Kulturland 0ldenburg - Vögel füttern - pro & contra - Oldenburgische Landschaft
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kulturland 0ldenburg oldenburgische landschaft 2.2019 | Nr. 180 Vögel füttern – pro & contra Wie füttert man richtig? Neue Sicht auf eine totgesagte Stadt Schichten und Spuren in Wilhelmshaven
kulturland 2|19 Inhalt 16 48 2 24 26 Mahnmal, Dokumenta Symbiose von Tradi Rhythmus, Dynamik „Wo Müürn fallt, fleegt Natur aus Stein und tionszentrum, Hotel – tion und Moderne und eine überwälti- Harten hoog“ – Bronze oder einfach nur eine Kultureller „Hochsom- gende Farbkraft Freiheit und überwun- Udo Reimann Insel mer“ im Oldenburger Arbeiten von Ernst dene Grenzen Langlütjen II – die Fes- Land Wilhelm Nay auf Papier PLATTart-Festival im tungsinsel in der Weser Oldenburger Land 6 Landschaftstag in Wildeshausen 34 Neue Sicht auf eine totgesagte Stadt 7 Förderpreis „Forschung Regional“ 37 Spuren im Oldenburger Land – 8 Vögel füttern – pro & contra Zeitzeugengespräch der AG Vertriebene 10 Plattdeutsch in der Pflege 38 Gründung der Sektion Gartendenkmalpflege 12 Die Bildhauerin Anna Maria Strackerjan 39 Dachbodenfund 15 Literaturtage in Varel und Dangast 40 Fritz Fuhrken – Maler der verschollenen 20 Sonderausstellung im Museum Moor- Generation seer Mühle 42 Theaterstück „Neurosige Tieden“ 23 Neuerscheinungen der Speelkoppel Neenweg 26 PLATTart-Festival im Oldenburger 43 Ein Internetportal für die Heimatkunde Land 44 Kostümführung mit Marthe und Fine 29 Abschlusslesung im saterfriesischen 46 Auftakt der Jugendtheatertage Lesewettbewerb 51 Gertrudenkirchhof in Oldenburg 29 Tagung „Kultur im ländlichen Raum: 52 Hartmut Wiesner – Wild wachsen, nach vorne Herausforderungen und Chancen“ sehen, weitermachen 30 Kulturfestival „Land aufs Herz“ 54 Amtspraxis im Kirchspiel Visbek zwischen 33 Klönsnack mit Tee 1814 und 1831 56 kurz notiert 61 „Dat Blatt is good un kann so blieven“ Auswertung der Evaluierung Titelbild: Die Kaiser-Wilhelm-Brücke ist eines der schönsten Bau- werke Wilhelmshavens. Die Stadt feierte derzeit ihr 150-jähriges Bestehen. Lesen Sie mehr zu ihrem kultur historischem Potential und den Herausforderungen baukultureller Gestaltung ab Seite 34 in diesem Heft. Foto: Stefan Klink; aus: „Baudenkmäler im Oldenburger Land“, hrsg. von der Oldenburgischen Landschaft, Wil- helmshaven 2017 Inhalt
kulturland 2|19 Editorial Impressum kulturland Oldenburg Zeitschrift der Oldenburgischen Landschaft ISSN 1862-9652 Herausgegeben von der Oldenburgischen Landschaft Liebe Leserin, lieber Leser, Foto: Oldenburgische Land- Gartenstraße 7, 26122 Oldenburg schaft Tel. 0441 77 91 8-0 Fax 0441 77 91 8-29 info@oldenburgische-landschaft.de der Landschaftstag in der Alexanderkirche in Wildeshausen ist vorüber. www.oldenburgische-landschaft.de Er war aus Sicht vieler Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine gute Mischung Redaktionsschluss der Themen, die uns in der Landschaft beschäftigen: Kultur, Tradition und für Heft 181, 3. Quartal 2019, Natur! ist der 1. 7. 2019. Er war aber auch der Start in unsere Veranstaltungsreihe, die wir exklusiv Erscheint vierteljährlich. für unsere Einzelmitglieder durchführen wollen. Wir freuen uns auf eine Für unverlangt eingesandte Manuskripte rege Teilnahme. wird keine Haftung übernommen. Wie ein blau-roter Faden zieht sich unser Engagement für den ländlichen Namentlich gekennzeichnete Artikel Raum durch viele der letzten Veranstaltungen: Im Mai sprachen wir in Sta- geben nicht unbedingt die Auffassung der pelfeld mit Kulturschaffenden aus dem ländlichen Raum über die bürokra- Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf tischen Hürden, die die Kulturarbeit auf dem Lande manchmal sehr kom- Kürzungen der eingesandten Texte vor. pliziert machen. Das große Echo auf diese Veranstaltung zeigt uns, dass es sinnvoll ist, dieses Thema weiter zu vertiefen. Redaktion: Im März fand außerdem unser renommiertes Kulturfestival PLATTart verantwortlich i. S. d. P. Michael Brandt (MB.) unter dem Motto „Wi sünd so free!“ statt. Der 30-jährige Fall der Mauer bot Anlass, sich mit aktuellen Themen auf Niederdeutsch zu beschäftigen. Sarah-Christin Siebert (SCS.) Daneben haben wir gemeinsam mit der Stadt Westerstede und dem Stefan Meyer (SM.) Lokalsender Oeins eine Kooperation gestartet, bei der es darum geht, die Matthias Struck (MS.) Kulturschaffenden im ländlichen Raum besser zu vernetzen. Gerade beim Gestaltung: Lokalsender Oeins werden Sie viele Aktivitäten zum Thema Kultur und mensch und umwelt, 26122 Oldenburg Oldenburger Land finden – reinschauen lohnt sich. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre. Druck: Brune-Mettcker, 26382 Wilhelmshaven Thomas Kossendey Verlag: Präsident Isensee-Verlag, 26122 Oldenburg Erscheint vierteljährlich. © 2019 Oldenburgische Landschaft Alle Rechte vorbehalten. Jahresabonnement 15,- €, inkl. Versand. Der Bezug kann mit einer Frist von vier Wochen zum Jahresende gekündigt werden. Schloss Augustenburg, ein ehemaliger Wohnsitz eines Einzelheft 3,80 €. Familienzweigs des Hauses Oldenburg. Foto: Jörgen Welp, Oldenburgische Landschaft Vom 12. bis 14. Juli 2019 findet über den Oldenburger Landesverein die Exkursion „Auf den Spuren der Plöner und Gottorfer Herzöge. Zwei Linien des Hauses Oldenburg in Schleswig-Holstein“ unter Leitung von Dr. Jörgen Welp und Jörg Memmer (Flensburg) in Zusammenarbeit mit der Akademie Sankelmark statt. Die Reise ist bereits ausgebucht. Editorial | 1
kulturland 2|19 Mahnmal, Dokumentationszentrum, Hotel – oder einfach nur eine Insel Langlütjen II – die Festungsinsel in der Weser Von Wolfgang Stelljes W asserstraße 5298, Außenweser – das ist die Wesermündung sichern wollte. Alles musste per Schiff her- die offizielle Anschrift von Langlütjen II. beigeschafft werden. 100 Mann Besatzung sollten hier bis zu Eine künstliche Insel, fast oval und kaum vier Monate autark leben können. Auf der Insel gab es drehbare größer als zwei Fussballfelder. Und eine Panzertürme mit riesigen Kanonen von Krupp, 28-cm-Geschütze. Insel mit besonderer Geschichte. Die sind dann aber ziemlich schnell eingerostet, so Köhne. Zweimal war ich in meinem Leben auf „Man muss davon ausgehen, dass die Dinger nie im Einsatz wa- Langlütjen II, ziemlich oft, wenn man bedenkt, dass dieses ren. Hier ist einmal geschossen worden und dann nie wieder.“ Eiland in der Wesermündung vor Bremerhaven eigentlich nicht Die Kanonen sind längst weg, sie wurden nach dem Ersten betreten werden darf. Und dass es geradezu lebensgefährlich Weltkrieg von den Siegermächten demontiert. Geblieben ist ist, es auf eigene Faust zu versuchen, wenn man sich in dieser das Mauerwerk. Und an dem nagte der Zahn der Zeit, vor allem feuchtgrauen Gegend nicht auskennt. Deshalb habe ich mich Sturmfluten setzten der Insel zu. Theodor Köhne befürchtete beim ersten Mal – das war vor gut 20 Jahren – Theodor Köhne gar, dass sie eines Tages ganz von der Landkarte verschwinden anvertraut. Köhne arbeitet als geprüfter Wattführer, schon könnte. Die Insel hatte schlicht keine Funktion mehr, auch nicht seit 1986. Seine Touren starten am Deich von Tettens, einem für die Schifffahrt, sie lag abseits der Fahrrinne. Insel im Angebot alten Wurtendorf mit reetgedeckten Häusern. Der große Vor- teil: Köhne kennt sich aus mit den Gezeiten, weiß also, wann man sich gefahrlos auf den Weg machen kann. Und was noch Das zweite Mal näherte ich mich Langlütjen II im Herbst 2005. viel wichtiger ist: Köhne kennt jeden Priel, also jeden Wasser- Zu dieser Zeit machte die Insel Schlagzeilen, weil der Bund – lauf im Watt. Fast fünf Stunden dauerte die Tour, bei der wir genauer: die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Neben- durch tiefen Schlick waten mussten und den Kleineren unter stelle Oldenburg – sie verkaufen wollte. Erwartet wurde ein uns im tiefsten Priel das Wasser fast bis zum Hals stand. Mindestangebot von 100.000 Euro, eigentlich ein Schnäppchen. Von Köhne erfuhr ich, dass Langlütjen II ein künstliches Das Gleiche galt für die Schwesterinsel Langlütjen I, auch sie Eiland ist und in den Jahren von 1872 bis 1876 auf Eichenholz- war für 100.000 Euro zu haben. „Zum Verkauf stehen zwei einzig- pfählen errichtet wurde. Langlütjen II war eines von vier Forts, artige Inseln, auf denen sich ein Stück deutscher Geschichte mit denen der Norddeutsche Bund unter Führung Preußens mit der Frische der Nordseeluft vermengt“, hieß es etwas 2 | Natur und Umwelt
kulturland 2|19 Blick vom Deich in Tettens (Butjadingen) auf die Wesermündung am Rande des Nationalparks Nieder- sächsisches Wattenmeer. Die kleine Insel Langlütjen II wirkt eher unscheinbar. Foto: Wolfgang Stelljes Aus der Luft besonders gut erkennbar: der Charakter der künstlichen Festungs- insel. Foto: P. A. Kroehnert Natur und Umwelt | 3
kulturland 2|19 blumig im Verkaufsexposé. Die Sache hatte aller- Insel als Abenteuerspielplatz. Sogar dings einen Haken, und den kannte auch die ihre Anwesenheitszeiten hatten sie Behörde: Beide Inseln „liegen inmitten des Natio- notiert. nalparks Niedersächsisches Wattenmeer in der Wesermündung“. Noch dazu schränkte auch der „KZ unter dem Meer“ Denkmalschutz die Nutzungsmöglichkeiten All das wirkte besonders makaber, weiter ein. Es handele sich um „eine einzigartige weil die Nationalsozialisten Lang militärische Anlage in Deutschland aus der Mitte lütjen II schon kurz nach ihrer Macht- des 19. Jahrhunderts“, hatte das Niedersächsische Foto: Wolfgang Stelljes übernahme als sogenanntes Schutz- Landesamt für Denkmalpflege noch 1996 mit haftlager genutzt hatten. Es wurde Wattwanderung Blick auf Langlütjen II festgestellt. Und doch gab am 9. September 1933 eingerichtet – es eine ganze Reihe von Kaufinteressenten. Im Rahmen der „Nordenhamer für Häftlinge, die zuvor im KZ Miß- Einer von ihnen war Christoph Gerecke, ein jun- Stadtrundgänge“ bietet der Watt- ler in Bremen-Findorff untergebracht ger Landwirt aus der Nähe von Cuxhaven. Ihn führer Theodor Köhne auch 2019 waren, also mitten im Stadtgebiet. konnte ich 2005 zusammen mit einem Fernseh- Touren nach Langlütjen II an. Nach Langlütjen II kamen die, „die team auf die Insel begleiten, das Wasser- und Zwischen dem 29. Juni und dem wegen ihrer politischen Tätigkeit Schifffahrtsamt Bremerhaven setzte uns mit einem 7. September sind insgesamt und ihrer Einstellung gegen den na- Boot über. Die Insel präsentierte sich in einem sieben Wattwanderungen vorge- tionalen Staat als besonders gefähr- traurigen Zustand. Auf den ersten Blick wirkte sie sehen. Die Zeiten wechseln, denn lich anzusehen sind“, so ein Bericht grün, Birke, Schafgabe, Holunder und Glocken- die Tour ist tideabhängig, auch in der bereits gleichgeschalteten blumen hatten hier eine Heimat gefunden. Doch muss das Wetter mitspielen. Presse. Isoliert wurden hier Dutzen- aus dem Grün ragten Mauerreste. Überall lag Anmeldungen und weitere Infos: de von Männern, darunter auch der Schutt herum. Unten, in den dunklen Kasematten Nordenham Marketing & Gewerkschafter und Sozialdemokrat mit ihren gewölbten Decken, bröckelte das Zie- Touristik e. V. Gerhard van Heukelum, der spätere gelmauerwerk. Das Licht unserer Taschenlampe Telefon 04731 93640 Oberbürgermeister von Bremerha- fiel auf eine Wand, auf der jemand SS-Runen hin- www.nordenham.de ven. Langlütjen II hatte für die Gesta- terlassen hatte. Offenbar nutzten Neonazis die po einen entscheidenden Vorteil: 4 | Natur und Umwelt
kulturland 2|19 Linke Seite: Die Insel Abgelegener konnte ein Lager kaum sein. Und Menge Geld, um das Ufer der Insel zu sichern, zu Langlütjen II darf nur mit Genehmigung oder in doch ließ sich nicht verheimlichen, was hier ge- groß war die Gefahr einer Überflutung. Bis heute Begleitung von Wattführer schah. So sollen die Schreie von misshandelten dient Langlütjen II dem Küstenschutz. Eine tou- Theodor Köhne betreten Gefangenen weit zu hören gewesen sein. Und rist ische Nutzung, wie sie Jens-Torsten Bausch werden. Foto: Nordenham wenn sich ein Boot der Insel zu sehr näherte, fielen vorschwebt, steht allerdings nach wie vor in den Marketing & Touristik e. V. Schüsse. Ein Häftling ertrug die Schikane nicht Sternen – zu sehr reibt sich das Vorhaben mit dem, Daneben: Das Mauerwerk und erhängte sich. Es dauerte nicht lange, und was Ämter und Behörden für die Insel vorsehen. der Festungsinsel ist inzwi- die Leute sprachen von der „Teufelsinsel“ oder dem Und so ist er inzwischen „ein wenig mutlos“, schen fast 150 Jahre alt. „KZ unter dem Meer“. Am 25. Januar 1934, nach was die Realisierung des Projekts betrifft, sagt Die Kanonen wurden nach dem Ersten Weltkrieg von nicht einmal fünf Monaten, lösten die National- Bausch. „Im Moment ruht es.“ Es ist eine Ruhe, den Siegermächten sozialisten das KZ Langlütjen II wieder auf. von der zumindest die Vogelwelt profitiert. Die demontiert. Fotos: Wolf- gang Stelljes Ein Hotel im Nationalpark? Verwaltung des Nationalparks Wattenmeer weist darauf hin, dass in den Ruinen von Langlütjen II Christoph Gerecke, der junge Landwirt aus der unter anderem „die stark gefährdete Flusssee- Nähe von Cuxhaven, kannte die Geschichte des schwalbe“ brütet. Auch haben Ornithologen hier Lagers und wollte aus Langlütjen II ein „Museum eine Löffler-Kolonie ausgemacht. und Mahnmal“ machen. Doch den Zuschlag be- All jene, die sich vor Ort einen eigenen Ein- kam im Januar 2006 ein anderer: der Bremer Kauf- druck verschaffen möchten, wenden sich am bes- mann Jens-Torsten Bausch. Sein Plan: Ein Hotel ten an Theodor Köhne (siehe Kasten). Er darf mit Blick über das Watt und auf den Containerter- weiter Besuchergruppen nach Langlütjen II füh- minal in Bremerhaven. Und dazu ein „Dokumen- ren, auch mit Erlaubnis des neuen Eigentümers. tationszentrum“, das über den Nationalpark, Für den inzwischen 79-Jährigen ist es allerdings aber auch die Schrecken der Nazi-Herrschaft in- die letzte Saison, nur bis zum Herbst wird er formiert. Der neue Eigentümer investierte eine noch Touren als Wattführer anbieten. Dann spült er sich noch einmal gründlich den grauen Schlick von den Füßen. Und dann, sagt Köhne, müssen andere ran. Natur und Umwelt | 5
kulturland 2|19 Landschaftstag in Rahmenprogramm Den musikalischen Rahmen der Wildeshausen Festveranstaltung gestaltete der Gospelchor Joyful Voices unter der Leitung von Kirchenmusiker und Mehr als 250 Mitglieder und Gäste Komponist Ralf Grössler. Im Anschluss an die Veranstal- kamen in Alexanderkirche zusammen tung hatten die Teilnehmer des Landschaftstages Gelegenheit, die Stadt Wildeshausen, die älteste Stadt des Oldenburger Landes, im Rahmen einer historischen Stadt- Red. An einem ganz besonderen Tagungsort kamen am 16. März mehr als 250 Mitglieder führung kennenzulernen. und Gäste zum Landschaftstag 2019 der Oldenburgischen Landschaft zusammen: Sie Auf dem Landschaftstag zeichnet trafen sich in der altehrwürdigen Wildeshauser Alexanderkirche im Landkreis Olden- die Oldenburgische Landschaft burg, der größten mittelalterlichen Kirche des Oldenburger Landes. Menschen aus dem gastgebenden Der Landschaftstag der Oldenburgischen Landschaft findet immer im Frühjahr statt, Landkreis beziehungsweise aus der und zwar rotierend in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt des Oldenburger gastgebenden kreisfreien Stadt Landes. aus, die sich um das Oldenburger In seiner Begrüßung ging Landschaftspräsident Thomas Kossendey auf die drei Land verdient gemacht haben. Ehrennadel für Leitsätze der Oldenburgischen Landschaft „Kultur fördern, Tradition pflegen, Natur schützen“ ein und nannte Beispiele für entsprechende Projekte der Landschaft. „Zur Traditionspflege gehört auch die Erinnerung an herausragende und zukunftweisende Folker von Hagen und historische Ereignisse“, erklärte Kossendey. „So koordiniert die Landschaft ein Netz- Angela Hillen werkprojekt zum demokratischen Aufbruch im Nordwesten, der mit der Revolution von 1918 vor hundert Jahren begann.“ Für seinen Einsatz für den Denkmal- Festvortrag schutz erhielt der frühere Baudezer- nent des Landkreises Oldenburg, Anstelle eines Festvortrags lasen die Oldenburger Historikerin Prof. Dr. Gunilla Bud- Folker von Hagen, die Ehrennadel. de und die Rasteder Schauspielerin Sylvia Meining aus Frauenbriefen aus drei Jahr Die Plattdeutschbeauftragte des hunderten und stellten Charlotte Sophie von Aldenburg-Bentinck, Helene Lange und Landkreises Oldenburg, Angela Hil- Hannah Arendt vor. Alle drei bedeutenden Frauen haben einen unmittelbaren oder len, erhielt die Ehrennadel für ihr mittelbaren Oldenburg-Bezug. Anlass für dieses Format war das Jubiläum „100 Jahre Engagement für die plattdeutsche Frauenwahlrecht“. Sprache. 6 | Aus der Landschaft
kulturland 2|19 Landschaftsmedaille Förderpreis „Forschung Regional“ für Ernst-August Bode Der langjährige Kommunalpolitiker und „Platt- deutschaktivist“ Ernst-August Bode erhielt die Landschaftsmedaille der Oldenburgischen Land- schaft. Landschaftspräsident Thomas Kossendey bezeichnete ihn in seiner Laudatio als „Vollblut- Plattdeutschen“ und als „Vollblut-Oldenburger“. „Immer wieder hat sich Ernst-August Bode nach- drücklich für die Belange seiner Heimat, das Ol- denburger Land, eingesetzt, politisch und kul turell. Dafür sind wir ihm alle sehr dankbar“, so Kossendey. Preisträger Johannes Birk, Landschaftspräsident Thomas Kossendey, Preisträger Yulian Ide (von links). Foto: Jörgen Welp, Oldenburgische Landschaft Red. Die Oldenburgische Landschaft prämierte die Arbeiten zweier Nachwuchswissenschaftler mit dem Förderpreis „For- schung Regional“, die sich mit oldenburgischen Themen befassen. Den Förderpreis „Forschung Regional“ erhielt Johannes Birk für seine Bachelorarbeit „Lokale Amtspraxis im Herzog- tum Oldenburg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein Beispiel aus dem Kirchspiel Visbek (Amt Vechta)“. Die Arbeit ist an der Universität Oldenburg im Fach Geschichte entstanden. Birk widmet sich in seiner Untersuchung der Verwaltung auf dem Land, und zwar auf der untersten Ebene. Dabei nimmt er die Verwaltungspraxis von Kirchspielsvögten in den näheren Blick. Diese nahmen nach seinen Ergebnissen eine Mittlerrolle zwischen dem Staat und der bäuerlichen Gesellschaft ein. Die Kirchspiele waren die Vorläufer der heutigen Gemeinden. In der vorliegenden Ausgabe von „kulturland oldenburg“ schreibt Johannes Birk zur Quellenlage seiner Forschung. Den Förderpreis „Forschung Regional“ erhielt Yulian Ide für seine Masterarbeit „Schort.stories. Ein literaturanthropo- logisches Experiment auf dem Land vor dem Hintergrund der Heimatliteraturtradition in Friesland“. Die Arbeit ist an der Linke Seite: Ein ganz Preisträger und Geehrte Freien Universität Berlin im Fach Angewandte Literaturwissen- besonderer Tagungsort: des Landschaftstags 2019: schaft entstanden. Ide befasst sich im Rahmen eines Experi- die Wildeshauser Alexan Johannes Birk (Förderpreis derkirche. „Forschung Regional“), ments, das sagt der Titel ja bereits, mit der regionalen Literatur Yulian Ide (Förderpreis im nordwestdeutschen Raum in und um Schortens im Land- Diese Seite von oben: Die „Forschung Regional), Fol- kreis Friesland. Der Verfasser stellt die Frage, ob es einen Markt Redner des Landschafts- ker von Hagen (Ehrenna- für moderne Heimatliteratur gibt. tags 2019: Sylvia Meining, del), Angela Hillen (Ehren- Landrat Carsten Harings, nadel), Ernst-August Bode Ausgangspunkt seiner Masterarbeit war eine Postkarten- stellvertretende Bürger- (Landschaftsmedaille), aktion im Jahr 2015 in Schortens, in deren Zusammenhang die meisterin Evelyn Goos- Landschaftspräsident Tho- Webseite www.schortstories.weebly.com entstanden ist. Das mann, Landschaftspräsi- mas Kossendey (von links). gedruckte Buch mit den daraus entstandenen Geschichten ist dent Thomas Kossendey, Fotos: Jörgen Welp, Olden- Landschaftsgeschäfts burgische Landschaft bei epubli erschienen (ISBN 978-3-7375-6490-8). führer Dr. Michael Brandt, Der Förderpreis „Forschung Regional“ der Oldenburgischen Prof. Dr. Gunilla Budde, Landschaft ist mit jeweils 500 Euro dotiert. Pastor Markus Löwe (von links). Aus der Landschaft | 7
kulturland 2|19 Was wird durch die Gartenvogel-Fütterung erreicht? Vögel füttern – Einige Vogelkundler sehen allerdings in der Fütterung ein Problem: Vogelfütterung im Garten erreicht selten mehr als pro & contra zehn bis 15 Vogelarten. Diese haben bereits stabile oder wach- sende Populationen, keine ist in ihrem Bestand gefährdet. Futterstellen werden also kaum von denjenigen Vögeln genutzt, die Schutz brauchen. Man kann füttern, es lenkt aber von Von Jörg Grützmann wirklichen Problemen ab. Über 90 Prozent der heimischen Brut- vogelarten, vor allem die seltenen und bedrohten Arten, kommen gar nicht ans Futterhäuschen. Während häufige Arten wie Meisen und Amseln am Futterhäuschen wie im Paradies leben, haben Vogelarten, denen es besonders schlecht Tagung der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft geht, kaum etwas davon. Im Gegenteil: Die Winterfütterung im Herbst 2018 verschafft häufigen und an den Menschen angepassten Arten Einmal jährlich findet die Tagung der Oldenburger Ornitho einen weiteren Konk urrenzvorteil. logen statt. Bis zu 100 Vogelexperten diskutieren regelmäßig Der starke Rückgang vieler Vogelarten ist nicht auf den win- über die Vogelbestände des Oldenburger Landes sowie über terlichen Nahrungsengpass zurückzuführen. Daran sind sie den Schutz von Gebieten. Im Herbst 2018 kamen 70 Vogelkund- seit Urzeiten angepasst. Die Wintervögel überwintern von Na- ler im Museum für Natur und Mensch in Oldenburg zusam- tur aus bei uns in Mitteleuropa, sie kommen mit den winterli- men – die unterschiedlichen Themen sollen hier im kulturland chen Verhältnissen gut zurecht. Entscheidend ist, ob die Vögel vorgestellt werden, um sie einer breiten interessierten Öffent- einen geeigneten Lebensraum für sich finden. Der Rückgang lichkeit zur Kenntnis zu geben. vieler heimischer Vogelarten geht auf den Verlust oder die Ver- Ein großes Thema war und bleibt die Fütterung von Vögeln. schlechterung ihrer Lebensräume zurück. Ernsthaft bedrohte Vogelarten kann eine Winterfütterung nicht retten. Gartenvogel-Fütterung – ein sehr altes Thema Vielmehr entsteht im nächsten Frühjahr ein noch härterer Mit dem Einsetzen der winterlichen Witterung verspüren viele Konkurrenzkampf um Nahrung und Brutplätze, da auch Vogelliebhaber das Bedürfnis, für das Überleben ihrer gefie- schwache und kranke Vögel den Winter durch die Fütterung derten Freunde zu sorgen. Das allgemeine Denken hierzu ist überlebt haben. Vögel, die Winterfutter nicht annehmen oder tief verankert in der Vermenschlichung tierischer Not und nicht hier überwintern, geraten weiter ins Hintertreffen: Die dem Bedürfnis, vermeintlich notleidenden Mitgeschöpfen vor ankommenden Arten stoßen auf weniger Nistplätze. Die Gar- der Haustür helfen zu müssen. Peter Berthold beschreibt in tenvogel-Fütterung führt nur zum Häufigerwerden eh schon seinem Buch „Vögel füttern – aber richtig“ gefühlvoll die Lage weniger, aber häufig vorkommender Arten. Die anderen wer- im heimischen Garten: „Wir ziehen uns eine bunte, reizend den – ohne dass es bemerkt wird (denn es kommen ja immer anzuschauende Vogelschar direkt in unseren Garten hinein.“ viele Vögel zum Futterplatz) – verdrängt. 8 | Natur und Umwelt
kulturland 2|19 Vögel im heimischen Gar- ten – hier Meisen, Buchfin- ken und Rotkehlchen (von links) werden gerne von den Menschen gefüttert. Welche Konsequenzen das hat, ist wenig bekannt. Fotos: Pixabay Wie füttert man richtig? Viele Menschen haben ein tiefes Bedürfnis, zu helfen, einfach etwas zu tun. So ist der nächste Schritt oft der, den eigenen, häufig viel zu eintönigen Wer trotzdem Vögel füttern will, sollte einige Garten nun auch vogelfreundlich zu gestalten. Das eine tun und das andere Aspekte beachten. nicht lassen – unter diesem Motto könnten sich Winterfütterung und Natur- • Nur bei dauerhaft geschlossener, hoher schutz treffen. Schneedecke und gleichzeitigem Frost unter minus fünf Grad füttern. Wie können wir den Vögeln wirklich besser helfen? • Auf Sauberkeit am Futterplatz achten, da Jeder Gartenbesitzer kann schon auf kleinsten Flächen viel für den Vogel- sich sonst Krankheiten verbreiten. Die Futter- schutz leisten: Gartenstauden, Altgras oder Disteln sollten im Herbst stelle am besten täglich reinigen. stehen gelassen werden, da darin viele Insektenlarven überwintern – ein • Futter nie auf den Boden werfen. Es ver- Leckerbissen für viele Vögel. An den Stauden sind immer wieder Körner- mischt sich sonst mit dem Kot der Vögel fresser wie Finken zu beobachten, wie sie an den Samenständen picken. und kann besonders bei mildem Wetter Auch liegengelassenes Laub und Komposthaufen bieten Vögeln ein reich- zu tödlichen Vogelkrankheiten führen. Wir haltiges Nahrungsangebot. empfehlen ein Futtersilo. Echter Vogelschutz ist der Erhalt strukturreicher Landschaften und der • Liegt ein toter Vogel an der Futterstelle, Schutz natürlicher Lebensräume. Mit seinem Einkaufsverhalten kann jeder könnte das ein Zeichen für eine Infektions- Wirtschaftsformen unterstützen, die ein lebendiges Landschaftsmosaik krankheit unter den Vögeln sein. Futter anstatt ausgeräumter Agrarlandschaften der industriellen Landwirtschaft stelle abbauen, gründlich reinigen und erst fördern. Der Kauf von regionalen und biologisch angebauten Produkten nach zehn Tagen wieder füttern. hilft, strukturreiche Landschaften mit Lebensraum für viele verschiedene • Nie Speisereste füttern, da sie Gewürze Vogelarten zu erhalten. und Salz enthalten, die zum Tod der Vögel führen können. Lernen und Verstehen – das kostenlose Bildungsprogramm der • Als Vogelfutter geeignet sind Sonnenblumen- Gartenvogelwelt kerne, Hanf, Hirse, Getreidekörner, Fett- Dieser Aspekt gilt besonders für Kinder und Jugendliche, die immer weni- Kleie-Gemische, Haferflocken, Obst, Rosinen, ger Gelegenheit zu eigenen Beobachtungen und Erlebnissen in der Natur Futterringe und Futterknödel, Kokosnuss- haben. Nicht selten weckt der Spaß dann auch das Interesse, selber aktiv zu hälften mit Rinderfett oder Rindertalgstücke. werden und sich im Naturschutz zu engagieren. Hier kann die gut gemein- te Fütterung sehr positiv auf den Menschen selbst wirken. Weitere Hinweise: Die LBV-Broschüre „Natur Übersehen werden darf jedoch nicht, dass heute weitreichendere Maß- erlebnis Vogelfütterung – Was, Wann, Wie“ nahmen notwendig sind, um den Rückgang gefährdeter Vogelarten zu gibt wertvolle Tipps für das Thema (Heraus stoppen. Im Artenschutz muss deshalb Priorität haben, was die Vielfalt in geber: Landesbund für Vogelschutz Bayern). unserer Kulturlandschaft wirksam und möglichst langfristig fördert. Ge- zielte Agrarumweltprogramme zählen ebenso dazu wie Maßnahmen zur Pestizidreduktion, die Förderung angepasster Mahdtermine oder das zeit- weise Belassen von Stoppelfeldern nach der Ernte. Grundlage des Vogel- schutzes muss die Erhaltung, die Schaffung und die Pflege geeigneter Le- bensräume sein. Natur und Umwelt | 9
kulturland 2|19 Herzenssprache öffnet Türen und Herzen förde der je k t r Plattdeutsch in der Pflege pr o ischen urg oldenb chaf t lands Von Katrin Zempel-Bley „J ede Muttersprache, auch Plattdeutsch, ist gesundheitsfördernd“, ist Hella Einemann-Gräbert, Pflegepädagogin an den Berufsbildenden Schulen (BBS) Wildeshausen, überzeugt. Die 59-Jährige bildet Pflegekräfte aus und hält sich deshalb häufig in Pflegeheimen, oft auch mit demenziell erkrankten Bewohnern, auf. Bei vielen von ihnen ist Plattdeutsch die Mutter- „Die Menschen freuen sich, wenn sie in ihrer Her- zenssprache angesprochen werden. Es kann aber durchaus vorkommen, dass sie die Pflegekräfte mal verbessern, aber das ist nie böse gemeint.“ Die Pflegepädagogin kann sich bestens in die Pflegebedürftigen hineinversetzen. „Meine Her- zenssprache ist auch Plattdeutsch. Eine wunder- bare Sprache, mit der sich übrigens viele Dinge des Lebens so gut ausdrücken lassen. Sie hat nicht sprache. Hella Einemann-Gräbert spricht auch die Härte wie unser Hochdeutsch“, sagt sie. von „Herzenssprache“, weil sie buchstäblich Her- Aufgewachsen auf einem Bauernhof im Landkreis zen öffnet und Menschen zum Sprechen bringt. Oldenburg, wurde in ihrer Familie nur Platt- Gerade in der Pflege ist eine funktionierende Hella Einemann-Gräbert deutsch gesprochen. „Hochdeutsch war für meine Kommunikation besonders wichtig. Denn nur (oben) hat für Plattdeutsch Eltern Teufelszeug. Das lernte ich von den anderen in der Pflege gesorgt. über das Gespräch erfahren Pflegekräfte, wie es Foto: Katrin Zempel-Bley Kindern auf der Straße“, erzählt sie. den ihnen anvertrauten Menschen geht, ob sie Sprache bedeutet für die Pflegepädagogin etwas bedrückt, erfreut, ob sie Schmerzen oder Rechte Seite (von oben) Beziehung, Vertrauen und Angst nehmen. „Wenn Wünsche haben. Hella Einemann-Gräbert hatte In der Kooperationsein- Menschen miteinander sprechen, entstehen richtung „Haus Beckeln“ in vor über zehn Jahren ein zentrales Erlebnis mit Beckeln wird fleißig Platt- Schwingungen und Bilder. Sprechen wir in unse- einer dementen Bewohnerin, von der gesagt wurde, deutsch gesprochen. Hier rer Muttersprache, fühlen wir uns sicher, behei- sie spricht so gut wie gar nicht mehr. „Ich habe unterhalten sich Bewoh- matet, und es kann sogar sein, dass uns wohlig sie spontan auf Plattdeutsch angesprochen und nerin Minna Ebel und Aus- ums Herz wird“, macht sie deutlich. Das beob- zubildende Melanie Hacke. sie hat sofort auf Plattdeutsch geantwortet. Un- Foto: Hella Einemann-Grä- achten nicht nur Hella Einemann-Gräbert, son- ser Gespräch dauerte eine halbe Stunde, und es bert dern auch ihre Pflegeschüler und das Personal hat sich herausgestellt, die Muttersprache wirkte der Pflegeeinrichtungen, mit denen sie in en- wie eine Zaubersprache. Da ist auch mir das Herz Plattdeutsch-Sprachdozen- gem Kontakt steht. tin Dette Zingler (3. von aufgegangen.“ links) an den Berufsbilden- „Uns würde es doch nicht anders ergehen. Stel- Plattdüütsch in de Pleeg den Schulen Wildeshausen len Sie sich vor, wir sind weit entfernt von zu Hause, mit Schülern der Berufs- niemand spricht unsere Sprache, und plötzlich Daraufhin hat sie der Gedanke, Plattdüütsch in fachschule Klasse 3, die kommt jemand, der sie spricht. Das ist ein sehr anhand von Fallbeispielen de Pleeg (Plattdeutsch in der Pflege) zu verankern, in Rollenspielen Pflege- schönes Gefühl. Genauso ergeht es den Pflege- nicht mehr losgelassen. „Denn die Erfahrungen und Betreuungssituatio- bedürftigen, und wenn sie zudem dement sind, im Pflegealltag haben deutlich gezeigt, dass der nen lösen, und das mög- ist das noch viel bedeutsamer“, macht sie klar. Zugang zu pflegebedürftigen Menschen, deren lichst in plattdeutscher „Innere Unruhe und Anspannung, was bei ih- Sprache. Foto: Hella Eine- Muttersprache Plattdeutsch ist, stark profitiert, mann-Gräbert nen häufig vorkommt, können mit Hilfe ihrer wenn die Pflegekraft mit ihnen Plattdeutsch Muttersprache herabgesetzt, Krisen und Trauer spricht“, sagt die 59-Jährige. „Sprache wird buch- Wortschatzbroschüre mit besser bewältigt werden. Zudem kann ein Ver- stäblich zum Türöffner und erleichtert und ver- Alltagsbegriffen, Fachaus- wirrtheitszustand/Delir bei verängstigten Patien- drücken und Redewendun- bessert die Beziehung zwischen dem Pflegebe- gen, hrsg. vom Landkreis ten im postoperativen Zustand durch eine gute dürftigen und der Pflegekraft. Dabei kommt Oldenburg 2017. Begleitung in der Erstsprache minimiert oder so- es überhaupt nicht auf einen perfekten Sprachge- gar verhindert werden“, sagt Hella Einemann- brauch an“, betont Hella Einemann-Gräbert. Gräbert und wünscht sich, dass auch Kranken- 10 | Platt:düütsch
kulturland 2|19 der Landkreis Oldenburg, der ihr Engagement nach Kräften unter- stützt und sie bereits mit dem Kunst- und Kulturpreis ausgezeichnet hat. Darüber hinaus wurden Sprach-CDs und Videoclips erstellt und Fortbil- dungen organisiert. Das alles führte schließlich dazu, dass die Wildes- hauser Schule die erste berufsbilden- de „Plattdüütsch School in Nedder- sassen“ geworden ist. Den angehenden Pflegekräften ge- fällt der Unterricht auf Plattdeutsch, denn sie wissen längst, die Sprache kann vor allem in schwierigen pflege- rischen Situationen wie eine Brücke sein, weil sie Vertrautheit schafft und manchmal wirkt wie Medizin. Inzwischen wird Hella Einemann- Gräbert von der Kollegin Dette Zing- ler unterstützt, die Plattdeutsch unterrichtet. Im nächsten Jahr geht die engagierte Lehrkraft in den Ruhestand. Ihr Ziel, Plattdeutsch an der Schule zu implementieren, hat sie erreicht. Ruhe wird in ihrem Le- ben aber nicht ausbrechen. Die lei- häuser ihrem Pflegepersonal Plattdeutsch in der Unterstützung der Oldenburgischen denschaftlich Plattdeutsch sprechen- Pflege anbieten würden. Landschaft die Übersetzungshilfe de Pflegepädagogin, die von sich Energie und Engagement „Plattdeutsch in der Pflege“. Eine klei- sagt, schon immer sozial getickt zu ne Wortschatzbroschüre für Berufe haben, denkt über plattdeutsches Hella Einemann-Gräbert steckt voller Energie. im Gesundheitswesen mit Alltags- Kabarett nach und hat bereits kon- Ist sie erst einmal von etwas überzeugt, muss begriffen, Fachausdrücken, Rede- krete Pläne, die sie jedoch erst spä- sie es umsetzen. Dabei geht sie durchaus unkon- wendungen sowie Hinweisen zur ter verrät. ventionelle Wege. „Ich habe einfach mal drei Aussprache und Grammatik. Wochen mit meinen Schülern im Unterricht Platt „Die Verantwortlichen in der Ol- gesprochen, und das ging prima. Dann habe denburgischen Landschaft haben ich ein pädagogisches Konzept entwickelt und schnell die Bedeutung des Vorha- das weitere Vorgehen mit meiner Schulleitung bens erkannt“, freut sich Hella Eine- besprochen“, berichtet sie weiter. Inzwischen gibt mann-Gräbert, die nach über zehn es an den BBS Wildeshausen ein entsprechendes Jahren Arbeit über ein großes Netz- Curriculum. Darüber hinaus entwickelte sie mit werk verfügt. Zu diesem gehört auch Platt:düütsch | 11
kulturland 2|19 Ihre Skulpturen sollten etwas erzählen Die Bildhauerin Anna Maria Strackerjan (1919–1980) Von Jürgen Weichardt I hre Ateliers waren seit Ende der Fünfzigerjahre Treff- Wohl hatte sie in München noch eine an der Formenstrenge punkte mit Künstlern und Freunden der Kunst sowie des 19. Jahrhunderts orientierte klassische Bildhauer-Ausbil- Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Sie wurden dung erhalten; doch die ältesten in Fotografien überlieferten Orte der Diskussion und warben für ein positives Mei- Arbeiten, Gipsmodelle von 1942 mit Themen wie „Flüchtlinge“ nungsbild zur aktuellen Kunst. Vor 100 Jahren, am 23. und „Der verlorene Sohn“, lassen, sofern die Datierung stimmt, Februar 1919 geboren, war Anna Maria Strackerjan die frühe Kenntnis von Arbeiten von Käthe Kollwitz und Ernst Künstlerin in Oldenburg, die die Skulptur in die Moderne Barlach vermuten. überführt hat. Zugleich überwand sie die unsichtbare Grenze Anna Maria Strackerjans Werk zeigt mehrere stilistische zwischen Künstler- und bürgerlicher Gesellschaft. Geholfen Phasen, die zwischen einer Annäherung an eine realistische hat, dass Anna Maria Strackerjan aus einer alten Oldenburger menschliche Gestalt und einer möglichst weit gefassten Abs- Familie stammte, aus der im 19. Jahrhundert namhafte Päda- traktion schwanken. Eine differenzierende Rolle spielen dabei gogen, Bibliothekare und regionale Politiker hervorgetreten die Materialien wie Bronze, Eisen, Terrakotta, Gips über Draht waren. sowie die Gattungen wie Statuen, Reliefs, Kleinplastiken und nicht zuletzt die Orte öffentlicher Präsentation wie Parks, Stra- Zwischen einer Annäherung ßen, Plätze, Hauswände oder Türen. Ab 1951 erarbeitet Anna Maria Strackerjan Plastiken mit Themen menschlicher Tätigkeit wie „Sängerin“, „Lesende“ an eine realistische menschliche oder „Sitzende“, traditionelle Motive, denen sie aber eine eigen- ständige Form gegeben hat. Besonders in Eisenstatuen von Gestalt und einer möglichst 1952 verzichtet sie ganz auf körperliche Volumina; sie scheint die Körperhaltung aus einem Eisenband gebogen und aus weit gefassten Abstraktion geschnitten zu haben und erreicht dadurch eine hohe Abstrak- tion. Zum ersten Mal hat sie sich jener Grenze zur Ungegen- ständlichkeit genähert, die ältere Kollegen wie Julio Gonzales oder Karl Hartung schon überschritten hatten. Eine Christo- Nach ihrer Schulzeit in Oldenburg ließ sich Anna Maria phorus-Statue in Bronze bedeutete dann die Rückkehr zu huma- Strackerjan zunächst als Buchhändlerin in Hamburg und Ber- nistischen Stoffen, die ihr Werk in der Folgezeit prägen sollten. lin ausbilden, um dann noch während des Krieges in Mün- Diese Bronze wurde 1954 vom Niedersächsischen Kultusminis- chen mit dem Kunststudium zu beginnen. Nach dem Krieg war terium erworben. Mit ihr und anderen Werken jener Zeit hatte sie als Werklehrerin in Einrichtungen der amerikanischen Anna Maria Strackerjan zu einer Darstellung gefunden, bei der Besatzung tätig und überstand so die ersten Nachkriegsjahre, die Flächigkeit der vorausgegangenen Eisenfiguren mit einer bis sie 1950 in Stockholm bei dem vor den Nazis emigrierten sanfteren, der menschlichen Silhouette entsprechenden Kon- Bildhauer Karl Helbig ihr Studium fortsetzen konnte. Nach tur verbunden wurde. dessen Tod 1951 kehrte Anna Maria Strackerjan nach Olden- Es lag nahe, dass die ständige Beschäftigung mit der mensch- burg zurück. lichen Figur die Künstlerin von der schlichten Glätte wieder 12 | Porträt
kulturland 2|19 Porträtaufnahme von Tõnis Käo, ca. Ende der 60er-Jahre (linke Seite). Tõnis Käo war Produkt wegführte zu einer Annäherung an körpernahe designer, später Vorsitzen- Formen. Ein Beispiel ist das Mädchenpaar, das der des Deutschen Werk- die EWE als „Mädchengruppe“ 1954 erworben bundes. hat. Im gleichen Jahr schuf die Künstlerin auch „Schuh“ (oben), Kulturpreis eine Bronze „Kleines Mädchen“, ein Werk, bei der Oldenburgischen Land- dem die Form wieder körperlicher und die Ober- schaft für Gertrud Meyer- fläche der Bronze stärker reliefiert wurde, also Denkmann, sie war in gegenüber den glatten Eisenplastiken ein Schritt Oldenburg die beste Freundin Anna Maria Stra- in Richtung einer realistischen Figuration. ckerjans. Foto: Hartmut Zwischen 1954 und 1960 war Anna Maria Stra- Witte ckerjan vorwiegend mit öffentlichen Aufträgen beschäftigt: Mit strengen Mädchenfiguren für die „Daphne“ (rechts), Modell für die Auftragsarbeit für EWE, mit einer „Mutter und Kind“-Skulptur aus das Staatstheater (diese Sandstein für eine Kaserne fand sie zunächst zu war aufgestellt im oberen einer weichen Realismus-Darstellung, die auch Foyer, seit vielen Jahren im in Reliefs etwa für die Tafeln der Gedenk-Instal- Depot). Foto: Hartmut Witte lation im Alten Gymnasium zum Ausdruck kam. Eine Sonderstellung inmitten figurativer Men- schen- und Tier-Motive, erinnert sei an die „Kra niche“ im Schlossgarten, nimmt das Leobschütz- Denkmal ein, ein schlichter Stein, der nach oben schmaler wird und auf einer Seite die Inschrift zur Erinnerung an die bis 1945 deutsche Stadt trägt. Doch allmählich wagte die Künstlerin auch in Auftrags- und Wettbewerbsarbeiten, sich vom Realismus zu entfernen: Der leider zerstörte Wand- brunnen im Pavillon des Schlossgartens deutete Porträt | 13
kulturland 2|19 1958 mit „Blätter“ eine Lockerheit der Komposition an, die entfernt an Calders Mobiles erinnerte. Und die späteren Brunnen im Herbartgang zeigten in ihrem Mittelteil schlichte Fantasieformen. Aber die figuren- freie Abstraktion war nicht ihr Weg. Anna Maria Strackerjans Skulpturen sollten etwas zu erzählen haben, nicht zuletzt aus dem humanistischen Erbe der europäischen Geschichte, aber ohne dabei auf die klassisch- klassizistischen Standards zurück- greifen zu müssen. Das zeigt sich an den Arbeiten, die ab 1960 entstan- den sind. In den von Wettbewerbszwängen freien Atelierarbeiten standen in den späten Fünfzigerjahren zunächst neue Materialerfahrungen mit Terra- kotta-Tierfiguren im Mittelpunkt. Dann entstanden neue Plastiken mit der menschlichen Figur, „Liegende“ und „Etruskerin“, 1960, gleichfalls eine liegende Figur, vielleicht thema tisch angeregt von den mächtigen Bronzen Henry Moores, die damals die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Anna Maria Strackerjan war infor- Die „Fromme Helene“ in miert, aber sie suchte, das neu gewer- der Wilhelm-Busch-Straße Das letzte Jahrzehnt ihres Schaffens fällt in eine Zeit, in der in Oldenburg entstand tete traditionelle Thema „Liegende“ 1969. Sie bezieht sich Philosophen wie Derrida und Foucault von der „Postmoderne“ nach eigenen Formvorstellungen zu auf die gleichnamige gesprochen haben, kein Stilbegriff, sondern im Gegenteil ein entwickeln. Die Gestalt blieb nach- Geschichte von Wilhelm Ausdruck für eine Befreiung vom Zwang zum Stil, der für vollziehbar, doch die Anatomie wurde Busch (1832–1908), in Anna Maria Strackerjan ohnehin keine allzu große Bedeutung der er die Bigotterie des von autonomen plastischen Linien Bürgertums karikiert. hatte. In dieser Zeit entstanden im Atelier einige große Werke und Durchbrüchen bedrängt. Die fast Foto: Hartmut Witte Die figurenfreie Abstraktion reliefartige Gruppenplastik „Män- ner tragen Kinder“, 1960, zeigt die- sen erneuten Auflösungsprozess der körperlichen Form und damit war nicht ihr Weg den neuen Schritt zur Abstraktion am deutlichsten. wie „Römischer Kaiser“ und „Infantin“ aus Gips und Draht- Manchmal hat die Bildhauerin geflechten, was ihnen ein fragiles Aussehen gab. In vielerlei ältere Motive wieder aufgegriffen: Hinsicht ist diese optische Brüchigkeit Teil der Aussage über 1954 hatte sie ein „Schreitendes Vergänglichkeit und Ruhm. Paar“ mit Gleichklang und Paralle- In ihren Kleinplastiken vom „Torso“, 1962, bis zur Kleider- len geformt, 1961 bewegen sich die reihe, 1976, wird die Hülle zum Träger der Form, nicht der beiden Gestalten aufeinander zu, Körper. Beim „Torso“ ist es noch die Haut des Oberkörpers, statt Harmonie nun eher ein deutli- bei den Kleidern die schöne Vielfalt der Draperie und bei der cher Unterschied. „Daphne“ das Geäst des Baumes. Was geblieben ist, wird von Bernd Wagenfeld, der zusammen mit Anne Wagenfeld einen ersten retrospektiven Bildkatalog geschaffen hat, bewahrt. Frei nach Hölderlin: „Was aber bleibet, das stiften die Künstler“. 14 | Porträt
kulturland 2|19 Literaturtage in Varel r förde der Obwohl sie eine lange Tradition haben, sind und Dangast t die Niedersächsischen Landesliteraturtage alles projek ischen urg oldenb chaf t andere als traditionell. Vielmehr erfinden sie lands sich, inspiriert vom Genius Loci, jedesmal neu. 20 Autoren kommen an den Jadebusen So ist es auch diesmal, unter der künstlerischen Leitung des Vareler Autors Achim Engstler. Wir werden Lyrik in der Turmloge der Vareler Schloss- Red. Seit mehr als 50 Jahren werden vom Verband kirche hören, Krimis im Dangaster Kurhaus, kurze deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) Prosa im Franz-Radziwill-Haus, Erzählungen in Niedersachsen und Bremen die Niedersächsi- auf der Vareler Schleuseninsel, es gibt eine Roman- schen Landesliteraturtage veranstaltet. Viermal Lesung in einer alten Vareler Fabrik, und es wird gastierten die Literaturtage bisher in unserer erstmalig der Gerd-Lüpke-Preis für die beste platt- Region, in Oldenburg, Jever, Dangast und zuletzt, deutsche Kurzgeschichte verliehen. Mit dabei organisiert von Regine Kölpin, in Sande und sind so renommierte Autorinnen und Autoren wie Neustadtgödens. In diesem Jahr findet die viertä- Marion Poschmann, Georg Klein, Gerhard Hen- gige Veranstaltung unter dem Titel „Horizonte“ schel, Guntram Vesper, Gabriela Jaskulla, Susanne in Varel und Dangast statt. Zwanzig Autorinnen Kliem und Jochen Schimmang. Infos unter: und Autoren werden vom 19. bis zum 22. Septem- www.literaturtage-niedersachsen.com/ ber am Jadebusen aus ihren aktuellen Texten lesen und für Gespräche zur Verfügung stehen. PROGRAMM DONNERSTAG, 19. SEPTEMBER 2019, 20 UHR SAMSTAG, 21. SEPTEMBER 2019, 13 UHR Waisenstift, Waisenhausstraße 19, 26316 Varel Treffpunkt Schlossplatz, 26316 Varel Eröffnungsveranstaltung „Horizonte der Literatur“ (Eintritt frei) Literarischer Stadtgang (Teilnahme kostenlos) Mit dem Landrat des Landkreises Friesland, Sven Ambrosy, Mit Helga von Eßen und Karl-Heinz Martinß dem Bürgermeister der Stadt Varel, Gerd-Christian Wagner, der Vorsitzenden des VS Niedersachsen/Bremen, Sabine Pri- SAMSTAG, 21. SEPTEMBER 2019, 15 UHR lop, der PEN-Präsidentin Regula Venske und der vielfach aus- Turmloge der Vareler Schlosskirche, Schloßplatz, 26316 Varel gezeichneten Autorin Marion Poschmann, die aus ihren Wer- „Vershorizonte“. Lyrik (Eintritt 10/8 €) ken lesen wird. Mit Inge Buck, Annette Hagemann und Christian Lehnert Moderation: Achim Engstler. Musik: „Violino classico“ Moderation: Astrid Dehe. Musik: Kammerchor der Schloss kirche Varel, Leitung Dorothee Bauer FREITAG, 20. SEPTEMBER 2019, 16 UHR Weltnaturerbeportal, Edo-Wiemken-Straße 61, 26316 Varel SAMSTAG, 21. SEPTEMBER 2019, 20 UHR Verleihung des Gerd-Lüpke-Preises für die beste plattdeut- Winicker & Lieber, Hansastraße 1, 26316 Varel sche Kurzgeschichte zum Thema „Nich to glöven“ Literatur in der Fabrik „Einblicke“ (Eintritt 12/10 €) Lesung der Preisträger (Eintritt frei) Mit Georg Klein und Gerhard Henschel Moderation: Esther Willbrandt FREITAG, 20. SEPTEMBER 2019, 20 UHR Kurhaus Dangast, An der Rennweide 46, 26316 Varel SONNTAG, 22. SEPTEMBER 2019, 11.30 UHR „Killing You Softly“. Krimi-Nacht (Eintritt 10/8 €) Franz-Radziwill-Haus, Sielstraße 3, 26316 Varel Mit den Crime-Ladies Susanne Kliem und Tatjana Kruse „Worthorizonte“. Kurze Prosa (Eintritt 10/8 €) Musik: „Kleinstadtblues“ Mit Sudabeh Mohafez und Guntram Vesper Moderation: Konstanze Radziwill/Achim Engstler SAMSTAG, 21. SEPTEMBER 2019, 11 UHR Bücherei der St.-Bonifatius-Kirche, 26316 Varel SONNTAG, 22. SEPTEMBER 2019, 15 UHR „Vareler lesen Vareler Texte“ (Eintritt frei) Bistro Vareler Schleuse, Am Hafen 80, 26316 Varel Gelesen, geslamt und vorgestellt werden Texte aus vier Jahr- Literatur auf der Schleuseninsel „Bis zum Horizont und weiter“ hunderten (Eintritt 8/6 €) Moderation: Godehard Gottwald Mit Gabriela Jaskulla und Jochen Schimmang Literatur | 15
kulturland 2|19 Zum 150-jährigen Jubiläum der Seehafenstadt Wilhelmshaven darf ein Brillantfeuerwerk nicht fehlen. Im Vordergrund die Kaiser-Wilhelm-Brücke. Foto: Rainer Ganske Symbiose von Tradition Unverkennbar: Michel aus Lönneberga, der blonde Lausbub auf dem Titel des und Moderne Programmflyers der Frei- lichtbühne Lohne. Foto: Freilichtbühne Lohne Kultureller „Hochsommer“ im Oldenburger Land Freilichtbühne Lohne Auf der Freilichtbühne Lohne (Kreis Vechta) Von Günter Alvensleben herrscht in dieser Spielsaison „Der nackte Wahn- sinn“. Das Stück von Michael Frayn, das dar- stellt, wie Schauspieler eine Boulevardkomödie proben, sich aber in einem gruppendynami- Die Sommerzeit im Oldenburger Land ist immer wieder geprägt schen Zerrüttungsprozess verstricken, hat Re- von einem vielfältigen, niveauvollen Kulturangebot und das gisseur Mark Spitzauer tiefgründig umgesetzt. zumeist unter freiem Himmel. Vom Jadebusen bis zum südli- Vom 24. August bis 14. September haben die chen Oldenburger Münsterland stehen zahlreiche erlebenswerte, Besucher Gelegenheit, diesen herrlichen Wahn- hochkarätige Veranstaltungen im Kulturkalender. Neben den sinn mitzuerleben. Für junge Theaterbesucher zugkräftigen professionellen Angeboten tragen vor allem auch hat man „Michel aus Lönneberga“, die Schmunzel- die Programme von kulturschaffenden Vereinen, deren Mit- geschichte von Astrid Lindgren, bis zum 11. Au- glieder sich ehrenamtlich, begeistert, engagiert und gekonnt gust auf den Spielplan gesetzt. Und wer kann einbringen, zum kulturellen „Hochsommer“ im Oldenburger Missgeschick, Schabernack und allerlei Unfug Land bei. Dazu gehören Freilichttheater, die für ihre brillanten von Michel Svensson, dem blonden Lausbuben, Inszenierungen bekannt sind, Musik- und Brauchtumsveran- besser ins rechte Licht rücken, als der seit Jah- staltungen sowie exzellente Sonderevents. Das breitgefächerte ren für seine einfallsreichen Inszenierungen be- Veranstaltungsspektrum spricht alle Generationen und Bevöl- liebte Regisseur René Schack. In diesem Jahr kerungskreise an. Nachfolgend einige „Einblendungen“. gab es auch schon ein Experimentiertheater mit 16 | Kultureller Sommer
kulturland 2|19 einem Stück von Kindern geschrieben vielseitige Schauspielerin und Regisseurin, das Stadt Oldenburg und gespielt: „Der 35. Mai“. Jeweils aufwendige Stück einstudiert. Etwas lustiger Selbstverständlich kann man sich bis zu 40 ehrenamtliche Darsteller und entspannter geht es bei „Pippi Langstrumpf“ auch wieder auf den „Oldenburger und dazu zahlreiche ehrenamtliche (21. Juni bis 6. Juli), dem Klassiker von Astrid Kultursommer“ freuen. An zwölf Helfer sorgen für den erfolgreichen Lindgren, zu. Die Regisseurin Inge Misegades- Tagen, vom 17. bis 28. Juli, wartet Ablauf der Spielzeit. Der Zuschauer- Kroll, die alljährlich in Westerstede das Winter- Oldenburg mit einem vielfältigen, raum (780 Sitzplätze) ist überdacht. märchen inszeniert, freut sich auf ihre erste Regie- ausgefeilten Kulturprogramm auf. www.fblohne.de arbeit unter freiem Himmel. Auch in Westerstede Die Innenstadt präsentiert sich wie- spielt das ehrenamtliche Element eine bedeuten- der als ein extravagantes Open-Air- de Rolle. Beide Stücke sind mit 45 Darstellern Kulturzentrum mit international besetzt. Die Besuchertribüne ist mit einer Über- ausgerichteten Konzerten, Theater, dachung gegen Wind und Wetter geschützt. Sonderausstellungen, Lesungen, www.freilichttheater.info Open-Air-Kino, einzigartigen Show- darbietungen und mit besonderen Rastede Pauken und Trompeten stehen auch in diesem Sommer im Ammerlän- Hochherrschaftlich geht es in Westerste- der Residenzort Rastede de auf dem Alten Markt zu. Das schicke im Vordergrund. Wenn Brautpaar (Stephanie van Doorn, Andreas Petzold) im Stück „Die Braut von Fiken- vom 28. bis 30. Juni im solt“. Foto: Touristik Westerstede Umfeld des Residenz- schlosses die „64. Inter- Freilichttheatergemeinschaft nationalen Musiktage“ Das Konzert mit der Gruppe KC Roberts & The Live Revolution gehört Westerstede und gleichzeitig der mit zu den Höhepunkten des „Oldenburger Kultursommers“. Foto: Kulturetage Oldenburg Auf den Pfad der Geschichte begibt „14. European Open sich in der Ammerländer Kreisstadt, Championship“ der „World Association of Mar- Familien- und Kinderprogrammen. gefördert von der Oldenburgischen ching Show Bands“ (WAMSB) unter der Schirm- Besondere Höhepunkte sind unter Landschaft, die Freilichttheater herrschaft von Christian Herzog von Oldenburg anderem das Eröffnungskonzert „Les gemeinschaft Westerstede mit dem im Veranstaltungskalender stehen, dann zeigen Amazones d’Afrique“ (World Music Schauspiel „Die Braut von Fikensolt“ 71 Fanfaren- und Spielmannszüge, Showbands, Afrika), die Konzerte mit den Grup- und greift damit ein heimatgeschicht- Drum Corps, Konzertbands und Musikgruppen pen „KC Roberts & The Live Revo liches Thema auf, das sich mit ei- aus Deutschland, Holland, Polen, Belgien, Thai- lution“ (19. Juni) und „Rupa & The nem vor 350 Jahren (am 6. Oktober April Fishes“ (25. Juli) 1669) datierten Ereignis befasst. sowie mit Rocky Dawu- Vom 22. Juni bis zum 7. Juli verwan- ni (Afrobeat, 20. Juli). delt sich der Alte Markt zu Füßen Auch der Globale Lokal- der St.-Petri-Kirche in eine Welt des tag, „Global Lokal“ Adels mit Rittern, Knappen, Burg- (21. Juli), der Mig ra herren, Junkern, Brautjungfern, tionsgruppen und loka- Hofleuten und Gesinde sowie mit len Bands gewidmet Soldaten, Henker und Zigeunerin. ist, und vor allem die Dabei fehlen auch Kampfszenen und „Musik für Kids“ „Blind- fröhliche Festszenen nicht. Es geht Die „Internationalen Musiktage“ in Rastede, ein faszinierendes Hör- und fische“, Toni Geiling der Sage nach um einen Giftmord, Seherlebnis, ziehen vor allem bei den großen Musikshows und Marsch- und Wolkenorchester, paraden die Besucher in ihren Bann. Foto: Rasteder Musiktage der in Wahrheit ein „normaler“ Er- (28. Juli), gehören zu stickungstod war. Das Stück der be- land und Malaysia ihr Können auf höchstem Niveau. den Spitzendarbietungen. Alles in kannten Autorin Erika-Janna Peter- An dem farbenfrohen und abwechslungsreichen allem ein Kultursommer nicht nur sen stand bereits 1972 und 1975 mit Musikspektakel nehmen über 3100 Musiker teil zum Zuschauen, sondern zum Erle- dem erfolgreichen Oldenburger Re- und üben bereits für die Teilnahme an der 2021 ben und Mitmachen. gisseur Rudolf Plent auf dem Spiel- in Rastede stattfindenden „Weltmeisterschaft www.kulturetage.de plan. In diesem Jahr hat Elke Münch der WAMSB“. (Wilhelmshaven), eine künstlerisch www.rastedermusiktage.de Kultureller Sommer | 17
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