Anwaltsblatt - rechtsanwaelte.at

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Anwaltsblatt - rechtsanwaelte.at
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                                                                                                  2006
1–48

  Anwaltsblatt
          Österreichisches

   8   Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO
       RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck

  12   Operation Spring
       Die Einführung des großen Lausch- und Spähangriffes in Österreich aus Verteidigersicht
       RA Mag. Josef Phillip Bischof

  20   Fortschritte im „Europäischen Zivilrecht“
       RA Dr. Franz Markus Nestl

                                                                                        Wir sprechen für ihr Recht
                                                                                       DIE ÖSTERREICHISCHEN
                                                                                             RECHTSANWÄLTE

       www.rechtsanwaelte.at
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www.erstebank.at www.sparkasse.at

                                                                                          tive
                                                                                   Attrak ts für
                                                                                 nv estmen r!
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                                                                                   Freibe
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Editorial

Anwaltsblatt Neu                                                                         Präsident Dr. Benn-Ibler

S    ie halten die erste Ausgabe des Öster-
     reichischen Anwaltsblattes im neuen
Gewand in Händen. Die letzte solche Än-
                                                 Es wurde ein neues Schriftbild gewählt.
                                               Die Rubriken wurden deutlicher hervor-
                                               gehoben und haben teilweise neue Be-
derung ist nunmehr fast 10 Jahre her, und      zeichnungen erhalten.
es war daher Zeit, das Aussehen der Zeit-        Nach einigem Suchen konnte eine
schrift zu ändern. Der Arbeitskreis Öffent-    Schrift gefunden werden, die die Texte
lichkeitsarbeit hat vor etwa 1½ Jahren be-     um einiges einfacher lesbar gestaltet.
gonnen Überlegungen anzustellen, wie             Sie können sich vielleicht erinnern, dass
das „neue“ Österreichische Anwaltsblatt        im Jahre 2004 eine Umfrage über die Ge-
aussehen soll. Das Ergebnis liegt nunmehr      staltung des Inhaltes des Anwaltsblattes
vor Ihnen.                                     durchgeführt wurde. Das Ergebnis wurde
   Der Umschlag ist in dem von uns auch        im Anwaltsblatt veröffentlicht (AnwBl
sonst verwendeten „Anwaltsblau“ gehal-         2004, 376 f) und ist in die Neugestaltung
ten. Unser Logo, das rot-weiß-rote R, do-      eingeflossen.
miniert. Beides soll das Österreichische         Der Aufbau wurde gestrafft und optisch
Anwaltsblatt leicht und schnell erkennbar      verdeutlicht. Abhandlungen gehen nun-
machen und von anderen juristischen            mehr regelmäßig Abstracts voraus, die ei-
Fachzeitschriften abheben.                     nen schnellen Überblick über den Inhalt
   Anwaltsblatt, Broschüren und andere         geben. Deskriptoren erleichtern die Auf-
Werbemittel vermitteln nun schon durch         findbarkeit bei einer Suche nach Schlag-
ihre äußere Gestaltung den Hinweis auf         worten. Es ist vorgesehen, in Zukunft ein
den Österreichischen Rechtsanwaltskam-         Bild des Autors der Abhandlung voranzu-
mertag, der damit seinen Auftritt nach au-     stellen.
ßen weiter vereinheitlicht hat.                  Ich hoffe sehr, dass Ihnen die neue Ge-
   Auf dem Umschlag finden Sie (wie bis-        staltung gefällt, wobei natürlich auch der
her) eine Inhaltsangabe. Neu allerdings        Satz gilt: „Über Geschmack lässt sich
ist der Hinweis auf die Seite der Veröffent-   streiten“.
lichung, sodass das Auffinden erleichtert         Jedenfalls wünsche ich Ihnen viel Ver-
wird.                                          gnügen beim Lesen des Anwaltsblattes
   Aber auch im Inneren des Blattes hat        Neu.
sich einiges geändert.

Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01                                                                               1
RECHTaktuell
Das Neueste zum Zivilrecht

Obermaier
Das Kostenhandbuch

Das vorliegende Werk bietet einen systematischen
Überblick über sämtliche Fragen des Kostenrechts im
Zivilprozess und Außerstreitverfahren. Der Autor hat mehr
als 10 000, darunter auch eine Vielzahl unveröffentlichter,
Entscheidungen ausgewertet und für den Praktiker aufbe-
reitet.

Er beschäftigt sich unter anderem mit folgenden Themen:
• Vorprozessuale Kosten
• Kostenersatz im Zivilprozess, im Provisorialverfahren
   und bei exekutionsrechtlichen Klagen, im Verfahren vor
   den Arbeits- und Sozialgerichten, im
   Außerstreitverfahren, in den wohnrechtlichen
   Außerstreitverfahren und in den Verfahren
   wegen Enteignungsentschädigung
• Sicherung von Kosten nach dem IESG bei Insolvenz des
   Dienstgebers
• Kostennormen und Tarifposten des RATG
• Gerichtsgebühren im Zivilprozess

Den jeweiligen Kapiteln nachgestellte Rechtsprechungsübersichten runden die Darstellung ab,
zahlreiche Berechnungsbeispiele fördern das Verständnis auch schwieriger Kostenprobleme.

Der Autor
Dr. Josef Obermaier ist seit 1984 als Richter des LG Wels mit Zivilrechtssachen befasst.

2005. XVI, 508 Seiten. Geb. EUR 108,–
ISBN 3-214-00386-0

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          E-Mail: bestellen@MANZ.at • Tel.: 01/531 61-100 • Fax: 01/531 61-455 MANZ’sche Verlags- und
          Universitätsbuchhandlung GmbH, Kohlmarkt 16, 1014 Wien FN 124 181w • HG Wien
                                                                                                            www.manz.at
Inhalt

Autoren dieses Heftes:                                                           Editorial
RA Dr. Manfred Ainedter, Wien                                                      Dr. Gerhard Benn-Ibler
RA Dr. Axel Anderl, Wien                                                           Anwaltsblatt Neu                                                       1
em RA o. Univ.-Prof. Dr. Dr. Walter Barfuß, Wien
RA Dr. Gerhard Benn-Ibler, Wien
RA Dr. Harald Bisanz, Wien                                                       Wichtige Informationen
RA Mag. Josef Phillip Bischof, Wien
                                                                                  Berufsrechts-Änderungsgesetz 2006                                       4
GS Dr. Alexander Christian, ÖRAK
a. Univ.-Prof. Dr. Silvia Dullinger, Linz                                          Krankenversicherung der Gesellschafter-Geschäftsführer                 4
Univ.-Ass. Dr. Harald Eberhard, Wien
RA Dr. Guido Held, Graz                                                            Personalia                                                             5
RAA Univ.-Doz. Dr. Adrian Eugen Hollaender, Wien
Hon.-Prof. Dr. Roman Leitner, Linz
RA Dr. Eike Lindinger, Wien                                                      Termine                                                                  6
RA Dr. Franz Markus Nestl, Wien
RAA Mag. Johannes Öhlböck, Wien
RA Dr. Peter Posch, Wels
                                                                                 Recht kurz & bündig                                                      7
Mag. Benedikta Reymaier, ÖRAK
RA Dr. Ullrich Saurer, Graz                                                      Abhandlungen
ao. Univ.-Prof. Dr. Francesco A. Schurr, Innsbruck
cand. iur. Nina Stix, Wien                                                         RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck
RA Prof. Dr. Walter Strigl, Wien                                                   Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO    8
Univ.-Lektor Dr. Franz Philipp Sutter, Wien
RA Dr. Heinz-Peter Wachter, Wien                                                   RA Mag. Josef Phillip Bischof
RA Dr. Gottfried Waibel, Dornbirn                                                  Operation Spring
Mag. Lisa Zeiler, Wien                                                             Die Einführung des großen Lausch- und Spähangriffes in Österreich
                                                                                   aus Verteidigersicht                                                  12
Impressum
Medieninhaber und Verleger: MANZ'sche Verlags- und Universitätsbuch-             Europa aktuell
handlung GmbH. Unternehmensgegenstand: Verlag. Sitz der Gesellschaft:              RA Dr. Franz Markus Nestl
A-1014 Wien, Kohlmarkt 16. FN 124 181 w, HG Wien.                                  Fortschritte im „Europäischen Zivilrecht“                             20
Gesellschafter, deren Anteil 25% übersteigt: Manz Gesellschaft m.b.H.,
Wien, Beteiligung an Unternehmen und Gesellschaften aller Art und Wolters
Kluwer International Holding B.V. Amsterdam, Beteiligung an Unternehmen.         Aus- und Fortbildung
Grundlegende Richtung: Juristische Fachzeitschrift, im Besonderen
                                                                                   Anwaltsakademie                                                       23
für das Standesrecht der Rechtsanwaltschaft, zugleich Organ des
Österreichischen Rechtsanwaltskammertages und der österreichischen                 AVM                                                                   26
Rechtsanwaltskammern.
Verlagsadresse: A-1015 Wien, Johannesgasse 23 (verlag@manz.at).
Geschäftsführung: Mag. Susanne Stein-Dichtl (Geschäftsführerin) sowie            Amtliche Mitteilungen                                                   28
Prokurist Dr. Wolfgang Pichler (Verlagsleitung).
Herausgeber: RA Dr. Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Österreichischen
Rechtsanwaltskammertages, A-1010 Wien, Tuchlauben 12,                            Chronik                                                                 29
Tel (01) 535 12 75, Fax (01) 535 12 75-13,
e-mail: rechtsanwaelte@oerak.at, Internet: http://www.rechtsanwaelte.at
Druck: MANZ CROSSMEDIA, A-1051 Wien                                              Rechtsprechung                                                          34
Layout: Michael Mürling für buero8, 1070 Wien
Verlags- und Herstellungsort: Wien
Redaktionsbeirat: RA Dr. Gerhard Benn-Ibler, RA Dr. Harald Bisanz,
                                                                                 Zeitschriftenübersicht                                                  41
RA Dr. Michael Enzinger, RA Dr. Georg Fialka, RA Dr. Klaus Hoffmann,
RA Dr. Elisabeth Scheuba                                                         Rezensionen                                                             44
Redakteur: Dr. Alexander Christian, Generalsekretär des Österreichischen
Rechtsanwaltskammertages
Redaktion: Generalsekretariat des Österreichischen Rechtsanwalts-                Indexzahlen                                                             48
kammertages, A-1010 Wien, Tuchlauben 12, Tel (01) 535 12 75,
Fax (01) 535 12 75-13, e-mail: anwaltsblatt@oerak.at
Anzeigenannahme: Lore Koch, Tel (01) 879 24 25 und                               Inserate                                                                U3
Fax (01) 879 24 26; e-mail: Lore.Koch@aon.at
Zitiervorschlag: AnwBl 2006, Seite
Erscheinungsweise: 11 Hefte jährlich (eine Doppelnummer)
Bezugsbedingungen: Der Bezugspreis für die Zeitschrift inkl. Versandspesen
beträgt jährlich EUR 238,–. Das Einzelheft kostet EUR 25,90. Nicht rechtzeitig
vor ihrem Ablauf abbestellte Abonnements gelten für ein
weiteres Jahr erneuert. Abbestellungen sind schriftlich bis spätestens sechs
Wochen vor Jahresende an den Verlag zu senden.
Wird an Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter unentgeltlich
abgegeben.
Nachdruck, auch auszugsweise, ist mit Zustimmung der Redaktion unter
Angabe der Quelle gestattet. Namentlich gezeichnete Beiträge geben aus-
schließlich die Meinung der Autoren wieder.

Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01                                                                                                                    3
Wichtige Informationen

    Berufsrechts-Änderungsgesetz 2006

    E   nde November 2005 wurde im Justizausschuss das
        Berufsrechts-Änderungsgesetz (BRÄG) 2006 be-
    schlossen, das unter anderem auch Änderungen der
                                                              " Titel und Kurztitel lauten nunmehr wie auch schon
                                                                bisher allgemein gebräuchlich „Rechtsanwaltsord-
                                                                nung (RAO)“ und nicht mehr „Gesetz vom 6. 7.
    Rechtsanwaltsordnung, der Notariatsordnung, des Ge-         1868 RGBl 96, womit eine Rechtsanwaltsordnung
    richtsorganisationsgesetzes, des Disziplinarstatuts für     eingeführt wird“.
    Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, des Signa-       " Ausweitung der elektronischen Kommunikations-
    turgesetzes, des Außerstreitgesetzes und des Europäi-       möglichkeiten zwischen dem ÖRAK, den Rechts-
    schen Rechtsanwaltsgesetzes vorsieht. Die Beschluss-        anwaltskammern und den Rechtsanwälten (§ 23
    fassung im National- und Bundesrat sowie die Kund-          Abs 3, § 36 Abs 4 RAO).
    machung im Bundesgesetzblatt sind zum Zeitpunkt           " Ausstellung des Anwaltsausweises mit digitaler Sig-
    des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe des Anwalts-         natur als amtlicher Lichtbildausweis (§ 28 Abs 1
    blattes noch ausständig. Aktuelle Informationen hierzu      lit a RAO).
    entnehmen Sie bitte dem Infom@il.                         " Konkretisierung einzelner Bestimmungen in § 34
       Diese Berufsordnungsnovelle ist richtungsweisend         RAO (Erlöschen bzw Ruhen der Rechtsanwalt-
    für die Zukunft, werden doch im § 91 c GOG Körper-          schaft).
    schaften öffentlichen Rechts ermächtigt, im eigenen       " Berechtigung des Österreichischen Rechtsanwalts-
    Wirkungsbereich Urkundenarchive einzurichten, die           kammertages zur Errichtung und Führung eines
    für den elektronischen Urkundenverkehr mit den Ge-          anwaltlichen Urkundenarchivs verbunden mit
    richten bestimmt sind. Auch der neue Rechtsanwalts-         der Erlassung entsprechender Richtlinien (§§ 36,
    ausweis mit digitaler Signatur findet seinen Nieder-         37 RAO).
    schlag in dieser Novelle. Grundsätzlich tritt das BRÄG    " Erweiterung der Meldeverpflichtung für nieder-
    mit 1. 1. 2007 in Kraft, einige Bestimmungen, die           gelassene europäische Rechtsanwälte (§ 12 Abs 2
    nachfolgend auszugsweisend angeführt werden, sind           EuRAG).
    jedoch bereits mit 1. 1. 2006 in Kraft getreten:                            GS Dr. Alexander Christian, ÖRAK

    Krankenversicherung der Gesellschafter-Geschäftsführer

    N     ach § 5 Abs 1 Z 14 ASVG sind Rechtsanwälte
          hinsichtlich einer Beschäftigung, die die Teil-
    nahme an der Versorgungseinrichtung einer Rechtsan-
                                                              Sperrminorität verfügen), als Dienstnehmer nach § 4
                                                              Abs 2 ASVG behandelt und in die Krankenversiche-
                                                              rung nach dem ASVG einbezogen wurden.
    waltskammer begründet, von der verpflichtenden                Die Einbeziehung dieser Gesellschafter-Geschäfts-
    Vollversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsver-      führer einer RA-GmbH war allerdings nie erwünscht,
    sicherung) ausgenommen. Jeder Rechtsanwalt unter-         da immer nur die angestellten Rechtsanwälte in der ge-
    liegt daher grundsätzlich der Versorgungseinrichtung      setzlichen Teilversicherung verbleiben sollten.
    seiner Rechtsanwaltskammer und dem Gruppenkran-              Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag hat
    kenversicherungsvertrag bei der Uniqa (es sei denn,       sich daher in Gesprächen mit dem BMSG um eine
    dass eine Selbstversicherung gemäß § 16 ASVG oder         Klarstellung dahingehend bemüht, dass von der
    § 14 a GSVG nachgewiesen wird).                           Ausnahme des § 5 Abs 1 Z 14 ASVG auch jene
       Gemäß § 7 Z 1 lit e ASVG werden die angestellten       Rechtsanwälte erfasst sind, die als Geschäftsführer
    Rechtsanwälte in die gesetzliche Kranken- und Unfall-     einer RA-GmbH an dieser nicht wesentlich beteiligt,
    versicherung einbezogen. Diese Pflichtversicherung         aber über eine Sperrminorität verfügen, auch wenn
    des angestellten Rechtsanwaltes ist insofern system-      sie gemäß § 25 Abs 1 lit b EStG 1988 lohnsteuer-
    konform, da der angestellte Rechtsanwalt den Beruf        pflichtig sind. Zivilrechtlich sind diese Geschäftsfüh-
    nicht selbständig ausübt und daher den Dienstnehmer-      rer daher nicht Dienstnehmer der RA-GmbH und
    begriff erfüllt.                                          somit auch nicht „angestellte“ Rechtsanwälte iSd
       Dadurch ergab sich allerdings das Problem, dass        § 7 Z 1 lit e ASVG (siehe dazu Abhandlung AnwBl
    auch jene Rechtsanwälte, die Geschäftsführer einer        2005, 391).
    RA-GmbH und an dieser nicht wesentlich (bis zu in-           Das BMSG hat nun diese Ansicht bestätigt. Den
    klusive 25%) beteiligt sind, aber gegenüber der Gene-     diesbezüglichen Schriftverkehr finden Sie im Internen
    ralversammlung nicht weisungsgebunden im Sinne des        Bereich (4.) auf www.rechtsanwaelte.at.
    § 25 Abs 1 lit b EStG 1988 sind (das heißt über eine                             Mag. Benedikta Reymaier, ÖRAK

4                                                                                    Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01
Wichtige Informationen

Personalia

M     it Jahreswechsel 2005/2006 wurden einige Spit-
      zenpositionen im Justizbereich neu besetzt.
Nachfolgend ein kurzer Überblick, der selbstverständ-
lich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben
kann.
   Senatspräsidentin Dr. Irmgard Griss folgt Dr. Konrad
Brustbauer, der mit Jahreswechsel in den Ruhestand ge-
treten ist, als Vizepräsident des Obersten Gerichtsho-
fes nach.
   Neuer leitender Oberstaatsanwalt in Graz ist Dr.
Horst Siegel, der Dr. Heimo Lambauer nachfolgt. In
Wien ist Dr. Friedrich Matousek als leitender Staatsan-
walt in den Ruhestand getreten. Ihm folgt Dr. Otto
Schneider nach.
   Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag nutzt
diese Gelegenheit, um sich bei den in den Ruhe-
stand getretenen Spitzenrepräsentanten der österrei-
chischen Justiz für die ausgezeichnete Zusammenar-
beit in den vergangenen Jahren zu bedanken und
wünscht den Nachfolgern viel Erfolg in ihren neuen
Funktionen.

        RECHTaktuell
        Das Neueste zum Wirtschaftsrecht

                               Sachs (Hrsg)
                               Schwerpunkte II zum BVergG 2006
                               Das vorliegende Werk versteht sich als ein Beitrag zur Diskussion über die
                               Umsetzung der Vergabe-Richtlinien und das neue BVergG 2006. Das Verhältnis von
                               nationaler Gesetzgebung und europäischen Richtlinien spiegelt sich in den
                               Beiträgen wider, die wertvolle Hinweise zur Auslegung der Richtlinien und deren
                               Anwendung beinhalten. Darüber hinaus werden punktuell unterschiedliche Ansätze
                               zwischen der Rechtssituation in Deutschland und in Österreich herausgearbeitet.

     2005. XII, 358 Seiten. Br. EUR 64,– ISBN 3-214-00327-5
     Vorzugspreis für ZVB-Abonnenten und Bezieher von BVA (Hrsg), Standpunkte zum Vergaberecht EUR 52,–
     Paket: Sachs (Hrsg), Schwerpunkte zum BVergG 2006 & Sachs (Hrsg), Schwerpunkte II zum BVergG 2006
     EUR 106,40 ISBN 3-214-00328-3

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Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01                                                                                                          5
Termine

     Inland                                                    17. und 18. März                              SALZBURG
                                                                 4. Österr. StrafverteidigerInnentag
    24. Jän.                                WIEN
                                                               27. März                                            WIEN
      ÖRAV-Seminar: Grundlehrgang (BU-Kurs)
                                                                 ÖRAV-Seminar: Grundbuch II
    25. Jän.                                        WIEN         ADir A. Jauk
      Akademie für Recht & Steuern (ARS): Kapital-
                                                               18. bis 20. Mai                       WIEN
      markt-Prospektrecht NEU                                    DACH-Frühjahrstagung 2006: Unternehmens-
      MR Dr. Heinrich Lorenz, OR Dr. Erich Schaffer, Mag.        nachfolge
      Martin Wenzl, RA Dr. Alexander Russ
                                                               3. Juli                                WIEN
    1. Feb.                                           WIEN        ÖRAV-Sommer-Block-Seminar (BU-Kurs)
       Akademie für Recht & Steuern (ARS): Kartellrecht
       2006
       Dr. Stefan Keznickl, Dr. Theodor Taurer, RA Mag. Rai-
       ner Roniger                                             Ausland
    1. Feb.                                       WIEN         25. Feb. bis 3. März       BECKENRIDGE, COLORADO
       Akademie für Recht & Steuern (ARS): Aktuelle ver-         Internationale Anwaltsvereinigung (UIA): Interna-
       fahrensrechtliche Judikatur der UFS                       tional Civil Litigation and the USA
       Mag. Bernhard Renner, Dr. Franz Althuber
                                                               20. bis 22. April                              ROM
    9. Feb.                                       LINZ           International Association of Young Lawyers (AIJA):
       Akademie für Recht & Steuern (ARS): Das Vermö-            Cross-Border Investments in the Real Estate
       gen nach der Scheidung                                    and Retail Sector. Legal and Financing Per-
       a. Univ.-Prof. Dr. Astrid Deixler-Hübner                  spectives
    13. Feb.                                          WIEN     12. und 13. Mai                             WARSCHAU
      ÖRAV-Seminar: Exekution I                                  Internationale Anwaltsvereinigung        (UIA): UN
      RA Dr. H. P. Wachter, ADir J. Dworak                       Kaufrecht/CISG
    14. Feb.                                   WIEN            16. und 17. Juni                           DUBLIN
      ÖRAV-Seminar: Verfahren außer Streitsachen –               Internationale Anwaltsvereinigung (UIA): Emer-
      Was hat sich geändert? 1 Jahr nach der Reform              ging trends in cross border mergers and
      ADir H. Habersam-Wenghoefer                                acquisitions – corporate, tax and financial law
    16. Feb.                                    WIEN             aspects
      Akademie für Recht & Steuern (ARS): Das Bundes-          22. bis 26. Aug.                               GENF
      vergabegesetz 2006                                         Internationale Anwaltsvereinigung (UIA): 44th An-
      Dr. Michael Fruhmann                                       nual Congress of the International Association
    23. bis 25. Feb.                      WIEN                   of Young Lawyers (AIJA)
      Europäische Präsidentenkonferenz – Wiener                21. bis 23. Sept.               LJUBLJANA
      Advokatengespräche                                         DACH-Herbsttagung 2006: Grenzüberschrei-
    6. März                                         WIEN         tende Arbeitnehmer
       ÖRAV-Seminar: Exekution II                              31. Okt. bis 4. Nov.            SALVADOR DE BAHIA
       RA Dr. H. P. Wachter, Ri Dr. M. Schaumberger              Internationale Anwaltsvereinigung (UIA): 1. Um-
    9. März                                           WIEN       weltrecht, 2. Globalisierung der Unternehmen,
       ÖRAV-Seminar: Einführungsseminar                          3. Was der Rechtsanwalt zumindest über Men-
       RA Mag. G. Zorn                                           schenrechte wissen sollte
    15. März                                     WIEN          17. und 18. Nov.                      LUXEMBURG
      Akademie für Recht & Steuern (ARS): Die neuen              European Institute of Public Administration: EU
      Justizverfahren                                            security policies: How can protection of society
      Präs. Dr. Harald Krammer, Dr. Hans Langer, Mag.            be reconciled with safeguarding personal liber-
      Christian Pilnacek                                         ties

6                                                                                    Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01
Recht kurz & bündig

                                                                 Zeitpunkt des Gnadenerweises bereits vollzogene          Diese Ausgabe von
"  § 3 PSG: Nachträgliche Stifterstellung; Heilung                                                                        „Recht kurz & bündig“
eines Vertretermangels                                           Strafen keine Wirkung zu entfalten.                      entstand unter
   1. Wie schon mehrfach judiziert, bedarf die einsei-           OGH 13. 1. 2005, 12 Os 128/04 (BG Baden U 551/           Mitwirkung von
                                                                 93) = ÖJZ-LSK 200511 05 = EvBl 2005/113.                 Dr. Manfred Ainedter,
   tige Stiftungserklärung eines minderjährigen                                                                           Dr. Harald Bisanz und
   Stifters der Vertretungshandlung des obsorgebe-                                                                        RA Dr. Ullrich Saurer.
   rechtigten Elternteils und der pflegschaftsgerichtli-      " § 409 a Abs 4 StPO (§ 409 Abs 3 StPO; §§ 5 f StVG):
   chen Genehmigung nach § 154 Abs 3 ABGB, selbst            Terminverlust bei Ratenzahlung endgültig
   wenn der Stifter kein eigenes Vermögen widmet.              Nach Anordnung des Vollzugs der Ersatzfreiheits-
   2. Bei mehreren Stiftern ist bei mangelnder Vertre-         strafe als Folge eingetretenen Terminverlusts kommt
   tung bloß die Errichtung durch den betroffenen              die Gewährung eines Zahlungsaufschubs keinesfalls
   Stifter unwirksam. Der Mangel wird durch die                mehr in Betracht; diesfalls läge nämlich ein – nur
   FB-Eintragung nicht geheilt. Die mangelnde Ge-              nach Maßgabe der für Freiheitsstrafen an sich gel-
   schäftsfähigkeit des Stifters oder die fehlende Voll-       tenden Bestimmungen möglicher (§ 409 Abs 3
   macht eines Vertreters kann nachträglich durch              StPO) – Aufschub der Ersatzfreiheitsstrafe vor, den
   pflegschaftsgerichtliche Genehmigung geheilt                 die §§ 5 f StVG aber zum Zweck der Zahlung einer
   werden.                                                     Geldstrafe nicht vorsehen.
   3. Ein nachträglicher Beitritt als Stifter ist unzuläs-     OGH 9. 2. 2005, 13 Os 156, 157/04 (OLG Linz
   sig.                                                        7 Bs 52/04; LG Wels 13 Vr 909/98) = ÖJZ-LSK
   OGH 12. 8. 2004, 1 Ob 166/04 z, GeS 2004, 475               2005/143 = EvBl 2005/114.
   (N. Arnold) = RdW 2004/683.
                                                             "   § 39 SMG
"  § 2 PSG: Namensausschließlichkeit bei Privat-                 Die Bestimmungen des § 39 SMG dienen der Fort-
stiftungen                                                       führung und Erweiterung des mit der SGG-Novelle
   Der Name einer Privatstiftung muss sich von al-               1985 BGBl 184 in das SGG eingefügten Modells
   len in Österreich im Firmenbuch eingetragenen                 „Therapie statt Strafvollzug“ (RV 110 BlgNR 20.
   Privatstiftungen deutlich unterscheiden und das               GP 51), dessen Grundintention darin besteht, hin-
   Wort „Privatstiftung“ ohne Abkürzung enthalten.               künftige Delinquenz von Straftätern durch gesund-
   OLG Wien 31. 8. 2004, 28 R 136/04 g, GeS 2004,                heitsbezogene Maßnahmen (§ 11 Abs 2 SMG) hint-
   427 (N. Arnold).                                              anzuhalten. Dies setzt logisch voraus, dass die vom
                                                                 Gesetz als Aufschubsvoraussetzung geforderte Ge-
" §§ 1, 8, 14 SpaltG; §§ 84, 125, 195 ff, 230 AktG:              wöhnung an ein Suchtmittel für die Tatbegehung
Klagslegitimation und Rechtsschutzinteresse nach                 (zumindest mit-)kausal gewesen sein muss, weil die
Spaltungen                                                       Behandlung einer Sucht, die keinen Kausalzusam-
  1. Die Fortsetzung eines vor Spaltung eingeleite-              menhang mit der abgeurteilten Straftat aufweist,
  ten Anfechtungsprozesses (gegen die abspaltende                nicht als geeignet angesehen werden kann, künftiges
  Gesellschaft) durch einen Aktionär der nunmehr                 strafbares Verhalten des Täters zu verhindern.
  übernehmenden Gesellschaft setzt ein Rechtsschutz-             OGH 17. 2. 2005, 12 Os 8/05 a (RS 119760) = RZ
  bedürfnis des Klägers voraus.                                  07 – 08/05 EÜ 67.
  2. Ein solches Rechtsschutzbedürfnis liegt nicht vor,
  wenn der angefochtene Beschluss (hier Entlastung)          "   Rechtsanwaltsanwärter und Dienstzeugnis
  im Falle des Weiterbestandes dieses Beschlusses                Anspruch auf Bezeichnung „Rechtsanwaltsanwärter“
  nicht geeignet ist, die Rechtsstellung des Klägers             statt „Konzipient“. Kein generelles Recht auf Be-
  zu verschlechtern.                                             schreibung der Tätigkeiten nach Fachgebieten (mit
  OGH 6. 7. 2004, 4 Ob 85/04 k, GesRZ 2004, 327 =                Ausnahme, im vorliegenden Fall: Umweltrecht) aus
  RdW 2004/680.                                                  den dort angeführten Gründen (vor allem: „hin-
                                                                 sichtlich der für die Eintragung erforderlichen Aus-
" Art 65 Abs 2 lit c B-VG; § 507 StPO: Begnadigung               bildungszeit wird nur auf die praktische Verwendung
von bereits vollstreckten Strafen                                abgestellt, ohne dass der Nachweis der konkreten
  Auch bereits vollstreckte Strafen, also primär Vermö-          Tätigkeit in einzelnen Fachbereichen erforderlich
  gensstrafen, können von einer Begnadigung durch                wäre“).
  den Bundespräsidenten erfasst werden, jedoch müsste            OGH 30. 6. 2005, 8 ObA 16/05 v, RdW 2005/715,
  ebenso wie bei einer rückwirkenden Nachsicht etwa              S 632 und Artikel von RA Dr. Ernst Eypeltauer, Linz,
  des Verfalls oder von Rechtsfolgen der Verurteilung            „Dienstzeugnis eines RAA“, RdW 2005/770, S 700.
  die Entschließung dies – über Antrag des Bundesmi-             (Im vorliegenden Fall entschied der OGH gegen beide
  nisters – ausdrücklich anordnen. Andernfalls vermag            Unterinstanzen. Eypeltauer setzt sich aaO mit der Ent-
  die Entschließung des Bundespräsidenten auf im                 scheidung kritisch auseinander. Bisanz)

Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01                                                                                                         7
Abhandlungen

                       Drum prüfe, wer sich beziehe –
                       Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO
                       RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck, Wien. Rechtsanwalt Dr. Eike Lindinger ist
                       geschäftsführender Partner der Dr. Witt & Partner Rechtsanwälte (Wien), spezialisiert auf Miet-, Wohn-, und
                       Immobilienrecht, Schadenersatz, Reiserecht und Öffentliches Recht. Regelmäßige Publikationen in immolex,
                       Seminare zu Wohn- und Reiserecht sowie im Rahmen der Anwaltsausbildung „Start up für Rechtsanwälte“.

                       Urkunden sind Schriftstücke, Aufzeichnungen von Gedanken in Form der menschlichen Schrift, die im Regelfall
                       Tatsachen festhalten.1) In der Zivilprozessordnung wird an mehreren Stellen auf die Vorlagepflicht Bezug
                       genommen. Zentrale Bestimmungen sind einerseits die §§ 303 ff ZPO, andererseits die Norm des § 82 ZPO.
                       Gegenstand der folgenden Darstellung ist zunächst ein systematischer Vergleich der Vorlagepflicht iSd § 304
                       ZPO im Vergleich zu § 82 ZPO. Daran anschließend, werden die Konsequenzen im Falle der Verweigerung
                       skizziert, sowie mögliche Auswirkungen aufgezeigt. Eine aktuelle systematische Darstellung und ein Vergleich
                       dieser gerade im Prozess zunehmend auftretenden Frage wurde – soweit ersichtlich – bis dato noch nicht
                       unternommen.

                       I. Urkundenvorlagepflicht                                       men wird; . . .“ Diese Bezugnahme auf Urkunden kann
                                                                                       im Zusammenhalt mit § 76 ZPO, in dem das Tatsa-
                       Grundsätzlich erfasst die Vorlagepflicht nur bestimmte           chenvorbringen und die Bezeichnung der Beweismittel
                       Urkunden. Eine unbedingte Vorlagepflicht nach § 304              in Schriftsätzen geregelt sind, nichts anderes bedeuten
      2006, 8          ZPO besteht als Ausfluss des § 178 ZPO für Urkun-                als die Nennung einer Urkunde als Beweismittel oder
                       den, auf die der vorlagepflichtige Gegner zu Beweis-             doch zumindest als ein im eigenen Anspruch oder
§ 82 ZPO; Urkunden;
Bezugnahme; Antrag;    zwecken Bezug genommen hat. Weitere Fälle sind ge-              den eigenen Einwendungen begründetes Vorbringen.
 Vorlage; Sanktionen   geben, wenn nach den Vorschriften des bürgerlichen                 Die angeführte Bezugnahme auf Urkunden in einem
                       Rechts der vorlagepflichtige Gegner zur Ausfolgung               Schriftsatz in § 82 Abs 1 ZPO, der die Bestimmungen
                       oder Vorlage der Urkunde verpflichtet ist, beziehungs-           der §§ 77 und 81 ZPO ergänzt und dem Gegner die
                       weise wenn es sich um eine für beide Parteien gemein-           Möglichkeit verschafft, sich durch Einsicht in die
                       schaftliche Urkunde handelt.2) Gemeinschaftliche Ur-            Originalurkunden zu informieren,5) kann keine andere
                       kunden sind zB Unfallberichte beziehungsweise Be-               Bedeutung haben. Von einer Bezugnahme auf eine
                       sichtigungsberichte, nicht jedoch Krankengeschich-              Urkunde in einem Schriftsatz, welche dem Gegner
                       ten,3) da es sich nach Auffassung des Gerichtes nicht           eine Antragstellung nach § 82 Abs 1 ZPO ermöglicht
                       um eine den Kranken und den behandelten Arzt be-                und dann zur Vorlage der Urkunde in Urschrift ver-
                       treffende gemeinschaftliche Urkunde handelt. Bei al-            pflichtet, kann somit nicht bei jeder Erwähnung einer
                       len anderen Fällen besteht nur eine bedingte Vorlage-           Urkunde in einem Schriftsatz, sondern nur dann aus-
                       pflicht, die im Falle von Verweigerungsgründen iSd               gegangen werden, wenn diese Urkunde entweder aus-
                       § 305 ZPO abgelehnt werden kann.                                drücklich als Beweismittel bezeichnet oder doch als für
                          In der hier interessierenden Betrachtung ist auf den         das eigene Tatsachenvorbringen wesentliche Grund-
                       ersten Fall, dh wenn der vorlagepflichtige Gegner               lage genannt wird.
                       selbst zu Beweiszwecken auf die Urkunde Bezug
                       genommen hat, abgestellt. Nach dem Wortlaut des
                       § 82 Abs 1 ZPO ist eine Partei, die in einem Schriftsatz        II. Doppelgleisigkeit
                       auf eine in ihren Händen befindliche Urkunde Bezug
                                                                                       Zunächst scheint ein und derselbe Sachverhalt zwei-
                       genommen hat, auf Verlangen des Gegners verpflich-
                                                                                       fach durch die ZPO geregelt zu sein. Die Bestimmung
                       tet, diese Urkunde dem Gericht binnen drei Tagen
                                                                                       des § 304 erster Fall ZPO normiert die unbedingte
                       vorzulegen. Eine Bezugnahme liegt vor, wenn die
                                                                                       Vorlagepflicht des Antragsgegners, § 82 Abs 1 ZPO
                       Urkunde entweder ausdrücklich als Beweismittel be-
                                                                                       das prozessuale Mittel dafür, die Antragstellung zur
                       zeichnet (wird) oder als eine für das Tatsachenvorbrin-
                                                                                       Vorlage der Urkunde im Original.
                       gen wesentliche Grundlage angeführt wird.4)
                          Die Bezugnahme auf Urkunden ist auch Gegenstand
                       des § 77 ZPO, in dessen Abs 1 angeführt wird: „Wenn             1)   Vgl   Fasching, Lehrbuch2 Rz 944.
                       über den im Schriftsatz gestellten Antrag mündlich verhan-      2)   Vgl   Fucik, Handbuch des Verkehrsunfalls 1 Rz 70.
                                                                                       3)   Vgl   § 308 Stohanzl, ZPO15 E 2.
                       delt werden soll, sind im Schriftsatz nur Abschriften der Ur-   4)   Vgl   Stohanzl, ZPO15 E 1 zu § 82 ZPO.
                       kunden beizulegen, auf welche im Schriftsatz Bezug genom-       5)   Vgl   Fasching, II 536 und 545 f.

        Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO                                            Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01
8       Autoren: RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck, Wien
Abhandlungen

   Nach den Materialien zur Zivilprozessordnung,6) die     festgesetzten Frist zu stellen bzw kann er beantragen,
§ 82 ZPO (damals noch geregelt in § 83 ZPO) darstel-       die Frist bei Vorliegen der Voraussetzung des § 128
len, war der Zweck der Bestimmung, aufgrund des (in-       Abs 2 ZPO zu verlängern.
folge eines Prozesses) äußerst verbitterten persönli-         Der Gegner kann darüber hinaus Verweigerungs-
chen Verhältnisses der Streitteile, eine Handhabe der      rechte nach § 305 ZPO geltend machen.15) Die Vorla-
Einsichtsrechte zu ermöglichen. Eine Partei, die auf       geverweigerungsgründe müssen ausdrücklich geltend
eine Urkunde in oben angeführtem Sinne Bezug ge-           gemacht werden und sind von Amts wegen nicht zu
nommen hat, ist verpflichtet, dem Antrag auf Vorlage        berücksichtigen.16) Die Verweigerungsgründe sind ge-
im Falle der Stattgebung des Antrages durch Beschluss      gebenenfalls durch parate Mittel zu bescheinigen.17)
nachzukommen.7) Die Einsichtnahme erfolgt in der           Unter Berücksichtigung der durch die ZVN 2002 ein-
Geschäftsstelle, und es darf der Gegner dabei auch Ab-     geführten Prozessförderungspflicht ist uE davon auszu-
schriften von der Urkunde anfertigen.8)                    gehen, dass die Geltendmachung von Verweigerungs-
   Wird ein Antrag nach § 82 ZPO nicht gestellt,           rechten und das Anbot parater Bescheinigungsmittel
kann der Verhandlungsleiter als Ausfluss der §§ 183         unmittelbar nach erfolgter Antragstellung gem § 82
Abs 1 Z 2, 229 und 257 ZPO die Vorlage vor der             ZPO erfolgen müssen. Der OGH hat sich in einem obi-
Verhandlung von Amts wegen verfügen bzw die Vor-           ter dictum jüngst dahingehend geäußert, dass jene Pro-
lage der Urschrift (Originale) gem § 299 ZPO von           zesspartei die mögliche Verletzung von sie schützenden
Amts wegen oder auf Antrag in der mündlichen Ver-          Geheimhaltungsverpflichtungen zu überlegen hat, die
handlung anordnen, selbst wenn bereits ein Antrag          durch ihren Vortrag und Berufung auf bestimmte Ur-
nach § 82 ZPO gestellt wurde.9) Normzweck der Vor-         kunden die Informationsmöglichkeit für den Prozess-
lage nach § 82 ZPO ist die Information der Geg-            gegner nach § 82 Abs 1 ZPO eröffnet hat.18)
nerpartei und – anders als die Vorlagepflicht im Rah-
men eines Urkundenbeweises – nicht die Beweisfüh-
rung gegenüber dem Gericht.10) Die Vorlage nach            V. Rechtsmittelfähigkeit
§ 229 ZPO dient dem Zweck der Würdigung der
Urkundenbeweise.11)                                        Die Aufforderung, die Urschrift der Urkunde bei Ge-
                                                           richt zu erlegen, muss von den Parteien befolgt wer-
                                                           den. Die Entscheidung nach § 82 Abs 1 ZPO ist eine
III. Verwandte Rechtslage –                                Zwischenentscheidung prozessleitender Natur.19)
                                                              Gegen die Entscheidung des Gerichtes steht kein
     § 134 dZPO                                            gesondertes Rechtsmittel zu. Dies ist zwar nicht aus-
Die Regelung des § 82 ZPO entspricht nach ihrem We-        drücklich normiert, ergibt sich jedoch durch den Aus-
sensgehalt § 134 dZPO. Danach ist die Partei, wenn sie     druck, dass die Partei über Aufforderung des Gegners
rechtzeitig aufgefordert wird, verpflichtet, die in ihren   verpflichtet ist, diese Urkunde vorzulegen.20) Der
Händen befindlichen Urkunden, auf die sie in einem          OGH hat bereits zu 1 Ob 953/2521) ausgesprochen,
vorbereitenden Schriftsatz Bezug genommen hat, vor         dass gegen den über einen Antrag nach § 82 ZPO er-
der mündlichen Verhandlung auf der Geschäftsstelle         gehenden Beschluss ein Rechtsmittel nicht stattfindet.
niederzulegen und den Gegner von der Niederlegung
zu benachrichtigen, der innerhalb von drei Tagen Ein-
                                                            6) Vgl Materialien zu den neuen österreichischen Civilprozessgesetzen
sicht nehmen kann. Zweck der Bestimmung ist nach               1 (Wien 1897), 226.
Greger die Ermöglichung der Einsichtnahme in das Ur-        7) So auch schon Neumann, Kommentar zu den Civilprozessgesetzen4
kunden-Original zur Prüfung der Echtheit.12) Voraus-           (Wien 1927) 628.
                                                            8) Vgl Konecny in Fasching, ZPO § 82 Rz 7 unter Berufung auf § 170
setzung ist auch bei § 134 dZPO lediglich die Bezug-
                                                               Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz sowie Danzl,
nahme durch die Partei. Die Vorlegung dient der Vor-           Geo I 496 ff mwN.
bereitung der mündlichen Verhandlung.13) Unterlässt         9) Vgl Neumann, aaO 629.
oder verzögert die Partei die Niederlegung oder die        10) Vgl Fasching, II 546.
                                                           11) Vgl Neumann, aaO 629.
Nachricht an den Gegner, kann Präklusion der Ur-           12) Vgl Greger in Zöller, ZPO23 § 134 RN 1.
kunde als Beweismittel die Folge sein, wenn das Gericht    13) Vgl Schreiber, Die Urkunde im Zivilprozess (1982) S 50.
die Niederlegung angeordnet hat.14)                        14) Vgl Peters in Münchener Kommentar zur ZPO (1992) § 134 Rz 5.
                                                           15) IdS Konecny in Fasching, ZPO § 82 Rz 2.
                                                           16) Vgl Kodek in Fasching, ZPO § 305 Rz 14.
IV. Einwendungen des Antrags-                              17) IdS Kodek, aaO.
                                                           18) Vgl OGH 11. 8. 2005, 4 Ob 44/05 g.
    gegners iSd § 82 Abs 1 ZPO                             19) Vgl E 3 zu § 82 ZPO, Stohanzl, ZPO15 bzw SZ 7/372; vgl auch OGH
                                                               5 Ob 131/91 bzw 5 Ob 42/92.
                                                           20) Vgl Materialien zu den neuen österreichischen Zivilprozessgesetzen
Dem Gegner nach § 82 Abs 1 ZPO steht es frei, einen            1, 286.
Antrag auf Abkürzung der vom Gesetz mit drei Tagen         21) Vgl SZ 7/372.

Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01                                         Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO
                                                                              Autoren: RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck, Wien
                                                                                                                                                    9
Abhandlungen

                     Konecny dagegen hat die Auffassung vertreten, dass ge-        teln gegen die in anderen Abschnitten enthaltenen pro-
                     gen den über einen Vorlageantrag entscheidenden Be-           zessleitenden Beschlüssen.
                     schluss der Rekurs stets statthaft sein soll.22) Dieser An-      Prozessleitende Verfügungen sind daher im Zweifel
                     sicht hat der OGH jüngst mit der Argumentation wi-            anfechtbar. Der Rekurs gegen einen Beschluss eines
                     dersprochen, dass „. . . im Hinblick auf zu wahrende Pro-     Erstgerichtes, mit dem ein Antrag auf Vorlage von Ur-
                     zessökonomie (Vermeidung von den Prozessfortgang              kunden nach § 82 Abs 1 ZPO abgewiesen wurde, ist
                     verzögernden Zwischenstreitigkeiten über die – zumindest      sohin zulässig.27)
                     zunächst – sanktionslose Erfüllung von Informationspflich-
                     ten) . . .“ kein Anlass besteht, von der bisherigen
                     Rechtsprechung abzugehen.23)                                  VI. Konsequenzen bei der
                        Ob eine nach § 82 Abs 1 ZPO ergehende, dem dies-               Nichtbefolgung
                     bezüglichen Verlangen stattgebende gerichtliche An-
                     ordnung mit Rekurs angefochten werden kann, ist               Für den Fall der Nichtbefolgung bzw nicht fristgerech-
                     dem Gesetz nicht ausdrücklich zu entnehmen. Aus               ten Entsprechung des Beschlusses ist dem Gesetz keine
                     der im Gesetz normierten unbedingten Vorlagepflicht            besondere Strafsanktion zu entnehmen.
                     wird jedoch die Unanfechtbarkeit einer solchen Ent-              Wird die Urkunde nicht in der Verhandlung vorge-
                     scheidung gefolgert.24) Diese Begründung lässt sich           legt, kann, da sich der Gegner nicht informieren konn-
                     auf die Entscheidung, mit der ein Antrag nach § 82            te, eine Erstreckung der Verhandlung notwendig wer-
                     Abs 1 ZPO abgewiesen wird, nicht übertragen.                  den, wobei § 44 ZPO bzw § 142 ZPO betreffend den
                        Die Frage, ob sich eine Partei in einem Schriftsatz auf    Kostenersatz heranzuziehen sind.28)
                     eine in ihren Händen befindliche Urkunde bezogen hat              Einer Partei kann auf Antrag oder von Amts wegen
                     oder nicht, woraus sich die unbedingte Pflicht zur Vor-        ohne Rücksicht auf den Prozessausgang die Zahlung
                     lage ergibt, ist nach dem Gesetz nicht eindeutig zu be-       der Kosten eines Verfahrensabschnittes auferlegt wer-
                     antworten. Mangels ausdrücklicher Anordnung bietet            den, wenn sie ihrem Gegner durch ihr Verhalten im
                     das Gesetz keine Handhabe, die Abweisung eines auf            Prozess schuldhaft oder aufgrund eines ihr widerfahre-
                     Niederlegung einer Urkunde iSd § 82 Abs 1 ZPO ge-             nen Zufalls Mehrkosten verursacht.29) Nach § 48 ZPO
                     stellten Antrages als unanfechtbar zu beurteilen.             tritt Kostenseparation in jenen Fällen ein, in denen die
                        Auch mit der prozessleitenden Natur des Beschlusses        Nichtbefolgung eines Auftrages zur Urkundenvorlage
                     eines Erstgerichtes lässt sich weder die Unzulässigkeit       zu einer wesentlichen Verzögerung des Verfahrens
                     der Anfechtung noch die Unzulässigkeit einer abgeson-         führt.30)
                     derten Anfechtung begründen. Gem § 514 Abs 1 ZPO                 Im Falle der Verschleppungsabsicht bzw erheblichen
                     ist der Rekurs gegen Beschlüsse nur dann unzulässig,          Verzögerung des Prozesses – insb, wenn die Vorlage
                     wenn das Gesetz ihre Anfechtung ausschließt. Das gilt         des Beweismittels schon vor der Verhandlung möglich
                     auch für prozessleitende Verfügungen.25) Der Rekurs           gewesen wäre – folgt uE die Präklusion der Urkunde
                     ist daher im Zweifel statthaft.26) Aus dem Ausschluss         als Beweis.31) Gegen diese Auffassung der Präklusion
                     der Anfechtung bloß vergleichbarer Beschlüsse darf            richtet sich Konecny,32) da es sich nicht um ein verspäte-
                     auch nicht auf die – im Gesetz nicht ausdrücklich vorge-      tes Vorbringen dem Gericht gegenüber handelt, son-
                     sehene – Unanfechtbarkeit anderer Anordnungen ge-             dern nur das Informationsrecht der Partei berührt
                     schlossen werden. Die Zivilprozessordnung legt die An-        wird. Dies wird allerdings ausschließlich im Falle des
                     fechtbarkeit von Beschlüssen entweder unmittelbar bei         Antrages nach § 82 ZPO, nicht jedoch bei amtswegig
                     der sie näher regelnden Norm oder – für bestimmte zu-         gerichtlichem Auftrag gelten. Diese Ansicht wird zu-
                     sammengehörige Gruppen von Beschlüssen – am Ende              dem durch das angesprochene obiter dictum des OGH
                     der sie betreffenden Gesetzesabschnitte fest. Im zweiten      in der Entscheidung 4 Ob 44/05 g bestätigt, wonach
                     Abschnitt des ersten Teiles (Verfahren), in der die Rege-     die Informationspflicht des § 82 ZPO nur „zunächst“
                     lung der Urkundenvorlage zu Informationszwecken               sanktionslos ist.
                     enthalten ist, normiert das Gesetz keinen Rechtsmittel-
                     ausschluss für Beschlüsse, mit denen ein darauf gerichte-     22) Vgl Konecny in Fasching, ZPO § 82 Rz 4.
                     ter Antrag abgewiesen wird. Die Bestimmung des drit-          23) Vgl OGH 11. 8. 2005, 4 Ob 44/05 g.
                     ten Abschnitts des ersten Teiles über die mündliche Ver-      24) Vgl Neumann, Kommentar4 I 628 bzw Fasching II 546, 548; SZ 7/
                     handlung, insb über die nicht gesonderte Anfechtbarkeit           372.
                                                                                   25) Vgl EvBl 1963/31 ua.
                     von – im Rahmen der diskretionären Gewalt des Vorsit-         26) Vgl Fasching, Lehrbuch2 Rz 1971.
                     zenden ergangenen – Anordnungen sowie des ersten              27) Vgl RZ 1993/68.
                     Abschnittes des zweiten Teiles über den Beweis durch          28) Vgl Neumann, aaO 629.
                                                                                   29) Vgl ZVR 1994/63.
                     Urkunden, insb über die Anfechtbarkeit von Anordnun-
                                                                                   30) Vgl Zivilprozessrecht6 Rz 300.
                     gen im Rahmen des Urkundenbeweises, geben daher               31) So auch schon Neumann, aaO.
                     keinen Aufschluss über die Zulässigkeit von Rechtsmit-        32) Vgl Konecny in Fasching, Kommentar 1 Anm 7 zu § 82 ZPO.

      Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO                                     Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01
 10   Autoren: RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck, Wien
Abhandlungen

   Im Rahmen der Prozessleitungspflicht kann das Ge-       IX. Fazit
richt die Partei gem § 183 Abs 1 Z 2 ZPO zur Urkun-
denvorlage auffordern und ergeht dies im Verfahren        Im Hinblick auf die jüngste Entscheidung des OGH zu
zur Durchführung des Urkundenbeweises. Die Nicht-         § 82 ZPO38) ist die bisher in Kommentaren zur ZPO
befolgung hat Auswirkungen auf die richterliche Beur-     geäußerte Ansicht, dass mit der Verletzung der Vorla-
teilung der Beweislast und Beweispflicht. Eine Verlet-     gepflicht keine unmittelbaren Sanktionen einhergehen,
zung der Vorschriften des § 82 ZPO durch das Gericht      zu revidieren. Neben den Kostenfolgen und dem kaum
stellt nach Fasching33) keinen erheblichen Verfahrens-    positiven Ergebnis der freien Beweiswürdigung kann
mangel dar, da damit nicht die wesentlichen Verfah-       uE die Präklusion der Urkunde als Beweis Folge der
rensgrundlagen für eine richtige Sachentscheidung         Nichtvorlage sein. Die Exekution eines Vorlageauftra-
des Gerichtes betroffen sind.                             ges, die nach § 354 EO zu erzwingen ist, erhöht zudem
                                                          den Druck auf den Prozessgegner, die Urkunde zu-
                                                          gänglich zu machen. Abschließend ist auf die Haf-
VII. Haftung                                              tungsfolgen hinzuweisen, die Platz greifen können,
                                                          falls der Rechtsanwalt sich (vorschnell) auf Urkunden
Aufgrund des Umstandes, dass der Rechtsanwalt bei sei-
                                                          bezogen hat, die der Klient nie vorlegen wollte.
ner beruflichen Tätigkeit sein Verhalten so einrichten
muss, dass er selbst nur mögliche Schäden seines Klien-
ten vermeidet, deren möglicher Eintritt von einem         33) Vgl Bd 1, Anm 8 Abs 2.
                                                          34) Vgl Feil/Wennig, Anwaltsrecht3 611 Rz 14.1, mwN.
Rechtskundigen vorhergesehen werden kann,34) kommt        35) Vgl SZ 38/218.
– bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – eine        36) Vgl OGH 30. 8. 1995, 3 Ob 77/95 = SZ 68/153.
Haftung des vertretenden Rechtsanwaltes in Betracht,      37) Vgl OGH 30. 8. 1995, 3 Ob 77/95 = SZ 68/153 sowie Feil, EO4, 15.
wenn er sich (vorschnell) auf Urkunden bezogen hat, de-       EL § 354 Rz 8, mwN; Heller/Berger/Stix, EO4 § 354, S 2569, wmN;
                                                              Klicka in Angst, EO § 354 Rz 8, mwN – auch hier gilt das obiter
ren Vorlage vom Klient nicht intendiert war. Der              dictum aus 4 Ob 44/05 g, wonach die Informationspflicht des
Rechtsanwalt hat den Klienten daher im Zweifelsfall           § 82 ZPO nur „zunächst“ sanktionslos ist.
vor Bezugnahme auf eine Urkunde zu konsultieren.          38) Vgl OGH 11. 8. 2005, 4 Ob 44/05 g.

VIII. Exekution

                                                                               Hilf – VbVG
§ 82 ZPO verpflichtet dazu, Urkunden in Urschrift bei
                                                           Verlag Österreich

Gericht niederzulegen und den Gegner hievon zu
benachrichtigen, damit dieser innerhalb von drei Ta-                           Verbandsverantwortlichkeitsgesetz
gen nach empfangener Benachrichtigung Einsicht
nehmen und Abschriften anfertigen kann. Eine Exeku-
tion dieser Verpflichtungen nach § 346 EO scheidet
aus, da § 82 ZPO nicht auf Herausgabe der Urkunden
abzielt35) und die nach dieser Bestimmung vollzogene                                                                 2006,
Exekution dazu führen würde, dass der betreibende                                                                    140 Seiten,br.,
Gläubiger im Besitz der Urkunden verbleibt. Dies                                                                     3-7046-4801-9,
wäre aber durch den auf Einsichtnahme und Durch-
                                                                                                                     € 25,–
führung von Abschriften lautenden Exekutionstitel
nicht gedeckt. Exekution nach § 353 EO scheidet aus,
da die Handlung nur durch den Verpflichteten und
nicht durch Dritte erfolgen kann. Die vom Verpflichte-
ten geschuldete Leistung besteht nicht bloß in der
Duldung der Einsicht, da die einzusehenden Urkun-
den von ihm selbst zur Verfügung gestellt werden müs-                          Mit 1. Jänner 2006 werden auch juristische Perso-
sen. Aus diesem Grund versagt § 355 EO.36) Bei einem                           nen, Personenhandelsgesellschaften und andere
Anspruch auf Einsicht in Urkunden, über die der Ver-                           Verbände strafrechtlich zur Verantwortung gezo-
pflichtete allein die Verfügungsmacht besitzt, handelt                          gen. Das seit Jahren diskutierte "Unternehmens-
es sich um einen Anspruch auf eine Handlung, die                               strafrecht" wird im neu geschaffenen Verbandsve-
durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann                              rantwortlichkeitsgesetz geregelt.
und deren Vornahme ausschließlich vom Willen des
Verpflichteten abhängt. Die Exekution eines Vorlage-                             Tel.: 01- 610 77 - 315, Fax: - 589
                                                                                      order@verlagoesterreich.at
auftrages nach § 82 ZPO ist deshalb nach § 354 EO                                       www.verlagoesterreich.at
zu erzwingen.37)

Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01                                                 Drum prüfe, wer sich beziehe – Urkundenvorlagepflicht nach § 82 ZPO
                                                                                      Autoren: RA Dr. Eike Lindinger und RAA Mag. Johannes Öhlböck, Wien
                                                                                                                                                            11
Abhandlungen

                            Operation Spring
                            Die Einführung des großen Lausch- und Spähangriffes in Österreich aus
                            Verteidigersicht1)
                            RA Mag. Josef Phillip Bischof, Wien. Josef Phillip Bischof ist Partner im Rechtsanwaltsbüro Soyer-Embacher-Bischof
                            und Vorstandsmitglied der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen, bevorzugtes Tätigkeitsgebiet: Straf-
                            verteidigung.

                            Im Rahmen der Operation Spring kam 1999 erstmals der große Lausch- und Spähangriff in der Praxis zum
                            Einsatz – mit mutmaßlich großem Erfolg. Seit Herbst 2005 ist ein gleichnamiger Dokumentarfilm in den
                            österreichischen Kinos zu sehen. Nicht erst die filmische Nachbetrachtung schürt erhebliche Zweifel an der
                            kolportierten Erfolgsstory. Eine Reflexion aus Verteidigersicht.

       2006, 12             I. Operation Spring – gefeierte                            Gerichtsverfahren auseinander und geht der Frage
                                                                                       nach, ob die Angeklagten jemals die Chance auf ein fai-
                               Polizeiaktion                                           res Verfahren hatten.
       Operation Spring;                                                                 Mir ist bewusst, dass ich mit diesem Thema ein hei-
           Lauschangriff;
                            „Operation Spring“ – zum einen Deckname für die
                                                                                       ßes Eisen in die Hand nehme, ich fühle mich jedoch
       anonyme Zeugen;      größte kriminalpolizeiliche Aktion in Österreich seit
        faires Verfahren;                                                              der „Tradition“ unserer noch sehr jungen Vereini-
                            1945: Im Morgengrauen des 27. 5. 1999 stürmten
 unbestimmte Anklagen;                                                                 gung5) verpflichtet, auch und gerade heikle Themen
 optische Überwachung;      850 Polizisten Wohnungen und Flüchtlingsheime in
                                                                                       aufzugreifen. Meine Sichtweise ist klar: Ich bin Straf-
               akustische   ganz Österreich und nahmen an die 100 Personen vor-
          Überwachung;                                                                 verteidiger und war als solcher an Verfahren beteiligt.
                            wiegend afrikanischer Herkunft fest. Ein Chinarestau-
organisierte Kriminalität                                                                Ich erachte die „Operation Spring“ in der vom Film
                            rant in Wien war geraume Zeit mit Hilfe des großen
                                                                                       aufgezeigten Dimension als ernst zu nehmendes
                            Lauschangriffes und des Spähangriffes überwacht wor-
                                                                                       Mahnmal zum Thema besondere Ermittlungsmetho-
                            den. Der kurz zuvor gesetzlich eingeführte große
                                                                                       den und faires Verfahren – und das angesichts der ak-
                            Lausch- und Spähangriff erlebte damit seinen ersten
                                                                                       tuellen Diskussion in ganz Europa!
                            Frühling in der Praxis.
                               In einer Pressekonferenz präsentierten der damalige
                            Innenminister und hochrangige Polizeibeamte stolz
                            die Erfolgsstory des ersten großen Lausch- und Späh-
                                                                                       III. Sicherheit versus Freiheit
                            angriffes: Ein Erfolg gegen Drogenhändler, den es „bis     Das Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und
                            dato in ganz Europa“2) nicht gegeben habe. Erstmals        Freiheit ist offenkundig: Sicherheitsinteressen und die
                            sei es in Europa gelungen, „bis zu den führenden Köp-      Forderung nach immer weiter reichenden Ermitt-
                            fen einer internationalen Drogenbande vorzudrin-           lungsmethoden einerseits versus grundlegende verfas-
                            gen“,3) wovon alle anderen Staaten profitieren würden.      sungsgesetzlich gewährleistete Rechte der Betroffenen
                            „Das Eindringen in die Strukturen und die Zerschla-        andererseits. Auch angesichts von Phänomenen wie
                            gung der weltweit operierenden Bande“ sei „nur dank        „Terror“ und „organisierter Kriminalität“ sollten wir
                            des Einsatzes der ‚technischen Observation möglich“4)
                                                                       ,
                                                                                       eines nie aus den Augen verlieren: Beim sog Kampf
                            gewesen.                                                   gegen den Terrorismus und Kampf gegen das organi-
                               Ein wahrhaft gelungenes Frühlingserwachen für den       sierte Verbrechen geht es doch im Kern um die
                            großen Lausch- und Spähangriff möchte man – ange-          Bewahrung unseres in vielen Jahrzehnten entwickel-
                            sichts des von der Polizei ins Rollen gebrachten Me-
                            dienrummels um die Operation Spring – meinen.
                                                                                        1) Beim vorliegenden Text handelt es sich um das Manuskript eines
                                                                                           Vortrages vom 30. 9. 2005 im Rahmen der von der VÖStV (Verei-

                            II. – und kritischer Film
                                                                                           nigung Österreichischer StrafverteidigerInnen) gemeinsam mit der
                                                                                           ECBA (European Criminal Bar Association) veranstalteten Herbstta-
                                                                                           gung in Wien. Die Vortragsform wird beibehalten, auf Fußnoten da-
                            Operation Spring ist jedoch nicht nur geheimnisvoller          her weitgehend verzichtet.
                            Code für umfangreichste geheime Polizeiobservatio-          2) Standard vom 28. 5. 1999.
                                                                                        3) Kronen Zeitung vom 28. 5. 1999.
                            nen, Operation Spring heißt auch ein Dokumentarfilm
                                                                                        4) Kurier vom 28. 5. 1999.
                            von Angelika Schuster und Tristan Sindelgruber. Er          5) Die VÖStV wurde 2002 gegründet. Nähere Informationen finden
                            setzt sich kritisch mit der Operation Spring und den           Sie auf der homepage www.strafverteidigung.at.

           Operation Spring                                                                                         Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01
 12        Autor: RA Mag. Josef Phillip Bischof, Wien
Abhandlungen

ten, ausdifferenzierten demokratischen Wertesystems.      dass sie dort, wo sie eingesetzt werden, auch zum ge-
In diesem Wertesystem kommt den Grund- und                wünschten Erfolg führen, denn das ist die Vorausset-
Freiheitsrechten, den Rechten nach der Europäi-           zung dafür, dass die Geltungsdauer dieses Gesetzes
schen Menschenrechtskonvention herausragende Be-          nach dem Beobachtungszeitraum auch tatsächlich ver-
deutung zu.6)                                             längert wird.“11)
  Die Operation Spring führt uns deutlich vor Augen,         Mit Skepsis vieler Abgeordneter und zunächst
wie das Vertrauen in den Rechtsstaat durch die prakti-    nur befristet wurde die optische und akustische
sche Anwendung eines formell durchaus ausgewoge-          Überwachung beschlossen. Die Befristung erfolgte,
nen Systems erschüttert werden kann.7)                    um die Grundrechtsverträglichkeit zu überprüfen und
                                                          dem Nationalrat vor allem die Gelegenheit zu ge-
                                                          ben, die zum Schutz der Rechte der von solchen
IV. Motive des Gesetzgebers bei                           Ermittlungsmaßnahmen Betroffenen geschaffenen
                                                          Mechanismen auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu
    Einführung des großen Lausch-                         können.12)
    und Spähangriffes
Im Jahr 1997 verabschiedete das Parlament das Bun-         6) Vgl zum Thema Sicherheit: Alfred J. Noll, Vor dem Sicherheitsstaat?
desgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kri-          ÖZP 2004/1, 33 – 48: „Der Kern des Sicherheits-Versprechens liegt
                                                              darin, dass man gar nicht wissen muss, was man verspricht, wenn
minalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die
                                                              man Sicherheit verspricht. Was als ‚Sicherheit/Unsicherheit’ gilt,
Strafprozessordnung befristet bis 31. 12. 2001 einge-         das unterliegt gesellschaftlicher Vereinbarung, ideologischer und po-
führt wurden.8)                                               litischer Auseinandersetzung oder auch kultureller Festlegung. Wir
   Welche Motive bewegten den Gesetzgeber?                    beobachten eine nachdrückliche gesellschaftliche und technik-poli-
   Zeitgemäße Rechtsgrundlagen seien nach den Ge-             tische Tendenz zur Vorsorge und zur Herstellung von Sicherheit.
                                                              Der Rechtsbegriff der ‚Sicherheit’ eröffnet ein weites Feld, er bedarf
setzesmaterialien für den Bereich der organisierten           der Konkretisierung. Das erkennbare Bemühen um eine eindeutige
Kriminalität erforderlich. Neue und veränderte Er-            Definition der ‚Sicherheit’ aber scheitert beinahe notwendig vor
scheinungsformen der Kriminalität würden ein verbes-          den Ansprüchen polizeilicher Praxis. Für die polizeiliche Praxis hat
sertes Instrumentarium für die Strafverfolgungsbehör-         dies zur Folge, dass sie die weiten Spielräume der gesetzlichen
                                                              Grundlagen ausnützen kann, ohne sich den subtilen Überlegungen
den erfordern. Zur Aufdeckung, Verfolgung und Be-
                                                              einer verfassungskonformen Einschränkung dieser eingriffsintensi-
kämpfung krimineller Organisationen seien besondere           ven Akte der Gesetzgebung zu stellen. Wir sehen den Übergang
Ermittlungsmethoden, insb der große Lausch- und               von der repressiven zur präventiven Polizei. Diese Aufgabenverschie-
Spähangriff, von Nöten.9)                                     bung führte zu einer weiteren Vorverlagerung des Staatsschutzes
   Gegenstand der Parlamentsdebatte war auch ein Be-          weit in die Gesellschaft hinein. Überspitzt formuliert: Die staatliche
                                                              Sicherheit entwickelte sich mit dieser Sicherheitskonzeption zum
richt der Tagung des EU-Ministerrates für Justiz und          ‚Supergrundrecht’, Bürgerinnen und Bürger mutierten zu potentiel-
Inneres vom 28. 4. 1997 in Luxemburg: Die Bekämp-             len Sicherheitsrisiken.“
fung der organisierten Kriminalität und des Terroris-      7) Vgl einige Pressestimmen zum Film: Kurier vom 23. 9. 2005: „Ver-
mus sei ein nie endendes Unterfangen. Der Kampf               schwommene Videobilder, verzerrte Stimmen und falsche Überset-
                                                              zungen, denen Beweiskraft zuerkannt wurde. Und anonyme Zeugen
müsse kompromisslos, aber stets mit rechtmäßigen              hinter Vollvisierhelmen, die Dutzende Afrikaner als führende Dealer
Mitteln und unter Wahrung der rechtsstaatlichen               beschuldigten, um sich für eigene Prozesse mildere Strafen zu erkau-
Grundsätze, der Demokratie und der Menschenrechte             fen. Einer, AZ 3000 genannt, fiel später um, als er nicht bekam, was
geführt werden. Nicht außer Acht gelassen werden              ihm die Polizei versprochen hatte.“; Presse vom 24. 9. 2005: „Ope-
dürfe jedoch, dass gerade „der Schutz dieser Werte            ration Spring, eine betont sachliche, dabei hoch spannende Doku-
                                                              mentation unterzieht diese Aktion und ihr Nachspiel jetzt einer ge-
die Raison d’être – den Hauptgrund – für die Bekämp-          naueren Betrachtung. Die Bilanz ist bestürzend: das Beweismaterial
fung der organisierten Kriminalität darstellt“, so der        dubios, die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive ver-
Bericht.                                                      wischt, die Medien haben die polizeilichen Erfolgsberichte wie ob-
   Die Parlamentsdebatte zur Einführung der besonde-          jektive Quellen übernommen.“; Standard vom 24./25. 9. 2005:
                                                              „Operation Spring heißt auch der Dokumentarfilm, in dem sich
ren Ermittlungsmethoden wurde 1997 sehr heftig ge-            die Filmemacher Angelika Schuster und Tristan Sindelgruber mit
führt. Der damalige BMI Schlögl beschwichtigte: „Ich          dem Fall noch einmal auf minutiöse Weise befassen. Sie haben
denke zum Beispiel nur daran, dass wir den Geheim-            die Vorgehensweise der Justiz und notwendigerweise deren politi-
nisschutz sehr ernst nehmen werden, dass wir eine zeit-       sche Implikationen im Visier. Anwälte, Verurteilte, Zeugen, sogar
liche Befristung der Bewilligung einführen und das            ein Richter legen in Interviews ihre Ansichten des Prozessverlaufs
                                                              dar. Die Einsicht, die durch die Rekonstruktion der Verfahren gewon-
Gesetz befristet einführen.“10)                               nen wird, weckt tiefes Unbehagen über den Zustand des heimischen
   Eine letztlich zustimmende Abgeordnete der dama-           Rechtsstaats.“
ligen Regierungsfraktion hoffte: „Für mich bleibt          8) BGBl I 1997/105.
schlußendlich die Hoffnung, daß die im Gesetz vor-         9) Vgl EBRV 49 BlgNR 20. GP.
                                                          10) BMI Mag. Karl Schlögl, StenProt NR 20. GP, 82. Sitzung, 99.
gesehenen Maßnahmen nicht oder nur zu einem sehr          11) Anna Huber, StenProt 20. GP, 82. Sitzung, 176.
geringen Umfang angewendet werden müssen, aber            12) EBRV 755 BlgNR 20. GP, 3.

Österreichisches Anwaltsblatt 2006/01                                                                                             Operation Spring
                                                                                                          Autor: RA Mag. Josef Phillip Bischof, Wien
                                                                                                                                                       13
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