GDP-EHRENAMTSPREIS VERGEBEN - PREMIERE 01/21 - GEWERKSCHAFT DER POLIZEI
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DP 01 DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 Inhalt IN EIGENER SACHE Titel Hilfreich Allen Leserinnen und Lesern wünscht die 2 Ehrenamt ist Ehrensache! 19 Tipps für die Steuererklärung 2020 Redaktion DP ein gutes, gesundes und si- Mit Sicherheit. cheres 2021. 31 Warum in der Innenstadt? Viele Hoffnungen verbinden sich mit die- sem neuen Jahr. Natürlich drücken wir die Hingeschaut Daumen, dass es spürbar besser wird. Ak- Kommentiert tuell jedoch geht uns allen das Virus mäch- 6 Für mehr Sicherheit und bessere tig an die Nieren. Es macht Angst, Pläne zu- Arbeitsbedingungen im polizeilichen 35 Keine Experimente von Amts wegen nichte und das Morgen für viele Menschen Verkehrsbereich zu einer Lotterie. Allzu optimistische Prog- nosen erscheinen unterdessen gewagt, zu 7 Digitalisierung und Mobilitätswende Innenleben instabil ist die Lage auf vielerlei Ebenen. fordern Polizei heraus Womöglich trägt ein zuverlässiger Impfstoff 26 Forschungsprojekt Polizeigewalt in ausreichender Menge zu einer Entspan- 12 Corona beschleunigt E-Mobilität nung bei, doch vor allem versprechen wei- 27 Was lange währt, wird gut? terhin Abstands-Disziplin und Verständnis 16 Fahrverbote sind wirksam für mehr oder weniger rigide politische Maß- 39 GdP Bayern: Wechsel an der Spitze nahmen eine nachhaltige Besserung. Nicht 36 Authentizität als bester Imageträger zu vergessen braucht es ein gehöriges Maß 39 Ein Kontrollverlust an gesellschaftlicher Solidarität. Jedermanns Sache ist das jedoch nicht. Im Gespräch 40 Andreas Roßkopf neuer Vorsitzender Das machen verquere Denker seit Länge- rem schamlos und ohne jegliche Empathie 8 Nur mit einem Sprung im letzten für die vielen Verlierer der Krise deutlich. Moment gerettet Im Kalender Wie lange wird das schräge Kopfzerbre- chen noch anhalten? Verfestigt es sich gar 22 „Es geht nicht vorwärts” 34 Bikertreffen im Thüringer Wald zu einem beständigen Phänomen? Zumin- dest wird ein Keil in die Gesellschaft getrie- 28 Eutiner „(Polizei-)Schule ohne ben. Wie tief wird man sehen. Rassismus“ Forum Das Werkzeug führen Gruppen von Men- schen, die sich einen Teufel um das Allge- 40 Impressum meinwohl scheren und gute, bewährte, hart erkämpfte demokratische Gepflogenheiten bewusst aushebeln. Sie legen es auf die Kon- frontation mit der Polizei an. Sie sind eine Opposition um des Widerstands willen. Sie fühlen sich dabei einzig ihrer Interpretati- on des Grundgesetzes verpflichtet. Und sie lassen Feinde der Verfassung, ausgewiese- ne Gegner unseres Staates, in ihren Reihen IN DIESER AUSGABE gewähren. Halten wir ihnen und ihren bis in die Par- Sogenannte Querdenken-Demonstrationen stellen Polizei und Justiz vor schwierige Einsatz- lamente reichenden Unterstützern den Spie- lagen und Entscheidungen. DP-Autor Heinrich Bernhardt blickt zurück auf eine umstritte- gel vor. So schonungslos es eben sein muss. ne Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen. Michael Zielasko DP-Chefredakteur VERKEHRSPOLITIK Die polizeiliche Verkehrsüberwachung sowie grundsätzliche verkehrs- und gewerkschafts- politische Themen rund um das Straßenverkehrsgeschehen bilden einen Schwerpunkt der DP-Januar-Ausgabe. Geschaut wird auf künftige Herausforderungen wie die zunehmende Digitalisierung von Fahrzeugen sowie des Verkehrsraums, die zunehmende Elektromobili- tät, vor allem auch im Zweiradbereich, die Gefahren zu hoher Geschwindigkeiten und den risikoreichen Dienst auf Autobahnen.
2 Titel GdP-EHRENAMTSPREIS „GRÜNER BÄR“ Ehrenamt ist Ehrensache! Mit Sicherheit. Sie sind die stillen Helfer im Alltag, immer dort, wo sie gebraucht werden: Ehrenamtler. Im Dezember hat die GdP erstmalig den bundesweiten Ehrenamtspreis „Grüner Bär“ unter der Schirmherrschaft von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil verliehen. DP war dabei. Danica Bensmail Foto: Bensmail
DP DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 3 B ei der GdP ist der Bär los. Kein Grund noch ehrenamtlich für andere – in der Frei- zur Besorgnis – ganz im Gegenteil! zeit”. Sie leisteten nicht nur in Uniform ei- Im Corona gerechten Rahmen, unter nen Dienst am Gemeinwesen, sondern auch Wahrung des Infektionsschutzes, zeichnete ganz privat. „Das hat höchste Achtung und die Gewerkschaft der Polizei am 4. Dezember Respekt verdient“, stellte Heil fest. Dies sei 2020 erstmalig drei Menschen aus, die sich gerade jetzt so wichtig wie nie. aufgrund ihres bemerkenswerten Einsatzes Ohne das Ehrenamt läge das kulturelle, um unsere Gesellschaft verdient gemacht politische und gesellschaftliche Leben brach. haben. „Wir hätten ein Land, das nicht arm an Geld ist, aber arm an Menschlichkeit“ sagte Heil, der zudem den ehemaligen Bundespräsiden- Wichtig und lohnenswert ten Johannes Rau zitierte. Der habe festge- stellt, dass die Gesellschaft ohne das Ehren- „Ehrenamt ist Ehrensache! Mit Sicherheit.“, amt nicht überleben würde. Es funktioniere stellte der stellvertretende GdP-Bundesvor- zwar alles, „aber wir würden erfrieren”. Heil sitzende Dietmar Schilff gleich zur Begrü- sprach damit an, dass „wir alle menschliche ßung der Gäste fest. Die weit über 300.000 Wärme brauchen“. Gebraucht würden Sicher- Menschen, die hierzulande als Polizeibe- heit, Geborgenheit und „ein lebendiges Mitei- schäftigte für die Sicherheit der Gesellschaft nander“. Gerade in Krisenzeiten, wie „wir sie arbeiteten, erfüllten eine wichtige und loh- mit der Pandemie erleben“. nenswerte Aufgabe, betonte er, fügte aber Hierzulande gebe es rund 30 Millionen auch hinzu: „Leider unter immer schwieri- Menschen, die sich auf vielfältige Art und Foto: GdP ger werdenden Bedingungen.“ Weise engagieren. „Diese Vielfalt sehen Das halte die Kolleginnen und Kollegen dennoch nicht davon ab, sich neben ihrer ursprünglichen Aufgabe über den Dienst hinaus ehrenamtlich zu engagieren. „Die- Im Gespräch: (v.l.) Arbeitsminister Hubertus Heil, Jury-Mitglied Sven Hüber, ser Einsatz verdient unser aller Anerken- GdP-Vize Jörg Radek und Anja Piel aus dem DGB-Vorstand. nung und Respekt“, so der Gewerkschafter. „Ehrenamtler leisten einen unverzichtba- ren Beitrag für ein fürsorgliches und vor al- lem menschliches Miteinander“, fuhr Schilff fort. Gerade jetzt, wo das auf ein nötiges Mi- nimum reduziert werde, sei es umso wichti- ger, ehrenamtlich Engagierte zu unterstüt- zen und sie zu ermutigen, sich auch künftig für das Gemeinwohl hierzulande einzuset- zen. „Sie springen da ein, wo es klemmt. Ohne diese Bereitschaft anzupacken und sich einzubringen, würde unser gesell- schaftliches Zusammenleben nicht funkti- onieren“, unterstrich der GdP-Vize. „Ziehe den Hut“ Schirmherr Bundesarbeitsminister Huber- tus Heil würdigte in einer Rede ausdrücklich den Einsatz der Polizei zu Pandemiezeiten und betonte die große Bedeutung des Diens- tes, den die Beamtinnen und Beamten leis- teten – auch nachts, an Wochenenden und Feiertagen. An die Preisträger gewandt sag- te er: „Ich ziehe meinen Hut vor dem, was Foto: Bensmail Sie leisten. Doch als wäre das nicht schon genug, engagieren sich viele von Ihnen auch
4 DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 DP Der bundesweite GdP-Ehrenamtspreis „Grüner Bär“ zeichnet jedes Jahr drei Polizeibeschäftigte aus, die sich über ihren Dienst hinaus, aufgrund ihres Einsatzes für die Gesellschaft verdient gemacht haben. Der Preis ist jeweils dotiert mit 1.000 Euro für den ersten Platz, 500 Euro für den zweiten und 250 Euro für den dritten Platz. band des Kinder- und Jugendsports in Berlin. Er ist Veranstalter vieler Aktionen im Sport- und Freizeitbereich und Kooperationspart- ner anderer gemeinnütziger Organisationen. Coole Momente Seit 2011 ist Döring jedes Jahr als Betreue- rin und Rettungsschwimmerin fester Be- standteil der mehrwöchigen Kinder- und Freizeitreisen des Vereins. Seit fünf Jahren ist sie zudem als Reiseleiterin für nationa- le und internationale Reisen ehrenamtlich unterwegs. Überdies ist die 28-Jährige Mit- glied im Fachausschuss Kinder- & Jugender- holung. Involviert in die Gestaltung pädago- gischer Angebote der Ferienfreizeiten trägt sie die Verantwortung für die Planung und die Organisation der Reisen, führt Eltern- gespräche und bildet neue Betreuer aus. Es scheint fast so, als habe Dörings Tag mehr als bloß 24 Stunden. Als DP ihr diese Frage stellte, schüttelt sie lächelnd den Kopf. „Naja, das kann man so oder so sehen. Ich bin in meiner Kindheit selber oft auf solche Reisen gefahren. Dass es Leute gibt, die so etwas neben ihrer Arbeit betreuen, fand ich cool. Und mit 13 habe ich dann angefangen, mich zu engagieren. Am schönsten ist es zu sehen, wie sehr Eltern und Kinder sich über unsere Arbeit freuen. Das sind coole Momente. Dafür mache ich Foto: Bensmail das.“ Die junge Kriminalbeamtin hält sich übrigens am liebsten mit „CrossFit“ in Form. Als Schirmherr des Preises unterzeichnet Bundesarbeitsminister Hubertus Heil Diese Trainingsmethode kombiniert Diszi- die Schecks des zweit- und des drittplatzierten Preisträgers. plinen aus dem Kraft- und Ausdauersport. wir auch beim Ehrenamtspreis der Gewerk- gliedern zählten der Vorsitzende des Deut- Ein letztes Geschenk schaft der Polizei“, unterstrich der Minister. schen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Heil räumte ein, der Staat könne vieles re- Hoffmann, der niedersächsische Landespo- Den Zweitplatzierten Martin Witt, aus priva- geln, jedoch nicht alles. Daher würden auch lizeichef Axel Brockmann sowie Vertreterin- ten Gründen abwesend, würdigte Anja Piel diejenigen gebraucht, die sich aus eigener nen und Vertreter aus verschiedenen Berei- vom DGB-Bundesvorstand. Der Kriminal- Initiative für andere einsetzten. Menschen, chen der Gewerkschaft der Polizei. techniker und zweifache Vater ist seit 2016 die nicht fragten, was die Gesellschaft für Fotograf in Alarmbereitschaft für „Dein sie tun könne. Sondern Menschen, die dort Am Vorabend des jährlich am 5. Dezember Sternenkind“ (DSK). Den Preis wolle er mit einsprängen, wo Hilfe gebraucht werde und weltweit begangenen „Internationalen Ta- der gleichnamigen Stiftung und deren 550 Tatkraft gefragt sei. Der Minister schloss mit ges des Ehrenamtes“ überreichten Heil und Fotografen teilen, verriet er DP bereits vor den Worten: „Liebe Preisträger: Ich danke Schilff der Erstplatzierten Alice Döring den der Preisverleihung. Das ehrenamtliche En- Ihnen von Herzen für Ihr Engagement und allerersten „Grünen Bären”. Die in Branden- gagement könne nur gemeinsam so zuver- Ihren ehrenamtlichen Einsatz! Und ich kann burg tätige Kriminalkommissarin engagiert lässig wahrgenommen werden. Sie nur ermutigen: Bleiben Sie dran. Denn sich seit neun Jahren für die Sportjugend im Ein Kind, das während der Schwanger- Sie werden gebraucht.“ Landessportbund Berlin e.V. Der Verein ist schaft, bei der Geburt oder kurz danach Die Auswahl der Preisträger erfolgte der größte freie, staatlich anerkannte Träger stirbt, wird auch als „Sternenkind“ bezeich- durch eine zehnköpfige Jury. Zu deren Mit- der Kinder- und Jugendhilfe sowie Dachver- net. Die Initiative bietet Erinnerungsfotos
DP DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 5 als ein Geschenk für Eltern, die entweder ein bereits totes Baby auf die Welt bringen müs- sen oder denen der Tod des Neugeborenen bevorsteht. Wenden sich Eltern eines ver- storbenen Neugeborenen an „Dein Sternen- kind“, macht sich Witt mit einem Notfallkof- fer umgehend auf den Weg. Im Auftrag der Eltern können Kliniken bei DSK einen Alarm auslösen. Die im Alarmkreis tätigen Fotogra- fen werden dann durch die Koordinatoren der Initiative über eine Alarm-App auf dem Smartphone benachrichtigt Witt betont weiter: „Die Zusammenarbeit mit den Kliniken läuft sehr gut, und wir sind unendlich dankbar für die Unterstützung und Rückendeckung durch das Klinikper- sonal in dieser schwierigen Corona-Zeit.“ Ein Macher Auch der Drittplatzierte Hans Kormann blieb der Veranstaltung Corona bedingt fern. Der ehemalige Hauptkommissar war der Veran- staltung per Video aus dem heimischen Bay- ern zugeschaltet. Jurymitglied Sven Hüber, stellvertretender Vorsitzender des GdP-Be- zirks Bundespolizei, überreichte ihm sym- bolisch seinen Preis. Kormann ist seit 38 Jahren Ehrenamtler – ein echter Macher. Allein sein Engagement für die GdP umfasste in über 20 Jahren eine Vielzahl verschiedener Ämter – alle ohne Freistellung. Jetzt engagiert sich der Ober- pfälzer in diversen Projekten für Kultur, Sport und soziale Fragen. Mit dem Fotoclub Auerbach e.V. ist er aktuell an der Durch- führung einer Ausstellung zur Geschichte der Stadt beteiligt. Als Vorstandsmitglied der Bad- und Hallengesellschaft Auerbach e.V. trägt er als Ehrenamtler Sorge für die In- standhaltung und Renovierung der heimi- schen Sporthalle und der Bäder. Seit 2005 hilft er ehrenamtlich dabei, den sogenann- ten MoGo, einen Motorradgottesdienst samt Sicherheitsfahrtraining auf dem Gelände des ehemaligen Eisenerzbergwerkes auszu- richten. Als Gründungsmitglied des Bürger- netzwerk Auerbach übernimmt der Ex-Poli- zist unter anderem Aufgaben des Arbeiter- Samariter-Bundes sowie des Bayerischen Roten Kreuzes. „Für jede gelungene Aktion Kriminalkommissarin Alice Döring (28) wurde ich damit belohnt, wenn sich ande- engagiert sich als Betreuerin auf Kinder- re darüber gefreut haben. Das gilt auch für reisen der Sportjugend im Landessport- Foto: Bensmail die Zukunft, soweit mir meine Gesundheit bund Berlin e. V. Bereits mit 13 Jahren erhalten bleibt.“ I übernahm sie erste Aufgaben.
6 DP „ DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 Hingeschaut Wir brauchen dringend eine Begradigung des politischen Schlinger- kurses bei der Straßenverkehrs- ordnungsnovelle und eine schnelle Beilegung des lähmenden Streits um Bußgelder und Fahrverbote. GEMEINWOHL UND GEWERKSCHAFTSTHEMA ist, den juristischen Formfehler zu korrigie- ren, der dem Bundesverkehrsministerium Für mehr Sicherheit und bessere beim Erlass der Straßenverkehrsordnungs- Arbeitsbedingungen im novelle (StVO-Novelle) im Frühjahr 2020 unterlaufen war. Wir brauchen dringend polizeilichen Verkehrsbereich eine Begradigung des politischen Schlin- gerkurses in Sachen StVO-Novelle und eine schnelle Beilegung des lähmenden Streits Wer sich, wie ich, in letzter Zeit mit Kolleginnen und Kollegen – aber gerade auch um Bußgelder und Fahrverbote. Dabei soll- mit Menschen außerhalb der Polizei – unterhalten hat, und wer verfolgt, was in der te klar sein: Ziel der Debatten muss allem Presse über polizeirelevante Themen berichtet wird, teilt vielleicht meinen voran die Erhöhung der Verkehrssicherheit sein. Durch eine deutliche Annäherung des Eindruck: Bestimmte Teile des polizeilichen Alltags scheinen die Wahrnehmung Sanktionsniveaus für Verkehrsverstöße zu dominieren. Andere Bereiche bekommen weitaus weniger Aufmerksamkeit, hierzulande an das unserer europäischer zum Beispiel Verkehrsthemen. Nachbarländer wäre dem am besten Rech- nung zu tragen. Soweit zum Regelwerk. Das sorgt zwar für mehr Verkehrssicherheit, jedoch nur in Michael Mertens begrenztem Maße. Es bedarf zusätzlich ei- Foto: GdP/Hagen Immel Stellvertretender Bundesvorsitzender ner Polizei, die entsprechende Ressourcen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zur Verfügung hat, um der Bevölkerung die Verkehrsregeln zu erläutern und deren Um- setzung und Einhaltung effektiv sicherzu- D iesen quasi auf der Straße liegenden Themen widme ich mich als stellvertre- tender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft lizei gehört. Deshalb bin ich der Meinung, dass insbesondere die Verkehrspolizei deut- lich mehr Aufmerksamkeit, Verständnis und stellen. Nur mit einer Polizei, die mit hin- reichend Personal und guter Technik aus- gestattet ist und mit Arbeitsbedingungen, der Polizei (GdP). Ich bin sicherlich nicht der Unterstützung seitens der Gesellschaft und die den Beschäftigten eine gute Aus- sowie Einzige, der weiß, dass dem Straßenverkehr der Medien, seitens des Arbeitgebers und kontinuierliche Fortbildung bieten, kann hierzulande deutlich mehr (auch polizei- letztlich auch seitens der Politik verdient das funktionieren. Mehr als ein Augenmerk liche) Aufmerksamkeit geschenkt werden hat. Sie alle sind dazu aufgerufen, daran vertragen diejenigen, die den Bereich „Poli- sollte. Einerseits will wohl niemand bestrei- mitzuwirken, die benötigten Rahmenbedin- zei und Verkehr“ täglich mit Leben erfüllen. ten, dass gerade Polizeibeschäftigte im Ver- gungen für eine erfolgreiche verkehrspoli- Selbstverständlich sollten dabei all jene Ar- kehrsbereich eine überaus wichtige Rolle zeiliche Arbeit zu schaffen – und sie konti- beitsmittel vorhanden sein, die sie für eine für unsere Gesellschaft spielen, ob bei der nuierlich zu verbessern. effektive Arbeit benötigen. Nicht zuletzt Verkehrserziehung, der Überwachung der müssen sie bei ihren Tätigkeiten sicher und Einhaltung von Verkehrsregeln, beim Regeln vor Gefahren bestmöglich geschützt sein. des Verkehrs, bei der Verfolgung von Ver- Schlingerkurse Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns als stößen, bei der Bearbeitung und Aufnahme GdP sind alle polizeilichen Tätigkeitsfelder von Unfällen oder bei der Prävention, ob auf Für die Verkehrssicherheit tragen letztend- wichtig. Deshalb engagieren wir uns für Be- hiesigen Autobahnen, in den Städten oder lich vor allem die Verkehrsministerinnen schäftigte aus allen Bereichen der Polizei. auf dem Land. und -minister in Bund und Ländern Ver- Der Verkehrsbereich liegt mir persönlich be- Durch ihren täglichen Einsatz sorgen die antwortung. Sie müssen ein transparentes sonders am Herzen. Ich freue mich deshalb Polizeibeschäftigten hierzulande für die Si- Regelwerk für den Verkehr auf den Straßen sehr, dass die vorliegende Ausgabe unseres cherheit aller, die am Straßenverkehr teil- hierzulande schaffen. Dieses muss fortlau- Mitgliedermagazins DP ein Schlaglicht auf nehmen. Verkehrssicherheit geht uns alle fend den aktuellen Entwicklungen im Ver- ausgewählte Aspekte davon wirft, wo, wie an, und es muss betont werden, dass gera- kehrssektor sowie den Erkenntnissen der und aus welchen Gründen sich die GdP im de auch die Prävention eine hohe Bedeu- Verkehrswissenschaft Rechnung tragen. Da- Bereich „Polizei und Verkehr“ einsetzt. tung für erfolgreiche Verkehrssicherheits- mit die „Vision Zero“ Realität werden kann, Ich danke allen engagierten Expertinnen arbeit hat. Ihr leistet da draußen tagein also niemand mehr im Straßenverkehr zu und Experten, die sich mit mir zusammen tagaus großartige Arbeit im Dienste des Ge- Schaden kommt, braucht es wirksame Ver- mit viel Herzblut und Enthusiasmus enga- meinwohls. kehrsregeln, die auf Akzeptanz stoßen und gieren: für mehr Aufmerksamkeit für unse- Demgegenüber ist das allgemeine Ver- von allen auch eingehalten werden. re Verkehrsthemen, für eine Verbesserung ständnis für polizeiliche Verkehrsüberwa- Umso bedauerlicher ist es daher, dass es der Verkehrssicherheit hierzulande und für chung nur selten wirklich ausgeprägt. Zu den zuständigen Politikerinnen und Politi- bessere Arbeitsbedingungen für alle, die in häufig gerät in Vergessenheit, dass der Ver- kern nach Monaten der politischen Ausein- diesem gesellschaftsrelevanten Kernbereich kehrsbereich zu den Kernaufgaben der Po- andersetzung noch immer nicht gelungen polizeilich tätig werden. I
DP DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 7 Innenleben VERKEHRSSICHERHEITSARBEIT Digitalisierung und Mobilitätswende fordern Polizei heraus Foto: Marcus Retkowietz/stock.adobe.com Das Autobahnnetz in Nordrhein-Westfalen ist dicht geknüpft und für Verkehrsteilnehmende und Polizei teils sehr herausfordernd. Der Straßenverkehr erlebt derzeit den stärksten Umbruch seit sie sich vom technischen Zustand eines Fahr- zeugs überzeugen, wenn Leistung und Ver- Erfindung des Verbrennungsmotors. Das bedeutet, dass auch fügbarkeit von Assistenzsystemen künftig das Thema Verkehrssicherheit neu gedacht werden muss. Für die per Mausklick verändert oder per Abo dazu- Polizei hat der Arbeitskreis Verkehr der nordrhein-westfälischen und wieder abgebucht werden können? Wie können dann noch Fahrzeugmanipulationen Gewerkschaft der Polizei (GdP NRW) die wichtigsten Heraus- erkannt und nachgewiesen werden? forderungen in einer Neuauflage des verkehrspolitischen Neben der Digitalisierung nimmt die Programms für den Landesbezirk zusammengefasst und Mobilitätswende Fahrt auf. Besonders in den Ballungsräumen ist die Auseinander- Forderungen daraus abgeleitet. setzung um die Neuordnung und -auftei- lung des knappen Verkehrsraums voll ent- brannt. Auch hier spielen elektrounter- stützte Fahrzeuge eine immer größere Rolle Jan Vellemann – leider auch im Unfallgeschehen. Im ver- kehrspolitischen Gerangel um Umweltspu- ren, neue Radwege und Elektroroller gera- ten Fragen der Verkehrssicherheit häufig aus D ie Digitalisierung macht Kraftfahr- fallbeteiligten? Die Konnektivität bietet da- dem Blickfeld. zeuge zu Computern auf Rädern. Die rüber hinaus ganz neue Möglichkeiten für Die Polizei muss sich mit diesen Heraus- Vernetzung der Fahrzeuge unterein- Manipulationen und Angriffe von außen. forderungen intensiv und proaktiv ausein- ander und mit der Infrastruktur (Konnektivi- Daher ist die höchstmögliche IT-Sicherheit andersetzen. Sie darf sich nicht an die Seite tät) lässt Fahrzeuge zu einem Bestandteil des erforderlich. drängen lassen. Das ist das zentrale Anlie- Internets der Dinge werden. Diese Revolution Für die Polizei ist die neue Technik eine gen der Autoren, die mit einer Vielzahl von der Verkehrsinfrastruktur birgt viele Chan- Herausforderung – spätestens bei der Un- Vorschlägen – von der Prävention über die cen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit fallaufnahme. Sogenannte digitale Unfall- Unfallaufnahme bis hin zur Rolle der Ver- und der Leichtigkeit des Straßenverkehrs – spuren gewinnen gegenüber analogen Spu- kehrsdirektionen in der Polizei – ihren Dis- jedoch auch Risiken. ren an Bedeutung. Wann und wie bekommt kussionsbeitrag vorlegen. Die Neuauflage Was passiert, wenn die Technik versagt? die Polizei für ihre Ermittlungstätigkeit einen des „Verkehrspolitischen Programms NRW“ Werden die Fahrzeughersteller dann zu Un- Zugriff auf Daten aus Fahrzeugen? Wie kann wird zu Jahresanfang veröffentlicht. I
8 DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 DP Im Gespräch RISIKOEINSATZ AUTOBAHN Nur mit einem Sprung im letzten Moment gerettet DP-Interviewpartner Yannick Porepp versieht seinen Dienst im schleswig-holsteinischen Autobahnrevier Neumünster. Er erklärt, wie Autobahnen nicht nur für Polizistinnen und Polizisten sicherer werden könnten. Jeldrik Grups Foto: privat
DP DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 9 DP-Interviewpartner Yannick Porepp ist seit 2008 Polizist in Schleswig-Holstein. Neben dem Verkehrsüberwachungsdienst, der sich mit landesweiter Zuständigkeit hauptsächlich mit Verkehrsüberwachung in zivil be- schäftigt hat, arbeitete er lange Zeit beim Autobahnrevier in Elmshorn, mittlerweile bei der Autobahnpolizei in Neumünster. Der Aufgabenbereich umfasst die A 7 von der Landesgrenze Hamburg bis zum Nord-Ostsee-Kanal. Ein Großteil der Strecke ist dreispurig ausgebaut und hat keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Hinzuzählen sind die A 210 und A 215 nach Kiel. Foto: Chantal Ninnemann F ür den 30-jährigen Polizeikommissar beginnt ein typischer Dienst mit der ging eine meiner Kolleginnen auf die Fahr- bahnseite des hinter den Beteiligten auf dem „ Schichtübergabe und oft mit einem ersten Seitenstreifen abgestellten Streifenwagens. Einsatz – Verkehrsunfälle, Gefahrenstel- Der Fahrer eines auf die Unfallstelle zu- len oder Unterstützungseinsätze in den fahrenden Transporters schätzte vermut- anliegenden Städten. An unruhigen Tagen lich die Situation falsch ein und wechsel- fährt er von Einsatzort zu Einsatzort. Nach te unvermittelt den Fahrstreifen nach links. dem Abarbeiten der Lagen geht es auf die Routine ist gut, Er wurde von einem von hinten heranfah- Dienststelle, wo der Schreibkram wartet. renden Sportwagen erfasst und geriet ins Ist mal weniger los, bleibt Zeit für einzelne kann jedoch Schleudern. Der Transporter schlingerte ge- Verkehrskontrollen. Von A wie Anhänge- nau auf den Streifenwagen zu, an dem sich last bis Z wie Zurrgurt ist dann alles dabei. sehr gefährlich meine Kollegin befand. Mit einem Sprung Die angespannte Personalsituation lässt für die weitere Verkehrsüberwachung jedoch sein. konnte sie sich im letzten Moment retten. So kam es zum Glück nur zu Sachschäden. nicht viel Raum. Sonst übliche, regelmäßige Meine Kollegin hat jedoch noch bis heute mit Großkontrollen seien schon häufiger der diesem Ereignis zu kämpfen. Aufrechterhaltung des generellen Reaktions- dienstes gewichen, erzählt Porepp DP. Trotz DP: Das dürfte kein Einzelfall sein … teils lebensgefährlicher Situationen bringe Porepp: Das stimmt. Dass dem so ist, zeigt die Arbeit auf den Autobahnen im Land gelten und professionellen Ablauf möglich auch ein anderer Zwischenfall, bei dem ich immer noch eine Menge Spaß. macht. Auf der anderen Seite kann Routine selbst durch einen Verkehrsunfall geschädigt jedoch sehr gefährlich sein. wurde. Eine Verkehrsteilnehmerin hatte aus DP: Kollege Porepp, fährst Du privat noch dem Stau heraus gewendet, da sie vermut- gern Auto? DP: Was geht in Dir vor, wenn Du nahezu lich keine Muße mehr hatte, zu warten. Sie Yannick Porepp: Ja. Im Laufe der Jahre war jeden Tag Gefahr läufst, im Dienst schwer kollidierte mit unserem Streifenwagen, wäh- ich bei vielen schweren Verkehrsunfällen verletzt zu werden? rend ein Kollege und ich an der Reihe stehen- eingesetzt, habe viele sehr gefährliche Situ- Porepp: Die hohen Fahrtgeschwindigkei- der Fahrzeuge vorbeifuhren. Glücklicherwei- ationen beim eigenen Arbeiten im „Gefahren- ten und die allgemeinen Gefahren, die bei- se wurden wir nur leicht verletzt. Der fabrik- bereich Autobahn“ miterlebt und wurde oft spielsweise bei einer Absicherung auf dem neue Streifenwagen war allerdings hinüber. genug Zeuge davon, wie uns nicht nachvoll- Seitenstreifen von vorbeifahrenden Fahr- Solche Schäden sind jedoch ersetzlich. ziehbares Fahrverhalten schon das ein oder zeugen ausgehen, nehme ich in vielen Fäl- andere Absicherungsmaterial und ab und zu len nicht mehr als Gefahr wahr. Es ist und DP: Als Gewerkschafter setzt Du Dich en- auch fast das Leben gekostet hat. Dennoch bleibt aber sehr gefährlich. Denkt man nur gagiert für verkehrspolitische Verbesse- fahre ich immer noch sehr gern Auto. Ich den- daran, dass ein kleiner Fehler eines Ver- rungen ein. Was hat Dich dazu gebracht, ke aber, dass ich dies vor dem Hintergrund kehrsteilnehmers schon dazu führen könn- und was motiviert Dich? meiner Erfahrungen bewusster tue und Situ- te, dass meine Kolleginnen und Kollegen Porepp: Fast mein komplettes dienstliches ationen im Verkehr anders bewerte. oder ich zu Schaden kämen. Bei hohen Leben habe ich auf Verkehrsdienststellen Fahrtgeschwindigkeiten natürlich umso verbracht. Das war nichts, wofür ich mich DP: Wie gefährlich ist der Einsatz? mehr. Trotzdem kann einen das nicht stän- gleich zu Beginn begeistern konnte. Im Lau- Porepp: Aus gemeinsamen, länderübergrei- dig beschäftigen, selbst, wenn man sich der fe der Zeit ist mir die Arbeit aber ans Herz ge- fenden Lehrgängen weiß ich, dass meine Gefahr bewusst ist. Ein Nicht-Einschreiten wachsen. Da ist es aus meiner Sicht nur lo- Kolleginnen und Kollegen in ganz Deutsch- wäre ebenso keine Alternative. Gefahren gisch, dass man sich auch für den Bereich, in land auf Schnellstraßen sehr ähnlich arbei- für andere zu reduzieren oder im besten Fall dem man arbeitet, mehr und mehr einsetzt. ten und mit denselben Gefahren zurecht- ganz zu vermeiden, ist ja genau unser Auf- kommen müssen. Abgesehen von einzelnen trag. Ohne dabei selbst in Gefahr zu geraten DP: Was machst Du konkret? Erinnerungen an einige Einsätze bezie- geht es leider nicht, auch, wenn dies natür- Porepp: Zusammen mit Sören Böckenhau- hungsweise Einsatzorte macht es für mich lich erstrebenswert wäre. er, einem Kollegen von meiner Dienststel- daher keinen großen Unterschied, ob ich le, und einer Handvoll weiterer Kollegen auf der A 7 im eigenen Bereich oder auf ei- DP: Kannst Du ein besonders gravieren- im Land führen wir beispielsweise einen ner ganz anderen Autobahn unterwegs bin. des Erlebnis schildern? Lehrgang durch, der sich mit dem siche- Auf jeder Autobahn kann es zu Situatio- Porepp: Ein Fall aus dem letzten August ist ren Arbeiten auf Schnellstraßen und weite- nen kommen, die besonders gefahrenträch- mir in lebhafter Erinnerung geblieben. Eine ren verkehrspolizeilichen Maßnahmen wie tig sind. Im Laufe der Zeit ist beim Großteil unserer Streifen wurde zum Unfall auf die Falschfahrereinsätzen befasst. Uns ist es ein aller Einsätze bei mir eine gewisse Routine Autobahn gerufen. Die beteiligten Fahrzeuge dringendes Anliegen, möglichst viele Kolle- entstanden. Das ist auf der einen Seite gut standen alle auf dem Seitenstreifen im drei- ginnen und Kollegen mit dem Lehrgang zu und auch erforderlich, da diese einen gere- spurigen Bereich. Bei der Unfallaufnahme erreichen und so auch innerhalb der Polizei
„ 10 DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 DP Die Forderung an die Politik ist also klar: Mehr Personal bedeutet mehr Sicherheit, und zwar für alle Akteure. für mehr Sicherheit und Professionalität zu nimmt dann den Verkehrsunfall auf? Dar- bahn“ bleibt auch nach Einführung eines sorgen. Wie wichtig das ist, zeigen uns die über hinaus sind am Unfallort manchmal Tempolimits gefährlich. Die Fahrgeschwin- zurückliegenden und teils angesprochenen mehrere Streifen erforderlich, oder es fal- digkeiten sind immer noch zu hoch für ein Fälle deutlich. len zeitgleich andere Einsätze an. sicheres Arbeiten. Vielmehr bedarf es intel- ligenterer und individueller Lösungen. DP: Und die Eigensicherung? DP: Ihr seid also auf Unterstützung ange- Porepp: Die Diskussion, einen höheren wiesen. DP: Zum Beispiel? Grad an Eigensicherung in unserem Dienst- Porepp: Genau daran wird deutlich, dass die Porepp: Mobile Einrichtungen wie Wechsel- bereich zu erreichen, ist nicht neu. Vie- Autobahnpolizei häufig auf Unterstützung verkehrszeichen auf oder hinter Streifenwa- le Ideen und Anmerkungen wurden aller- anliegender Dienststellen angewiesen ist. gen sind zwar ein Zugewinn. Diese Anzei- dings nicht weiter verfolgt, da sie entweder Wir stellen leider fest, dass die Ausstattung gen erreichen aber beispielsweise nicht alle im Kollegenkreis zu vage formuliert oder anderer Streifenwagen oftmals nicht ausrei- Verkehrsteilnehmenden, da sie größtenteils schlicht anders bewertet und nicht weiter- chend ist und die Kolleginnen und Kollegen nur auf dem Seitenstreifen aufgestellt wer- geleitet wurden. Das Ganze nahm eine be- in vielen Fällen keine Routine beim Arbeiten den können. Oftmals werden sie durch eine deutende Wendung, als das Thema in unse- auf der Autobahn haben. Die Forderung an Reihe von vorbeifahrenden hohen Fahrzeu- rer Regionalgruppe (SH-Mitte) vorgebracht die Politik ist also klar: Mehr Personal bedeu- gen wie Lastkraftwagen verdeckt. wurde. Unser Vorsitzender, Ulrich, Spitz- tet mehr Sicherheit, und zwar für alle Akteu- name „Egon“ Bahr, hat sich hier sehr enga- re. Sowohl die Verkehrsteilnehmerinnen und DP: Dann müsste man größer denken, giert und mitunter dafür gesorgt, dass Me- -teilnehmer als auch die Kolleginnen und oder? dien und Politik auf die angespannte Sicher- Kollegen profitieren von einer gut ausgestat- Porepp: Genau, ausschließlich die flä- heitslage auf unserer Autobahn aufmerksam teten und personell gut besetzten Autobahn- chendeckende Einrichtung einer Verkehrs- wurden. Das hat mir erstmals deutlich ge- polizei; gerade, wenn es sich um eine vielbe- beeinflussungsanlage auf Strecken ohne zeigt, dass es Sinn macht, eine riesige Ge- fahrene Strecke handelt. Geschwindigkeitsbegrenzung kann nach werkschaft hinter sich zu haben, die gehört meinem Dafürhalten dazu beitragen, die und ernst genommen wird. DP: Würdest Du auch bei Sicherheit auf der Autobahn zu erhöhen. der Geschwindigkeit an- Nur damit kann individuell und vor allem DP: Was fordert Ihr von den po- setzen? rechtzeitig durch Schaltung der über der litischen Entscheidungsträ- Porepp: Vor allem nach Fahrbahn angebrachten elektrischen Ver- gerinnen und -trägern, um dem Fall, bei dem meine kehrszeichen auf eine Gefahr hingewie- Euch besser zu schützen? Kollegin beinahe ums Le- sen werden. Neben dem Schalten von Ge- Porepp: Für einen Dienst- ben kam, wurden auch schwindigkeitsbegrenzungen können auch bereich mit über 120 Auto- hier im Land die Stimmen Fahrstreifensperrungen und weitere Vor- bahnkilometern, verteilt lauter – neben der bun- warnzeichen eingeblendet werden. Mehr auf drei Autobahnen, mit desweiten Diskussion um Sicherheit wird dadurch nicht nur für die- mehreren Autobahnkreu- ein generelles Tempolimit jenigen geschaffen, die auf der Autobahn zen, teilweise dreispurig auf Autobahnen. Natürlich arbeiten, sondern beispielsweise auch für ausgebaut und zum Groß- stimmt es, dass die Haupt- Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteil- teil ohne Geschwindig- unfallursache überhöhte nehmer, die sich an Stauenden befinden. keitsbegrenzung, stehen oder nicht angepasste Ge- Ich wiederhole: Das wäre ein bedeutender uns Tag und Nacht durch- schwindigkeit ist. Wir er- Zugewinn an Verkehrssicherheit. Und zwar gehend zwei Streifenwa- leben es jeden Tag. Je hö- für alle. genbesatzungen zur Verfü- her die zuvor gefahrene gung. Selbst bei der Voll- Geschwindigkeit, desto DP: Wie kommt Ihr mit Euren Ideen an, sperrung der Autobahn schwerwiegender die Fol- wie reagiert die Politik? sind aus Eigensicherungs- gen nach einem Verkehrs- Porepp: Anfangs wurde die Thematik hier gründen mindestens zwei unfall. Dennoch hilft ein bei uns in der lokalen Presse beleuchtet. Das Streifenwagen erforder- generelles Tempolimit al- führte allerdings zu keinem wirklichen Er- lich. Hinzu kommt, dass len auf der Autobahn agie- folg. Zwar bekamen wir von einigen Lokal- Vollsperrungen meist im renden Akteuren wie Poli- politikern Zuspruch, mehr passierte jedoch Zusammenhang mit Ver- zei, Rettungsdienst, Feuer- nicht. Das ist sicher auch in gewisser Wei- kehrsunfällen erforder- wehr, Autobahnmeisterei se verständlich, wenn man betrachtet, auf lich sind. Die Rechnung nur bedingt weiter. welcher Ebene Entscheidungen, die die Au- ist hier einfach: Wenn tobahn oder den Personalkörper der Polizei zwei Streifen für die DP: Wieso das? betreffen, getroffen werden. Vollsperrung ge- Porepp: Der „Ar- Erst nach dem Vorfall mit meiner Kolle- Foto: privat bunden sind, wer beitsplatz Auto- gin nahm die Thematik wieder Fahrt auf.
DP DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 11 Ich erinnere mich noch an ein Zeitungszi- bleibt abzuwarten, ob unsere Erwartungen DP: Wenn Du einen verkehrspolitischen tat von mir: „Muss denn erst etwas passie- erfüllt werden. Wunsch frei hättest, und der würde sofort ren, bis die Politik tätig wird.“ Dann wur- erfüllt, welcher wäre es? den auch Landespolitiker hellhörig. Weni- DP: Prinzipiell sind Eure Forderungen auf Porepp: Mein Wunsch wäre der Ausbau ge Tage nach dem Vorfall besuchte uns auf ganz Deutschland übertragbar. moderner Verkehrstelematik in unserem der Dienststelle beispielsweise unsere In- Porepp: Verkehrssicherheit ist ein bundes- Bereich. Aber auch in ganz Deutschland – nenministerin Sabine Sütterlin-Waack. Bei weites und sehr bedeutendes Thema. Auto- insbesondere in Form von Verkehrsbeein- weitergehenden Gesprächen wurden wir als bahnen und ähnlich ausgebaute Straßen flussungsanlagen. Hierdurch könnten bei GdP zu unserem Verkehrsminister Dr. Bernd gibt es hierzulande an fast jeder Ecke. Ganz sinnvoller Anwendung Tag für Tag Leben Buchholz ins Ministerium eingeladen. sicher sind die erläuterten Forderungen über gerettet und Kolleginnen und Kollegen ge- die schleswig-holsteinische Landesgrenze schützt werden. Die Autobahn kann damit DP: Und wie war’s? hinaus von Relevanz. Eine vergleichbare Au- ohne großen Aufwand zu einem sichere- Porepp: Beide Gespräche sowie den ge- tobahn in Sachsen, Bayern oder Niedersach- ren und modernen Verkehrsraum für alle meinsamen, wertschätzenden Austausch sen ist genauso gefährlich. Hinzu kommt, werden. bewerte ich insgesamt als positiv. Natürlich dass, wenngleich Polizei Ländersache ist kann man nicht die Erwartungshaltung ha- und personelle Entscheidungen hier getrof- DP: Vielen Dank für das Gespräch. Und ben, dass sich von heute auf morgen etwas fen werden müssen, Regelungen, unter wel- passt auf Euch auf. ändert. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass chen Voraussetzungen eine Verkehrsbeein- wir nun mindestens zwei Politiker an unse- flussungsanlage eingerichtet werden kann, Mitarbeit: Michael Zielasko rer Seite haben, die uns bei dieser Thema- auf Bundesebene definiert werden müssen. tik in naher Zukunft unterstützen wollen. Es Hier besteht dringender Nachholbedarf. 188x130 Terrado_lns.pdf; s1; (188.04 x 130.01 mm); 12.Nov 2020 14:09:02; PDF-CMYK für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien ANZEIGE Terrado Networks GmbH Am Schornacker 8 46485 Wesel info@terrado-networks.de Fortschritt in Höchstgeschwindigkeit In Zeiten des High-Speed-Internets und großen zu übertragenden Datenmengen reichen herkömmliche Kupferkabel oft nicht mehr aus. Um hier innovativ Abhilfe zu schaffen, sind mittlerweile Glasfaserkabel flächendeckend im Einsatz. Wir realisieren diese Leitungssysteme sicher und zuverlässig.
12 DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 DP Hingeschaut PEDELECS UND E-BIKES Corona beschleunigt E-Mobilität Erste Berichte lassen es bereits vermuten: Das zu Ende gegangene Jahr könnte in Bezug auf die Verkaufszahlen von Pedelecs und E-Bikes herausragend werden – und das trotz oder sogar wegen Corona. Richard Lüken I n Zeiten von Abstandsregeln, Laden- Allein für das erste Halbjahr 2020 wird ein schneller voranschreitet als prognostiziert. schließungen, Ausgangs- und Kontakt- Absatzplus von 6,1 Prozent bei den Pede- Eine der möglichen Ursachen dürfte der beschränkungen, Kurzarbeit sowie einer lecs erwartet, bestätigte Zahlen hierfür lie- Drang nach Bewegung an der frischen Luft Maskenpflicht erlebt die Zweiradbranche gen noch nicht vor. Bei den E-Bikes rechnet in den Zeiten des Lockdowns sein. weiterhin einen regelrechten Boom, trotz der ZIV sogar mit einem Plus von bis zu 15,8 Auch die Gefahr einer Ansteckung in öf- einer wirtschaftlich negativen Gesamtlage. Prozent. Allein diese Zahlen geben eine Vor- fentlichen Verkehrsmitteln (ÖPNV) könnte Vermehrt zu lesen war, dass der Verkauf stellung von der Dimension und den Wachs- den Boom in der Zweiradbranche zusätz- von Elektrofahrrädern weiterhin rasant zu- tumsmöglichkeiten des Marktes. Diese ex- lich befeuert haben. Bei den heutigen Ak- nehme. Bereits 2019 wurde nach Angaben plosionsartige Entwicklung war auch von kuleistungen sind auch längere Distanzen des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) mit Experten kaum vorhersehbar. für Pendler kein Problem, sodass sich Pede- 1,36 Millionen verkauften Pedelecs ein neuer lecs und E-Bikes als praktische Alternative Rekord aufgestellt. Im Jahr zuvor lagen die zum ÖPNV und der dort geltenden Masken- Verkaufszahlen bei etwa 980.000 Einhei- Gesunde Mobilität pflicht etablieren konnten. Da zumindest in ten. Dies entspricht einer Zunahme von 39 den ersten Monaten des neuen Jahres nicht Prozent. Auch der Anteil am Gesamtmarkt Die grassierende Pandemie führt nun dazu, mit einer Entspannung des allgemeinen In- stieg auf 31,5 Prozent. Der ZIV erwartet lang- dass die Verbreitung von Pedelecs und E- fektionsgeschehens gerechnet werden kann fristig eine Steigerung auf 40 bis 50 Prozent. Bikes auf deutschen Straßen wesentlich und Impfstoffe noch nicht in ausreichender
DP DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 13 rer mit 5,3 Kilometern. Aufgrund steigender Nutzerinnen und Nutzer durch unangepass- Verkaufszahlen sowie der häufigeren Nut- te Geschwindigkeit auffallen und einen nicht zung dürfte eine weiter zunehmende Beteili- an die persönlichen Fähigkeiten angepassten gung an Verkehrsunfällen zu erwarten sein. Fahrstil aufweisen. In diesem Bereich schei- Droht eine Welle schwerer Verkehrsun- nen daher Fahrtrainings unter professionel- fälle? Zumindest entwickeln sich die Zah- ler Begleitung und andere präventive Projek- len im Zweiradbereich entgegen des allge- te zielführende Maßnahmen zu sein. Vielfach meinen Trends. Während die Zahl schwer werden entsprechende Modelle bereits ange- verletzter oder getöteter Personen langfris- boten. Die Landesverkehrswacht Niedersach- tig rückläufig ist, steigen die Zahlen bei sen bietet beispielsweise spezielle Trainings Radfahrern in den letzten Jahren weiter an. unter dem Namen „Fit mit dem Pedelec“ an. Dem Statistischen Bundesamt zufolge sank Eine Ausweitung entsprechender Program- die Zahl der getöteten Verkehrsteilnehmer me sollte weiter forciert werden, denn der alt- im Vergleich zu 2010 allgemein um 16,5 Pro- bekannte Spruch „Radfahren verlernt man zent, während sie bei den Radfahrern (in- nicht“ ist auf elektrisch unterstützte Fahrrä- klusive Pedelecs) um fast 17 Prozent anstieg. der aufgrund ihrer fahrdynamischen Abwei- 2019 starben 445 Radfahrende auf den Stra- chungen nicht anwendbar. ßen, darunter 118 Pedelecfahrer. Damit ist jeder siebte Verkehrstote ein Radfahrer. Wie in den vergangenen Jahren ließen überwie- Öfter checken gend Senioren ihr Leben bei Verkehrsunfäl- Foto: Markus Schoeffler/stock.adobe.com len auf dem Fahrrad oder Pedelec. Allgemein erscheint eine regelmäßige Über- prüfung von Zweiradfahrern, unabhängig davon, ob sie elektrisch betrieben sind oder Deutlich höheres Risiko nicht, im Sinne einer erhöhten Verkehrssi- cherheit als sinnvoll. Bei flächendeckenden Die Allianz Versicherung veröffentlichte Schwerpunktkontrollen innerhalb der Poli- 2019 eine Studie. Demnach ist das Risiko, zeidirektion Osnabrück wurden beispiels- bei einem Verkehrsunfall mit einem Elekt- weise trotz Corona-Einschränkungen bis rofahrrad getötet zu werden, etwa dreimal Ende September insgesamt 2.196 Fahrräder höher als mit herkömmlichen Rädern. Da- und E-Bikes kontrolliert. 750 Beanstandun- bei habe man die Unfallzahlen bereits in Re- gen wurden festgestellt. Dies entspricht ei- lation zur erwarteten Fahrleistung gesetzt. ner Quote von 34,1 Prozent. Als recht häu- Eine kleine Studie der Deutschen Sport- figer Verstoß kristallisierte sich die Be- hochschule in Köln mit 11 Männern und nutzung von Mobiltelefonen heraus. Zwar 17 Frauen ergab vor kurzem, dass auf ei- dürfen diese Ergebnisse nicht überinterpre- ner durchschnittlichen Fahrraddistanz von tiert werden und sind nicht vergleichbar, je- 4,5 Kilometern mit Elektrofahrrädern eine doch können sie einen Überblick über erfor- Durchschnittsgeschwindigkeit von 21,5 Ki- derliche Nachbesserungen im Bereich Ver- Zahl zur Verfügung stehen, könnte sich der lometer pro Stunde (km/h) gefahren wird. kehrsüberwachung geben. Umstieg auf das Elektrofahrrad als Beför- Die gleiche Testgruppe erreichte mit norma- Hinsichtlich der technischen Ausstat- derungsmittel der Wahl im urbanen Raum len Fahrrädern lediglich eine Durchschnitts- tung von Pedelecs und den bis zu 45 km/h auch langfristig etablieren. geschwindigkeit von 18,1 km/h. Es wird ab- schnellen S-Pedelecs wäre es seitens der Un- zuwarten sein, wie sich eine Erhöhung der fallforscher wünschenswert, aus der Motor- durchschnittlichen Geschwindigkeiten im radtechnik bekannte Sicherheitssysteme wie Und die Polizei? Radverkehr nachweislich negativ auf Un- ein Antiblockiersystem (ABS) zunehmend in fallhäufigkeit und -schwere auswirkt. diese kleineren Zweiradklassen zu integrie- Aus polizeilicher Sicht stellt sich die Frage, Fest steht: Besonders Senioren weisen ein ren. Problematisch sein könnte aktuell noch wie sich der rasante Zuwachs an Fahrzeugen erhöhtes Verletzungsrisiko auf. Ältere Men- der technische Aufwand sowie eine nicht im Straßenverkehr bemerkbar machen wird. schen erleiden bei gleichen Unfallszenarien zu vernachlässigende Steigerung der Fer- Eine europäische Studie des Forschungspro- schneller schwere Knochenbrüche als jünge- tigungskosten. Bei einzelnen Fahrzeugen jektes „Physical Activity Through Sustaina- re Verkehrsteilnehmer. Aber auch das Verhal- sind jedoch bereits entsprechende Systeme ble Transport Approaches“ ergab 2019, dass ten der Nutzer wirkt sich in einigen Fällen ne- verbaut. Der Aufpreis gegenüber einem Elek- Nutzer von Elektrofahrrädern mit durch- gativ aus. Die Unfallforschung der Versicherer trorad ohne ABS liegt hier bei zu verschmer- schnittlich 8 Kilometern deutlich weitere verwies bereits 2017 in einem Bericht darauf, zenden 500 Euro. Kritische Bremsungen, die Strecken zurücklegen als normale Radfah- dass im Bereich der Pedelecs gerade ältere bei zu starker Beanspruchung des Bremshe-
14 DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 DP In den vergangenen Jahren nahmen die Unfallzahlen mit Pedelecs und E-Bikes teils exponentiell zu. Insbesondere die Verkehrsüberwachung sollte künftig den geänderten Verhältnissen im Straßenverkehr angepasst werden. Im engeren Blickfeld: das Fehlverhalten von Pedelec- Nutzern, konsequente Strafen sowie das weiterhin aktuelle (illegale) Tuning von E-Bikes. Sicherheitsgurtes im Pkw. Die Akzeptanz des bisher einzigen passiven Sicherheitssystems bei Fahrrädern lässt sich jedoch deutlich ver- bessern. Nach Untersuchungen der Bundes- anstalt für Straßenwesen aus dem Jahr 2018 liegt der prozentuale Anteil mit Ausnahme von Kindern bis zu 10 Jahren (über 80 Pro- zent) deutlich unter 38 Prozent in allen Al- tersbereichen. Besonders gering fällt die Ak- zeptanz bei Jugendlichen und jungen Er- wachsenden mit Werten zwischen 8 und 23 Prozent aus. Einige Werte lagen indes in den vergangenen Jahren noch niedriger. Somit ist eine leicht positive Tendenz erkennbar. Mögliche Gefahren im Zusammenhang mit Elektrofahrrädern könnten zudem stärker im Bereich der Fahrschulausbildung thema- tisiert werden, um auf besondere Unfallrisi- Foto: NtDanai/stock.adobe.com ken und Wahrnehmungsprobleme aufmerk- sam zu machen. Laut Berliner Charité gehörten 2019 Risswunden am Sprunggelenk, Kopfverletzungen In den Fokus rücken und Arm-Frakturen zu den häufigsten Verletzungen bei E-Scooter-Unfällen. Im Blickfeld bleiben sollte auch die Entwick- bels unweigerlich zum Sturz führen, könnten von Lichtzeichenanlagen sowie eine über- lung der Unfallzahlen bei den neu aufkom- so in Zukunft vermieden werden. sichtliche Verkehrsraumgestaltung zur Un- menden Elektrokleinstfahrzeugen. Im ers- Um Tuning an Elektrorädern künftig zu fallvermeidung beitragen. Zusätzlich dürf- ten Quartal 2020 wurden 251 Verkehrsunfäl- erschweren, wäre zudem eine eindeutige Er- ten auch die Weiterentwicklungen der Si- le mit Personenschaden polizeilich erfasst. kennbarkeit der jeweiligen Fahrzeugklas- cherheitssysteme in Pkws zur Verringerung 39 Personen verletzten sich schwer, eine Per- se nötig. Dies würde nicht nur polizeiliche derartiger Gefahrensituationen beitragen. son erlitt tödliche Verletzungen. Verglichen Kontrollen vereinfachen, sondern auch Ver- Der Mensch selbst erweist sich dabei als Un- mit dem Gesamtunfallgeschehen spielen lässlichkeit für andere Verkehrsteilnehmer sicherheitsfaktor. E-Scooter und sonstige Elektrokleinstfahr- schaffen, die ein herannahendes Fahrzeug Untersuchungen der Unfallforschung zeuge damit noch eine untergeordnete Rol- so möglicherweise leichter anhand der Bau- der Versicherer sahen bereits 2015 einen Zu- le. Angesichts stärkerer Nutzung dürfte hier art erkennen können. Vor dem Hintergrund sammenhang mit der Trittfrequenz eines jedoch auch in naher Zukunft mit einer Zu- einer eindeutigen Überprüfbarkeit könnten Elektroradlers und dem Abbiegeverhalten nahme der Unfallzahlen zu rechnen sein. die Zahlen „25“ oder „45“ in jede Rahmen- des Pkw. Bei niedrigen Trittfrequenzen, die Eine erste ärztliche Auswertung der Ber- nummer deutlich hervorgehoben integriert durch die elektrische Unterstützung leicht liner Charitè kurz nach Freigabe der E-Scoo- werden. Die eindeutige Überprüfbarkeit umsetzbar sind, kommt es demnach häufi- ter 2019 ergab, dass Risswunden am Sprung- wäre gewährleistet, zumal Polizeibeamte ger zu Fehleinschätzungen des Kraftfahr- gelenk, Kopfverletzungen und Arm-Fraktu- bei Kontrollen häufig sowieso entsprechen- zeugführers und hieraus resultierenden ren zu den häufigsten Verletzungen zählen. de Rahmennummern an Fahrrädern prüfen. brenzligen Abbiegevorgängen. Womöglich Es wird zu prüfen sein, ob die Einführung Ein nennenswerter Mehraufwand würde so- wird die maßgebliche Entscheidung (War- einer Helmpflicht für E-Scooter Kopfverlet- mit nicht entstehen. ten oder Abbiegen) durch eine Bewertung zungen reduzieren würde. Möglicherweise der Bewegungen der Radfahrenden beein- könnte dies jedoch die Akzeptanz der Elek- flusst. Der Themenbereich Wahrnehmung trokleinstfahrzeuge signifikant verschlech- Separate Radwege im öffentlichen Verkehrsraum ist jedoch tern. Statistisch gesehen werden diese ledig- vielschichtig und wird sicherlich weiter un- lich für kurze Strecken genutzt. Während Unfälle im Einmündung- und Kreuzungs- tersucht werden müssen. mit Fahrrädern im innerstädtischen Be- bereich, die durch fehlerhafte Geschwin- reich etwa 3,5 Kilometer zurückgelegt wer- digkeitseinschätzungen des Kraftfahrzeug- den, sind es bei den E-Scootern im Schnitt führers entstehen, könnten verringert wer- Behelmt nur etwa 1,8 Kilometer. Im Regelfall sinkt den, indem der Ausbau separater Radwege das allgemeine Unfallrisiko, in Abhängig- durch Städte und Gemeinden forciert wird. Ein sicherer Helm sollte grundsätzlich zum keit zur Häufigkeit der Nutzung und zurück- Ferner könnten eine intelligente Steuerung Radfahren dazugehören wie das Anlegen des gelegter Wegstrecke. I
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16 DEUTSCHE POLIZEI 01/2021 DP Hingeschaut F ÜBER DIE GEFAHREN DES STRASSENVERKEHRS ast 70 Prozent der Unfälle mit Per- Fahrverbote sind sonenschaden und über 30 Prozent der tödlichen Unfälle ereignen sich innerorts. Meist trifft es die schwächsten Verkehrsteilnehmer – Fußgänger und Rad- wirksam fahrer, vor allem Kinder und ältere Men- schen. Der Anteil getöteter Fußgänger an allen im innerstädtischen Verkehr tödlich Verunglückten lag 2019 bei über 33 Prozent, in der Gruppe der Senioren sogar bei 43 Pro- zent, und dies bei einem durchschnittlichen Begrenzter Verkehrsraum bei wachsender Fußgänger-, Fußwegeanteil aller Altersgruppen von nur 22 Prozent. Rad- und Mikromobilität in unseren Städten: eine explosive Mischung. Die Gefahr permanenter Konfliktsituationen ist Hohe Risiken für Fußgänger vorprogrammiert. Der Verkehrsraum Stadt spielt bei der Zahl und den Folgen von Unfällen eine große Rolle – leider. Aufgrund des Personenkraftwagen-Anteils am sogenannten Modal Split (Anteil der Art der Verkehrsteilnahme am Gesamtver- Peter Schlanstein kehrsaufkommen) in den Städten von durch- schnittlich 57 Prozent und einem Getöteten- anteil aus dieser Gruppe von rund 20 Pro- Foto: sp4764/stock.adobe.com
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