Die UN-Frauenrechtskonvention - als Motor für gleichstellungspolitische Maßnahmen - Klagsverband

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Die UN-Frauenrechtskonvention - als Motor für gleichstellungspolitische Maßnahmen - Klagsverband
ISSN 2072-781X

                                        Feministische Zeitschrift für Politik und Gesellschaft

Die UN-Frauenrechtskonvention
als Motor für gleichstellungspolitische Maßnahmen

Dokumentation der Fachtagung

Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft                 e.V. 47. Jahrgang             Nr. 4/2020, Preis  6,00
Liebe Leser*innen!

Frauen*Rechte sind hart und in langer Auseinandersetzung erkämpft, aber dennoch sehr zerbrechliche Errungenschaften.
Gegenwärtige Ereignisse wie in Polen oder den USA zeigen, wie wenig wir darauf zählen können, uns wirklich auf sie stützen zu
können. Solidarität bei bedrohlichen Entwicklungen und ständige Wachsamkeit sind ein Gebot der Stunde. Weltweit institutio-
nell verankert sind Menschen- und Frauenrechte in UN-Konventionen: Seit der ersten Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 wur-
den immer wieder Papiere und Dokumente vorgeschlagen, diskutiert und beschlossen. Auch Österreich hat sich verpflichtet und
ist damit angehalten, in bestimmten Abständen darzulegen, welche Schritte zur Absicherung von Frauen*Rechten unternommen
wurden. Wenn wir ihrer eigenen Darstellung glauben, ist alles schön und gut und wir könnten uns getrost etwas zurücklehnen
und Pause machen. ABER: Zum Glück gibt es das wachsame Auge von zahlreichen NGOs, die in ihren Schattenberichten paral-
lel zur Regierungsperspektive die Auslassungen, die Leerstellen, die ‚Schwarzen Löcher‘ in den offiziellen Broschüren und Ver-
lautbarungen aufdecken.
Wie schon in der September-Ausgabe 2018 meldet sich der Klagsverband im Schwerpunkt dieser AEP Ausgabe kritisch zu Wort und
gibt die Beiträge der Fachtagung „#rechtehatsie Die UN-Frauenrechtskonvention als Motor für gleichstellungspolitische Maßnah-
men“ im März 2020 wieder. Die Tagung war der vorläufige Abschluss der Kampagne #rechtehatsie, die für den Klagsverband mit der
Koordinierung des gemeinsamen NGO-Schattenberichts zur UN-Frauenrechtskonvention 2018 begonnen hat.
Weiters möchten wir in diesem Heft drei Personen besonders hervorheben. Würdigungen von Kämpfer*innen für eine frauen*ge-
rechtere Welt bringen wir immer sehr gerne. Neben Einzelpersonen geht es uns auch darum, Projekte, Initiativen und Einrichtungen
sichtbar zu machen, die in diesem Sinne wirken. Und welchen politischen Rahmen für diese Kämpfe bietet die aktuelle österreichische
Regierung – gibt es die von den Grünen versprochenen Fortschritte?
Das AEP Redaktionsteam wünscht auch dieses Mal eine anregende Lektüre.

Impressum
Herausgeber und Verleger: Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft, Schöpfstraße 19, 6020 Innsbruck – (vertreten
durch Dr. Monika Jarosch). Mail: informationen@aep.at
Abonnentinnenverwaltung und Buchhaltung: Maria Reichholf. Mail: verwaltung@aep.at
Für den Inhalt verantwortlich:
die Redaktion. Grafik: büro54. Druck: dps Arnold.
Die in den namentlich gekennzeichneten Artikeln vertretenen Meinungen müssen nicht mit jenen der Redaktion identisch sein.
Kürzungen und Änderungen vorbehalten.
Redaktionsschluss für diese Ausgabe war der 31.10.2020. Die nächste Ausgabe der AEP-Informationen erscheint Anfang März 2021
– Redaktionsschluss hierfür ist der 31.1.2021.
Koordination: Elisabeth Grabner-Niel.
Redaktion: Elisabeth Grabner-Niel, Judith Klemenc, Monika Jarosch, Sylvia Aßlaber, Verena Huber, Diana Prugger.
Redaktion des Schwerpunktes: Daniela Almer, Klagsverband.
Titelbild: J.Enzelberger/J.Klemenc Fotos: © Einzelnachweis jeweils bei den Fotos.
Fotos im Schwerpunkt: © Parlamentsdirektion Thomas Jantzen (Seiten 6,7,8,19,23,24,26,30,31),
© Klagsverband (Seiten 9,14,18,20,25,27,29), © J.Enzelberger (Seiten 32,34/35,36).

Offenlegung nach dem Mediengesetz
Medieninhaber und Verleger: AEP (s. Impressum). Die AEP-Informationen sind eine feministische Zeitschrift, die zur Auseinandersetzung
mit der patriarchalen Mitwelt und zum Widerspruch anregen wollen. Sie möchten dazu beitragen, die widerständigen Kämpfe von Frauen
zu dokumentieren und die vielfältigen Existenzweisen von Frauen sowie die Freiräume, die sich Frauen immer schaffen und geschaffen
haben, sichtbar zu machen. Unser Anspruch ist es, Hierarchien in den Geschlechterverhältnissen aufzudecken sowie der Marginalisie-
rung und Diskriminierung von Frauen und den gewalttätigen Strukturen in Ökonomie, Politik und Gesellschaft entgegenzuwirken. Damit
wenden sich die AEP-Informationen gegen alle Gewalt- und Herrschaftsverhältnisse, die weibliche Lebensmöglichkeiten einschränken
und streben eine umfassende Veränderung des von Herrschaft gekennzeichneten Geschlechterverhältnisses an.
Die Zeitschrift AEP-Informationen besteht auf geschlechtersensibler Schreibweise. Jedoch ist es jeder Autorin überlassen, welche Form
der geschlechtergerechten Sprache sie verwendet, ob Sternchen, ob Unterstrich oder Binnen-I.

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Inhaltsverzeichnis

Editorial ......................................................................................................................................................................................... 2
#rechtehatsie Die UN-Frauenrechtskonvention als Motor für
gleichstellungspolitische Maßnahmen
Zum Schwerpunkt Daniela Almer .............................................................................................................................................. 4
Gestalten in einer nicht-barrierefreien Welt. Theresa Hammer, Volker Frey, Daniela Almer ..................................... 6
Eröffnung durch die Zweite Präsidentin des Nationalrats Doris Bures ....................................................... 8
Die UN-Frauenrechtskonvention – Handlungsauftrag an die Politik und Perspektiven
für die Zivilgesellschaft Silvia Ulrich ..................................................................................................................................... 9
Der Klagsverband bei der Staatenprüfung 2019 – Erfahrungen aus der Praxis Johanna Schlintl ........ 14
Empowerment und das Recht auf lebenslanges Lernen Elisabeth Udl .............................................................. 18
Frau-Sein als Programm? Quoten und politische Repräsentation Gabriele Michalitsch ............................. 20
Wieso die Bekämpfung der Diskriminierungen von Frauen gleichzeitig ein Kampf
gegen Frauenhandel ist Isabella Chen ................................................................................................................................. 23
Intersektionen in der Hofburg Petra Leschanz ................................................................................................................. 25
Auf uns Jugendliche nicht vergessen! Hanna Biller ..................................................................................................... 27
Frauenrechte brauchen internationale Kooperation und Steuergerechtigkeit Claudia Thallmayer ...... 28
Die Vorzeigemigrantin Melisa Erkurt .................................................................................................................................... 31

Aktuell
Entwicklung der Geschlechterpolitik in Österreich unter Türkis-Grün –
eine Zwischenbilanz Max Preglau .......................................................................................................................................... 37
Barbara Hundegger erhält als erste Schriftstellerin den Tiroler Landespreis
für Kunst 2020! Sylvia Aßlaber ................................................................................................................................................ 40
„Erinnerung verbindet uns. Erinnerung trennt uns“ Gedenken und Gedanken an Ruth Klüger
Diana Prugger ..................................................................................................................................................................................... 41
US-Verfassungsrichterin – Kämpferin für Frauenrechte – Ruth Bader Ginsburg gestorben
Verena Huber ...................................................................................................................................................................................... 42
Lesung und Diskussion von Marlene Streeruwitz Monika Jarosch ....................................................................... 43
Sexarbeit und Corona – Wandgemälde übermalt ................................................................................................... 44
Gender in Forschung und Lehre: ein Erfolgsprojekt an der Universität Innsbruck
Kordula Schnegg, Maria Furtner ........................................................................................................................................................ 45
„Frausein in Tirol ist manchmal echt zach“ Barcamp Frauen Im Brennpunkt ........................................ 46
In eigener Sache – Neuer Vorstand des AEP .............................................................................................................. 48
Rezensionen ............................................................................................................................................................................... 50
Schätze aus der AEP Frauenbibliothek ......................................................................................................................... 64
Noli me tangere Judith Klemenc ............................................................................................................................................... 71
Kurzmeldungen ......................................................................................................................................................................... 66

Heft 4/20                                                                                                                                                                                            3
#rechtehatsie

ZUM SCHWERPUNKT
Daniela Almer

Die vorliegende Ausgabe der AEP-Infor-       Rahmen unserer Veranstaltungsreihe            b­ildungspolitische Debatte ausgelöst,
mationen versammelt die Beiträge, die       ­#rechtehatsie on Tour waren wir am 5.          die bis heute nachwirkt und in der sie
auf der Fachtagung „#rechtehatsie Die        März 2020 in der Hofburg versammelt um         wichtige ­Fragen zu Rassismus und Sexis-
UN-Frauenrechtskonvention als Motor für      die „Abschließenden Bemerkungen“ des           mus stellt. Aus diesem Grund haben wir
gleichstellungspolitische Maßnahmen“ am      UN-Frauenrechtskomitees zu diskutieren.        uns – mit freundlicher Genehmigung des
5. März 2020 in Wien gehalten wurden.        Nicht alle Beiträge in diesem Heft ent-        Verlags – entschieden, ein Kapitel ihres
Veranstaltet wurde die Tagung vom            sprechen eins zu eins dem, was auf der         Buches in diesem Heft abzudrucken. Es
Klagsverband – einem NGO-Dachver-            Tagung vorgetragen und gesprochen wur-         ist passenderweise das Kapitel „Vor­
band, der Opfer von Diskriminierung bei      de. Die Workshops und den Abschluss-           zeigemigrantin.“
der Rechtsdurchsetzung unterstützt– in       Talk mit Expert_innen geben wir nicht          Bevor es losgehen kann mit der Lektü-
Kooperation mit der Zweiten National-        im genauen Wortlaut wieder. Die Work-          re möchten wir noch erwähnen, dass
ratspräsidentin Doris Bures im Parlament     shop-Leiter_innen haben uns aber Beiträ-       wir in den Texten keine akademischen
in der Hofburg.                              ge zur Verfügung gestellt, die das Work-       Titel verwendet haben und dass jeder
Mehr als hundert Personen diskutierten       shop-Thema vertiefen oder reflektieren         Autor_in freigestellt war, welche Form
an diesem Tag – kurz vor dem österreich­     und auch den Abschluss-Talk geben wir          der geschlechtergerechten und diskrimi-
weiten Corona-Lockdown – über Frau-          in Form von Statements wieder, die uns         nierungsfreien Sprache sie verwendet.
enrechte, die Frauenrechtskonvention         die Teilnehmer_innen im Nachhinein zur         Wir bedanken uns bei Doris Bures und
(CEDAW), die damit verbundenen politi-       Verfügung gestellt haben. Claudia Thall-       ihrem Team sowie bei der Parlaments­
schen Handlungsfelder und die Gestal-        mayer von WIDE hat das auch gleich             direktion für die gute Zusammenarbeit
tungsmöglichkeiten für die Zivilgesell-      zum Anlass genommen, in ihrem Text auf         bei dieser Tagung. Für die finanzielle
schaft. Das Datum hatten wir aber            die Auswirkungen der Corona-Krise auf          Unterstützung bedanken wir uns weiters
ausgewählt, weil wir die Verbindung zum      geschlechterpolitische Errungenschaften        beim Zukunftsfonds der Republik Öster-
Internationalen Frauentag am 8. März         im globalen Süden und im reichen Wes-          reich, bei der Kulturabteilung der Stadt
herstellen wollten.                          ten einzugehen. Wenn es sich nicht um          Wien und beim Frauenservice der Stadt
Die Tagung war gleichzeitig Abschluss        den Original-Beitrag handelt, der auf der      Wien
der Kampagne #rechtehatsie, die der          Tagung so vorgetragen wurde, erwähnen          In Erinnerung an Marinela Vecerik.
Klagsverband 2018 gestartet hat und die      wir das im Text.
ich gemeinsam mit Andrea Ludwig koor-        Petra Leschanz, die den Workshop mit          Zu den Bildern in diesem Heft
dinieren durfte. Begonnen haben wir mit      Gabriele Michalitsch leitete, beschreibt in   Die Bilder stammen, wenn sie nicht von der
                                                                                           Tagung sind, von der Fotografin Jana Enzel-
dem Schattenbericht der Zivilgesellschaft    ihrem Beitrag die „Irritation, Wut und Per-   berger, die #rechtehatsie mit ihren Fotos ein
2018, den alle Expert_innen ehrenamtlich     plexität“ – wie sie schreibt – der Work-      Gesicht oder eigentlich viele Gesichter gege-
verfasst haben. Dieser Bericht wurde in      shop-Teilnehmer_innen, weil die Räume in      ben hat. Jana Enzelberger zeigt Menschen
                                                                                           und Städte in einem speziellen Augenblick.
Ergänzung des offiziellen Staatenberichts    der Hofburg nicht vollständig barrierefrei
                                                                                           Es ist der Moment, der einem Gesicht die
der Republik Österreich für die Staaten-     waren. Dieser Umstand ist auch für den        Präsenz der Lebendigkeit verleiht, dem Stra-
prüfung erstellt. Allen, die sich näher      Klagsverband mehr als problematisch und       ßenzug die Poesie von Zeitlosigkeit. Sie sagt:
über das Staatenprüfverfahren informie-      wir stellen deshalb gleich an den Beginn      „Diese Fotografien sind eine Hommage an
                                                                                           den Moment, ganz in tiefer Verbundenheit zu
ren wollen, sei das AEP-Heft 3/2018 ans      dieses Heftes unseren Text „Gestalten in      ­H enri Cartier-Bresson, den Augenblick in sei-
Herz gelegt.                                 einer nicht-barrierefreien Welt.“              ner Flüchtigkeit und Einmaligkeit zu erinnern.“
Mit dem NGO-Schattenbericht hat für          Melisa Erkurt hat die Fachtagung mode-         JANA ENZELBERGER lebt als freischaffende
                                                                                            Fotografin in Wien.
uns das „Abenteuer Frauenrechtskon-          riert. Wir haben sie nicht als „Vorzeige-
vention“ begonnen und nach einer inten-      migrantin“ engagiert, sondern als Jour-
                                                                                           Autorin
siven inhaltlichen Auseinandersetzung        nalistin und Bildungs-Expertin. Wenige
                                                                                           DANIELA ALMER ist die Leiterin der Öffent-
und zahlreichen inspirierenden Gesprä-       Monate nach der Tagung hat sie mit            lichkeitsarbeit beim Klagsverband und freie
chen und Begegnungen nicht zuletzt im        ihrem Buch „Generation Haram“ eine            Journalistin.

4                                                                                                                      AEP Informationen
#rechtehatsie

    FACHTAGUNG #rechtehatsie
    Die UN-Frauenrechtskonvention als Motor für gleichstellungspolitische Maßnahmen

    am Donnerstag, dem 5. März 2020, von 9:30 bis 17:00 Uhr
    im Parlament in der Hofburg

    PROGRAMM

    09:30 Eröffnung
    DORIS BURES, Zweite Präsidentin des Nationalrates

    Key-Note: "Die UN-Frauenrechtskonvention - Handlungsauftrag an die Politik und Perspektiven
    für die Zivilgesellschaft" UNIV.-PROF.IN DR.IN SILVIA ULRICH, Institutsvorständin am Institut für Legal Gender Studies an der
    Johannes Kepler Universität Linz

    10:30 Input 1: "Der Klagsverband bei der Staatenprüfung 2019 - Erfahrungen aus der Praxis"
    MAG.A (FH) JOHANNA SCH LINTL Vorstandsmitglied beim Klagsverband

    11:00 - 11:30 Kaffeepause

    11:30 Input 2: "Empowerment und das Recht auf lebenslanges Lernen - Inklusive Bildung für Frauen mit
    Lernschwierigkeiten als Grundbaustein von Gewaltprävention"
    MAG.A ELISABETH UDL Geschäftsführerin Verein Ninlil

    12:00 Input 3: "Frau-Sein als Programm? Feminismus als politische Repräsentation"
    MMAG.A DR.IN GABRIELE MICHALITSCH, Lehrbeauftragte an den Universitäten Wien und Klagenfurt

    12:30 - 13:30 Mittagspause

    13:30 - 15:00 Workshops

    Workshop zu Input 1
    ISABELLA CHEN, BA & MAG.A (FH) JOHANNA SCHLINTL

    Workshop zu Input 2
    MAG.A CHRISTINE STEGER & MAG.A ELISABETH UDL

    Workshop zu Input 3
    MAG.A PETRA LESCHANZ & MMAG.A DR.IN GABRIELE MICHALITSCH

    15:00 - 15:30 Kaffeepause

    15:30 Talk: "Wie kann die Zivilgesellschaft mit den Concluding Observations arbeiten?"
    MMAG.A HANNA BILLER, Bundesjugendvertretung; ISABELLA CHEN, BA, Lefö; MAG.A PETRA LESCHANZ, Frauenservice Graz;
    MAG.A CHRISTINE STEGER, Unabhängiger Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-BRK; MAG.A CLAUDIA THALLMAYER,
    WIDE - Entwicklungspolitisches Netzwerk für Frauenrechte und feministische Perspektiven

    Moderation
    MAG.A MELISA ERKURT, Freie Journalistin

Heft 4/20                                                                                                                           5
#rechtehatsie

GESTALTEN IN EINER NICHT-BARRIEREFREIEN WELT
Gedanken des Klagsverbands-Teams zur Barrierefreiheit bei der Tagung
Theresa Hammer, Volker Frey, Daniela Almer

Barrierefreiheit ist eines der wichtigs-   aussuchen konnten oder bei den Work-      kel 9 der UN-BRK ist Barrierefreiheit ein
ten Themen bei allem, was der Klags-       shop-Leiter_innen, die unter Bedingun-    Menschenrecht in einem umfassenden
verband macht: bei Anfragen, Beratun-      gen arbeiten mussten, unter denen sie     Sinn. Menschenrechte sind unteilbar und
gen, Gerichtsverfahren, Schulungen,        sonst Workshop-Anfragen ablehnen.         universell. Deshalb muss Barrierefreiheit
Publikationen und Interviews. Auch         Diese Entschuldigung haben wir bereits    immer selbstverständlich sein, nicht nur
bei unseren Veranstaltungen legen wir      gegenüber allen Betroffenen ausge-        bei Veranstaltungen für Menschen mit
großen Wert darauf, dass möglichst         drückt.                                   Behinderungen.
alle Menschen teilnehmen können. Im        In diesem Text soll es um zwei Fra-       Die Welt, in der wir leben und arbeiten,
Lauf der Jahre haben wir dabei vie-        gen gehen: Wie können wir in Zukunft      sieht aber anders aus: Barrieren sind
le Erfahrungen in einer nicht-barriere-    mit der Situation umgehen, dass wir       überall. In Gebäuden, in der Kommunika-
freien Welt gemacht und wir haben viel     in einer Welt voller Barrieren agieren?   tion, im Verkehr. Sie verhindern Selbstbe-
gelernt.                                   Welche Standards an Barrierefreiheit      stimmung und Partizipation.
Bei der Fachtagung „#rechtehatsie Die      können wir unseren Mitgliedsvereinen,     Wenn wir Veranstaltungen mit externen
UN-Frauenrechtskonvention als Motor        Klient_innen und ­Kooperationspartner_    Kooperationspartner_innen durchführen,
für gleichstellungspolitische Maßnah-      innen garantieren?                        kann es passieren, dass unser Anspruch
men“ am 5. März 2020 ist es uns nicht                                                an Barrierefreiheit auf die Probe gestellt
gelungen, einen akzeptablen Standard       Barrierefreiheit                          wird. Zu den grundlegenden Dingen, auf
an ­B arrierefreiheit zu erreichen.        als Menschenrecht                         die wir unter keinen Umständen verzich-
In diesem Text geht es nicht um eine       Als menschenrechtliche Grundlage bezie-   ten, gehört, dass die gesamte Veranstal-
Entschuldigung bei Teilnehmenden, die      hen wir uns auf die UN-Behinderten-       tung zugänglich ist und die Informationen
nicht spontan einen anderen Workshop       rechtskonvention (UN-BRK). Gemäß Arti-    über die Veranstaltung barrierefrei sind.

6                                                                                                            AEP Informationen
#rechtehatsie

Bei Bedarf stellen wir Dolmetschung       rationspartner_innen. Adäquate Räume       Wenn einmal eine Zusammenarbeit –
in Österreichischer Gebärdenspra-         zu finden, gehört fast immer zu den gro-   und damit verbunden die Unterstützung
che und Induktionsschleife zur Ver-       ßen Herausforderungen, vor allem, weil     in Form von R­essourcen wie Räum-
fügung. Wenn wir im Vorfeld wissen,       die Raummiete meistens sehr hoch ist.      lichkeiten – beschlossen wurde, ist es
dass Informationen in leichter Sprache    Die Fachtagung #rechtehatsie wäre in       schwierig eine Veranstaltung abzusa-
gewünscht werden oder Unterlagen für      dieser Größenordnung ohne externe          gen oder zu einem späteren Zeitpunkt
blinde Personen digital zur Verfügung     Kooperation nicht möglich gewesen.         neue Anforderungen zu verlangen.
gestellt werden sollen, dann können wir
das mitplanen.                            Klare Haltung bei                          Entscheidung von Fall zu Fall
                                          Kooperationen                              bei Einladungen
Grenzen einer                             Und obwohl die Veranstaltung sehr          Wenn der Klagsverband von externen
nicht-barrierefreien Welt                 erfolgreich war, würden wir uns aus        Veranstalter_innen angefragt wird,
Manchmal ist es für den Klagsverband      heutiger Sicht nicht mehr dazu ent-        bei einer Tagung, Podiumsdiskussi-
nicht möglich, allein mit unseren Res-    scheiden, aus dieser Abhängigkeit her-     on etc. mitzuwirken, kann es eben-
sourcen große Veranstaltungen auf die     aus Kompromisse einzugehen. Das            falls passieren, dass Barrierefreiheit
Beine zu stellen. Wir brauchen Koope-     haben wir aus dieser Erfahrung gelernt.    nicht in vollem Umfang garantiert ist.
                                                                                     Natürlich sehen wir es als unseren Auf-
                                                                                     trag, hier Aufklärungsarbeit zu leisten.
                                                                                     Sollten wir den Eindruck haben, dass
                                                                                     Themen wie Gleichstellung und Anti-
                                                                                     diskriminierung vernachlässigt werden,
                                                                                     finden wir es allerdings sinnvoll, auch
                                                                                     bei einer nicht barrierefreien Veranstal-
                                                                                     tung unseren Beitrag zu leisten.

                                                                                     Alle Klagsverbands-
                                                                                     Veranstaltungen barrierefrei
                                                                                     Alle Veranstaltungen, die der Klags-
                                                                                     verband alleine oder mit seinen Mit-
                                                                                     gliedsvereinen organisiert, werden,
                                                                                     wie gewohnt, auch in Zukunft barriere-
                                                                                     frei sein. Das betrifft etwa unsere Mit-
                                                                                     glieder-Klausur, unsere Diskussionsrei-
                                                                                     he „Der Klagsverband diskutiert“ und
                                                                                     „#rechtehatsie on Tour“.

                                                                                     Autor_innen
                                                                                     THERESA HAMMER ist die Leiterin der
                                                                                     Rechtsdurchsetzung beim Klagsverband.
                                                                                     VOLKER FREY ist Generalsekretär des Klags-
                                                                                     verbands.
                                                                                     DANIELA ALMER ist die Leiterin der Öffent-
                                                                                     lichkeitsarbeit beim Klagsverband.

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#rechtehatsie

ERÖFFNUNG DURCH DIE ZWEITE
PRÄSIDENTIN DES NATIONALRATS
Doris Bures

Erinnern Sie sich an „Alice im Wunder-        Und auch dieser Ort – das Österreichische
land“? An das Kinderbuch von Lewis            Parlament, das Herz unserer Demokra-
Caroll, das Mitte des 19. Jahrhunderts        tie – eignet sich ganz besonders dafür. Es
veröffentlicht wurde? Da gibt es eine         ist gut, wenn wir hier im Parlament dar-
ganz besondere Szene. Alice ist bei der       an erinnern, dass wir auch 40 Jahre nach
grausamen Herzkönigin. Beide rennen           Unterzeichnung der UN-Frauenrechtskon-
und rennen, ohne dass sich die Dinge          vention, noch lange nicht am Ziel unseres
rund um sie bewegen. Sie bleiben am           Weges angelangt sind. Es gibt nach wie
selben Fleck stehen, obwohl sie rennen.       vor dringenden Handlungsbedarf bei der
Alice ist verwundert, da sagt die Herz-       Gleichstellung und Gleichberechtigung
königin zu ihr: „Hierzulande musst du so      von Frauen in unserer Gesellschaft.
schnell rennen wie du kannst, um auf          Der Schattenbericht beleuchtet diesen
derselben Stelle zu bleiben. Wenn du          Handlungsbedarf und er gibt Aufschluss
woanders hinwillst, musst du zweimal          über die Situation von Frauen in den ver-                                       Doris Bures
so schnell rennen!“                           schiedensten Lebensbereichen und Situ-
Dass ausgerechnet das Kinderbuch von          ationen. Ob in Fragen des Gewaltschut-            Konvention, die europäische Standards
Lewis Caroll und nicht etwa das nur           zes, der Bildung, der Arbeitswelt, der            zur Verhütung und Bekämpfung von
kurz davor erschienene Meisterwerk            politischen Partizipation, des Abbaus von         Gewalt gegen F­ rauen setzte. Und natür-
von Charles Darwin „Die Entstehung der        Geschlechter-Stereotypen bis hin zum              lich auch an das österreichische Gewalt-
Arten“ von einer großen Zahl an Evo-          Frauenhandel. Der Bericht mahnt uns auch,         schutzgesetz 1997 und das Gleichbe-
lutionsbiologen in den 1970er Jahren          nicht in Stillstand zu verfallen – auf rechtli-   handlungsgesetz. Man sieht daran, dass
gelesen und zitiert wurde, liegt eben an      cher und gleichermaßen faktischer Ebene.          die UN-Frauenrechtskonvention zurecht
dieser Episode. Denn: Die „Red-Queen-         Wir alle, die Sie heute gekommen sind,            als die „­Magna-Charta der Frauenrech-
Hypothese“ beschreibt das Wesen der           nehmen diese Mahnung auch ernst!                  te“ bezeichnet wird. Und wir erken-
­Evolution: Eine Art muss sich ständig ver-   Der Titel der Fachtagung lautet:                  nen, dass der NGO-Schattenbericht – in
 ändern und sich an die Umwelt anpassen,      „Die UN-Frauenrechtskonvention als                Ergänzung zum 9. Staatenbericht – von
 um den Status quo zu halten. Sie muss        Motor für gleichstellungspolitische Maß-          ganz besonderer Bedeutung ist. Denn
 so schnell laufen wie sie kann, um das       nahmen“. Setzen wir an das Ende des               erst er ermöglicht eben diesen so wich-
 evolutionäre Rennen nicht zu verlieren –     Titels ein Fragezeichen, so ist die Antwort       tigen kritischen Blick auf die Umsetzung
 und bleibt dabei doch am selben Fleck.       darauf ein eindeutiges „Ja“!                      der Konvention.
 Als ich von der „Red-Queen-Hypothe-          Ja! Die UN-Frauenrechtskonvention ist             Ich bedanke mich beim Klagsverband und
 se“ gelesen habe, habe ich unweigerlich      als wichtigstes und weitreichendstes              bei all jenen, die das Zustandekommen
 an den Kampf um Frauenrechte gedacht.        internationales Menschenrechtsinstru-             dieses Berichtes ermöglicht haben. Und
 Wenn wir bei Frauenrechten über den          ment für Frauen mit Sicherheit der Motor          ich danke Ihnen, die Sie heute hierherge-
 Status quo, über die Aufrechterhaltung       für gleichstellungspolitische Maßnah-             kommen sind, und sich täglich aufs Neue
 von Erreichtem hinauswollen, dann müs-       men. Denn auf ihr beruhen zahlreiche              für Frauenrechte engagieren. Und die
 sen wir eben zweimal so schnell rennen!      frauenpolitisch relevante Rechtsakte,             jeden Tag „zweimal so schnell rennen.“
 Ich denke, der bevorstehende Weltfrau-       national wie international.                       An den Schluss meiner Begrüßung und an
 entag bietet die perfekte Gelegenheit,       Ich erinnere an die Peking Deklaration            den Beginn Ihrer Tagung möchte ich ein
 sich mit dem NGO-Schattenbericht ausei-      1995, in der Frauenrechte überhaupt erst          Zitat von Johanna Dohnal stellen:
 nanderzusetzen und eine frauenpolitische     explizit als Menschenrechte bezeich-              „Die Frauen haben immer nur erreicht,
 Standortbestimmung vorzunehmen.              net wurden. Oder an die Istanbul-­                was sie sich selbst erkämpft haben.“

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#rechtehatsie

DIE UN-FRAUENRECHTSKONVENTION
Handlungsauftrag an die Politik und Perspektiven für die Zivilgesellschaft
Key-Note Silvia Ulrich

Danke für die Einladung zur Fachtagung
#rechtehatsie, die ich sehr gerne ange-
nommen habe. Es ist dies eine ungemein
wichtige Initiative, um die Ergebnisse des
aktuellen Staatenprüfungsverfahrens in
der Zivilgesellschaft breit zu verankern
und die ambitionierte Umsetzung der
Prüfergebnisse gegenüber den verant-
wortlichen Institutionen einzumahnen.
Um die Bedeutung der Frauenrechtskon-
vention in ihren juristischen und politi-
schen Implikationen einordnen zu kön-
nen, braucht es zuerst einmal einen Blick
auf die Schutzziele und die wichtigsten
Garantien der Konvention.

Worin liegt die besondere
Bedeutung der Frauen­
rechtskonvention als
Menschenrechtsvertrag?                                                                                              Silvia Ulrich
Die Verabschiedung der Frauenrechts-
konvention (CEDAW) im Jahr 1979              und den Schutz der sexuellen Selbst-       die die gleichberechtigte Ausübung
war ein Meilenstein in der Menschen-         bestimmung auch im Privaten durch-         der Menschenrechte auf vielfältige
rechtsentwicklung, denn die Konven-          setzen muss, völlig fremd.                 Weise verhindern.
tion war eine Antwort auf die ekla-          Dieses reduzierte Verständnis von der      Die Frauenrechtskonvention hat die-
tante Schieflage in der damaligen            Schutzfunktion der Menschenrechte          se eklatanten Schutzdefizite beseitigt.
Menschenrechtskonzeption: Trotz der          hatte zur Folge, dass die geschlechts-     Sie gilt als „Magna Charta der Frauen-
viel beschworenen Gleichheit in den          spezifischen Macht- und Abhängig-          rechte“, weil sie die Lebensrealitäten
allgemeinen Menschenrechtsverträ-            keitsverhältnisse im Privaten unange-      und besonderen Unrechtserfahrungen
gen war die tatsächliche Schutzwir-          tastet blieben, weil sie der staatlichen   von Frauen in den Mittelpunkt rückt.
kung der Menschenrechte für Frauen           Kontrolle weitgehend entzogen waren.       Der diskriminierungsfreie weibliche
in vielen Bereichen schlichtweg nicht        Hinzu kam ein weiterer Faktor, der für     Lebenszusammenhang ist damit expli-
gegeben. Eine der entscheidenden             den immensen Wirkungsverlust ver-          zit und überprüfbar als Staatsaufgabe
Ursachen für das Versagen des Men-           antwortlich war: Die Auffassung von        formuliert und in die Verantwortung der
schenrechtsschutzes gegenüber Frau-          formaler Rechtsgleichheit als einzig       Vertragsstaaten gelegt.
en war die liberale Grundrechtskon-          zulässigem Gleichheitsprinzip. Dieses      Die Konvention gilt für alle Frauen und
zeption. Es war dies ein umfassendes         Gleichheitsverständnis ließ die beste-     Mädchen, die sich in einem Vertrags-
Konzept der Freiheit auf Kosten der          henden strukturellen Ungleichheiten        staat aufhalten. Es wird nicht an die
Gleichheit. Diesem Konzept war der           außer Acht, die in der sozialen Wirk-      Staatsbürgerschaft angeknüpft. Das ist
Gedanke, dass der Staat die grund-           lichkeit gerade im Geschlechterver-        außerordentlich wichtig, denn dadurch
rechtlichen Schutzgüter wie z. B. die        hältnis so wirkmächtig sind. Denn es       muss auch den besonderen Schutzbe-
Gleichbehandlung der Geschlechter            sind vor allem strukturelle Nachteile,     dürfnissen und sozio-ökonomischen

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#rechtehatsie

Lebensperspektiven von Asylwerberin-        Frauenhandel, Teilhabe von Frauen an         staates, insbesondere die Möglichkeit
nen und migrantischen Frauen adäquat        ländlicher Entwicklung u. a.                 von Vereinbarungen nach Art 15a B-VG
Rechnung getragen werden. Das ist           Für die Vertragsstaaten bestehen drei        einzusetzen.
gerade für Österreich eine hochproble-      zentrale Umsetzungsverpflichtungen:          Das Problem unterschiedlicher Schutz-
matische Leerstelle.                        1. Achtungspflicht: Das Recht ist diskri-    standards ist besonders ausgeprägt im
Die Konvention ist von einem substan-           minierungsfrei zu gestalten (Steuer­     Antidiskriminierungsrecht und in Bezug
ziellen Gleichheitsverständnis geprägt,         recht, Zivilrecht usw.) und Gerichts-    auf die unterschiedlichen Leistungsan-
das den Staat dazu verpflichtet, einen          barkeit und Verwaltung müssen die        sprüche, die die Bundesländer im Falle
umfassenden Schutz vor Diskriminie-             Rechtsvorschriften auch diskriminie-     von Behinderung einräumen.
rung und die faktische Gleichstellung in        rungsfrei anwenden.                      Wie die Aufgaben im Einzelnen erfüllt
sämtlichen Lebensbereichen zu verwirk-      2. Schutzpflicht: Es ist auch ein Schutz     werden, liegt grundsätzlich im rechts-
lichen. Es geht nicht um die Verankerung        vor Diskriminierung durch ­    Private   politischen Gestaltungsspielraum der
von neuen Menschenrechten, sondern              sicherzustellen, u. a. durch einen       staatlichen Akteur_innen. Damit soll
um die effektive Durchsetzung der Men-          effektiven Diskriminierungsschutz in     dem unterschiedlichen administrativen
schenrechte auch für Frauen und Mäd-            der Arbeitswelt und im Güter- Dienst-    und institutionellen Kontext der Staa-
chen. Durch die Konvention soll Frau-           leistungsbereich und durch Etablie-      ten Rechnung getragen werden. Es
en und Mädchen weltweit der gleiche             rung eines effektiven Gewalt­schutzes    müssen jedoch geeignete Maßnahmen
Genuss der Menschenrechte de jure und           im sozialen Nahraum.                     sein, die zur Zielverwirklichung effektiv
de facto ermöglicht werden.                 3. Gewährleistungspflicht: Es sind auch      beitragen.
Um dieses Ziel zu erreichen, sieht Art          Maßnahmen zu ergreifen, um die de        Daher scheiden jedenfalls Maßnahmen
4 der Konvention ausdrücklich vor,              facto Gleichstellung zu verwirklichen.   aus, die zur Verfestigung von Rollenste-
dass vorübergehende Sondermaßnah-               Hier geht es im Kern um geschlech-       reotypien beitragen. Eine essentialisti-
men zur De-facto-Gleichstellung zuläs-          tergerechte Sozialgestaltung durch       sche „Zurück-an-den-Herd-Politik“ ist
sig sind. Gemeint sind alle Formen von          Frauenförderung. Solche positiven        daher zweifellos konventionswidrig. An
Ausgleichsmaßnahmen zur Beseitigung             Maßnahmen sind zu ergreifen, wenn        der Effektivität fehlt es z. B. auch, wenn
struktureller Nachteile, inklusive Quo-         dies zur Verwirklichung der Schutzzie-   der Ausbau des Gewaltschutzes nur mit
tenregelungen. Solche Maßnahmen                 le notwendig ist.                        repressiven Mitteln des Strafrechts
müssen auch gesetzt werden, wenn dies       Als Bundesstaat muss Österreich die-         unter Vernachlässigung der Gewalt-
zur Verwirklichung der Gleichstellungs-     sen Verpflichtungen auf allen Ebe-           prävention vorangetrieben wird, wie
ziele der Konvention notwendig ist.         nen nachkommen: Bund, Länder und             das bei der jüngsten Gewaltschutzno-
                                            Gemeinden haben im Rahmen ihrer              velle der Fall war. Oder wenn bewähr-
Handlungsauftrag                            Zuständigkeit die erforderlichen Umset-      te Strukturen wie Frauenhäuser markt-
für die Politik                             zungsschritte zu setzen. Dies betrifft       wirtschaftlichen Logiken unterworfen
Die Vertragsstaaten müssen mit allen        alle Staatsfunktionen: also Nationalrat      werden sollen. Aus dem Effektivitäts-
geeigneten Mitteln unverzüglich eine        und Landtage, Bundes- und Landesre-          gebot ist auch der Grundsatz abzulei-
Politik der Beseitigung jeglicher Diskri-   gierungen, der gesamte Verwaltungs-          ten, dass erreichte Schutzniveaus nicht
minierung der Frau verfolgen. Dies ist      apparat und die Gerichtsbarkeit. Es darf     wieder rückgebaut werden dürfen.
eine Querschnittsaufgabe, die sämtli-       in einer bundes­    s taatlichen Struktur    Die Konvention wird auch als „Living
che weibliche Lebenszusammenhänge           auch zu keinen Schutzlücken oder ekla-       instrument “ verstanden, d. h., die
erfasst: Erwerbsleben, Gesundheit, Bil-     tanten Unterschieden in den Schutz-          Garantien sind auch offen für künftige
dung, politische Repräsentation, zivil-     niveaus kommen. Dafür sind auch die          Gefährdungslagen und daraus resultie-
rechtlicher Status, Bekämpfung von          Koordinations­instrumente des Bundes-        rende neue Handlungspflichten. Dazu

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zählen z. B. der dramatische Anstieg      gen zum österreich­ischen Staatenbe-         auch faire Bedingungen zur Selbster-
von misogynem Hass im Netz und die        richt wird z. B. auf die Problematik von     mächtigung in allen Lebensbereichen ein
neuen geschlechtsspezifischen Gefähr-     geschlechtsnormierenden Operationen          (menschenrechtliches Empowerment).
dungslagen durch die Digitalisierung in   eingegangen.                                 Um evidenzbasierte Entscheidungen
der Arbeitswelt und in der Arbeitsver-    Als Geltungsbereich im weitesten Sinn        treffen zu können, sollen Indikatoren
mittlung.                                 kann davon ausgegangen werden, dass          und Benchmarks definiert, zeitliche Zie-
Auch der Geltungsbereich der Konventi-    alle geschlechtsspezifischen Diskrimi-       le gesetzt und Verantwortlichkeiten mit
on wird heute sehr weit ausgelegt:        nierungen erfasst sind, die an stereo-       adäquater Finanzierung gekoppelt sein.
                                          type Vorstellungen von Weiblichkeit          Aktionspläne der Regierung entsprechen
Die Konvention schützt dem                anknüpfen.                                   diesen Vorgaben nur dann, wenn es für die
Wortlaut nach nur Frauen und              Für die Auslegung der Frauenrechts-          genannten Zeiträume auch ein nachprüf-
Mädchen und stellt damit                  konvention ist das „Komitee für die          bares Commitment zur effektiven Umset-
auf ein Konzept der Zwei­                 Beseitigung der Diskriminierung der          zung gibt. Ansonsten handelt es sich
geschlechtlichkeit ab                     Frau“ zuständig. Das Komitee hat sei-        schlicht um Symbolpolitik. Daher mahnt
Vom Frauenrechtskomitee wird seit         nen Sitz in Genf und besteht aus 23          das UN-Frauenrechtskomitee auch stets
vielen Jahren eingemahnt, dass die        unabhängigen Persönlichkeiten mit            Evaluierungsstudien und geschlechtsspe-
Vertragsstaaten Konstellationen von       großer einschlägiger Expertise.              zifische statistische Erfassung ein. Nur so
Mehrfachdiskriminierung      bei   der    Das Komitee hat bisher 37 General            können zielgenaue und effektive Maß-
Umsetzung der Garantien der Konven-       Recommendations (Allgemeine Emp-             nahmen gesetzt werden, die keinen uner-
tion in besonderer Weise zu beachten      fehlungen) verabschiedet. Sie konkre-        wünschten Bias aufweisen.
haben – also das Zusammenwirken           tisieren die Konventionsgarantien und        Österreich hat die Konvention 1982 rati-
von Geschlecht mit anderen persönli-      geben den Vertragsstaaten damit eine         fiziert und die ersten vier Artikel sogar in
chen Merkmalen wie sexueller Orien-       Orientierung in Bezug auf die staatli-       den Verfassungsrang gehoben. Im Ver-
tierung, Behinderung, Alter, Ethnizität   chen Umsetzungsverpflichtungen. Sie          gleich zu den anderen Unterzeichnerstaa-
usw. Grundlegende Aussagen dazu fin-      sind damit ein wichtiger Handlungs-          ten war das ein spektakulärer Schritt. In
den sich bereits in der General Recom-    maßstab für die Vertragsstaaten.             der Sache war das aber mehr Schein als
mendation Nr. 18 aus dem Jahr 2012                                                     Sein, denn im Nationalrat wurde zugleich
betreffend disabled women. Und auch       Aus diesen Recommendations                   eine höchst wirkungsvolle Umsetzungs-
die Abschließenden Bemerkungen des        ergeben sich wichtige Umset-                 bremse beschlossen: Durch den soge-
Komitees zum österreichischen Staa-       zungsprinzipien:                             nannten Erfüllungsvorbehalt ist die Kon-
tenbericht adressieren an mehreren        Eine Politik zur Beseitigung von Diskrimi-   vention in Österreich nicht unmittelbar
Stellen die besonderen staatlichen        nierung und zur Verwirklichung der De-       anwendbar. Um die einzelnen Garan-
Gewährleistungspflichten für Mädchen      facto-Gleichstellung ist wirkungs- und       tien der Konvention in wirksame Rechts-
mit Behinderungen.                        ergebnisorientiert zu gestalten. Dabei       ansprüche zu verwandeln, müssen erst
Verstärkt wird auch auf die spezi-        geht es nicht um eine verengte Opferper-     innerstaatliche        Ausführungsgesetze
fischen Diskriminierungsrisiken von       spektive, sondern um ein machtkritisches     erlassen werden.
Trans*frauen und intergeschlechtli-       Verständnis von Diskriminierung, um die      Der Erfüllungsvorbehalt beseitigt jedoch
chen Personen hingewiesen. Zuletzt        sozialen Asymmetrien und Stereotypien,       nicht die Verpflichtung von Richter_innen
etwa in der General Recommendati-         die zentrale Faktoren für den Fortbestand    und Verwaltungsorganen zur völker-
on Nr. 36 zum Recht von Mädchen und       von Diskriminierung sind. Finales Ziel ist   rechtskonformen Auslegung des inner-
Frauen auf Bildung aus dem Jahr 2017.     die Sicherung von weiblicher Autonomie       staatlichen Rechts. Überall dort, wo es
In den Abschließenden Bemerkun-           und Selbstbestimmung. Und dies schließt      Auslegungsspielräume gibt, haben die

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#rechtehatsie

Vollzugsorgane eine geschlechtssensible       die Proponentinnen des ersten Frauen-          beendet. Die sogenannten Concluding
Rechtsanwendung sicherzustellen – und         volksbegehrens 1997, die die Stafette in       Observations (Abschließende Bemer-
zwar in Orientierung an den Schutzzie-        die Hand genommen haben und die Ver-           kungen) sind eine Art offizieller Prüf-
len der Frauenrechtskonvention. Darauf        ankerung substanzieller Gleichheit in den      bericht. Darin beurteilt das Komitee
weist das Komitee im letzten Staatenprü-      Forderungskatalog des Frauenvolksbe-           die erzielten Fortschritte, benennt die
fungsverfahren auch ausdrücklich hin.         gehrens aufgenommen haben. Das star-           festgestellten Umsetzungsdefizite und
Hinzu kommt das Gebot der verfassungs-        ke frauenpolitische Signal konnte von der      empfiehlt dem überprüften Staat Maß-
konformen Interpretation. Hauptbezugs-        Politik letztendlich nicht ignoriert werden:   nahmen, die im folgenden Berichtszeit-
punkt dafür ist der Gleichheitsgrundsatz      Bereits im Jahr darauf hat der Nationalrat     raum zu ergreifen sind.
der österreichischen Bundesverfassung.        die Forderung nach einer Ergänzung des         Die Staatenprüfung schafft Trans-
Dass der Gleichheitsgrundsatz heute           Gleichheitssatzes umgesetzt.                   parenz über den Status quo in einem
nicht nur als formale, sondern auch als       Die Bedeutung dieser Verfassungsre-            Vertragsstaat und zwar auf interna-
substanzielle Gleichheitsgarantie zu ver-     form kann nicht hoch genug eingeschätzt        tionaler und nationaler Ebene. Das
stehen ist, hat mit einer außerordent-        werden: Seither ist die De-facto-Gleich-       Prüfverfahren dient dazu, die Umset-
lich wichtigen Verfassungsreform in den       stellung von Frauen und Männern als            zungsverpflichtungen formell auf der
1990er Jahren zu tun. Und diese Reform        Staatsaufgabe in der Bundesverfassung          rechtspolitischen Agenda zu halten
war nur durch das Ineinandergreifen von       verankert und positive Maßnahmen wie           und ausstehende Reformprozesse zu
institutioneller Frauenpolitik und zivilge-   Quotenregelungen sind zu einer aus-            beschleunigen.
sellschaftlichem Engagement möglich.          drücklich zulässigen Handlungsoption der       In diesem Verfahren sind die Schatten-
Die Initiative ist einer ganz großen Frau-    Gesetzgebung geworden.                         berichte von NGOs ein wichtiges Ins-
enpolitikerin zu verdanken, deren Todes-      Jede frauenpolitische Initiative, die posi-    trument. Durch Einbindung zivilgesell-
tag sich am 20. Februar 2020 zum zehn-        tive Maßnahmen zur Umsetzung von               schaftlicher Expertise kann das Komitee
ten Mal gejährt hat: Es war Johanna           Frauenrechten fordert, kann sich heu-          ein differenziertes Gesamtbild gewin-
Dohnal, die die entscheidenden Weichen        te auch auf den Gleichheitssatz der            nen. Schattenberichte sind das zivilge-
gestellt hat. Sie hat 1994 feministische      Bundesverfassung berufen. Das ist              sellschaftliche Vehikel, um das Komi-
Rechtsexpertinnen mit der Ausarbeitung        ein außerordentlich wichtiger juristi­     -   tee über die unzureichende Umsetzung
eines Verfassungsentwurfs beauftragt,         scher Argumentationszusammenhang, der          der Staatenverpflichtungen zu informie-
der das substanzielle Gleichheitsprin-        immer mitzudenken und zu operationali-         ren und dringenden frauenpolitischen
zip auch für die österreichische Verfas-      sieren ist.                                    Reformbedarf einzumahnen.
sung explizit vorsieht. Der Entwurf ging                                                     Damit können Lücken im Staatenbe-
zwar noch in die offizielle Begutachtung,     Wie wird die Umsetzung der                     richt aufgezeigt und Schieflagen in der
er wurde wegen Neuwahlen aber nicht           Frauenrechtskonvention                         Darstellung weiblicher Lebensrealitä-
mehr in die parlamentarische Behand-          kontrolliert?                                  ten korrigiert werden. Der Schattenbe-
lung genommen. Und nach den Wah-              Es ist ein Staatenberichtssystem vor-          richt bündelt das Erfahrungswissen der
len war das aktive politische Leben von       gesehen. Die Vertragsstaaten haben             Akteur_innen, die „front end“ in ein-
Johanna Dohnal jäh zu Ende: Sie wurde         dem Frauenrechtskomitee alle vier              schlägigen Institutionen tätig sind (oder
politisch ausgesteuert und zum Rücktritt      Jahre über die erzielten Fortschritte          waren).
gedrängt. Wichtige Erinnerungsarbeit          zu berichten. Die Prüfung dieser Staa-         Die Concluding Observations enthal-
leistet da der Film „Die Dohnal“. Und das     tenberichte ist eine der Hauptaufgaben         ten auch die Auflage, nach zwei Jah-
politische Ende der ersten Frauenminis-       des Komitees.                                  ren einen Zwischenbericht über die
terin war auch ein schwerer Rückschlag        Die Staatenprüfung wird mit ­f ormellen        Umsetzung von bestimmten Key-Emp-
für die Reforminitiative. Aber es waren       Feststellungen und Empfehlungen                fehlungen des Komitees zu übermitteln.

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#rechtehatsie

Österreich wurde vom Komitee aufgetra-      durch Neuausrichtung und Schwer-       ten hat eine allfällige Mitteilung bzw.
gen, über konkrete Maßnahmen in fol-        punktsetzungen.                        Individualbeschwerde an das Frauen-
genden Problembereichen zu berichten:    • Die Empfehlungen in den Abschlie-       rechtskomitee keine Erfolgschancen.
• zum Frauenhandel                          ßenden Bemerkungen sind in der
• zur Verbesserung der politischen          Regel sehr grundsätzlich gehalten.     Mein abschließender Befund
   Repräsentanz von Frauen                  Durch Follow-up-Initiativen wie        nach dieser Tour d‘Horizon
• zur Inklusion von Mädchen mit Migra-      diese Fachtagung, können die Emp-      durch die wichtigsten Bedeu-
   tionshintergrund im Bildungssystem       fehlungen in thematischen Clustern     tungsschichten der Frauen-
• und zur Verringerung von Barrieren        vertieft und in konkrete rechtspoli-   rechtskonvention?
   der Familienzusammenführung im           tische Forderungen transformiert       Die Mobilisierung von Frauenrech-
   asylrechtlichen Kontext.                 werden.                                ten, die Verwirklichung von Autono-
                                         • Und durch die Verbreitung der           mie und Selbstbestimmung ist ein ste-
Was sind nun die Perspektiven               Ergebnisse des Staatenberichts-        tiger Prozess. Freiheit, Autonomie und
für die Zivilgesellschaft?                  verfahrens kann das Anspruchs-         Selbstbestimmung sind im Kontext
Die Concluding Observations verleihen       wissen in Bezug auf die Frauen-        gesellschaftlicher und normativer Ent-
den politischen und rechtspolitischen       rechtskonvention gestärkt werden.      wicklungen immer wieder aufs Neue zu
Forderungen von zivilgesellschaftli-        Die Kampagne #rechtehatsie steht       formulieren: Kritische Leerstellen und
chen Organisationen ein besonderes          im besten Sinne für „Empower-          ewige Baustellen der österreichischen
Gewicht und Legitimität.                    ment“ – individuell und strukturell.   Geschlechterpolitik gehören aufgear-
Sie können die Concluding Observati-     Die General Recommendations und           beitet, neue Gefährdungslagen müssen
ons auf vielfältige Weise nutzen:        Concluding Observations sind aber         identifiziert und mit adäquaten Maß-
Ein zentraler Punkt ist die begleiten-   auch für die individuelle Rechtsdurch-    nahmen beantwortet werden.
de Umsetzungskontrolle. Während das      setzung von großer Bedeutung. Also        Die Frauenrechtskonvention eröffnet
Komitee nur am Ende des nächsten         immer dann, wenn es um die Rech-          den Blick auf einen finalen Gleichheits-
Berichtszyklus agieren kann, können      te betroffener Frauen und Mädchen         horizont. Sie gibt die Richtung vor und
NGOs kontinuierlich die Umsetzung der    geht. Die Feststellungen des Komitees     bietet die menschenrechtlichen Refe-
Empfehlungen einmahnen (thematisie-      können in der strategischen Prozess-      renzpunkte für die Erreichung die-
ren). Dieser Follow-up-Modus kann im     führung zur Durchsetzung der Frauen-      ses Ziels. Die Achtungs-, Schutz- und
jeweiligen „Tagesgeschäft“ auf allen     rechte vielschichtig operationalisiert    Gewährleistungspflichten        müssen
Ebenen aktiviert werden:                 werden:                                   aber stets in konkrete Handlungssträn-
• zur Begründung von Forderungen         • als Begründung für konventions-         ge und Handlungsaufträge übersetzt
    an Gesetzgebung und Politikgestal-      widriges Handeln oder Unterlassen      werden. Und dazu leistet die Kam-
    tung                                    des Staates                            pagne ­#rechtehatsie und die heutige
• in Stellungnahmen zu Gesetzes­         • zur Untermauerung von Rechtsan-         Abschlussveranstaltung einen unge-
    vorhaben                                sprüchen                               mein wichtigen Beitrag.
• gegenüber der Verwaltung (z. B.        • zur Auslegung unbestimmter Geset-
    bei der Gewährung von staatlichen       zesbegriffe und Ermessenentschei-
    Leistungen)                             dungen.                                Autorin
• in der Medien- und Öffentlichkeits­    Die Verletzung einer Konventionsga-       SILVIA ULRICH ist Institutsvorständin am
                                                                                   Institut für Legal Gender Studies an der
    arbeit                               rantie durch den Staat muss in einem
                                                                                   ­Johannes-Kepler-Universität Linz, Mit-Heraus-
• in der Menschenrechtsbildung           innerstaatlichen Verfahren von Anfang      geberin des CEDAW Kommentars zur Umset-
• in der eigenen konzeptiven Arbeit      an argumentiert werden. Ansons-            zung in der Schweiz und in Österreich.

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#rechtehatsie

DER KLAGSVERBAND BEI DER STAATENPRÜFUNG 2019
Erfahrungen aus der Praxis
Vortrag Johanna Schlintl

                                             durch die Vertragsstaaten kontrolliert.     for the promotion and implementation of
                                             Der CEDAW-Fachausschuss überprüft die       the Convention on the Elimination of All
                                             nach Artikel 18 alle vier bis sechs Jahre   Forms of Discrimination against Women
                                             einzureichenden periodischen Staaten-       (…) and its Optional Protocol.
                                             berichte. Und auch letztes Jahr reiste      2. The purpose of this statement is to cla-
                                             eine öster­reichische Regierungsdelegati-   rify and strengthen the Committee’s rela-
                                             on nach Genf, um im Rahmen eines kri-       tionship with NGOs and to enhance the
                                             tischen, interaktiven Dialogs (dem soge-    role of NGOs in the implementation of the
                                             nannten „Constructive Dialogue“) dem        Convention by States parties at the natio-
                                             CEDAW-Fachausschuss Rede und Ant-           nal level.
                                             wort zu stehen. Davon will ich aber weni-
                                             ger berichten, sondern vielmehr von den     Und tatsächlich hatte ich im Palais des
                                             zivilgesellschaftlichen Interventionsmög-   Nations in Genf das Gefühl, sehr will-
                                             lichkeiten dabei und meinen persönlichen    kommen zu sein. Sowohl Gunnar ­Bergby,
                                             Erfahrungen damit.                          der für Österreich zuständige Count-
                                                                                         ry Rapporteur innerhalb des Ausschus-
                                             Zivilgesellschaftliche                      ses, als auch Marco Zanin, der zuständi-
                                             Schattenberichte:                           ge OHCHR-­Officer, und andere Mitglieder
                                             hoch willkommen?                            des Ausschusses haben mir direkt ihre
                                             Um ein regierungsunabhängiges Bild der      Freude über meine Anwesenheit aus-
                                             menschen- bzw. frauenrechtlichen Situa-     gedrückt, d.h. konkret: ihre ursprüng-
                                             tion in den geprüften Ländern zu bekom-     liche Sorge darüber, dass keine Öster-
                          Johanna Schlintl   men, berücksichtigt der Ausschuss schon     reicher*innen kommen würden und ihre
                                             seit 1988 Informationen von Nichtre-        Erleichterung darüber, dass ich nun (für
Ich werde über meine Erfahrungen bei der     gierungsorganisationen. 2001 wurde          sie überraschend) doch da war.
CEDAW-Staatenprüfung berichten, weil         die grundsätzliche Möglichkeit des Aus-     In dem soeben zitierten Statement defi-
ich die große Freude hatte, im Juli 2019     schusses, NROs um Stellungnahmen zu         niert der Ausschuss die Möglichkeiten
als Vertreterin des Klagsverbands bei der    bitten, in Artikel 47 der Verfahrensord-    der Beteiligung der Zivilgesellschaft bei
73. Sitzung des UN-Ausschusses für die       nung des CEDAW-Ausschusses festge-          der Staatenprüfung näher. Konkret heißt
Beseitigung der Diskriminierung der Frau     schrieben. In einer 2010 veröffentlichten   das für NGOs, sie können sogenannte
in Genf teilzunehmen. Der Zweck meines       Stellungnahme betont der CEDAW-Fach-        Schatten- oder Parallelberichte verfassen
Vortrags ist nicht die wissenschaftliche     ausschuss die besonders wichtige Rol-       und ihr Rederecht im Vorfeld des Dialogs
Aufarbeitung eines Themas, sondern die       le von NROs bei der Förderung und der       zwischen Ausschuss und Regierung aus-
Weitergabe ganz praktischen Wissens          Umsetzung der Frauenrechtskonvention.       üben. Beim Dialog zwischen Regierungs-
für zukünftige Interventionen vor dem        Das liest sich dann so:                     delegation und Ausschuss haben NGOs
CEDAW-Ausschuss.                                                                         kein Rederecht, sie können jedoch beob-
Im Rahmen der sogenannten Staaten-           Statement CEDAW                             achtend teilnehmen. Aber der Reihe nach:
prüfung wird die Umsetzung der CEDAW         1. The Committee on the Elimination of
(das ist die Abkürzung für den englischen    Discrimination against Women (…) consi-     Eine strikte Choreographie
Namen der UN-Frauenrechtskonventi-           ders that its close cooperation with non-   Die Staatenprüfung vor dem CEDAW-
on "Convention on the Elimination of All     governmental organisations (NGOs) wor-      Fachausschuss folgt einer klaren Struk-
Forms of Discrimination Against Women")      king on women’s human rights is essential   tur: Nachdem der offizielle Regierungs-

14                                                                                                                AEP Informationen
#rechtehatsie

bericht eingereicht wurde, wird eine       für einzelne NGOs bzw. 6.600 Zeichen       auch nur zu einzelnen spezifischen The-
Arbeitsgruppe (die sogenannte „Pre-        für NGO-Koalitionen). Wie so oft, ist      men Stellung beziehen. Zuletzt haben
Sessional Working Group“ – PSWG) ein-      das für viele österreichische Organisa-    diese Möglichkeit übrigens der Behin-
berufen. Maximal fünf der insgesamt        tionen, die hier bestimmt sehr Wichti-     dertenrat, die Bundesjugendvertretung
23 Ausschussmitglieder, inklusive          ges beizutragen hätten, (auch) ein Res-    und Zwischengeschlecht/StopIGM.org.
einem sogenannter „Country Rappor-         sourcenproblem.                            genutzt.
teur“, erarbeiten eine Liste von Proble-   Und so war’s auch zuletzt wieder:          In seinem Statement zur Zusammen-
men und Fragen in Zusammenhang mit         Der Klagsverband ist ja nicht die erste    arbeit mit NROs fordert der Ausschuss
dem Regierungsbericht („List of Issu-      Organisation, die uns als Akteurin bei     die Vertragsstaaten auf, die Partizipa-
es“) und auch darauf haben die Regie-      der CEDAW-Staatenprüfung einfallen         tion von NROs (auch) im Staatenprü-
rungen wiederum schriftlich zu antwor-     würde. Nachdem klar wurde, dass sich       fungsprozess zu ermöglichen und zu
ten („Replies of Austria“).                keine Frauen*organisation in der Lage      fördern, konkret heißt das, sie bei der
An all diesen Punkten können NROs          sah, das ressourcentechnisch zu stem-      Entstehung des Regierungsberichts zu
schriftlich Stellung beziehen. D.h.        men, hat der Klagsverband entschie-        konsultieren und selbstverständlich für
gleichzeitig und/oder in Reaktion auf      den, die Koordinierung eines umfangrei-    eine nachhaltige Finanzierung zu sor-
den Regierungsbericht, vor der Ent-        chen Parallelberichts zu übernehmen.       gen. Hier hat die österreichische Regie-
wicklung der List of Issues, sowie als     Nur die Artikel 1, 8 und 15 wurden nicht   rung in Zukunft jedoch definitiv Nach-
Ergänzung bzw. Korrektur der Replies       bearbeitet. Zum Glück konnten Dani-        holbedarf: Zuletzt wurden NROs meines
of Austria.                                ela Almer und Andrea Ludwig auf der        Wissens nach weder in die Entstehung
Vor allem zu Beginn des Prüfungspro-       Suche nach Autorinnen in den vielen        des Regierungsberichts einbezogen,
zesses können eigene Themen plat-          Mitgliedsvereinen des Klagsverbands        noch war die Förderung der zivilgesell-
ziert werden. Schon zu dem Treffen         aus dem Vollen schöpfen:                   schaftlichen Teilnahme an der Staaten-
der Pre-Sessional Working Group sind       Leider hatten wir kein Budget – unbe-      prüfung in Genf auch nur ansatzweise
NGO-Vertreter_innen auch eingeladen,       zahlte Arbeit von Frauen* ist etwas,       ausreichend. Das BKA Frauen hat mei-
um mündlich bei den Ausschussmitglie-      das der Klagsverband normalerweise         nen Flug nach Genf gezahlt, für zumin-
dern zu intervenieren – das konnte der     nicht unterstützt – dennoch haben wir      dest drei Tage Aufenthalt in der sehr
Klagsverband zuletzt nützen.               Autorinnen das ehrenamtlich übernom-       teuren Stadt Genf wurde uns aber kein
Später im Staatenprüfungsprozess           men. Auch deswegen soll und will ich       Geld zur Verfügung gestellt. Zum Glück
macht es dann jedenfalls Sinn, sich auf    hier die Gelegenheit nützen, den vielen    hat uns Julia P­ lanitzer vom Boltzmann
die Fragen des Ausschusses und die         ehrenamtlichen Autorinnen nochmal zu       Institut für Menschenrechte von dem
Antworten der Regierung zu beziehen,       danken!                                    „From Global to Local-Trainingspro-
d.h. auf Lücken in den Regierungsbe-                                                  gramm“ von IWRAW, der Internatio-
richten hinzuweisen und diese inhalt-      Zusammenwirken der NROs                    nal Women's Rights Action Watch Asia
lich zu korrigieren.                       verleiht Gewicht –                         Pacific erzählt. Sonst hätte die Teilnah-
                                           und verursacht Freude                      me des Klagsverbands in Genf so nicht
Unter zeitlichem Druck                     Für die Zukunft gilt: Alternativberichte   stattfinden können.
und ohne Budget                            gewinnen an politischem Gewicht, je        Das Trainingsprogramm von IWRAW
Aber Achtung, die Zeit drängt, die Doku-   mehr Organisationen an ihrer Erstellung    zu entdecken, war in jeder Hinsicht ein
mente des Ausschusses und der öster-       beteiligt sind. Grundsätzlich können       großes Glück. IWRAW hat nicht nur die
reichischen Regierung sind umfang-         einzelne Vereine – unter Geringhaltung     Finanzierung meines Aufenthalts in Genf
reich. Die Zeichenbeschränkungen für       des Arbeitsaufwandes – auch zu ein-        übernommen. Ich hatte auch die große
NROs dafür strikt. (2019: 3.300 Zeichen    zelnen Bestimmungen der CEDAW und          Freude im Vorfeld der ­S taatenprüfung

Heft 4/20                                                                                                                   15
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