BULLETIN - die Grünen Zug
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ALTERNATIVE KANTON ZUG BULLETIN NUMMER 2 | Juni 2007 * 4 Atomstrom – Ein AKW kommt selten allein * * 8 Nationalrat - Grosse Buben und grüne Feen * * 12 Globalisierung – Wir essen den Amazonas auf * * 14 Regieren mit Publikum – Es geht auch anders * * 16 Tangente Neufeld - Strassen statt Lebensqualität *
Nomination Zur Nomination vorgeschlagen sind: Nationalratswahlen MI, 4. Juli 2007 - 20:00 Liste Zug, Siehbachsaal, Chamerstr. 33 Alternative Kanton Zug Sponsoring-Event Nationalratswahlen SA, 8. Sept. 2007 - 16:00 Zug, am See beim Regierungsgebäude 2 Josef Lang Astrid Estermann Anna Lustenberger-Seitz Liste Inhaltsverzeichnis Junge Alternative 3 Editorial Wir schaffen es – wenn wir daran schaffen 4 Atomstrom Ein AKW kommt selten allein 7 Meinung Das 21. Jahrhundert wird grün 8 Nationalrat Grosse Buben und grüne Feen 11 Glencore Wer anderen eine Grube gräbt... 12 Globalisierung Andy Hürlimann Lea Zehnder Rupan Sivaganesan Wir essen den Amazonas auf 14 Regieren mit Publikum Es geht auch anders 16 Tangente Neufeld Strassen statt Lebensqualität «Mission statement» ■ Gleichwertigkeit von Geschlecht Das Bulletin des alternativen Zug und Rasse 18 Verkehrspolitik wird von folgenden Gruppen ge- ■ Verantwortung des Einzelnen ge- Volldampf beim öV im Kanton Zug tragen: Kritisches Forum Alter- genüber der Gesellschaft und Ver- native Cham, Frische Brise Al- antwortung der Gesellschaft gegen- 20 Grüne Kantonalparteien ternative Steinhausen, Gleis 3 über dem/der Einzelnen Grün wie ein Zigerstöggli Risch-Rotkreuz, Freie Wähler Menzingen, Forum Oberägeri, SGA Die Redaktion recherchiert zu poli- 22 Wandern Zug/Baar. tischen und gesellschaftlichen The- In der Kröntenhütte Das Bulletin setzt sich mittels seiner men nach bestem Wissen und Ge- Publikationen ein für die Förderung wissen. Sie nimmt aktuelle Themen 23 Serviceteil und den Erhalt von Lebensqualität der alternativen Gruppierungen aus Buch im Sinne von … den einzelnen Zuger Gemeinden Frontal auf. Das BULLETIN fördert das poli- Lesestoff ■ Soziale Gerechtigkeit, Schutz so- tische Bewusstsein der Bevölkerung Kino zial Benachteiligter und trägt zur Meinungsbildung bei. ■ Ökologische Nachhaltigkeit, Veranstaltungen Adressen Schutz von Lebensräumen und der Redaktion und Herausgeberverein Impressum Natur «Das Bulletin» BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Editorial Wir schaffen es – wenn wir daran schaffen Hanspeter Uster, Leiter Wahlkampagne Alternative Kanton Zug | Bild BULLETIN Im Kanton Zug gibt es vier etwa gleich starke politische Blöcke, die alle vier Jahren verlorenen Sitz unbe- 3 etwa 25 Prozent der Stimmen machen: vier Blöcke, doch nur 3 Zuger Natio- dingt und, wie ihre Vorkampagne nalratssitze. Diese Konstellation hat Auswirkungen … zeigt, mit viel Geld wieder zurück- holen. Ihre Spitzenkandidierenden Andrea Hodel, Bruno Pezzatti und Thomas Lötscher haben sich ganz prominent für einen Rentenabbau zu Lasten der PK-Versicherten einge- setzt. Das zeigt, was ein Zuger FDP- Sitz für Folgen im Nationalrat hätte, wo es in den nächsten Jahren immer wieder um die Sozialwerke gehen wird. Wir Alternativen müssen dafür kämpfen, dass die Sozialabbauer und Verbandsbeschwerderecht-Ab- schaffer in Bern keine zusätzliche Stimme bekommen. Wir Alternativen müssen präsent sein, aktiv auf die Menschen zu gehen und unsere Kandidierenden wie auch unsere Inhalte an die Frau Hanspeter Uster: «Jede Stimme zählt!». und an den Mann zu bringen, in allen Zuger Gemeinden. Gerade der direkte Kontakt mit den Wählerinnen und Wählern Die Linke macht den Sitz nur, wenn Die Alternative kommt mit Natio- macht Freude, wie der erfolgreiche die SP und die Alternative, die etwa nalrat Josef Lang, Astrid Estermann Sammeltag der Alternativen für gleich stark sind, eine Listenverbin- und Anna Lustenberger. Auf der Lis- die Klima-Initiative gezeigt hat. dung machen. Denn nur zusammen te «Junge Alternative»kandidieren Mit der Klima-Initiative haben wir erreichen sie die Stärke von SVP, Lea Zehnder, Andy Hürlimann und ein hervorragendes Instrument in FDP und CVP. Zweitens: Es gibt kei- Rupan Sivaganesan. Die Voraus- der Hand, den Menschen nicht ein ne sicheren Sitze; Verschiebungen setzungen sind also, namentlich mehr oder weniger sinnvolles Give- der Wählerstärke und ein oder zwei auch dank der Listenverbindung, away und einen Flyer in die Hand Prozentpunkte entscheiden darüber, gegeben, den linken Sitz wieder zu zu drücken, sondern mit ihnen ins wer den Sitz macht. Es kommt also machen. Damit besteht auch die Gespräch zu kommen und unsere auf jede Stimme an. Doch auch Chance, dass Josef Lang weiterhin grüne Politik konkret zu machen. gesamtschweizerisch ist die Wahl im Nationalrat seine profilierte und Ein weiteres Mittel für politische Ge- spannend: Nur wenige Sitzverschie- weit herum beachtete und geachtete spräche wird das Sammeln für die bungen zwischen Bürgerlichen und Politik für eine soziale, solidarische neu lancierte Initiative zum Schutz Linken können eine andere Konstel- und ökologische Schweiz machen gegen Waffengewalt sein; dass die lation schaffen, beispielsweise für kann. So ist sein von 18 der 20 Zen- Armeewaffe ins Zeughaus gehört die Bundesratswahlen. tralschweizer Nationalratsmitglie- und es endlich ein eidgenössisches dern und von sämtlichen Zürcher Waffenregister braucht. Die Linke tritt mit vier verschie- Ständeratskandidierenden, die im denen, untereinander verbundenen Nationalrat sind, unterzeichneter Die alternative Wahlkampagne ist Listen an: Die SP-Hauptliste mit Urs Vorstoss für den Zimmerberg-Tunnel vorbereitet: Und ich als deren Leiter Bertschi, Christina Bürgi und Martin ökologisch, verkehrs- und auch regi- bin überzeugt, dass wir es schaffen B. Lehmann sowie die Liste mit onalpolitisch von grossem Gewicht. – wenn wir gemeinsam und mit den jungen SP-Frauen mit Simone vollem Einsatz daran schaffen. ■ Hutter, Christina Huber und Dani- Aber der Sitz wird uns nicht in den elle Silberschmidt. Schoss fallen: Die FDP will ihren vor BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Atomstrom Ein AKW kommt selten allein Natalie Chiodi, Redaktorin BULLETIN | Bilder Adelina Odermatt und flickr.com 4 Die Atomenergie kann weder das Problem der globalen Erwärmung noch das Problem zukünftiger Energieengpässe lösen. Die Gewinnung von Uran aus der Erdkruste erfordert eine ganze Abfolge von verschiedenen Pro- zessen. Jeder dieser Prozesse erfordert Energie- und Materialzufuhr und braucht technische Vorrichtungen. Dabei werden auch beträchtliche Men- gen an CO2 ausgestossen, wie eine umfassende Studie von Jan Willem Storm und Philip Smith zeigt. Ein Atomkraftwerk kommt selten unveröffentlichten und darum allein: Ein grosser Komplex von in nicht überprüfbaren Daten. Über der Regel üblichen industriellen die Emission von anderen Treib- Prozessen ist nötig, um die Atom- hausgasen, insbesondere FCKW, energie aus dem Uran in der Erd- die ganz bestimmt auch vorkommt, kruste zu befreien und sie in eine sind keine Angaben verfügbar. Die nutzbare Form, in der Regel elek- Studie weist auch darauf hin, dass trische Energie, umzuwandeln. die offiziellen Institute, von denen Dieser Prozess kann in drei Teile die Behörden und die politischen Erneuerbare Energiequellen sind im zerlegt werden: Verantwortungsträger beraten Gegensatz zu fossilen Energiesyste- 1) Umwandlung des aus der Erdkrus- werden, wie zum Beispiel die In- men unerschöpflich. te gewonnenen Uranerzes in Brenn- ternationale Atomenergie-Agentur elemente für den Atomreaktor. (IAEA), die Nuklear-Energie-Agen- 2) Bau des eigentlichen Atomkraft- tur (NEA) und weitere ausdrück- bettet sind. Um das Potenzial der werks: Unterhalt und Betrieb des lich «Interessenvertretungen» und Atomenergie in Bezug auf Energie- AKW während seiner Betriebszeit. nicht zwangsläufig unabhängige versorgung und Klimabeeinflus- 3) Handhabung des radioaktiven Forschungsinstitute sind. sung beurteilen zu können, muss Abfalls, Ausserbetriebnahme und man die physikalisch-chemischen Rückbau des (radioaktiven) Atom- Urangewinnung Eigenschaften der uranhaltigen Vor- reaktors und «Endlagerung» des Uran findet man in der Natur in kommen genauer betrachten: Der Atommülls. Form von vielen chemischen Ver- Urangehalt von Gesteinen variiert Jeder dieser drei Teile umfasst di- bindungen (Mineralien), die in sehr stark. Die reichsten Erze enthal- verse industrielle Prozesse. Jeder unterschiedlichste Felsarten einge- ten etwa 20 Prozent Uran, das heisst Prozess benötigt elektrische Ener- 200 g Uran pro Kilogramm Gestein gie, fossile Treibstoffe, Materialien (200g U/kg). Im Moment ist der welt- und Chemikalien und stösst Koh- weite Mittelwert etwa 1 g U/kg. Die lendioxid (CO2) aus. Der Atomre- Schweizerische Energiestiftung schwächsten noch ausgebeuteten aktor selber ist tatsächlich das ein- Die SES engagiert sich seit bald Erze enthalten bloss 0,1 g U/kg. Je zige Glied in der Prozesskette, das 30 Jahren für den Ausstieg aus höher der Gehalt eines Vorkommens, kein Kohlendioxid freisetzt. der verantwortungslosen Atom- umso seltener ist das Vorkommen; energie und für eine nachhaltige das ist ein bekanntes Phänomen Emissionswerte Energiepolitik. Sie setzt sich ein bei Mineralien in der Erdkruste. Je Eine umfassende Studie hat die für eine sparsame Verwendung geringer der Urangehalt des Erzes, CO2-Emissionen des Nuklear-Sys- von Energie, die Förderung und umso grösser sind die (technischen, tems untersucht und dabei her- Nutzung erneuerbarer Ener- materiellen und energetischen) Auf- ausgefunden, dass ein heutiges giequellen und eine dezentrale wendungen für dessen Gewinnung. Nuklear-System etwa 90-140 g Energieversorgung. Sie richtet Um 1 kg Uran aus einem Erz mit CO2-Emissionen pro Kilowattstun- ihre Hauptkampagne gegen die einem Gehalt von 1 Prozent zu ge- de verursacht. Dagegen zitieren gedankenlose Verschwendung winnen, müssen 100 kg Gestein ver- die offiziellen Nuklear-Institute fossiler Energieträger, dabei liegt arbeitet werden. Wenn der Gehalt einen viel tieferen Emissionswert ihr Fokus auf dem Erdöl. Wei- zehnmal kleiner ist, müssen für 1 kg pro Kilowattstunde: 3-40 g (inklu- tere Informationen fi nden sie Uran bereits 1000 kg Erz verarbeitet sive andere Treibhausgase). Diese unter: www.energiestiftung.ch werden. Damit wird auch der Ener- Angaben beruhen allerdings auf gieaufwand pro Kilogramm Uran BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
5 Hochspannend: Wenn das gegenwärtig jährlich konsumierte Erdöl durch Kernkraft ersetzt würde, wären bei gleich blei- bender Nachfrage die Uranvorräte in ungefähr 10 Jahren aufgebraucht. zehnmal grösser. Das Herauslösen gross wie der Energiegewinn. Sinkende Vorräte von Uran aus dem Wirtsgestein ist Sinkt der durchschnittliche Ge- In den beiden Szenarien, die in ein komplizierter chemischer Pro- halt unter 0,2 g Uranium pro Kilo der Studie beschrieben sind, geht zess. Der Aufwand an Energie und Uranerz, dann liefert das Nuklear- man davon aus, dass die Uranerze Chemikalien hängt in erster Linie system netto keine Energie. Dieser mit der besten Qualität als erste von der Anreicherung des Erzes, Zusammenhang zwischen Net- abgebaut werden, weil das für die in zweiter Linie aber auch von den to-Energieproduktion und Gehalt Bergbaugesellschaften den gröss- geochemischen Eigenschaften des des Uranerzes ergibt die «Ener- ten Gewinn abwirft. Als Folge da- Felsmaterials ab. Zudem wird die gieklippe». Die potenzielle Grösse von sinkt der durchschnittliche Extraktion umso schwieriger, je ge- und Lebensdauer des weltweiten Urangehalt der verbleibenden ringer der Urangehalt des Erzes ist. Parks an Atomkraftwerken ist be- Uranerz-Vorräte im Lauf der Zeit. Schwieriger bedeutet wiederum grenzt durch die Verfügbarkeit von Diese Feststellung hat schwerwie- mehr Energie und mehr Chemikali- Uranvorräten mit «Netto-Energie- gende Konsequenzen im Hinblick en pro Kilogramm Uran. gehalt». Die Untersuchungen ha- auf die Emissionsrate von CO2 und ben gezeigt, dass die grössten be- die Netto-Energieproduktion der Energieklippe kannten Vorkommen am nächsten Atomkraft in der Zukunft. Erze mit Die Energie, die gebraucht wird, zur «Energieklippe» liegen. Nicht geringerem Urangehalt erfordern um das Uran aus dem Gestein zu die Menge an Uran in der Erdkrus- bei der Ausbeutung mehr Ener- isolieren, wächst mit sinkendem te bestimmt das globale Potenzial gieeinsatz. Deshalb wird pro Kilo- Urangehalt des Wirtsgesteins. Ab an spaltbarem Material, sondern gramm Uran mehr CO2 freigesetzt. einem bestimmten Minimalge- die Qualität der Vorkommen, aus Während der mittlere Urangehalt halt ist der Energieaufwand gleich denen das Uran gewonnen wird. der Erze im Lauf der Zeit sinkt, BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
6 steigt die CO2-Produktion pro Ki- Strom-Parasiten eine Standby-Leistung von 125 logramm Uran. In etwa 45 bis 70 KonsumentInnen werden für Watt. Das ergibt einen jährlichen Jahren (je nach Szenario) ist der dumm verkauft, denn bestimmte Stromverbrauch von knapp 900 Ki- CO2-Ausstoss der Atomkraftwerke Geräte fressen auch Strom, wenn lowattstunden oder Stromkosten grösser als jener der gasbefeuerten sie per Schalter abgeschaltet wer- von rund 180 Franken. Der Standby- Kraftwerke. den. Stromverbrauch für diesen Verbrauch macht damit etwa 25% Unsinn: 150 Millionen Kilowatt- des Haushaltstromverbrauchs aus. Nachhaltige Entwicklung wird stunden für 30 Mio. Franken! Am Energieeffizienz fängt zu Hause an: verzögert Schlimmsten sind HiFi-Anlagen, Sparlampen brauchen für das glei- Die Finanzstruktur der Atomindus- Computer und Drucker. Dieser che Licht 80% weniger Strom als trie und damit der Atomenergie ist Leerlauf lässt sich einfach ver- Glühbirnen oder Halogenglühlam- sehr undurchsichtig, weil nur ein meiden: Elektrische Geräte müs- pen. Ihre Lebensdauer ist fünf- bis Teil der wahren Kosten wirklich sen mit einem Aus-Schalter vom zehnmal höher. Im Durchschnitt veröffentlicht wird. Daher kennen Strom getrennt werden können. spart eine Sparlampe im Verlauf nur wenige Leute die tatsächlichen Geräte, die diese Bedingungen ihrer Lebensdauer 100 Franken Kosten der Atomenergie: also die nicht erfüllen, müssen nach einer Stromkosten ein. Kaffeemaschinen Kosten, die die Gemeinschaft ins- Übergangsfrist vom Markt ver- mit Abschaltautomatik brauchen gesamt zu bezahlen hat. Die «Lang- schwinden. Ferner muss die Stand- 50% weniger Strom als Kaffeema- zeitlagerung» des Atommülls, die by-Leistung von elektrischen schinen, die zum Warmhalten stän- Ausserbetriebnahme und der Rück- Gerten per Vorschrift auf maxi- dig im Standby-Betrieb sind. Die bau der Reaktoren (um nur einige mal 1 Watt beschränkt werden. technischen Möglichkeiten wären Beispiele zu nennen) werden bei den also vorhanden. Doch bisher fehlt publizierten Kosten des Atomstroms der politische Wille, diese mit Vor- nicht oder ungenügend in die Rech- schriften und Anreizen zum Stan- nung einbezogen. dard zu machen. ■ Lässt man sich auf ein neues Atom- ken. Multifunktionale Bürogeräte programm ein, so bezahlt man dies und Drucker brauchen je nach- mit Investitionen in der Grössen- dem 60 bis 90 Prozent des Jahres- ordnung von einigen zehn Milliar- stromverbrauchs im Standby-Leer- den Euro und hat mindestens wäh- lauf. Auf bis zu fünf Prozent des rend der nächsten hundert Jahre schweizerischen Stromverbrauchs hohe finanzielle Verpflichtungen. schätzen Experten den Standby- Ist ein neues Atomprogramm ein- Verbrauch von elektrischen Gerä- Quellen: «Atomstrom ist keine Lö- mal gestartet, so ist es sehr schwer ten. Das entspricht 2‘800‘000‘000 sung für Klimaprobleme und Ener- wieder zu stoppen. Die Atomenergie Kilowattstunden (kWh) oder der gieknappheit» von Jan Willem Storm absorbiert einen unverhältnismäs- Jahresstromproduktion des Atom- van Leeuwen, Magister der (Natur-) sig grossen Anteil der verfügbaren kraftwerks Mühleberg. Würde Wissenschaften, Physikalische Che- Forschungs- und Fördergelder. Da- man zudem konsequent nur die mie, Technische Universität Eindho- mit zögert sie die Entwicklung von sparsamsten und besten Technolo- ven. Storm van Leeuwen ist ferner nachhaltigen Energieoptionen noch gien einsetzen, könnte man sechs Sekretär der holländischen Vereini- weiter hinaus. Eine solche Verzöge- Atomkraftwerke in der Grösse von gung des Club of Rome. Die zitierte rung können wir uns schlicht nicht Mühleberg einsparen. Die Energie- Studie ist unter www.stormsmith.nl leisten. stadt Zürich sagt dieser Stromver- einsehbar. Der genannte Artikel er- schwendung nun mit strengen Be- schien zuerst in Energie & Umwelt, Sparen hilft schaffungsrichtlinien den Kampf dem Magazin der Schweizerischen Wichtig wäre es auch, die vorhan- an. Denn am billigsten ist die Ener- Energie-Stiftung SES Nr. 4/2006. dene Energie effizient zu nutzen. gie, die man gar nicht braucht. «EnergieEffizienz – Mehr Gewinn und In der Schweiz gehen jedes Jahr 40 Komfort für alle». Diese Informations- Prozent der eingesetzten Energie Standby-Leerlauf broschüre wurde von der SES verfasst ungenutzt verloren. Dieser Energie- In einem typischen Vier-Personen- und publiziert. Sie befasst sich haupt- verlust kostet die KonsumentInnen Haushalt beanspruchen Büro- und sächlich mit der Problematik der sowie die Schweizer Wirtschaft Haushaltgeräte, Geräte der Unter- Stromfresser und Standby-Leerläufen jährlich rund 10 Milliarden Fran- haltungselektronik sowie Lampen und wie diese zu vermeiden wären. BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Meinung Das 21. Jahrhundert wird grün Grünspecht - ein kritischer Vogel Die Erwärmung der Erde und ihre Folgen für Mensch und Umwelt sind das – es geht um das Überleben auf der 7 dominierende Thema der nächsten Jahrzehnte. Die Grünen weisen in diesen Erde. Die rasante Erwärmung des Fragen die höchste Kompetenz und Glaubwürdigkeit auf. Das 21. Jahrhun- Klimas ist nur ein Aspekt des The- dert wird zum Jahrhundert der Grünen. mas; die Bedrohung von Tier und Pflanzen, der verschwenderische Umgang mit den Ressourcen, die digkeit des Überlebens auf dem drohende Wasserknappheit in ver- Raumschiff Erde. schiedensten Regionen der Welt, die Übernutzung der Erde stellen ganz 19. Jahrhundert und Liberalismus neue Herausforderungen dar. Die Mit der Aufklärung und der fran- weltweite Migration und der immer zösischen Revolution hatte zu Be- aggressiver werdende Kampf (Krieg) ginn des 19. Jahrhunderts der poli- um Ressourcen sind weitere zentra- tische Aufstieg des Bürgertums in le Aspekte in der Überlebensfrage. Europa begonnen. In der Schweiz Die Grünen sind die Partei, welche erfolgte 1848 mit der Gründung Nachhaltigkeit und Gewaltlosigkeit des Bundesstaates der endgültige konsequent ins Zentrum ihres poli- Durchbruch. Der Liberalismus er- tischen Handelns stellt. lebte im 19. Jahrhundert seinen Höhepunkt: Die Freiheit war die Trifft nicht für alle zu zentrale politische und ökono- Es versteht sich, die obige Ein- mische Forderung. Die Befreiung teilung der Jahrhunderte ist et- Der Autor «Grünspecht» ist des Bürgers und (später auch) der was grobschlächtig. Und sie trifft ein kritischer Vogel. Bürgerin löste eine wirtschaftliche nicht auf alle Länder und Konti- Revolution aus. Die Massenproduk- nente gleichermassen zu. In vielen tion ersetzte die Selbstversorgung, Staaten Afrikas, Asiens und Latein- Das 21. Jahrhundert wird grün: welche über Jahrhunderte die Welt amerikas verdichten sich die «drei Diese These mag vermessen er- geprägt hatte. Jahrhunderte» innert kurzer Zeit. scheinen. Eine langfristige Be- Der Wunsch nach Freiheit nach trachtung der politischen Ent- 20. Jahrhundert und Sozialismus der kolonialen Unterdrückung, das wicklung zeigt indes Folgendes: Mit der rasanten wirtschaftlichen Bedürfnis nach einem menschen- die dominierende Frage und die Entwicklung kam der Liberalis- würdigen Leben und einem Exis- wichtigste Sorge einerseits sowie mus an seine Grenzen; er blende- tenz sichernden Einkommen und die politische Antwort und die te zu oft die sozialen Fragen der die Notwendigkeit des Überlebens Stärke von Ideen und Parteien Verteilung des Wohlstandes und angesichts der ungebremsten Aus- andererseits gehören eng zusam- der Gerechtigkeit aus. Der Aufstieg beutung der Natur fallen in diesen men. Das gilt kurzfristig bezogen der Sozialdemokratie, die Revolu- Ländern zusammen. auf Wahlen – wer die richtigen tionen in Russland und anderswo Themen besetzt, der legt zu. Das – sie alle hatten ihren Ursprung Die Welt ist ein Dorf gilt aber auch langfristig, wie der in der sozialen Frage. Nach dem 2. Und hier in der Schweiz: Der Blick in die Geschichte zeigt. Weltkrieg fand die westliche Welt Mensch des 21. Jahrhunderts will dann die Antwort in der sozialen frei und kreativ sein – er fühlt sich Vom Liberalismus zur Ökologie Marktwirtschaft. Möglichst alle solidarisch, weil er weiss, dass die Konkret: Das 19. Jahrhundert war Menschen sollen am geschaffenen Welt immer mehr zum Dorf zusam- geprägt vom Liberalismus, von der Reichtum Anteil haben. Der Staat menrückt – und er engagiert sich Idee der Freiheit, vom Kampf um trägt mit seinen Sozialwerken zur für das langfristige Überleben auf die Bürgerrechte. Das 20. Jahrhun- gerechteren Verteilung bei. diesem Planeten. Weil er aus der dert war geprägt vom Sozialismus, Geschichte gelernt hat: So wie die von der Frage nach dem Ausgleich 21. Jahrhundert und Ökologie Natur ohne Dinosaurer weiter exis- der Interessen und von der Idee des Jetzt im neuen Jahrhundert steht tiert, so könnte die Natur auch ohne Wohlfahrtsstaates für alle. Und das nach der Freiheit im 19. und der so- den Menschen auskommen. Umge- 21. Jahrhundert wird geprägt sein zialen Gerechtigkeit im 20. Jahrhun- kehrt aber nicht – der Mensch kann von der Ökologie, von der Notwen- dert eine ganz neue Frage im Fokus ohne Natur nicht überleben. ■ BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Nationalrat Grosse Buben und grüne Feen Josef Lang, Nationalrat Alternative, Zug | Bilder AöV und flickr.com 8 Die ersten zwei Wochen der Sommersession setzte ich mich in Voten und heit diesmal durchkam, kann ich Vorstössen ein für eine liberale Einbürgerungspraxis, für ein soziales heute noch nicht begreifen. In der Boden- und Pachtrecht, für den Zimmerberg-Basistunnel, gegen die Mili- Fragestunde distanzierte sich Bun- tarisierung der Aussen- wie der Innenpolitik sowie gegen den Export von desrat Schmid in der Beantwortung Rüstungsgütern. einer Frage der grünen Fraktions- chefin Therese Frösch von der an einem offiziellen Anlass gemach- ten Aussage Divisionär Hofmeis- Der erste Tag der Session begann kleinen rechten Minderheit unter- ters, Leute wie «Nationalrat Lang», mit einer Vorsitzung über die ver- stützt wird. Auf besonderes Unver- welche die Ordonnanzwaffe ins schiedenen Bahntunnelprojekte, ständnis stösst das Festhalten an ei- Zeughaus verbannen wollen, seien die der Bundesrat auf die Zeit nach ner Obergrenze, obwohl sowohl die «linke Wühlmäuse». Schriftlich 2030 verschieben will. Die Zentral- NFA-Kommission als auch die Ver- beantwortet wurde meine Frage schweiz war an der Sitzung, an der waltung eine Überprüfung der Sor- bezüglich Waffenexporte nach Sau- etwa 30 NationalrätInnen teilnah- gen der Mehrheit der Zuger Regie- diarabien. Offensichtlich sind dem men, durch den Luzerner Louis rung verbindlich zugesagt haben. Bundesrat die Menschenrechte we- Schelbert und mich vertreten. Der Am Nachmittag wehrte ich mich niger wichtig als das Geschäft und Sessionstag selber stand für mich gemeinsam mit dem Basler Sozial- die Beziehungen zu den USA und im Zeichen der im April während demokraten Ruedi Rechsteiner ge- ihren Verbündeten. meines Indienaufenthalts verstor- gen Rüstungsvorhaben wie das 278 Am Dienstag sammelte ich Unter- benen Einsiedler Sozialdemokratin Millionen teure FIS-Heer, das der schriften für die Zimmerberg-Inter- Josy Gyr. Ich hatte ihr Grab und das Armee vor allem in der inneren Si- pellation. Am Mittwoch arbeitete ihrer beiden früh verstorbenen Kin- cherheit dient. Weiter kämpfte ich ich an einer Motion zum Abbruch der während der Zuger Landeswall- gegen die Verdoppelung der Kapa- des schweizerischen Nato-Abenteu- fahrt gemeinsam mit ihrem Mann zität von Auslandeinsätzen, unter ers in Afghanistan. Am Nachmittag besucht. Für Meinrad Gyr, mit anderen weil diese uns immer mehr reiste die Fraktion in den Neuen- dem ich mich im Bundeshaus-Café ins Schlepptau des US-geführten burger Jura, wo ich als höflicher traf, war die Vereidigung von Josys «war on terror» führen. Mit einem Gast keine der «Grünen Feen» ab- Nachfolger Andy Tschümperlin ein Ordnungsantrag hatte ich durchge- wies, die mir angeboten wurden. besonders bewegender Augenblick. bracht, dass es über die Ausland- Am Donnerstag war ich froh, dass einsätze überhaupt eine echte De- ich kein Votum zu halten hatte. Formel-1-Lausbubenstreich batte gab. Am zweiten Sessionstag entpuppte Der Donnerstag stand ausserhalb Bauern und Pächter vor dem sich die Mehrheit der bürgerlichen des Saales im Zeichen der Swissair- Kapital schützen Politiker als grosse Buben, die un- Freisprüche, innerhalb desselben Gemeinsam mit jenen Bauernvertre- ter Führung ihres Pfadiführers Ul- in dem der Einbürgerungs-Initiati- tern, die dem eigenen Beruf und den rich Giezendanner die dümmsten ve der SVP. In meinem Votum wies Pächtern näher stehen als den Bo- Streiche spielen. Die angesichts der ich darauf hin, dass eine Demo- den- und Kapitalbesitzern, kämpfte Klimaerwärmung und des Land- kratie auf zwei Beinen steht – auf die Linke erfolgreich für Massnah- schaftsschutzes völlig abwegige einem demokratischen und einem men gegen Überschuldung und für Wiederzulassung von Formel-1- liberalen. Pachtzinskontrolle. Zum Glück er- Autorennen wurde von 97 Bür- folglos versuchte der Bundesrat, das gerlichen, unter ihnen die beiden «Linke Wühlmaus» und «Grüne Fee» Boden- und das Pachtrecht zu «li- rechtsbürgerlichen Zuger, unter- Am ersten Tag der zweiten Sessi- beralisieren». Dies hätte bedeutet, stützt. onswoche ergriff ich das Wort in dass der landwirtschaftliche Boden Am Mittwoch ging es am Vormit- der Agrardebatte (siehe folgende der Spekulation und die Pächter tag vor allem um den Neuen Fi- Seite!) und in der Armeediskussion. den Zinssteigerungen ausgeliefert nanzausgleich (NFA). Die Abstim- Bei der so genannten Armeereform worden wären. Gerade im Kanton mungen zeigten, dass die offizielle ging es um die genau gleiche Vor- Zug mit seinen explodierenden Bo- Zuger Position, welche die Aus- lage wie die in Flims von allen SP- denpreisen und der Landknappheit gleichwirkung des NFA auf Kosten KollegInnen und von der Mehrheit wäre der Druck auf die Bauern- und der ärmeren Kantone schwächen der SVP abgelehnten. Warum die Pächterfamilien noch massiver ge- will, im Nationalrat nur von einer Militarisierung der inneren Sicher- worden. In den folgenden beiden BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Analyse zu leicht, wenn die Ver- liche Gewerbe und Grundstücke 9 antwortung an die Qualität der Be- weiterführen will. (…) Die Aufgabe triebsführung abgeschoben wird. der Pachtzinskontrolle begünstigt Die kompetenteste Stellungnahme die Landpacht durch jene, die Mittel zur Frage der Belehnungsgrenze für den Zins aufwenden, die nicht haben in der Vernehmlassung die aus der Produktion finanziert sind, Leiter der kantonalen Agrarkredit- oder jene, die leichtsinnigerwei- kassen abgegeben. Sie sind täglich se oder gezwungenermassen ihre mit dem Entscheid darüber kon- Eigenkapitalbasis aufzehren. Das frontiert, ob eine Investition finan- Kostenargument lässt sich ebenso ziell tragbar ist. Sie spüren in den für die Rechtfertigung der Pacht- Verhandlungen mit den Bauern- zinskontrolle hinzuziehen. Die familien den Entwicklungsdruck, Öffentlichkeit steckt Milliarden in der zu riskanten Finanzierungen die Erhaltung der Landwirtschaft. verleitet. Das Eintreten dieser Da darf der Bund nicht am neur- Fachleute für die Beibehaltung algischen Punkt die Schleuse für der Belehnungsgrenze für Land- den Abfluss von Geldmitteln aus wirtschaftsbetriebe ist das stärks- der Landwirtschaft öffnen. 50 Pro- te Argument. Dass Bundesrat und zent der Landwirtschaftsflächen Abschnitten bringe ich Auszüge Bundesamt für Landwirtschaft di- sind bekanntlich Pachtland. Ist es aus meinen beiden Voten vom 11. ese warnende Stimme überhören, zumutbar, wenn die Bürgerinnen Juni zur Verteidigung der Bauern- ist unbegreiflich. Gemäss Schät- und Bürger weiterhin Milliarden und Pächterfamilien gegenüber zungen des Bauernverbandes wür- in eine Landwirtschaft zahlen, aus dem Druck der Kapitalbesitzenden. de eine Aufhebung der Belastungs- der eine Milliarde an Pachtzinsen Die erste Abstimmung über die Bei- grenze zu ruinösen Mehrkosten abfliesst?» behaltung einer Belehnungsgrenze von 40 bis 80 Millionen Franken als Massnahme gegen Überschul- für Fremdkapitalzinsen führen. Vorstoss für Zimmerberg dung gewann das Bündnis von Bau- Die Investitionen der Landwirt- Abgesehen von zwei Ausnahmen ern und Linken, der sich im Unter- schaft werden zu einem erheblichen haben alle Zentralschweizer und schied zum Ständerat die Mehrheit Teil über zinslose und zinsgünstige zusätzlich jene sechs Zürcher Nati- der CVP und der SVP anschloss, Darlehen finanziert. Darin stecken onalrätinnen und Nationalräte, die mit 128 zu 39 Stimmen. Die zweite hunderte von Millionen Franken, für den Ständerat kandidieren, mei- Abstimmung über die Beibehaltung welche der Bund über die letzten ne Interpellation zum Zimmerberg der Pachtzinskontrolle gewannen zwanzig, dreissig Jahre in diese Basistunnel unterzeichnet. Damit wir mit 121 zu 33 Stimmen, obwohl kantonalen Fonds de roulement ist es mir gelungen, alle politischen die Kommissionsmehrheit noch der eingeschossen hat. Nötig sind die- Kräfte der Zentralschweiz und des bauern- und pächterfeindlichen se öffentlichen Kreditmittel, weil Kantons Zürich hinter diesem An- FDP gefolgt war. die Finanzierung durch Eigenmit- liegen zu vereinen. tel und Bankkredite wegen der Er- Massnahmen gegen Überschuldung tragslage der Landwirtschaft nicht Sowohl als auch Hier mein Votum zur Pachtzins- sichergestellt ist. Die Belehnungs- Beim Entscheid, die Zürcher kontrolle: «Im jährlichen Agrarbe- grenze ist die Gegenversicherung, StänderatskandidatInnen Chantal richt des Bundesamtes für Land- damit die öffentlichen Gelder, die Galladé (SP), Kathi Riklin (CVP), wirtschaft wird die finanzielle man durchaus als Risikokapital be- Ruedi Aeschbacher (EVP), Fe- Lage der Landwirtschaftsbetriebe zeichnen kann, zum Gedeihen und lix Gutzwiler (FDP), Ueli Maurer rapportiert. Eine Mehrheit der Be- nicht zum Ruin der Landwirtschaft (SVP) und Daniel Vischer (Grüne) triebe zehrt am Eigenkapital und/ beitragen. zu fragen, machte ich mir folgende oder hat einen ungenügenden Ei- Überlegung: Wenn es gelingt, den genkapitalsanteil. Landkäufe gehö- Beibehalten der Pachtzinskontrolle Zimmerberg und allgemein den ren zu den Ursachen, die eine Bau- Die Grüne Fraktion unterstützt öffentlichen Verkehr zu einem ernfamilie in einen finanziellen die Position der Minderheit Walter Thema im Zürcher Ständerats- Engpass treiben. Das Bundesamt Hansjörg, die die bisherige Pacht- wahlkampf zu machen, dann er- für Landwirtschaft macht sich die zinskontrolle für landwirtschaft- halten diese Themen nationale Be- BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
10 deutung, weil sich der Wahlherbst stark um den Zürcher Stände- ratswahlkampf drehen wird. Der Bundesrat muss die Interpellation noch vor der Septembersession, also spätestens einen Monat vor den Wahlen beantworten. Nachdem ich die Interpellation mit den 24 Unterschriften am Dienstag, den 12. Juni, eingereicht hatte, lan- cierte die SVP am Freitag über die Neue Luzerner Zeitung die Idee, den Ceneri-Tunnel zugunsten des Zimmerbergs zurück zu stellen. Diese Entweder-oder-Haltung ist aus zwei Gründen falsch. Erstens braucht es neben dem Zimmerberg nach Thalwil (Chur) nach Zug (Gotthard/Luzern) auch den Ceneri-Tunnel im Süden und den Wisenberg-Tunnel durch den Jura, damit die NEAT wirk- lich funktioniert. Und zweitens hat Anlässlich des Baus der ersten Etappe des Zimmerbergtunnels zwischen Zürich der Zimmerberg politisch nur eine und Thalwil wurden bereits Millionen von Franken in ein unterirdisches Ver- Chance, wenn es gelingt, einen zweigungsbauwerk bei Thalwil «verlocht». Trotzdem schlägt der Bundesrat in Grossteil der Ceneri-Befürworter seinem ZEB-Vernehmlassungsentwurf den Verzicht auf den Zimmerberg Basistun- zu gewinnen. Nur das Sowohl-als- nel vor. auch bringt uns weiter. ■ Fragen und Begründung der Inter- Verzichtes auf den Zimmerberg Die Strecke Zürich-Zug-Luzern hat pellation Lang zum Zimmerberg Basistunnel auf den nationalen das drittgrösste Volumen an Per- In der gegenwärtig laufenden Ver- und internationalen Fernverkehr sonenfahrten (25‘900 Pf/Tag) im nehmlassung zur Gesamtschau zwischen der Schweiz, dem Tessin schweizerischen Fernverkehr, noch FinöV schlägt der Bundesrat den und Italien? vor der Strecke Zürich-Bern! Wäh- Verzicht auf den Zimmerberg Ba- 4. Wie viel Geld wurde anlässlich rend den Spitzenzeiten ist heute sistunnel zwischen Thalwil und des Baus der ersten Etappe des schon der Bedarf nach einem Vier- Baar-Litti vor. Da dieser Vorschlag Zimmerbergtunnels zwischen Zü- telstundentakt ausgewiesen. im Widerspruch zu zwei Volksent- rich und Thalwil in das unterir- Die Verbindung Zürich-Zug-Luzern scheiden und zur Bedeutung der dische Verzweigungsbauwerk bei ist ein Rückgrat zur Bewältigung betroffenen Strecke steht, ersuchen Thalwil investiert und wozu dient der Verkehrsnachfrage in einer aus- wir den Bundesrat um die Beant- diese Investition? serordentlich dynamischen Wachs- wortung der folgenden Fragen: Das Schweizer Volk hat in zwei tumsregion. Die öV-Nachfrage wird 1. Wie begründet der Bundesrat die Volksabstimmungen mit sehr in den nächsten Jahrzehnten auf Nichtbeachtung des Volkswillens deutlichen Mehrheiten (jeweils dieser Strecke ohne jeden Zweifel durch den Verzicht auf den Zim- über 60%) Ja gesagt zu Vorlagen, massiv wachsen. merberg Basistunnel? in denen der Zimmerberg Basis- Im internationalen Nord-Süd-Fern- 2. Wie gedenkt der Bundesrat das tunnel explizit aufgeführt wird: verkehr stellen der einspurige Al- mit Sicherheit zu erwartende starke am 27.9.1992 mit der NEAT-Ab- bis- und Hirzeltunnel ein Nadelöhr Wachstum der Verkehrsnachfrage stimmung und am 29.11.1998 mit dar. Dies auf einer Linie, welche auf der Strecke Zürich-Zug-Luzern der Abstimmung über den FinöV- Bestandteil einer wichtigen Zu- bis zum Jahre 2030 ohne Zimmer- Fonds. Im Alptransit Beschluss bringerstrecke zur NEAT ist. Sie berg Basistunnel sicher zu stellen? wird gemäss Art 5bis8 der Zimmer- liegt auf der Achse der beiden me- 3. Wie beurteilt der Bundesrat die berg bei den finanzierten NEAT-In- tropolitanen Grossräume Zürich Auswirkungen eines langfristigen vestitionen aufgeführt. und Mailand. BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Glencore Wer anderen eine Grube gräbt … Lisa Huber, Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien | Bild Internet Die Zinnhütte Vinto, welche sich bis zur Nationalisierung durch den boli- 11 vianischen Präsidenten, Evo Morales, im Februar dieses Jahres im Besitz des in Zug ansässigen Rohstoffkonzerns Glencore befand, hat eine rege Geschichte von Besitzerwechseln hinter sich, die sich vor allem durch ihren Mangel an Transparenz auszeichnet. Um die Gründe für die Verstaatli- aber auch COMSUR in Schwierig- chung von Vinto vollumfänglich keiten und verkaufte im Jahr 2005 zu erfassen, müssen wir im Jahr ihre Aktien mitsamt der Zinnhüt- 1999 beginnen. Damals wurde te Vinto an Glencore. Gleichzeitig Die verstaatlichte Zinnhütte Vinto der Metallkomplex, welchem die wurde eine Namensänderung von in Bolivien. Zinnhütte Vinto angehörte, noch COMSUR in SINCHI WAYRA ver- Eigentum der staatlichen Minen- anlasst. firma COMIBOL. Laut Regierung hatte der Komplex, alle von der Illegale Transaktionen laut Morales auch die Zinnhütte Regierung getätigten Investitionen Unregelmässigkeiten und ein Vinto, da der Verkauf an Glencore mit eingerechnet, zu der Zeit einen grundsätzlicher Mangel an Trans- seinerzeit illegal gewesen sei. Wert von rund 140 Millionen US- parenz bei den getätigten Transak- Dollar. Der Buchwert der Zinnhüt- tionen von Allied Deals, COMSUR Geschäfte nur vorgetäuscht te betrug 95 Millionen US-Dollar. und Glencore führt Morales als Der Ex-Präsident, die Konfiska- Eine unabhängige Beratungsge- Rechtfertigung für die Verstaatli- tion seiner Güter in Bolivien ah- sellschaft schätzte den Wert des chung an. Bei seinen öffentlichen nend, habe laut der Regierung den Betriebes auf 47 Millionen US-Dol- Ausführungen kam er zudem im- Verkauf seiner COMSUR-Aktien lar. Da die damalige bolivianische mer wieder auf zwei Beweggrün- an Glencore nämlich nur vorge- Regierung diesen Wert jedoch als de zurück: 1967 wurde eine neue täuscht. Morales begründet diese sehr hoch empfand, liess sie den Verfassung verabschiedet, die den Aussage einerseits damit, dass bis Komplex abermals schätzen. Dies- Verkauf von Minen und Bergbau- heute kein Kaufvertrag vorliegt, mal wurde die Schätzung von der aktivitäten an Private verbot. Da der diese Transaktion bestätigen Bank Paribas ausgeführt, welche der einst staatliche Komplex ge- würde. Zudem habe Glencore nach nunmehr auf einen Wert von 10 mäss Verfassung gar nie zum Ver- eigenen Aussagen 90 Millionen Mio. US-Dollar kam. Nun schrieb kauf hätte ausgeschrieben werden US-Dollar für die Aktien von Vin- die damalige Regierung den Me- dürfen, sind gemäss Morales alle to bezahlt, obwohl die anfängliche tallkomplex zum Verkauf aus. getätigten Transaktionen illegal. Zuteilung bei 14 Millionen US-Dol- Der zweite Beweggrund gründet in lar lag. Von der Unrechtmässigkeit In den Besitz von Glencore den Umständen, welche zur Zeit der verschiedenen Geschäfte seit Lediglich zwei Bewerber nahmen des Verkaufs des Metallkomplexes der Privatisierung der Zinnhütte an der Ausschreibung teil. Einer von Goni an Glencore in Bolivien ausgehend, folgert Morales also, davon der Ex-Präsident Gonzalo herrschte. Der Ex-Präsident befand dass Glencore ein unrechtmässiger Sánchez de Lozada (auch «Goni» sich nämlich zu jener Zeit seit zwei Transfer angeboten und Bolivien genannt), der Eigentümer der Mi- Jahren im Exil in den USA, wohin seines Eigentums beraubt wurde. nengesellschaft COMSUR war. er im Oktober 2003, unmittelbar Mitbewerber war das weitgehend nachdem er durch einen blutigen Entschädigung gefordert unbekannte britisch-indische Un- Volksaufstand gestürzt worden Erwähnenswert ist auch, dass mit ternehmen Allied Deals. In einem war, flüchtete. Seither läuft gegen dem Verkauf der Zinnhütte an ein Schnellverfahren wurde der Kom- den Ex-Präsidenten ein Verfah- Schweizer Unternehmen das bila- plex weit unter seinem Wert an ren, das ihn wegen seiner Verant- terale Investitionsschutzabkom- Allied Deals verkauft, wobei da- wortlichkeit am Massaker vom men zwischen der Schweiz und mals noch nicht bekannt war, dass «Schwarzen Oktober» zur Rechen- Bolivien aus dem Jahre 1991 ins diese der Geldwäscherei angeklagt schaft ziehen will. Da sich Goni je- Spiel kommt. Laut Glencore stellt war. Als Allied Deals wenig spä- doch nicht der bolivianischen Jus- nämlich die Verstaatlichung – und ter bankrott ging, kaufte COMSUR tiz stellen will, ist die Regierung insbesondere das Ausbleiben einer 2002 den Metallkomplex für einen zur Konfiszierung seiner Besitztü- Entschädigung – ein Bruch mit geheimen Preis. Bald darauf geriet mer übergegangen. Dazu gehöre diesem Abkommen dar. ■ BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Globalisierung Wir essen den Amazonas auf Sibylle Zollinger, Mediensprecherin bei Greenpeace Schweiz | Bilder flickr.com 12 Die steigende weltweite Soja-Nachfrage hat in Brasilien einen regelrechten ber dem der Rechtsstaat kläglich Boom ausgelöst. Der neue Exportschlager bringt dem hoch verschuldeten versagt. Die Methoden der Gross- Land Devisen, aber auch Zerstörung: Die Soja-Felder fressen sich immer farmer sind häufig wenig zimper- tiefer in den Urwald hinein. lich: Sowohl wenn es darum geht, an das begehrte Land zu kommen, als auch auf ihren Farmen, wo Men- Die Klimaanlage der Erde – so ha- Kleine Bohne, grosse Wirkung schen wie Sklaven schuften. Gehen ben Wissenschafter den Amazonas Als 1982 erstmals Soja im Süden die Ansässigen – häufig Angehörige auch schon bezeichnet. Er reinigt Brasiliens angepflanzt wurde, indigener Gemeinschaften – nicht die Luft, filtert Wasser und verhin- glaubte niemand, dass eine so klei- freiwillig, werden sie vertrieben, dert Erosion. Aber die Schatzkam- ne Bohne dem riesigen grünen Pa- ihre Häuser niedergebrannt. mer der Artenvielfalt und ihre Be- radies gefährlich werden könnte. wohner sind in Bedrängnis: In den Doch mit der steigenden Nachfrage Mord für 200 Franken vergangenen drei Jahrzehnten wur- auf dem Weltmarkt rückten immer Aus den letzten 33 Jahren sind al- den Flächen von der Grösse Frank- mehr Sojagrossfarmer dem Urwald lein im Bundesstaat Pará 772 Morde reichs gerodet. Wird diese rasante zu Leibe. Mit verheerenden Konse- in Landkonflikten belegt. Jene, die Entwicklung nicht gestoppt, könnte quenzen: Wald und Mensch müs- mutig für Gerechtigkeit einstehen, der brasilianische Regenwald schon sen gigantischen Monokulturen leben gefährlich. «Vordergründig in 30 bis 40 Jahren verschwunden von bis zu mehreren tausend Hekt- scheint die Gegend eine verschla- sein. Denn ein neuer Feind ist auf- ar weichen. Von den 2003 und 2004 fene Dschungelprovinz. Doch da- getaucht: die Sojabohne. Wegen brandgerodeten 2,7 Millionen Hekt- hinter herrscht organisiertes Ver- ihres hohen Anteils an Protein ist ar Wald wurden drei Viertel illegal brechen. Landarbeiter werden für sie eigentlich eine «goldene Pflan- vernichtet. Das Sojabusiness spielt 200 Franken umgebracht, eine ze», doch ihr rücksichtsloser Anbau sich in einem Sumpf von Zerstörung, prominente Nonne und US-Bürge- richtet enormen Schaden an. Gewalt und Korruption ab, gegenü- rin kostete 5000», schildert Kaspar Sojaernte im Amazonasgebiet: In Brasilien wird auf fast 23 Millionen Hektar Soja angebaut. Das entspricht der Fläche Grossbritanniens. BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
In Form von Sojaschrot landen sie 13 grösstenteils im Futtertrog von Tie- ren. An der Spitze der Importländer stehen die EU und China. Auch die Schweiz bezog letztes Jahr 84 Pro- zent ihrer Soja aus Brasilien, wo- her genau ist schwer eruierbar. Für eine Garantie, dass Lebensmittel aus Soja und insbesondere Fleisch von damit gefütterten Tieren nicht aus zerstörtem Urwald stammen, muss ihre Herkunft aus Brasilien und anderen Urwaldländern ausge- schlossen werden. Zumindest heute noch gilt für den Konsumenten: Nur Fleisch aus ökologischer Tierhal- tung ist sicher. Atempause für den Urwald Greenpeace arbeitet seit 1998 gegen die Amazonas-Zerstörung – als ein- zige internationale Umweltorgani- sation mit Büro und Belegschaft vor Ort. Im April 2006 verstärkte sie mit dem Bericht – «Eating up the Ama- zon» den internationalen Druck auf die Lebensmittel- und Futterin- dustrie. Darin wird aufgezeigt, wie sich der europäische Konsum von Fleisch und anderen tierischen Pro- dukten auf Amazonien auswirkt. In der Folge forderten McDonald’s und Von den 2003 und 2004 in Brasilien gerodeten 2,7 Millionen Hektar Regenwald verschiedene Lebensmittelhänd- wurden drei Viertel illegal vernichtet. ler zusammen mit Greenpeace von Cargill, Bunge, ADM und Maggi, den illegalen Sojaanbau im Regen- wald zu stoppen. Schuler, Geschäftsleiter Greenpeace beteiligt, etwa durch Schaffung Schweiz, seine erschütternden Er- von Infrastruktur. So hat Cargill in Teilerfolge zu verbuchen lebnisse bei seinem kürzlichen Be- Santarém mitten im Amazonasge- Die Verhandlungen endeten im Juli such. biet eine Soja-Schiffverladestation 2006 mit einem Teilerfolg: Die vier gebaut – auch das ungesetzlich. Sojagiganten stimmten einem Mo- US-Konzerne beherrschen Markt ratorium zu. Sie werden zwei Jahre Dafür, dass sich der illegale Anbau An Tiere verfüttert lang auf den Kauf von Soja von im für die Sojafarmer lohnt, sorgen die 2,5 Millionen Tonnen der brasilia- Regenwald frisch angelegten Feld- drei US-Getreidehändler Cargill, nischen Soja stammen heute aus Ur- ern verzichten. «Eine Atempause für Bunge und Archer Daniels Midland waldgebieten – und es werden stetig den Urwald», so Thomas Henningsen (ADM) sowie der brasilianische mehr. 2005 hat sich Brasilien vor von Greenpeace International. «Sie Sojakönig Blairo Maggi. Die drei den USA und Argentinien als Num- muss genutzt werden, um einen öko- US-Konzerne allein kontrollieren mer eins unter den Sojaproduzenten logischen und sozialverträglichen zusammen 60 Prozent der brasili- positioniert. 2004 verliessen satte 38 Landnutzungsplan zu vereinbaren, anischen Exporte und sind auch Millionen Tonnen das Land. Doch der ein Netzwerk von Schutzgebieten direkt an der Urwaldvernichtung was passiert mit diesen Unmengen? einschliesst.» ■ BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Regieren mit Publikum Es geht auch anders Gerhard Schmid, Hünenberg | Bilder Adelina Odermatt 14 Seit dem Einzug zweier Alternativer in den Zuger Regierungsrat wurde die Departemente der Exekutive vertei- Kommunikationsschraube kräftig angezogen. Abweichende Meinungen in- len sich auf fünf Regierungsräte, je nerhalb der Regierung sollen nicht mehr nach aussen dringen. Dass es auch zwei FDP- und CVP- sowie ein SP- anders ginge, zeigt das Beispiel Solothurn, wo nicht nur Kantonsrats-, son- Vertreter, von denen derzeit eine ein- dern auch Regierungsratssitzungen für die Öffentlichkeit zugänglich sind. zige Dame mitwirkt. Der amtierende Landammann – der jüngste im Gre- mium und seit eineinhalb Jahren im Amt – präsidiert gleichzeitig die SP- Sektion seines Wohnbezirks. In Zug hätte eine solche Ämterkombination das Protestgeschrei der rechtsbür- gerlichen Phalanx auf sicher. Solothurn kennt seit jeher nichts an- deres als den freien Zugang zu Kan- tons- und Regierungsratssitzungen, entsprechend dem Refrain im Solo- thurner Lied «‹S isch jo immer, im- mer, immer eso gsi». Die Regierung tagt in der Regel dienstags, die Trak- tanden sind auf der Website des Kan- tons für jedermann einsehbar. Kollegial und effizient Es ist beeindruckend, wie speditiv die traktandierten Geschäfte abge- wickelt werden. Bleibt eine Frage offen, ist im Nu entschieden, wie die Weiterbearbeitung vor sich geht. Es Zuger Regierungsratszimmer: kein Zutritt. herrscht eine konzentrierte, ruhige Atmosphäre, der Umgangston ist sachlich und entspannt, wobei auch Humor und Kraftausdrücke ihren Landammann Joachim Eder schwad- Umfahrung Cham–Hünenberg oder Platz haben. roniert gerne über Transparenz und wenn es darum geht, unausgewo- Der Mediensprecher des Regierungs- Bürgernähe, aber ausgerechnet er gene Steuervorlagen unter dem La- rates kann während den Sitzungen lancierte in der ersten Regierungs- bel «Ja zum fairen Steuergesetz» zu nicht über Bewegungsmangel klagen. ratssitzung in neuer Zusammenset- vermarkten. Mit der nichts sagenden Immer wieder verlässt er den Raum zung ein restriktives Konzept im Floskel «Die Regierung muss nach und eilt ans Telefon, um Privatper- Umgang mit Öffentlichkeit. Unter aussen geschlossen auftreten» über- sonen, Unternehmen oder Instituti- der Etikette Kollegialitätsprinzip tünchen die Einheitsbrei-Strategen onen über einen für sie relevanten sollen Regierungsräte nicht mehr die Tatsache, dass man als Einwoh- Beschluss zu informieren, damit das Recht haben, eigene Meinungen nerIn zur eigenen Meinungsbildung ihm nicht die anwesenden Medien- öffentlich zu äussern, wenn sie nicht durchaus wissen möchte, wie die vertreter darin zuvorkommen. dem Mainstream der Regierenden Regierungsmitglieder im politischen Für den Staatsschreiber geht es nach entsprechen. Andererseits ist es of- Tagesgeschäft agieren und reagieren. aussen hin gemütlicher zu. Doch der fenbar legitim, mit Traktaten aus Eindruck täuscht: Nur dank seiner Steuergeldern und hoch bezahlten Gegenbeispiel Solothurn sorgfältigen Planungs- und Vorberei- «Experten» auf so genannten Infor- Der Kanton Solothurn ist flächen- tungsarbeit kann er sich an den Sit- mationspodien Propagandawalzen mässig mehr als dreimal so gross zungen entsprechend zurücklehnen, loszutreten, wenn es der Parlaments- wie Zug und zählt 250‘000 Einwoh- ganz abgesehen davon, dass er im mehrheit in den Kram passt, so ge- ner (Zug 105‘000). Mit 10 Bezirken Nachhinein wieder am Zuge ist für schehen beim knapp gewonnenen und 126 Gemeinden ist er aber viel das Protokoll und weitere sich dar- 230-Millionen-Kredit für die Luxus- differenzierter strukturiert. Die 12 aus ergebende Schritte. BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Solothurn ist anders, der Regierungsrat tagt öffentlich. Grenzen des Öffentlichkeitsprinzips einen Begriff davon, wie anspruchs- stimmung bekanntlich ein hauch- Neben Routinebeschlüssen oder voll, komplex und arbeitsintensiv dünnes Mehr von 21 Stimmen zu spannenden Themen wie erste und Regierungstätigkeit ist. Gunsten der Stahlhelmfraktion im zweite Fremdsprache in der Pri- Kantonsrat. ■ marschule, Schaffung von Tages- Und Zug? schulen, Zusammenarbeit mit Zug Unser Kanton ist in der gegenwär- bei der Höheren Fachschule für tigen politischen Konstellation aus- Pflegepersonal, Verlängerung einer ser Stande für eine derartige Öffnung Bahnlinie, ökologisch ausgerichte- oder nur schon für eine Lockerung ten Motorfahrzeugsteuern, Notfall- der aktuellen Maulkorbpraxis. Die übungen in schweizerischen Kern- regierungsrätlichen Abschottungs- anlagen, Verfassungsbestimmung mechanismen sind nämlich durch- zum Hooliganismus, Auflösung des aus adäquate Mittel in einem Klima, Dienstverhältnisses von Kadermit- wo das Geld den Geist beherrscht. arbeiterinnen und -mitarbeitern der In Zug lassen sich die Zuhälter des kantonalen Verwaltung usw. gibt es Grosskapitals möglichst wenig in Geschäfte, worauf man sich als Zu- die Karten blicken und bauen ihren hörerIn zu früh freut, z.B. «Droht politischen Einfluss kontinuierlich im Fall XY nach dem Pensionskas- aus, dies mit dem (erwünschten?) sendebakel ein Justizdebakel?» Hier Nebeneffekt, dass Leute mit «ver- beschränkt man sich darauf fest- nünftigen» Einkommens- und Ver- zulegen, welches Departement sich mögensverhältnissen beginnen, mit damit auseinander setzen muss. Art. den Füssen abzustimmen und in 63, Abs. 1 der Kantonsverfassung Scharen dem für Normalverdienen- legt dar, was hinter verschlossenen de unwirtlichen Kanton den Rücken Türen auszuhandeln ist: «Die Bera- kehren. Dieser Trend wird sich ver- tungen [...] des Regierungsrates sind mutlich bald verstärken durch den öffentlich, soweit schützenswerte Exodus kantonaler Angestellter, wel- private oder öffentliche Interessen che nach der radikalen Sparrunde nicht entgegenstehen.» Alles in bei der Pensionskasse die Nase voll Eingang zum Regierungsgebäude in allem gewinnt man als BesucherIn haben. Hier obsiegte in der Volksab- der Ambassadorenstadt Solothurn. BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Tangente Neufeld Strassen statt Lebensqualität Berty Zeiter, Kantonsrätin Alternative, Baar | Bilder Adelina Odermatt 16 Im Kanton Zug grassiert das Strassenbaufieber: Am 11. März 2007 bewil- als illusorisch entlarvt. Die de- ligte das Zuger Stimmvolk äusserst knapp 230 Millionen Franken für die taillierten Modellrechnungen für Umfahrung Cham-Hünenberg. Anfangs Mai 2007 fand der Spatenstich statt das Jahr 2020 belegen klar, dass für die Nordzufahrt, die direkte Verbindung von der Autobahnausfahrt Baar im Ortszentrum von Baar die Ver- ins Zuger Stadtzentrum. Und am 26. April 2007 orientierte die Baudirektion kehrsmenge nur wenig reduziert, über die geplante Tangente Neufeld. also weiterhin auf hohem Niveau verharren wird. Ebenso ist für die Stadt Zug keine Zentrumsentlas- Die Hochleistungsstrasse Tangente den auf 200 Millionen Franken ge- tung zu erwarten, die Verkehrsmen- Neufeld soll auf drei Kilometern schätzt. ge auf der Ägeristrasse wird nahezu Länge von der Autobahnausfahrt unverändert bleiben. Baar unter der Kreuzung Neufeld Zielen und daneben schiessen Bedenkenswert ist auch, dass der durch nach Inwil und dann drei- Die Wurzeln der Tangente Neufeld Knoten Süd-/Weststrasse direkt spurig den Hang hoch führen, wo liegen im Wunsch von Gewerbetrei- nach der Autobahnausfahrt Baar sie beim Bauernhof Margel in die benden im Berggebiet und aus dem bereits durch die Nordzufahrt über- Ägeristrasse münden würde. In der Göbli, einen direkten Anschluss an lastet sein und Stausituationen her- Ebene zwischen der Zugerstrasse die Autobahn zu erhalten. Das Pro- vorrufen wird. Die Baarerstrasse und Inwil sind drei riesige Kreisel jekt entwickelte sich dann zu einem südlich des Neufelds jedoch wird vorgesehen, nämlich eine Einmün- Selbstläufer. Denn eine Erfassung durch die in Bau befindliche Nord- dung der verlängerten Industrie- der Verkehrsströme zeigte bereits in zufahrt entlastet. strasse in die Tangente, dann ein einer Studie aus dem Jahre 2000 auf, Knoten Inwilerriedstrasse und ein dass nur ein kleinerer Teil der Fahr- Bedenkliche Auswirkungen Knoten Rigistrasse. Unter dem Bau- zeuge ab dem Knoten Talacher auf In seiner Vernehmlassung zum Ge- ernhof Geissbühl durch wird die die Autobahn wollen. Die weitaus nerellen Projekt weist der Gemein- Strasse in einen 360 Meter langen meisten Autos sind mit Ziel nach derat Baar darauf hin, dass sowohl Tunnel gelegt. Die restliche Stras- Baar oder Zug unterwegs. Damit die Lärm- wie auch die Luftschad- senführung bleibt offen und wird wird ein weiteres Ziel des Projektes, stoffbelastung entlang der Tangente teilweise durch Lärmschutzwälle nämlich eine wirksame Entlastung zunehmen und so die Wohnnut- und -wände von bis zu 3,50 Meter der stark befahrenen Abschnitte in zung und die Erholungsfunktion Höhe abgeschirmt. Die Kosten wer- den Ortskernen von Baar und Zug, beeinträchtigen werden. Es ist da- von auszugehen, dass trotz kosten- intensiver Lärmschutzmassnah- men die massgebenden Grenzwerte nicht überall eingehalten werden können. Ganz besonders kritisch je- doch wird sein, dass der landwirt- schaftlich genutzte Grün- und Nah- erholungsraum zwischen Baar und Inwil zerschnitten wird. Durch das Anknabbern des grünen Gürtels zwischen Zug und Baar durch die Linienführung der Tangente wird die Erschliessung für neue Bauzo- nen provoziert. Das Fazit des Gemeinderates Baar tönt sehr kritisch gegenüber diesem neuen Projekt: «…Bezüglich der Immissionen ist im Zentrumsge- biet von Baar nicht mit einer mar- kanten Verbesserung zu rechnen. Im Süden von Baar mit den Wohn- gebieten Inwil und Neufeld sowie Noch bessere öV-Angebote statt zusätzlicher Durchgangsverkehr für den Berg. im Siedlungsgebiet im Hangbereich BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
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