BULLETIN - die Grünen Zug

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BULLETIN - die Grünen Zug
ALTERNATIVE KANTON ZUG

BULLETIN                                        NUMMER 2 | Juni 2007

* 4 Atomstrom – Ein AKW kommt selten allein *
* 8 Nationalrat - Grosse Buben und grüne Feen *
* 12 Globalisierung – Wir essen den Amazonas auf *
* 14 Regieren mit Publikum – Es geht auch anders *
* 16 Tangente Neufeld - Strassen statt Lebensqualität *
BULLETIN - die Grünen Zug
Nomination
                                         Zur Nomination vorgeschlagen sind:
     Nationalratswahlen
     MI, 4. Juli 2007 - 20:00
                                                                     Liste
     Zug, Siehbachsaal,
     Chamerstr. 33
                                                                     Alternative Kanton Zug
     Sponsoring-Event
     Nationalratswahlen
     SA, 8. Sept. 2007 - 16:00
     Zug, am See beim
     Regierungsgebäude

2

                                         Josef Lang                  Astrid Estermann          Anna Lustenberger-Seitz

                                                                     Liste
    Inhaltsverzeichnis
                                                                     Junge Alternative
    3 Editorial
      Wir schaffen es – wenn wir daran
      schaffen

    4 Atomstrom
      Ein AKW kommt selten allein

    7 Meinung
      Das 21. Jahrhundert wird grün

    8 Nationalrat
      Grosse Buben und grüne Feen

    11 Glencore
       Wer anderen eine Grube gräbt...

    12 Globalisierung                    Andy Hürlimann              Lea Zehnder               Rupan Sivaganesan
       Wir essen den Amazonas auf

    14 Regieren mit Publikum
       Es geht auch anders

    16 Tangente Neufeld
       Strassen statt Lebensqualität      «Mission statement»                      ■ Gleichwertigkeit von Geschlecht

                                          Das Bulletin des alternativen Zug        und Rasse
    18 Verkehrspolitik                    wird von folgenden Gruppen ge-           ■ Verantwortung des Einzelnen ge-

       Volldampf beim öV im Kanton Zug    tragen: Kritisches Forum Alter-          genüber der Gesellschaft und Ver-
                                          native Cham, Frische Brise Al-           antwortung der Gesellschaft gegen-
    20 Grüne Kantonalparteien             ternative Steinhausen, Gleis 3           über dem/der Einzelnen
       Grün wie ein Zigerstöggli          Risch-Rotkreuz,      Freie    Wähler
                                          Menzingen, Forum Oberägeri, SGA          Die Redaktion recherchiert zu poli-
    22 Wandern                            Zug/Baar.                                tischen und gesellschaftlichen The-
       In der Kröntenhütte                Das Bulletin setzt sich mittels seiner   men nach bestem Wissen und Ge-
                                          Publikationen ein für die Förderung      wissen. Sie nimmt aktuelle Themen
    23 Serviceteil                        und den Erhalt von Lebensqualität        der alternativen Gruppierungen aus
       Buch                               im Sinne von …                           den einzelnen Zuger Gemeinden
       Frontal                                                                     auf. Das BULLETIN fördert das poli-
       Lesestoff                          ■ Soziale Gerechtigkeit, Schutz so-      tische Bewusstsein der Bevölkerung
       Kino                               zial Benachteiligter                     und trägt zur Meinungsbildung bei.
                                          ■ Ökologische        Nachhaltigkeit,
       Veranstaltungen
       Adressen                           Schutz von Lebensräumen und der          Redaktion und Herausgeberverein
       Impressum                          Natur                                    «Das Bulletin»

    BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Editorial

Wir schaffen es –
wenn wir daran schaffen

Hanspeter Uster, Leiter Wahlkampagne Alternative Kanton Zug | Bild BULLETIN

Im Kanton Zug gibt es vier etwa gleich starke politische Blöcke, die alle         vier Jahren verlorenen Sitz unbe-        3
etwa 25 Prozent der Stimmen machen: vier Blöcke, doch nur 3 Zuger Natio-          dingt und, wie ihre Vorkampagne
nalratssitze. Diese Konstellation hat Auswirkungen …                              zeigt, mit viel Geld wieder zurück-
                                                                                  holen. Ihre Spitzenkandidierenden
                                                                                  Andrea Hodel, Bruno Pezzatti und
                                                                                  Thomas Lötscher haben sich ganz
                                                                                  prominent für einen Rentenabbau
                                                                                  zu Lasten der PK-Versicherten einge-
                                                                                  setzt. Das zeigt, was ein Zuger FDP-
                                                                                  Sitz für Folgen im Nationalrat hätte,
                                                                                  wo es in den nächsten Jahren immer
                                                                                  wieder um die Sozialwerke gehen
                                                                                  wird. Wir Alternativen müssen dafür
                                                                                  kämpfen, dass die Sozialabbauer
                                                                                  und Verbandsbeschwerderecht-Ab-
                                                                                  schaffer in Bern keine zusätzliche
                                                                                  Stimme bekommen.

                                                                                  Wir Alternativen müssen präsent
                                                                                  sein, aktiv auf die Menschen zu
                                                                                  gehen und unsere Kandidierenden
                                                                                  wie auch unsere Inhalte an die Frau
Hanspeter Uster: «Jede Stimme zählt!».                                            und an den Mann zu bringen, in
                                                                                  allen Zuger Gemeinden.

                                                                                  Gerade der direkte Kontakt mit
                                                                                  den Wählerinnen und Wählern
Die Linke macht den Sitz nur, wenn       Die Alternative kommt mit Natio-         macht Freude, wie der erfolgreiche
die SP und die Alternative, die etwa     nalrat Josef Lang, Astrid Estermann      Sammeltag der Alternativen für
gleich stark sind, eine Listenverbin-    und Anna Lustenberger. Auf der Lis-      die Klima-Initiative gezeigt hat.
dung machen. Denn nur zusammen           te «Junge Alternative»kandidieren        Mit der Klima-Initiative haben wir
erreichen sie die Stärke von SVP,        Lea Zehnder, Andy Hürlimann und          ein hervorragendes Instrument in
FDP und CVP. Zweitens: Es gibt kei-      Rupan Sivaganesan. Die Voraus-           der Hand, den Menschen nicht ein
ne sicheren Sitze; Verschiebungen        setzungen sind also, namentlich          mehr oder weniger sinnvolles Give-
der Wählerstärke und ein oder zwei       auch dank der Listenverbindung,          away und einen Flyer in die Hand
Prozentpunkte entscheiden darüber,       gegeben, den linken Sitz wieder zu       zu drücken, sondern mit ihnen ins
wer den Sitz macht. Es kommt also        machen. Damit besteht auch die           Gespräch zu kommen und unsere
auf jede Stimme an. Doch auch            Chance, dass Josef Lang weiterhin        grüne Politik konkret zu machen.
gesamtschweizerisch ist die Wahl         im Nationalrat seine profilierte und     Ein weiteres Mittel für politische Ge-
spannend: Nur wenige Sitzverschie-       weit herum beachtete und geachtete       spräche wird das Sammeln für die
bungen zwischen Bürgerlichen und         Politik für eine soziale, solidarische   neu lancierte Initiative zum Schutz
Linken können eine andere Konstel-       und ökologische Schweiz machen           gegen Waffengewalt sein; dass die
lation schaffen, beispielsweise für      kann. So ist sein von 18 der 20 Zen-     Armeewaffe ins Zeughaus gehört
die Bundesratswahlen.                    tralschweizer Nationalratsmitglie-       und es endlich ein eidgenössisches
                                         dern und von sämtlichen Zürcher          Waffenregister braucht.
Die Linke tritt mit vier verschie-       Ständeratskandidierenden, die im
denen, untereinander verbundenen         Nationalrat sind, unterzeichneter        Die alternative Wahlkampagne ist
Listen an: Die SP-Hauptliste mit Urs     Vorstoss für den Zimmerberg-Tunnel       vorbereitet: Und ich als deren Leiter
Bertschi, Christina Bürgi und Martin     ökologisch, verkehrs- und auch regi-     bin überzeugt, dass wir es schaffen
B. Lehmann sowie die Liste mit           onalpolitisch von grossem Gewicht.       – wenn wir gemeinsam und mit
den jungen SP-Frauen mit Simone                                                   vollem Einsatz daran schaffen. ■
Hutter, Christina Huber und Dani-        Aber der Sitz wird uns nicht in den
elle Silberschmidt.                      Schoss fallen: Die FDP will ihren vor

                                                                              BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Atomstrom

    Ein AKW kommt selten allein

    Natalie Chiodi, Redaktorin BULLETIN | Bilder Adelina Odermatt und flickr.com

4   Die Atomenergie kann weder das Problem der globalen Erwärmung noch
    das Problem zukünftiger Energieengpässe lösen. Die Gewinnung von Uran
    aus der Erdkruste erfordert eine ganze Abfolge von verschiedenen Pro-
    zessen. Jeder dieser Prozesse erfordert Energie- und Materialzufuhr und
    braucht technische Vorrichtungen. Dabei werden auch beträchtliche Men-
    gen an CO2 ausgestossen, wie eine umfassende Studie von Jan Willem Storm
    und Philip Smith zeigt.

    Ein Atomkraftwerk kommt selten          unveröffentlichten und darum
    allein: Ein grosser Komplex von in      nicht überprüfbaren Daten. Über
    der Regel üblichen industriellen        die Emission von anderen Treib-
    Prozessen ist nötig, um die Atom-       hausgasen, insbesondere FCKW,
    energie aus dem Uran in der Erd-        die ganz bestimmt auch vorkommt,
    kruste zu befreien und sie in eine      sind keine Angaben verfügbar. Die
    nutzbare Form, in der Regel elek-       Studie weist auch darauf hin, dass
    trische Energie, umzuwandeln.           die offiziellen Institute, von denen
    Dieser Prozess kann in drei Teile       die Behörden und die politischen       Erneuerbare Energiequellen sind im
    zerlegt werden:                         Verantwortungsträger         beraten   Gegensatz zu fossilen Energiesyste-
    1) Umwandlung des aus der Erdkrus-      werden, wie zum Beispiel die In-       men unerschöpflich.
    te gewonnenen Uranerzes in Brenn-       ternationale Atomenergie-Agentur
    elemente für den Atomreaktor.           (IAEA), die Nuklear-Energie-Agen-
    2) Bau des eigentlichen Atomkraft-      tur (NEA) und weitere ausdrück-        bettet sind. Um das Potenzial der
    werks: Unterhalt und Betrieb des        lich «Interessenvertretungen» und      Atomenergie in Bezug auf Energie-
    AKW während seiner Betriebszeit.        nicht zwangsläufig unabhängige         versorgung und Klimabeeinflus-
    3) Handhabung des radioaktiven          Forschungsinstitute sind.              sung beurteilen zu können, muss
    Abfalls, Ausserbetriebnahme und                                                man die physikalisch-chemischen
    Rückbau des (radioaktiven) Atom-        Urangewinnung                          Eigenschaften der uranhaltigen Vor-
    reaktors und «Endlagerung» des          Uran findet man in der Natur in        kommen genauer betrachten: Der
    Atommülls.                              Form von vielen chemischen Ver-        Urangehalt von Gesteinen variiert
    Jeder dieser drei Teile umfasst di-     bindungen (Mineralien), die in         sehr stark. Die reichsten Erze enthal-
    verse industrielle Prozesse. Jeder      unterschiedlichste Felsarten einge-    ten etwa 20 Prozent Uran, das heisst
    Prozess benötigt elektrische Ener-                                             200 g Uran pro Kilogramm Gestein
    gie, fossile Treibstoffe, Materialien                                          (200g U/kg). Im Moment ist der welt-
    und Chemikalien und stösst Koh-                                                weite Mittelwert etwa 1 g U/kg. Die
    lendioxid (CO2) aus. Der Atomre-         Schweizerische Energiestiftung        schwächsten noch ausgebeuteten
    aktor selber ist tatsächlich das ein-    Die SES engagiert sich seit bald      Erze enthalten bloss 0,1 g U/kg. Je
    zige Glied in der Prozesskette, das      30 Jahren für den Ausstieg aus        höher der Gehalt eines Vorkommens,
    kein Kohlendioxid freisetzt.             der verantwortungslosen Atom-         umso seltener ist das Vorkommen;
                                             energie und für eine nachhaltige      das ist ein bekanntes Phänomen
    Emissionswerte                           Energiepolitik. Sie setzt sich ein    bei Mineralien in der Erdkruste. Je
    Eine umfassende Studie hat die           für eine sparsame Verwendung          geringer der Urangehalt des Erzes,
    CO2-Emissionen des Nuklear-Sys-          von Energie, die Förderung und        umso grösser sind die (technischen,
    tems untersucht und dabei her-           Nutzung erneuerbarer Ener-            materiellen und energetischen) Auf-
    ausgefunden, dass ein heutiges           giequellen und eine dezentrale        wendungen für dessen Gewinnung.
    Nuklear-System etwa 90-140 g             Energieversorgung. Sie richtet        Um 1 kg Uran aus einem Erz mit
    CO2-Emissionen pro Kilowattstun-         ihre Hauptkampagne gegen die          einem Gehalt von 1 Prozent zu ge-
    de verursacht. Dagegen zitieren          gedankenlose Verschwendung            winnen, müssen 100 kg Gestein ver-
    die offiziellen Nuklear-Institute        fossiler Energieträger, dabei liegt   arbeitet werden. Wenn der Gehalt
    einen viel tieferen Emissionswert        ihr Fokus auf dem Erdöl. Wei-         zehnmal kleiner ist, müssen für 1 kg
    pro Kilowattstunde: 3-40 g (inklu-       tere Informationen fi nden sie        Uran bereits 1000 kg Erz verarbeitet
    sive andere Treibhausgase). Diese        unter: www.energiestiftung.ch         werden. Damit wird auch der Ener-
    Angaben beruhen allerdings auf                                                 gieaufwand pro Kilogramm Uran

    BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
5

Hochspannend: Wenn das gegenwärtig jährlich konsumierte Erdöl durch Kernkraft ersetzt würde, wären bei gleich blei-
bender Nachfrage die Uranvorräte in ungefähr 10 Jahren aufgebraucht.

zehnmal grösser. Das Herauslösen        gross wie der Energiegewinn.            Sinkende Vorräte
von Uran aus dem Wirtsgestein ist       Sinkt der durchschnittliche Ge-         In den beiden Szenarien, die in
ein komplizierter chemischer Pro-       halt unter 0,2 g Uranium pro Kilo       der Studie beschrieben sind, geht
zess. Der Aufwand an Energie und        Uranerz, dann liefert das Nuklear-      man davon aus, dass die Uranerze
Chemikalien hängt in erster Linie       system netto keine Energie. Dieser      mit der besten Qualität als erste
von der Anreicherung des Erzes,         Zusammenhang zwischen Net-              abgebaut werden, weil das für die
in zweiter Linie aber auch von den      to-Energieproduktion und Gehalt         Bergbaugesellschaften den gröss-
geochemischen Eigenschaften des         des Uranerzes ergibt die «Ener-         ten Gewinn abwirft. Als Folge da-
Felsmaterials ab. Zudem wird die        gieklippe». Die potenzielle Grösse      von sinkt der durchschnittliche
Extraktion umso schwieriger, je ge-     und Lebensdauer des weltweiten          Urangehalt     der  verbleibenden
ringer der Urangehalt des Erzes ist.    Parks an Atomkraftwerken ist be-        Uranerz-Vorräte im Lauf der Zeit.
Schwieriger bedeutet wiederum           grenzt durch die Verfügbarkeit von      Diese Feststellung hat schwerwie-
mehr Energie und mehr Chemikali-        Uranvorräten mit «Netto-Energie-        gende Konsequenzen im Hinblick
en pro Kilogramm Uran.                  gehalt». Die Untersuchungen ha-         auf die Emissionsrate von CO2 und
                                        ben gezeigt, dass die grössten be-      die Netto-Energieproduktion der
Energieklippe                           kannten Vorkommen am nächsten           Atomkraft in der Zukunft. Erze mit
Die Energie, die gebraucht wird,        zur «Energieklippe» liegen. Nicht       geringerem Urangehalt erfordern
um das Uran aus dem Gestein zu          die Menge an Uran in der Erdkrus-       bei der Ausbeutung mehr Ener-
isolieren, wächst mit sinkendem         te bestimmt das globale Potenzial       gieeinsatz. Deshalb wird pro Kilo-
Urangehalt des Wirtsgesteins. Ab        an spaltbarem Material, sondern         gramm Uran mehr CO2 freigesetzt.
einem bestimmten Minimalge-             die Qualität der Vorkommen, aus         Während der mittlere Urangehalt
halt ist der Energieaufwand gleich      denen das Uran gewonnen wird.           der Erze im Lauf der Zeit sinkt,

                                                                            BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
6   steigt die CO2-Produktion pro Ki-       Strom-Parasiten                       eine Standby-Leistung von 125
    logramm Uran. In etwa 45 bis 70         KonsumentInnen werden für             Watt. Das ergibt einen jährlichen
    Jahren (je nach Szenario) ist der       dumm verkauft, denn bestimmte         Stromverbrauch von knapp 900 Ki-
    CO2-Ausstoss der Atomkraftwerke         Geräte fressen auch Strom, wenn       lowattstunden oder Stromkosten
    grösser als jener der gasbefeuerten     sie per Schalter abgeschaltet wer-    von rund 180 Franken. Der Standby-
    Kraftwerke.                             den. Stromverbrauch für diesen        Verbrauch macht damit etwa 25%
                                            Unsinn: 150 Millionen Kilowatt-       des Haushaltstromverbrauchs aus.
    Nachhaltige Entwicklung wird            stunden für 30 Mio. Franken! Am       Energieeffizienz fängt zu Hause an:
    verzögert                               Schlimmsten sind HiFi-Anlagen,        Sparlampen brauchen für das glei-
    Die Finanzstruktur der Atomindus-       Computer und Drucker. Dieser          che Licht 80% weniger Strom als
    trie und damit der Atomenergie ist      Leerlauf lässt sich einfach ver-      Glühbirnen oder Halogenglühlam-
    sehr undurchsichtig, weil nur ein       meiden: Elektrische Geräte müs-       pen. Ihre Lebensdauer ist fünf- bis
    Teil der wahren Kosten wirklich         sen mit einem Aus-Schalter vom        zehnmal höher. Im Durchschnitt
    veröffentlicht wird. Daher kennen       Strom getrennt werden können.         spart eine Sparlampe im Verlauf
    nur wenige Leute die tatsächlichen      Geräte, die diese Bedingungen         ihrer Lebensdauer 100 Franken
    Kosten der Atomenergie: also die        nicht erfüllen, müssen nach einer     Stromkosten ein. Kaffeemaschinen
    Kosten, die die Gemeinschaft ins-       Übergangsfrist vom Markt ver-         mit Abschaltautomatik brauchen
    gesamt zu bezahlen hat. Die «Lang-      schwinden. Ferner muss die Stand-     50% weniger Strom als Kaffeema-
    zeitlagerung» des Atommülls, die        by-Leistung von elektrischen          schinen, die zum Warmhalten stän-
    Ausserbetriebnahme und der Rück-        Gerten per Vorschrift auf maxi-       dig im Standby-Betrieb sind. Die
    bau der Reaktoren (um nur einige        mal 1 Watt beschränkt werden.         technischen Möglichkeiten wären
    Beispiele zu nennen) werden bei den                                           also vorhanden. Doch bisher fehlt
    publizierten Kosten des Atomstroms                                            der politische Wille, diese mit Vor-
    nicht oder ungenügend in die Rech-                                            schriften und Anreizen zum Stan-
    nung einbezogen.                                                              dard zu machen. ■
    Lässt man sich auf ein neues Atom-     ken. Multifunktionale Bürogeräte
    programm ein, so bezahlt man dies      und Drucker brauchen je nach-
    mit Investitionen in der Grössen-      dem 60 bis 90 Prozent des Jahres-
    ordnung von einigen zehn Milliar-      stromverbrauchs im Standby-Leer-
    den Euro und hat mindestens wäh-       lauf. Auf bis zu fünf Prozent des
    rend der nächsten hundert Jahre        schweizerischen Stromverbrauchs
    hohe finanzielle Verpflichtungen.      schätzen Experten den Standby-
    Ist ein neues Atomprogramm ein-        Verbrauch von elektrischen Gerä-       Quellen: «Atomstrom ist keine Lö-
    mal gestartet, so ist es sehr schwer   ten. Das entspricht 2‘800‘000‘000      sung für Klimaprobleme und Ener-
    wieder zu stoppen. Die Atomenergie     Kilowattstunden (kWh) oder der         gieknappheit» von Jan Willem Storm
    absorbiert einen unverhältnismäs-      Jahresstromproduktion des Atom-        van Leeuwen, Magister der (Natur-)
    sig grossen Anteil der verfügbaren     kraftwerks    Mühleberg.     Würde     Wissenschaften, Physikalische Che-
    Forschungs- und Fördergelder. Da-      man zudem konsequent nur die           mie, Technische Universität Eindho-
    mit zögert sie die Entwicklung von     sparsamsten und besten Technolo-       ven. Storm van Leeuwen ist ferner
    nachhaltigen Energieoptionen noch      gien einsetzen, könnte man sechs       Sekretär der holländischen Vereini-
    weiter hinaus. Eine solche Verzöge-    Atomkraftwerke in der Grösse von       gung des Club of Rome. Die zitierte
    rung können wir uns schlicht nicht     Mühleberg einsparen. Die Energie-      Studie ist unter www.stormsmith.nl
    leisten.                               stadt Zürich sagt dieser Stromver-     einsehbar. Der genannte Artikel er-
                                           schwendung nun mit strengen Be-        schien zuerst in Energie & Umwelt,
    Sparen hilft                           schaffungsrichtlinien den Kampf        dem Magazin der Schweizerischen
    Wichtig wäre es auch, die vorhan-      an. Denn am billigsten ist die Ener-   Energie-Stiftung SES Nr. 4/2006.
    dene Energie effizient zu nutzen.      gie, die man gar nicht braucht.        «EnergieEffizienz – Mehr Gewinn und
    In der Schweiz gehen jedes Jahr 40                                            Komfort für alle». Diese Informations-
    Prozent der eingesetzten Energie       Standby-Leerlauf                       broschüre wurde von der SES verfasst
    ungenutzt verloren. Dieser Energie-    In einem typischen Vier-Personen-      und publiziert. Sie befasst sich haupt-
    verlust kostet die KonsumentInnen      Haushalt beanspruchen Büro- und        sächlich mit der Problematik der
    sowie die Schweizer Wirtschaft         Haushaltgeräte, Geräte der Unter-      Stromfresser und Standby-Leerläufen
    jährlich rund 10 Milliarden Fran-      haltungselektronik sowie Lampen        und wie diese zu vermeiden wären.

    BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Meinung

Das 21. Jahrhundert wird grün

Grünspecht - ein kritischer Vogel

Die Erwärmung der Erde und ihre Folgen für Mensch und Umwelt sind das        – es geht um das Überleben auf der      7
dominierende Thema der nächsten Jahrzehnte. Die Grünen weisen in diesen      Erde. Die rasante Erwärmung des
Fragen die höchste Kompetenz und Glaubwürdigkeit auf. Das 21. Jahrhun-       Klimas ist nur ein Aspekt des The-
dert wird zum Jahrhundert der Grünen.                                        mas; die Bedrohung von Tier und
                                                                             Pflanzen, der verschwenderische
                                                                             Umgang mit den Ressourcen, die
                                      digkeit des Überlebens auf dem         drohende Wasserknappheit in ver-
                                      Raumschiff Erde.                       schiedensten Regionen der Welt, die
                                                                             Übernutzung der Erde stellen ganz
                                      19. Jahrhundert und Liberalismus       neue Herausforderungen dar. Die
                                      Mit der Aufklärung und der fran-       weltweite Migration und der immer
                                      zösischen Revolution hatte zu Be-      aggressiver werdende Kampf (Krieg)
                                      ginn des 19. Jahrhunderts der poli-    um Ressourcen sind weitere zentra-
                                      tische Aufstieg des Bürgertums in      le Aspekte in der Überlebensfrage.
                                      Europa begonnen. In der Schweiz        Die Grünen sind die Partei, welche
                                      erfolgte 1848 mit der Gründung         Nachhaltigkeit und Gewaltlosigkeit
                                      des Bundesstaates der endgültige       konsequent ins Zentrum ihres poli-
                                      Durchbruch. Der Liberalismus er-       tischen Handelns stellt.
                                      lebte im 19. Jahrhundert seinen
                                      Höhepunkt: Die Freiheit war die        Trifft nicht für alle zu
                                      zentrale politische und ökono-         Es versteht sich, die obige Ein-
                                      mische Forderung. Die Befreiung        teilung der Jahrhunderte ist et-
Der Autor «Grünspecht» ist            des Bürgers und (später auch) der      was grobschlächtig. Und sie trifft
ein kritischer Vogel.                 Bürgerin löste eine wirtschaftliche    nicht auf alle Länder und Konti-
                                      Revolution aus. Die Massenproduk-      nente gleichermassen zu. In vielen
                                      tion ersetzte die Selbstversorgung,    Staaten Afrikas, Asiens und Latein-
Das 21. Jahrhundert wird grün:        welche über Jahrhunderte die Welt      amerikas verdichten sich die «drei
Diese These mag vermessen er-         geprägt hatte.                         Jahrhunderte» innert kurzer Zeit.
scheinen. Eine langfristige Be-                                              Der Wunsch nach Freiheit nach
trachtung der politischen Ent-        20. Jahrhundert und Sozialismus        der kolonialen Unterdrückung, das
wicklung zeigt indes Folgendes:       Mit der rasanten wirtschaftlichen      Bedürfnis nach einem menschen-
die dominierende Frage und die        Entwicklung kam der Liberalis-         würdigen Leben und einem Exis-
wichtigste Sorge einerseits sowie     mus an seine Grenzen; er blende-       tenz sichernden Einkommen und
die politische Antwort und die        te zu oft die sozialen Fragen der      die Notwendigkeit des Überlebens
Stärke von Ideen und Parteien         Verteilung des Wohlstandes und         angesichts der ungebremsten Aus-
andererseits gehören eng zusam-       der Gerechtigkeit aus. Der Aufstieg    beutung der Natur fallen in diesen
men. Das gilt kurzfristig bezogen     der Sozialdemokratie, die Revolu-      Ländern zusammen.
auf Wahlen – wer die richtigen        tionen in Russland und anderswo
Themen besetzt, der legt zu. Das      – sie alle hatten ihren Ursprung       Die Welt ist ein Dorf
gilt aber auch langfristig, wie der   in der sozialen Frage. Nach dem 2.     Und hier in der Schweiz: Der
Blick in die Geschichte zeigt.        Weltkrieg fand die westliche Welt      Mensch des 21. Jahrhunderts will
                                      dann die Antwort in der sozialen       frei und kreativ sein – er fühlt sich
Vom Liberalismus zur Ökologie         Marktwirtschaft. Möglichst alle        solidarisch, weil er weiss, dass die
Konkret: Das 19. Jahrhundert war      Menschen sollen am geschaffenen        Welt immer mehr zum Dorf zusam-
geprägt vom Liberalismus, von der     Reichtum Anteil haben. Der Staat       menrückt – und er engagiert sich
Idee der Freiheit, vom Kampf um       trägt mit seinen Sozialwerken zur      für das langfristige Überleben auf
die Bürgerrechte. Das 20. Jahrhun-    gerechteren Verteilung bei.            diesem Planeten. Weil er aus der
dert war geprägt vom Sozialismus,                                            Geschichte gelernt hat: So wie die
von der Frage nach dem Ausgleich      21. Jahrhundert und Ökologie           Natur ohne Dinosaurer weiter exis-
der Interessen und von der Idee des   Jetzt im neuen Jahrhundert steht       tiert, so könnte die Natur auch ohne
Wohlfahrtsstaates für alle. Und das   nach der Freiheit im 19. und der so-   den Menschen auskommen. Umge-
21. Jahrhundert wird geprägt sein     zialen Gerechtigkeit im 20. Jahrhun-   kehrt aber nicht – der Mensch kann
von der Ökologie, von der Notwen-     dert eine ganz neue Frage im Fokus     ohne Natur nicht überleben. ■

                                                                         BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Nationalrat

    Grosse Buben und grüne Feen

    Josef Lang, Nationalrat Alternative, Zug | Bilder AöV und flickr.com

8   Die ersten zwei Wochen der Sommersession setzte ich mich in Voten und          heit diesmal durchkam, kann ich
    Vorstössen ein für eine liberale Einbürgerungspraxis, für ein soziales         heute noch nicht begreifen. In der
    Boden- und Pachtrecht, für den Zimmerberg-Basistunnel, gegen die Mili-         Fragestunde distanzierte sich Bun-
    tarisierung der Aussen- wie der Innenpolitik sowie gegen den Export von        desrat Schmid in der Beantwortung
    Rüstungsgütern.                                                                einer Frage der grünen Fraktions-
                                                                                   chefin Therese Frösch von der an
                                                                                   einem offiziellen Anlass gemach-
                                                                                   ten Aussage Divisionär Hofmeis-
    Der erste Tag der Session begann       kleinen rechten Minderheit unter-       ters, Leute wie «Nationalrat Lang»,
    mit einer Vorsitzung über die ver-     stützt wird. Auf besonderes Unver-      welche die Ordonnanzwaffe ins
    schiedenen     Bahntunnelprojekte,     ständnis stösst das Festhalten an ei-   Zeughaus verbannen wollen, seien
    die der Bundesrat auf die Zeit nach    ner Obergrenze, obwohl sowohl die       «linke Wühlmäuse». Schriftlich
    2030 verschieben will. Die Zentral-    NFA-Kommission als auch die Ver-        beantwortet wurde meine Frage
    schweiz war an der Sitzung, an der     waltung eine Überprüfung der Sor-       bezüglich Waffenexporte nach Sau-
    etwa 30 NationalrätInnen teilnah-      gen der Mehrheit der Zuger Regie-       diarabien. Offensichtlich sind dem
    men, durch den Luzerner Louis          rung verbindlich zugesagt haben.        Bundesrat die Menschenrechte we-
    Schelbert und mich vertreten. Der      Am Nachmittag wehrte ich mich           niger wichtig als das Geschäft und
    Sessionstag selber stand für mich      gemeinsam mit dem Basler Sozial-        die Beziehungen zu den USA und
    im Zeichen der im April während        demokraten Ruedi Rechsteiner ge-        ihren Verbündeten.
    meines Indienaufenthalts verstor-      gen Rüstungsvorhaben wie das 278        Am Dienstag sammelte ich Unter-
    benen Einsiedler Sozialdemokratin      Millionen teure FIS-Heer, das der       schriften für die Zimmerberg-Inter-
    Josy Gyr. Ich hatte ihr Grab und das   Armee vor allem in der inneren Si-      pellation. Am Mittwoch arbeitete
    ihrer beiden früh verstorbenen Kin-    cherheit dient. Weiter kämpfte ich      ich an einer Motion zum Abbruch
    der während der Zuger Landeswall-      gegen die Verdoppelung der Kapa-        des schweizerischen Nato-Abenteu-
    fahrt gemeinsam mit ihrem Mann         zität von Auslandeinsätzen, unter       ers in Afghanistan. Am Nachmittag
    besucht. Für Meinrad Gyr, mit          anderen weil diese uns immer mehr       reiste die Fraktion in den Neuen-
    dem ich mich im Bundeshaus-Café        ins Schlepptau des US-geführten         burger Jura, wo ich als höflicher
    traf, war die Vereidigung von Josys    «war on terror» führen. Mit einem       Gast keine der «Grünen Feen» ab-
    Nachfolger Andy Tschümperlin ein       Ordnungsantrag hatte ich durchge-       wies, die mir angeboten wurden.
    besonders bewegender Augenblick.       bracht, dass es über die Ausland-       Am Donnerstag war ich froh, dass
                                           einsätze überhaupt eine echte De-       ich kein Votum zu halten hatte.
    Formel-1-Lausbubenstreich              batte gab.
    Am zweiten Sessionstag entpuppte       Der Donnerstag stand ausserhalb         Bauern und Pächter vor dem
    sich die Mehrheit der bürgerlichen     des Saales im Zeichen der Swissair-     Kapital schützen
    Politiker als grosse Buben, die un-    Freisprüche, innerhalb desselben        Gemeinsam mit jenen Bauernvertre-
    ter Führung ihres Pfadiführers Ul-     in dem der Einbürgerungs-Initiati-      tern, die dem eigenen Beruf und den
    rich Giezendanner die dümmsten         ve der SVP. In meinem Votum wies        Pächtern näher stehen als den Bo-
    Streiche spielen. Die angesichts der   ich darauf hin, dass eine Demo-         den- und Kapitalbesitzern, kämpfte
    Klimaerwärmung und des Land-           kratie auf zwei Beinen steht – auf      die Linke erfolgreich für Massnah-
    schaftsschutzes völlig abwegige        einem demokratischen und einem          men gegen Überschuldung und für
    Wiederzulassung von Formel-1-          liberalen.                              Pachtzinskontrolle. Zum Glück er-
    Autorennen wurde von 97 Bür-                                                   folglos versuchte der Bundesrat, das
    gerlichen, unter ihnen die beiden      «Linke Wühlmaus» und «Grüne Fee»        Boden- und das Pachtrecht zu «li-
    rechtsbürgerlichen Zuger, unter-       Am ersten Tag der zweiten Sessi-        beralisieren». Dies hätte bedeutet,
    stützt.                                onswoche ergriff ich das Wort in        dass der landwirtschaftliche Boden
    Am Mittwoch ging es am Vormit-         der Agrardebatte (siehe folgende        der Spekulation und die Pächter
    tag vor allem um den Neuen Fi-         Seite!) und in der Armeediskussion.     den Zinssteigerungen ausgeliefert
    nanzausgleich (NFA). Die Abstim-       Bei der so genannten Armeereform        worden wären. Gerade im Kanton
    mungen zeigten, dass die offizielle    ging es um die genau gleiche Vor-       Zug mit seinen explodierenden Bo-
    Zuger Position, welche die Aus-        lage wie die in Flims von allen SP-     denpreisen und der Landknappheit
    gleichwirkung des NFA auf Kosten       KollegInnen und von der Mehrheit        wäre der Druck auf die Bauern- und
    der ärmeren Kantone schwächen          der SVP abgelehnten. Warum die          Pächterfamilien noch massiver ge-
    will, im Nationalrat nur von einer     Militarisierung der inneren Sicher-     worden. In den folgenden beiden

    BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Analyse zu leicht, wenn die Ver-        liche Gewerbe und Grundstücke           9
                                     antwortung an die Qualität der Be-      weiterführen will. (…) Die Aufgabe
                                     triebsführung abgeschoben wird.         der Pachtzinskontrolle begünstigt
                                     Die kompetenteste Stellungnahme         die Landpacht durch jene, die Mittel
                                     zur Frage der Belehnungsgrenze          für den Zins aufwenden, die nicht
                                     haben in der Vernehmlassung die         aus der Produktion finanziert sind,
                                     Leiter der kantonalen Agrarkredit-      oder jene, die leichtsinnigerwei-
                                     kassen abgegeben. Sie sind täglich      se oder gezwungenermassen ihre
                                     mit dem Entscheid darüber kon-          Eigenkapitalbasis aufzehren. Das
                                     frontiert, ob eine Investition finan-   Kostenargument lässt sich ebenso
                                     ziell tragbar ist. Sie spüren in den    für die Rechtfertigung der Pacht-
                                     Verhandlungen mit den Bauern-           zinskontrolle hinzuziehen. Die
                                     familien den Entwicklungsdruck,         Öffentlichkeit steckt Milliarden in
                                     der zu riskanten Finanzierungen         die Erhaltung der Landwirtschaft.
                                     verleitet. Das Eintreten dieser         Da darf der Bund nicht am neur-
                                     Fachleute für die Beibehaltung          algischen Punkt die Schleuse für
                                     der Belehnungsgrenze für Land-          den Abfluss von Geldmitteln aus
                                     wirtschaftsbetriebe ist das stärks-     der Landwirtschaft öffnen. 50 Pro-
                                     te Argument. Dass Bundesrat und         zent der Landwirtschaftsflächen
Abschnitten bringe ich Auszüge       Bundesamt für Landwirtschaft di-        sind bekanntlich Pachtland. Ist es
aus meinen beiden Voten vom 11.      ese warnende Stimme überhören,          zumutbar, wenn die Bürgerinnen
Juni zur Verteidigung der Bauern-    ist unbegreiflich. Gemäss Schät-        und Bürger weiterhin Milliarden
und Pächterfamilien gegenüber        zungen des Bauernverbandes wür-         in eine Landwirtschaft zahlen, aus
dem Druck der Kapitalbesitzenden.    de eine Aufhebung der Belastungs-       der eine Milliarde an Pachtzinsen
Die erste Abstimmung über die Bei-   grenze zu ruinösen Mehrkosten           abfliesst?»
behaltung einer Belehnungsgrenze     von 40 bis 80 Millionen Franken
als Massnahme gegen Überschul-       für Fremdkapitalzinsen führen.          Vorstoss für Zimmerberg
dung gewann das Bündnis von Bau-     Die Investitionen der Landwirt-         Abgesehen von zwei Ausnahmen
ern und Linken, der sich im Unter-   schaft werden zu einem erheblichen      haben alle Zentralschweizer und
schied zum Ständerat die Mehrheit    Teil über zinslose und zinsgünstige     zusätzlich jene sechs Zürcher Nati-
der CVP und der SVP anschloss,       Darlehen finanziert. Darin stecken      onalrätinnen und Nationalräte, die
mit 128 zu 39 Stimmen. Die zweite    hunderte von Millionen Franken,         für den Ständerat kandidieren, mei-
Abstimmung über die Beibehaltung     welche der Bund über die letzten        ne Interpellation zum Zimmerberg
der Pachtzinskontrolle gewannen      zwanzig, dreissig Jahre in diese        Basistunnel unterzeichnet. Damit
wir mit 121 zu 33 Stimmen, obwohl    kantonalen Fonds de roulement           ist es mir gelungen, alle politischen
die Kommissionsmehrheit noch der     eingeschossen hat. Nötig sind die-      Kräfte der Zentralschweiz und des
bauern- und pächterfeindlichen       se öffentlichen Kreditmittel, weil      Kantons Zürich hinter diesem An-
FDP gefolgt war.                     die Finanzierung durch Eigenmit-        liegen zu vereinen.
                                     tel und Bankkredite wegen der Er-
Massnahmen gegen Überschuldung       tragslage der Landwirtschaft nicht      Sowohl als auch
Hier mein Votum zur Pachtzins-       sichergestellt ist. Die Belehnungs-     Beim Entscheid, die Zürcher
kontrolle: «Im jährlichen Agrarbe-   grenze ist die Gegenversicherung,       StänderatskandidatInnen Chantal
richt des Bundesamtes für Land-      damit die öffentlichen Gelder, die      Galladé (SP), Kathi Riklin (CVP),
wirtschaft wird die finanzielle      man durchaus als Risikokapital be-      Ruedi Aeschbacher (EVP), Fe-
Lage der Landwirtschaftsbetriebe     zeichnen kann, zum Gedeihen und         lix Gutzwiler (FDP), Ueli Maurer
rapportiert. Eine Mehrheit der Be-   nicht zum Ruin der Landwirtschaft       (SVP) und Daniel Vischer (Grüne)
triebe zehrt am Eigenkapital und/    beitragen.                              zu fragen, machte ich mir folgende
oder hat einen ungenügenden Ei-                                              Überlegung: Wenn es gelingt, den
genkapitalsanteil. Landkäufe gehö-   Beibehalten der Pachtzinskontrolle      Zimmerberg und allgemein den
ren zu den Ursachen, die eine Bau-   Die Grüne Fraktion unterstützt          öffentlichen Verkehr zu einem
ernfamilie in einen finanziellen     die Position der Minderheit Walter      Thema im Zürcher Ständerats-
Engpass treiben. Das Bundesamt       Hansjörg, die die bisherige Pacht-      wahlkampf zu machen, dann er-
für Landwirtschaft macht sich die    zinskontrolle für landwirtschaft-       halten diese Themen nationale Be-

                                                                         BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
10                                                                                 deutung, weil sich der Wahlherbst
                                                                                   stark um den Zürcher Stände-
                                                                                   ratswahlkampf drehen wird. Der
                                                                                   Bundesrat muss die Interpellation
                                                                                   noch vor der Septembersession,
                                                                                   also spätestens einen Monat vor
                                                                                   den Wahlen beantworten.
                                                                                   Nachdem ich die Interpellation mit
                                                                                   den 24 Unterschriften am Dienstag,
                                                                                   den 12. Juni, eingereicht hatte, lan-
                                                                                   cierte die SVP am Freitag über die
                                                                                   Neue Luzerner Zeitung die Idee,
                                                                                   den Ceneri-Tunnel zugunsten des
                                                                                   Zimmerbergs zurück zu stellen.
                                                                                   Diese Entweder-oder-Haltung ist
                                                                                   aus zwei Gründen falsch. Erstens
                                                                                   braucht es neben dem Zimmerberg
           nach Thalwil (Chur)                 nach Zug (Gotthard/Luzern)          auch den Ceneri-Tunnel im Süden
                                                                                   und den Wisenberg-Tunnel durch
                                                                                   den Jura, damit die NEAT wirk-
                                                                                   lich funktioniert. Und zweitens hat
     Anlässlich des Baus der ersten Etappe des Zimmerbergtunnels zwischen Zürich   der Zimmerberg politisch nur eine
     und Thalwil wurden bereits Millionen von Franken in ein unterirdisches Ver-   Chance, wenn es gelingt, einen
     zweigungsbauwerk bei Thalwil «verlocht». Trotzdem schlägt der Bundesrat in    Grossteil der Ceneri-Befürworter
     seinem ZEB-Vernehmlassungsentwurf den Verzicht auf den Zimmerberg Basistun-   zu gewinnen. Nur das Sowohl-als-
     nel vor.                                                                      auch bringt uns weiter. ■

      Fragen und Begründung der Inter-       Verzichtes auf den Zimmerberg         Die Strecke Zürich-Zug-Luzern hat
      pellation Lang zum Zimmerberg          Basistunnel auf den nationalen        das drittgrösste Volumen an Per-
      In der gegenwärtig laufenden Ver-      und internationalen Fernverkehr       sonenfahrten (25‘900 Pf/Tag) im
      nehmlassung zur Gesamtschau            zwischen der Schweiz, dem Tessin      schweizerischen Fernverkehr, noch
      FinöV schlägt der Bundesrat den        und Italien?                          vor der Strecke Zürich-Bern! Wäh-
      Verzicht auf den Zimmerberg Ba-        4. Wie viel Geld wurde anlässlich     rend den Spitzenzeiten ist heute
      sistunnel zwischen Thalwil und         des Baus der ersten Etappe des        schon der Bedarf nach einem Vier-
      Baar-Litti vor. Da dieser Vorschlag    Zimmerbergtunnels zwischen Zü-        telstundentakt ausgewiesen.
      im Widerspruch zu zwei Volksent-       rich und Thalwil in das unterir-      Die Verbindung Zürich-Zug-Luzern
      scheiden und zur Bedeutung der         dische Verzweigungsbauwerk bei        ist ein Rückgrat zur Bewältigung
      betroffenen Strecke steht, ersuchen    Thalwil investiert und wozu dient     der Verkehrsnachfrage in einer aus-
      wir den Bundesrat um die Beant-        diese Investition?                    serordentlich dynamischen Wachs-
      wortung der folgenden Fragen:          Das Schweizer Volk hat in zwei        tumsregion. Die öV-Nachfrage wird
      1. Wie begründet der Bundesrat die     Volksabstimmungen       mit  sehr     in den nächsten Jahrzehnten auf
      Nichtbeachtung des Volkswillens        deutlichen Mehrheiten (jeweils        dieser Strecke ohne jeden Zweifel
      durch den Verzicht auf den Zim-        über 60%) Ja gesagt zu Vorlagen,      massiv wachsen.
      merberg Basistunnel?                   in denen der Zimmerberg Basis-        Im internationalen Nord-Süd-Fern-
      2. Wie gedenkt der Bundesrat das       tunnel explizit aufgeführt wird:      verkehr stellen der einspurige Al-
      mit Sicherheit zu erwartende starke    am 27.9.1992 mit der NEAT-Ab-         bis- und Hirzeltunnel ein Nadelöhr
      Wachstum der Verkehrsnachfrage         stimmung und am 29.11.1998 mit        dar. Dies auf einer Linie, welche
      auf der Strecke Zürich-Zug-Luzern      der Abstimmung über den FinöV-        Bestandteil einer wichtigen Zu-
      bis zum Jahre 2030 ohne Zimmer-        Fonds. Im Alptransit Beschluss        bringerstrecke zur NEAT ist. Sie
      berg Basistunnel sicher zu stellen?    wird gemäss Art 5bis8 der Zimmer-     liegt auf der Achse der beiden me-
      3. Wie beurteilt der Bundesrat die     berg bei den finanzierten NEAT-In-    tropolitanen Grossräume Zürich
      Auswirkungen eines langfristigen       vestitionen aufgeführt.               und Mailand.

     BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Glencore

Wer anderen eine Grube gräbt …

Lisa Huber, Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien | Bild Internet

Die Zinnhütte Vinto, welche sich bis zur Nationalisierung durch den boli-                                              11
vianischen Präsidenten, Evo Morales, im Februar dieses Jahres im Besitz
des in Zug ansässigen Rohstoffkonzerns Glencore befand, hat eine rege
Geschichte von Besitzerwechseln hinter sich, die sich vor allem durch ihren
Mangel an Transparenz auszeichnet.

Um die Gründe für die Verstaatli-      aber auch COMSUR in Schwierig-
chung von Vinto vollumfänglich         keiten und verkaufte im Jahr 2005
zu erfassen, müssen wir im Jahr        ihre Aktien mitsamt der Zinnhüt-
1999 beginnen. Damals wurde            te Vinto an Glencore. Gleichzeitig         Die verstaatlichte Zinnhütte Vinto
der Metallkomplex, welchem die         wurde eine Namensänderung von              in Bolivien.
Zinnhütte Vinto angehörte, noch        COMSUR in SINCHI WAYRA ver-
Eigentum der staatlichen Minen-        anlasst.
firma COMIBOL. Laut Regierung
hatte der Komplex, alle von der        Illegale Transaktionen                     laut Morales auch die Zinnhütte
Regierung getätigten Investitionen     Unregelmässigkeiten       und    ein       Vinto, da der Verkauf an Glencore
mit eingerechnet, zu der Zeit einen    grundsätzlicher Mangel an Trans-           seinerzeit illegal gewesen sei.
Wert von rund 140 Millionen US-        parenz bei den getätigten Transak-
Dollar. Der Buchwert der Zinnhüt-      tionen von Allied Deals, COMSUR            Geschäfte nur vorgetäuscht
te betrug 95 Millionen US-Dollar.      und Glencore führt Morales als             Der Ex-Präsident, die Konfiska-
Eine unabhängige Beratungsge-          Rechtfertigung für die Verstaatli-         tion seiner Güter in Bolivien ah-
sellschaft schätzte den Wert des       chung an. Bei seinen öffentlichen          nend, habe laut der Regierung den
Betriebes auf 47 Millionen US-Dol-     Ausführungen kam er zudem im-              Verkauf seiner COMSUR-Aktien
lar. Da die damalige bolivianische     mer wieder auf zwei Beweggrün-             an Glencore nämlich nur vorge-
Regierung diesen Wert jedoch als       de zurück: 1967 wurde eine neue            täuscht. Morales begründet diese
sehr hoch empfand, liess sie den       Verfassung verabschiedet, die den          Aussage einerseits damit, dass bis
Komplex abermals schätzen. Dies-       Verkauf von Minen und Bergbau-             heute kein Kaufvertrag vorliegt,
mal wurde die Schätzung von der        aktivitäten an Private verbot. Da          der diese Transaktion bestätigen
Bank Paribas ausgeführt, welche        der einst staatliche Komplex ge-           würde. Zudem habe Glencore nach
nunmehr auf einen Wert von 10          mäss Verfassung gar nie zum Ver-           eigenen Aussagen 90 Millionen
Mio. US-Dollar kam. Nun schrieb        kauf hätte ausgeschrieben werden           US-Dollar für die Aktien von Vin-
die damalige Regierung den Me-         dürfen, sind gemäss Morales alle           to bezahlt, obwohl die anfängliche
tallkomplex zum Verkauf aus.           getätigten Transaktionen illegal.          Zuteilung bei 14 Millionen US-Dol-
                                       Der zweite Beweggrund gründet in           lar lag. Von der Unrechtmässigkeit
In den Besitz von Glencore             den Umständen, welche zur Zeit             der verschiedenen Geschäfte seit
Lediglich zwei Bewerber nahmen         des Verkaufs des Metallkomplexes           der Privatisierung der Zinnhütte
an der Ausschreibung teil. Einer       von Goni an Glencore in Bolivien           ausgehend, folgert Morales also,
davon der Ex-Präsident Gonzalo         herrschte. Der Ex-Präsident befand         dass Glencore ein unrechtmässiger
Sánchez de Lozada (auch «Goni»         sich nämlich zu jener Zeit seit zwei       Transfer angeboten und Bolivien
genannt), der Eigentümer der Mi-       Jahren im Exil in den USA, wohin           seines Eigentums beraubt wurde.
nengesellschaft COMSUR war.            er im Oktober 2003, unmittelbar
Mitbewerber war das weitgehend         nachdem er durch einen blutigen            Entschädigung gefordert
unbekannte britisch-indische Un-       Volksaufstand gestürzt worden              Erwähnenswert ist auch, dass mit
ternehmen Allied Deals. In einem       war, flüchtete. Seither läuft gegen        dem Verkauf der Zinnhütte an ein
Schnellverfahren wurde der Kom-        den Ex-Präsidenten ein Verfah-             Schweizer Unternehmen das bila-
plex weit unter seinem Wert an         ren, das ihn wegen seiner Verant-          terale   Investitionsschutzabkom-
Allied Deals verkauft, wobei da-       wortlichkeit am Massaker vom               men zwischen der Schweiz und
mals noch nicht bekannt war, dass      «Schwarzen Oktober» zur Rechen-            Bolivien aus dem Jahre 1991 ins
diese der Geldwäscherei angeklagt      schaft ziehen will. Da sich Goni je-       Spiel kommt. Laut Glencore stellt
war. Als Allied Deals wenig spä-       doch nicht der bolivianischen Jus-         nämlich die Verstaatlichung – und
ter bankrott ging, kaufte COMSUR       tiz stellen will, ist die Regierung        insbesondere das Ausbleiben einer
2002 den Metallkomplex für einen       zur Konfiszierung seiner Besitztü-         Entschädigung – ein Bruch mit
geheimen Preis. Bald darauf geriet     mer übergegangen. Dazu gehöre              diesem Abkommen dar. ■

                                                                              BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Globalisierung

     Wir essen den Amazonas auf

     Sibylle Zollinger, Mediensprecherin bei Greenpeace Schweiz | Bilder flickr.com

12   Die steigende weltweite Soja-Nachfrage hat in Brasilien einen regelrechten       ber dem der Rechtsstaat kläglich
     Boom ausgelöst. Der neue Exportschlager bringt dem hoch verschuldeten            versagt. Die Methoden der Gross-
     Land Devisen, aber auch Zerstörung: Die Soja-Felder fressen sich immer           farmer sind häufig wenig zimper-
     tiefer in den Urwald hinein.                                                     lich: Sowohl wenn es darum geht,
                                                                                      an das begehrte Land zu kommen,
                                                                                      als auch auf ihren Farmen, wo Men-
     Die Klimaanlage der Erde – so ha-       Kleine Bohne, grosse Wirkung             schen wie Sklaven schuften. Gehen
     ben Wissenschafter den Amazonas         Als 1982 erstmals Soja im Süden          die Ansässigen – häufig Angehörige
     auch schon bezeichnet. Er reinigt       Brasiliens    angepflanzt   wurde,       indigener Gemeinschaften – nicht
     die Luft, filtert Wasser und verhin-    glaubte niemand, dass eine so klei-      freiwillig, werden sie vertrieben,
     dert Erosion. Aber die Schatzkam-       ne Bohne dem riesigen grünen Pa-         ihre Häuser niedergebrannt.
     mer der Artenvielfalt und ihre Be-      radies gefährlich werden könnte.
     wohner sind in Bedrängnis: In den       Doch mit der steigenden Nachfrage        Mord für 200 Franken
     vergangenen drei Jahrzehnten wur-       auf dem Weltmarkt rückten immer          Aus den letzten 33 Jahren sind al-
     den Flächen von der Grösse Frank-       mehr Sojagrossfarmer dem Urwald          lein im Bundesstaat Pará 772 Morde
     reichs gerodet. Wird diese rasante      zu Leibe. Mit verheerenden Konse-        in Landkonflikten belegt. Jene, die
     Entwicklung nicht gestoppt, könnte      quenzen: Wald und Mensch müs-            mutig für Gerechtigkeit einstehen,
     der brasilianische Regenwald schon      sen gigantischen Monokulturen            leben gefährlich. «Vordergründig
     in 30 bis 40 Jahren verschwunden        von bis zu mehreren tausend Hekt-        scheint die Gegend eine verschla-
     sein. Denn ein neuer Feind ist auf-     ar weichen. Von den 2003 und 2004        fene Dschungelprovinz. Doch da-
     getaucht: die Sojabohne. Wegen          brandgerodeten 2,7 Millionen Hekt-       hinter herrscht organisiertes Ver-
     ihres hohen Anteils an Protein ist      ar Wald wurden drei Viertel illegal      brechen. Landarbeiter werden für
     sie eigentlich eine «goldene Pflan-     vernichtet. Das Sojabusiness spielt      200 Franken umgebracht, eine
     ze», doch ihr rücksichtsloser Anbau     sich in einem Sumpf von Zerstörung,      prominente Nonne und US-Bürge-
     richtet enormen Schaden an.             Gewalt und Korruption ab, gegenü-        rin kostete 5000», schildert Kaspar

     Sojaernte im Amazonasgebiet: In Brasilien wird auf fast 23 Millionen Hektar Soja angebaut. Das entspricht der Fläche
     Grossbritanniens.

     BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
In Form von Sojaschrot landen sie       13
                                                                                  grösstenteils im Futtertrog von Tie-
                                                                                  ren. An der Spitze der Importländer
                                                                                  stehen die EU und China. Auch die
                                                                                  Schweiz bezog letztes Jahr 84 Pro-
                                                                                  zent ihrer Soja aus Brasilien, wo-
                                                                                  her genau ist schwer eruierbar. Für
                                                                                  eine Garantie, dass Lebensmittel
                                                                                  aus Soja und insbesondere Fleisch
                                                                                  von damit gefütterten Tieren nicht
                                                                                  aus zerstörtem Urwald stammen,
                                                                                  muss ihre Herkunft aus Brasilien
                                                                                  und anderen Urwaldländern ausge-
                                                                                  schlossen werden. Zumindest heute
                                                                                  noch gilt für den Konsumenten: Nur
                                                                                  Fleisch aus ökologischer Tierhal-
                                                                                  tung ist sicher.

                                                                                  Atempause für den Urwald
                                                                                  Greenpeace arbeitet seit 1998 gegen
                                                                                  die Amazonas-Zerstörung – als ein-
                                                                                  zige internationale Umweltorgani-
                                                                                  sation mit Büro und Belegschaft vor
                                                                                  Ort. Im April 2006 verstärkte sie mit
                                                                                  dem Bericht – «Eating up the Ama-
                                                                                  zon» den internationalen Druck
                                                                                  auf die Lebensmittel- und Futterin-
                                                                                  dustrie. Darin wird aufgezeigt, wie
                                                                                  sich der europäische Konsum von
                                                                                  Fleisch und anderen tierischen Pro-
                                                                                  dukten auf Amazonien auswirkt. In
                                                                                  der Folge forderten McDonald’s und
Von den 2003 und 2004 in Brasilien gerodeten 2,7 Millionen Hektar Regenwald       verschiedene     Lebensmittelhänd-
wurden drei Viertel illegal vernichtet.                                           ler zusammen mit Greenpeace von
                                                                                  Cargill, Bunge, ADM und Maggi,
                                                                                  den illegalen Sojaanbau im Regen-
                                                                                  wald zu stoppen.
Schuler, Geschäftsleiter Greenpeace     beteiligt, etwa durch Schaffung
Schweiz, seine erschütternden Er-       von Infrastruktur. So hat Cargill in      Teilerfolge zu verbuchen
lebnisse bei seinem kürzlichen Be-      Santarém mitten im Amazonasge-            Die Verhandlungen endeten im Juli
such.                                   biet eine Soja-Schiffverladestation       2006 mit einem Teilerfolg: Die vier
                                        gebaut – auch das ungesetzlich.           Sojagiganten stimmten einem Mo-
US-Konzerne beherrschen Markt                                                     ratorium zu. Sie werden zwei Jahre
Dafür, dass sich der illegale Anbau     An Tiere verfüttert                       lang auf den Kauf von Soja von im
für die Sojafarmer lohnt, sorgen die    2,5 Millionen Tonnen der brasilia-        Regenwald frisch angelegten Feld-
drei US-Getreidehändler Cargill,        nischen Soja stammen heute aus Ur-        ern verzichten. «Eine Atempause für
Bunge und Archer Daniels Midland        waldgebieten – und es werden stetig       den Urwald», so Thomas Henningsen
(ADM) sowie der brasilianische          mehr. 2005 hat sich Brasilien vor         von Greenpeace International. «Sie
Sojakönig Blairo Maggi. Die drei        den USA und Argentinien als Num-          muss genutzt werden, um einen öko-
US-Konzerne allein kontrollieren        mer eins unter den Sojaproduzenten        logischen und sozialverträglichen
zusammen 60 Prozent der brasili-        positioniert. 2004 verliessen satte 38    Landnutzungsplan zu vereinbaren,
anischen Exporte und sind auch          Millionen Tonnen das Land. Doch           der ein Netzwerk von Schutzgebieten
direkt an der Urwaldvernichtung         was passiert mit diesen Unmengen?         einschliesst.» ■

                                                                              BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Regieren mit Publikum

     Es geht auch anders

     Gerhard Schmid, Hünenberg | Bilder Adelina Odermatt

14   Seit dem Einzug zweier Alternativer in den Zuger Regierungsrat wurde die       Departemente der Exekutive vertei-
     Kommunikationsschraube kräftig angezogen. Abweichende Meinungen in-            len sich auf fünf Regierungsräte, je
     nerhalb der Regierung sollen nicht mehr nach aussen dringen. Dass es auch      zwei FDP- und CVP- sowie ein SP-
     anders ginge, zeigt das Beispiel Solothurn, wo nicht nur Kantonsrats-, son-    Vertreter, von denen derzeit eine ein-
     dern auch Regierungsratssitzungen für die Öffentlichkeit zugänglich sind.      zige Dame mitwirkt. Der amtierende
                                                                                    Landammann – der jüngste im Gre-
                                                                                    mium und seit eineinhalb Jahren im
                                                                                    Amt – präsidiert gleichzeitig die SP-
                                                                                    Sektion seines Wohnbezirks. In Zug
                                                                                    hätte eine solche Ämterkombination
                                                                                    das Protestgeschrei der rechtsbür-
                                                                                    gerlichen Phalanx auf sicher.
                                                                                    Solothurn kennt seit jeher nichts an-
                                                                                    deres als den freien Zugang zu Kan-
                                                                                    tons- und Regierungsratssitzungen,
                                                                                    entsprechend dem Refrain im Solo-
                                                                                    thurner Lied «‹S isch jo immer, im-
                                                                                    mer, immer eso gsi». Die Regierung
                                                                                    tagt in der Regel dienstags, die Trak-
                                                                                    tanden sind auf der Website des Kan-
                                                                                    tons für jedermann einsehbar.

                                                                                    Kollegial und effizient
                                                                                    Es ist beeindruckend, wie speditiv
                                                                                    die traktandierten Geschäfte abge-
                                                                                    wickelt werden. Bleibt eine Frage
                                                                                    offen, ist im Nu entschieden, wie die
                                                                                    Weiterbearbeitung vor sich geht. Es
     Zuger Regierungsratszimmer: kein Zutritt.                                      herrscht eine konzentrierte, ruhige
                                                                                    Atmosphäre, der Umgangston ist
                                                                                    sachlich und entspannt, wobei auch
                                                                                    Humor und Kraftausdrücke ihren
     Landammann Joachim Eder schwad-         Umfahrung Cham–Hünenberg oder          Platz haben.
     roniert gerne über Transparenz und      wenn es darum geht, unausgewo-         Der Mediensprecher des Regierungs-
     Bürgernähe, aber ausgerechnet er        gene Steuervorlagen unter dem La-      rates kann während den Sitzungen
     lancierte in der ersten Regierungs-     bel «Ja zum fairen Steuergesetz» zu    nicht über Bewegungsmangel klagen.
     ratssitzung in neuer Zusammenset-       vermarkten. Mit der nichts sagenden    Immer wieder verlässt er den Raum
     zung ein restriktives Konzept im        Floskel «Die Regierung muss nach       und eilt ans Telefon, um Privatper-
     Umgang mit Öffentlichkeit. Unter        aussen geschlossen auftreten» über-    sonen, Unternehmen oder Instituti-
     der Etikette Kollegialitätsprinzip      tünchen die Einheitsbrei-Strategen     onen über einen für sie relevanten
     sollen Regierungsräte nicht mehr        die Tatsache, dass man als Einwoh-     Beschluss zu informieren, damit
     das Recht haben, eigene Meinungen       nerIn zur eigenen Meinungsbildung      ihm nicht die anwesenden Medien-
     öffentlich zu äussern, wenn sie nicht   durchaus wissen möchte, wie die        vertreter darin zuvorkommen.
     dem Mainstream der Regierenden          Regierungsmitglieder im politischen    Für den Staatsschreiber geht es nach
     entsprechen. Andererseits ist es of-    Tagesgeschäft agieren und reagieren.   aussen hin gemütlicher zu. Doch der
     fenbar legitim, mit Traktaten aus                                              Eindruck täuscht: Nur dank seiner
     Steuergeldern und hoch bezahlten        Gegenbeispiel Solothurn                sorgfältigen Planungs- und Vorberei-
     «Experten» auf so genannten Infor-      Der Kanton Solothurn ist flächen-      tungsarbeit kann er sich an den Sit-
     mationspodien Propagandawalzen          mässig mehr als dreimal so gross       zungen entsprechend zurücklehnen,
     loszutreten, wenn es der Parlaments-    wie Zug und zählt 250‘000 Einwoh-      ganz abgesehen davon, dass er im
     mehrheit in den Kram passt, so ge-      ner (Zug 105‘000). Mit 10 Bezirken     Nachhinein wieder am Zuge ist für
     schehen beim knapp gewonnenen           und 126 Gemeinden ist er aber viel     das Protokoll und weitere sich dar-
     230-Millionen-Kredit für die Luxus-     differenzierter strukturiert. Die 12   aus ergebende Schritte.

     BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Solothurn ist anders, der Regierungsrat tagt öffentlich.

Grenzen des Öffentlichkeitsprinzips     einen Begriff davon, wie anspruchs-     stimmung bekanntlich ein hauch-
Neben Routinebeschlüssen oder           voll, komplex und arbeitsintensiv       dünnes Mehr von 21 Stimmen zu
spannenden Themen wie erste und         Regierungstätigkeit ist.                Gunsten der Stahlhelmfraktion im
zweite Fremdsprache in der Pri-                                                 Kantonsrat. ■
marschule, Schaffung von Tages-         Und Zug?
schulen, Zusammenarbeit mit Zug         Unser Kanton ist in der gegenwär-
bei der Höheren Fachschule für          tigen politischen Konstellation aus-
Pflegepersonal, Verlängerung einer      ser Stande für eine derartige Öffnung
Bahnlinie, ökologisch ausgerichte-      oder nur schon für eine Lockerung
ten Motorfahrzeugsteuern, Notfall-      der aktuellen Maulkorbpraxis. Die
übungen in schweizerischen Kern-        regierungsrätlichen Abschottungs-
anlagen,     Verfassungsbestimmung      mechanismen sind nämlich durch-
zum Hooliganismus, Auflösung des        aus adäquate Mittel in einem Klima,
Dienstverhältnisses von Kadermit-       wo das Geld den Geist beherrscht.
arbeiterinnen und -mitarbeitern der     In Zug lassen sich die Zuhälter des
kantonalen Verwaltung usw. gibt es      Grosskapitals möglichst wenig in
Geschäfte, worauf man sich als Zu-      die Karten blicken und bauen ihren
hörerIn zu früh freut, z.B. «Droht      politischen Einfluss kontinuierlich
im Fall XY nach dem Pensionskas-        aus, dies mit dem (erwünschten?)
sendebakel ein Justizdebakel?» Hier     Nebeneffekt, dass Leute mit «ver-
beschränkt man sich darauf fest-        nünftigen» Einkommens- und Ver-
zulegen, welches Departement sich       mögensverhältnissen beginnen, mit
damit auseinander setzen muss. Art.     den Füssen abzustimmen und in
63, Abs. 1 der Kantonsverfassung        Scharen dem für Normalverdienen-
legt dar, was hinter verschlossenen     de unwirtlichen Kanton den Rücken
Türen auszuhandeln ist: «Die Bera-      kehren. Dieser Trend wird sich ver-
tungen [...] des Regierungsrates sind   mutlich bald verstärken durch den
öffentlich, soweit schützenswerte       Exodus kantonaler Angestellter, wel-
private oder öffentliche Interessen     che nach der radikalen Sparrunde
nicht entgegenstehen.» Alles in         bei der Pensionskasse die Nase voll     Eingang zum Regierungsgebäude in
allem gewinnt man als BesucherIn        haben. Hier obsiegte in der Volksab-    der Ambassadorenstadt Solothurn.

                                                                            BULLETIN | NUMMER 2 | Juni 2007
Tangente Neufeld

     Strassen statt Lebensqualität

     Berty Zeiter, Kantonsrätin Alternative, Baar | Bilder Adelina Odermatt

16   Im Kanton Zug grassiert das Strassenbaufieber: Am 11. März 2007 bewil-         als illusorisch entlarvt. Die de-
     ligte das Zuger Stimmvolk äusserst knapp 230 Millionen Franken für die         taillierten Modellrechnungen für
     Umfahrung Cham-Hünenberg. Anfangs Mai 2007 fand der Spatenstich statt          das Jahr 2020 belegen klar, dass
     für die Nordzufahrt, die direkte Verbindung von der Autobahnausfahrt Baar      im Ortszentrum von Baar die Ver-
     ins Zuger Stadtzentrum. Und am 26. April 2007 orientierte die Baudirektion     kehrsmenge nur wenig reduziert,
     über die geplante Tangente Neufeld.                                            also weiterhin auf hohem Niveau
                                                                                    verharren wird. Ebenso ist für die
                                                                                    Stadt Zug keine Zentrumsentlas-
     Die Hochleistungsstrasse Tangente      den auf 200 Millionen Franken ge-       tung zu erwarten, die Verkehrsmen-
     Neufeld soll auf drei Kilometern       schätzt.                                ge auf der Ägeristrasse wird nahezu
     Länge von der Autobahnausfahrt                                                 unverändert bleiben.
     Baar unter der Kreuzung Neufeld        Zielen und daneben schiessen            Bedenkenswert ist auch, dass der
     durch nach Inwil und dann drei-        Die Wurzeln der Tangente Neufeld        Knoten Süd-/Weststrasse direkt
     spurig den Hang hoch führen, wo        liegen im Wunsch von Gewerbetrei-       nach der Autobahnausfahrt Baar
     sie beim Bauernhof Margel in die       benden im Berggebiet und aus dem        bereits durch die Nordzufahrt über-
     Ägeristrasse münden würde. In der      Göbli, einen direkten Anschluss an      lastet sein und Stausituationen her-
     Ebene zwischen der Zugerstrasse        die Autobahn zu erhalten. Das Pro-      vorrufen wird. Die Baarerstrasse
     und Inwil sind drei riesige Kreisel    jekt entwickelte sich dann zu einem     südlich des Neufelds jedoch wird
     vorgesehen, nämlich eine Einmün-       Selbstläufer. Denn eine Erfassung       durch die in Bau befindliche Nord-
     dung der verlängerten Industrie-       der Verkehrsströme zeigte bereits in    zufahrt entlastet.
     strasse in die Tangente, dann ein      einer Studie aus dem Jahre 2000 auf,
     Knoten Inwilerriedstrasse und ein      dass nur ein kleinerer Teil der Fahr-   Bedenkliche Auswirkungen
     Knoten Rigistrasse. Unter dem Bau-     zeuge ab dem Knoten Talacher auf        In seiner Vernehmlassung zum Ge-
     ernhof Geissbühl durch wird die        die Autobahn wollen. Die weitaus        nerellen Projekt weist der Gemein-
     Strasse in einen 360 Meter langen      meisten Autos sind mit Ziel nach        derat Baar darauf hin, dass sowohl
     Tunnel gelegt. Die restliche Stras-    Baar oder Zug unterwegs. Damit          die Lärm- wie auch die Luftschad-
     senführung bleibt offen und wird       wird ein weiteres Ziel des Projektes,   stoffbelastung entlang der Tangente
     teilweise durch Lärmschutzwälle        nämlich eine wirksame Entlastung        zunehmen und so die Wohnnut-
     und -wände von bis zu 3,50 Meter       der stark befahrenen Abschnitte in      zung und die Erholungsfunktion
     Höhe abgeschirmt. Die Kosten wer-      den Ortskernen von Baar und Zug,        beeinträchtigen werden. Es ist da-
                                                                                    von auszugehen, dass trotz kosten-
                                                                                    intensiver     Lärmschutzmassnah-
                                                                                    men die massgebenden Grenzwerte
                                                                                    nicht überall eingehalten werden
                                                                                    können. Ganz besonders kritisch je-
                                                                                    doch wird sein, dass der landwirt-
                                                                                    schaftlich genutzte Grün- und Nah-
                                                                                    erholungsraum zwischen Baar und
                                                                                    Inwil zerschnitten wird. Durch das
                                                                                    Anknabbern des grünen Gürtels
                                                                                    zwischen Zug und Baar durch die
                                                                                    Linienführung der Tangente wird
                                                                                    die Erschliessung für neue Bauzo-
                                                                                    nen provoziert.
                                                                                    Das Fazit des Gemeinderates Baar
                                                                                    tönt sehr kritisch gegenüber diesem
                                                                                    neuen Projekt: «…Bezüglich der
                                                                                    Immissionen ist im Zentrumsge-
                                                                                    biet von Baar nicht mit einer mar-
                                                                                    kanten Verbesserung zu rechnen.
                                                                                    Im Süden von Baar mit den Wohn-
                                                                                    gebieten Inwil und Neufeld sowie
     Noch bessere öV-Angebote statt zusätzlicher Durchgangsverkehr für den Berg.    im Siedlungsgebiet im Hangbereich

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