennen er-          lich, ihnen einen Teil des Lohnes in Natu-                    Korrumpierung und Zerstörung des tra-           am Umstand, dass man als Besteck aus-            Herkunft abhängig. Auch den von Stein-
         aus Mais- oder Hirsemehl essen, Wasser         nährten sich aus naheliegenden Gründen        ralien auszubezahlen. Diese wurden von                        ditionellen Lebensstils durch moderne           schliesslich den eigenen Holzlöffel be-          müller erwähnten Appenzeller Sennen
         oder Schotte trinken und von den eige-         vor allem mit Milch und Milchprodukten.       den einzelnen Bauern nach Anteil Kühe                         (Un)Sitten. Dass die Kuhhirten frühmor-         nutzte. Zum Essen sass man, da einfache          geht es nicht allen gleich gut. Viele muss-
         nen Milchprodukten nur den zweiten,            In gewissen Alpen wurde bis zu einem          oder Stoss geliefert. Neben letztjähri-                       gens vor dem Einholen der Kühe als «er-         Hütten oft nicht einmal mit einem Tisch          ten sich fast ausschliesslich von Milch
         herben Ziger geniessen. «Brod, Suppe           Viertel des Milchertrags vom Alpperso-        gem Käse gehörte in erster Linie Brot und                     stes Frühstück» einen kräftigen Schluck         ausgestattet waren, auf den Melkstühlen          und Milchprodukten ernähren, weil sie
         und andere ganz gemeine Speisen kom-           nal selbst verbraucht. Dabei ist allerdings   Mehl dazu. Im Bündner Oberland erhielt                        Schnaps zu sich nahmen, scheint dage-           und löffelte die Suuffi oder den Brei di-        sich nur ausnahmsweise Brot leisten
         men nicht über ihre Zunge, so lange sie        zu bedenken, dass die Milchleistung           das in der Regel aus drei Personen beste-                     gen niemanden gestört zu haben, wie             rekt aus dem Topf.                               konnten. Die ohne Zweifel eintönige aber
         auf der Alp sind.»                             der Kühe früher sehr viel geringer war.       hende Alppersonal drei Pfund Brot pro                         überhaupt der Schnaps ein häufig ge-                                                             immerhin regelmässige und fettreiche
                                                        Eine Walliser Kuh gab um die Mitte des        Kuh und zusätzlich zwei Gebsen Mehl.                          brauchter und allgemein akzeptierter            Luxusleben auf der Alp?                          Ernährung auf den Kuhalpen dürfte zu-
         Eine fette Sache                               17. Jahrhunderts im Tag ca. 5 Liter Milch     Das musste für den ganzen Sommer rei-                         Trost für die Unbill des Älplerlebens war.      Das Sagenmotiv des Sennen, der unacht-           mindest für jene Männer und Knaben,
         Der vom Pfarrer und Naturforscher Jo-          und auch in Graubünden zu Beginn des          chen. Die Hirten der Eginenalp im Wallis                         Die Reformen in der Alpwirtschaft            sam mit der Milch umgeht oder gar den            die aus den armen und von Hunger nicht
                                                                                                                                                   zalp 23 | 2012

         hann Jakob Steinmüller überlieferte            19. Jahrhunderts war die Milchleistung        bekamen ebenfalls nur 2 Pfund Brot und                        gegen Ende des 19. Jahrhunderts beein-          Käse dazu missbraucht, seiner Liebsten           verschonten ländlichen Unterschichten
         Speiseplan eines Appenzeller Sennen um         der Kühe nur wenig höher. Neben Milch         eine nicht näher definierte Menge nicht                       flussten, wenn auch nicht überall gleich        einen trockenen Weg durch den Sumpf              stammten, durchaus ihren Reiz gehabt
         1800 mutet dagegen geradezu luxuriös           und Schotte als Getränk wurde vor allem       fetten Käses pro Kuh. Andernorts war                          schnell, auch die Ernährung der Älpler.         vor der Hütte zu bauen, findet sich im           haben.                                   m

                                                                                                                                                                                                                                                                                                              8|9
Grünkost
                                                                                                                                                                                                  Alpwiesen bieten nicht nur den betreuten Vierbeinern eine grosse Vielfalt an Pflanzen. Wer etwas Zeit
                                                                                                                                                                                                  und Geduld hat und bereit ist, sich auch auf neue (Geschmacks-)Erfahrungen einzulassen, der findet in seiner

                                                                                                                    Gr ün kost                                                                    Umgebung zahlreiche essbare Wildpflanzen, die den Speiseplan bereichern.
              Alte/Trad itionelle                                                                                                                                                                 Text Priska Würgler und Andreas Niederhäuser, Illustration Kurt Stueber

                               R e z e p t e
         Ein Steinm ilch/so die Kuemelcke
              auf f den Alpen ma chen
                                          r                                                                       Blacken-Päckchen
                                                                                          Je nach Grösse 20 – 30 junge hellg
                                                                                            (Blacken); 2–3 Tassen Riso    tto,
                                                                                                                                 rüne Alpenampferblätter
                                                                                                                               Kartoffelbrei, Polenta o. ä.
                                                                                                                                                                                                           N      icht weniger als 1500 Einträge
                                                                                                                                                                                                                  finden sich in der im Aargauer
                                                                                                                                                                                                           AT-Verlag erschienen Enzyklopädie der
                                                                                                                                                                                                                                                             Pflanzen sollten nicht geerntet werden,
                                                                                                                                                                                                                                                             weil sie selten und geschützt sind, andere
                                                                                                                                                                                                                                                             sollte man lieber nicht verwenden, weil
                                                                                                                                                                                                                                                                                                          eignen. Noch verbreiteter als Brennnes-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                          seln sind besonders auf den Kuhalpen die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Blacken (rumex alpinus). Da sie es gerne
                                   ter je besser/setz sie auff ein                                                                    ig Kräutersalz, etwas
Nimb gute feisste Milch/je feiss                                                           kalt, 3 – 4 Esslöffel Meh l, 2 Eier, wen
                                                                                                                                                                                                           essbaren Wildpflanzen Mitteleuropas.              sie zu Bauchgrimmen oder noch stär-          sehr nährstoffreich haben, wachsen sie
                         Kiss elste  in in das Fewr/dass sie glue-                                                              nach Belieben, Butter oder
klein Fewr/leg schoene                                                                   Reibkäse, Wurst oder Fleischreste
                                    Zangen ab/dass sie nicht un-                                                                                                                                           Wenn auch nicht alle darin verzeichne-            keren Vergiftungserscheinungen führen        überall dort, wo das Vieh gerne steht und
hend werden/so hebs mit einer                                                                                           Bratfett
                                   biss sie abgeloescht werden/                                                                                                                                            ten Pflanzen im alpinen Raum wachsen,             können.                                      scheisst, sprich an bevorzugten Schlaf-
sauber sind/halts in die Milch                                                                                  r vom   Stiel befreien und auf der Arbeits-
                                      Steinen krauss wirt/ alsdann                       1. Die Ampferblätte
das thu so offt biss die Milch von                                                                                                    den bei Zimmertempe-                                                 so lassen sich doch viele davon in der nä-                                                     plätzen und vor dem Stall; nicht unbe-
                            hirr / dass  sie wider kalt wirdt. Diese                         fläche ausbreiten; nach 2 – 3 Stun
thue es in ein sauber Gesc                                                                                                       n  sich  falten, ohne zu bre-                                             heren und weiteren Umgebung der Alp­              Pflanzen aller Gattig                        dingt besonders anmächelig, um die
                                    luftig/ und thut keinen Scha-                            ratur sind sie schlaff und lasse
Milch ist zu Sommerszeit vast
                                     Rahm sein.                                             chen.                                                                                                          hütte entdecken. Gegenüber dem Treib-             Essbar sind im Prinzip alle Pflanzen, die    Pflanzen in der Küche zu verwenden, z.B.
 den: Es soll aber vast nur lauter                                                                                           (Risotto, Kartoffelbrei o. ä.)
                                als erste Frau 1609 ein Kochbuch
                                                                 veröffentlichte.        2. Inzwischen die Grundmasse                                                                                      haussalat und dem Importgemüse aus                nicht giftig sind, wobei in Übereinstim-     die Stiele wie Rhabarber zu Kuchen und
Ein Rezept von Anna Wecker, die                                                                                                 nach Belieben einer wei-
Woher Anna Wecker, die in Basel
                                , Colmar und Nürnberg lebte, das
                                                                  Rezept hatte,
                                                                                            mit Mehl, Eiern, Kräutersalz und
                                                                                                                             1 – 2 Stunden ruhen lassen.                                                   dem Supermarkt haben sie den Vorteil,             mung mit den Vorlieben der Rindvie-          Kompott. Bis in die 1970er Jahre wurden
ist nicht bekannt.                                                                          teren Zutat gut verrühren und
                                                                                                                     er verteilen  und darin einrollen, so                                                 wesentlich reicher an Vitaminen, Mine-            cher gilt, je jünger und frischer, umso      die Blacken als Schweinefutter verwendet
                                                                                         3. Die Masse auf die Blätt
                           Nidelbrod und …                                                   dass sie gut verpackt sind.                                                                                   ralien, Eiweissen und mit Blick auf Pro-          schmackhafter. Was einigermassen zart        und teils sogar extra dafür angepflanzt;
                                        t nur der Milch, Butters,                                                             Bratpfanne in heissem Fett
 Es behelfen sich die Aelpler nich                                                       4. Die Päckchen in einer weiten                                                                                   duktion und Transport, wesentlich är-             daherkommt, lässt sich in der Regel als      früher sollen sie – als älteste Gemüse-
                                    tten  , sondern wissen auch                                                               ten anbraten, dann wenden
 Käses, Ziegers, Suffi, und scho                                                             bei mässiger Hitze 5 – 10 Minu                                                                                mer an CO2 Verbrauch zu sein. Viele der           Salat verwenden, zähere Blätter und Sa-      pflanze der Alpen überhaupt – ein fester
                          den anko  mm    ende n Gästen allerhand                                                      Minu  ten  bei kleinerer Hitze fertig
 ihnen selbst oder frem                                                                      und zugedeckt noch 15
                                     iten; unter denen vornehm-                                                                                                                                            essbaren Wildpflanzen haben zudem bei             men lassen sich als Gemüse zubereiten.       Bestandteil des Speiseplans der Einhei-
 niedliche Milch=Speisen zu bere                                                             garen.
                                       werden, wormit sie ein in                                                                                                                                           verschiedenen Gebresten eine heilende             Eine Garantie, dass alles was essbar ist     mischen gewesen sein. Auf alle Fälle ge-
 lich das Nidelbrod kann gezehlet                                                         Zusammen mit einem farbigen
                                                                                                                                        Salat servieren.
                                    geko  chtes, in Schnitten oder
  heissen Nidel getuncktes, oder                                                                 Gisula Tscharner: Wald und Wiese
                                                                                                                                  auf dem Teller, Aarau, AT   Verlag 2009.                                 Wirkung. Dafür ist das Sammeln und Zu-            auch gut schmeckt, gibt es allerdings        niessbar ist ihre «kleine Schwester», die
                            gant z wol   bene nnen, welche einige                         aus:
  Brocken zert heiltes Brod                                                                                                                                                                                bereiten in der Regel zeitintensiver und          nicht: Frischer Klee (vor der Blüte ge-      Sauerampfer, die ebenfalls relativ häufig
                                                                                                            Grüne Gnocch i (4 Por tionen)
                                   sten; …
  auch mit Butter und Milch zurü
                                                                                                                                                                                                           aufwändiger. Wer den Tag in der Sen-              pflückt) und als Salat oder Gemüse zube-     rund um die Hütte zu finden ist. Und aus
                                                                                                                                s, 4 Eier, 1 Teelöffel Salz,
                                                                                           500 g Blätter des Guten Heinrich
                  Stu nckenwerne (Ziegerrost)                                              2 – 3 Zweige Thymian, 50   g Nüss  e geha    ckt, 300 g Mehl, 100 g                                             nerei und im Käsekeller verbringt, wird           reitet wäre vielleicht einen Versuch wert,   eigener Erfahrung sehr empfehlenswert
                                 ein feisstes Muss, wird ge-
  hernach die Stunckenwerne,                                                               geriebener Käse
                                                                                                                                                                                                           eher weniger dazu kommen, aber auch               während bei den Erlenblättern selbst der     sind junge Löwenzahnblätter, die als Sa-
                                    n, wenn solche vorhanden
  machet aus Nidel, Mehl, und Eyer                                                                                               s kurz in kochendem Was-                                                  das Zäunen und Hüten kann erfahrungs-             Autor der Enzyklopädie leicht zweifelnd      lat hervorragend schmecken.
                                   l, und Zieger. Bey Zurüstung                            1. Die Blätter des Grünen Heinrich
  sind. Andere nehmen Butter, Meh                                                                                   opfe n  lasse  n und fein hacken.                                                      gemäss so anstrengend sein, dass man              meint, dass sie zwar essbar, aber wegen
                               , dass  , wenn es den höchsten                                  ser blanchieren. Abtr
  dieses Musses ist zu mercken                                                                                      Eiern , Salz ,  Thymian, den gehackten
                         t, und   Zun  ge und Hals verbrennen                              2. Mit den verq  uirlten                                                                                        am Abend dann doch lieber zur Beutel-             ihres hohen Gerbstoffgehaltes «etwas         Blüten und Wurzeln
  Grad der Hitze erreiche                                                                                                           festen Teig verarbeiten.
                                 ende Bütterförmige Nidel nur                                  Nüssen und dem Mehl zu einem                                                                                suppe, der Convenience-Rösti oder dem             bitter» sein sollen.                         Da viele der Wildpflanzen sehr ge-
  wurde, der oben auf schwimm                                                                                                   Was   ser auf grösster Flamme
                                    Löffelweise kann geschlue-                              3. Einen möglichst grossen Topf
  lau ist, und ohne einige Gefahr                                                                                      Wen  n das    Was  ser kocht, Salz zuge-                                            Gemüse aus der Dose greift.                          Essbar ist bei weitem nicht nur, was      schmacksintensiv sind, können sie fast
                                                                                                zum Kochen bringen.
   cket werden.                                                                                                                       n. Vom Gnocchiteig mit                                                  Das Sammeln der Wildpflanzen                   schön und apart daher kommt: Die selbst      alle, sei es frisch oder in getrockneter
                                         rgeschichte des Schweizerlandes
                                                                        » Bd. 1 (1708)          ben und die Temperatur reduziere
   aus Johann Jakob Scheuchzer «Natu                                                                                               n abstechen und ins Was-
                                                                                                einem Teelöffel kleine Klössche                                                                            braucht zudem nicht nur Zeit und Ge-              bei Ziegen nicht gerade beliebte Alpen-      Form, auch als Kräuterzusatz zum Wür-
                                                                                                                                ten    sind sie gar und steigen
                                          Fän z                                                 ser geben. Nach etwa 10 Minu                                                                               duld, sondern auch einiges an Wissen,             Kratzdistel etwa ist überaus vielseitig      zen verwendet werden. Erwähnt seien
                                       en will, so nimmt er viel hei-                           an die Oberfläche.
   Wenn ein Glar nersenn Fänz koch                                                                                            auf eine geölte feuerfeste Plat-                                             das im Gegensatz zur angeborenen Intui-           verwendbar: Die Wurzeln lassen sich in       hier nur der wilde Gebirgsthymian
                          t ganz frisc h, bringt sie in das kupferne,                       4. Die Gnocchi nebeneinander
   sse Rahmbutter, meis                                                                                                              n und überbacken.                                                     tion bei den betreuten vierbeinigen Gras-         geschälter Form braten, frittieren oder      (Quendel), der auf den meisten Alpen
                                       das meist am Kessiturm an                                 te geben, mit dem Käse bestreue
   gut verzinnte Kochkesselchen,                                                                                                 n für die Küche, Aarau, AT Verlag
                                                                                                                                                                     2003.
                                                                                                                                                                                                           fressern erst erarbeitet, sprich angelesen        kochen, die jungen Schösslinge (ohne         an sonnigen und trockenen Standorten
                                      ld die Butter heiss ist, bringt                       aus Francois Couplan: Wildpflanze
   einer kurzen Kette hängt. Soba
                                  voll  Mehl in die Butter, als Esser                                                                                                                                      und ausprobiert sein muss. Nicht jedes            Stacheln!) und die geschälten Stängel        wächst, der wilde Majoran (Dost) und
   man ungefähr so viel Löffel
                                          geröstet, dann giesst man                                        Wi lde Wiesenwä he (4 Por tionen)                                                               Kraut lässt sich für das wenig geübte Au-         roh oder als Kochgemüse geniessen und        der seltener anzutreffende, auf feuchtem
   da sind. Das Mehl wird schw ach                                                                                              hmesser, 2 sehr grosse Salat-
                                      e Milch hinein, bis das Mus die                        Für ein Blech von ca. 20 cm Durc
    nach und nach gesottene, ganz                                                                                              pfer   und Wildspinat, 500 g                                                ge auf Anhieb erkennen. Man muss wis-             die Blätter und weichen Triebe zu Sauer-     Boden wachsende Schnittlauch. Roman-
                                       Kesselchen leicht an der Kel-                         siebe Brennnesseln, Saueram
    richtige Konsistenz hat und im                                                                                     Bech  er (180  g) Vollrahm, 1 Teelöffel                                             sen, wo und unter welchen Bedingungen             kraut verarbeiten – sozusagen als Vorrat     tisch und/oder ästhetisch veranlagte Älp-
                                      oben   sich viel Butter zeigt, ist                     Speisequark, 3 Eier, ein
    le sich drehen lässt. Nachdem                                                                                              g Kuchenteig, fertig ausge-
                          über schü  ssig e Butt er wird abgeschöpft,                        Bouillonkonzentrat, 250 – 300                                                                                 eine Pflanze wächst, welche Teile essbar          für den nächsten Alpsommer. Auch die         lerInnen können den Salat, sei es der sel-
    genug gekocht. Die
                                        1⁄2 Stunde!                                          wallt, Salz, Pfeffer                                                                                          sind, wann sie geerntet, wie sie präpariert       Brennnessel, ein weiteres «Unkraut», ist     ber gepflückte oder der im Supermarkt
    Kochzeit reichlich 20 Minuten –
                                                                                                                                     mixen. Mit dem Quark
                                                                                             1. Die Kräuter überbrühen und
                                                                             t
                                         meinem Leben (…) www.uni-klu.ac.a                                                                                                                                 und zubereitet werden müssen. Gewisse             vielseitig verwendbar. Junge Brennnes-       eingekaufte, mit Blüten schmücken.
     Christian Hitz (1857 – 1929): Aus
                                                                                                 mischen und würzen.                                                                                                                                         seln können gut zu Spinat oder einem         Besonders schön und schmackhaft sind
                                                                                                                                  onzentrat, Salz und Pfeffer
                                  Sch ma lzmus                                                2. Die Eier mit Rahm, Bouillonk                                                                              Prisca Würgler ist Ziegen-Älplerin auf eigene     Gemüseauflauf verarbeitet werden. Kurz       trotz des Namens diejenigen der Teufels-
                                     bekannte Schmalzmus wird                                                             isch  ung  geben.
     Das in ganz Graubünden sehr                                                                 mixen und zur Kräuterm
                                     Butter braun röstet und den                                                       ausl egen  , die  Füllung darauf geben                                              Faust und mit Familie in Arni im Urnerland.       gedämpft oder überbrüht verlieren die        kralle, die in unterschiedlichen Arten auf
     zubereitet, in dem man Mehl in                                                           3. Das Blech mit Teig
                                                                                                                                                                                 zalp 23 | 2012

                                       Milch ablöscht; dann wird                                                                      : Bei 180 Grad und guter                                             Andreas Niederhäuser arbeitet bei der
     Rost mit kaltem Wasser oder mit                                                             und ab in den vorgeheizten Ofen                                                                                                                             Nesseln ihre Wirkung und man kann die        den meisten Alpweiden wächst. Wer dem
                                                                                                                                     en.                                                                   Archäo­logischen Bodenforschung Basel-
     das ganze zu einem gelbliche n Mus eingekocht                                               Unterhitze 40 – 50 Minuten back                                                                                                                             Pflanzen roh als Salat essen, während sich   schönen Hirten oder der kecken Senne-
                                                                                                                                      iemen «Hexentrank und Wiesenschm
                                                                                                                                                                         aus»,                             Stadt und als freier Historiker. Er ist den 12.
                                          s                                                      aus: Gisula Tscharner, Heinz Knier
      aus Weiss: Alpwesen Graubünden                                                                                                                                                                       Sommer Rinderhirt auf der Alp Verdus GR.          ihre getrockneten Blätter als Teeaufguss     rin der Nachbarsalp «durch die Blume»
                                                                                                 Aarau, AT Verlag 2006.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             10 | 11
Knack, Kopf ab
Avancen machen will, dekoriert den Sa-                                                                                                                                                                 Klar, der Hahn würde herumhüpfen, würde er nicht mit kräftiger Hand, kopfüber so-
lat mit Veilchenblüten, etwa denjenigen                                                                                                                         Text und Bilder Eva Hulst              zusagen, im Zinkkübel zum Ausbluten festgehalten. Nie mehr kann er mir hinterrücks
des wilden Stiefmütterchens. Zeigen                                                                                                                                                                    an die Waden springen, genau über dem Gummistiefelrand selbstverständlich.
sich die Beglückten wenig empfänglich                                                                                                                                                                  Sein Hennenverteidigungsdrang und mein Vorsatz (aus philosophisch gefärbten
dafür oder machen sie gar abfällige Be-                                                                                                                                                                Gründen: Ich habe Hühner, sollte fähig sein sie zu töten, schlachten und verbrauchen),
merkungen, kann man hinterher seinen                                                                                                                                                                   mir endlich zeigen zu lassen, wie ein Huhn pfannenfertig gemacht wird, sind des
Frust mit einem kräftigen Schluck En­                                                                                                                                                                  Güggels Todesurteil. Und auch zwei alte Habichthühner fallen meinem unbändigen
zianschnaps hinunterspülen. Das lindert                                                                                                                                                                (verfluchten) Willen, das Richtige zu tun, zum Opfer.
nicht nur den Schmerz im Herzen, son-                                                                                                                                                                  Kurz: Getötet habe ich keins der drei Versuchskaninchen, ich fühle zu zaghaft zu sein
dern auch allfällige Magenbeschwerden.                                                                                                                                                                 und daher vielleicht keinen schnellen Tod herbeizuführen und habe keine Übung, was
Der Schnaps wird entgegen weit verbrei-                                                                                                                                                                einen Fehlschlag umso wahrscheinlicher macht. Will nicht ungewollt quälen. Brauche
teter Meinung nicht aus den blauen Blü-                                                                                                                                                                nicht mehr jede Herausforderung anzunehmen.
ten, sondern aus den Wurzeln meist des                                                                                                                                                                                            Den ganzen Rest mache ich beherzt und interessiert. Das
gelben Enzians gewonnen. Hier ist der                                                                                                                                                                 PrügelBeilKlotz Rupfen ist noch chli läbig. Doch dann wird alles mehr und
Griff zum gekauften Produkt allerdings
                                                                                                                                                                                               GackernZappelnBluten mehr zu Hühnerhaut, Hühnerbrust, faszinierend prähisto-
für einmal angebracht, nicht nur weil die                                                                                                                                                                                         risch wirkenden Füssen, einem Produkt vom Hof, einem
Herstellung des Schnapses ziemlich auf-                                                                                                                                               HeisswasserRupfenDistanzieren kleinen Teil des Geschäftes ‹Buurerei›.
wändig ist, sondern auch weil alle Enzian-                                                                                                                                            DorfbrunnenKaltwasserfliessen Der seltsame Hühnermagen wird ebenso in seine Bestand-
arten mehr oder weniger geschützt sind.
                                                                                                                                                                                              SchneidenZerrenZiehen teile zerlegt, wie wir das Herz halbieren; die Lebern der
                                                                                                                                                                                                                                  zwei alten Habichthühner sind verkrebst, die eine hat einen
Beeren und Pilze                                                                                                                                                                           LernenStaunenDiskutieren verhärteten Eierstock; Eigelbe in allen Grössen und Wachs-
Ab Mitte August wird die Palette an ess-                                                                                                                                                         WürzenFüllenBraten tumsstadien kullern auf unserm Dorfbrunnenbrett herum.
baren Wildpflanzen kleiner, da viele mit
                                                                                                                                                                                      VerzehrenZusammengeniessen Die beiden alten Legehühner werden in ihrem Kreislauf des
zunehmender Vegetationszeit zäher und        man verschlingt gleich Unmengen der           legen und eigenes Grünzeugs zu ziehen.                                                                                                 Seins zu Schweinefutter, die robusten, gierigen Säue bilden
entsprechend ungeniessbarer werden.          roh sehr bitter schmeckenden Vogelbee-        Allerdings braucht ein solcher Garten in-                                                                                              auch ein Teilchen ‹Buurerei›.
Dafür lässt sich nun, wenn die klima-        ren – ist beim Sammeln von Pilzen weit-       tensive Pflege, was etwa auf arbeitsinten-                                                                  Der Güggel landet erst im Kühlschrank, die Beine hätte ich ihm besser vorher an den
tischen Bedingungen entsprechend gut         aus grössere Vorsicht angebracht. Selbst      siven Kuhalpen kaum möglich ist. Frost,                                                                     Bauch gebunden, und dann in Marinade und dieser rätselhaften Erfindung der Neu-
waren, der Speiseplan mit Beeren auf-        gute Bestimmungsbücher helfen dem             Hagel und Schnee können die ganze Ar-                                                                       zeit, dem wunderbaren Bratsack.
frischen. Viel falsch machen kann man        Laien nur bedingt weiter, da sich viele       beit zudem abrupt zunichte machen. Wer                                                                      Meine nie sehr grosse Handfertigkeit beim Zerteilen von Geflügel schrumpft noch seit
da nicht. Findet sich zwischen den Hei-      Arten rein optisch wegen ihres Varian-        beim Kochen aber gerne schnell frische                                                                      ich kaum mehr als Profi koche; deshalb wird Güggel noch einmal gmetzget. Eine Brust,
delbeeren einmal eine Rauschbeere – sie      tenreichtums nur sehr schwer eindeutig        Kräuter zur Hand hat, kann den wilden                                                                       mir ausbedungen, da ich keine Knochennagerin sein kann (mir gefällt nicht, worein
sieht sehr ähnlich aus, hat aber weisses     identifizieren lassen. Steinpilze und Pfif-   Thymian, den Dost und den Schnittlauch                                                                      meine Zähne da geraten könnten), ist fast zart. Die liebe Familie, mit der ich am Tisch
Fruchtfleisch – ist das weiter nicht tra-    ferlinge lassen sich aus eigener Erfah-       natürlich auch im eigenen Gärtchen zie-                                                                     sitze kaut unterdessen auf muskulösen Sprungschenkeln und knabbert an mageren
gisch. Dass der Genuss der Beeren tat-       rung einigermassen leicht erkennen und        hen. Verschiedene einheimische wilde                                                                        Flügeln; alle sind zufrieden, angesichts des zMittags auf ihren Tellern.
sächlich zu einem rauschähnlichen Zu-        schmecken auch ausgezeichnet, von den         Minz-, aber auch die meisten gezüchte-                                                                      Einmal mehr versuche ich jemandem und mir zu erklären, dass ich eigentlich Vege-
stand führen kann, ist nicht belegt, und     restlichen Exemplaren sollte man ohne         ten Pfefferminzsorten wachsen zudem                                                                         tarierin bin.                                                                        m
ihr Name verweist auch nicht auf ihre        einigermassen fundierte Kenntnisse oder       problemlos und mit nur geringem Pfle-
Wirkung, sondern leitet sich vom latei-      einem Hang zu risikoreichem Verhalten         geaufwand. Und wer nicht zu den Wild-
nischen ruscus (Gestrüpp) ab. Abgesehen      eher die Finger lassen. Während über          pflanzenpuristen gehört, kann mit wenig
davon, dass Heidelbeeren wie Walderd-        die Wirkung des unschwer erkennbaren          Arbeit und etwas grünem Daumen auch
beeren und Himbeeren am besten direkt        Fliegenpilzes Einigkeit besteht, gehen        Pflücksalat, Kresse und Radieschen an-
gepflückt schmecken, lassen sie sich bei     die Meinungen über die häufig anzutref-       pflanzen. Hier gilt eindeutig: Probieren
genügend grossen Zuckervorräten leicht       fenden «Kuhfladenpilze» weit auseinan-        geht über Studieren.                    m
zu Konfitüre verarbeiten. Getrocknet und     der. Die einen schwören darauf, dass es
ins Unterland verschleppt, erinnern sie      sich dabei um sogenannte Psilos (psilo-
einem, z. B. als Müslizusatz, an den ver-    cybinhaltige Pilze) handelt und entspre-
gangenen und bereits verklärt erschei-       chend häufig sieht man sie in gebückter
nenden Alpsommer. Auch Preiselbeeren         Haltung über die Weiden streifen, für an-
können sowohl roh gegessen, als auch zu      dere sind sie unansehnlich, ungeniessbar
                                                                                           Literaturhinweis:
Kompott oder Konfitüre eingekocht und        und jedenfalls ohne bewusstseinserwei-        Steffen Guido Fleischhauer: Enzyklopädie der ess-
nach der Alp zu Reh- oder Hirschpfeffer      ternde Wirkung.                               baren Wildpflanzen. 1500 Pflanzen Mitteleuropas
genossen werden.                                                                           mit 400 Farbfotos, Aarau: AT Verlag, 2003.
                                                                                                                                               zalp 23 | 2012

    Während die Gefahr, sich beim Ge-        Alpgarten                                     Im AT Verlag sind zudem eine ganze Reihe von
                                                                                           Publikationen rund um das Thema erschienen, auch
nuss von Beeren ein gröberes Bauchgrim-      Grundsätzlich ist es selbst auf 2000 m        solche mit konkreten Bestimmungs- und Verarbei-                                                                      Eva Hulst seit 11 Jahren an den Alpsommern wachsend, dabei sich selbst und die behüteten
men einzufangen eher gering ist – ausser     Höhe noch möglich, einen Garten anzu-         tungshinweisen.                                                                                                      Tiere mehr und mehr verstehend.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                     12 | 13
Der Säufer und seine Alp
In der Höhe mit Tieren, Weite und Freiheit, konnte Hans trotz Alkohol alles arrangieren; im Unterland
stellte ihn das Leben mit seinen Tücken kalt, wie den Esel am Berg.
Text Martin Marti, Bild Marina Flückiger
                                                                                                                                                                                                                                           zalp
                                                                                                                                                                                                                                            IMPRESSUM

         – Grüss Gott, Hans, sage ich.                                            Er lacht. – Hinkommen. Sein Blick geht zum Fenster, in des-                                                                                            zalp           Zeitschrift der Älp­lerinnen und Älpler
                                                                                                                                                                                                                                        		              Nr. 23 Som­mer 2012
            Er antwortet nicht. Sitzt da, den Blick an mir vorbei, zwischen    sen Geviert die Flanke eines Berges steht. – Dort. Nun ist sein                                                                                          		              Auf­la­ge 5 100 Exemp­la­re
         Abwehr und Stolz. Ein Blick, in dem Adler fliegen. Der Raum ist       Blick lebendig, er fährt sich mit der Hand über die Stirn. – Dort.                    Alkohol auf der Alp

                                                                                                                                                                                                                                                        Preis CHF 8.– / EUR 7.–
                                                                                                                                                                                                                                                        Spende erlaubt
         ebenso spärlich beleuchtet wie möbliert. Der hölzerne Tisch, ein      Der Berg gehört zum Senntum G., erklärt er mir.
         paar Stühle. An den Wänden Regale, in denen Schatten stehen.             Das Gitter davor nicht, denke ich.                                                 Obwohl die Situation der Sennen und Hirten dazu einladen            Re­dak­ti­on   Marina Flückiger (mfl), Bern (+ z'Alp)
                                                                                                                                                                                                                                        		              Mag­nus Fur­rer (mf), Gross­höch­stet­ten
         Die Helligkeit, die ein einziges Fenster in den Raum wirft: Stau-        Auf dem Senntum G. hatte man ihn genommen, einige Som-                             kann, mehr als anderswo zu trinken (Einsamkeit / Wegfall von       		              Res von Gunten (rvg), Biel
         biges Wabern, das sich verliert, bevor es ankommt auf seiner          mer lang, als Alpgehilfe. Später war er selbständiger Hirte, mit                      sozialer Kontrolle, wenig Ablenkung, schlechtes Wetter), ist       		              Gi­or­gio Hös­li (gh), Mol­lis
                                                                                                                                                                                                                                        		              Eva Hulst (eh), Graenichen (+ z'Alp)
         Gestalt. Nur den strengen Scheitel berührt, den er sich kämmt,        50 Gusti, im Emmental. Das Bier organisierte er sich kistenwei-                       der Umgang mit Alkohol auf den Alpen weitherum wenig pro-          		              Martin Marti (mm), Erlenbach (+ z'Alp)
         rechtsüber, und schnurgerade.                                         se. Der Scheitel war wichtig, auch auf der Alp. Den Gusti war                         blematisch. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage bei drei          		              Andreas Niederhäuser (an), Basel (+ z'Alp)
                                                                                                                                                                                                                                        		              Ha­rald Sat­zer (hs), Bern und Kroatien
            Er war eins von 10 Kindern. Der Vater trank, die Mutter war        sein Charakter egal. Auch das Bier.                                                   landwirtschaftlichen Fachstellen (Fachstelle Alpwirtschaft,        		              Alice Vollenweider (av), Männedorf
                                                                                                                                                                                                                                        		              Anne Weber (aw), Muotathal (+ z'Alp)
         wenig gebildet und schwächlich. Man steckte den Buben schon              Und jeden Herbst dann dasselbe: Er tauchte unter. Stahl,                           Plantahof, Kant. Bauernschule Uri, Inforama Berner Ober-
                                                                                                                                                                                                                                        		              Prisca Würgler (pw), Amsteg (+ z'Alp)
         früh in ein Heim, da er verhaltensauffällig war. Er blieb auch dort   prellte Zechen, beging Hausfriedensbruch. Ihm sagte keiner                            land). Übereinstimmend erklären die befragten Personen,
         schwer zu erziehen. Die Behörde tat, was sie konnte. Doch der Bub     was. Auch im Knast nicht. Im Knast war er Melker. Im Sommer                           dass man wenig gravierende Probleme wegen Alkohol auf den           Kontakt Re­dak­ti­on zalp
                                                                                                                                                                                                                                        		 Vorderdorfstrasse 4, 8753 Mollis
         war nur willig, wenn er arbeiten konnte. Nahm dann die Fäuste         Alpknecht oder Hirte. Das war der Gang seiner Jahreszeit. Ironi-                      Alpen kenne. Für die Kontrolleure auf der Alp seien in erster      		 Tel. 055 622 39 22, Fax 055 622 39 23
         aus dem Sack, in die der Trotz sie ansonsten versorgte. Zum Bei-      scherweise sitzt er dieses Mal örtlich so hinter Gittern, dass der                    Linie das Wohl der Tiere, Hygienevorschriften und die Qualität     		mail@zalp.ch, www.zalp.ch

         spiel beim Schreiben. Schulisch sah man ihm einiges nach.             Blick aus den südlichen Fenstern der Anstalt auf den Berg fällt,                      des Käses wichtig. Interveniert würde nur dann, wenn man-
                                                                                                                                                                                                                                         In­se­ra­te    Magnus Furrer
            «Flausen im Kopf.» Der Amtsbericht hinkt ihm seit Jahren           wo er früher im Sommer Hirte war.                                                     gelnde Sorgfalt als Folge von Alkoholmissbrauch festgestellt       		              Sonnmattstrasse 26, 3506 Grosshöchstetten
         hinterher, akribisch. «Aufgeweckt, straffe Führung notwendig,            Ich bekäme Zustände, denke ich.                                                    werden müsste. Was offenbar kaum der Fall ist. Wenn doch,          		              Tel. 079 613 08 19
                                                                                                                                                                                                                                        		              In­se­ra­ten­prei­se auf An­fra­ge
         verbunden mit Natur und Tieren.»                                         Er sagt: Wenn mein Bein wieder in Ordnung ist, nächsten                            sei es in erster Linie Sache des zuständigen Alpmeisters, sein
            Es fand sich ein Lehrmeister, der Hans in Ausbildung nahm.         Sommer... Sein Blick steht noch immer am Fenster. Arthrose.                           Personal zur Ordnung zu rufen. Dass dies irgendwo zu grös-          Kon­to CH zalp, Magnus Furrer
         Fuhrmann sollte er werden, und Knecht. Als Rekrut war er recht,       Versorgen werde ihn keiner, da könne er schwören. – Auch du                           seren Problemen führe, ist bei keiner der Fachstellen bekannt.     		 3506 Grosshöchstetten
                                                                                                                                                                                                                                        		 PC 25-239558-6
         im Grossen und Ganzen. Zu mehr Vaterlandsehre reichte es              nicht –                                                                               Bekannt seien höchstens Einzelfälle.
                                                                                                                                                                                                                                        		 IBAN CH17 0900 0000 2523 9558 6
         nicht. Was er mitnahm vom Dienst: Derbe Zoten; den Alkohol.              – Ich nicht, Hans, sage ich, aber das Amt. Das Amt legt Un-                        Auf den ersten Blick tönt das beinahe nach heiler Welt. Auf        		 BIC POFICHBEXXX
         Frauengeschichten. Er sah gut aus zu der Zeit. Karisieren, wie er     terlagen vor ihn auf den Tisch. Ein Männerheim. Er hätte Einzel-                      den zweiten weiss jeder Älpler, dass die Flasche ihren Platz        Konto DE Volksbank Hochrhein
         es nannte – das musste ihn niemand lehren. Und den Umgang             zimmer. Der Eintrittstermin steht schon fest.                                         hat auf der Alp; nicht bloss fürs Einlegen von Alpenkräutern.      		 Konto 1070 827, BLZ 684 922 00
                                                                                                                                                                                                                                        		 IBAN DE 526 849 22 00000 1070 827
         mit Pferden auch nicht.                                                  – Jaja, sagt er. Und jetzt lacht er. Wird an frühere Austritte                     Sondern auch mal gegen den Koller, und nicht nur bei schlech-
                                                                                                                                                                                                                                        		 BIC GENODE61WT1
            Er trank nicht regelmässig, das nicht. Aber wenn er trank,         aus der Haft denken. Er hatte nicht nur Gusti gehütet, nicht nur                      tem Wetter. Die spezielle Situation auf der Alp kann den Miss-
         dann soff er. Schlief, wo er sich fand.                               Mist gekarrt auf der Alp. Er hatte sich auch deren Örtlichkeiten                      brauch von Alkohol durchaus verschärfen. Gut möglich, dass          Lay­out Büro für Gestaltung, Biel
                                                                                                                                                                                                                                        		 Res von Gunten, www.b-f-g.ch
            Ich setze mich ihm gegenüber.                                      gemerkt. Vor allem die Lage der umliegenden Chalets und Jä-                           Kenntnis von einschlägigen Folgen den Weg nicht immer bis
            – Man wird nicht wohl hier, sage ich.                              gerhütten. Da fand er dann reichlich Schnaps und Obdach vor                           in die Fachstellen im Tal findet, wohl aber hörbar Echo in vie-           Druck Späl­ti Druck AG, Gla­rus

            – Im Knast, sagt er grau. Die Hände gefaltet –                     den Wettern im Spätherbst, wenn alles leer stand. Brach ein, von                      len halbwahren Geschichten und Sagen und Mythen erhält.                  Poster Adrian Flückiger
            … arbeitsam, körperlich flott, charakterlich gefährdet. Ent-       Hütte zu Hütte. War fidel. Einmal fand ihn die Polizei halb er-                       Man kann aber davon ausgehen, dass Menschen mit gesund-
         mündigung per Volljährigkeit. Wird Kettenraucher, gerät in            froren. Im Suff. Drei Zehen verlor er dabei. Wurde älter. Bis nur                     heitsschädigendem Alkoholkonsum erst gar nicht auf die Alp
         Schulden. Landwirtschaftliches Lehrjahr mit Abschluss an der          noch sein Blick auf die Alp ging, durch alle Gitter, der aufmüp-                      gehen, oder von da schnell wieder weg sind, weil die Arbeit
         Alpschule in H.                                                       fige Geist.                                                                           der Sennen und Hirten physisch eine Konstitution erfordert,
            Der Aktenstapel wie Schnee, der sich türmt. Auf der Alp war           Den Körper verzehrten die Jahre.                                                   die sich mit übermässigem Alkoholkonsum nicht verträgt.
         er gut versorgt, dachte das Amt. Das Amt hoffte, der Alpsommer           Ein Wolke setzt sich über den Berg, draussen vorm Fenster.                         Dass zweitens die individuelle Gestaltung des Alltags auf der
         würde ewig dauern. Hans auch. Nicht wegen der Alp. Aber das              – Wir sehen uns, sage ich.                                                         Alp – vor allem auf Galtviehalpen – auch mal einen Absturz
         Amt konnte ihn mal.                                                      – Im Nebel, sagt er, war es am Schönsten. Sein Blick folgt der                     erlaubt, ohne dass damit gleich der ganze Betrieb gefährdet
            In den Akten bin ich sein dritter Vormund. In seinem Dafür-        Wolke, die über den Weiden seiner einstigen Alp hängt. Im Ne-                         wird. Oder, so hat Frode F., ein langjähriger, dem Alkohol nicht
         halten einer mehr, der gefälligst den Mund halten sollte. Bis ich     bel sah keiner, wohin er verschwand, wenn der Durst ihn wieder                        abgeneigter Älpler es freimütig formuliert: Der Alkohol ge­­

                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Foto: Marina Flückiger
         ihm einmal erklärte, dass ich selber Alphirte war. Da taute er        mal rief.                                                                             hört halt einfach dazu auf der Alp. Und er weiss durchaus,
         auf...                                                                   Im Männerheim versteckte er die Flasche im Kleiderschrank.                         was es erträgt: Er hirtet seit dreissig Jahren auf derselben
                                                                                                                                                    zalp 23 | 2012

            Ich lege Papiere aus.                                              Verschwand tageweise. Zwei Jahre später hat ihn der Tod geholt.                       Alp.
            – Du wirst bald entlassen, sage ich. Man muss sehen, wo du         Was er im Himmel hütet, weiss ich nicht. Hoffentlich gibts da
         hinkommst.                                                            zu trinken …

                                                                                                                                                                                                                                                                                                     14 | 15
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