MITTEILUNGEN DES VERBANDES DER DEUTSCHEN HÖHLEN- UND KARSTFORSCHER E.V - NR. 2/2017 - VDHK
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Mitteilungen des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. ISSN 0505-2211 H 20075 Nr. 2/2017 Jahrgang 63 2. Quartal
Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. Lieferbare Veröffentlichungen Mitgliederpreise in Klammern. Buchhändler: 25 % Rabatt auf Nichtmitgliedspreis (nicht auf Pakete). Preise zzgl. Porto/Verpackung. Gültig ab 1. Oktober 2015. Mitteilungen des VdHK Heft 35: R. Hartmann: Die Fauna der Höhlen und Bergwerke des 4 Hefte bilden einen Jahrgang, z.T. als Doppelhefte erschienen Westharzes. – 66 S., 2004. Bestellungen direkt beim Autor: Dr. Rainer (nur noch Einzelexemplare vorhanden) 1981-1991: 5,00 € Hartmann, August-Spindler-Straße 1, 37079 Göttingen, Preise pro Jahrgang: 1992-2009: 10,00 € har tmann@har tmann-anal ytik.de 12 € ab 2010: 20,00 € Heft 36: D. Weber: Die Höhlenfauna und -flora des Höhlen- (Einzelhefte je 1/4, Doppelhefte je 1/2) katastergebietes Rheinland-Pfalz/Saarland, 5. Teil. – CD-ROM, München 2012. Bestellungen beim Autor D. Weber, s.o. 39 € Abhandlungen zur Karst- und Höhlenkunde Heft 7: D. Burger et al.: Die Olgahöhle in Honau. – 64 S., 2. Aufl., Jahrbuch Karst und Höhle 1988 2 (1) € 1980: Forschungsergebnisse aus dem Geisloch bei Oberfellendorf Heft 19: P. Baecker: Über die Entstehung tiefreichender Erdfälle und und benachbarten Höhlen um Muggendorf und Streitberg (Nördl. Höhlensysteme. – 82 S., 1982 7 (5) € Frankenalb). – III+74 S., 10 Anl., 1981 3€ Heft 20: M. Gauda et al.: Röhrenstrukturen und röhrenförmige 1981: Beiträge zur Höhlenforschung in Deutschland. – 159 S., 1982 Höhlen im pfälzischen Buntsandstein. – 102 S., 1982 7 (5) € 7 (5) € Heft 21: H. Gebauer: Kurnool 1984. Bericht der höhlenkundlichen 1989/1990: Beiträge zur Geschichte der Karst- und Höhlenforschung Forschungsreise in den Bezirk Kurnool von Andhra Pradesh, Indien. in Deutschland, Teil 1. – 230 S., 1991 9 (7) € – 77 S., 1985 2€ 1998/1999: Die Moggaster Höhle. Eine der bedeutendsten Höhlen Heft 22: D. Weber: Die Höhlenfauna und -flora des Katastergebietes der Fränkischen Schweiz. – 276 S., 2000 9 (7) € Rheinl.-Pfalz/Saarland. – 157 S., 1989 9 (7) € 2000/2001: Hochifen und Gottesacker. Eine Karstlandschaft zwischen Heft 23: D. Weber: Die Höhlenfauna u. -flora des Katastergebietes Bregenzer Wald und Allgäuer Alpen. – 221 S., 2000 16 (14) € Rheinl.-Pfalz/Saarland. – 2. Teil, 250 S., 1990 9 (7) € 2002/2003: Der Schwarzmooskogel. Höhlen- und Karstforschung Heft 25: D. Weber: Die Evertebratenfauna der Höhlen und künst- im westlichen Toten Gebirge. – 235 S., 2004 9 (7) € lichen Hohlräume des Katastergebietes Westfalen einschließlich der 2004/2005: Berchtesgadener Alpen. – 237 S., 2005 18 (16) € Quellen- und Grundwasserfauna. – 701 S., 1991 10 (8) € 2006/2007: Die Höhlen des Winterberg-Steinbruchs bei Bad Grund/ Heft 28: H. Binder: Der Ingenieur und Dichter Max Eyth (1836– Harz. – 178 S., 1 Anl., 2008 10 (8) € 1906) und sein Plan der Mammuthöhle in Kentucky (USA) aus dem 2008/2010: Südliche Frankenalb – Region Altmühl- und Donautal. Jahr 1866. – 35 S., 1997 4 (3) € 245 S., 2010 19 (17) € Heft 29: D. Weber: Die Höhlenfauna u. -flora des Katastergebietes 2011/2014: Thüringen. – 368 S., 2014 25 (22) € Rheinl.-Pfalz/Saarland. – 3. Teil, 322 S., 1990 7 (5) € Heft 30: J. Siemers: Simulation von Karst-Aquiferen. Eine numerische Untersuchung zur Bildung von zweidimensionalen Höhlensystemen Bibliographie zur Karst- und Höhlenkunde in durch Verkarstungsprozesse. – 146 S., Diss. Univ. Bremen, 1998 Deutschland 7 (5) € Heft 31: St. Kempe, U. Fricke, A. Kleinschmidt & F. Reinboth: Die 1970–1972: 1.020 Titel, 1976 2 (1) € Baumannshöhle im Harz, ihre Bedeutung für die Wissenschaftsge- 1976–1977: 1.083 Titel, 1980 2 (1) € schichte, ihre Darstellung durch Johann Friedrich Zückert, der Arzney- 1980–1981: 1.518 Titel, 1985 2 (1) € gelahrtheit Doctor, 1763, und was heute noch davon zu sehen ist. – 1982–1983: 1.329 Titel, 1986 2 (1) € 55 + XXVI S., 5 Abb., neuer Baumannshöhlenplan, 1999 7 (5) € 1984–1985: 1.282 Titel, 1988 2 (1) € Heft 32: St. Zaenker: Das Biospeläologische Kataster von Hessen. Serie eingestellt. Die Fauna der Höhlen, künstlichen Hohlräume und Quellen. – CD- ROM; München 2001 [Erhältlich nur noch als Fortschreibung zum 12.4.2008]. Bestellungen direkt beim Autor: Stefan Zaenker, Königs- Kleine Schriften zur Karst- und Höhlenkunde warter Str. 2a, 36039 Fulda, webmaster@hfc-hersfeld.de Heft 18: Kleiner Führer zu den Exkursionen der 21. Jahrestagung Heft 33: D. Weber: Die Höhlenfauna u. -flora des Katastergebietes des VdHK vom 19.-21.10.1979 in Ennepetal, Ennepe-Ruhr-Kreis. – Rheinl.-Pfalz/Saarland. – 4. Teil, CD-ROM, München 2002. 71 S., 1979 5 (3) € Bestellungen direkt beim Autor: D. Weber, Kirchgasse 124, 67454 Heft 21: Kleiner Führer zu den Exkursionen der 24. Jahrestagung Haßloch, dieter.weber124@gmx.de 29 € des VdHK vom 10.-13.5.1984 in Sonnenbühl-Erpfingen (Landkreis Heft 34: W. Rosendahl, M. Morgan & M. López-Correa: Cave-Bear- Reutlingen). – 24 S., 1984 5 (3) € Researches/Höhlen-Bären-Forschungen. – 112 S., 2002 12 (10) € Serie eingestellt. Wir bieten folgende Publikationspakete zu stark herabgesetzten Preisen an: Paket A bestehend aus allen noch nicht vergriffenen Mitteilungen ab 1992 zum Preis von 35 € Paket B bestehend aus allen noch nicht vergriffenen Abhandlungsheften bis einschließlich 2000 zum Preis von 40 € Paket C bestehend aus allen noch nicht vergriffenen Jahrbüchern Karst und Höhle zum Preis von 50 € Paket D bestehend aus Paket A , B und C zum Preis von 100 € Bezug: Vertriebstelle des VdHK Jutta und Stefan Uhl, Waldamtstr. 16, 90411 Nürnberg Tel. 0177/2368256 oder 0172/8946053, vertriebsstelle.vdhk@gmx.de Bei Bestellungen bitte zusätzlich anrufen! 50 Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2)
Mitteilungen Editorial VdHK-Jahrestagung 2017 des Verbandes der deutschen Die Jahrestagung 2017 findet anlässlich des Jubiläums „70 Jahre Höhlen- und Heimatverein Laichingen e. V.“ vom 15. - 18. Juni 2017 Höhlen- und Karstforscher e. V. in Laichingen statt. Weitere Informationen siehe www.vdhk.de. ISSN 0505-2211, Jahrgang 63, Nr. 2 Internationaler Kongress 2017 17th International Congress of Speleology (17th ICS), Speleo 2017, Inhalt Sydney, Australien, 23. - 29. Juli 2017, Details siehe www.speleo2017.com Solidaritätsfonds Editorial ............................................................................... 51 Selbst bei maximaler Vorsicht passieren Unfälle mit unabsehbaren Kosten. Grundlegend wichtig ist stets die private Unfallversicherung Detlev K. Richter, Friedhart Knolle, – sie sollte zur üblichen Lebensvorsorge gehören. Doch alle heute Stefan Meyer und Denis Scholz bestehenden Versicherungen haben Lücken, was die Abdeckung der Erste weichselzeitliche Kryocalcit-Vorkommen in Höhlen Bergungskosten betrifft, denn diese werden meistens nur bis zu gerin- des Iberg/Winterberg-Riffkomplexes (Harz) ......................... 52 gen Summen abgesichert (üblicherweise 2.500 €) und die Zahlung setzt einen Körperschaden (Unfall) voraus. Hochwassereinschlüsse Hildegard Rupp ohne Personenschaden und unnötig ausgelöste Suchaktionen werden Die bronzezeitliche Fledermausfauna (Chiroptera, nicht finanziell abgesichert. Der Verband hatte daher 1995 beschlos- sen, einen selbstverwalteten Bergungskosten-Solidaritätsfonds zu Mammalia) der Lichtensteinhöhle im Südharz im Spiegel gründen. Alle Mitglieder sind aufgefordert, sich zu beteiligen – auch paläoökologischer Rekonstruktionen .................................... 58 Forscher, die nicht mehr aktiv sind. Mitglied wird man durch Ein- zahlung von 26 € auf das Fonds-Konto: Volksbank Laichingen, BIC: Biospeläologie ...................................................................... 65 GENODES1LAI, IBAN: DE12 6309 1300 0001 4920 12. fk Höhlenrettung ..................................................................... 70 Redaktionsschlüsse der Mitteilungen – bitte beachten Heft 1: 1. Januar, Heft 2: 1. April, Heft 3: 1. Juli, Heft 4: 1. Oktober. Berichte.................................................................................. 72 Der Verband im Internet Personalia ............................................................................. 77 www.vdhk.de Bitte lesen Sie regelmäßig die dort bekanntgegebenen Veranstal- Schriftenschau...................................................................... 78 tungstermine. Speleothek............................................................................ 79 Abo der Verbandsmitteilungen Abonnements der Verbandsmitteilungen – auch als Geschenk! – für 20 Euro/Jahr (inkl. Porto/Verpackung) über: Leonhard Mährlein, Idealweg 11, 90530 Wendelstein, Tel. 09129/8428, Titelbild: Neuland-Erkundung mittels Drohne in der Schauhöhle schatzmeister@vdkh.de. Das Abonnement gilt jeweils für Heft Herbstlabyrinth im Westerwald (Hessen); Foto Stefan Meyer 1 - 4 eines jeden Jahrgangs. Copyright Der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V. ist als gemein- Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V. nützig anerkannt (Finanzamt für Körperschaften München, Steuernummer München (VdHK) 143/223/30554 gem. Bescheid vom 24.1.2014). Bankkonto (auch für Spenden) Schriftleitung Volksbank Laichingen, IBAN: DE34 6309 1300 0001 4920 04, Dr. Friedhart Knolle, Grummetwiese 16, 38640 Goslar, BIC: GENODES1LAI (BLZ 630 913 00, Kto. 1 492 004) Telefon 05321 / 20 281, fknolle@t-online.de (fk) Nachdruck oder Veröffentlichung und Verbreitung in elektronischen Medien, Sven Bauer, Frankenhäuser Str. 28, 99706 Sondershausen, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Schriftleitung. Telefon 0176 / 2426 6080, geocrax@web.de (sb) Erscheinungsweise: 4 x jährlich Mathias Beck, Münchner Str. 4, 82229 Seefeld, Bezugspreis: im Mitgliedsbeitrag inbegriffen; Abo: 20 Euro/Jahr Telefon 0177 / 509 3734, MathiasHW.Beck@web.de (mb) Zugelassen zum Postzustellungsdienst für die Versendung als Streifbandzeitung (Vertriebskennzeichen H 20075 F). Satz, Druck und Versand Die Redaktion behält sich Kürzung und Bearbeitung von Beiträgen vor. Durch Oberharzer Druckerei, Fischer & Thielbar GmbH, Einsendung von Fotografien und Grafiken stellen die Autoren den VdHK von Alte Fuhrherrenstraße 5, 38678 Clausthal-Zellerfeld / Buntenbock Ansprüchen Dritter frei. Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2) 51
Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2) 52-57 München 2017 Erste weichselzeitliche Kryocalcit-Vorkommen in Höhlen des Iberg/Winterberg-Riffkomplexes (Harz) von Detlev K. R ichter, Friedhart K nolle, Stefan Meyer und Denis Scholz Kurzfassung Speläopartikel aus inzwischen durch Kalkabbau zerstörten Höhlen (Lehmschacht, Winterberg-Canyonhöhlen) des mittel-/oberdevoni- schen Riff-Komplexes vom Iberg und Winterberg (Westharz) haben sich durch petrographisch/geochemische Untersuchungen als kalt- zeitliche Bildungen erwiesen. Sphärolithische Partikeltypen (Zopf- sinter, Hanteln) und rhomboedrische Skelettcalcite mit Übergängen zur sphärolithischen Ausbildung sind in Verbindung mit leichter O-Isotopenzusammensetzung (bis - 19.4 ‰ VPDB) genetisch auf gefrierende Eisseen (bis zu 70 m unter der Erdoberfläche) zurück- zuführen. U/Th-Datierungen belegen mit 36 und 47 ka weichsel- zeitliche Gefrierprozesse zwischen den Interstadialen 7 und 8 bzw. 12 und 13. Abstract Speleoparticles of caves (Lehmschacht, Winterberg-Canyonhöhlen – meanwhile destroyed by an active limestone quarry) of the Mid- dle/Upper Devonian reef complex in the area of the Iberg and Winterberg mountains (W Harz) are cold water precipitates due to petrographical and geochemical investigations. Spherolithic types (braided sinter, dumbbell sinter) and rhomboedral calcitic skeletons with transition forms to spherolithic construction contain light O18 isotopic composition (up to - 19.4 ‰ VPDB). Therefore, the crys- tallization of the calcites can be interpreted as the result of slowly freezing pools (up to 70 m below the earth’s surface). U/Th datings of 36 and 47 ka prove freezing processes of Weichselian ice age be- tween the interstadials 7/8 and 12/13. Abb. 1: Übersichtsskizze zur Lage der Harzer Höhlensysteme Einführung Lehmschacht und Winterberg-Canyonhöhlen sowie bislang be- Durch langsam gefrierendes Wasser gebildete, grobkörnige (0,5 bis kannter Höhlen in Deutschland mit grobkörnigen kryogenen Cal- > 20 mm Ø) Kryocalcite sind in den letzten Jahren von Karbonat- citen (ergänzt nach R ichter et al. 2013, 2014; 1 - Riesenberghöhle, 2 - Malachitdom, 3 - Apostelhöhle, 4 - Sunderner Höhle, 5 - Os- höhlen Mitteleuropas wiederholt beschrieben worden (u.a. R ichter tenberghöhle, 6 - Hüttenbläserschachthöhle, 7 - Dechenhöhle, 8 - et al. 2011, 2015, vgl. Abb. 1). Diese Kryocalcite zeichnen sich durch Heilenbecker Höhle, 9 - Herbstlabyrinth-Adventhöhle-System, 10 - eine sehr leichte O-Isotopenzusammensetzung aus und haben nach Zoolithenhöhle). Grau: Maximalverbreitung der weichselzeitlichen U/Th-Datierungen bislang fast ausschließlich weichselzeitliche Al- Vereisungsgebiete ter. Sie markieren mit Anhäufungen zwischen, auf und unter Fels-/ Sinterbruchstücken eine Mindesttiefe des Permafrostbodens der (1) Der an der NW-Seite des Ibergs gelegene Lehmschacht (vgl. Abb. letzten Eiszeit zwischen alpiner und nordischer Vereisung (30 - 60 2, Koordinaten: R 85830 u. H 44020, Kat.-Nr. 4127/44) ist von m nach Žák et al. 2012). Kempe (1971) und Knolle (2005) in Grund- und Aufriss dargestellt In der vorliegenden Studie werden die ersten Kryocalcit-Vorkom- worden. Die Position südlich des Hüppelwegs entspricht nach geo- men des Harzes beschrieben, wobei der Tiefenlage von 70 m unter logischen Karten von Gischler (1992, 2008) der Vorriff-Fazies im Geländeoberfläche des Vorkommens vom Iberg eine besondere Be- mittel-/oberdevonischen Iberger Riffkomplex. Der Formenschatz deutung zukommt. des Korallenriffs war nach Knolle (2005) bis zur in etwa 70 m unter dem Einstieg (520 m ü. NHN) gelegenen Unteren Halle zu Fundorte beobachten. Der in dieser Halle ausgebildete Lehmberg stellt auch Die in den 1970er Jahren in Höhlen des Iberg/Winterberg-Riff- den Fundort der Kryocalcitprobe dar (vgl. Abb. 3), die Stefan Meyer komplexes (Überblick siehe Fricke 2008) aufgesammelten Speläo- entnommen hatte. 2006 ist der Lehmschacht der Erweiterung des themproben wurden zunächst nicht als Kryocalcite erkannt und erst Kalksteinbruchs Winterberg der Goslarer Fels-Werke GmbH zum Jahre nach der steinbruchbedingten Zerstörung dem Erstautor zur Opfer gefallen. Begutachtung und Bearbeitung zugesandt. Es fehlen Dokumentati- onsfotos der Fundstellen „Lehmschacht“ (1) und „Winterberg-Can- (2) Die westlich des Lehmschachts im Bereich des Winterbergs yonhöhlen“ (2), doch zur tiefenmäßig bedeutsamen erstgenannten gelegenen Winterberg-Canyonhöhlen (vgl. Abb. 2; Kat.-Nr. Lokalität ist die Fundsituation präzise bekannt. 4127/61,66,72) sind bereits vor Jahren im Rahmen von Stein- 52 Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2)
brucharbeiten zerstört worden. Nach den geologi- schen Karten von Gischler (1992, 2008) waren die Canyonhöhlen in der Lagunen-Fazies im mit- tel-/oberdevonischen Riffkomplex vom Iberg und Winterberg ausgebildet. Die genaue Fundstelle der seinerzeitigen Aufsammlung von Friedhart Knolle und somit auch die Teufe unter Geländeoberfläche lässt sich leider nicht mehr rekonstruieren. Methodik Das Speläothemmaterial – un- bis anverfestigte Kristallsande des Lehmbergs und Sinterbruch von den Canyonhöhlen – wurde zunächst im Ultra- schallbad von Anhaftungen feinstkörnigen Materi- als befreit. Die Selektierung der Kleinsinterformen erfolgte unter einem binokularen Stereomikroskop. Makroaufnahmen wurden mit einer Canon EOS 50 D durchgeführt, während die detaillierte Mor- phologie mit einem hochauflösenden Feldemissi- ons-Rastereleketronenmikroskop (HR-FEM) vom Typ LEO/Zeiss 1530 Gemini erfasst worden ist. Die C/O-Isotopenzusammensetzung wurde mit einem Massenspektrometer MAT 253 (Finnigan MAT) analysiert (V-PDB). Die 230Th/U-Datie- rungen wurden mit einem Multi-Kollektor Mas- senspektrometer mit induktiv gekoppeltem Plasma (MC-ICPMS) durchgeführt. Für Detailangaben siehe Žák et al. (2012) und Scholz et al. (2014). Abb. 2: Detailskizze zur Lage des Lehmschachts und der Winterberg-Canyonhöhlen im Iberger Riffkomplex (Geologie nach Gischler 1992, 2008) Strukturierung der Calcitpartikel Nachfolgend werden die Proben der beiden Loka- litäten getrennt aufgeführt, da das Kollektiv des Lehmschachts gegenüber der Probe aus den Can- yonhöhlen eine deutlich größere Formenvielfalt enthielt. Aber zum Vergleich mit bisher beschriebe- nen Kryocalcitvorkommen hat die Canyonhöhlen- Probe mit ihren Zopfsintern mit extrem leichter O-Isotopenzusammensetzung wiederum eine be- sondere Bedeutung. Fundort „Lehmschacht“ Die Oberflächensedimente des Lehmbergs setzen sich vorrangig (etwa 98 %) aus Calcitkristallen bzw. -aggregaten und nur untergeordnet aus hier nicht weiter betrachteten, un- bis angerundeten beige-braunen „Höhlenlehm“-Partikeln zusammen. Die calcitischen Partikel lassen sich bei Lupenbe- trachtung aufgrund unterschiedlichen Anteils an gasförmigen und/oder flüssigen Einschlüssen zwei Grundtypen zuordnen: 1. Die Hauptmenge (> 99 %) stellen bis zu 5 mm große, glasige Calcitpartikel dar, die einen filigran strukturierten Aufbau zeigen (Abb. 4a), wobei Kris- tallflächen und -kanten sowie gerundete Kanten in stark wechselnden Anteilen vorliegen. Dünn- schlifffotos (Abb. 5a - c) und rasterelektronische Aufnahmen verdeutlichen den skelettartigen Auf- bau dieses Partikeltyps (Abb. 6a). Analog ausgebildete Calcitkristalle bzw. -aggregate haben R ichter et al. (2008) aus der Heilenbecker Abb. 3: Aufriss des Lehmschachts nach K empe (1971) und K nolle (2005) mit Mar- Höhle in Ennepetal beschrieben, als Skelett-Kris- kierung der Kryocalcit-Fundstelle auf dem Lehmberg tallsinter bezeichnet und aufgrund leichter O-Isoto- Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2) 53
penzusammensetzung (-10 bis -13 ‰ V-PDB) ge- netisch Kryocalciten zugeordnet. Bereits Žák et al. (2004) haben derartige Skelettcalcite als kryogene Speläopartikel aus dem polnischen Höhlensystem Chelosiowa Jama - Jaskinia Jaworznicka sowie aus der tschechischen BUML-Höhle erwähnt. 2. Der kleinere Teil (< 1 %) der calcitischen Par- tikel wird von maximal 1 mm kleinen, milchig- weißen Kristallen bzw. hantelartigen Aggregaten eingenommen (vgl. Abb. 4b). Rasterelektronenmi- kroskopische Aufnahmen zeigen für diesen fluid-/ gaseinschlussreichen Partikeltyp neben selten vor- kommenden langgestreckten Rhomboederformen (Abb. 6b) meistens ein hantelartiges Aussehen, Abb. 4: Makroaufnahmen eines glasigen skelettartigen Calcitpartikels (a) sowie einer wobei die dickeren Enden aufgrund intensiver Sub- sphärolithischen Hantel (b) des Lehmschachts und eines honig- bis lachsfarbenen Zopf- sinters mit schnabelartiger Peripherie (Pfeil) aus den Winterberg-Canyonhöhlen (c) kristallausbildung ein sphärolithisches Aussehen aufweisen (Abb. 6 c). Dieses entspricht nach Beob- achtungen von R ichter et al. (2009) an kryogenen Calciten der Großen Sunderner Höhle im nördli- chen Sauerland der kleinsten Einheit von Zopfsin- tern, die als hantelförmige Partikel bezeichnet wur- den. Die Hanteln des Lehmschachts sind auffällig nach der c-Achse gestreckt, wie es bislang nur von lachsfarbenen Kryocalciten der Jüngeren Dryas aus der Riesenberghöhle des Süntels/Weserbergland be- schrieben worden ist (R ichter et al. 2013). Im Kol- lektiv der Kryocalcite des Lehmschachts lassen sich vereinzelt Übergänge von langgestreckten Rhom- boedern zu hantelförmigen Partikeln beobachten. Der altersmäßige Bezug der Typen 1 und 2 vom Lehmberg deutet sich durch eine Zunahme des Einschlussanteils an der Peripherie der skelettar- tigen Calcitpartikel (Typ 1) an. Nur in wenigen Fällen konnten weiße sphärolithische Aufwüchse an skelettartigen Calciten beobachtet werden (Abb. 5c), wie es R ichter et al. (2013: Abb. 4h u. 6h) bei kryogenen Calcitpartikeln der Riesenberghöhle dokumentiert haben. Einen analogen Altersbezug haben R ichter et al. (2010) für kaltzeitliche bzw. kryogene Calcite in der Rätselhalle des Herbstla- Abb. 5: Dünnschlifffotos der Speläopartikel mit gekreuzten Nicols. a - Zentralschnit- byrinth-Adventhöhle-Systems bei Breitscheid-Erd- te durch zwei Skelettcalcite, b - randlicher Schnitt eines Skelettcalcits, c - Skelettcalcit bach (Nordhessen) gefunden, in dem einschluss- mit Übergängen zu sphärolithischer Ausbildung (s. Pfeile), d - sphärolithische Aus- reiche weiße sphärolithische Überzüge an klaren bildung eines Zopfsinters, wobei d unten gegenüber d oben im Uhrzeigersinn leicht Calcitkristallen zu beobachten waren. gedreht wurde (Verdeutlichung des FOFC-Gefüges), e - Rand eines Zopfsinters und anhaftendes Sediment mit Skelettcalciten (s. Pfeile) Fundort „Winterberg-Canyonhöhlen“ Die bis zu 3 cm großen honig- bis lachsfarbenen Speläothembruchstücke (Abb. 4c) der Winterberg- Canyonhöhlen (genaue Fundsituation nicht mehr nachvollziehbar) weisen an ungestörten Seiten eine traubige Oberfläche auf. In Dünnschliffen zeigt sich ein sphärolithischer Aufbau der Einzeltrauben (Abb. 5d u. e), wobei die Einzelfasern aus Kristallen mit divergierenden c-Achsen zusammengesetzt sind (FOFC = Fascicular Optic Fibrous Calcite-Gefüge). Das Seitenwachstum der Calcitfasern ist jedoch un- gleichmäßig erfolgt, sodass keine allseitig gleichmä- ßigen Sphärolithe, sondern Sphärolithe mit schna- belartiger Peripherie entstanden sind (siehe Pfeil in Abb. 6: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Calcitpartikeln des Lehm- Abb. 4c). Derartige Sphärolithe mit auffällig schna- schachts: a - klare Skelettcalcite, b - milchige, langgestreckte Rhomboeder, c - milchige belartigen Wülsten sind als kryogene Speläopartikel Hanteln bereits von Žák et al. (2004) aus Höhlen des östli- 54 Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2)
Abb. 7: C/O-isotopische Zusammensetzung der Speläopartikel des Lehmschachts und der Canyonhöhlen im Vergleich zur entsprechen- den Isotopenzusammensetzung nicht näher spezifizierter normaler Speläotheme (■) sowie mittel-oberdevonischer Iberger Kalke ( ◊ ). Vorwiegend nur kaltzeitliche Partikel (siehe Text): X - glasige Skelettkristalle X - glasige Skelettkristalle mit milchigweißen Randpartien Kryogene kaltzeitliche Partikel: ◊ - Rhomboeder - Hanteln ● - Zopfsinter (9 Werte) Abb. 8: Korrelation der 230Th/U-Datierungen der kaltzeitlichen Calcite des Lehmschachts und der Winterberg-Canyonhöhlen mit der δ18O- Kurve des NGRIP-Eisbohrkerns (North Greenland Ice Core Project Members 2004). 1 - 25 = Interstadiale der Weichselkaltzeit (u. a. Wolff et al. 2010); gleichbezifferte Stadiale folgen jeweils den Interstadialen. ■ = Verbreitung des kontinuierlichen Permafrosts in Mitteleuropa nach Liedke (1993) und Vandenberghe & Pissart (1993) Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2) 55
238 232 234 238 230 238 Probe U [µg/g] Th [ng/g] U/ U Th / Th Alter [ka] Skelettcalcite Lehmschacht 0.775 ± 0.010 11.26 ± 0.11 1.609 ± 0.018 0.460 ± 0.006 35.99 ± 0.73 Zopfsinter A W.- Canyonhöhlen 1.046 ± 0.006 0.673 ± 0.009 1.800 ± 0.003 0.649 ± 0.005 47.14 ± 0.44 Zopfsinter B W.- Canyonhöhlen 0.839 ± 0.005 0.847 ± 0.014 1.799 ± 0.003 0.647 ± 0.006 47.03 ± 0.54 Tab. 1: U/Th-Datierungen von weichselzeitlichen Speläopartikeln zerstörter Höhlen des Iberg/Winterberg-Riffkomplexes chen Mitteleuropas, R ichter & Niggemann (2005) aus Höhlen In der Abb. 7 sind bei den Skelettcalciten die Proben mit des Rheinischen Schiefergebirges und R ichter et al. (2013) aus teilweise milchiger Peripherie (beginnendes sphärolithisches der Riesenberghöhle des Süntel (Weserbergland) beschrieben Wachstum) gesondert ausgeschieden worden, aber der Anteil worden. Da derartige schnabelartige Sphärolithe bzw. Kom- gegenüber den klaren Calciten ist offensichtlich zu gering, so- positsphärolithe bei vielen bisher bearbeiteten Kryocalcitvor- dass sich keine klare Verschiebung dieser Proben zur C/O-Iso- kommen Zentraleuropas kettenartig verwachsen sind, werden topenzusammensetzung der sphärolithischen (eindeutig kryo- sie von der Bochumer Arbeitsgruppe als Zopfsinter kryogener genen) Speläopartikel ergeben hat. Entstehung bezeichnet (u.a. R ichter et al. 2014, 2015). Alter Interessanterweise ist am Rand eines Zopfsinters noch ange- Hierbei haben die Zopfsinter aus den Canyonhöhlen U/Th- hafteter Lehm mit nicht weiter untersuchten Skelettcalciten Datierungen von 47.0 und 47.1 ka ergeben (Tab. 1). Im Fall der erhalten geblieben (Abb. 5e). Dies belegt das gemeinsame Vor- kaltzeitlichen bzw. kryogenen Calcite des Lehmschachts war kommen von sphärolithischen und rhomboedrischen Speläo- nur eine U/Th-Datierung an den reichlich vorhandenen kla- partikeln auch im Vorkommen der Winterberg-Canyonhöhlen. ren skelettartigen Calciten möglich, wobei ein Alter von 36 ka ermittelt werden konnte (Tab. 1). Erstaunlicherweise fallen die Geochemische Zusammensetzung Daten dieser Kryocalcite in die gleiche Zeitspanne wie Stalag- Die C/O-Isotopenuntersuchungen haben sensu R ichter et al. mitendaten (30.6 bis 44.5 ka) von Emeis & K empe (1986). Aber (2013, 2015) verschiedene Datenkollektive für die nach rönt- die letztgenannten Werte beruhen auf 14C-Datierungen und gendiffraktometrischen Analysen stöchiometrisch (d104 = 3.034 derartige Altersbestimmungen sollten mit der U/Th-Methode bis 3.036 Å) zusammengesetzten warm- und kaltzeitlichen Cal- wiederholt werden. cite ergeben (Abb. 7). Warmzeitliche „normale“ Speläotheme (Stalagmiten, Stalaktiten, Wandsinter) weisen δ13C-Werte zwi- Entwicklungsgeschichte schen -4.7 und -10.3 ‰ V-PDB und δ18O-Werte zwischen -5.2 In den kältesten Perioden der Weichseleiszeit hat sich im mitteleu- und -6.5 ‰ V-PDB auf, wie es beispielsweise für warmzeitlich ropäischen Raum zwischen skandinavischem und alpinem Verei- entstandene quartärzeitliche Speläotheme des mittel-/ober- sungsgebiet in den Zeitspannen 72 - 61 ka und 27 - 17 ka ein kon- devonischen Iserlohner Massenkalks typisch ist (Niggemann tinuierlicher Permafrost entwickelt (Liedke 1993, Vandenberghe 2000, Wurth 2002) und auch den Werten von Emeis & K empe & Pissart 1993). Nach einer Literaturkompilation von Žák et al. (1986) – δ13C = -7,5 bis -10,8 ‰, δ18O = -5,6 bis -9,0 ‰ – ent- (2012) ist dabei von einer maximalen Permafrostdicke von > 100 spricht. Kaltzeitliche Speläotheme (kryogene und nichtkryoge- m auszugehen, sodass die meisten bislang bekannten Höhlen des ne Calcite) weisen δ13C-Werte zwischen -1.2 und -6.2 ‰ V- betrachteten Raums während der beiden Zeitspannen im Bereich PDB und δ18O-Werte zwischen -10.8 und -19.4 ‰ V-PDB auf. des Permafrosts lagen. Dabei ergibt sich ein Trend zu schwererer C-Isotopie mit leich- Die U/Th-Datierungen an den kaltzeitlichen Speläopartikeln des terer O-Isotopie im Datenkollektiv, wie es für Calcite langsam Lehmschachts und der Winterberg-Canyonhöhlen belegen nun ausfrierender Becken typisch ist (Ž ák et al. 2012, R ichter et Auftau- und Gefrierzeiten in den Höhlen zwischen den Zeitspan- al. 2013). nen des kontinuierlichen Permafrosts. Sie liegen im Bereich der Eine typenmäßige Aufschlüsselung der C/O-Daten der Spe- Interstadiale 12 und 13 bzw. 7 und 8. der Weichseleiszeit nach läopartikel (vgl. Abb. 7) verdeutlicht für die Zopfsinter der der O-Isotopenkurve des NGRIP-Eiskerns (North Greenland Canyonhöhlen (δ13C -1.18 bis -1.23 ‰, δ18O -18.97 bis -19.40 Ice Core Project members 2004, Wolff et al. 2010), vgl. Abb. 8. ‰) und die sphärolithischen Hanteln des Lehmschachts (δ13C -4.46 bis -4.68 ‰, δ18O -14.07 bis -16.05 ‰) eine für Ausfrier- Genesefolge prozesse typische leichte O-Isotopenzusammensetzung (vgl. 1. Während der Interstadialzeiten taut der Permafrostboden Ž ák et al. 2012). Die Skelettcalcite des Lehmschachts weisen von oben her auf. Nach Erreichen der Auftaufront einer Höh- aber mit δ13C-Werten von -5.08 und -6.15 ‰ und δ18O-Werten lendecke dringt Tropfwasser in die Höhle und es kann sich eine von -10.76 bis -13.15 ‰ eine schwerere (positivere) O-Isoto- Eisschicht am Höhlenboden bilden (Ž ák et al. 2012). Dieses penzusammensetzung und leichtere (negativere) C-Isotopen- Szenarium verläuft im betrachteten Fall des Lehmschachts zu zusammensetzung gegenüber den sphärolithischen Typen auf. Beginn des Interstadials 8, wobei sich eine Eisschicht oberhalb Dies entspricht eher einer normalen (d.h. nichtkryogenen) des bei etwa -70 m gelegenen Höhlenbodens aufbaut. Für die kaltzeitlichen Genese von Calciten in ehemalige Höhlenbecken benachbarten Canyonhöhlen ergibt sich eine ältere Auftauzeit der Weichseleiszeit, wie es von R ichter et al. (2010, 2013) aus mit Beginn des Interstadials 14. dem Herbstlabyrinth-Advent-Höhlensystem und aus der Rie- 2. Im Bereich der Maxima der Interstadiale bilden sich Pools senberghöhle beschrieben worden ist. auf dem Höhleneis. In diesen Pools bilden sich Kaltwassercal- 56 Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2)
cite (O-Isotopenzusammensetzung zwischen warmzeitlichen Niggemann, S. (2000): Klimabezogene Untersuchungen an spät- und Calciten und Kryocalciten) in Form von klar durchsichtigen postglazialen Stalagmiten aus Massenkalkhöhlen des Sauerlandes. – Kristallen (im Lehmschacht häufig Skelettkristalle bzw. Aggre- Bochumer geologische und geotechnische Arbeiten 55: 5-129 gate). Entsprechende Kaltwassercalcite wurden bislang – ver- North Greenland Ice Core Project members (2004): High-resolution record of Northern Hemisphere climate extending into the last inter- mengt mit Kryocalciten – aus Vorkommen der Rätselhalle des glacial period. – Nature 431: 147-151 Herbstlabyrinth-Adventhöhlen-Systems bei Breitscheid (R ich- R ichter, D.K. & Niggemann, S. (2005): Kryogene Calcite in Höhlen des ter et al. 2010a), der Riesenberghöhle des Süntels (R ichter et Rheinischen Schiefergebirges. – Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstfor- al. 2013) und der Hüttenbläserschachthöhle in Iserlohn (R ich- scher 51 (4): 129-132 ter et al. 2015) beschrieben. R ichter, D.K., Dreyer, R., Niggemann, S. & Pielsticker, K. (2009): 3. Beim Übergang vom Interstadial zum nachfolgenden Stadi- Kryocalcite in der Großen Sunderner Höhle (Sauerland) – ein weiterer al wächst erneut ein Permafrost von oben nach unten (wahr- Beleg für die vormalige Eishöhle. – Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karst- scheinlich diskontinuierlich) und die Pools gefrieren nur sehr forscher 55 (3): 80-85 R ichter, D.K., Goll, K., Grebe, W., Niedermayr, A., Platte, A. & langsam. Dabei wird das 18O bevorzugt ins Eis eingebaut (Sou- Scholz, D. (2015): Weichselzeitliche Kryocalcite als Hinweise für Eis- chez & Jouzel 1984), sodass die kryogenen Calcite eine leich- seen in der Hüttenbläserschachthöhle (Iserlohn/NRW). – E&G Quar- te O-Isotopenzusammensetzung aufweisen. Einschlussreiche, ternary Science Journal 64 (2): 67-81 schuppige Rhomboeder mit allen Übergängen zu Sphärolithen R ichter, D.K., Harder, M., Niedermayr, A. & Scholz, D. (2014): Zopf- bilden sich im Lehmschacht. Vom Fundort der Winterberg- sinter in der Zoolithenhöhle: Erstfund kryogener Calcite in der Frän- Canyonhöhlen konnten nur sphärolithische Kryocalcite vom kischen Alb. – Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 60 (2): 36-41 Zopfsinter-Typ mit extrem leichter O-Isotopenzusammenset- R ichter, D.K., Meissner, P., Immenhauser, A., Schulte, U. & Dorsten, zung analysiert werden. I. (2010a): Cryogenic and non-cryogenic pool calcites indicating per- 4. Mit der Erwärmung zur heutigen Warmzeit wurden der mafrost and non-permafrost periods: a case study from the Herbstlab- yrinth-Advent Cave system (Germany). – The Cryosphere 4: 501-509 Permafrost und die Höhlenvereisungen eliminiert, sodass die R ichter, D.K., Meyer, S., Scholz, D. & Immenhauser, A. (2013): Mul- kryogenen und nichtkryogenen Speläopartikel miteinander tiphase formation of Weichselian cryogenic calcites, Riesenberg Cave vermengt am Höhlenboden abgelagert wurden. Prinzipiell ist (Süntel/NW Germany). – Ztschr. Dt. Ges. Geowiss. 164 (2): 353-367 in Höhlen zwischen skandinavischer und alpiner Vereisung R ichter, D.K., Mischel, S., Dorsten, I., Mangini, A., Neuser, R.D. & von einem mehrfachen Wechsel von Vereisung (Stadiale) und Immenhauser, A. (2011): Zerbrochene Höhlensinter und Kryocalcite Auftauphasen (Interstadiale) auszugehen, wie es bislang für als Indikatoren für eiszeitlichen Permafrost im Herbstlabyrinth-Ad- die Riesenberghöhle im Süntel (R ichter et al. 2013) nachge- venthöhle-System bei Breitscheid-Erdbach (N-Hessen). – Die Höhle wiesen werden konnte. Für den Bereich des Lehmschachts und 62: 31-45 der Winterberg-Canyonhöhlen ließ sich jedoch jeweils nur ein R ichter, D.K., Neuser, R.D. & Voigt, S. (2008): Kryogene Calcitparti- kel aus der Heilenbecker Höhle in Ennepetal (NE Bergisches Land/ einfacher Wechsel belegen. Die verschiedenen Zeiten für kalt- Nordrhein-Westfalen). – Die Höhle 59: 37-47 zeitliche Speläopartikel belegen bereits mehrere Auftau- und Scholz, D., Tolzmann, J., Hoffmann, D.L., Jochum, K.P., Spötl, C. & Gefrierzeiten für die Iberg-/Winterberg-Region, was für die R iechelmann, D.F.C (2014): Diagenesis of speleothems and its effect zerstörten Höhlen aber nicht mehr umfassend rekonstruiert on the accuracy of 230Th/U-ages. – Chemical Geology 387: 74-86 werden kann. Doch möglicherweise kann aus den noch vor- Souchez, R. & Jouzel, J. (1984): On the isotopic composition in δD and handenen Höhlenresten im Winterberg künftig noch weiteres δ18O of water and ice during freezing. – Journal of Glaciology 30: 369- Kryocalcit-Probenmaterial geborgen werden. 372 Vandenberghe, J. & Pissart, A. (1993): Permafrost Changes in Europe Dank during the Last Glacial. – Permafrost and Periglacial Processes 4: 121- 135 Für technische Unterstützung bei den verschiedenen Untersu- Wolff, E.W., Chapellaz, J., Blunier, T., R asmussen, S.O. & Svensson, chungsmethoden sowie Hilfen bei der Foto- und Texterstellung A. (2010): Millenial-scale variability during the last glacial: the ice core danken wir Niels Brall, Dr. Dieter Buhl, Beate Gehnen, Dr. record. – Quaternary Sci. Rev. 29: 2828-2838 Rolf Neuser und Ann-Christine Ritter (Institut für Geologie, Wurth, G. (2002): Klimagesteuerte Rhythmik in spät- bis postglazialen Mineralogie und Geophysik der Ruhr-Universität Bochum). Stalagmiten des Sauerlandes, der Fränkischen Alb und der Bayerischen Alpen. – Diss. Ruhr-Univ. Bochum, 123 S. Literatur Žák, K., R ichter, D.K., Filippi, M., Živor, R., Deininger, M., Mangini, Emeis, K.-C. & K empe, S. (1986): Speleothems of the Winterberg and A. & Scholz, D. (2012): Coarsely crystalline cryogenic cave carbon- Quaternary Climate of the Harz Mountains. – 9. Congreso Internaci- ate – a new archive to estimate the Last Glacial minimum permafrost onal de EspeleologiaI: 281 - 284, Barcelona depth in Central Europe. – Clim. Past 8: 1821-1837 Fricke, U. (2008): Die Höhlen des Winterberg-Steinbruchs bei Bad Žák, K., Urban, J., Cílek, V. & Hercman, H. (2004): Cryogenic cave Grund/Harz. – Karst und Höhle 2006/2007, 178 S. calcite from several Central European caves: age, carbon and oxygen Gischler, E. (1992): Das devonische Atoll von Iberg und Winterberg im isotopes and a genetic model. – Chemical Geology 206: 119-136 Harz nach Ende des Riffwachstums. – Geol. Jb. A 129: 5-193 Gischler, E. (2008): Field Trip POST3 – Devonian Reefs of Central Eu- rope: Examples from the Harz Mountains. – EDGG 237, Excursion Autoren: Guidebook, 26th IAS Regional Meeting, SEPM-CES SEDIMENT Prof. Dr. Detlev K. Richter, Ruhr-Universität Bochum, Institut 2008 - Bochum: 95-112 für Geologie, Mineralogie und Geophysik, Universitätsstr. 150, K empe, S. (1971): Lehmschacht Kat.-Nr. 4127/24. – Mitt. Verb. dt. Höh- 44801 Bochum; len- u. Karstforscher 17 (1/2): 8-11 Knolle, F. (2005): Die Naturhöhle Lehmschacht bei Bad Grund/Harz als Dr. Friedhart Knolle, Grummetwiese 16, 38640 Goslar; Geotop und Biotop. – Göttinger Naturkundliche Schriften 6: 203-210 Stefan Meyer, Kirchfeld 14, 31171 Nordstemmen; Liedke, H. (1993): Phasen periglaziär-geomorphologischer Prägung wäh- Prof. Dr. Denis Scholz, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, rend der Weichseleiszeit im norddeutschen Tiefland. – Z. Geomorph. Institut für Geowissenschaften, Johann Joachim Becher-Weg N. F., Suppl.-Bd. 93: 69-94 21, 55128 Mainz Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2) 57
Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2) 58-64 München 2017 Die bronzezeitliche Fledermausfauna (Chiroptera, Mammalia) der Lichtensteinhöhle im Südharz im Spiegel paläoökologischer Rekonstruktionen von Hildegard Rupp Zusammenfassung Die subfossile Fledermausfauna (Chiroptera, Mammalia) der Lich- tensteinhöhle (Südharz, Niedersachsen) kann chronologisch nach archäologischen Funden in die Späte Bronzezeit (Ha B1 bis B2/3) vor ca. 3.000 BP eingeordnet werden. Sie umfasst mindestens 367 Indi- viduen aus 13 Arten. Das Vorkommensmuster der Bechsteinfleder- maus (Myotis bechsteinii), des Braunen Langohrs (Plecotus auritus) und der Kleinen Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) wird in Be- zug gesetzt zu paläoökologischen Rekonstruktionen, die nach Pol- lendiagrammen aus Seesedimenten und Mooren gewonnen wurden. Während die stenöke Bechsteinfledermaus, deren Habitatansprüche insbesondere das Vorhandensein alter Baumbestände erfordern, in holozänen Urwaldfaunen das dominierende Faunenelement dar- stellt, tritt sie in der Fauna der Lichtensteinhöhle nur relativ selten auf. Dies wird auf anthropogene landschaftsverändernde Eingriffe seit dem Neolithikum zurückgeführt, die das euryöke Braune Lang- Abb. 1: Blick auf den Lichtenstein von Nordost; Foto A. Hindemith ohr und die Kleine Hufeisennase begünstigten, deren relative Fau- nenanteile in der Lichtensteinhöhle deutlich höher liegen. Abstract The Lichtenstein Cave, situated at the SW margin of the Harz Moun- tains (Lower Saxony), exhibits a rich subfossil bat fauna (Chiroptera, Mammalia) comprising at least 367 individuals from 13 species. The fauna is dated to the beginning of the Subatlantic at about 3.000 BP by archaeological findings of the late Bronze Age (Ha B1 to B2/3). The relative frequency of Bechstein’s bat (Myotis bechsteinii), Brown long-eared bat (Plecotus auritus) and Lesser horseshoe bat (Rhinolo- phus hipposideros) is related to palaeoecological developments derived from frequency diagrams of pollen types from lake sediments and bogs. The tree-dwelling stenoecious Bechstein’s bat, whose habitat requirements comprise old growth woodland, had been the most Abb. 2: Lichtensteinhöhle – Schädel zweier Frauen, die an der Süd- frequent species in holocene bat faunas of mid-European primeval ostwand des Berndsaals deponiert wurden; Foto Landkreis Göttingen forests dominated by oaks (Quercus). In the bat fauna from the Li- chtenstein Cave euryoecious Brown long-eared bat and the Lesser 2016), treten auch in der heutigen Fledermausfauna Deutschlands horseshoe bat dominate Bechstein’s bat, which is attributed to struc- auf. Eine Interpretation in ökologischer Hinsicht muss sich daher tural changes of the cultural landscape at late Bronze Age. auf Abweichungen der relativen Häufigkeiten einzelner Arten in verschiedenen Zeiten beziehen. Eingeschränkt wird dies durch die Einleitung Verwechselungsgefahr zwischen kryptischen Arten. Erst in jüngster Seit Entdeckung der Lichtensteinhöhle 1972 und der darin gelege- Zeit wurden anhand von Genanalysen neue Fledermausarten wie nen archäologischen Fundstelle 1980 ist sie Gegenstand interdis- z.B. Myotis alcathoe Helversen & Heller 2001 (Nymphenfleder- ziplinärer Forschung (Kempe & Vladi 1988, Hummel et al. 1999, maus) identifiziert, die zuvor mit ähnlichen Arten verwechselt wur- Schoon 2010, Wolf 2012, Flindt et al. 2013 u.a.). Die Lichten- den. Diese fehlen in Beschreibungen fossiler Faunen des 20. Jahr- steinhöhle wird als Sekundärbegräbnisstätte der Späten Bronzezeit hunderts. Paläoökologische Rückschlüsse aus dem Artenspektrum (Ha B1 bis B2/3) interpretiert, mit Beginn der Nutzungsperiode etwa der Lichtensteinhöhle können deshalb nur aus dem Vorkommens- um 2.900 BP (Flindt mdl.) (Abb. 1, 2). Da Fledermäuse die Höhle muster sicher bestimmbarer Arten gezogen werden und werden hier während des selben Zeitraums als Winterquartier nutzten, wurden für Myotis bechsteinii (Bechsteinfledermaus), Plecotus auritus (Brau- ihre Reste in die Kulturschichten eingebettet. Rupp (2016) gibt einen nes Langohr) und Rhinolophus hipposideros (Kleine Hufeisennase) Überblick des Artenspektrums der Fledermausfauna. diskutiert. Kryptische Diversität bei den Plecotinen ist zwar nicht Wegen ihrer differenzierten Habitat- und Klimaansprüche sowie gänzlich auszuschließen, zum weitaus überwiegenden Teil dürfte es der großen Ortstreue einiger Arten lassen sich aus der Auswertung sich aber sowohl in der Fauna der Lichtensteinhöhle als auch in den fossiler Fledermausfaunen paläoökologische Rückschlüsse ziehen. hinzugezogenen Vergleichsfaunen um P. auritus handeln. Alle in der Lichtensteinhöhle nachgewiesenen Arten, mit Ausnah- Für die quantitative Analyse wurde nach dem häufigsten bestimm- me der noch nicht sicher bestimmbaren Spezies Myotis sp. 1 (Rupp baren Skelettelement, dem Humerus (nges.= 662), die Mindestindi- 58 Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2)
viduenzahl (MIZges.= 367) ermittelt, um eine Aussage über prozen- gebnis nicht den Erwartungen eines annähernd gleichhäufigen Auf- tuale Faunenanteile machen zu können (Abb. 3). Da aber für einige tretens von Bechsteinfledermaus und Braunem Langohr während Arten der Gattungen Myotis und Plecotus noch keine ausreichenden dieser klimatisch begünstigten Periode vor rund 6.000 Jahren BP. Bestimmungsgrundlagen für den Humerus bestehen, sind Arten- Auch in der benachbarten Lichtensteinhöhle gibt es unterschiedliche spektrum und MIZ als vorläufig anzusehen. Dennoch ermöglicht Vorkommensmuster von P. auritus und M. bechsteinii, allerdings mit für viele Taxa bereits die Morphologie der distalen Humerusepiphy- umgekehrten Vorzeichen: Das Braune Langohr ist deutlich häufiger se eine Bestimmung auf Artebene (Felten et al. 1973). Gegenüber als die Bechsteinfledermaus (Abb. 3). Calvarien und Mandibeln zeichnet sich der Humerus durch eine hö- here Erhaltungsfähigkeit aus. Kleine Arten werden bei Auswertung cranialer Skelettelemente wegen ihrer größeren Zerbrechlichkeit leichter unterrepräsentiert. Außerdem wird die Bestimmbarkeit der Kiefer infolge des Schlämmprozesses herabgesetzt, da gerade die zur Determination wichtigen einwurzeligen Zähne des Vordergebisses häufig ausgewaschen werden. Ein weiterer Vorteil der Auswertung von Humeri ist, dass sie relativ groß sind und daher während Gra- bungsarbeiten und beim Auslesen von Schlämmrückständen zuver- lässiger gefunden werden. Grundsätzlich beruht die paläoökologische Auswertung fossiler Fle- dermausfaunen auf der Annahme, dass prozentuale Anteile von Ar- ten, für die eine vergleichbare Quartiereignung der Höhle gegeben ist, die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln, und die Ergebnisse nicht auf Eigenschaften des Fundortes selber zurückzuführen sind. Die hypothetische Frage, ob zwei benachbarte Höhlen, also in die- sem Fall Lichtensteinhöhle und Einhornhöhle, zur gleichen Zeit das Abb. 3: Relative Häufigkeiten der Fledermausarten der Lichten- gleiche Ergebnis liefern, hängt von der Frage ab, ob einzelne Arten steinhöhle nach prozentualen Anteilen der Mindestindividuenzah- die eine oder andere Höhle als Quartier bevorzugen. Da dieser Ver- len, MIZges.=367 gleich in der Praxis nicht möglich ist, bleibt zur Beantwortung die Untersuchung, ob relative Faunenanteile aus dem landschaftsge- Die Kleine Hufeisennase tritt in beiden Vergleichsfaunen ebenfalls schichtlichen Kontext heraus plausibel sind. auf, aber unabhängig von den klimatischen Bedingungen nur als seltenes Faunenelement. Wegen ihrer gegenüber der Bechsteinfle- Vergleichsfaunen dermaus schlechteren Erhaltungsfähigkeit mag sie zwar in beiden In Höhlenfaunen pleistozäner Interglaziale ist die Bechsteinfleder- Faunen unterrepräsentiert sein, dennoch scheint sie in geschlossenen maus regelmäßig das dominierende Faunenelement. Baagøe (2011) Urwaldgebieten Mitteleuropas keine häufige Art gewesen zu sein. bezeichnet sie deshalb als „Leitfossil quartärer Warmzeiten“. Es ist davon auszugehen, dass sich die Art nach dem Ende der letzten Landschaftsgeschichte Eiszeit gemeinsam mit wärmeliebenden Laubgehölzen wie Eiche Das südwestliche Harzvorland lag während des Weichsel-Hochglazi- (Quercus), Ulme (Ulmus), Linde (Tilia) und Esche (Fraxinus) wie- als im Periglazialbereich. Nach dem Auftauen der Permafrostböden der nach Mitteleuropa ausbreitete. Beispiele für holozäne Fleder- im Spätglazial setzten in den Gipskarstgebieten infolge der Lösungs- mausfaunen aus Deutschland, in denen die Bechsteinfledermaus die tätigkeit von Grund- und Regenwasser erneut Verkarstungsvor- häufigste Art darstellt, sind der Ziegentempel im Sauerland, Nord- gänge ein. Durch Einbruch von Laughohlräumen im Untergrund rhein-Westfalen (Vierhaus 1983) und die Fauna des Jacob-Friesen- entstanden im Laufe der Zeit zahlreiche Dolinen und Erdfälle, in Gangs (Schicht 0) in der Einhornhöhle bei Herzberg-Scharzfeld denen sich Grund- bzw. Karstwasser sammelte. Während sich einige im Südharz (Nielbock 1987) (Abb. 4). In beiden Faunen liegt eine zu Kesselmooren mit teils mächtigen Torflagern entwickelten, ent- Vergesellschaftung typischer Waldarten vor, woraus die Autoren auf standen in anderen Seen. Moore wie Seen stellen bedeutende land- ein relativ hohes Alter schließen – Vierhaus auf das frühe Holozän schaftsgeschichtliche Archive dar. und Nielbock wegen des gleichzeitigen Auftretens der wärmelieben- Der Jues-See in Herzberg (Lkr. Göttingen) entstand aus zwei in- den Wimperfledermaus (Myotis emarginatus) auf das Atlantikum einander übergehenden Erdfällen, die nach Meischner & Grüger (Mittlere Wärmezeit). Beide repräsentieren Urwaldfaunen, die aber (2008) wahrscheinlich infolge der Eruption des Laacher-See-Vul- unter abweichenden klimatischen Bedingungen entstanden. Für kans vor 12.916 Jahren BP einbrachen. Der zusammengebrochene die Wimperfledermaus stellt der Nachweis in einer Holozänfauna Hohlraum war vermutlich eine flachphreatische Schlotte (Kupetz des Harzes den mit Abstand nördlichsten Fundpunkt der Art in & Knolle 2015). Anoxische Verhältnisse am Seegrund und mit- Deutschland dar. hin gute Erhaltungsbedingungen ließen laminierte Sedimente mit Das Braune Langohr ist die zweite häufige Art in der Fauna des Jahresschichtung (Warven) mit einer Mächtigkeit von bis zu 16 m Ziegentempels. Nach Horáček & Ðulić (2011) ist das „[…] Vor- entstehen. Voigt et al. (2008) führten sedimentologische, pollen- kommensmuster von P. auritus […] in fossilen Vergesellschaftun- analytische und diatomologische Untersuchungen sowie Makro- gen fast dasselbe wie das von Myotis bechsteinii […]“. Der holozäne Abb. 1: Käferund Altersbestimmungen der Sedimente des Sees restanalysen Häufigkeitsgipfel habe im späten Boreal und Atlantikum gelegen. In durch, die mit hoher zeitlicher Auflösung Aussagen über die Kli- der nach Nielbock (1987) vermutlich atlantischen Fauna der Ein- ma- und Vegetationsgeschichte der Region vom Präboreal bis in hornhöhle macht die Gattung Plecotus nur 4 % der Gesamtfauna die Gegenwart erlauben. aus, gegenüber einem Anteil von 75 % der Bechsteinfledermaus. Nach Voigt et al. (2008) breiteten sich geschlossene Eichenmisch- Obwohl diese Zahlen auf der Auswertung von nur 54 Unterkiefer- wälder (Quercus, Ulmus, Tilia, Fraxinus) im südwestlichen Harz- funden beruhen und damit relativ unsicher sind, entspricht das Er- vorland ab dem späten Boreal um 10.020 cal. yr. BP aus (Abb. 5). Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2) 59
Spätestens von diesem Zeitpunkt an waren also auch geeignete schaftsverändernden Maßnahmen hatten starke Auswirkungen auf Habitatbedingungen für die Bechsteinfledermaus und das Braune das Kleinklima in der Umgebung der Siedlungen (Küster 2010). Langohr wieder gegeben. Im Neolithikum kann die synanthrope Lebensweise vieler Fleder- Erste lokale Auflichtungen vormals geschlossener Urwälder durch mausarten frühestens ihren Ausgang genommen haben. Von nun den Menschen fanden in den Lössgebieten des südwestlichen Harz- an wurde der Faunenwandel in den Fledermauspopulationen nicht vorlandes ab etwa 7.600 Jahren BP im Neolithikum statt, als band- mehr allein durch natürliche ökologische Faktoren wie klimatische keramische Siedler Ackerbau und Viehzucht einführten (Flindt & Veränderungen und Sukzession der Vegetation beeinflusst, sondern Geschwinde 1997, Voigt 2006, Beug 2016). Ackerbau erforderte hing in zunehmendem Maße mit der kulturellen Weiterentwicklung die Sesshaftwerdung der Menschen, so dass erstmals Siedlungen ent- von Siedlungs- und Wirtschaftsformen der Menschen zusammen. standen, die über Jahrzehnte bewohnt wurden. Dieses ging einher Seit Beginn des Neolithikums nutzten die Menschen die Wälder mit der Schaffung neuer Landschaftsstrukturen wie z. B. Waldrand, intensiv als Ressourcenquelle (Flindt & Geschwinde 1997, Bege- Acker, Weg etc., die gleichzeitig neue ökologische Nischen darstell- mann 2003, Küster 2010, Walentowski et al. 2010 und die dort ten, was eine Zunahme der Biodiversität nach sich zog. Die land- zitierten Autoren). Der Rohstoff Holz als Bau- und Brennmaterial wurde hier entnommen und darüber hinaus erfolgte die Nutzung zur Waldweide für das Vieh. Zur Winterfütterung wurden frische Triebe der Laubbäume geschneitelt und eingebracht (Laubheu). Die Eiche liefert hartes und aufgrund ihres Gerbstoffgehaltes wider- standsfähiges Holz, das als Bauholz Verwendung fand. Bäuerliche Siedlungen wurden nach einigen Jahrzehnten verlassen und andern- orts neu gegründet. In den Wüstungen setzte Sekundärsukzession ein. Die nacheiszeitliche Ausbreitung der Buche (Fagus) nach Mitteleu- ropa erfolgte im frühen Atlantikum. Der früheste Nachweis von Bu- chenpollen in den Sedimenten des Jues datiert um 7.390 cal. yr. BP (Voigt et al. 2008) und fällt also in eine Zeit, als neolithische Acker- bauern bereits begonnen hatten, die Sukzession in den Wäldern zu beeinflussen. Als Schattenkeimer, der in der Lage ist lichtbedürfti- gere Baumarten durch starken Schattenwurf zu verdrängen, gilt die Buche als konkurrenzstarke Art. Sie blieb dennoch unbedeutend, bis Abb. 4: Einhornhöhle, Leibnizhalle; Foto R. Nielbock während der Bronzezeit Massenausbreitung einsetzte und die Bu- che zur dominierenden Art in den Laubwäldern wurde (Begemann 2003, Voigt et al. 2008, Beug 2016) (Abb. 6). Voigt et al. (2008) führen die starke zeitliche Verzögerung der Massenausbreitung (lag- time) überwiegend auf zunehmende Ozeanität des Klimas am Ende des Subboreals zurück. Die Zeit der Massenausbreitung fällt jedoch nach den selben Autoren in eine wärmere und weniger humide Klimaphase zwischen 3.450 und 2.850 cal. yr. BP, an deren Ende auch die spätbronzezeitliche Nutzungsperiode der Lichtensteinhöh- le einzuordnen ist. Nach Walentowski et al. (2010) ist bis heute kein Klimaparameter bekannt, der das überregionale Einsetzen der Massenausbreitung der Rotbuche, und damit die Entstehung mit- teleuropäischer Buchenwälder, hinlänglich erklären könnte. Küster (2010) ist der Auffassung, dass sich die Buche vor allem infolge an- thropogener Einflüsse in Mitteleuropa durchsetzen konnte, da sie an Standorten, an denen Sekundärsukzession einsetzte, gegenüber den Arten des Eichenmischwaldes einen Wettbewerbsvorteil besaß. Die- Abb. 5: Eichenwald (Quercus); Foto M. Dietz se Hypothese kann zwar die späte Einwanderung der Buche erklä- ren, nicht aber die lange Zeit der Stagnation über das gesamte Neoli- thikum hinweg, in der die Buche lediglich einen Anteil von bis zu 1 % der Baumpollen in Pollendiagrammen aus Mooren und Seesedi- menten ausmacht (Begemann 2003, Voigt et al. 2008, Beug 2016). Beug (1992), der palynologische Untersuchungen der Sedimente des Luttersees im Unteren Eichsfeld (Lkr. Göttingen) durchführte, stellte höhere Anteile von Buchenpollen während neolithischer Sied- lungszeiten und einen erneuten Rückgang der Buche und Zunahme der ursprünglichen Eichenmischwaldarten in Phasen der Sekundär- sukzession fest, welcher Befund der Hypothese von Küster (2010) widerspricht. Er führt dies auf die natürliche Konkurrenzstärke der ursprünglichen Eichenmischwaldassoziationen gegenüber der neu zugewanderten Rotbuche zurück. Unstrittig ist, dass die Wirt- schaftsweise der neolithischen Siedler einen starken Einfluss auf das Abb. 6: Buchenwald (Fagus); Foto M. Dietz Ökosystem Wald ausübte und mit der Ausbreitung des Wander- 60 Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher 63 (2)
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