Dok 5 - Das Feature WDR5, Samstag, 26.12.2020, 11.04 - 12.00 Uhr Pippi und die vergessenen Kinder Papua-Neuguineas - Von deutscher ...

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Dok 5 – Das Feature
WDR5, Samstag, 26.12.2020, 11.04 – 12.00 Uhr
Pippi und die vergessenen Kinder Papua-Neuguineas
– Von deutscher Kolonialgeschichte heute.

Atmo
Unserdeutschfest

Ansage:
Pippi und die vergessenen Kinder Papua-Neuguineas
Von deutscher Kolonialgeschichte heute
Ein Feature von Rebekka Endler

O-Ton
Maria: Have you ever heard of the book Pippi Longstocking?
Rebekka: course Pippi Langstrumpf by Astrid Lindgren
Maria: Yeah. She based some of the stories on Pippi Longstocking on my grandfather.
Rebekka: Really?
Maria: Yeah. And I've been in touch with authors involved in writing the book and they
were telling me that Pipi Langstrumpf was referred to my mum.

Rebekka:
Das ist der Augenblick, an dem mir klar wird, dass ich eine Geschichte habe. Das eine
ist die Geschichte über deutsche Kolonialvergangenheit, über die Kinder in einem
Heim in Papua Neuguinea – die Geschichte, wegen der ich Maria Chan in Brisbane
überhaupt angerufen habe. Und es die Geschichte eine Göre, die sich die Welt macht,
wiede wiede sie ihr gefällt. Sie führt ans Ende der Welt, zu den Nachkommen von Pippi
Langstrumpf und den letzten Sprechern von Unserdeutsch.

Die Geschichte beginnt mit einer Radiomeldung.

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Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig.
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O-Ton
Dlf Nova Meldung Küchendeutsch
„Unserdeutsch, diese Sprache kommt aus Papua Neuguinea, inzwischen ist sie schon
fast ausgestorben, heute sprechen sie nur noch etwas hundert Menschen…“

Rebekka:
Unserdeutsch ist, neben dem Küchendeutsch aus Namibia, das einzig bekannte Kreol-
Deutsch auf der Welt. Es wurde von Kindern auf einer kleinen Insel in Papua-
Neuguinea erfunden. Um die Geschichte dahinter zu verstehen, fahre ich zur Uni
Augsburg. An den Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaften Denn hier gastiert
zur Zeit Craig Volker. Er ist Amerikanischer Professor für Germanistik.

O-Ton
Volker: Hier bin ich übrigens zu Hause.
Rebekka: Ja, ich hab schon gesehen, das ist gemein!

Rebekka:
Er zeigt mit auf dem Handy ein Foto von einem Haus, am Strand von Papua
Neuguinea, unter Palmen, Himmel und Meer. Paradiesisch, verglichen mit dem tristen
Asbest-Bau der Campus Uni Augsburg.

Mitte der 70er Jahre, bevor Craig Volker Professor wurde, jobbte er als Lehrer an einer
öffentlichen High School in Queensland, Australien, um sich sein Studium zu
finanzieren.

O-Ton
Volker: Also ich war Deutschlehrer 75 bis 80 an der Goldküste vor Australien und ich
nehme an, das war 76 oder 77, damals, als ich neue Schüler bekommen habe da habe
ich ein paar Sätze auf Deutsch gesagt und ein paar Fragen gestellt und so „Wie heißt
du?“, „Wie alt bist Du?“ um zu sehen, ob sie überhaupt Deutsch konnten, da es viele
gab, die gar nicht gut Deutsch konnten.
Rebekka: Alles was die Welt heute über Unserdeutsch weiß, weiß sie, weil Craig
Volker: vor etwas mehr als 40 Jahren eine besondere Schülerin in seiner Klasse hatte:

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O-Ton Volker:
Lundin mit Nachnamen.

Rebekka:
Dieses junge Mädchen mit schwedischen Namen ist dunkel und sieht aus wie eine
Melanesierin. Melanesien ist eine Inselgruppe im Pazifik, nördlich von Australien.

O-Ton Volker:
Und sie war toll, also ich war erstaunt, sie konnte so gut antworten, war gar nicht
nervös Deutsch zu benutzen, aber sie hatte so eine komische Grammatik. Das war
nicht eine englische Grammatik, das war nur komisch. Aber die Aussprache war
perfekt und da habe ich gefragt: Wo hast du denn deutsch gelernt und dann hat sie
gesagt: „Ja, ich habe das nie gelernt, das haben wir nur Zuhause benutzt“.

Rebekka:
Yvonne ist in Rabaul aufgewachsen, auf der Insel Neubritannien, in Papua Neuguinea.
Das war vor 40 Jahren. Heute lebt Yvonne Lundin in Brisbane, Australien. Wo sie
Lehrpläne für das Bildungsministerium von Queensland entwickelt. Ich hole sie von
der Arbeit ab und wir gehen spazieren.

O-Ton Yvonne:
I hated maths! Up until now I hate maths and I can't do maths, but I thought... I'll do
German so don't have to do Maths. So... And of course we had Oma at home, so we
spoke a lot of Unserdeutsch, then.

OV: Ich habe Mathe gehasst! Bis heute hasse ich Mathe und ich kann‘s auch nicht.
Aber ich hab gedacht… mach ich einfach Deutsch, dann muss ich kein Mathe nehmen.
Und natürlich hatten wir ja auch Oma Zuhause, also haben wir auch viel Unserdeutsch
gesprochen.

Rebekka:
Yvonne Lundin wird von ihren Eltern mit 17 nach Australien geschickt. Zusammen mit
ihrem Bruder. In Papua Neu Guinea machen das alle so, die es sich leisten können,
weil die Schulen bessere Chancen bieten.

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O-Ton Yvonne:
As far as I was aware I didn't think anything of it, because I always thought German
was German

O-Ton
Volker: (Ja,) das war ihre Muttersprache. Sie würde sagen, das war ihre
Großmuttersprache. Sie hat mit der Oma deutsch benutzt.
Yvonne: So therefore it was like: Was will diese Menschen besuchen uns? You know
that kind of stuff... Warum? Wir sprechen Deutsch. Wir sprechen eine andere... wir
sprechen eine falsche Deutsch, or whatever it is you know so. It's not really something
fantastic, but if you look at it from a linguistic perspective it's like: wow! You know.

Rebekka:
Craig merkt – sein Zufallsfund ist eine kleine Sensation.

Er durchsucht die Bibliotheken nach Publikationen zu Kreolsprachen. Kreolsprachen
sind Sprachen, in denen sich Grammatik und Wortschatz aus mehreren Sprachen
vermischt haben. Also, wenn Menschen unterschiedlicher Muttersprachen aufeinander
treffen und kommunizieren und dadurch eine eigene Sprache entsteht. Im Gegensatz
zu Pidgin-Sprachen, die eine reine kommunikative Funktion haben, zum Beispiel in der
Arbeitswelt, können Kreolsprachen auch zur Muttersprache der nächsten Generation
werden.
Ein Kreoldeutsch aus Papua Neuguinea – dazu findet er: Absolut nichts.

O-Ton Volker:
Und da habe ich das als Thema für meine Masterarbeit ausgewählt

Rebekka:
Und während Yvonne ihren alten Deutschlehrer längst vergessen hat, hat der in der
Zwischenzeit große Teile seiner berufliche Karriere der Erforschung von Unserdeutsch
gewidmet.

O-Ton Yvonne:
It was only when Craig came back so many years down the track I was like: Wow!

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O-Ton Volker:
Es war die richtige Zeit, ich habe die richtigen Leute kennengelernt und es war alles
reiner Zufall

O-Ton Yvonne:
I'm so grateful for that. That, because of being in the right place at the right time, we
won't get lost in history.

OV: Ich bin so dankbar dafür… das, nur weil ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war,
wir in der Geschichtsschreibung nicht verloren gegangen sind.

Rebekka:
Durch Craigs Entdeckung haben die Kinder, die Unserdeutsch erfunden haben, jetzt
einen Platz in der Geschichte.

Eigentlich beginnt die Geschichte mit der deutschen Kolonialherrschaft im Bismarck
Archipel, der heute immer noch so heißt.

Es ist der berühmte „Platz an der Sonne“, wie es der damalige Staatssekretär des
Auswärtigen Amtes Bernhard von Bülow formuliert. Dieser Platz an der Sonne treibt
das Deutsche Kaiserreich Ende des 19. Jahrhunderts an, seinen Einfluss am anderen
Ende der Welt geltend zu machen. Die Vorstellungen vom Leben in der Südsee sind
damals total weltfremd und überromantisiert. Bülows ganzer Satz lautet übrigens: „Wir
wollen niemanden in den Schatten stellen, aber wir beanspruchen auch unsere Platz
an der Sonne.“ Das deutsche Reich will Weltmacht sein, und nicht von Frankreich,
England oder den Niederlanden abgehängt werden... Hinzu kommen wirtschaftliche
Interessen.

Die Deutschen sind nicht die einzigen Fremden auf den Inseln. Viele Händler und
Seefahrer aus Schweden und England sind darunter. Und Chinesen. Und längst nicht
alle Männer wissen, worauf sie sich eingelassen haben.

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O-Ton Volker:
In dieser Zeit waren Leute wild! Die PNGer waren wild, die Europäer waren wild, die
waren brutal. Also zum Beispiel: Im Stammeskrieg, hat ein Stamm die anderen Leute
getötet und gefressen.

Rebekka:
Doch wo Kolonialisten auf Einheimische treffen, gibt es nicht nur blutige Überfälle und
Unterdrückung, sondern auch Beziehungen, wie die von Marias Großvater Carl
Pettersson und ihrer Großmutter Sindu.

Atmo
Maria Fotos

Rebekka:
Etwa ein Jahr nachdem ich mit Maria telefoniert habe und sie mir von ihren Großeltern
und ihrer Mutter erzählt habe, verbringe ich ein paar Tage mit ihr in Brisbane. Wir
sitzen im Wohnzimmer ihrer jüngsten Tochter Melissa , essen selbstgebackenen
Zitronenkuchen und Maria zeigt mir Fotos auf dem Handy.

O-Ton
Maria: Look at my grandfather, when he was young.
Rebekka: Handsome.
Maria: Yeah.

Rebekka:
Maria ist Mitte siebzig. Auf ihrem Handy ist ihre ganze Geschichte gespeichert und weil
sie dreimal die Woche zur Dialyse geht und deswegen sehr viel Zeit hat, kennt sie sich
mit Handys besser damit aus als ich.

Das Bild ihres Großvaters zeigt einen Mann, in Matrosenuniform, mit hellen Haare und
Schnäuzer und verschränkten Armen. So muss ein Abenteurer aussehen: stark,
charismatisch und sehr entschlossen. Und genau so ist Carl Emil Petterssen auch in
die Geschichte eingegangen.

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O-Ton Maria:
What happened was, on the island was a chief and his name was Lami, his wife was
Mutulae. And they were the parents of my grandma Sindhu. So they lived on the island.
And then Grandpa happened to be sailing past and he was sailing from Europe to the
Pacific and he got shipwrecked.

OV: Das war so… auf der Insel gab‘s einen Häuptling, der hieß Lami und seine Frau
war Mutulae. Das waren die Eltern von meiner Großmutter Sindu. Und sie lebten auf
dieser Insel. Und als mein Großvater zufällig dort vorbeisegelte – er war gerade auf
dem Weg von Europa in den Pazifik, da erlitt er Schiffbruch.
Rebekka: Weihnachten 1904 sinkt ein Schiff der Neuguinea-Kompanie, einer
Gesellschaft die Deutsche Koloniale Interessen vertritt, vor der Küste von Tabar, einer
kleinen Insel im Südpazifik. Der schwedische Kapitän Carl Pettersson schwimmt an
Land.

O-Ton Maria:
…and when he swam ashore my grandfather was standing at the beach with all the
natives. You know, everybody wants to see what's happening.

OV: und als er sich an Land retten konnte, da stand er da am Strand vor den
versammelten Einheimischen. Alle wollten sie sehen, was passiert war.

Rebekka:
Pettersson, jung, aber erfahren, bleibt auf der Insel und macht sie zu seinem neuen
Zuhause. Teile seines gekenterten Schiffs sind noch jahrzehntelang vor der Küste zu
sehen. Häuptling Lamis erteilt Pettersson die Erlaubnis, eine Kokusnuss-Plantage
aufzubauen, er wird damit zu einem wohlhabenden Mann.

O-Ton Maria:
And in the meantime Grandpa fell in love with Sindu. She was like a princess on the
island. And I think they ended up starting a family and Grandpa built, he started
building houses and bringing stuff from Sweden for them and everything. And it was
quite well. Do you know yet he was doing very very well.

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OV: Und dann hat sich Großvater in Sindu verliebt. Sie war sowas wie eine Prinzessin
auf der Insel. Sie haben dann eine Familie gegründet und mein Großvater hat
angefangen, sich etwas aufzubauen, … er hat Häuser gebaut und Sachen aus
Schweden mitgebracht, für die Familie und so. Es ging ihnen sehr gut. Er war ziemlich
erfolgreich.

Rebekka:
Drei Jahre nach seiner Rettung heiratet Carl Pettersson Sindu, die Tochter des
Häuptlings. Die Hochzeit ist eine kleine Sensation, denn Ehen zwischen Europäern
und Einheimischen sind nicht erwünscht.

O-Ton Volker:
Zum großen Teil nicht erlaubt. Ab und zu durften sie.

Rebekka:
Mit Sondergenehmigung von der deutschen Besatzungsmacht. Denn beide, Pettersson
und Sindu, sind sehr angesehen, und so geben alle ihren Segen.

Sie sind glücklich verheiratet, bekommen viele Kinder und betreiben mehrere große
Copra-Plantage auf der Insel. Das ist getrocknetes Kokosmussfleisch und ist, gerade in
Europa, total en vogue. Der Schwede ist ein großzügiger Mann, der seinen Arbeitern
faire Löhne zahlt. Bis heute ist er auf Tabar als „Strong Charly“ bekannt, denn er ist
groß und wird mit den Jahren immer fülliger. Außerdem ist er bekannt dafür, dass er
jedem, der seine Frau und Kinder nicht als ebenbürtig ansieht, das Leben zur Hölle
macht. Gerade was Ohrfeigen angeht, muss „Strong Charly“ kräftig ausgeteilt haben.
Als sein Schwiegervater, Häuptling Lami, stirbt, wird Pettersson neues Inseloberhaupt.
Heutte wissen wir von mindestens drei Reisen, die er zwischen 1907 und 1923 nach
Schweden unternommen hat.

O-Ton Maria:
Yeah think and he went back quite a few times and he would bring back lots of stuff for
the family, clothing for grandma, you know Sindu, dress for like a Swedish lady and
mom my sister had always frocks you know, little white frocks.

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OV: Ich glaube, er war ein paar Mal drüben und immer hat er viele Sachen für die
Familie mitgebracht. Kleidung für meine Großmutter, Sindu, so Kleider, wie sie
schwedische Frauen getragen haben. Und meine Mutter und ihre Schwester hatten
auch immer Kleidchen, weißt du, so weiße Kleidchen an.

Rebekka:
Es gibt zwei Familienphotos davon: Carl und Sindu samt ihrer Kinderschar komplett in
traditionellen schwedischen Gewändern. Vorne weg und breit grinsend: Marias Mutter:
Elsa Pettersson, die älteste Tochter.

O-Ton Maria:
My mum used to tell me that she had the best life you know.

Rebekka:
Etwas über 10 Jahre lang führen sie ein normales Familienleben auf der Insel Tabar.
Naja, ein fast normales Leben…

O-Ton Maria:
Well mum did tell me that they have a monkey. How long the monkeys survived, I don't
know.

Rebekka:
Auch wenn heute niemand mehr weiß, wo er eigentlich herkam: Elsa hatte ein Äffchen
als Haustier. Wahrscheinlich ein Mitbringsel von einer Reise, denn auf Papua
Neuguinea gibt es keine Primaten.

O-Ton Maria:
All the villages in New Ireland your fine house they call it the house boy. Only the men
go in. But for some odd reason my mother was the only woman that was allowed in,
the one in Tabar and she told me they had their heads skulls hanging in there, bones.
she was always very proud of it now that she was the only woman that was allowed to
go in.

OV: Jedes Dorf hat eine Hütte, da dürfen nur die Dorfältesten rein, nur die Männer.
Und aus irgendeinem Grund war meine Mutter, die einzige Frau, die auch dort rein
durfte. In der Hütte in Tabar hingen Schädel und Knochen.
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Und Mama durfte da rein, mit den Dorfältesten. Und sie war so stolz darauf, die einzige
Frau zu sein, die das durfte.

Rebekka:
Dort, in der Ältestenhütte, wird Elsa während einer geheimen Zeremonie in die Gabe
des „Shark Calling“ eingeführt. Der Hai ist jetzt ihr Totem-Tier und sie kann von nun an
mit Haien kommunizieren.

O-Ton Maria:
Mum was.. There is Shark Calling in New Ireland, where they put the shells together
and the sharks come, but Mom doesn't do that. She just talks.

OV: In Neuirland gibt es Shark Calling, wo sie Muscheln zusammenschlagen, um Haie
anzulocken. Das hat Mama aber nicht gemacht, sie hat bloß mit ihnen gesprochen.

Rebekka:
Die ersten zehn Jahre ihres Lebens verbringt Elsa mehr oder weniger Sorgenfrei mit
ihren Eltern und ihren Geschwistern auf Tabar. Das Leben ist einfach, aber sehr
privilegiert.

O-Ton Yvonne:
And in my Oma's case, I'm not sure where she met...

OV: Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie die sich kennengelernt haben.

Rebekka:
Auch die Oma von Yvonne Lundin stammt aus einer Beziehung, zwischen einem
weißen Mann und einer indigenen Frau.

O-Ton Yvonne:
Where he, where my great grandfather met. My Oma's Mom, because her name was
Kisamo and I'm not sure where she met because. At that time a lot of the indigenous
people were illiterate. They were virtually... They have never you know they'd never
seen white people, they had never seen schools they had never seen anything. So to
be in a relationship... makes you sort of ask: Was a relationship based on love?

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Was it based on need? Or was it based on necessity? Was it based on. Just.
Something that happened.

OV: …also wo mein Urgroßvater und meine Urgroßmutter sich kennengelernt haben.
Die Mutter meiner Oma hieß Kisamo. Die meisten Einheimischen konnten nicht
lesen… sie hatten noch nie Weiße gesehen, sie waren nie zur Schule gegangen und
so weiter. Und dann eine Beziehung anzufangen… da fragt man sich doch: War das
Liebe? War es Bedürftigkeit? Oder ist es einfach passiert?

Rebekka:
Die Handelstreibenden, die seit dem Ende des 19 Jahrhunderts in Papua Neuguinea
sind, sind nur die erste Welle an Weißen. Ein paar Jahre später kommen die
Missionare. Sie zementieren die deutsche Vorherrschaft. Nonnen, Mönche und
Priester. Doch die indigenen Völker haben ihre eigenen Götter und die Liebe Jesus
stößt auf wenig Gegenliebe.
Also beschließt die katholische Kirche, sich auf die Kinder zu konzentrieren.
Kinderheime müssen her. Später sollen diese Kinder dann, „die alte Gesellschaft wie
einen Sauerteig christlich durchwirken“. Das steht so in einer Schrift aus der Zeit.

O-Ton Volker:
Ein Bruder Jansen, der hat gesagt: So früh, dass sie die üblen Eigenschaften der
Mütter nicht lernen werden. Also er meinte, ideal ist es, dass sobald sie keine
Säuglinge sind, dass sie dann ins Heim kommen.

Rebekka:
Im einem Stadtteil von Kokopo namens Vunapope, auf der Insel Neubritannien,
entsteht um die Jahrhundertwende ein solches Kinderheim. Unter Palmen und mit
Blick auf das Meer. Ein Heim nur für Mixed-Race-Kinder. Geleitet wird es von
deutschen Herz-Jesu Missionaren.
Kurz darauf – 1914 – bricht der erste Weltkrieg aus. Das Deutsche Kaiserreich verliert
nach 30 Jahren Besetzung all seine sogenannten Schutzgebiete. Im Artikel 119 des
Versailler Vertrages heißt es:

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Sprecher:
"Deutschland verzichtet zugunsten der alliierten und assoziierten Hauptmächte auf alle
seine Rechte und Ansprüche in Bezug auf seine überseeischen Besitzungen."

Rebekka:
Politisch gesehen ist die deutsche Kolonialherrschaft beendet. Papua Neuguinea
gehört jetzt den Australiern. Alle Deutschen müssen die Inseln verlassen.

O-Ton Yvonne:
…well, my grandma is from a local lady. So, when Oma's mum died, Oma was put in to
the mission with the sisters.

OV: meine Oma hatte eine einheimische Mutter. Als ihre Mutter gestorben ist, wurde
sie in die Mission zu den Nonnen gebracht. Von ihrem Vater.

O-Ton
Rebekka: By her father?
Yvonne: By her father.

Rebekka:
Viele Kinder, die aus den Mixed-Race-Beziehungen entstanden sind, werden zu
Halbwaisen. Das wiederum spielt den deutschen Missionaren in die Hände. Zwischen
dreißig und vierzig Kinder landen im Heim.

Denn aus religiöser Sicht ist die deutsche Herrschaft noch lange nicht beendet. Die
Missionare werden weiterhin geduldet, ja, sie sind sogar willkommen, da die Australier
auch lieber über Christen herrschen als über Ungläubige.

O-Ton
Volker: Eine Frau, die mir erzählt hat, dass ihre Mutter dann von den Nonnen
weggenommen wurde, es war eine ganz normale Familie, die irgendwo auf Neu-
Hannover gewohnt haben, die Nonnen haben das Kind dann weggenommen. Dieses
Mädchen hat ihre Familie nie wieder gesehen.
Rebekka: Also Kidnapping?

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Volker: ja, heute würde man das so nennen.
Volker: Damals war es diese rassistische Idee, diese Halb-Weißen nicht rein
indigenen, wenn man das so sagen kann, Kinder, es ist besser für sie, dass sie
europäisch aufwachsen und das können sie nur tun, wenn sie weg von ihren Familien
sind. Ich meine, das würden wir heute Kidnapping nennen, damals hat man das mit
besten Willen gedacht, dass es das Beste war.

O-Ton Eric:
They were good mothers. Very good mothers to the child.

OV: Sie waren gute Mütter, sehr gut zu ihren Kindern.

Rebekka:
Das ist Eric Hartig. Auch er ist Mixed-race und er weiß mehr als viele andere über das
Leben der indigenen Mütter. Eric ist gewissermaßen das historische Gedächtnis der
Unserdeutsch-Community.

O-Ton Eric:
Yes there were a lot of aching hearts there at times, but I think, two ways to look at it. I
think a lot did see the advantage of Education, in going forward, because basically
what you're you going to do in the village?

OV: Natürlich gab es viele gebrochene Herzen, aber ich denke, man kann es auch
anders betrachten. Ich glaube, viele haben auch die Vorteile für ihre Kinder gesehen.
Sie bekamen durch die Missionare Zugang zu Bildung. Was gab‘s schon zu tun sonst
auf dem Dorf?

Rebekka:
Eric hat alles rund um die Herkunft der Gemeinschaft gesammelt hat. Weil ihm das
Chaos in seinem Haus unangenehm ist, spazieren wir stundenlang durch einen
botanischen Garten in Brisbane.

O-Ton Eric:
My house.... I tell you, it's a mess, but it's, it's an archive.... A have a wealth of history.
It‘s there.

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Rebekka:
Eric erzählt mir von einem Freund seiner Familie, Joe Bond. Auch er ist Mixed-Race,
europäischer Vater, indigene Mutter und als Joe schon ein erwachsener Mann ist, geht
er zusammen mit einem deutschen Missionar in ein Dorf, mitten im Busch, um zum
ersten Mal seine Mutter zu treffen.

O-Ton Eric:
In those days, the 50s I think, they conducted this interview with the mother. And asked
her. Uncle Joe told me this. How did you feel, when they took your son away to go to
the mission? actually all the kids, all the bonds...Doris, Tessy, Joe, Harold and Oscar...
I think five, two mothers, and all were brought to the mission. Now he said she went
quiet for a while. And looked at him and the answer was: Well look at him now. How he
stayed in the village. Where would he be?

OV: Es muss in den 50ern gewesen sein, da haben sie die Mutter befragt. Sie wollten
wissen: Wie war das damals, als man dir deinen Sohn weggenommen und zur Mission
gebracht hat? Tatsächlich, glaube ich, sind alle Bond Kinder - Doris, Tessy, Joe,
Harold and Oscar .. ich glaube, es waren fünf Kinder von zwei Müttern - sie alle sind in
die Mission gebracht worden. Sie hat wohl eine Weile geschwiegen und dann
geantwortet: Okay, schaut ihn Euch an. Wäre er im Dorf geblieben, was wäre dann aus
ihm geworden?

Rebekka:
Und so kommt es, dass in der ersten Generation etwa 30 Jungs und 30 Mädchen als
Waisen in dem Kinderheim der Herz-Jesu-Mission aufwachsen. Vollkommen
abgeschieden vom Rest der Insel-Bevölkerung. In einer deutschen Blase.

Das sind zum Beispiel Yvonnes Großmutter und Großvater, Erics Vater und die Eltern
seiner Mutter, oder Marias Vater Harry, der später Elsa heiratet und als kleiner Junge
in die Mission kommt.

O-Ton Maria:
She had very long hair. And she was very pretty, from what he can remember.

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Rebekka:
Von seiner Mutter weiß er nur noch den Namen – Nakai - und dass sie eine kleine
Frau mit sehr langen Haaren war. Harrys Vater, ein Deutscher, schafft es nicht bis
nach Hause. Er stirbt, kurz nachdem er seinen Sohn im Kinderheim abgeliefert hat.

O-Ton Maria:
He used to go fishing and try to dynamite you know to get the fish in the blewp up his
hand. he had bled to death.

OV: Er ging immer fischen und hat sich mit Dynamit, mit dem man Fische fängt, die
Hand weggesprengt. Er ist verblutet.

Rebekka:
Ich frage Maria, ob ihr Vater wusste, als er in ein Heim abgegeben wurde, dass er
weder seine Mutter, noch seinen Vater jemals wiedersehen würde.

O-Ton Maria:
I think he does you just accepted it. You know they told him: Papa ist im Himmel and
that was it then he never really... I asked him, I said: Did you ever miss your mum? He
said yes, but he was so young. So yeah that was really strange, because my mother
was the opposite. She knew her mum and dad so well. When she was ten her mother
died.

OV: Sprecherin Maria: Ich glaube, er hat es einfach akzeptiert. Die werden ihm gesagt
haben: Papa ist im Himmel. Und das war‘s dann, er hat nie... Ich habe ihn mal gefragt:
Hast du denn deine Mutter nie vermisst? Und er hat sagt: Doch! Aber er war ja so jung.
Das ist schon seltsam, weil bei meiner Mutter wars genau umgekehrt. Sie kannte ihre
Mutter und ihren Vater gut. Sie war zehn, als ihre Mutter starb.

Rebekka:
Auch Elsa landet 1921 im Heim. Sindu, Elsas Mutter - Marias Großmutter - verwechselt
ein Medikament und schluckt aus Versehen eine tödliche Überdosis Magenmittel.
Pettersson, ihr Mann, ist nach dem plötzlichen Tod seiner Frau nicht mehr derselbe.

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O-Ton Maria:
And then Grandpa sent Mom the mission to school. And then her little sister went with
her.

Rebekka:
Von jetzt auf gleich ändert sich Elsas Leben radikal. Sie ist jetzt nicht mehr
Häuptlingstochter, sondern eine unter vielen und alle haben mehr oder weniger das
gleiche Leben, teilen das gleiche Schicksal.

O-Ton Eric:
The living in the mission. Rebekka, was... How is the German term? Einfach. Very
regimental, very strict. Very religious.

OV: Das Leben in der Mission war… wie sagt man auf Deutsch? Einfach. Strenges
Regiment, sehr streng, sehr religiös.

O-Ton Eric:
It was church. Frückstück. School. Garden. Night prayers and benediction. night meal
night prayers, bed.

OV: Das war: erstmal Kirche, Frühstück, Schule, Garten. Dann Abendgebet und
Segnung, Abendessen, Beten, Bett.

O-Ton Yvonne:
That's how they all became family, because they only had each other. They all were..
They all were... I guess abandoned. And you know maybe there were promises that
you know... Papa would come back and get you. But he never did. And that's a story
that is probably as old as time. I think it's happenes... It still happens everywhere.

OV: Und das hat sie zu einer Familie gemacht, denn sie hatten ja nur einander. Sie alle
waren… sie waren ja… verlassen worden. Und vielleicht wurde ihnen auch so was
versprochen wie… Papa kommt zurück und holt dich. Aber das ist halt nie passiert.
Tja, so geht die Geschichte, und sie ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst, so
was passiert, vermutlich heute immer noch irgendwo auf der Welt.

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Rebekka:
Die Missionare, die übrigens größtenteils aus dem Münsterland stammen, denn dort ist
das Stammhaus des Herz-Jesu-Ordens. Diese Missionare , versuchen also mithilfe der
Kinder ein Stück deutsche Heimat auf Papua Neuguinea entstehen zu lassen. Sie
vermitteln ihren Glauben und ihr Wertesystem – und machen aus den Kindern
Christen. Und sie vermitteln den Kindern ihr Wissen, ihre Kultur und ihre Sprache – das
macht aus ihnen Deutsche.

O-Ton Eric:
What I gathered from not just my dad. A lot of the other people it was basically. In the
boarding school. And I would say put on really. The younger school. The females. Girls
School. With the carers and the kids coming in from village well you have to simplify,
because they probably understood a bit of German, because of their age. Tok Pisin,
Pidgin English from the mother, before Tok palase. So how do you do it? You simplify
it.

OV: So wie ich das gehört habe, und nicht nur von meinem Vater, sondern, so wie das
alle erzählt haben, hat sich die Sprache vor allem in dem Heim für Mädchen entwickelt,
wo die älteren Mädchen für die jüngeren Kinder, die neu aus den Dörfern kamen,
verantwortlich waren. Vielleicht verstanden die etwas deutsch. Und Tok Pisin, Pidgin
English und Tok Palase von den Müttern. Was macht man da am besten? Man
vereinfacht.

Rebekka:
Im Kinderheim darf nur noch Deutsch gesprochen werden und Unserdeutsch ist ja
Deutsch. Eine Art... Der Wortschatz ist größtenteils Deutsch, die Grammatik Tok
Palase und dazu eine Prise Quatsch.

O-Ton Yvonne:
Unserdeutsch is, if you speak to people about Unserdeutsch... A lot of us, a lot of
people only know the rude words in Unserdeutsch and the Quatsch and the Spaß and
the... You know it's all like "gemein"... You know. You know lots of like: "Mann,
gelogen" and words that make people laugh. It's very much a fun language, because
you can't talk Unserdeutsch without laughing.

OV: Viele von uns kennen nur noch die Schimpfwörter auf Unserdeutsch. (…) Es ist
eine Spaßsprache. Man kann Unserdeutsch nicht sprechen, ohne zu lachen.

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O-Ton
Rebekka: You can't?
Yvonne: You can't. If you listen to them at the picnic when they talk they're always
talking and laughing.

OV: Wenn man den Leuten beim Picknick zuhört, die reden und lachen immer
gleichzeitig.

Atmo
Musik von Picknick

Rebekka:
In Brisbane darf ich mit auf ein Familienfest von Unserdeutschsprechern, die heute in
Australien leben. Vier Generationen treffen sich dort. Viele sogar mehrmals im Jahr.

Es wird viel gegessen – und jede Frau erhebt den Anspruch, das beste Tapioka zu
machen, eine Art National-Dessert.
Außerdem wird sehr viel gesungen, in Erinnerungen geschwelgt und jede Menge
Quatsch erzählt:

Atmo
Gespräch Unserdeutschfest

Rebekka:
Die sehr dicke Nonne, die so dick war, wenn sie Fahrrad fuhr, konnte man nichts vom
Fahrrad sehen, hat zwei der Mädels beim Mandarinen klauen erwischt und
ausgeschimpft. Woraufhin die sie als „Nazi Bastard“ beschimpft haben und sich dafür
bei der Oberschwester die Bestrafung mit dem Gürtel abholen mussten.

Atmo
Picknick

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Rebekka
Hier trifft sich die zweite und dritte Generation der Unserdeutsch-Sprecher. Sie kennen
die Schule der Missionsstation nicht mehr als Kinderheim, sondern als Internat. Ihre
Eltern, die Waisenkinder, wurden von den Nonnen untereinander verheiratet, sobald
sie alt genug waren.

O-Ton Yvonne:
They kind of met match them up as they got older, because I know my grandparent
probably hated each other for a bit of their lives, also, you know.

OV: Meine Großeltern haben sich wahrscheinlich Zeit ihres Lebens gehasst.

Rebekka:
What makes you think that?

O-Ton Yvonne:
Well because, when you're matched with someone... I don't know how much choice
you had and courtship. It would have been probably a match that was... like you
know... I mean, if you never had a relationship... Maybe you... Just you (laughter) you
know... They said: Oh, this one will be good with that one, or however it happened, I
grew up with my grandparents for nine years so I sort of saw the good the bad and the
ugly of everything.

OV: Naja, wenn man mit jemanden verkuppelt wird, dann hat man ja nicht wirklich die
Wahl. Weißt du, die Paare waren einfach… naja, vielleicht, wenn man noch nie in einer
richtigen Beziehung war, dann kennt man es vielleicht nicht anders... (lacht). Die haben
einfach gesagt: Oh, der könnte gut zu der passen – oder wie auch immer das von
statten ging. Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen, habe neun Jahre mit ihnen
gelebt, ich habe also irgendwie das Gute, das Böse und das Hässliche gesehen.

Rebekka:
Ganz anders die Erinnerungen von Maria an die Ehe ihrer Eltern: Elsa und Harry.

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O-Ton
Rebekka: And your mom and dad haben untereinander deutsch gesprochen?
Maria: Ah yes always! Immer nur Deutsch, kein English and she called my dad Heini.
Heini. And He used to call her Liebchen. Yeah. Liebling and Herzchen.

Rebekka:
Sie heiraten untereinander. So bleibt die Mixed-Race-Community erst mal unter sich.
Und wer die Schule hinter sich hat, wird von den Missionaren ausgebildet. Praktische
Berufe. Die Männer werden Seefahrer, Schmiede, Zimmermänner, oder Maschinisten.
Die Frauen lernen Gemüseanbau, deutsche Hausmannskost, Nähen… und alles, was
eine gute Hausfrau damals ausmacht. Die meisten arbeiten weiter im Dienst der
Mission, ein Leben lang, für mageren Lohn wie Yvonnes Großeltern und auch ihr
Vater.

O-Ton Yvonne:
He didn't get many thanks and you didn't get... I think, I'm sure they thought we, the
German mixed-race community owed them: We've raised you so. You know, there's a
song, you know... "You owe your soul to the company store." You know that kind of
thing.

OV: Niemand hat es ihm gedankt. Die haben vermutlich gedacht: Die Mixed-Race
Community sollte umgekehrt uns dankbar sein, wir haben sie schließlich aufgezogen
und so. Es gibt diese Lied: Du schuldest Deine Seele dem Unternehmen...“ so in der
Art war das.

Rebekka:
Als ich mich mit Maria über den Einfluss ihrer Erziehung unterhalte, schaltet sich auf
einmal ihre Tochter Melissa ein, die kurz zuvor nach Hause gekommen ist.

O-Ton Melissa:
I just wanna ask my mother a quick question. So when you were at school did you get
hit by the nuns and mistreated?

OV: Darf ich meiner Mutter kurz eine Frage stellen? Als Du in der Schule warst, haben
dich die Nonnen geschlagen und misshandelt?

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O-Ton Maria:
We all got hit.

OV: Wir wurden alle geschlagen.

O-Ton Melissa:
So does that give you a bit of a negative outlook on the whole Catholic upbringing?

OV: Und hat für dich die ganze katholische Erziehung einen negativen Beigeschmack
dadurch bekommen?

O-Ton Maria:
Not really. I guess I'm not the only one that got hit and maybe we were doing
something wrong. So we got hit.

OV: Nein, eigentlich nicht. Ich glaube, ich bin nicht die einzige, die geschlagen wurde
und vielleicht haben wir auch was falsch gemacht. Also wurden wir geschlagen.

O-Ton Melissa:
In our generation we got belted in school.

OV: Unsere Generation wurde in der Schule auch mit dem Gürtel geschlagen.

O-Ton Maria:
Did you really?

OV: Wirklich?

O-Ton Melissa:
Of course we did. That's what... And I speak very openly about the nuns to my children
and tell them how nasty they were to us, because they were really horrible. They were
very nasty but that doesn't sort of sway you away from the Catholic religion?

OV: Ja, natürlich, Und das ist auch der Grund, warum… Also, ich spreche mit meinen
Kindern sehr offen darüber wie fies die Nonnen zu uns waren, weil sie wirklich schlimm
waren. Sie waren so fies… Und das alles führt nicht dazu, dass du dich von der
katholischen Religion abwendest?
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O-Ton Maria:
No no.

Rebekka:
Mein Eindruck ist, dass es Maria nicht kalt lässt, als die Tochter von den Schlägen
durch die Nonnen erzählt. Später, als das Aufnahmegerät aus ist, erzählt mir Maria,
dass es ihr leid tut, dass ihre Kinder diese Erfahrungen machen mussten. Aber anders
als ihre Tochter gibt Maria nicht der Kirche die Schuld. Nicht die Institution ist schuld,
sondern einzelne Missionare, die sich falsch verhalten.

Maria glaubt, die Kirche hat sie vor einem weniger lebenswerten Leben im Dorf
bewahrt. Diese Überzeugung hat sie von ihren Eltern übernommen. Vielleicht ist es
eine Frage des Charakters, aber auf mich wirkt es so, als sei es vor allem eine Frage
der Generation. Die dritte und vierte Generation sieht die Missionare wesentlich
kritischer. Die ältere Generation neigt eher dazu, an der deutschen Identität
festzuhalten.

O-Ton Yvonne:
Oma used to make like Sauerbraten and Roulladen and my dad used to make
Roulladen at Christmas and we would have. Just used to have things like Rollmops
and. And always Leberwurst. My dad loved all the German sausages and cheese and
you know anything German he loved.

OV: Oma machte immer Sachen wie Sauerbraten z.B. oder Roulladen, mein Vater
machte Roulladen an Weihnachten und wir haben das dann gegessen. Oder Rollmops.
Und immer Leberwurst. Mein Vater liebte diese ganzen deutschen Würste und Käse.
Er liebte alles Deutsche.

Rebekka:
Yvonnes Vater ist vor ein paar Jahren gestorben. Ihm zu Ehren hat sie sich eine
Songzeile, wie ein Armband ums Handgelenk tätowieren lassen: Seemann, lass das
träumen. Denk nicht an Zuhaus.

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O-Ton Yvonne:
You know so the fact that every German, every mixed-race German loves the song
Seemann. So when.. Like when my dad died, we played Seeman. And then somebody
else his father died we played Seemann. It just brings everyone to tears because it's
such a yearning song. I think a yearing song of the ocean, a yearing song of. It I guess
it's also a song of belonging. It's a song that's even if it's not. It's a song that binds us.
So it's a language and Seemann is a song that binds us.

OV: Alle Mixed-Race Deutschen lieben das Lied Seemann. Und als mein Vater
gestorben ist, da haben wir Seemann gespielt. Und wenn der Vater von jemand
anderem stirbt, dann spielen wir Seemann. Es rührt uns alle zu Tränen, weil es so ein
sehnsuchtsvolles Lied ist. Es ist ein Lied über Sehnsucht. Es ist ein Lied, das uns
verbindet. Unserdeutsch ist die Sprache und Seemann ist das Lied, das uns verbindet.
Rebekka: It's an anthem.

O-Ton Yvonne:
Yes, exactly. There the remnants, I think of what, what we cling to. But I'm just so so
scared. How how fragile it all is.

OV: Eine Hymne, genau. Das sind die Überbleibsel, an die wir uns klammern. Und ich
habe echt Angst, weil alles so vergänglich ist.

Atmo/Musik:
Seemann vom Picknick

Rebekka:
Unserdeutsch stirbt aus, seine Sprecher werden immer älter und immer weniger. Und
ihre Kinder sind einfach Australier und haben keine Verwendung mehr dafür. Weder für
die Sprache, noch für die Religion, noch für den ganzen deutschen Klimbim, die
Schmachtlieder und Traditionen, mit denen Eltern und Großeltern versucht haben, die
Leere und das Trauma des Heimlebens zu füllen.

O-Ton Yvonne:
If you ask my dad. And my Opa and Oma they... they had a good life. But, if you ask
me now ... looking in... That's All they knew. So for them. Whatever the mission had
was their life.

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But I think that. I wish that the mission had allowed them to be aware of their history.
Their links to whoever their parents were. So that they weren't so isolated and... And I
guess they lost all their identity

OV: Wenn Du meinen Vater gefragt hättest, oder meine Oma und meinen Opa… sie
hätten gesagt, sie hatten ein gutes Leben. Aber, wenn Du mich fragst… wenn ich mir
das als Außenstehende angucke… dann kannten sie es auch einfach nicht anders. Ich
wünschte, die Mission hätte ihnen ermöglicht, im Wissen um ihre Herkunft
aufzuwachsen, im Kontakt mit ihren Eltern zu bleiben. Sie waren so isoliert… und sie
haben alle ihre Identität verloren.

Rebekka:
Elsa, die Tochter des Häuptling Pettersson, sie hingegen schreibt Geschichte.
Allerdings ist sie nicht mehr am Leben, als die Familie davon erfährt. Ein paar Jahre
nach Elsas Tod, Anfang 2001, bekommt ihre Tochter, Maria Besuch aus Schweden.
Der schwedische Journalist Joakim Langer und die Anthropologin Helena Regius
stehen vor der Tür.

O-Ton Maria:
Well I found out from the authors of my grandfather's book Helena... Helena... What
was the name, now? I've got the books there. Helena was an anthropologist's. And she
actually spend some time in Tabar, where my grandmother comes from, to get
information about my grandfather and then she told us about Pippi Longstocking.

OV: Ich hab‘s von den Autoren des Buches über meinen Großvater erfahren. Helena…
wie hieß sie noch gleich? Helena war Anthropologin und sie hat tatsächlich einige Zeit
auf Tabar verbracht, um Informationen über meinen Großvater zu sammeln. Und sie
hat uns dann auch von Pippi Langstrumpf erzählt.

Rebekka:
Die Kindheit ihrer Mutter soll die Autorin Astrid Lindgren zu dem weltbekannten
Kinderbuch „Pippi in Taka-Tuka-Land“ inspiriert haben.

Musik

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Rebekka:
Der Journalist Joakim Langer war in einem alten schwedischen Zeitungsartikel auf Carl
Pettersson gestoßen und sofort war ihm klar: das musste Efraim Langstrumpf sein.
Gemeinsam mit Regius, die sich schon wissenschaftlich mit Petterssons
Lebensgeschichte beschäftigt hatte, machte er sich auf den Weg. Und so treffen die
Schweden in Australien auf die Nachkommen von Carl Pettersson, alias Efraim
Langstrumpf, die bis zu diesem Zeitpunkt so gut wie keine Ahnung hatten von ihrem
Vorkommen in der westlichen Kinderbuchliteratur.

O-Ton Maria:
Mom knew a bit, because her father told her, so he must have read something, that is
whatever, he's published in the paper about his trip to Tabar and his family, that this
lady was just writing books, so she is getting ideas from everywhere. So Mum was
aware of that, but I don't think she was aware that there was actually a book. She, she
just knew what her father told her. So later on that's when we got all the books, you
know ,Mum was already gone.

OV: Mama hatte so eine Ahnung, ich denke, ihr Vater hatte mal erwähnt, dass etwas
über seine Leben in Tabar und über seine Familie in der Zeitung gestanden hatte. Und
dass es da diese Frau gab, die von überall her Ideen sammelte, für ein Buch. Aber sie
wusste nur, was ihr Vater ihr gesagt hatte. Und wir haben das erst rausgefunden, als
wir die Bücher bekommen haben. Da war Mama schon tot.

Rebekka:
Die Frau, die Informationen von überall her sammelt, das ist natürlich Astrid Lindgren.
Allerdings ist es eigentlich unmöglich, dass Elsa von ihrem Vater etwas über die
Parallelen zwischen ihm und Efraim Langstrumpf erfahren hat. Pippi Langstrumpf
erschien 1945. Zu diesem Zeitpunkt war Carl Pettersson schon seit acht Jahren tot. Er
starb 1937 in Sydney. Gut möglich ist aber, dass Carl seiner Tochter erzählt hat, dass
in Schweden über ihn geschrieben wurde. Denn die schwedische Presse hat die
Geschichten aus dem Leben des schwedischen Südseekönigs geliebt: Ein Leben
voller Gold, Wunder und Gefahren. Langer und Regius hatten mehr als zwanzig
Zeitungsartikel über Pettersson zusammengetragen. Pettersson war Anfang, Mitte des
20. Jahrhunderts in Schweden schon so etwas wie ein kleiner Promi.

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Astrid Lindgren, so steht es in Zeitungsartikeln, die nach ihrem Tod 2002 veröffentlich
wurden, soll selbst nur gelächelt haben, als sie, kurz vor ihrem Tod nach den
Parallelen zwischen Pettersson und Efraim Langstrumpf gefragt wurde.

Die Ähnlichkeiten enden aber nicht bei Papa Langstrumpf und dem Taka-Tuka-Land.

O-Ton Maria:
And you know how they described Pippi, you know, that's exactly how my mum would
have been. A strong girl you know she'd be very active in climbing the coconut tree and
you know doing all these things where they live because they were not in the town they
were on an island you know.

OV: Und wie Pippi beschrieben wird, das ist genau, wie meine Mutter damals gewesen
sein muss. Ein starkes Mädchen, das Kokosnussbäume hochklettert und frei lebt, wie
es ihm gefällt. Denn sie lebten ja nicht in der Stadt, oder so, sondern auf einer Insel.

Rebekka:
Die Tochter des Südseekönigs … mit einem Äffchen und der Autorität, die sonst nur
den Dorfältesten zusteht.

O-Ton Rebekka:
Have you read the passage and Pippi Longstocking where she saves the boy from the
shark? It's at the end I couldn't believe it.

Rebekka:
Am Abend bevor ich Maria das letzte Mal besuche, habe ich Pippi im Taka-Tuka-Land
noch einmal gelesen. Weil vor allem eine Sache, die sie mir über ihre Mutter erzählt
hat, Erinnerungen geweckt hat...

O-Ton Rebekka:
There is a passage where her Friend Tommy falls into the water. And Pippi jumps after
him and tells the sharks to go away...

Rebekka:
Und jetzt sitze ich hier neben ihr und suche das Kapitel, in dem Pippi ein ernstes Wort
mit dem Hai spricht.

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O-Ton
Rebekka: Here's the part. She says she jumps after him to save the boy because all
the children can see that there is sharks coming and Tommy is in the water. And...
Plump machte es wieder. Das war Pippi, die ins Wasser sprang. Sie langte ungefähr
gleichzeitig mit dem Hai bei Tommy an. Tommy schrie vor Schreck. And then she says
to the shark: Schämst du dich nicht! And then she says to the shark: Versprichst du
mir, dass du das nie wieder tust. Dann lasse ich dich los.
Maria: That.. That would be my mum, she was that type of a person you know...
Rebekka: Bevor sie ins Kinderheim gekommen ist, muss Elsa wie Pippi Langstrumpf
gewesen sein, mutig, frei, selbstbewusst. Aber anders als Pippi, die dank einer
magischen Pille am Ende für immer ein Kind bleiben wird, ist Elsas magische Kindheit
vorbei, nachdem sie ins Heim gekommen ist.

O-Ton Maria:
But then the Mom being educated and learned a religion you know Catholic, under the
nuns and then she thought it was like false God. She always told us but she didn't
really want to practice it.

OV: Aber als sie anfingen, meine Mutter zu erziehen und auszubilden, als sie
Religionsunterricht von den Nonnen bekam und eine fromme Katholikin werden sollte,
da fand sie, das sei Götzenanbetung und wollte damit nichts zu tun haben.

Rebekka:
Als allerdings in den 70er Jahren Marias Bruder Harry, auf hoher See verunglückt, eilt
Elsa an den Strand und nutzt ihre Gabe des „Shark-Calling“. Sie fleht ihr Totem-Tier
um Schutz für ihren Sohn an.
Harry hatte sich gemeinsam mit einer Frau und ihren zwei Kindern auf ein Wrackstück
retten können. Tagelang treiben sie so auf dem Meer, bevor sie, völlig ausgetrocknet,
gefunden werden. Ein großer Hai soll die ganze Zeit um sie gekreist sein und andere
Haie von einem Angriff abgehalten haben.

O-Ton Maria:
He said he's never seen a shark that big. And he still talks about it to today, you know.

OV: Er hat gesagt, er hat noch nie einen so großen Hai gesehen. Und weißt du was, er
redet heute noch davon.

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