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01 2006 1–48 Anwaltsblatt Österreichisches 8 Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck 12 Operation Spring Die Einführung des großen Lausch- und Spähangriffes in Österreich aus Verteidigersicht RA Mag. Josef Phillip Bischof 20 Fortschritte im „Europäischen Zivilrecht“ RA Dr. Franz Markus Nestl Wir sprechen für ihr Recht DIE ÖSTERREICHISCHEN RECHTSANWÄLTE www.rechtsanwaelte.at
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Editorial Anwaltsblatt Neu Präsident Dr. Benn-Ibler S ie halten die erste Ausgabe des Öster- reichischen Anwaltsblattes im neuen Gewand in Händen. Die letzte solche Än- Es wurde ein neues Schriftbild gewählt. Die Rubriken wurden deutlicher hervor- gehoben und haben teilweise neue Be- derung ist nunmehr fast 10 Jahre her, und zeichnungen erhalten. es war daher Zeit, das Aussehen der Zeit- Nach einigem Suchen konnte eine schrift zu ändern. Der Arbeitskreis Öffent- Schrift gefunden werden, die die Texte lichkeitsarbeit hat vor etwa 1½ Jahren be- um einiges einfacher lesbar gestaltet. gonnen Überlegungen anzustellen, wie Sie können sich vielleicht erinnern, dass das „neue“ Österreichische Anwaltsblatt im Jahre 2004 eine Umfrage über die Ge- aussehen soll. Das Ergebnis liegt nunmehr staltung des Inhaltes des Anwaltsblattes vor Ihnen. durchgeführt wurde. Das Ergebnis wurde Der Umschlag ist in dem von uns auch im Anwaltsblatt veröffentlicht (AnwBl sonst verwendeten „Anwaltsblau“ gehal- 2004, 376 f) und ist in die Neugestaltung ten. Unser Logo, das rot-weiß-rote R, do- eingeflossen. miniert. Beides soll das Österreichische Der Aufbau wurde gestrafft und optisch Anwaltsblatt leicht und schnell erkennbar verdeutlicht. Abhandlungen gehen nun- machen und von anderen juristischen mehr regelmäßig Abstracts voraus, die ei- Fachzeitschriften abheben. nen schnellen Überblick über den Inhalt Anwaltsblatt, Broschüren und andere geben. Deskriptoren erleichtern die Auf- Werbemittel vermitteln nun schon durch findbarkeit bei einer Suche nach Schlag- ihre äußere Gestaltung den Hinweis auf worten. Es ist vorgesehen, in Zukunft ein den Österreichischen Rechtsanwaltskam- Bild des Autors der Abhandlung voranzu- mertag, der damit seinen Auftritt nach au- stellen. ßen weiter vereinheitlicht hat. Ich hoffe sehr, dass Ihnen die neue Ge- Auf dem Umschlag finden Sie (wie bis- staltung gefällt, wobei natürlich auch der her) eine Inhaltsangabe. Neu allerdings Satz gilt: „Über Geschmack lässt sich ist der Hinweis auf die Seite der Veröffent- streiten“. lichung, sodass das Auffinden erleichtert Jedenfalls wünsche ich Ihnen viel Ver- wird. gnügen beim Lesen des Anwaltsblattes Aber auch im Inneren des Blattes hat Neu. sich einiges geändert. Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01 1
RECHTaktuell Das Neueste zum Zivilrecht Obermaier Das Kostenhandbuch Das vorliegende Werk bietet einen systematischen Überblick über sämtliche Fragen des Kostenrechts im Zivilprozess und Außerstreitverfahren. Der Autor hat mehr als 10 000, darunter auch eine Vielzahl unveröffentlichter, Entscheidungen ausgewertet und für den Praktiker aufbe- reitet. Er beschäftigt sich unter anderem mit folgenden Themen: • Vorprozessuale Kosten • Kostenersatz im Zivilprozess, im Provisorialverfahren und bei exekutionsrechtlichen Klagen, im Verfahren vor den Arbeits- und Sozialgerichten, im Außerstreitverfahren, in den wohnrechtlichen Außerstreitverfahren und in den Verfahren wegen Enteignungsentschädigung • Sicherung von Kosten nach dem IESG bei Insolvenz des Dienstgebers • Kostennormen und Tarifposten des RATG • Gerichtsgebühren im Zivilprozess Den jeweiligen Kapiteln nachgestellte Rechtsprechungsübersichten runden die Darstellung ab, zahlreiche Berechnungsbeispiele fördern das Verständnis auch schwieriger Kostenprobleme. Der Autor Dr. Josef Obermaier ist seit 1984 als Richter des LG Wels mit Zivilrechtssachen befasst. 2005. XVI, 508 Seiten. Geb. EUR 108,– ISBN 3-214-00386-0 Besuchen Sie unsere Fachbuchhandlung für Recht, Steuer, Wirtschaft! Der schnelle Weg zum Recht: E-Mail: bestellen@MANZ.at • Tel.: 01/531 61-100 • Fax: 01/531 61-455 MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH, Kohlmarkt 16, 1014 Wien FN 124 181w • HG Wien www.manz.at
Inhalt Autoren dieses Heftes: Editorial RA Dr. Manfred Ainedter, Wien Dr. Gerhard Benn-Ibler RA Dr. Axel Anderl, Wien Anwaltsblatt Neu 1 em RA o. Univ.-Prof. Dr. Dr. Walter Barfuß, Wien RA Dr. Gerhard Benn-Ibler, Wien RA Dr. Harald Bisanz, Wien Wichtige Informationen RA Mag. Josef Phillip Bischof, Wien Berufsrechts-Änderungsgesetz 2006 4 GS Dr. Alexander Christian, ÖRAK a. Univ.-Prof. Dr. Silvia Dullinger, Linz Krankenversicherung der Gesellschafter-Geschäftsführer 4 Univ.-Ass. Dr. Harald Eberhard, Wien RA Dr. Guido Held, Graz Personalia 5 RAA Univ.-Doz. Dr. Adrian Eugen Hollaender, Wien Hon.-Prof. Dr. Roman Leitner, Linz RA Dr. Eike Lindinger, Wien Termine 6 RA Dr. Franz Markus Nestl, Wien RAA Mag. Johannes Öhlböck, Wien RA Dr. Peter Posch, Wels Recht kurz & bündig 7 Mag. Benedikta Reymaier, ÖRAK RA Dr. Ullrich Saurer, Graz Abhandlungen ao. Univ.-Prof. Dr. Francesco A. Schurr, Innsbruck cand. iur. Nina Stix, Wien RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck RA Prof. Dr. Walter Strigl, Wien Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO 8 Univ.-Lektor Dr. Franz Philipp Sutter, Wien RA Dr. Heinz-Peter Wachter, Wien RA Mag. Josef Phillip Bischof RA Dr. Gottfried Waibel, Dornbirn Operation Spring Mag. Lisa Zeiler, Wien Die Einführung des großen Lausch- und Spähangriffes in Österreich aus Verteidigersicht 12 Impressum Medieninhaber und Verleger: MANZ'sche Verlags- und Universitätsbuch- Europa aktuell handlung GmbH. Unternehmensgegenstand: Verlag. Sitz der Gesellschaft: RA Dr. Franz Markus Nestl A-1014 Wien, Kohlmarkt 16. FN 124 181 w, HG Wien. Fortschritte im „Europäischen Zivilrecht“ 20 Gesellschafter, deren Anteil 25% übersteigt: Manz Gesellschaft m.b.H., Wien, Beteiligung an Unternehmen und Gesellschaften aller Art und Wolters Kluwer International Holding B.V. Amsterdam, Beteiligung an Unternehmen. Aus- und Fortbildung Grundlegende Richtung: Juristische Fachzeitschrift, im Besonderen Anwaltsakademie 23 für das Standesrecht der Rechtsanwaltschaft, zugleich Organ des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages und der österreichischen AVM 26 Rechtsanwaltskammern. Verlagsadresse: A-1015 Wien, Johannesgasse 23 (verlag@manz.at). Geschäftsführung: Mag. Susanne Stein-Dichtl (Geschäftsführerin) sowie Amtliche Mitteilungen 28 Prokurist Dr. Wolfgang Pichler (Verlagsleitung). Herausgeber: RA Dr. Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, A-1010 Wien, Tuchlauben 12, Chronik 29 Tel (01) 535 12 75, Fax (01) 535 12 75-13, e-mail: rechtsanwaelte@oerak.at, Internet: http://www.rechtsanwaelte.at Druck: MANZ CROSSMEDIA, A-1051 Wien Rechtsprechung 34 Layout: Michael Mürling für buero8, 1070 Wien Verlags- und Herstellungsort: Wien Redaktionsbeirat: RA Dr. Gerhard Benn-Ibler, RA Dr. Harald Bisanz, Zeitschriftenübersicht 41 RA Dr. Michael Enzinger, RA Dr. Georg Fialka, RA Dr. Klaus Hoffmann, RA Dr. Elisabeth Scheuba Rezensionen 44 Redakteur: Dr. Alexander Christian, Generalsekretär des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages Redaktion: Generalsekretariat des Österreichischen Rechtsanwalts- Indexzahlen 48 kammertages, A-1010 Wien, Tuchlauben 12, Tel (01) 535 12 75, Fax (01) 535 12 75-13, e-mail: anwaltsblatt@oerak.at Anzeigenannahme: Lore Koch, Tel (01) 879 24 25 und Inserate U3 Fax (01) 879 24 26; e-mail: Lore.Koch@aon.at Zitiervorschlag: AnwBl 2006, Seite Erscheinungsweise: 11 Hefte jährlich (eine Doppelnummer) Bezugsbedingungen: Der Bezugspreis für die Zeitschrift inkl. Versandspesen beträgt jährlich EUR 238,–. Das Einzelheft kostet EUR 25,90. Nicht rechtzeitig vor ihrem Ablauf abbestellte Abonnements gelten für ein weiteres Jahr erneuert. Abbestellungen sind schriftlich bis spätestens sechs Wochen vor Jahresende an den Verlag zu senden. Wird an Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter unentgeltlich abgegeben. Nachdruck, auch auszugsweise, ist mit Zustimmung der Redaktion unter Angabe der Quelle gestattet. Namentlich gezeichnete Beiträge geben aus- schließlich die Meinung der Autoren wieder. Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01 3
Wichtige Informationen Berufsrechts-Änderungsgesetz 2006 E nde November 2005 wurde im Justizausschuss das Berufsrechts-Änderungsgesetz (BRÄG) 2006 be- schlossen, das unter anderem auch Änderungen der " Titel und Kurztitel lauten nunmehr wie auch schon bisher allgemein gebräuchlich „Rechtsanwaltsord- nung (RAO)“ und nicht mehr „Gesetz vom 6. 7. Rechtsanwaltsordnung, der Notariatsordnung, des Ge- 1868 RGBl 96, womit eine Rechtsanwaltsordnung richtsorganisationsgesetzes, des Disziplinarstatuts für eingeführt wird“. Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, des Signa- " Ausweitung der elektronischen Kommunikations- turgesetzes, des Außerstreitgesetzes und des Europäi- möglichkeiten zwischen dem ÖRAK, den Rechts- schen Rechtsanwaltsgesetzes vorsieht. Die Beschluss- anwaltskammern und den Rechtsanwälten (§ 23 fassung im National- und Bundesrat sowie die Kund- Abs 3, § 36 Abs 4 RAO). machung im Bundesgesetzblatt sind zum Zeitpunkt " Ausstellung des Anwaltsausweises mit digitaler Sig- des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe des Anwalts- natur als amtlicher Lichtbildausweis (§ 28 Abs 1 blattes noch ausständig. Aktuelle Informationen hierzu lit a RAO). entnehmen Sie bitte dem Infom@il. " Konkretisierung einzelner Bestimmungen in § 34 Diese Berufsordnungsnovelle ist richtungsweisend RAO (Erlöschen bzw Ruhen der Rechtsanwalt- für die Zukunft, werden doch im § 91 c GOG Körper- schaft). schaften öffentlichen Rechts ermächtigt, im eigenen " Berechtigung des Österreichischen Rechtsanwalts- Wirkungsbereich Urkundenarchive einzurichten, die kammertages zur Errichtung und Führung eines für den elektronischen Urkundenverkehr mit den Ge- anwaltlichen Urkundenarchivs verbunden mit richten bestimmt sind. Auch der neue Rechtsanwalts- der Erlassung entsprechender Richtlinien (§§ 36, ausweis mit digitaler Signatur findet seinen Nieder- 37 RAO). schlag in dieser Novelle. Grundsätzlich tritt das BRÄG " Erweiterung der Meldeverpflichtung für nieder- mit 1. 1. 2007 in Kraft, einige Bestimmungen, die gelassene europäische Rechtsanwälte (§ 12 Abs 2 nachfolgend auszugsweisend angeführt werden, sind EuRAG). jedoch bereits mit 1. 1. 2006 in Kraft getreten: GS Dr. Alexander Christian, ÖRAK Krankenversicherung der Gesellschafter-Geschäftsführer N ach § 5 Abs 1 Z 14 ASVG sind Rechtsanwälte hinsichtlich einer Beschäftigung, die die Teil- nahme an der Versorgungseinrichtung einer Rechtsan- Sperrminorität verfügen), als Dienstnehmer nach § 4 Abs 2 ASVG behandelt und in die Krankenversiche- rung nach dem ASVG einbezogen wurden. waltskammer begründet, von der verpflichtenden Die Einbeziehung dieser Gesellschafter-Geschäfts- Vollversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsver- führer einer RA-GmbH war allerdings nie erwünscht, sicherung) ausgenommen. Jeder Rechtsanwalt unter- da immer nur die angestellten Rechtsanwälte in der ge- liegt daher grundsätzlich der Versorgungseinrichtung setzlichen Teilversicherung verbleiben sollten. seiner Rechtsanwaltskammer und dem Gruppenkran- Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag hat kenversicherungsvertrag bei der Uniqa (es sei denn, sich daher in Gesprächen mit dem BMSG um eine dass eine Selbstversicherung gemäß § 16 ASVG oder Klarstellung dahingehend bemüht, dass von der § 14 a GSVG nachgewiesen wird). Ausnahme des § 5 Abs 1 Z 14 ASVG auch jene Gemäß § 7 Z 1 lit e ASVG werden die angestellten Rechtsanwälte erfasst sind, die als Geschäftsführer Rechtsanwälte in die gesetzliche Kranken- und Unfall- einer RA-GmbH an dieser nicht wesentlich beteiligt, versicherung einbezogen. Diese Pflichtversicherung aber über eine Sperrminorität verfügen, auch wenn des angestellten Rechtsanwaltes ist insofern system- sie gemäß § 25 Abs 1 lit b EStG 1988 lohnsteuer- konform, da der angestellte Rechtsanwalt den Beruf pflichtig sind. Zivilrechtlich sind diese Geschäftsfüh- nicht selbständig ausübt und daher den Dienstnehmer- rer daher nicht Dienstnehmer der RA-GmbH und begriff erfüllt. somit auch nicht „angestellte“ Rechtsanwälte iSd Dadurch ergab sich allerdings das Problem, dass § 7 Z 1 lit e ASVG (siehe dazu Abhandlung AnwBl auch jene Rechtsanwälte, die Geschäftsführer einer 2005, 391). RA-GmbH und an dieser nicht wesentlich (bis zu in- Das BMSG hat nun diese Ansicht bestätigt. Den klusive 25%) beteiligt sind, aber gegenüber der Gene- diesbezüglichen Schriftverkehr finden Sie im Internen ralversammlung nicht weisungsgebunden im Sinne des Bereich (4.) auf www.rechtsanwaelte.at. § 25 Abs 1 lit b EStG 1988 sind (das heißt über eine Mag. Benedikta Reymaier, ÖRAK 4 Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01
Wichtige Informationen Personalia M it Jahreswechsel 2005/2006 wurden einige Spit- zenpositionen im Justizbereich neu besetzt. Nachfolgend ein kurzer Überblick, der selbstverständ- lich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. Senatspräsidentin Dr. Irmgard Griss folgt Dr. Konrad Brustbauer, der mit Jahreswechsel in den Ruhestand ge- treten ist, als Vizepräsident des Obersten Gerichtsho- fes nach. Neuer leitender Oberstaatsanwalt in Graz ist Dr. Horst Siegel, der Dr. Heimo Lambauer nachfolgt. In Wien ist Dr. Friedrich Matousek als leitender Staatsan- walt in den Ruhestand getreten. Ihm folgt Dr. Otto Schneider nach. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag nutzt diese Gelegenheit, um sich bei den in den Ruhe- stand getretenen Spitzenrepräsentanten der österrei- chischen Justiz für die ausgezeichnete Zusammenar- beit in den vergangenen Jahren zu bedanken und wünscht den Nachfolgern viel Erfolg in ihren neuen Funktionen. RECHTaktuell Das Neueste zum Wirtschaftsrecht Sachs (Hrsg) Schwerpunkte II zum BVergG 2006 Das vorliegende Werk versteht sich als ein Beitrag zur Diskussion über die Umsetzung der Vergabe-Richtlinien und das neue BVergG 2006. Das Verhältnis von nationaler Gesetzgebung und europäischen Richtlinien spiegelt sich in den Beiträgen wider, die wertvolle Hinweise zur Auslegung der Richtlinien und deren Anwendung beinhalten. Darüber hinaus werden punktuell unterschiedliche Ansätze zwischen der Rechtssituation in Deutschland und in Österreich herausgearbeitet. 2005. XII, 358 Seiten. Br. EUR 64,– ISBN 3-214-00327-5 Vorzugspreis für ZVB-Abonnenten und Bezieher von BVA (Hrsg), Standpunkte zum Vergaberecht EUR 52,– Paket: Sachs (Hrsg), Schwerpunkte zum BVergG 2006 & Sachs (Hrsg), Schwerpunkte II zum BVergG 2006 EUR 106,40 ISBN 3-214-00328-3 Besuchen Sie unser e Fachbuchhandlung für Recht, Steuer, W ir tschaft! Der schnelle Weg zum Recht: E-Mail: bestellen@MANZ.at • Tel.: 01/531 61-100 • Fax: 01/531 61-455 MANZ’sche Verlags- und Universitäts- buchhandlung GmbH, Kohlmarkt 16, 1014 Wien FN 124 181w • HG Wien www.manz.at Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01 5
Termine Inland 17. und 18. März SALZBURG 4. Österr. StrafverteidigerInnentag 24. Jän. WIEN 27. März WIEN ÖRAV-Seminar: Grundlehrgang (BU-Kurs) ÖRAV-Seminar: Grundbuch II 25. Jän. WIEN ADir A. Jauk Akademie für Recht & Steuern (ARS): Kapital- 18. bis 20. Mai WIEN markt-Prospektrecht NEU DACH-Frühjahrstagung 2006: Unternehmens- MR Dr. Heinrich Lorenz, OR Dr. Erich Schaffer, Mag. nachfolge Martin Wenzl, RA Dr. Alexander Russ 3. Juli WIEN 1. Feb. WIEN ÖRAV-Sommer-Block-Seminar (BU-Kurs) Akademie für Recht & Steuern (ARS): Kartellrecht 2006 Dr. Stefan Keznickl, Dr. Theodor Taurer, RA Mag. Rai- ner Roniger Ausland 1. Feb. WIEN 25. Feb. bis 3. März BECKENRIDGE, COLORADO Akademie für Recht & Steuern (ARS): Aktuelle ver- Internationale Anwaltsvereinigung (UIA): Interna- fahrensrechtliche Judikatur der UFS tional Civil Litigation and the USA Mag. Bernhard Renner, Dr. Franz Althuber 20. bis 22. April ROM 9. Feb. LINZ International Association of Young Lawyers (AIJA): Akademie für Recht & Steuern (ARS): Das Vermö- Cross-Border Investments in the Real Estate gen nach der Scheidung and Retail Sector. Legal and Financing Per- a. Univ.-Prof. Dr. Astrid Deixler-Hübner spectives 13. Feb. WIEN 12. und 13. Mai WARSCHAU ÖRAV-Seminar: Exekution I Internationale Anwaltsvereinigung (UIA): UN RA Dr. H. P. Wachter, ADir J. Dworak Kaufrecht/CISG 14. Feb. WIEN 16. und 17. Juni DUBLIN ÖRAV-Seminar: Verfahren außer Streitsachen – Internationale Anwaltsvereinigung (UIA): Emer- Was hat sich geändert? 1 Jahr nach der Reform ging trends in cross border mergers and ADir H. Habersam-Wenghoefer acquisitions – corporate, tax and financial law 16. Feb. WIEN aspects Akademie für Recht & Steuern (ARS): Das Bundes- 22. bis 26. Aug. GENF vergabegesetz 2006 Internationale Anwaltsvereinigung (UIA): 44th An- Dr. Michael Fruhmann nual Congress of the International Association 23. bis 25. Feb. WIEN of Young Lawyers (AIJA) Europäische Präsidentenkonferenz – Wiener 21. bis 23. Sept. LJUBLJANA Advokatengespräche DACH-Herbsttagung 2006: Grenzüberschrei- 6. März WIEN tende Arbeitnehmer ÖRAV-Seminar: Exekution II 31. Okt. bis 4. Nov. SALVADOR DE BAHIA RA Dr. H. P. Wachter, Ri Dr. M. Schaumberger Internationale Anwaltsvereinigung (UIA): 1. Um- 9. März WIEN weltrecht, 2. Globalisierung der Unternehmen, ÖRAV-Seminar: Einführungsseminar 3. Was der Rechtsanwalt zumindest über Men- RA Mag. G. Zorn schenrechte wissen sollte 15. März WIEN 17. und 18. Nov. LUXEMBURG Akademie für Recht & Steuern (ARS): Die neuen European Institute of Public Administration: EU Justizverfahren security policies: How can protection of society Präs. Dr. Harald Krammer, Dr. Hans Langer, Mag. be reconciled with safeguarding personal liber- Christian Pilnacek ties 6 Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01
Recht kurz & bündig Zeitpunkt des Gnadenerweises bereits vollzogene Diese Ausgabe von " § 3 PSG: Nachträgliche Stifterstellung; Heilung „Recht kurz & bündig“ eines Vertretermangels Strafen keine Wirkung zu entfalten. entstand unter 1. Wie schon mehrfach judiziert, bedarf die einsei- OGH 13. 1. 2005, 12 Os 128/04 (BG Baden U 551/ Mitwirkung von 93) = ÖJZ-LSK 200511 05 = EvBl 2005/113. Dr. Manfred Ainedter, tige Stiftungserklärung eines minderjährigen Dr. Harald Bisanz und Stifters der Vertretungshandlung des obsorgebe- RA Dr. Ullrich Saurer. rechtigten Elternteils und der pflegschaftsgerichtli- " § 409 a Abs 4 StPO (§ 409 Abs 3 StPO; §§ 5 f StVG): chen Genehmigung nach § 154 Abs 3 ABGB, selbst Terminverlust bei Ratenzahlung endgültig wenn der Stifter kein eigenes Vermögen widmet. Nach Anordnung des Vollzugs der Ersatzfreiheits- 2. Bei mehreren Stiftern ist bei mangelnder Vertre- strafe als Folge eingetretenen Terminverlusts kommt tung bloß die Errichtung durch den betroffenen die Gewährung eines Zahlungsaufschubs keinesfalls Stifter unwirksam. Der Mangel wird durch die mehr in Betracht; diesfalls läge nämlich ein – nur FB-Eintragung nicht geheilt. Die mangelnde Ge- nach Maßgabe der für Freiheitsstrafen an sich gel- schäftsfähigkeit des Stifters oder die fehlende Voll- tenden Bestimmungen möglicher (§ 409 Abs 3 macht eines Vertreters kann nachträglich durch StPO) – Aufschub der Ersatzfreiheitsstrafe vor, den pflegschaftsgerichtliche Genehmigung geheilt die §§ 5 f StVG aber zum Zweck der Zahlung einer werden. Geldstrafe nicht vorsehen. 3. Ein nachträglicher Beitritt als Stifter ist unzuläs- OGH 9. 2. 2005, 13 Os 156, 157/04 (OLG Linz sig. 7 Bs 52/04; LG Wels 13 Vr 909/98) = ÖJZ-LSK OGH 12. 8. 2004, 1 Ob 166/04 z, GeS 2004, 475 2005/143 = EvBl 2005/114. (N. Arnold) = RdW 2004/683. " § 39 SMG " § 2 PSG: Namensausschließlichkeit bei Privat- Die Bestimmungen des § 39 SMG dienen der Fort- stiftungen führung und Erweiterung des mit der SGG-Novelle Der Name einer Privatstiftung muss sich von al- 1985 BGBl 184 in das SGG eingefügten Modells len in Österreich im Firmenbuch eingetragenen „Therapie statt Strafvollzug“ (RV 110 BlgNR 20. Privatstiftungen deutlich unterscheiden und das GP 51), dessen Grundintention darin besteht, hin- Wort „Privatstiftung“ ohne Abkürzung enthalten. künftige Delinquenz von Straftätern durch gesund- OLG Wien 31. 8. 2004, 28 R 136/04 g, GeS 2004, heitsbezogene Maßnahmen (§ 11 Abs 2 SMG) hint- 427 (N. Arnold). anzuhalten. Dies setzt logisch voraus, dass die vom Gesetz als Aufschubsvoraussetzung geforderte Ge- " §§ 1, 8, 14 SpaltG; §§ 84, 125, 195 ff, 230 AktG: wöhnung an ein Suchtmittel für die Tatbegehung Klagslegitimation und Rechtsschutzinteresse nach (zumindest mit-)kausal gewesen sein muss, weil die Spaltungen Behandlung einer Sucht, die keinen Kausalzusam- 1. Die Fortsetzung eines vor Spaltung eingeleite- menhang mit der abgeurteilten Straftat aufweist, ten Anfechtungsprozesses (gegen die abspaltende nicht als geeignet angesehen werden kann, künftiges Gesellschaft) durch einen Aktionär der nunmehr strafbares Verhalten des Täters zu verhindern. übernehmenden Gesellschaft setzt ein Rechtsschutz- OGH 17. 2. 2005, 12 Os 8/05 a (RS 119760) = RZ bedürfnis des Klägers voraus. 07 – 08/05 EÜ 67. 2. Ein solches Rechtsschutzbedürfnis liegt nicht vor, wenn der angefochtene Beschluss (hier Entlastung) " Rechtsanwaltsanwärter und Dienstzeugnis im Falle des Weiterbestandes dieses Beschlusses Anspruch auf Bezeichnung „Rechtsanwaltsanwärter“ nicht geeignet ist, die Rechtsstellung des Klägers statt „Konzipient“. Kein generelles Recht auf Be- zu verschlechtern. schreibung der Tätigkeiten nach Fachgebieten (mit OGH 6. 7. 2004, 4 Ob 85/04 k, GesRZ 2004, 327 = Ausnahme, im vorliegenden Fall: Umweltrecht) aus RdW 2004/680. den dort angeführten Gründen (vor allem: „hin- sichtlich der für die Eintragung erforderlichen Aus- " Art 65 Abs 2 lit c B-VG; § 507 StPO: Begnadigung bildungszeit wird nur auf die praktische Verwendung von bereits vollstreckten Strafen abgestellt, ohne dass der Nachweis der konkreten Auch bereits vollstreckte Strafen, also primär Vermö- Tätigkeit in einzelnen Fachbereichen erforderlich gensstrafen, können von einer Begnadigung durch wäre“). den Bundespräsidenten erfasst werden, jedoch müsste OGH 30. 6. 2005, 8 ObA 16/05 v, RdW 2005/715, ebenso wie bei einer rückwirkenden Nachsicht etwa S 632 und Artikel von RA Dr. Ernst Eypeltauer, Linz, des Verfalls oder von Rechtsfolgen der Verurteilung „Dienstzeugnis eines RAA“, RdW 2005/770, S 700. die Entschließung dies – über Antrag des Bundesmi- (Im vorliegenden Fall entschied der OGH gegen beide nisters – ausdrücklich anordnen. Andernfalls vermag Unterinstanzen. Eypeltauer setzt sich aaO mit der Ent- die Entschließung des Bundespräsidenten auf im scheidung kritisch auseinander. Bisanz) Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01 7
Abhandlungen Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck, Wien. Rechtsanwalt Dr. Eike Lindinger ist geschäftsführender Partner der Dr. Witt & Partner Rechtsanwälte (Wien), spezialisiert auf Miet-, Wohn-, und Immobilienrecht, Schadenersatz, Reiserecht und Öffentliches Recht. Regelmäßige Publikationen in immolex, Seminare zu Wohn- und Reiserecht sowie im Rahmen der Anwaltsausbildung „Start up für Rechtsanwälte“. Urkunden sind Schriftstücke, Aufzeichnungen von Gedanken in Form der menschlichen Schrift, die im Regelfall Tatsachen festhalten.1) In der Zivilprozessordnung wird an mehreren Stellen auf die Vorlagepflicht Bezug genommen. Zentrale Bestimmungen sind einerseits die §§ 303 ff ZPO, andererseits die Norm des § 82 ZPO. Gegenstand der folgenden Darstellung ist zunächst ein systematischer Vergleich der Vorlagepflicht iSd § 304 ZPO im Vergleich zu § 82 ZPO. Daran anschließend, werden die Konsequenzen im Falle der Verweigerung skizziert, sowie mögliche Auswirkungen aufgezeigt. Eine aktuelle systematische Darstellung und ein Vergleich dieser gerade im Prozess zunehmend auftretenden Frage wurde – soweit ersichtlich – bis dato noch nicht unternommen. I. Urkundenvorlagepflicht men wird; . . .“ Diese Bezugnahme auf Urkunden kann im Zusammenhalt mit § 76 ZPO, in dem das Tatsa- Grundsätzlich erfasst die Vorlagepflicht nur bestimmte chenvorbringen und die Bezeichnung der Beweismittel Urkunden. Eine unbedingte Vorlagepflicht nach § 304 in Schriftsätzen geregelt sind, nichts anderes bedeuten 2006, 8 ZPO besteht als Ausfluss des § 178 ZPO für Urkun- als die Nennung einer Urkunde als Beweismittel oder den, auf die der vorlagepflichtige Gegner zu Beweis- doch zumindest als ein im eigenen Anspruch oder § 82 ZPO; Urkunden; Bezugnahme; Antrag; zwecken Bezug genommen hat. Weitere Fälle sind ge- den eigenen Einwendungen begründetes Vorbringen. Vorlage; Sanktionen geben, wenn nach den Vorschriften des bürgerlichen Die angeführte Bezugnahme auf Urkunden in einem Rechts der vorlagepflichtige Gegner zur Ausfolgung Schriftsatz in § 82 Abs 1 ZPO, der die Bestimmungen oder Vorlage der Urkunde verpflichtet ist, beziehungs- der §§ 77 und 81 ZPO ergänzt und dem Gegner die weise wenn es sich um eine für beide Parteien gemein- Möglichkeit verschafft, sich durch Einsicht in die schaftliche Urkunde handelt.2) Gemeinschaftliche Ur- Originalurkunden zu informieren,5) kann keine andere kunden sind zB Unfallberichte beziehungsweise Be- Bedeutung haben. Von einer Bezugnahme auf eine sichtigungsberichte, nicht jedoch Krankengeschich- Urkunde in einem Schriftsatz, welche dem Gegner ten,3) da es sich nach Auffassung des Gerichtes nicht eine Antragstellung nach § 82 Abs 1 ZPO ermöglicht um eine den Kranken und den behandelten Arzt be- und dann zur Vorlage der Urkunde in Urschrift ver- treffende gemeinschaftliche Urkunde handelt. Bei al- pflichtet, kann somit nicht bei jeder Erwähnung einer len anderen Fällen besteht nur eine bedingte Vorlage- Urkunde in einem Schriftsatz, sondern nur dann aus- pflicht, die im Falle von Verweigerungsgründen iSd gegangen werden, wenn diese Urkunde entweder aus- § 305 ZPO abgelehnt werden kann. drücklich als Beweismittel bezeichnet oder doch als für In der hier interessierenden Betrachtung ist auf den das eigene Tatsachenvorbringen wesentliche Grund- ersten Fall, dh wenn der vorlagepflichtige Gegner lage genannt wird. selbst zu Beweiszwecken auf die Urkunde Bezug genommen hat, abgestellt. Nach dem Wortlaut des § 82 Abs 1 ZPO ist eine Partei, die in einem Schriftsatz II. Doppelgleisigkeit auf eine in ihren Händen befindliche Urkunde Bezug Zunächst scheint ein und derselbe Sachverhalt zwei- genommen hat, auf Verlangen des Gegners verpflich- fach durch die ZPO geregelt zu sein. Die Bestimmung tet, diese Urkunde dem Gericht binnen drei Tagen des § 304 erster Fall ZPO normiert die unbedingte vorzulegen. Eine Bezugnahme liegt vor, wenn die Vorlagepflicht des Antragsgegners, § 82 Abs 1 ZPO Urkunde entweder ausdrücklich als Beweismittel be- das prozessuale Mittel dafür, die Antragstellung zur zeichnet (wird) oder als eine für das Tatsachenvorbrin- Vorlage der Urkunde im Original. gen wesentliche Grundlage angeführt wird.4) Die Bezugnahme auf Urkunden ist auch Gegenstand des § 77 ZPO, in dessen Abs 1 angeführt wird: „Wenn 1) Vgl Fasching, Lehrbuch2 Rz 944. über den im Schriftsatz gestellten Antrag mündlich verhan- 2) Vgl Fucik, Handbuch des Verkehrsunfalls 1 Rz 70. 3) Vgl § 308 Stohanzl, ZPO15 E 2. delt werden soll, sind im Schriftsatz nur Abschriften der Ur- 4) Vgl Stohanzl, ZPO15 E 1 zu § 82 ZPO. kunden beizulegen, auf welche im Schriftsatz Bezug genom- 5) Vgl Fasching, II 536 und 545 f. Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01 8 Autoren: RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck, Wien
Abhandlungen Nach den Materialien zur Zivilprozessordnung,6) die festgesetzten Frist zu stellen bzw kann er beantragen, § 82 ZPO (damals noch geregelt in § 83 ZPO) darstel- die Frist bei Vorliegen der Voraussetzung des § 128 len, war der Zweck der Bestimmung, aufgrund des (in- Abs 2 ZPO zu verlängern. folge eines Prozesses) äußerst verbitterten persönli- Der Gegner kann darüber hinaus Verweigerungs- chen Verhältnisses der Streitteile, eine Handhabe der rechte nach § 305 ZPO geltend machen.15) Die Vorla- Einsichtsrechte zu ermöglichen. Eine Partei, die auf geverweigerungsgründe müssen ausdrücklich geltend eine Urkunde in oben angeführtem Sinne Bezug ge- gemacht werden und sind von Amts wegen nicht zu nommen hat, ist verpflichtet, dem Antrag auf Vorlage berücksichtigen.16) Die Verweigerungsgründe sind ge- im Falle der Stattgebung des Antrages durch Beschluss gebenenfalls durch parate Mittel zu bescheinigen.17) nachzukommen.7) Die Einsichtnahme erfolgt in der Unter Berücksichtigung der durch die ZVN 2002 ein- Geschäftsstelle, und es darf der Gegner dabei auch Ab- geführten Prozessförderungspflicht ist uE davon auszu- schriften von der Urkunde anfertigen.8) gehen, dass die Geltendmachung von Verweigerungs- Wird ein Antrag nach § 82 ZPO nicht gestellt, rechten und das Anbot parater Bescheinigungsmittel kann der Verhandlungsleiter als Ausfluss der §§ 183 unmittelbar nach erfolgter Antragstellung gem § 82 Abs 1 Z 2, 229 und 257 ZPO die Vorlage vor der ZPO erfolgen müssen. Der OGH hat sich in einem obi- Verhandlung von Amts wegen verfügen bzw die Vor- ter dictum jüngst dahingehend geäußert, dass jene Pro- lage der Urschrift (Originale) gem § 299 ZPO von zesspartei die mögliche Verletzung von sie schützenden Amts wegen oder auf Antrag in der mündlichen Ver- Geheimhaltungsverpflichtungen zu überlegen hat, die handlung anordnen, selbst wenn bereits ein Antrag durch ihren Vortrag und Berufung auf bestimmte Ur- nach § 82 ZPO gestellt wurde.9) Normzweck der Vor- kunden die Informationsmöglichkeit für den Prozess- lage nach § 82 ZPO ist die Information der Geg- gegner nach § 82 Abs 1 ZPO eröffnet hat.18) nerpartei und – anders als die Vorlagepflicht im Rah- men eines Urkundenbeweises – nicht die Beweisfüh- rung gegenüber dem Gericht.10) Die Vorlage nach V. Rechtsmittelfähigkeit § 229 ZPO dient dem Zweck der Würdigung der Urkundenbeweise.11) Die Aufforderung, die Urschrift der Urkunde bei Ge- richt zu erlegen, muss von den Parteien befolgt wer- den. Die Entscheidung nach § 82 Abs 1 ZPO ist eine III. Verwandte Rechtslage – Zwischenentscheidung prozessleitender Natur.19) Gegen die Entscheidung des Gerichtes steht kein § 134 dZPO gesondertes Rechtsmittel zu. Dies ist zwar nicht aus- Die Regelung des § 82 ZPO entspricht nach ihrem We- drücklich normiert, ergibt sich jedoch durch den Aus- sensgehalt § 134 dZPO. Danach ist die Partei, wenn sie druck, dass die Partei über Aufforderung des Gegners rechtzeitig aufgefordert wird, verpflichtet, die in ihren verpflichtet ist, diese Urkunde vorzulegen.20) Der Händen befindlichen Urkunden, auf die sie in einem OGH hat bereits zu 1 Ob 953/2521) ausgesprochen, vorbereitenden Schriftsatz Bezug genommen hat, vor dass gegen den über einen Antrag nach § 82 ZPO er- der mündlichen Verhandlung auf der Geschäftsstelle gehenden Beschluss ein Rechtsmittel nicht stattfindet. niederzulegen und den Gegner von der Niederlegung zu benachrichtigen, der innerhalb von drei Tagen Ein- 6) Vgl Materialien zu den neuen österreichischen Civilprozessgesetzen sicht nehmen kann. Zweck der Bestimmung ist nach 1 (Wien 1897), 226. Greger die Ermöglichung der Einsichtnahme in das Ur- 7) So auch schon Neumann, Kommentar zu den Civilprozessgesetzen4 kunden-Original zur Prüfung der Echtheit.12) Voraus- (Wien 1927) 628. 8) Vgl Konecny in Fasching, ZPO § 82 Rz 7 unter Berufung auf § 170 setzung ist auch bei § 134 dZPO lediglich die Bezug- Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz sowie Danzl, nahme durch die Partei. Die Vorlegung dient der Vor- Geo I 496 ff mwN. bereitung der mündlichen Verhandlung.13) Unterlässt 9) Vgl Neumann, aaO 629. oder verzögert die Partei die Niederlegung oder die 10) Vgl Fasching, II 546. 11) Vgl Neumann, aaO 629. Nachricht an den Gegner, kann Präklusion der Ur- 12) Vgl Greger in Zöller, ZPO23 § 134 RN 1. kunde als Beweismittel die Folge sein, wenn das Gericht 13) Vgl Schreiber, Die Urkunde im Zivilprozess (1982) S 50. die Niederlegung angeordnet hat.14) 14) Vgl Peters in Münchener Kommentar zur ZPO (1992) § 134 Rz 5. 15) IdS Konecny in Fasching, ZPO § 82 Rz 2. 16) Vgl Kodek in Fasching, ZPO § 305 Rz 14. IV. Einwendungen des Antrags- 17) IdS Kodek, aaO. 18) Vgl OGH 11. 8. 2005, 4 Ob 44/05 g. gegners iSd § 82 Abs 1 ZPO 19) Vgl E 3 zu § 82 ZPO, Stohanzl, ZPO15 bzw SZ 7/372; vgl auch OGH 5 Ob 131/91 bzw 5 Ob 42/92. 20) Vgl Materialien zu den neuen österreichischen Zivilprozessgesetzen Dem Gegner nach § 82 Abs 1 ZPO steht es frei, einen 1, 286. Antrag auf Abkürzung der vom Gesetz mit drei Tagen 21) Vgl SZ 7/372. Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01 Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO Autoren: RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck, Wien 9
Abhandlungen Konecny dagegen hat die Auffassung vertreten, dass ge- teln gegen die in anderen Abschnitten enthaltenen pro- gen den über einen Vorlageantrag entscheidenden Be- zessleitenden Beschlüssen. schluss der Rekurs stets statthaft sein soll.22) Dieser An- Prozessleitende Verfügungen sind daher im Zweifel sicht hat der OGH jüngst mit der Argumentation wi- anfechtbar. Der Rekurs gegen einen Beschluss eines dersprochen, dass „. . . im Hinblick auf zu wahrende Pro- Erstgerichtes, mit dem ein Antrag auf Vorlage von Ur- zessökonomie (Vermeidung von den Prozessfortgang kunden nach § 82 Abs 1 ZPO abgewiesen wurde, ist verzögernden Zwischenstreitigkeiten über die – zumindest sohin zulässig.27) zunächst – sanktionslose Erfüllung von Informationspflich- ten) . . .“ kein Anlass besteht, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen.23) VI. Konsequenzen bei der Ob eine nach § 82 Abs 1 ZPO ergehende, dem dies- Nichtbefolgung bezüglichen Verlangen stattgebende gerichtliche An- ordnung mit Rekurs angefochten werden kann, ist Für den Fall der Nichtbefolgung bzw nicht fristgerech- dem Gesetz nicht ausdrücklich zu entnehmen. Aus ten Entsprechung des Beschlusses ist dem Gesetz keine der im Gesetz normierten unbedingten Vorlagepflicht besondere Strafsanktion zu entnehmen. wird jedoch die Unanfechtbarkeit einer solchen Ent- Wird die Urkunde nicht in der Verhandlung vorge- scheidung gefolgert.24) Diese Begründung lässt sich legt, kann, da sich der Gegner nicht informieren konn- auf die Entscheidung, mit der ein Antrag nach § 82 te, eine Erstreckung der Verhandlung notwendig wer- Abs 1 ZPO abgewiesen wird, nicht übertragen. den, wobei § 44 ZPO bzw § 142 ZPO betreffend den Die Frage, ob sich eine Partei in einem Schriftsatz auf Kostenersatz heranzuziehen sind.28) eine in ihren Händen befindliche Urkunde bezogen hat Einer Partei kann auf Antrag oder von Amts wegen oder nicht, woraus sich die unbedingte Pflicht zur Vor- ohne Rücksicht auf den Prozessausgang die Zahlung lage ergibt, ist nach dem Gesetz nicht eindeutig zu be- der Kosten eines Verfahrensabschnittes auferlegt wer- antworten. Mangels ausdrücklicher Anordnung bietet den, wenn sie ihrem Gegner durch ihr Verhalten im das Gesetz keine Handhabe, die Abweisung eines auf Prozess schuldhaft oder aufgrund eines ihr widerfahre- Niederlegung einer Urkunde iSd § 82 Abs 1 ZPO ge- nen Zufalls Mehrkosten verursacht.29) Nach § 48 ZPO stellten Antrages als unanfechtbar zu beurteilen. tritt Kostenseparation in jenen Fällen ein, in denen die Auch mit der prozessleitenden Natur des Beschlusses Nichtbefolgung eines Auftrages zur Urkundenvorlage eines Erstgerichtes lässt sich weder die Unzulässigkeit zu einer wesentlichen Verzögerung des Verfahrens der Anfechtung noch die Unzulässigkeit einer abgeson- führt.30) derten Anfechtung begründen. Gem § 514 Abs 1 ZPO Im Falle der Verschleppungsabsicht bzw erheblichen ist der Rekurs gegen Beschlüsse nur dann unzulässig, Verzögerung des Prozesses – insb, wenn die Vorlage wenn das Gesetz ihre Anfechtung ausschließt. Das gilt des Beweismittels schon vor der Verhandlung möglich auch für prozessleitende Verfügungen.25) Der Rekurs gewesen wäre – folgt uE die Präklusion der Urkunde ist daher im Zweifel statthaft.26) Aus dem Ausschluss als Beweis.31) Gegen diese Auffassung der Präklusion der Anfechtung bloß vergleichbarer Beschlüsse darf richtet sich Konecny,32) da es sich nicht um ein verspäte- auch nicht auf die – im Gesetz nicht ausdrücklich vorge- tes Vorbringen dem Gericht gegenüber handelt, son- sehene – Unanfechtbarkeit anderer Anordnungen ge- dern nur das Informationsrecht der Partei berührt schlossen werden. Die Zivilprozessordnung legt die An- wird. Dies wird allerdings ausschließlich im Falle des fechtbarkeit von Beschlüssen entweder unmittelbar bei Antrages nach § 82 ZPO, nicht jedoch bei amtswegig der sie näher regelnden Norm oder – für bestimmte zu- gerichtlichem Auftrag gelten. Diese Ansicht wird zu- sammengehörige Gruppen von Beschlüssen – am Ende dem durch das angesprochene obiter dictum des OGH der sie betreffenden Gesetzesabschnitte fest. Im zweiten in der Entscheidung 4 Ob 44/05 g bestätigt, wonach Abschnitt des ersten Teiles (Verfahren), in der die Rege- die Informationspflicht des § 82 ZPO nur „zunächst“ lung der Urkundenvorlage zu Informationszwecken sanktionslos ist. enthalten ist, normiert das Gesetz keinen Rechtsmittel- ausschluss für Beschlüsse, mit denen ein darauf gerichte- 22) Vgl Konecny in Fasching, ZPO § 82 Rz 4. ter Antrag abgewiesen wird. Die Bestimmung des drit- 23) Vgl OGH 11. 8. 2005, 4 Ob 44/05 g. ten Abschnitts des ersten Teiles über die mündliche Ver- 24) Vgl Neumann, Kommentar4 I 628 bzw Fasching II 546, 548; SZ 7/ handlung, insb über die nicht gesonderte Anfechtbarkeit 372. 25) Vgl EvBl 1963/31 ua. von – im Rahmen der diskretionären Gewalt des Vorsit- 26) Vgl Fasching, Lehrbuch2 Rz 1971. zenden ergangenen – Anordnungen sowie des ersten 27) Vgl RZ 1993/68. Abschnittes des zweiten Teiles über den Beweis durch 28) Vgl Neumann, aaO 629. 29) Vgl ZVR 1994/63. Urkunden, insb über die Anfechtbarkeit von Anordnun- 30) Vgl Zivilprozessrecht6 Rz 300. gen im Rahmen des Urkundenbeweises, geben daher 31) So auch schon Neumann, aaO. keinen Aufschluss über die Zulässigkeit von Rechtsmit- 32) Vgl Konecny in Fasching, Kommentar 1 Anm 7 zu § 82 ZPO. Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01 10 Autoren: RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck, Wien
Abhandlungen Im Rahmen der Prozessleitungspflicht kann das Ge- IX. Fazit richt die Partei gem § 183 Abs 1 Z 2 ZPO zur Urkun- denvorlage auffordern und ergeht dies im Verfahren Im Hinblick auf die jüngste Entscheidung des OGH zu zur Durchführung des Urkundenbeweises. Die Nicht- § 82 ZPO38) ist die bisher in Kommentaren zur ZPO befolgung hat Auswirkungen auf die richterliche Beur- geäußerte Ansicht, dass mit der Verletzung der Vorla- teilung der Beweislast und Beweispflicht. Eine Verlet- gepflicht keine unmittelbaren Sanktionen einhergehen, zung der Vorschriften des § 82 ZPO durch das Gericht zu revidieren. Neben den Kostenfolgen und dem kaum stellt nach Fasching33) keinen erheblichen Verfahrens- positiven Ergebnis der freien Beweiswürdigung kann mangel dar, da damit nicht die wesentlichen Verfah- uE die Präklusion der Urkunde als Beweis Folge der rensgrundlagen für eine richtige Sachentscheidung Nichtvorlage sein. Die Exekution eines Vorlageauftra- des Gerichtes betroffen sind. ges, die nach § 354 EO zu erzwingen ist, erhöht zudem den Druck auf den Prozessgegner, die Urkunde zu- gänglich zu machen. Abschließend ist auf die Haf- VII. Haftung tungsfolgen hinzuweisen, die Platz greifen können, falls der Rechtsanwalt sich (vorschnell) auf Urkunden Aufgrund des Umstandes, dass der Rechtsanwalt bei sei- bezogen hat, die der Klient nie vorlegen wollte. ner beruflichen Tätigkeit sein Verhalten so einrichten muss, dass er selbst nur mögliche Schäden seines Klien- ten vermeidet, deren möglicher Eintritt von einem 33) Vgl Bd 1, Anm 8 Abs 2. 34) Vgl Feil/Wennig, Anwaltsrecht3 611 Rz 14.1, mwN. Rechtskundigen vorhergesehen werden kann,34) kommt 35) Vgl SZ 38/218. – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – eine 36) Vgl OGH 30. 8. 1995, 3 Ob 77/95 = SZ 68/153. Haftung des vertretenden Rechtsanwaltes in Betracht, 37) Vgl OGH 30. 8. 1995, 3 Ob 77/95 = SZ 68/153 sowie Feil, EO4, 15. wenn er sich (vorschnell) auf Urkunden bezogen hat, de- EL § 354 Rz 8, mwN; Heller/Berger/Stix, EO4 § 354, S 2569, wmN; Klicka in Angst, EO § 354 Rz 8, mwN – auch hier gilt das obiter ren Vorlage vom Klient nicht intendiert war. Der dictum aus 4 Ob 44/05 g, wonach die Informationspflicht des Rechtsanwalt hat den Klienten daher im Zweifelsfall § 82 ZPO nur „zunächst“ sanktionslos ist. vor Bezugnahme auf eine Urkunde zu konsultieren. 38) Vgl OGH 11. 8. 2005, 4 Ob 44/05 g. VIII. Exekution Hilf – VbVG § 82 ZPO verpflichtet dazu, Urkunden in Urschrift bei Verlag Österreich Gericht niederzulegen und den Gegner hievon zu benachrichtigen, damit dieser innerhalb von drei Ta- Verbandsverantwortlichkeitsgesetz gen nach empfangener Benachrichtigung Einsicht nehmen und Abschriften anfertigen kann. Eine Exeku- tion dieser Verpflichtungen nach § 346 EO scheidet aus, da § 82 ZPO nicht auf Herausgabe der Urkunden abzielt35) und die nach dieser Bestimmung vollzogene 2006, Exekution dazu führen würde, dass der betreibende 140 Seiten,br., Gläubiger im Besitz der Urkunden verbleibt. Dies 3-7046-4801-9, wäre aber durch den auf Einsichtnahme und Durch- € 25,– führung von Abschriften lautenden Exekutionstitel nicht gedeckt. Exekution nach § 353 EO scheidet aus, da die Handlung nur durch den Verpflichteten und nicht durch Dritte erfolgen kann. Die vom Verpflichte- ten geschuldete Leistung besteht nicht bloß in der Duldung der Einsicht, da die einzusehenden Urkun- den von ihm selbst zur Verfügung gestellt werden müs- Mit 1. Jänner 2006 werden auch juristische Perso- sen. Aus diesem Grund versagt § 355 EO.36) Bei einem nen, Personenhandelsgesellschaften und andere Anspruch auf Einsicht in Urkunden, über die der Ver- Verbände strafrechtlich zur Verantwortung gezo- pflichtete allein die Verfügungsmacht besitzt, handelt gen. Das seit Jahren diskutierte "Unternehmens- es sich um einen Anspruch auf eine Handlung, die strafrecht" wird im neu geschaffenen Verbandsve- durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann rantwortlichkeitsgesetz geregelt. und deren Vornahme ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt. Die Exekution eines Vorlage- Tel.: 01- 610 77 - 315, Fax: - 589 order@verlagoesterreich.at auftrages nach § 82 ZPO ist deshalb nach § 354 EO www.verlagoesterreich.at zu erzwingen.37) Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01 Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO Autoren: RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck, Wien 11
Abhandlungen Operation Spring Die Einführung des großen Lausch- und Spähangriffes in Österreich aus Verteidigersicht1) RA Mag. Josef Phillip Bischof, Wien. Josef Phillip Bischof ist Partner im Rechtsanwaltsbüro Soyer-Embacher-Bischof und Vorstandsmitglied der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen, bevorzugtes Tätigkeitsgebiet: Straf- verteidigung. Im Rahmen der Operation Spring kam 1999 erstmals der große Lausch- und Spähangriff in der Praxis zum Einsatz – mit mutmaßlich großem Erfolg. Seit Herbst 2005 ist ein gleichnamiger Dokumentarfilm in den österreichischen Kinos zu sehen. Nicht erst die filmische Nachbetrachtung schürt erhebliche Zweifel an der kolportierten Erfolgsstory. Eine Reflexion aus Verteidigersicht. 2006, 12 I. Operation Spring – gefeierte Gerichtsverfahren auseinander und geht der Frage nach, ob die Angeklagten jemals die Chance auf ein fai- Polizeiaktion res Verfahren hatten. Operation Spring; Mir ist bewusst, dass ich mit diesem Thema ein hei- Lauschangriff; „Operation Spring“ – zum einen Deckname für die ßes Eisen in die Hand nehme, ich fühle mich jedoch anonyme Zeugen; größte kriminalpolizeiliche Aktion in Österreich seit faires Verfahren; der „Tradition“ unserer noch sehr jungen Vereini- 1945: Im Morgengrauen des 27. 5. 1999 stürmten unbestimmte Anklagen; gung5) verpflichtet, auch und gerade heikle Themen optische Überwachung; 850 Polizisten Wohnungen und Flüchtlingsheime in aufzugreifen. Meine Sichtweise ist klar: Ich bin Straf- akustische ganz Österreich und nahmen an die 100 Personen vor- Überwachung; verteidiger und war als solcher an Verfahren beteiligt. wiegend afrikanischer Herkunft fest. Ein Chinarestau- organisierte Kriminalität Ich erachte die „Operation Spring“ in der vom Film rant in Wien war geraume Zeit mit Hilfe des großen aufgezeigten Dimension als ernst zu nehmendes Lauschangriffes und des Spähangriffes überwacht wor- Mahnmal zum Thema besondere Ermittlungsmetho- den. Der kurz zuvor gesetzlich eingeführte große den und faires Verfahren – und das angesichts der ak- Lausch- und Spähangriff erlebte damit seinen ersten tuellen Diskussion in ganz Europa! Frühling in der Praxis. In einer Pressekonferenz präsentierten der damalige Innenminister und hochrangige Polizeibeamte stolz die Erfolgsstory des ersten großen Lausch- und Späh- III. Sicherheit versus Freiheit angriffes: Ein Erfolg gegen Drogenhändler, den es „bis Das Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und dato in ganz Europa“2) nicht gegeben habe. Erstmals Freiheit ist offenkundig: Sicherheitsinteressen und die sei es in Europa gelungen, „bis zu den führenden Köp- Forderung nach immer weiter reichenden Ermitt- fen einer internationalen Drogenbande vorzudrin- lungsmethoden einerseits versus grundlegende verfas- gen“,3) wovon alle anderen Staaten profitieren würden. sungsgesetzlich gewährleistete Rechte der Betroffenen „Das Eindringen in die Strukturen und die Zerschla- andererseits. Auch angesichts von Phänomenen wie gung der weltweit operierenden Bande“ sei „nur dank „Terror“ und „organisierter Kriminalität“ sollten wir des Einsatzes der ‚technischen Observation möglich“4) , eines nie aus den Augen verlieren: Beim sog Kampf gewesen. gegen den Terrorismus und Kampf gegen das organi- Ein wahrhaft gelungenes Frühlingserwachen für den sierte Verbrechen geht es doch im Kern um die großen Lausch- und Spähangriff möchte man – ange- Bewahrung unseres in vielen Jahrzehnten entwickel- sichts des von der Polizei ins Rollen gebrachten Me- dienrummels um die Operation Spring – meinen. 1) Beim vorliegenden Text handelt es sich um das Manuskript eines Vortrages vom 30. 9. 2005 im Rahmen der von der VÖStV (Verei- II. – und kritischer Film nigung Österreichischer StrafverteidigerInnen) gemeinsam mit der ECBA (European Criminal Bar Association) veranstalteten Herbstta- gung in Wien. Die Vortragsform wird beibehalten, auf Fußnoten da- Operation Spring ist jedoch nicht nur geheimnisvoller her weitgehend verzichtet. Code für umfangreichste geheime Polizeiobservatio- 2) Standard vom 28. 5. 1999. 3) Kronen Zeitung vom 28. 5. 1999. nen, Operation Spring heißt auch ein Dokumentarfilm 4) Kurier vom 28. 5. 1999. von Angelika Schuster und Tristan Sindelgruber. Er 5) Die VÖStV wurde 2002 gegründet. Nähere Informationen finden setzt sich kritisch mit der Operation Spring und den Sie auf der homepage www.strafverteidigung.at. Operation Spring Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01 12 Autor: RA Mag. Josef Phillip Bischof, Wien
Abhandlungen ten, ausdifferenzierten demokratischen Wertesystems. dass sie dort, wo sie eingesetzt werden, auch zum ge- In diesem Wertesystem kommt den Grund- und wünschten Erfolg führen, denn das ist die Vorausset- Freiheitsrechten, den Rechten nach der Europäi- zung dafür, dass die Geltungsdauer dieses Gesetzes schen Menschenrechtskonvention herausragende Be- nach dem Beobachtungszeitraum auch tatsächlich ver- deutung zu.6) längert wird.“11) Die Operation Spring führt uns deutlich vor Augen, Mit Skepsis vieler Abgeordneter und zunächst wie das Vertrauen in den Rechtsstaat durch die prakti- nur befristet wurde die optische und akustische sche Anwendung eines formell durchaus ausgewoge- Überwachung beschlossen. Die Befristung erfolgte, nen Systems erschüttert werden kann.7) um die Grundrechtsverträglichkeit zu überprüfen und dem Nationalrat vor allem die Gelegenheit zu ge- ben, die zum Schutz der Rechte der von solchen IV. Motive des Gesetzgebers bei Ermittlungsmaßnahmen Betroffenen geschaffenen Mechanismen auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu Einführung des großen Lausch- können.12) und Spähangriffes Im Jahr 1997 verabschiedete das Parlament das Bun- 6) Vgl zum Thema Sicherheit: Alfred J. Noll, Vor dem Sicherheitsstaat? desgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kri- ÖZP 2004/1, 33 – 48: „Der Kern des Sicherheits-Versprechens liegt darin, dass man gar nicht wissen muss, was man verspricht, wenn minalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die man Sicherheit verspricht. Was als ‚Sicherheit/Unsicherheit’ gilt, Strafprozessordnung befristet bis 31. 12. 2001 einge- das unterliegt gesellschaftlicher Vereinbarung, ideologischer und po- führt wurden.8) litischer Auseinandersetzung oder auch kultureller Festlegung. Wir Welche Motive bewegten den Gesetzgeber? beobachten eine nachdrückliche gesellschaftliche und technik-poli- Zeitgemäße Rechtsgrundlagen seien nach den Ge- tische Tendenz zur Vorsorge und zur Herstellung von Sicherheit. Der Rechtsbegriff der ‚Sicherheit’ eröffnet ein weites Feld, er bedarf setzesmaterialien für den Bereich der organisierten der Konkretisierung. Das erkennbare Bemühen um eine eindeutige Kriminalität erforderlich. Neue und veränderte Er- Definition der ‚Sicherheit’ aber scheitert beinahe notwendig vor scheinungsformen der Kriminalität würden ein verbes- den Ansprüchen polizeilicher Praxis. Für die polizeiliche Praxis hat sertes Instrumentarium für die Strafverfolgungsbehör- dies zur Folge, dass sie die weiten Spielräume der gesetzlichen Grundlagen ausnützen kann, ohne sich den subtilen Überlegungen den erfordern. Zur Aufdeckung, Verfolgung und Be- einer verfassungskonformen Einschränkung dieser eingriffsintensi- kämpfung krimineller Organisationen seien besondere ven Akte der Gesetzgebung zu stellen. Wir sehen den Übergang Ermittlungsmethoden, insb der große Lausch- und von der repressiven zur präventiven Polizei. Diese Aufgabenverschie- Spähangriff, von Nöten.9) bung führte zu einer weiteren Vorverlagerung des Staatsschutzes Gegenstand der Parlamentsdebatte war auch ein Be- weit in die Gesellschaft hinein. Überspitzt formuliert: Die staatliche Sicherheit entwickelte sich mit dieser Sicherheitskonzeption zum richt der Tagung des EU-Ministerrates für Justiz und ‚Supergrundrecht’, Bürgerinnen und Bürger mutierten zu potentiel- Inneres vom 28. 4. 1997 in Luxemburg: Die Bekämp- len Sicherheitsrisiken.“ fung der organisierten Kriminalität und des Terroris- 7) Vgl einige Pressestimmen zum Film: Kurier vom 23. 9. 2005: „Ver- mus sei ein nie endendes Unterfangen. Der Kampf schwommene Videobilder, verzerrte Stimmen und falsche Überset- zungen, denen Beweiskraft zuerkannt wurde. Und anonyme Zeugen müsse kompromisslos, aber stets mit rechtmäßigen hinter Vollvisierhelmen, die Dutzende Afrikaner als führende Dealer Mitteln und unter Wahrung der rechtsstaatlichen beschuldigten, um sich für eigene Prozesse mildere Strafen zu erkau- Grundsätze, der Demokratie und der Menschenrechte fen. Einer, AZ 3000 genannt, fiel später um, als er nicht bekam, was geführt werden. Nicht außer Acht gelassen werden ihm die Polizei versprochen hatte.“; Presse vom 24. 9. 2005: „Ope- dürfe jedoch, dass gerade „der Schutz dieser Werte ration Spring, eine betont sachliche, dabei hoch spannende Doku- mentation unterzieht diese Aktion und ihr Nachspiel jetzt einer ge- die Raison d’être – den Hauptgrund – für die Bekämp- naueren Betrachtung. Die Bilanz ist bestürzend: das Beweismaterial fung der organisierten Kriminalität darstellt“, so der dubios, die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive ver- Bericht. wischt, die Medien haben die polizeilichen Erfolgsberichte wie ob- Die Parlamentsdebatte zur Einführung der besonde- jektive Quellen übernommen.“; Standard vom 24./25. 9. 2005: „Operation Spring heißt auch der Dokumentarfilm, in dem sich ren Ermittlungsmethoden wurde 1997 sehr heftig ge- die Filmemacher Angelika Schuster und Tristan Sindelgruber mit führt. Der damalige BMI Schlögl beschwichtigte: „Ich dem Fall noch einmal auf minutiöse Weise befassen. Sie haben denke zum Beispiel nur daran, dass wir den Geheim- die Vorgehensweise der Justiz und notwendigerweise deren politi- nisschutz sehr ernst nehmen werden, dass wir eine zeit- sche Implikationen im Visier. Anwälte, Verurteilte, Zeugen, sogar liche Befristung der Bewilligung einführen und das ein Richter legen in Interviews ihre Ansichten des Prozessverlaufs dar. Die Einsicht, die durch die Rekonstruktion der Verfahren gewon- Gesetz befristet einführen.“10) nen wird, weckt tiefes Unbehagen über den Zustand des heimischen Eine letztlich zustimmende Abgeordnete der dama- Rechtsstaats.“ ligen Regierungsfraktion hoffte: „Für mich bleibt 8) BGBl I 1997/105. schlußendlich die Hoffnung, daß die im Gesetz vor- 9) Vgl EBRV 49 BlgNR 20. GP. 10) BMI Mag. Karl Schlögl, StenProt NR 20. GP, 82. Sitzung, 99. gesehenen Maßnahmen nicht oder nur zu einem sehr 11) Anna Huber, StenProt 20. GP, 82. Sitzung, 176. geringen Umfang angewendet werden müssen, aber 12) EBRV 755 BlgNR 20. GP, 3. Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01 Operation Spring Autor: RA Mag. Josef Phillip Bischof, Wien 13
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