ROSCH HASCHANA 5777 - Illustrierte Neue Welt
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P.B.B. VERL AGSPOSTAMT 1010 WIEN PLUS.ZEITUNG 08Z037896 P AUSGABE 3 | 2016 ILLUSTRIERTE NEUE WELT JUDENGASSE 1A /25 1010 WIEN EINZELPREIS € 6.50 AUS DEM INHALT www.neuewelt.at ROSCH HASCHANA 5777 Besuchen Sie unsere neu gestaltete Hompage mit aktuellen Terminen und interessanten Artikeln
2 AUSGABE 3 | 2016 Zum Neujahrsfest Rosch Haschana 5777 wünscht das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres allen Leserinnen und Lesern alles erdenklich Gute im persönlichen und beruflichen Bereich. In der Hoffnung auf Gesundheit und Frieden! Ein gutes Neues Jahr – Shana Tova u Metuka Foto: Parl.Dir./Simonis Anlässlich des jüdischen Neujahrsfestes Rosch Haschana möchte ich allen Leserinnen und Lesern der Illustrierten Neuen Welt und allen jüdischen Bürgerinnen und Bürgern meine besten Wünsche für ein Das Bundesministerium für gutes neues Jahr 5777 übermitteln. Gesundheit & Frauen wünscht Wir alle hoffen und beten, dass es ein Jahr der Mitmenschlichkeit, der Versöhnung und des den Neue Welt-LeserInnen ein Friedens wird. Dass dieser Friede kommt und bleibt, das wünsche ich Ihnen und uns allen von gesegnetes Rosch Haschana. ganzem Herzen! Shalom! Aktuelle Infos zum Thema Gesundheit finden Sie auf bmgf.gv.at Dr. Reinhold Lopatka ÖVP-Klubobmann Entgeltliche Einschaltung
AUSGABE 3 | 2016 3 Präsidentin des Nationalrates Doris Bures Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg Die hebräische Sprache mit Harmonie und Frie- ist sehr reich an Inter- den in unserem Bereich pretationen. Besonders verbreiten. Wir neigen auffällig ist, dass viele oft dazu, von anderen zu Worte mehrere Bedeu- erwarten, dass sie sich tungen haben. Der Neu- weiter entwickeln und jahrstag heißt auf hebrä- glauben, dass wir selbst isch Rosch Haschanah, das nicht brauchen. Dem Kopf des Jahres. Shana hält der österreichische stammt von der selben Oberrabbiner entgegen, Wurzel, wie das Wort dass wir auch ein wenig für Veränderung und flexibel sein sollten, und das gibt uns gleich eine damit eine positive Ent- Idee, wie wir das neue wicklung fördern. Inso- Geschätzte Leserinnen und Leser der Illustrierten Neuen Welt! Jahr begrüßen und be- fern können wir für eine gehen sollen. Wir sind bessere neue Welt sorgen. Es ist mir eine persönliche Freude, Ihnen In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schö- uns wohl alle einig, dass meine besten Glückwünsche für das bevorste- nes Rosh-ha-Shana und ein süßes Jahr 5777! die Ereignisse im letzten Jahr mit Krieg und Ich wünsche allen, Shana Tova, eine gute hende Neujahrsfest zu übermitteln. Ich hoffe, Terrorismus uns hoffen lassen, dass das neue Änderung. die Feiertage bieten Ihnen die Möglichkeit zur Shanah Tovah! Jahr ein wenig anders, besser werde. Die meis- inneren Einkehr im Kreis Ihrer Familie und ten von uns können auf das keinen Einfluss Freunde und auch die Ruhe, um neue Vorha- nehmen. Was wir aber sicher tun können, ist ben in Aussicht zu nehmen. unser eigenes Verhalten zu verändern und so- Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien Botschafterin des Staates Israel Dr. Michael Häupl Talya Lador-Fresher Begegnung im Sinne der Worte des jüdischen Liebe Leserinnen und Leser, Religionsphilosophen Martin Buber, der uns sagt, dass „alles wirkliche Leben Begegnung dass es einem offiziellen Vertreter des Staates ist“. Wien mit seinem jüdischen Leben und Israel an dieser Stelle möglich ist, seine Gedan- der aktiven Kultusgemeinde ist ein Ort der ken mit Ihnen zu teilen, ist eine schöne Tradi- Begegnung. Wir verbeugen uns vor dem gro- tion. Umso mehr freue ich mich, dass ich nun ßen Kulturerbe, das so viele Jüdinnen und das erste Mal als Israels Botschafterin in Wien Juden unserer Stadt hinterlassen haben. Zur ein paar Worte an Sie richten kann. Zu Jahres- Weltoffenheit einer Stadt wie Wien gehört ende ist es an der Zeit, Bilanz über das vergan- auch, dass unsere jüdische Gemeinde inner- gene Jahr zu ziehen, neue Ideen zu sammeln halb der letzten Jahrzehnte einen so blühen- und auch einen Blick in die Zukunft zu wagen. den Aufschwung genommen hat. Rückblickend hielt das vergangene Jahr für Aber so sehr wir auch gegen Intoleranz Israel einige Überraschungen bereit – manche und Vorurteile kämpfen, unsere heutige Ge- tragisch, viele jedoch positiv. Die Situation im sellschaft spricht leider zu oft eine andere Nahen Osten hat sich im letzten Jahr leider Sprache. Die aktuelle weltpolitische Lage ist nicht verbessert – der Bürgerkrieg in Syrien so schmerzhaft von Hass, Angst, Gewalt und tobt weiter und eine Lösung scheint in weiter Ungerechtigkeiten geprägt. Aber auch in un- Ferne. Gerade auch Europa spürt die Auswir- serer „kleinen Welt“, im Alltagsleben, ist die kungen dieses Krieges mit der wachsenden Ablehnung gegenüber Menschen, die anders Zahl von Flüchtlingen. In Israel wurden bis feiern in diesem Jahr das 60-jährige Bestehen Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser! leben und glauben, noch zu oft manifest, aus Ende Juli in dutzenden Messerattacken 40 diplomatischer Beziehungen, und die zahlrei- Begegnung wird hier ignorante Distanz. Und Israelis von Terroristen getötet und 521 wur- chen Besuche von Politikern und Wirtschafts- Es ist ein alter jüdischer Glaube, dass in den das ist der Nährboden auch für Gewalt. Doch den verletzt. Nur durch den unermüdlichen delegationen unterstreichen das gegenseitige zehn Tagen zwischen Rosh Hashana und Yom Gewalt kann und soll nie die Lösung von Pro- Einsatz von Antiterror-Einheiten gelang es, Interesse an Austausch und Zusammenarbeit. Kippur Gott das Buch geöffnet hat, in dem blemen sein. Wie man auf Gewalt richtig ant- weitere Anschläge zu verhindern. Selbst wenn Umso mehr waren wir erfreut, in diesem Jubi- nach zehn Tagen der Umkehr jeder eingetra- wortet ist eine Frage, für die es eine Antwort uns Israelis immer noch nicht jenes Verständ- läumsjahr Außenminister Sebastian Kurz, der gen wird, der das nächste Neujahrsfest erle- von uns allen zu finden gilt. nis für unsere Lage und Probleme entgegen- von einer Young Leaders Delegation begleitet ben darf. Diesen Gedanken möchte ich auf- Zum bevorstehenden Jahreswechsel gebracht wird wie wir es uns wünschen, so wurde, in Israel willkommen heißen zu können. greifen, birgt er doch für alle Menschen eine wünsche ich der jüdischen Gemeinde Shana begreifen doch immer mehr Menschen in In Österreich, wie generell im Ausland, tiefe Sinnhaftigkeit in sich. Denn jeder von Tova 5777, viel Glück, Erfolg und vor allem Europa, welch großen Herausforderungen sich blickt man erstaunt auf Israel, das vor allem uns sollte sich dafür einsetzen, dass das Buch Gesundheit und Zufriedenheit für das kom- Israel seit Jahrzehnten stellen muss. in der High-Tech Industrie einen ausgezeich- des Lebens für alle geöffnet bleibt. Es geht da- mende Jahr. Von vielen hier in Europa unbemerkt, neten Ruf genießt. Besonders im Bereich der rum, aktiv für Frieden und gegen Rassismus hat Israel auf diplomatischer Ebene weitere Cybersecurity zählt Israel zur Weltspitze: mit und Gewalt einzutreten. wichtige Schritte gesetzt. Wir brechen nach einer Anzahl von 250 Firmen, welche dazu Reden wir miteinander, leben wir mitei- Afrika auf. Premierminister Netanyahu traf beitragen, Hackerangriffe abzuwehren und nander, suchen wir Orte und Gedanken der im Rahmen von mehreren Staatsbesuchen sensible Daten zu schützen, belegen wir welt- auf dem afrikanischen Kontinent mit sieben weit den zweiten Platz. Staatsoberhäuptern zusammen. Erstmals wur- Kooperationen werden auch weiterhin im den diplomatische Beziehungen mit Guinea Bereich der Forschung, im wirtschaftlichen, aufgenommen und weitere Beziehungen ge- wissenschaftlichen und kulturellen Austausch Das Titelbild stammt von Jakov Bararon knüpft. Auch der seit neun Jahren erste offi- geschlossen, und Touristen aus Israel und Ös- und trägt den Titel Chaj zielle Besuch eines amtierenden ägyptischen terreich nutzen die Gelegenheit direkter tägli- Öl/Leinwand 40 x 40 Außenministers, Minister Sameh Shoukry, ist cher Flugverbindungen, um das jeweils andere Das Bild zeigt eine „malerirische Illustration“ ein Zeichen dafür, dass sich Israels Position in Land und dessen Menschen kennenzulernen. zweier hebräischen Buchstaben, die Lebens- der Region verbessert hat. freude aber auch Leben (Chaj) bedeuten. Die Hauptaufgabe unserer Botschaft in Ich wünsche Ihnen ein erfolgreiches, süßes Wien ist, neben unseren multilateralen Auf- und hoffentlich friedliches Neues Jahr! gaben, die Beziehungen zwischen Israel und Österreich zu pflegen. Israel und Österreich Shana Tova!
4 AUSGABE 3 | 2016 ÖSTERREICH REFLEXIONEN PUBLIK ATIONEN Anfang Oktober erscheint sein DIPLOMATISCHER neues Buch auf Hebräisch: Reflections on my mission as Israels Ambassador to Austria, Slovakia and Slovenia August 1993 – December 1995 BEZIEHUNGEN Bereits erschienene Werke: - The Jewish Factor in the relations between the Soviet Union and Nazi Germany - Israel‘s Relations with the Soviet Union 1953-1967 JOSEF GOVRIN – ISRAELISCHER - Israel‘s Relations with Romania at the end of Ceausescu Era, 1985-1989 - Israel‘s relations with the East European BOTSCHAFTER IN ÖSTERREICH States, From Disruption to Resumption - In the Shadow of Destruction, Recollections VON 1993-1995 of Transnistria and Illegal Immigration to Eretz-Israel 1941-1947 - Israel‘s Ministry of Foreign Affairs the First Fifty Years D ie Beziehungen zwischen Österreich PLO und Israel im Jahre 1993 wurde in Öster- und Israel der letzten 60 Jahre kann reich sehr begrüßt, und Österreich engagierte man als sehr wechselhaft bezeichnen. sich sowohl politisch als auch finanziell am Österreich hat den Staat Israel am 5. März 1949, Auf bau von Gaza und Samaria und unterstützte zehn Monate nach der Unabhängigkeitserklä- die Friedensgespräche zwischen Israel und den rung, anerkannt. Im Jahre 1950 wurden diplo- arabischen Staaten. Nicht unerwähnt bleiben matische Beziehungen auf Konsularebene etab- sollte die Rolle, die Österreich in den Nachfor- liert, die 1956 zu Gesandtschaften erhoben und schungen des Schicksals des israelischen Piloten schließlich 1959 zu Botschaften erklärt wurden. Ron Arad spielte und dessen Schicksal bis heute Österreich hat stets eine sehr wichtige Rolle als noch im Dunkeln liegt. Transitland für die aus der Sowjetunion und aus Eine ganz neue und besondere Perspektive den damaligen Oststaaten f lüchtenden Juden in brachte der Beitritt Österreichs in die Europä- den Westen gespielt. ische Union im Jahre 1995 und der eine enge Während der Kanzlerschaft von Bruno Kooperation mit Israel in Aussicht stellte. Kreisky (1970 -1983) kam es zeitweise zu Dif- Alle diese Ereignisse trugen dazu bei, die ferenzen, da er, obzwar er die Existenz Israels Zusammenarbeit und die Freundschaft beider anerkannte, eine antizionistische und proara- Staaten zu verbessern und einen intensiven Di- bische Haltung einnahm. So war er das erste alog, sowohl auf politischer als auch auf wissen- Staatsoberhaupt der westlichen Welt, der offizi- schaftlicher Ebene, zu führen. ell die PLO anerkannte und Yasser Arafat nicht Es fand ein intensiver Austausch zwischen als Gegenleistung die Modifizierung des Paläs- den Universitäten beider Ländern statt – so tinensischen Manifestes, in der die Vernichtung wurden zum Beispiel an der Hebrew University Israels gefordert wird, abverlangte und der PLO in Jerusalem ein Institut für Austrian Studies eine offizielle Vertretung in Österreich anbot. etabliert und es werden, neben der Wiener Uni- Gleichzeitig aber bemühte sich Kreisky inten- versität, auch an den Universitäten der Bundes- siv um Friedensgespräche zwischen Israel und länder Studienmöglichkeiten zur jüdischen und der PLO. israelischen Geschichte angeboten. Meine Berufung nach Österreich 1993 habe festiert. Höhepunkte dieser Verbesserung der Der Vertiefung der Auf parlamentarischer Ebene wurden die ich mit Begeisterung aufgenommen, erstens war Beziehungen waren die Besuche von Kanzler Beziehungen zwischen der Opposition und den Beziehungen zwischen mir seine Geschichte und Kultur sehr vertraut Franz Vranitzky und Präsident Thomas Klestil Regierungsparteien SPÖ und ÖVP intensiviert. und zweitens sah ich darin eine willkommene in Israel, die von historischer Bedeutung waren. der israelischen Eine Ausnahme bildete die FPÖ, deren Nähe Gelegenheit, die angeschlagenen diplomatischen Kanzler Vranitzky betonte in seiner legendären Botschaft und der zum Nazi-Regime nicht zu leugnen war – als Beziehungen der beiden Länder nach der Präsi- Rede an der Hebrew University in Jerusalem die diese 2000 in die Regierung kam, wurde Israels dentschaft von Kurt Waldheim (1986-1992) zu Mitverantwortung Österreichs am Holocaust, jüdischen Gemeinden, ... Botschafter für drei Jahre abberufen. verbessern. ein Bekenntnis, das lange Zeit in Österreich, das waren und sind ein Intensiviert wurden auch die Beziehungen Der Beginn einer neuen Ära nach der Wahl sich als erstes Opfer Hitlers sah, einen entschei- mit den verschiedenen Freundschaftsgesell- von Thomas Klestil, bot die Gelegenheit, die denden Wendepunkt im Geschichtsverständnis besonderes Anliegen. schaften diverser Universitäten und anderer In- angeschlagenen diplomatischen Beziehungen Österreichs brachte. Auch Präsident Klestil ver- stitutionen in Israel. Ebenso besteht ein enger nicht nur zu erneuern, sondern auszubauen trat diese Interpretation in seiner Rede in der Kontakt zu den österreichischen Medien. und zu vertiefen. Es fanden politische Dialoge Knesset – dem israelischen Parlament. Der Vertiefung der Beziehungen zwischen auf allen Ebenen statt und diese freundschaft- Einen weiteren Aspekt in den diplomati- der israelischen Botschaft und den jüdischen lichen Beziehungen wurden durch gemeinsame schen Beziehungen bildete der Fall der Sowjet- Gemeinden, insbesondere jener in Wien, wo der Verträge auf Gebieten der Wirtschaft, Wis- union sowie das darauf folgende Ende des Kal- Großteil der jüdischen Bevölkerung lebt, waren senschaft, Kultur sowie der Sicherheit mani- ten Krieges. Der Vertrag von Oslo zwischen der und sind ein besonderes Anliegen. Die Anwesenheit der israelischen Botschaft bei besonderen Anlässen, in der Synagoge sowie Israels Vertretung in Österreich seit 1950 bei Gedenkveranstaltungen in Mauthausen und Ebensee, waren selbstverständlich. 1950 Generalkonsul Arye Eschel 1955 Generalkonsul Shmuel Benzur 1958 Botschafter Yehezkiel Sahar All diese erwähnten und auch nicht er- 1961 Botschafter Nathan Peled 1963 Botschafter Michael Simon 1967 Botschafter Zeev Shek wähnten Aktivitäten sind das Ergebnis, das 1971 Botschafter Yitzhak Patish 1974 Botschafter Dr. Avigdor Dagan 1977 Botschafter Yaacov Doron Israels Botschaft in Wien – vor der Waldheim 1979 Botschafter Issachar Ben-Yaacov 1984 Botschafter Michael Elizur 1986 Chargé d´Affaires Gideon Yarden Aera und insbesonders danach – verwirklichen 1990 Botschafter Uriel (Peter) Aran 1993 Botschafter Dr. Yosef Govrin 1995 Botschafter Yoel Sher konnte. Abschließend ist zu vermerken, dass 1998 Botschafter Nathan Meron 2000 Chargé d´Affaires Ilan Ben-Dov 2001 Chargé d´Affaires Avraham Toledo in den Beziehungen zwischen Österreich und Israel in den letzten Jahren auf vielen Ebenen 2004 Botschafter Avraham Toledo 2005 Botschafter Dan Ashbel 2009 Botschafter Aviv Shir-On sehr viel erreicht worden ist. Die Türen stehen 2013 Botschafter Zvi Heifetz Nov. 2015 Botschafterin Talya Lador-Fresher auf beiden Seiten offen, um weitere Kontakte zu intensivieren.
ISRAEL AUSGABE 3 | 2016 5 INW: Nein, ich meine, wenn es zu Verurteilungen Foto: Joanna Nittenberg kommt und z. B., dass sich alles sehr auf das Palästi- nenserproblem konzentriert. M.W.: Das ist ein Punkt, wo man aus israelischer Sicht sagen kann, dass dieses Problem mit extremer Aufmerksamkeit beobachtet wird. INW: Unverhältnismäßig? M. W.: Unverhältnismäßig vielleicht und bei vielen an- deren Problemen sieht man nicht genauer hin. Das mag schon sein. Aber ich glaube trotzdem: Wenn man sich z. B. diesen letzten Bericht anschaut, es hat diesen so- genannten Quartettbericht gegeben, wo eben die USA, Europa, Russland, die Vereinten Nationen sozusagen gemeinsam die Situation analysieren. Dieser Bericht ist recht ausgewogen. Sicher, wenn man mit einer Lupe hinschaut, wird man einige Punkte finden und sagen, das ist aber unfair. Aber im Großen und Ganzen ist es eine Sicht der Dinge, die den Realitäten ziemlich nahe kommt. Ich glaube nicht, dass Europa unfair mit Israel umgeht .Der Bericht wurde von beiden Seiten kritisiert, so ist es doch wahrscheinlich, dass er relativ wirklich- keitsnahe ist. Ich meine, dass das hier ein ungelöstes Problem noch immer ist, da kommen wir nicht drum herum. Und zwar jetzt anders als in meiner letzten Funktion, wo ich Botschafter in Zypern war, auch ein ungelöstes Problem, aber ein ungelöstes Problem, wo beide Seiten damit leben, ohne dass dort immer wieder ERINNERUNG AN DIE Menschen sterben, ohne dass dort Blut fließt. Es ist halt ein Frozen Conflict. INW: Gut, aber hier ist es auch ein hineingetragener Konflikt. VERGANGENHEIT UND M.W.: Ein hineingetragener, aber hier ist das einer, der halt wirklich immer wieder in meiner Zeit, in diesem halben Jahr, in dem ich hier lebe, viele Opfer hervor- ruft – ältere Menschen, junge Leute... Dass Europa und BLICK NACH VORNE die Welt sich damit beschäft igt – ganz von der Hand weisen kann man es nicht. INW: Welche Aktivitäten sind anlässlich dieses Jubi- läums geplant? M.W.: Also wir hatten, wie gesagt, einen sehr schönen Joanna Nittenberg im Gespräch mit Österreichs Besuch von unserem Außenminister hier und haben dabei dieses Abkommen für die jungen Israelis und die jungen Österreicher unterschrieben. Was mir sehr Botschafter in Israel, Dr. Martin Weiss wichtig ist. Wir haben auch einen Jugendaustausch zu diesem Anlass gemacht. Es sind 30 junge Öster- INW: Wie sehen Sie jetzt die 60 Jahre im Rück- M.W.: Insgesamt ist das Verhältnis Israels mit Ich bin sehr froh, reicher mit unserem Minister nach Israel gekommen. blick? Ist das jetzt ein Jubelfest? Oder ist es auch der Europäischen Union, wenn man genau hin- Junge Menschen, künft ige Entscheidungsträger und ein besinnliches Fest, ein besinnliches Datum? schaut, ein sehr starkes Verhältnis. Europa ist der wo diese Beziehung im Gegenzug werden 30 junge Israelis im Herbst nach MARTIN WEISS: A little bit of both, wie man wichtigste Wirtschaftspartner Israels, bei weitem. gelandet ist. Österreich kommen,. Da haben wir die Zahl 30+30, sagen würde. Es gehört beides dazu. Einerseits Wirtschaft lichen Austausch, auch Austausch im Gleichzeitig vergessen das sind 60 als symbolische Zahl für dieses Jubiläum. freue ich mich schon darüber, wo unsere Bezie- Bereich z. B. Wissenschaft und Kooperation, gibt Wir planen im Herbst den Besuch der Nationalrat- hungen heute stehen. Unser Wirtschaftsaustausch es extrem viel. Ich habe es selber hier erlebt. Als wir natürlich unsere spräsidentin, der Präsidentin Bures, als Gegenbesuch ist im Verhältnis zu den letzten Jahren wieder um der Präsident der Österreichischen Akademie der Geschichte nicht. zu Präsident Edelstein von der Knesset, der in Wien viele Prozentpunkte gewachsen. Tourismus befin- Wissenschaften, Univ. Prof. Zeilinger, hier war, hat war. Wir haben möglicherweise den Besuch unserer det sich auf hohem Niveau. Es waren noch nie so er enge Kooperationen im universitären Bereich Gesundheitsministerin, sowie den Besuch unseres Fi- viele israelische Touristen in Österreich. Wir ha- aufgenommen. Die Universitäten in Jerusalem nanzministers, also wirklich einen Austausch auf un- ben fast eine Million Übernachtungen. Und wenn und Tel Aviv, sowie das Technion in Haifa, das terschiedlichsten Gebieten, der noch nie so dicht war man hier mit den Leuten spricht, meinen sehr Weizmann Institut und noch viele andere pfle- in den 60 Jahren. Ich finde es auch extrem wichtig für viele: Österreich ist so schön, sowohl im Sommer gen enge Kontakte mit österreichischen Forschern. unsere Politiker hierher zu kommen und diese Ge- als auch im Winter. Es gibt da sehr viel Goodwill. Also da gibt es wirklich ein enges Netz von Koope- spräche zu suchen, weil der Standort oft die Dinge be- Heuer haben wir ein Abkommen unterschrieben, rationen und es läuft hervorragend in beide Rich- stimmt. Wenn man in Israel steht und die Golanhöhen dass sowohl junge Israelis in Österreich als auch tungen. Und dann gibt es eben politische Diskus- sieht und die Geografie dieses Land begreift, dann se- junge Österreicher in Israel arbeiten können. Die- sionen, wo halt Europa immer wieder kritisch ist hen diese Dinge einfach anders aus. Und ich habe auch ses Holiday To Work Agreement wird wieder viele und vielleicht aus israelischer Sicht überkritisch. bei allen Besuchern, die hier waren, erlebt, wie interes- künftige Möglichkeiten schaffen. Ich bin sehr froh, Und wo man in Israel sagt, na habt ihr keine ande- sant, sowohl das Land als auch die Gesprächspartner wo diese Beziehung gelandet ist. Gleichzeitig ver- ren Sorgen, als sich dauernd mit diesem Problem für sie waren. Man profitiert wirklich davon und das gessen wir natürlich unsere Geschichte nicht. Es zu beschäft igen. Schaut einmal selber, was ihr für freut mich, dass das auf so hohem Niveau stattfindet. ist uns bewusst, was in unserer Vergangenheit Probleme habt. Verstehe ich auch, diese Sicht der INW: Herzlichen Dank für das Gespräch. geschehen ist und wie schwierig die politischen Dinge, aber ich glaube, wenn man auf die reellen Beziehungen über die Jahre mit Israel immer wie- Beziehungen schaut, das dichte Netz der Besuche, Österreichische Vertretung in Israel seit 1950 der waren. Also, ich glaube, da muss man immer das dichte Netz der Wirtschaft skontakte, die In- wieder nach rückwärts sehen und sich an die Ver- vestitionen, das lauft alles wie am Schnürchen, das 1950 Konsul, ab 1952 Generalkonsul Karl Hartl gangenheit erinnern und gleichzeitig nach vorne muss auch erwähnt werden. 1955 Generalkonsul Kurt Enderl blicken und schauen, was es da für Möglichkei- INW: Israel ist Europa doch auch. 1958 Gesandter, ab 1959 Botschafter Ernst Luegmayer ten gibt. Aber dieses Jahr wird sicherlich ein gutes M.W.: Absolut, spürt man auch. 1962 Botschafter Walter Peinsipp 1968 Botschafter Arthur Agstner Jahr. Wir hatten schon viele Besuche, auch den INW: Ja, das spürt man, aber trotzdem sind in- 1972 Botschafterin Johanna Nestor 1976 Botschafter Ingo Mussi unseres Außenministers, und es werden noch an- nerhalb der EU... die Stellung Österreichs ist nicht 1981 Botschafter Otto Pleinert 1990 Geschäftsträger, ab dere hochrangige Besuche erwartet. Und in den immer so, wie es sich Israel wünschen würde. 1992 Botschafter Kurt Hengl 1994 Botschafter Herbert Kröll Gesprächen, die stattfanden, gab es eine wirklich M.W.: Nicht immer hundertprozentig vielleicht, gute Vertrauensbasis, das habe ich persönlich wie man es sich wünschen würde, aber das Ver- 1998 Botschafter Wolfgang Paul 2002 Botschafter Kurt Hengl miterlebt. hältnis ist sehr gut und sehr vertrauensvoll. Also 2008 Botschafter Michael Rendi 2012 Botschafter F. Josef Kuglitsch INW: Wie sehen Sie die Beziehung Österreichs es ist nicht so, dass man sagt, man hat jetzt so viele Nov. 2015 Botschafter Martin Weiss und der EU zu Israel? offene Fragen oder offene Themen.
SINAI – DAS GELOBTE LAND DER ISLAMISTEN? GIL YARON D ie Straßenschilder beweisen es. Bis vor aus Angst vor Angriffen aus dem Sinai wei- gerüstet. Jetzt rollen Panzer durch die Wüste, So wurden vom Sinai wiederholt Raketen ab- kurzem galt eine Kollision mit einem ter erhöht werden musste. Sinai – das gelobte gedeckt von Ägyptens Luftwaffe, die das eigene geschossen. Seitdem im August 2011 bei einem Kamel als die größte Gefahr bei ei- Land der Islamisten? Nicht ganz: „Ägypten Land mit Kampfflugzeugen und Hubschrau- Grenzüberfall einer Dschihadistenzelle acht Is- nem Besuch von Israels erster Friedens- und macht gewaltige Anstrengungen den IS end- bern bombardiert. Al-Sisi erklärte vor einem raelis ermordet wurden, ist die 182 Kilometer zweitlängsten Landgrenze. In den Sanddünen, gültig zu besiegen“, Monat im Fernse- lange Route 10, entlang des Zauns, für Zivi- an der Grenze zur ägyptischen Sinai-Halbin- sagt Malcha. Seit hen, die Terroris- listen geschlossen. Die Grenzanlagen wurden sel, warnt alle paar Kilometer ein dreieckiges vier Jahren gilt hier In Syrien und Irak mögen die ten kontrollierten erneuert, neueste Aufklärungsgeräte aufgestellt, Straßenschild in Form eines rot umrahmten e i ne Aus g angs - höchstens drei Pro- neue Bataillone für den Grenzschutz gegrün- Dschihadisten auf dem Rückzug schwarzen Dromedars Autofahrer vor den sperre. Ab vier Uhr zent des Sinai. Der det. Zum anderen, weil die wohl noch größere streunenden Wüstenschiffen. Doch die Sol- nachmittags steht sein. Doch im Sinai können sie Befehlshaber der Gefahr für Israel von der intensiven Zusam- daten von Oberstleutnant Yaron Malcha, der das zivile Leben im trotz intensiver, fast rückhaltloser Truppen auf der menarbeit zwischen dem IS im Sinai und der in der israelischen Armee für diesen Grenz- Norden der Halbin- Halbinsel, Osama radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen abschnitt mitverantwortlich ist, sehen sich sel still, wenn Bür- Anstrengungen der größten Askar, prahlte die herrührt. So sollen verwundete IS-Kämpfer in seit wenigen Jahren einer ungleich größeren ger dazu gezwun- arabischen Armee stets neue Halbinsel befände Gaza behandelt werden, andere werden hier Bedrohung gegenüber: „Fast täglich hört man gen sind, in ihren sich wieder „voll militärisch ausgebildet. Im Gegenzug bietet der hier die Kämpfe zwischen der ägyptischen Ar- Häusern zu bleiben. Erfolge für sich verbuchen. unter Kontrolle der IS geschmuggelte Waffen und Geld. In der Ver- mee und den Islamisten auf der anderen Seite Nach besonders Armee.“ gangenheit kooperierten die Islamisten bei der der Grenze“, sagt der Offizier. Die Terrormiliz blutigen Attacken Doch mit der Planung und Ausführung von Attentaten auf wolle sich jedoch nicht mit dem Kampf ge- der Islamisten im Januar 2015, die mindestens Realität scheint das nur wenig zu tun zu haben. Israel und angeblich auch auf ägyptische Stel- gen das Regime in Kairo begnügen: „Der IS dreißig Soldaten und Zivilisten töteten, ver- Denn selbst die streng zensierten ägyptischen lungen. Schadi al Manai, einer der wichtigsten im Sinai will auch uns angreifen“, so Malcha. doppelte die Regierung in Kairo ihre Anstren- Medien, die im Sinai noch strengeren Auflagen Führer des IS im Sinai, soll Gaza unlängst einen In Syrien und Irak mögen die Dschihadisten gungen gegen die Terroristen. Präsident Abdel unterliegen, berichten ununterbrochen wie ak- weiteren Besuch abgestattet haben, um die Ko- auf dem Rückzug sein. Doch im Sinai können Fatah Al-Sisi fasste alle Armeekräfte östlich des tiv der IS dort noch ist. operation zu intensivieren. sie trotz intensiver, fast rückhaltloser Anstren- Suezkanals unter einem Befehlshaber zusam- Es kam ein Rekrut der Polizei durch eine Nicht nur die Islamisten, auch Ägypten gungen der größten arabischen Armee stets men. Er bat und erhielt Israels Zustimmung, Explosion ums Leben, zeitgleich wurde der und Israel arbeiten deswegen immer enger neue Erfolge für sich verbuchen. „Sie zählen die Truppen in der Halbinsel – Anzahl und stellvertretende Kommandant der Polizeista- zusammen. So zitierte Bloomberg News einen tausende Kämpfer. Sie sammeln ständig neue Bewaffnung sind durch eine Klausel des Frie- tion, Al-Kasima, in Al Arish erschossen, seine „hochrangigen israelischen Beamten“ der be- Kampferfahrung und stocken ihr Waffenar- densvertrags begrenzt – auszutauschen und Dienstwaffe gestohlen. Wenige Tage später, am stätigte, dass sein Land auf Anfrage der Ägyp- senal auf.“ aufzustocken. Und so sieht Malcha „inzwi- 28. Juli, wurde ein Soldat von einer Bombe ge- ter Drohnen im Sinai einsetze und sogar aktiv So sehr ist hier die Gefahr gewachsen, dass schen ganz andere ägyptische Soldaten auf der tötet. Am Tag zuvor kamen bei einer weiteren in die Kämpfe gegen den IS eingreife. Bisher die Bereitschaft der israelischen Truppen an anderen Seite der Grenze“: Besser ausgerüstet, Explosion an einer Autobahn, südlich von Al schwiegen sich Jerusalem und Kairo über der Grenze seit dem Fastenmonat Ramadan höher motiviert, mit modernstem Kampfgerät Arish, drei Personen ums Leben. diese Zusammenarbeit aus, die anscheinend Anfangs hieß, es habe sich um Zivilisten seit 2013 stattfindet. Es gibt auch sichtbare gehandelt, später erklärten staatliche Medien, Beweise für die Annäherung wie der histori- die Opfer seien drei gesuchte Terroristen, die sche Besuch des ägyptischen Außenministers beim Legen einer Bombe offensichtlich einen Sameh Schukri in Jerusalem, Anfang Juli – die Fehler gemacht hatten. Ende Juni erschoss ein erste Visite seit 2007. Israel rettet weiterhin Syrern das Leben Anhänger des IS einen koptischen Priester in Doch selbst die von Israeli unterstützten Al Arish am helllichten Tag. Offensiven haben kaum Aussicht, den Sinai Bei heftigem Artillerie-Beschuss in der sy- und befanden sich in akuter Lebensgefahr. Neben diesen Nadelstichen gibt es auch zu befrieden, solange sie nicht von umfassen- rischen Grenzregion zu Israel durch das Sie ächzten unter den Schmerzen. Michel immer wieder größere Attacken, wie im März, den politischen Maßnahmen begleitet werden. Assad-Regime wurde in der vergangenen Pushkov, ein Sanitäter, der als Ersthelfer vor als 13 Soldaten bei einem Angriff auf einen Denn die Terroristen „haben großen Rückhalt Woche auch ein medizinisches Zentrum Ort war und die beiden Kinder behandelte, Checkpoint ums Leben kamen. Und strate- in der Bevölkerung“, so Malcha: „Sie sitzen in in Quneitra beschossen. Acht dabei schwer beschrieb die Situation so: „Wir brachten gische Attentate, wie die Bombe, die vergan- den Moscheen, Schulen, Wohnhäusern, bedie- verletzte Syrer, die teilweise in Lebensge- eine Menge medizinisches Material mit, da genen Oktober an Bord eines russischen Pas- nen Dich im Tante Emma Laden.“ fahr schwebten, wurden an den Grenzzaun wir wussten, dass das eine riesige Sache war. sagierjets in Sharm el-Sheikh geschmuggelt Nach Jahrzehnten der Diskriminierung zu Israel gebracht. Zwei von ihnen waren Die Kinder sahen furchtbar aus. Wir gaben wurde und nach dessen Absturz die ägypti- durch die Zentralregierung in Kairo haben Kinder im Alter von 7 und 11 Jahren. Die ihnen Medizin und obwohl sie Angst hat- sche Tourismusindustrie – eine der wichtigs- sich die dortigen Beduinenstämme nämlich Verletzungen – starke Blutungen, schwere ten, beantworteten sie unsere Fragen. Als ten Devisenquellen des Regimes – vollkom- auf Seite des IS geschlagen: „Ein tiefer Gra- Verbrennungen, Kopfverletzungen, Schuss- sie verstanden, dass wir da waren, um ih- men zum Erliegen brachte. Insgesamt sollen ben trennt die Stämme vom Staat“, bestätigte wunden – waren so schwerwiegend, dass nen zu helfen, sahen sie glücklicher aus.“ in den vergangenen vier Jahren mehr als 700 Scheich Naim Dschabr, der Koordinator der die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte Die Grenzregion zu Israel ist seit ver- Soldaten und Zivilisten und bis zu 2.000 Is- Stämme des Nordsinai, der Nachrichtenweb- (ZAHAL) sich trotz der damit verbunde- gangenem Jahr unter Kontrolle der Rebel- lamisten ums Leben gekommen sein. Kein site Al Monitor. Daran dürfte selbst ein am- nen Risiken entschlossen, die Verletzen len und islamistischen Extremisten. Das Wunder also, dass selbst der parlamentarische bitionierter Entwicklungsplan Al-Sisis kaum mit einem Hubschrauber in verschiedene Assad-Regime versucht derzeit mit den Untersuchungsausschuss zur Lage im Sinai die etwas ändern und der von den Saudis finan- Krankenhäuser zu evakuieren. Sieben me- Kämpfen die Region zurückzuerobern. geplante Reise von Kairo zur Halbinsel ständig ziert werden soll: „Er lässt nämlich genau die dizinische Teams, unter ihnen hochran- Vor drei Jahren begann Israel aus huma- wieder verschiebt. Gegenden im Nordsinai aus, in denen die här- giges medizinisches Personal, wurden in nitären Gründen verwundete Syrer zu be- Dieser Zustand wird für Israel zu einer testen Kämpfe stattfinden“, so Dschabr. Dort das Gebiet gerufen. Die zwei Kinder hat- handeln. Seitdem waren 2500 Syrer in Israel wachsenden Bedrohung. Zum einen, weil die trauen sich selbst Ägyptens Elitesoldaten nur ten am ganzen Körper Verbrennungen in Behandlung. erstarkenden Islamisten den Judenstaat an- in gepanzerten Formationen hin, während der greifen könnten – wie in der Vergangenheit. IS weiter blüht.
DI E ST B U JE I ND TZ ES T K MÜNZE „ÖSTERREICH“ LÄ OM ND P WAS ER LET -S T! ER IE ÖSTERREICH PRÄGT Was ist Österreich? Gewiss der Großglockner, freilich der Skisport, bestimmt das Wunderkind Mozart, ferner der Habsburger Franz Joseph I.; Österreich, das ist auch seine Kunst, auf der Münze vertreten durch Klimt. Aber was ist Österreich noch? – Österreich ist seine Kinder. Die entzückende Gemeinschaftszeichnung einer Kapfenberger Schulklasse ist auf einer Münzseite zu bewundern. – Als krönender Abschluss des Bundesländer-Reigens: die „Österreich-Münze“. Erhältlich aus Silber edel verpackt oder aus Kupfer zum Nennwert in den Geldinstituten, im Sammel- service der Österreichischen Post AG, in den Filialen des Dorotheums, im Münzhandel, im Münze Österreich-Shop Wien sowie unter www.muenzeoesterreich.at. MÜNZE ÖSTERREICH – WERTE, DIE DAS LEBEN PRÄGT.
8 AUSGABE 3 | 2016 Der Einsatz von ABC-Waffen als Mittel des Krieges wurde von der internationalen Staatengemeinschaft geächtet. Selbstmordattentaten hingegen wurde im UN-System bis heute nicht ausdrücklich jede Legitimation abgesprochen. Sie gelten nicht nur radikalen Islamisten als gerechtfertigtes Kampfmittel. Während aber Muslime und selbst manche Islamisten sich zunehmend von Suicide Attacs distanzieren, bleibt die westliche Politik indifferent. „IHR LIEBT DAS LEBEN, WIR DEN TOD!“ DIE KRIEGSWAFFE DES SELBSTMORDATTENTATS IST BIS HEUTE NICHT EXPLIZIT GEÄCHTET MATTHIAS KÜNTZEL D as Grauen, das uns nach den schen Staat mit Luftschlägen zu treffen, grei- Andere Verse rufen die Muslime dazu Martyrium Husseins der Kern der schii- Brüsseler Terroranschlägen erneut fen deshalb zu kurz, solange dies eine nicht auf, den Tod mehr zu lieben als das Leben: tischen Ideologie und der Ashura-Tag das erfasst, beginnt mit den Selbstmor- gelingt: Die Kriegsform des Selbstmordatten- „Dieses irdische Leben“, heißt es zum Bei- höchste Fest gläubiger Schiiten. dattentätern selbst. Sie haben in sich einen tats als ein Verbrechen gegen die Menschheit spiel in Sure 29, Vers 64, „ist nichts als Zeit- So ist es kein Zufall, dass auch die Sekte existenziellen Willen abgetötet, der eigentlich politisch und juristisch so zu ächten, wie man vertreib und ein Spiel, und siehe, die jensei- der Assassinen schiitisch war. Deren Ka- allen Lebewesen gemeinsam ist: den Überle- einst den Einsatz der ABC-Waffen geächtet tige Wohnung ist wahrlich das Leben.“ Der der hatten bereits im 11. Jahrhundert den benswillen. Wer aber entschlossen ist, sein hat. Märtyrertod gilt als besonders attraktiv: Wer Tod mehr als das Leben geliebt. Und doch Leben zu opfern, lässt sich durch nichts ab- Tatsächlich aber findet diese Forderung, als Märtyrer stirbt, dem werden alle Sünden hatte ihre Kampfform mit jener der heuti- schrecken und ist zu jedem Verbrechen bereit. die in der Vergangenheit von Organisationen vergeben. Zugleich wird das Leben nach dem gen Suicide Bomber wenig gemein: Erstens Bisher war Krieg, von einigen Ausnah- wie Human Rights Watch und Einzelperso- Tod mit sexuellen Verlockungen schmack- erdolchten die Assassinen stets sorgfältig men abgesehen, eine räumlich und zeitlich nen wie dem Holocaust-Überlebenden Elie haft gemacht: „Jungfrauen mit schwellen- ausgewählte Herrscher, also Einzelpersonen, begrenzte Ausnahmesituation. Selbstmord- Wiesel erhoben wurde, den Brüsten“, aber auch denen sie sich inkognito näherten. Und zwei- terroristen heben diese Begrenzungen auf. auch nach den Anschlä- Die Kriegsform des „unsterbliche Knaben“ tens töteten sie niemals sich selbst, sondern Ihr Tatort ist der Flughafen, die U-Bahn, gen von Brüssel und verspricht der Koran, nahmen nach dem Mord ihre Hinrichtung der Konzertsaal, das Café, die Moschee oder Paris kein Gehör. Viele Selbstmordattentats die der Märtyrer in den in Kauf. Allerdings setzte man damals schon der Markt – Orte, an denen sich Menschen scheinen das Selbst- als ein Verbrechen gegen „Gärten der Wonne“ ge- den Überlebenswillen mittels Paradiesver- sammeln. mordattentat für ein nießen könne. Hierauf sprechungen außer Kraft. Daran knüpfte In Paris kostete die Mordorgie vom 13. Grundmerkmal des Is- die Menschheit ist poli- auf bauend entwickel- der iranische Revolutionsführer Ajatollah November 130 Menschen das Leben, 352 lam oder zumindest des tisch und juristisch so zu ten die 1928 in Ägypten Khomeini an. „Wir siegen, indem wir töten wurden verletzt. Die Kriegsführung der Islamismus zu halten. gegründeten Muslim- und indem wir getötet werden“, erklärte er ächten, wie man einst den Selbstmordattentäter ist besonders heimtü- Doch diese Annahme brüder ihren Märtyrer- im September 1979. Die natürliche Welt sei ckisch: So hatten sich die Attentäter am Flug- ist falsch. In Wirklich- Einsatz der ABC-Waffen kult: Für sie war und ist nur „der Abschaum der Schöpfung“, das hafen von Brüssel als Touristen getarnt, um keit sind der islamis- geächtet hat. „der Tod für die Sache Jenseits aber eine „göttliche Welt, die uner- diejenigen zu zerfetzen, die sie arglos in ihre tisch motivierte Selbst- Gottes ihr erhabenster schöpflich“ ist. Khomeini beließ es nicht bei Mitte ließen. mordattentäter und die Wunsch.“ Worten. 1982, im Krieg zwischen dem Irak Das scheinbar Sinnlose folgt einem klaren Selbstmordattentäterin eine historisch neue Und doch war ihr Aufruf, den Tod im und dem Iran, schickte der Revolutionsfüh- Konzept. „Selbstmordattentate bringen dem Figur. Vor 35 Jahren hat es ihn noch nicht Zuge des Djihad gegen Ungläubige nicht zu rer tausende iranische Kinder ab zwölf Jah- Feind das größtmögliche Grauen bei relativ gegeben. fürchten, von der heutigen Praxis des suizi- ren in den sicheren Tod: Er veranlasste sie, geringen Verlusten für die Islamistische Be- Von 1979 bis 1989 führten sunnitische dalen Massenmords, bei dem die Täterin und die Minenfelder mit ihren jungen Körpern zu wegung“, schrieb al-Qaida-Führer Ayman Islamisten, unterstützt von den USA, ihren der Täter den Selbstmord willentlich vorbe- räumen, um, so die Propaganda, ins Paradies al Zawahiri im Jahr 2001. Am besten seien Krieg gegen die Sowjets in Afghanistan. In reiten, weit entfernt. zu kommen. Vor den Einsätzen wurde ihnen Anschläge, die möglichst viele ZivilistInnen diesem Zeitraum gab es dort kein einziges Die frühen Ideologen des Islamismus ein silberner Plastikschlüssel um den Hals töten: „Das verbreitet bei den Völkern des Selbstmordattentat. Dies hatte einen einfa- wollten keine Muslime, die durch Sterben gehängt, der ihnen die Pforten zum Paradies Westens den größten Schrecken. Das ist die chen Grund: Das Suicide Bombing wider- kämpfen, sondern solche, die durch Kämp- öffnen werde. Sprache, die sie verstehen. spricht den Vorgaben des Koran. Erstens fen sterben; die in auswegloser Situation ihr Diese Lüge verfing. „Sie kommen in rie- Inzwischen wurden sie vor allem zu ei- verbietet auch der Islam das Menschenopfer Leben also eher opfern als zu kapitulieren. sigen Horden“, klagte 1982 ein irakischer Of- nem Schrecken für die islamische Welt, mor- für Gott, zweitens ist die Tötung beliebiger Dies ist von der Praxis späterer Selbstmor- fizier. „Man kann die erste Welle erschießen, den sie doch in erster Linie Muslime und Menschen, die sich zufällig am Ort des Mas- dattentäter, die sich willentlich in einer kei- auch die zweite, aber irgendwann türmen sich Musliminne in Syrien, Irak, Afghanistan sakers befinden, verboten und drittens ist die neswegs ausweglosen Situation in den Tod vor dir die Leichen, dass du nur noch heulen oder Pakistan. Selbstmordattentate bedro- Selbsttötung strikt untersagt. „Begeht nicht stürzen, weit entfernt. und dein Gewehr wegwerfen willst, das sind hen gleichzeitig die Grundvoraussetzungen Selbstmord“, heißt es in Sure 4, Vers 29 des Es bedurfte der Beihilfe der islamisti- doch alles Menschen.“ demokratischer Gesellschaften, denn sie nö- Koran: „Wer dieses tut (…), den werden wir schen Schiiten, um die Kluft zwischen Mär- Im November 1982 kopierte der 15-jäh- tigen diese, entweder die Freiheit zu opfern, brennen lassen im Feuer.“ tyrerverherrlichung und Selbstmord-Kultur rige Schiit Ahmad Qusayr erstmals diese um Sicherheit zu schaffen, oder Unsicherhei- Gewiss: Es finden sich im Koran zahllose zu schließen. Denn für Schiiten ist Hussein, Methode und sprengte in der libanesischen ten und permanente Furcht zu akzeptieren. Verse, die das Töten ausdrücklich empfehlen. der Enkel Mohammeds, die religiöse Schlüs- Stadt Tyros sich selbst und mehrere Israelis All die Rufe nach besserer Überwachung „Und wenn ihr die Ungläubigen trefft“, heißt selfigur. Hussein wurde grausam niederge- in die Luft. Khomeini erklärte Qusayr zum und geheimdienstlicher Operation, wie sie es zum Beispiel im vierten Vers der 47. Sure, metzelt, weil er sich im Jahr 680 ohne die ge- „Helden des Islam“ und ließ ihm in Teheran auch nach den Brüsseler Anschlägen zu hö- „dann herunter mit dem Haupt, bis ihr ein ringste Überlebenschance in die berühmte ein Denkmal errichten: Das Kampfmittel des ren waren, und all die Versuche, den Islami- Gemetzel unter ihnen angerichtet habt.“ Schlacht von Kerbala stürzte. Seither ist das suizidalen Massenmords war geboren.
TERRORISMUS AUSGABE 3 | 2016 9 Selbstmordattentats nicht wieder in die Fla- „Gesetz zur Bekämpfung des internationa- sche zurückbeordern können – doch bezeugt len Terrorismus“ darauf, die Befugnisse der auch seine Korrektur, dass sich in relevanten Geheimdienste zu erweitern, ohne sich an Sektoren der islamischen Geistlichkeit etwas einer Definition von „Terrorismus“ auch nur tut. Darauf kommt es an. Denn der Todeskult zu versuchen. der Suicide Bomber wird nur dann überwun- den werden können, wenn ihn die islamische Linke Verharmlosung Welt systematisch delegitimiert. und Ignoranz Davon kann heute aber leider noch keine Ein möglicher Grund für diese Zurückhal- Rede sein. Dies belegt eine erst kürzlich be- tung ist die Weigerung, die offensive Ideo- kannt gewordene Broschüre der türkischen logie des Islamismus wirklich zur Kenntnis Religionsbehörde Diyanet, in der Kindern zu nehmen. Immer wieder wird der isla- das Märtyrertum beigebracht wird. Die mistische Selbstmordterror als Verzweif- Diyanet ist als türkisch-islamischer Dach- lungstat gegen Israel oder den Westen rati- verband auch in Deutschland und Österreich onalisiert und als „Waffe der kleinen Leute“ die einf lussreichste Organisation für Mus- romantisiert. lime, berichtet Ednan Aslan, ein islamischer „Was sollen die Armen machen im Vorde- Religionspädagoge aus Wien. „In einem von ren Orient, die seit Jahren dem Kolonialismus ihr veröffentlichten Comic diskutiert ein Va- ausgesetzt sind?“, fragte zum Beispiel Oskar ter mit seinen Kindern, warum es gut ist, als Lafontaine Anfang 2016 auf einer Großver- Märtyrer zu sterben. Seine Tochter beklagt anstaltung der Linkspartei. „Sie haben keine sich, dass sie als Mädchen von dieser Ehre Bomben, sie haben keine Raketen, sie haben ausgeschlossen bleibt. Daraufhin erklärt ihr keine Heere, die sie auf den Weg bringen der Vater, was der Prophet sagt: Wer die Ab- können, um ihre Interessen zu wahren – und sicht zum Martyrium habe, werde auch wie dann greifen sie zum Selbstmordattentat. Das die Märtyrer von Sünden befreit, er fühle den zeigt doch die ganze Perversion unserer Welt- Schmerz des Todes nicht.“ ordnung, dass sich Menschen nur so noch Es vergingen mehr Während 2005 nur wehren können.“ Lafontaine lässt außer Acht, In jüngster Zeit erreichte Versagen der als zehn Jahre, bevor 11 Prozent der Jor- dass Selbstmordattentate in erster Linie Mus- auch sunnitische Isla- der Islamische Staat danierInnen Selbstmor- internationalen Politik lime konkurrierender Glaubensrichtungen misten ihre religiös be- seine Bodengewinne dattentate grundsätz- Wollte die Internationale Gemeinschaft den zerfetzen. Er ignoriert, dass die Attentäter dingten Skrupel über- lich ablehnten, waren Horror islamistischen Terrors überwinden, ausweislich ihrer letzten Videoaufzeichnun- wanden: 1993 starteten nicht zuletzt mithilfe der es 2014 bereits 55 Pro- müsste sie die Selbstmordattentate als „Ver- gen den suizidalen Massenmord keineswegs die Al-Qassam-Briga- Schockwirkung massen- zent. Dementsprechend brechen gegen die Menschheit“ kennzeich- verzweifelt, sondern hoffnungsfroh und stolz den der Hamas ihre ging die Zustimmung nen und all diejenigen, die den Suicide Terror begehen. Er will nicht sehen, dass ihre Tat erste Selbstmord-Ope- haft eingesetzter zu Selbstmordattenta- propagieren, ächten, isolieren und bestrafen. nicht die Verbesserung der Welt, sondern ration. Obwohl theolo- Selbstmordattentäter. ten in Jordanien von Davon ist man aber weit entfernt. Zwar ihre Unterjochung unter Allahs Gesetz be- gisch weiterhin umstrit- 57 Prozent in 2005 auf wurde der 2002 geschaffene Internatio- zweckt. Seine Rechtfertigung des Terrors fällt ten, setzte sich dieses 15 Prozent in 2014 zu- nale Gerichtshof mit der Aufgabe betraut, all den Muslimen und Musliminnen in den Kampfmittel einige Jahre später im Zuge der rück. Im Libanon stieg die Ablehnungsrate den Tatbestand des „Verbrechens gegen die Rücken, die gegen die Talibanisierung ihrer zweiten Intifada durch. Mittlerweile hat es im gleichen Zeitraum von 33 auf 45 Prozent, Menschheit“ zu definieren und zu ahnden. Lebensumstände kämpfen. sich global verbreitet: 2013 hatte es weltweit in Pakistan von 46 auf 83 Prozent und in In- Was unter derartigen Verbrechen zu verste- Es ist bezeichnend für die gegenwärtige 305 Selbstmordattentate gegeben. 2014 wa- donesien von 66 auf 76 Prozent. hen ist, legt Artikel 7 des Römischen Statuts Situation, dass kurz nach dem Pariser Mas- ren es 592 Angriffe – eine Steigerung um 94 Darüber hinaus grenzen sich derzeit in dreizehn Einzelpunk- saker ein führender Prozent. wichtige Sprecher der sunnitischen Welt von ten fest. Der Unterpunkt Politiker der Linken In jüngster Zeit erreichte der Islamische diesem Kampfmittel ab. Zu ihnen gehört „Suicide Terror“ taucht Die Rechtfertigung den Selbstmordterror Staat seine Bodengewinne nicht zuletzt mit- Muhammad Aal Al-Sheikh, ein bekannter in dieser Auf listung je- des Terrors fällt all den an derart prominenter hilfe der Schockwirkung massenhaft einge- saudischer Journalist, der im September 2015 doch nicht auf. Stelle rechtfertigt, ohne setzter Selbstmordattentäter. Dem Bericht in der regierungseigenen Zeitung Al-Jazirah Die Staatengemein- Muslimen und Muslimin- dass die Öffentlichkeit eines IS-Kommandeurs zufolge begannen alle „vernünftigen Theologen“ dazu aufrief, schaft, einschließlich nen in den Rücken, die daran groß Anstoß Angriffe mit dem Einsatz von PKWs, deren gegen Selbstmordattentate vorzugehen: Deutschlands, ist sich gegen die Talibanisierung nimmt. Fahrer sich mittels einer Ladung Sprengstoffs „Wenn die religiösen Gelehrten des sau- bis heute noch nicht Die Verachtung des in die Luft jagten. Es folgte eine zweite Welle dischen Königreichs … es den Herrschern einmal darüber einig, ihrer Lebensumstände Lebens breitet sich der- von Suicide Bombers, die sich zu Fuß in die in der gesamten muslimischen Welt erlaub- ob es sich bei Selbstmor- kämpfen. weil nicht nur in Form Reihen ihrer Gegner schleusten, um dort ten, einen jeden zu beobachten, zu bestrafen dattentaten um Terror der Selbstmordatten- hochzugehen. Erst im dritten Schritt folgte und abzuschrecken und Selbstmord-Opera- handelt oder nicht. Aus tate aus. Die Kultur des das Gros der Bodenkämpfer, die die Reihen tionen zu unterstützen – dann würden wir eben diesem Grund sind die Verhandlungen Todes manifestiert sich auch in der Praxis der verstörten und verängstigten Verteidi- nicht nur die Hände von ISIS und Al-Qaida über eine Umfassende Konvention über den der „menschlichen Schutzschilde“, die von ger mit Leichtigkeit durchbrachen. Auf diese binden, sondern auch den Islam gegen jene Internationalen Terrorismus, die die Ver- Hamas und Hisbollah begonnen und vom Karriere des Selbstmordattentats ist das ira- verteidigen, die mit ihm spielen und ihn einten Nationen 1996 zu führen begannen, Islamischen Staat übernommen worden ist. nische Regime auch jetzt noch stolz. geringschätzen.“ seit Jahren blockiert. Hierbei bestehen ins- Im Juli 2014 wurden während des Ga- „Wir sehen heute, dass sich die Liebe zum Auch wenn es am wahabitischen Islam besondere die Mitgliedstaaten der Organi- za-Kriegs 260 Hamas-Raketen von Schu- Märtyrertum wie ein Lauffeuer alltäglich in der Saudis nichts zu verteidigen gibt, deutet sation für Islamische Zusammenarbeit auf len abgefeuert, 160 von Moscheen und an- jedem Land auf der Welt verbreitet“, jubilierte sich in diesem Punkt die Möglichkeit einer eine Konvention, die die Selbstmordattentate deren religiösen Einrichtungen, 50 von im Februar 2015 Ali Shirazi, der Vertreter des Trendwende zumindest an. von Hisbollah und Hamas vom Terror-Ver- Krankenhäusern sowie 597 von sonstigen iranischen Revolutionsführers Ali Khamenei Nicht minder überraschend war die Er- dikt ausklammert und als Widerstand gegen Bevölkerungszentren. bei den Revolutionären Garden. Es sei ent- klärung des prominentesten Muslimbruders, „fremde Besatzung“ implizit legitimiert. Selbstmordattentate sind generell zu verur- scheidend, die „Kultur des Märtyrertums Scheich Yusuf al-Qaradawi, der zu den ext- Die EU hat zwar in ihrem Rahmenbe- teilen. Auch Organisationen wie die PKK oder am Leben zu erhalten“, erklärte 2015 auch remsten, islamistischen Ideologen der Gegen- schluss zur Terrorismusbekämpfung vom die Tamil Tigers, die ihre Mitglieder in den si- Khamenei selbst. „Wenn die Kultur des Op- wart gehört: Er bezeichnete den Holocaust 13. Juni 2002 den Begriff der „terroristischen cheren Tod schicken, haben die Bezeichnung fers und der Märtyrertums sich in einer Ge- als gerechte Strafe, forderte die Tötung aller Straftaten“ definiert, doch fehlt auch bei ihr „Befreiungsbewegung“ verwirkt. Islamistisch sellschaft verbreitet, wird diese Gesellschaft ZionistInnen und sanktionierte die Selbst- ein Hinweis auf Suicide Terror. Demgegen- motivierte Selbstmordattentate aber sind eine voranschreiten und niemals anhalten oder mordattentate in Palästina. Im Sommer über beschränkt sich das im Januar 2002 Kriegserklärung an die Menschheit und müs- zurückweichen. Irans Außenminister Javad 2015 aber rückte er unter dem Eindruck des vom deutschen Bundestag beschlossene sen als solche erkannt und geächtet werden. Zarif bezeichnete „die Kultur des Opfers und IS-Terrors von seiner Zustimmung zu Selbst- des Märtyrertums“ als „den Eckstein der ira- mordattentaten wieder ab: „Es gibt für Mär- nischen Macht tyreroperationen keine Rechtfertigung mehr.“ Er begründet dies reichlich abwegig da- Korrektur: Der Artikel „Hätte der Krieg im Nahen Osten verhindert werden kön- Muslime gegen mit, dass die PalästinenserInnen inzwischen nen“ (I.N.W. 2/2016) fasst einen englischsprachigen Aufsatz von Matthias Küntzel Selbstmordattentate über weit reichende Raketen verfügten, auf zusammen. Er wurde allerdings nicht von Küntzel, wie versehentlich angegeben, Mit dieser Haltung steht Teheran jedoch zu- Selbstmordattentate also nicht mehr ange- sondern von Michel Wyss für das Online-Magazin Audiatur verfasst. nehmend allein, wie Umfrageergebnisse des wiesen seien. Natürlich wird, wer sich wie renommierten PEW Research Centers zeigen. Qaradawi diskreditiert hat, den Geist des
10 AUSGABE 3 | 2016 POLITIK Das Blut war auf dem Boulevard in Nizza noch nicht trocken, als CCIF schon warnte: Achtung! Achtung! „das Massaker von 84 Menschen bringt das Risiko von nicht zu tole- rierenden Diskriminierungen mit sich“. Die- ser Zynismus ist nicht zu überbieten, wenn sie gleichzeitig auch an die „Verantwortung“ der Journalisten appellieren, „unsere Mitbürger eher zu vereinigen, als zu dividieren.“ Edw y Plenel, ein bekannter isla- mo-gauchistischer Journalist, der früher Mit- arbeiter von Le Monde war, hat bereits am 15. Juli um 08.27 auf Twitter gewarnt vor einer „Konfrontation“, die es wegen „eines oder mehrerer massiver Attentate der islamisti- schen Bewegung“ zwischen den Ultrarechten und den Muslimen geben könnte. Laut Mei- nung der Islamisten und ihrer linksextremis- tischen Sympathisanten hatte das „Verbre- chen“ dieses Tunesiers in Nizza die Funktion einen antimuslimischen Pogrom anzutreiben, der nur einen Vorwand suche, um damit zu beginnen. Dieser Alptraum eines Bürgerkrieges, die französischen rassistischen Horden, die nur darauf warten, in den von Muslimen dicht bewohnten Vorstätten Ausschreitungen zu begehen, um die Barbarei des „islamischen Staates“ zu relativieren, ist nicht neu. Davon träumen totalitäre Bewegungen, die sich ei- nen Bürgerkrieg herbeiwünschen, um so zur Macht zu kommen. Ministerpräsident Manuel Valls warnte TENDENZ ZUR in einem Ende Juli geführten Gespräch mit Le Monde vor kommenden Attentaten, ist aber sicher, dass der Krieg gegen den Terror erfolgreich sein wird: „Denn Frankreich hat VERHARMLOSUNG? eine Strategie, um zu siegen, um gegen die- sen Feind, den islamischen Totalitarismus zu kämpfen.“ Aber „Meine Regierung wird nicht diejenige sein, die ein Guantanamo à la fran- KARL PFEIFER caise begründet“. An der Entschlossenheit der französi- schen Regierung, den islamistischen Terror D en 14. Juli verbrachte ich in Toulouse. Parkplatz hatte er eine Person mit einer Latte Energisch wendete sich jedoch der Islami- mit allen legalen Mitteln zu bekämpfen, darf Nach dem Abendessen, um 22.30, krankenhausreif geschlagen –, im März 2016 sche Staat (IS) gegen die Verschwörungsthe- man mit Recht zweifeln. Der Regierungschef begann ein wunderbares Feuerwerk zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung orien. Insbesondere gegen diejenigen irani- plädierte dafür, den Islam in Frankreich neu und ich beobachtete es mit Tausenden ande- verurteilt und er durfte weiter in Frankreich schen Ursprungs. Denn im Gegensatz zu den zu organisieren. Für eine gewisse Zeit soll- ren am Ufer der Garonne. Unter den vielen bleiben. Nazis, die ihre Massenverbrechen versuchten ten ausländische Mittel zum Bau und zum Zuschauern waren auch muslimische Fami- Wie immer nach Attentaten verbreiten zu verheimlichen, sind der IS und seine eu- Unterhalt von Moscheen verboten werden. lien, denn dieses Fest der Gleichheit betrach- die Weltverschwörungstheoretiker auch nach ropäischen Sympathisanten stolz auf die Ver- Er wünscht, dass „die Imame in Frankreich ten sie auch als ihr eigenes. Am Rand konnte dem Attentat in Nizza ihre – den Täter entlas- brechen, die sie begehen. Sie dokumentieren ausgebildet werden und nicht anderswo“. man schwerbewaffnete Polizisten sehen. Ei- tende – die Opfer beleidigenden Erklärungen: und verbreiten sie, um damit erfolgreich unter Valls weiter: „Man muss hart bleiben, wenn nen Moment kam der Gedanke auf: Hoffent- „Das ist eine Verschwö- jugendlichen Muslimen jemand den Säkularismus in Frage stellt, ge- lich zündet kein Islamist eine Bombe. Kurz rung des Staates“; „die zu werben und die Geg- genüber den fundamentalistischen Ideologen vor Mitternacht war ich wieder im Hotel und Arbeit der Freimaurer“ Im Gegensatz zu den ner einzuschüchtern. und gegen alle, die hinter einem fundamen- erst am nächsten Morgen erfuhr ich, dass ein usw. „Der Verdächtige Nazis, die ihre Massenver- Auch das Kollektiv ge- talistischen Diskurs die Geister für Gewalt islamistischer Täter in Nizza ein Massaker be- von Nizza spricht aus gen die Islamophobie in vorbereiten. Der Salafismus hat keinen Platz brechen versuchten zu gangen hatte. Tunesien und sagt, er Frankreich (CCIF) hat in Frankreich“. Er rief auf zur „Änderung der Ich war schon wieder in Wien, als am 26. sei nicht für das Mas- verheimlichen, sind der IS sich zu Wort gemeldet. Kultur“ und warnte: „Wir werden mit dieser Juli zwei Täter in einer Kirche einer Klein- saker verantwortlich“, und seine europäischen Und zwar wenige Stun- Bedrohung mehrere Jahre leben müssen.“ stadt von 30.000 Einwohner in der Nähe von wird in einem Video den nach dem Anschlag, Ende August 2016 kam es zu einer De- Rouen einen katholischen Priester gezwungen auf Youtube behauptet. Sympathisanten stolz auf der 84 Menschenleben monstration von 30.000 chinesisch-stämmi- haben, niederzuknien. Sie schnitten ihm die Der Film dauert 41 Se- die Verbrechen, die sie gekostet hat, – seither gen Franzosen in der Kleinstadt Aubersvil- Kehle durch. kunden und der Spre- sind mehrere Verwun- liers (80.000 Einwohner). Die Demonstranten Nach dem Massaker im Januar 2015 an cher hat den gleichen begehen. dete im Spital verstor- forderten „Sicherheit, Freiheit, Gleichheit, den Journalisten des satirischen Wochen- Namen wie der Täter, ben – um zunächst Bei- Brüderlichkeit“ und trafen einen wunden magazins Charlie Hebdo, dem Mord an Poli- ähnelt ihm aber nicht. leid den Angehörigen Punkt der Republik. In Aubersvilliers wurde zisten und an vier Juden in einem koscheren Emmanuel Domenach, Vizepräsident auszusprechen und dann drei Vorschläge zu der 49jährige Zhang Chaolin am 7. August Supermarkt in Paris, haben Millionen für die des Vereins Opfer des 13. November, Brü- machen: tätlich angegriffen und erlag am 12. August Werte der Republik demonstriert. Im Ge- derlichkeit und Wahrheit beklagt sich, dass „1) Den Schutz rund um die Gotteshäuser, seinen Verletzungen. Allein in dieser Klein- gensatz zum von den Islamisten erträumten er, acht Monate nach dem Massenmord insbesondere in der Region Nizza zu verstär- stadt, in der Nähe von Paris, gab es in den ers- Bürgerkrieg blieb der Rechtsstaat aufrecht, im Bataclan (90 Tote), laufend Botschaften ken. 2) Die bessere Überwachung von rassis- ten sechs Monaten dieses Jahres 105 Anzeigen denn die gemäßigten toleranten Franzosen erhält, „dass nichts passiert ist“, oder „das tischen und identitären Bewegungen, die ihre wegen Raub und Diebstahl an Chinesen. sind in der Mehrzahl. Das blieb auch nach es anders war“. „Gewisse Leute sagen uns, Aufrufe zum Hass vermehren und explizit zur Medien und Behörden verschweigen – den terroristischen Attacken am 13. Novem- das war der Mossad, andere beschuldigen Repressalien gegen unsere muslimischen Mit- wann immer es möglich ist – konsequent die ber 2015 in Paris und Umgebung so. Doch Frankreich“. Eheleute, deren Partner er- bürger aufrufen. 3) Neubewertung der anti- Herkunft der Täter. Die Frage ist, ob sich die die Frage, die viele Franzosen stellen, steht mordet wurden, erhalten die Nachricht: „Ihr terroristischen Politik, aufgrund der jüngsten französische Gesellschaft für den Kampf ge- im Raum: Kann der Staat so weiter machen, Ehemann oder ihre Ehefrau lebt auf einer Berichte und verstehen, dass das Fortbestehen gen den islamischen Fundamentalismus wird wie bisher? einsamen Insel und wird vom Staat dafür des Notstandes, das missbräuchliche Anzielen mobilisieren lassen. Werden die Parteien auf Mohamed Lahouaiej Bouhlel (MLB), der bezahlt.“ Die Überlebenden der Pariser At- der Muslime die Fähigkeit unserer Geheim- dubiose politische Geschäfte mit Islamisten Täter von Nizza, ein tunesischer Staatsbürger, tentate wurden auch als „jüdische Schau- dienste einschränkt und definitiv nicht unsere verzichten oder wird die Tendenz zur Unter- wurde – anlässlich einer Streiterei um einen spieler“ beschimpft. Sicherheit garantiert.“ werfung noch stärker werden.
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