Wirtschafts spiegel Innovationskraft - IHK Nord Westfalen

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Wirtschafts spiegel Innovationskraft - IHK Nord Westfalen
wirtschafts                                                               5-6|2022

    spiegel
  Potenzialanalyse für Nord-Westfalen

 Innovationskraft

                                                                                               18. Mai
                                                                             sie
                                                                              he

                                                                                   Se
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                                                                                              56

Rohstoffe sichern              Kräfte bündeln                    Südostasien erschließen
IHK zur Regionalplanung   34   Gelsenkirchen setzt auf H2   54   Länderschwerpunkt Singapur 60
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AUSRUFEZEICHEN

                       Mehr Schein als Sein
                       Immer mehr Flächen für Industrie und
                       Gewerbe gehen verloren.

                       „100 000 Hektar Bauland für zwei Millio-       Gewerbegebiete geplant werden. Da sind
                       nen Wohnungen“ – so lautet die Über-           Konflikte vorprogrammiert und werden
                       schrift einer jüngst vom Bundesinstitut        vielfach durch Nutzungsbeschränkungen
                       für Bau-, Stadt- und Raumforschung ver-        zulasten der bestehenden Gewerbebetrie-
                       öffentlichten Studie über Baulandreser-        be - etwa durch eine Absenkung der zu-
                       ven in Deutschland. Also: Fläche satt –        lässigen Lärmemissionen - „gelöst“.
                       zumindest für den Wohnungsbau? Wo                Die Meldung über zumindest theoretisch
                       liegt da aus Sicht von Industrie und Ge-       verfügbare Baulandreserven in den be-
                       werbe das Problem?                             stehenden Siedlungsbereichen birgt aber
                         Zunächst in der Kernbotschaft, die un-       auch Chancen. Die gezielte Inwertsetzung
                       terschlägt, dass nahezu die Hälfte (44         von Baulücken und Brachflächen kann
                       Prozent) der von den Städten und Ge-           dazu beitragen, Flächen für gewerbliche
                                   meinden gemeldeten Flächen         Entwicklungen zu schaffen, ohne dafür
                                   als nur langfristig oder auch      Freiraum – in der Regel landwirtschaftlich
                                   gar nicht mobilisierbar be-        genutzte Flächen – in Anspruch nehmen
                                   wertet wurden. Ein Blick in        zu müssen. Hierzu braucht es aber die
                                   die Details der Studie zeigt       passenden Rahmenbedingungen: Wenn
                                   zudem: Von den gemeldeten          die staatlichen Ebenen wirtschaftliche
                                   Baulücken und Brachflächen         Entwicklung ermöglichen und gleichzei-
                                   wurden 43 Prozent ehemals          tig den Freiraum schützen wollen, dann
                                   durch Industrie oder Gewerbe       muss die oft sehr aufwändige und teure
                                   genutzt. Zukünftig soll jedoch     Reaktivierung von Brachflächen deutlich
                                   auf zwei Drittel dieser Flächen    stärker als bisher mit öffentlichen Mitteln
                                   Wohnungsbau         stattfinden.   unterstützt werden.
                                   Gewerbe und Industrie geben
                                   also Flächen zugunsten ande-
                                   rer Nutzungen ab.
Isabel Habla                         Bitte nicht falsch verstehen:
Foto: Krüdewagen/IHK               Bezahlbarer Wohnraum ist
                                   angesichts der andauernden
                       Fachkräfteproblematik elementar wich-          Isabel Habla
                       tig für die Attraktivität eines Wirtschafts-   IHK-Vizepräsidentin
                       standortes. Die berechtigten Ansprüche         Vorsitzende im IHK-Regionalausschuss
                       von Wohnen und Wirtschaft dürfen aber          für die Stadt Münster
                       nicht gegeneinander ausgespielt wer-
                       den. Leider erlebt man dies immer wie-
                       der, wenn zum Beispiel Wohngebiete
                       unmittelbar angrenzend an bestehende

                                                                                        Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022   3
Wirtschafts spiegel Innovationskraft - IHK Nord Westfalen
INHALT

    34                                                            40
    Regionale Rohstoffe                                           Bürgschaft für das
    sichern                                                       Brandschutz-Unternehmen

    Titelthema                                                                            Themen

    14	Innovationskraft stärken                20	Willkommen auf dem                    34	Ohne Kalk kein Kalksandstein
    	  PwC hat untersucht, wie Unternehmen         Kooperationsfeld                      	  Die IHK setzt sich für die Planungs-
       in Nord-Westfalen ihr Innovations-       	  Zwei Unternehmen aus dem                  sicherheit der rohstoffabbauenden
       potenzial besser ausschöpfen können          Münsterland bringen über ein              Industrie ein – denn die Rohstoffe
                                                    Netzwerk KI in die Landwirtschaft         werden hier gebraucht
    18	Knackpunkt Koordination
    	  Wie Unternehmerinnen und Unterneh-      22	Ackern mit Algorithmen                38	Meilenstein für die Souveränität
       mer ihre Innovations- und Digitalisie-   	  Mit Robotern aus Havixbeck kann       	  Spatenstich in Münster für die
       rungsprozesse aufstellen                     nachhaltiger Anbau wirtschaftlicher       Forschungsfertigung Batteriezelle
                                                    und ressourcenschonender werden
                                                                                          40	Nachfolge im Brandschutz
                                                24	„Ein Habitat für                      	  Serie Förderprogramme, Teil 6:
                                                    innovative Ideen“                         Bürgschaft für das
                                                	  Interview mit Dr. Benjamin Risse,         Brandschutzcenter Brinck
                                                    Institut für Geoinformatik der WWU
                                                                                          42	Jeans für Europa
                                                                                          	  Levi Strauss & Co. baut in Dorsten
                                                                                              ein Distributionszentrum

                                                                                          54	Gelsenkirchen setzt auf
                                                                                              grünen Wasserstoff
                                                                                          	  Stadt, Hochschule und Wirtschaft
                                                                                              haben die Initiative H2GE gestartet

4    Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
Wirtschafts spiegel Innovationskraft - IHK Nord Westfalen
INHALT

    58
     Nachhaltigkeit ist
                                                                  42
                                                                  Jeans-Distribution
     bei Azubis angesagt                                          für Europa aus Dorsten

                                          Rubriken                              VerlagsSpezial
56 „Am Ende ist es der Mut“               3   AusrufeZeichen                    66 Bauen, Erhalten,
	 Interview mit Glenn González,                                                   Energieversorgung
    SAP-CTO und Top-Speaker beim          6   TerminBörse
    Digital Summit Euregio am 18. Mai                                           74 Maschinenbau und Technik
                                          8   BlickFang
58	Nachhaltigkeit ist angesagt           10 Nord-Westfalen                     77 Ahauser Wirtschaftsschau
	  Nachwuchskräfte suchen und halten
    mit „Green Recruiting“                25 KonsumGut
                                                                                Den Wirtschaftsspiegel gibt es
60	Ein Hub für Südostasien               26 IHK-Service                        auch als E-Paper
	  Serie IHK-Länderschwerpunkte:
    Potenziale in Singapur                30 Aus- und Weiterbildung
                                                                                www.ihk-nw.de/wirtschaftsspiegel
                                          32 Recht
62	Tiefpunkt bei Gründungen
	  Corona hat dem Gründungsgeschehen     44 BetriebsWirtschaft                 IHK-Telefonnummern
    in Nord-Westfalen einen Dämpfer
    verpasst                              64 Menschen                           0251 707-0 (Münster)
                                                                                0209 388-0 (Gelsenkirchen)
80	„Ein Spiegel des                      81 Spezialisten
                                                                                02871 9903-0 (Bocholt)
    Unternehmens“
	  Interview mit Dr. Udo Westermann,     82 SchlussPunkt
    Experte für Nachhaltigkeitsberichte

                                                                                     Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022   5
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TERMINBÖRSE

    IHK-Sprechtage
           Steuern
    	Grundwissen und Tipps vom
      Steuerberater für Existenzgründer

           16. Mai und 14. Juni
           online
           www.ihk-nw.de, Nr. 156144623

           Erfinder
    	Grundwissen und Tipps vom
      Patentanwalt über gewerbliche
      Schutzrechte                        Finanzielle Unterstützung für Geschäftsausbau
           9. Juni, 16 bis 19 Uhr         In einem Seminar der IHK Nord Westfalen erhalten Unternehmerinnen und Unternehmer,
           IHK in Münster und online      die finanzielle Unterstützung für eine Unternehmensgründung oder für die Expansion in
           www.ihk-nw.de, Nr. 156132381   alte und neue Märkte benötigen, Informationen über Beteiligungen durch öffentliche und
                                          private Anbieter. Das Seminar konzentriert sich auf Volumina von über einer Million Euro
           Nachfolge                      für Betriebe mit 100 und mehr Beschäftigten. Vertreter der shopware AG in Schöppingen
    	Beratung zu Rechtsfragen            erläutern, wie es ihnen gelungen ist, finanzielle Unterstützung für den weiteren Ausbau
                                          ihres Geschäfts zu erhalten. Außerdem stellt die NRW.BANK ihr Angebot an Eigenkapital-
           11. Mai                        finanzierung vor.
           IHK in Bocholt                 » 22. Juni, 16 bis 18 Uhr, IHK in Münster, www.ihk-nw.de, Nr. 156162197
           www.ihk-nw.de, Nr. 156120521

           Nachfolge
    	Beratung zu Konflikten während
      der Umsetzung von Nachfolge-
                                          Online-Sprechstunden
      regelungen                          Neues Beratungsangebot mit KI-Experten
           21. Juni                       Kleinen und mittleren Unternehmen, die        - 10. Mai: Data Science
           IHK in Münster
                                          sich über den Einsatz von Künstlicher         - 11. Mai: Logisitk und Forecasting
           www.ihk-nw.de, Nr. 156120518
                                          Intelligenz (KI) für ihre Produkte, Pro-      - 13. Mai: Predictive Maintenance
                                          zesse und Dienstleistungen informieren        - 18. Mai: Maschinelles Lernen und
           Finanzierung                   möchten, bietet die IHK Nord Westfalen                    Bildverarbeitung
    	Expertenrat zur Unternehmens-
                                          kostenfreie digitale Sprechstunden mit        » www.ihk-nw.de, Nr. 5452104
      finanzierung und Informationen
      über Förderprogramme                KI-Experten an. Die 30-minütigen On-
                                          linetermine sind kostenfrei. Durchgeführt     Falls der gewünschte Termin bereits aus-
           18. Mai und 15. Juni           wird das neue IHK-Angebot von der Ex-         gebucht ist, können Unternehmerinnen
           IHK in Bocholt
                                          pert-Group KI. Das Netzwerk wurde von         und Unternehmer auch Beratungen außer-
           www.ihk-nw.de, Nr. 156127179
                                          der IHK und dem IT-Forum Nord Westfa-         halb der Sprechtage vereinbaren.
                                          len ins Leben gerufen.                        Kontakt: Kilian Leufker, Tel. 0251 707-230,
           CE-Sprechtag                   Die nächsten Termine und Themen:              kilian.leufker@ihk-nw.de
            nwendung von Richtlinien
           A
           bei der CE-Kennzeichnung

    	17. Mai, 10 bis 14 Uhr              IHK-Großhandelsforum Ruhr
      online
      www.ihk-nw.de, Nr. 156159915        Chancen der Digitalisierung für den Handel
                                          Beim Großhandelsforum Ruhr der IHKs im Ruhrgebiet referiert Keynote-Speaker Dr. Kai Hu-

    @      Alle Veranstaltungen
           der IHK Nord Westfalen:
                                          detz vom IFH Köln über die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung im Groß-
                                          handel. Außerdem berichten Großhändler aus dem Ruhrgebiet über ihre Praxiserfahrungen
                                          mit digitalisierten B2B-Geschäftsprozessen sowie über den Einsatz Künstlicher Intelligenz.
           www.ihk-nw.de/termine
                                          » 3 1. Mai, 10 bis 13 Uhr, Signal-Iduna-Park Dortmund, www.ihk-nw.de, Nr. 156162472

6    Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
Wirtschafts spiegel Innovationskraft - IHK Nord Westfalen
RUBRIK • DIREKT ENTSPERREN!

IHK vor Ort in Wadersloh
Kunden mit digitalen Medien erreichen
Online-Marketingexperte Holger Rohde informiert Händler, Gastronomen und Dienst-
leister in Wadersloh darüber, wie sie mit Social-Media-Marketing den Kontakt zu Kun-
den pflegen können. Veranstalter sind die IHK, der Gewerbeverein Wadersloh und die
                                                                                                     Pian
                                                                                                        nohaus Micke verlleiht
Wirtschaftsförderung Wadersloh.
»2 3. Mai, 19.30 Uhr, Ristorante Pizzeria Da Giovanni, www.ihk-nw.de, Nr. 156162033
                                                                                                  FLÜGEL
Impulse für Innovationen und                                                                   & KLAVIERE ...
digitale Geschäftsmodelle                                                                             ... und auch Pianisten
                                                                                             z. B. für Ihre FEIERLICHKEITEN
                                                                                                                           n ...

Mit Vorträgen, Talkrunden und einem Start-up-Wettbewerb
geht der Digital Summit Euregio am 18. Mai in die nächste                                               ... auch zum TESTEN
Runde – online und vor Ort in Münster.
                                                                                                     mit voller ANRECHNUNG
Auf zwei Bühnen teilen renommierte              dern auch um Themen wie Fachkräfte-                    deer gezahlten Miete
                                                                                                                          e*
deutsche und niederländische Experten           mangel in der IT-Branche. Mit dabei sind
ihr Wissen zu digitalen Trendthemen in          unter anderem Dr. Julia Freudenberg von
Vorträgen und Talkrunden. Darin geht es         der Hacker School, Glenn González (sie-
nicht nur um Innovationen und digita-           he Interview Seite 56) vom Softwareun-
le Geschäftsmodelle in der Euregio, son-        ternehmen SAP, Daniel Mes, Mitglied im
                                                       Kabinett von Frans Timmermans
                                                       bei der Europäischen Kommission,
                                                       und Dr. Markus Richter, Beauftrag-
                                                       ter für die Informationstechnik der
                                                       Bundesregierung. Bei einem Start-
                                                       up-Wettbewerb stellen außerdem
                                                       junge Unternehmen ihre innovati-
                                                       ven Geschäftsmodelle vor. Der IT-
                                                       Kongress wird hybrid durchgeführt
                                                       – mit einem Vor-Ort-Programm
                                                       und einem Online-Angebot.                      SEIT ÜBER 80 JAHREN
                                                                                                      Erfahrung mit 88 Tasten
Der Digital Summit Euregio bietet Unternehmen          » 1 8. Mai, 9 bis 18.30 Uhr,
eine Plattform für Wissensaustausch über IT-Stra-        IHK in Münster und online,
tegien und digitale Wertschöpfung. Foto: Kretzer/IHK     www.digital-summit.eu

IHK vor Ort in Warendorf-Freckenhorst
Wie der Handel Krisen bewältigt
Wiebke Böhmer von „punkt 100 - Trainung und Beratung“ gibt Tipps, wie der Handel
in schwierigen Zeiten kühlen Kopf bewahrt. Sie zeigt auf, welche Rolle Werbegemein-                   Klaviere · Flügel · Digitalpianos
schaften in der Corona-Situation spielen und wie Gewerbetreibende gestärkt aus der
Krise kommen. Veranstalter sind die IHK und die Freckenhorster Werbegemeinschaft.
» 3 1. Mai, 19 Uhr, Landvolkshochschule Freckenhorst, www.ihk-nw.de, Nr. 156161112              *
                                                                                                     weitere Infos siehe WWW.PIANOMICKE.DE

                                                                                             Wolbecker Str. 62 · 48155 Münster
                                                                                                    Wirtschaftsspiegel  Mai | Juni· Tel.
                                                                                                                                    2022025176743743
                                                                                               Wiesenstr. 12 · 59269 Beckum · Tel. 02525 2493
Wirtschafts spiegel Innovationskraft - IHK Nord Westfalen
BLICKFANG

              Spargelland
              Münsterland ist Spargelland. Die größten Anbauflächen in NRW lagen 2021
              mit knapp 1470 Hektar im IHK-Bezirk Nord Westfalen, weit vor den Regie-
              rungsbezirken Detmold mit 940 Hektar und Düsseldorf mit 930 Hektar.
              Einen Teil der Anbaufläche beackert das Team um Stephan Bäcker und sei-
              ne Frau Judith Münster am Rande der Rieselfelder in Münster-Gittrup. Auf
              35 Hektar ernten rund 50 Helfer auf Bäckers Spargelhof circa 200 Tonnen
              des edlen Gemüses. Die Saison geht von Mitte April bis Ende Juni. Etwa
              70 Prozent der knackig frischen, weißen oder grünen Stangen wird
              direkt vermarktet, auf dem Hof und an über 30 Verkaufsstän-
              den im gesamten Stadtgebiet. Die übrige Ernte geht
              in den Einzelhandel.

              Foto: Stephan/IHK

8   Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
Wirtschafts spiegel Innovationskraft - IHK Nord Westfalen
BLICKFANG

Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022   9
Wirtschafts spiegel Innovationskraft - IHK Nord Westfalen
NORD-WESTFALEN

     Gelsenkirchen
     Eine Million Euro
     Zur Bewältigung der Aufgaben aus
     dem Strukturwandel erhält Gelsen-
     kirchen nun personelle Verstärkung.
     NRW-Wirtschaftsstaatssekretär Chris-
     toph Dammermann überreichte einen
     entsprechenden Förderbescheid aus
     dem „5-Standorte-Programm“. Gel-
     senkirchen erhält für vier Jahre insge-
     samt rund eine Million Euro von Bund
     und Land. Oberbürgermeisterin Karin
     Welge: „Gelsenkirchen war immer
     eine Energiestadt. Und unsere Koh-
     le der Zukunft – das ist Wasserstoff.
     Auch zum Erhalt und Ausbau unse-
     rer Industriearbeitsplätze treiben wir
     in Gelsenkirchen den Wandel gemein-       NRW-Staatssekretär Christoph Dammermann begrüßte den NRW-Klimanetzwerker Chris-
     sam voran. Gerade erst haben wir drei     tian Böckenholt (r.) in der IHK in Münster.                  Foto: MünsterView/Witte
     innovative Wasserstoff-Projekte in
     Gelsenkirchen vorgestellt.“
                                               Regionalbüro für
     Versicherungswirtschaft
     Stark in NRW
                                               Klimanetzwerker
     Nach einer Prognos-Studie von Feb-        Die Landesinitiative NRW.Energy4Climate hat ihr
     ruar 2022 ist Nordhrein-Westfalen ein     Regionalbüro Münsterland in der IHK eröffnet.
     bedeutender     Versicherungsstandort
     – sowohl im bundesweiten als auch
     im europäischen Vergleich. Der volks-     Christoph Dammermann, Staatssekretär        IHK-Vizepräsident Carsten Sühling und
     wirtschaftliche Nutzen beschränke         im NRW-Wirtschafts- und Energiemi-          IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jae-
     sich nicht auf den direkten Beitrag       nisterium, und Ulf C. Reichardt, Vorsit-    ckel freuen sich auf die Zusammenarbeit
     der Versicherungswirtschaft von mehr      zender der Geschäftsführung von NRW.        mit NRW.Energy4Climate, „um uns aus-
     als zehn Milliarden Euro Wertschöp-       Energy4Climate, begrüßten den NRW.Kli-      zutauschen, mit guten Beispielen zu mo-
     fung und rund 115 000 Beschäftig-         manetzwerker für das Münsterland, Chris-    tivieren und voneinander zu lernen“, wie
     ten im Jahr 2019. In keinem anderen       tian Böckenholt, am 11. April in der IHK.   Sühling betonte.
     Bundesland arbeiten mehr Menschen           „Nordrhein-Westfalen hat sich ambitio-      Immer mehr Unternehmen arbeiteten
     in der Versicherungswirtschaft als in     nierte Ziele beim Klimaschutz gesetzt und   mit Hochdruck an einem Wandel hin zu
     Nordrhein-Westfalen, insbesondere in      will bis 2045 klimaneutral sein“, beton-    mehr Nachhaltigkeit und damit Zukunfts-
     den Städten Düsseldorf (10 880), Köln     te Dammermann. NRW.Energy4Climate           fähigkeit, betonte der Unternehmer aus
     (24 550), Münster (7830) und Dort-        arbeite seit Anfang des Jahres daran, die   Bocholt, der auch den IHK-Ausschuss für
     mund (6650). Die Sparte Krankenver-       dafür notwendigen privaten Investitionen    unternehmensverantwortliche Nachhal-
     sicherungen ist besonders stark ver-      nach Nordrhein-Westfalen zu holen und       tigkeit leitet.
     treten: 44 Prozent der in Deutschland     konkrete Maßnahmen mit der Wirtschaft         Dabei merkte er kritisch an: „In unserem
     verdienten Bruttobeiträge in diesem       und den Kommunen umzusetzen. Um die         Ausschuss wird immer wieder deutlich,
     Segment entfallen auf Nordrhein-          klimafreundliche Transformation vor Ort     dass schnelle Fortschritte teilweise an den
     Westfalen.                                bestmöglich zu unterstützen, sei die Lan-   notwendigen Rahmenbedingungen, an
     »w
       ww.prognos.com/de/                     desinitiative mithilfe von insgesamt neun   fehlenden Innovationen und auch an zu
      VersicherungswirtschaftNRW               Regionalbüros flächendeckend präsent.       viel Bürokratie scheitern.“

10    Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
NORD-WESTFALEN

Citylogistik für Münster
Der Lieferverkehr in der Stadt Münster, die damit ein-
hergehenden Probleme und mögliche Lösungsansätze
waren Thema einer Expertendiskussion in Münster.

Mit dem Diskussionspapier für eine           die die Verteilung und Zu-
„Nachhaltige Mobilität in der Stadtre-       stellung von Paketen auf der
gion Münster“ hatte die IHK Nord West-       sogenannten „letzten Meile“
falen gemeinsam mit weiteren Akteuren        über Lastenräder oder andere
der Wirtschaft in Münster bereits zentra-    umweltfreundliche Transpor-      Beim Expertengespräch zur Citylogistik (v. l.): Moderator
le Handlungsfelder für eine nachhaltigere    ter ermöglichen sollen. Dafür    Oliver Pauli, Karin Eksen, Handelsverband NRW West-
                                                                              falen-Münsterland, Marcus Geßler, Wirtschaftsinitiative
Mobilität aufgezeigt. Nun ging es bei dem    brauche es geeignete Flächen
                                                                              Münster, Joachim Brendel, IHK Nord Westfalen, Dr. André
Diskussionsabend der Wirtschaftsinitiati-    beziehungsweise Immobilien       Wolf, Stabsstelle Smart City bei der Stadt Münster.
ve Münster (WIN) in Kooperation mit der      für die Ablage, genauso wie                                   Foto: Wirtschaftsinitiative Münster
IHK Nord Westfalen und dem Handelsver-       das Zusammenspiel verschie-
band NRW Westfalen Münsterland spe-          dener Logistikunternehmen.
ziell um den Lieferverkehr, der auch in      Eine Container-Lösung, wie sie zuletzt in     NRW Westfalen Münsterland, profitie-
Münster stetig zunimmt. In 2020 wurden       Dortmund zum Einsatz kam, sei dabei für       ren nicht nur die Unternehmen, sondern
laut Bundesverband Paket und Express-        Münster aber nicht denkbar, machte Joa-       auch die Umwelt durch insgesamt kürzere
logistik deutschlandweit 4,05 Milliarden     chim Brendel, Geschäftsbereichsleiter bei     Transportwege.
Kurier-, Express- und Paketsendungen         der IHK Nord Westfalen, deutlich. Statt-        IHK-Geschäftsbereichsleiter            Joachim
verschickt, 10,9 Prozent mehr als in 2019,   dessen sei eine Umnutzung leerstehender       Brendel ergänzte: „Wer das Einkaufen
Tendenz weiter steigend.                     Gewerbeimmobilien die stadtverträgli-         und Genießen in der Innenstadt nicht
  Dr. Sebastian Stiehm von der agiplan       chere Lösung.                                 missen möchte, der muss letztlich akzep-
GmbH, die bereits verschiedene kom-            Wenn Kundinnen und Kunden beim lo-          tieren, dass Handel, Dienstleistungen und
munale Konzepte in NRW begleitet hat,        kalen Einzelhandel kaufen oder bestel-        Gastronomie auch ver- und entsorgt wer-
stellte das Konzept „Mikro Depots“ vor,      len, so Karin Eksen vom Handelsverband        den müssen.“

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NORD-WESTFALEN

     Regionalplan Ruhr                        Deutsch-niederländisches
     Stellungnahme
     abgegeben                                Studienangebot
     Zum zweiten Mal waren Bürger und         Im April feierte das von der IHK Nord Westfalen unterstützte
     Träger öffentlicher Belange und da-      grenzüberschreitende Modul „Cross-Border Business Negotia-
     mit auch die IHKs aufgefordert, ihre
     Stellungnahmen zum Regionalplan          ting“ der Westfälischen Hochschule und der Saxion Hochschule
     Ruhr abzugeben. Zahlreiche Verbesse-     Enschede Premiere.
     rungsvorschläge der IHKs und Hand-
     werkskammern aus der ersten Of-
     fenlage wurden bereits in den Plan       Niederländische und deutsche Studierende     Borken, Christopher Papendorf. Er passt
     aufgenommen, etwa die vorzeitige Si-     erhalten dort unter anderem Kenntnis-        hervorragend ins Konzept der Hochschu-
     cherung mehrerer großflächiger Wirt-     se über kulturelle Unterschiede zwischen     len, denn der Regionalwissenschaftler hat
     schaftsstandorte (Kooperationsstand-     den beiden Ländern, die zu einer profes-     selbst in den Niederlanden studiert und
     orte). In ihrer erneuten Stellungnahme   sionellen und erfolgreichen Kommunika-       kümmert sich vom IHK-Standort West-
     betonten die Wirtschaftskammern die      tion über die Grenze hinweg befähigen        münsterland in Bocholt aus um die grenz-
     Bedeutung von Gewerbeflächen und         sollen. Ein Schwerpunkt des Kurses ist die   nahe deutsch-niederländische Zusammen-
     einer zeitnahen Rechtskraft des Re-      Vermittlung von Verhandlungstheorie und      arbeit. Auf Deutsch und Niederländisch
     gionalplans und unterbreiteten detail-   -praxis, um die Zusammenarbeit der Un-       vermittelte Papendorf, worauf es auch
     liertere Verbesserungsvorschläge. Der    ternehmen auf beiden Seiten der Grenze       bei Verhandlungen in der Wirtschaft an-
     Regionalplan Ruhr gibt vor, wo und       noch weiter zu stärken. Dies ist auch er-    kommt. „Kommunikation ist nicht gleich
     wie viele Gewerbe- oder Industriege-     klärtes Ziel der Aktivitäten der                                    Sprache, sondern
     biete in den Kommunen des Ruhrge-        IHK, die hier noch Wachstums-                                       vielmehr das Ver-
     biets ausgewiesen werden dürfen.         potenziale sieht – gerade für                                       ständnis der je-
                                              Unternehmen in der Grenz-                                           weils anderen Kul-
                                              region. „Wer um sich herum                                          tur.“ Professor Dr.
     S-Bahn Münsterland                       nur in einem Halbkreis bis zur                                      Gerd Wassenberg
                                              Grenze denkt, verpasst 50 Pro-                                      entwickelte für die
     Absichtserklärung                        zent der Chancen“, so IHK-                                          Westfälische Hoch-
     begrüßt                                  Standortleiter Sven Wolf, „sei-                                     schule das Modul
                                              en es nun neue Arbeitnehmer,                                        gemeinsam       mit
     Die IHK Nord Westfalen begrüßt die       Geschäftspartner oder Absatz-                                       Professor Dr. Mar-
     Vereinbarung zur S-Bahn Münster-         märkte jenseits der Grenze“.                                        tin Maß und sei-
     land, die am 28. März von der NRW-         Erster Referent bei dem neu-                                      nem      niederlän-
                                                                                Christopher Papendorf, IHK-Re-
     Landesregierung, der Stadt Münster       en Modul war der IHK-Regio-       gionalbeauftragter für den Kreis  dischen Kollegen
     und den Münsterlandkreisen sowie         nalbeauftragte für den Kreis      Borken.                 Foto: IHK Jacques Bazen.
     von weiteren Projektbeteiligten unter-
     zeichnet wurde. „Der heutige Schul-
     terschluss ist ein Meilenstein auf       Gelsenkirchen
     dem Weg zur konkreten Planung und
     schrittweisen Umsetzung der S-Bahn
                                              Notfallhilfe bei Hackerangriffen
     Münsterland“, erklärt IHK-Hauptge-       Das in Bochum ansässige Europäische          chen und ist werktags von 8 bis 18 Uhr
     schäftsführer Dr. Fritz Jaeckel. Die     Kompetenzzentrum für IT-Sicherheit star-     unter der Notrufnummer 0800-1191112
     Vereinbarung entspreche genau den        tete die erste Cyberwehr in der Region,      kostenlos erreichbar. Die Hemmschwelle,
     Forderungen, die IHK und Hand-           damit die oft unzureichend geschützten       die Cyberwehr zu Hilfe zu rufen, soll da-
     werkskammer in ihrem Beitrag für         Mittelständler nach einem erfolgten Ha-      durch bei KMU sinken.
     eine „Nachhaltige Mobilität in der       ckerangriff so schnell wie möglich Hilfe
     Stadtregion Münster“ vorgestellt hät-    bekommen. Der digitale Rettungsdienst        »w
                                                                                             ww.eurobits.de/
     ten, freut sich Jaeckel.                 startet in Bochum, Essen und Gelsenkir-        cyberwehr-start-ruhrgebiet/

12    Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
NORD-WESTFALEN

 Regionale Entwicklung                            Branchenabhängige Entwicklung
 Münsterland                                                    Reisebüros, -veranstalter        Post-, Kurier- und Expressdienste
     +3,5 Prozent                                                             -25,4 Prozent       +17,6 Prozent

 Emscher-Lippe-Region                                                       Beherbergung         Großhandel
     +1,6 Prozent                                                             -15,0 Prozent       +9,4 Prozent

 IHK-Bezirk                                                                  Gastronomie         DL der Informationstechnologie
     +3,0 Prozent                                                              -8,9 Prozent       +9,0 Prozent

 NRW                                                                        Maschinenbau         Grundstücks- und Wohnungswesen
     +1,7 Prozent                                                              -4,3 Prozent       +7,8 Prozent

                                                                                                 Gesundheitswesen
                                                                                                  +6,0 Prozent

Prozentuale Entwicklung der Anzahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter von Jahresmitte 2019 bis zur Jahresmitte 2021
                                                                                                                  Quelle: IT NRW, eigene Berechnungen

Drei Prozent mehr Beschäftigung
In Nord-Westfalen hat der Arbeitsmarkt sowohl in der Finanzkrise 2008/2009 als auch in der
Corona-Pandemie der Jahre 2020 und 2021 vergleichsweise robust reagiert.

Die Auswirkungen lassen sich besonders        Rand. Zur Jahresmitte 2021 beläuft sich            weise 3,5 Prozent, darunter die Stadt
gut bei den sozialversicherungspflichti-      die Zahl der sozialversicherungspflich-            Münster mit plus 4,2 Prozent. Emscher-
gen Arbeitsplätzen nachvollziehen. Schon      tigen Arbeitsplätze auf insgesamt gut              Lippe liegt mit plus 1,6 Prozent ungefähr
in der Finanzkrise wurde der Trend stei-      960 000. Gegenüber 2019, dem Stand vor             im Landesdurchschnitt (1,7 Prozent). Ein-
gender Beschäftigung zwar deutlich ge-        Beginn der Corona-Pandemie, sind die               zige Teilregion mit rückläufiger Tendenz
bremst, aber nicht gestoppt.                  Beschäftigtenzahlen um drei Prozent be-            ist die Stadt Bottrop (minus 3,3 Prozent).
  In Nord-Westfalen war die Zahl der Ar-      ziehungsweise knapp 28 000 gestiegen.              Die Hälfte des Zuwachses von 28 000 Be-
beitsplätze sogar gestiegen. Diese Ent-         Den größeren Zuwachs verzeichnet das             schäftigten entfiel auf Menschen mit aus-
wicklung wiederholt sich am aktuellen         Münsterland mit plus 23 000 beziehungs-            ländischer Staatsangehörigkeit.

                                                                                                  Generalunternehmer

 Bauunternehmen in den Bereichen:    Telefon (0 25 64) 93 66-0       Schlüsselfertigbau in den Bereichen:    Telefon (0 25 64) 9 89 89-00
   Industrie- und Gewerbehallen                                        Gewerbe-, Industrie- u. Büroobjekte
                                    Ammeloe 35 · 48691 Vreden                                                Ammeloe 35 · 48691 Vreden
                                                                     l
 l

 l Wohn- und Geschäftshäuser
                                                                     l Wohn-/Geschäftshäuser u. Märkte
 l Landwirtschaftliche Gebäude        info@temmink-bau.de            l Kindertagesstätten
                                                                     l Ein- u. Mehrfamilienwohnhäuser
                                                                                                               info@ht-konzeptbau.de
 l Kommunale Gebäude                  www.temmink-bau.de             l Bauträgermaßnahmen                      www.ht-konzeptbau.de

                                                                                                              Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022        13
Potenzialanalyse für Nord-Westfalen

     Innovationskraft
                                            PwC-
                                           Studie

14   Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT

Wie gehen die Unternehmen der Region digitale Innovationen an,
was hemmt sie auf ihrem Zukunftskurs? Das Beratungshaus PwC
hat gemeinsam mit der IHK eine Potenzialanalyse vorgelegt, die auf
diese Fragen Antworten und Handlungsempfehlungen gibt.
» Von Sebastian van Deel und Kilian Leufker

D     igitale Innovationskraft steigert die Flexibilität
      und Produktivität von Unternehmen und er-
höht den Wettbewerb der Regionen weltweit. Diesem
                                                                                 lische Hochschule Gelsenkirchen Bocholt Reckling-
                                                                                 hausen, Hochschule-Ruhr-West - und eine Vielzahl
                                                                                 an Instituten und ein DigitalHub.
Wettbewerb muss sich auch Nord-Westfalen stellen!                                  Im IHK-Bezirk Nord Westfalen, der das Münsterland
Denn: Im internationalen Vergleich bleibt die digitale                           und die Emscher-Lippe-Region umfasst, leben zu-
Innovationskraft Deutschlands zurück. Die aktuelle                               sammen knapp 2,6 Millionen Einwohner. Eine Stärke
Studie zur Innovation in Nord-Westfalen analysiert                               des Standortes ist die Basis aus kleinen und mittleren
die aktuellen Rahmenbedingungen in Nord-Westfa-                                  Unternehmen (KMU), ergänzt um eine Vielzahl gro-
len, Deutschland und Nordeuropa und gibt Hand-                                   ßer Energie- und Chemiekonzerne, wie Evonik, BP,
lungsempfehlungen, wie digitale Innovationen nach-                               Uniper oder BASF. Die Industrie erbringt hierbei
haltig in Nord-Westfalen etabliert werden können.                                einen maßgeblichen Anteil der Wertschöpfung,
                                                                                 doch auch der IT- und Dienstleistungssektor
Situation in Nord-Westfalen                                                      sowie die Land- und Forstwirtschaft wachsen
Grundsätzlich hat die Region ein hohes Innovations-                              stetig.
potenzial. Mit knapp 1,3 Millionen Erwerbstätigen,
rund 150 000 Unternehmen, einem Bruttoinlandspro-                                Herausforderungen für KMU
dukt (BIP) von 91 Milliarden Euro und einer Export-                                                        Trotz dieser guten Ausgangsposition sehen sich die
quote von 42,5 Prozent zählt sie zu den wachstums-                                                         Unternehmen in Nord-Westfalen mit großen Heraus-
stärksten Regionen in Nordrhein-Westfalen. Hinzu                                                           forderungen konfrontiert, denn die sich beschleu-
kommen vier Hochschulen: Westfälische Wilhelms-                                                            nigende Digitalisierung bedeutet Chancen wie auch
Universität und Fachhochschule in Münster, Westfä-                                                         Risiken. Besonders KMU, zum Beispiel industrielle
                                                                                                                       Manufakturen, stehen häufig vor Digi-
                                                                                                                       talisierungs- und Innovationsbarrieren,
                                                                                                                       die ohne einen robusten Plan und exter-
  Welche Innovationsangebote in der                                                                                    ne Unterstützung nicht oder nur schwer
  Region nutzt Ihr Unternehmen bereits?                                                                                überwunden werden können. So exis-
  35                                                                                                                   tieren nicht immer umfassende Finanz-
  30
                                                                                                                       polster für Innovations- oder Digitali-
                                                                                                                       sierungsprojekte. Zugleich müssen aber
  25
                                                                                                                       neue Produkte und Geschäftsmodelle ent-
  20
                                                                                                                       wickelt werden, um im nationalen und
  15
                                                                                                                       internationalen Wettbewerb mitzuhalten
  10
                                                                                                                       und den Fortbestand des Unternehmens
                                                                                       In Prozent

   5                                                                                                                   zu sichern. Zum Kostendruck kommen
                  8              11        12            19            23              28               29
   0                                                                                                                   weitere Hemmnisse, etwa der Fachkräfte-
                 en             pe
                                   n       bs              n            ps            ub
                                                                                            s           ng
            b rik           u p         La            ntre          rou           l H              ratu                mangel, lange und komplizierte Förder-
         fa               r                       zze            -G            ta               Be
      nk               sg                      en             ert          igi               he
   De             o ku                      et            x p            D             l i c                           antragsverfahren, Digitalisierungsrück-
                 F                                      E                            t
                                        mp                                       en
                                     Ko                                      öff                                       stand, Zeitknappheit, Abhängigkeit von
                                                                 Quelle: Innovationsstudie IHK/PwC
                                                                                                                       Dritten und auch eine geringe Risiko-

                                                                                                                                                 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022   15
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT

                            bereitschaft. Hier gilt es, den Unternehmen schnell            ler Innovationen aus dem Vereinigten Königreich als
                            zugängliche und bürokratiearme Förderangebote zu               sehr vielversprechend. Seit 2011 gibt es dort „Enter-
                            offerieren, die das Investitionsrisiko verringern und          prise Zones“, in denen für Start-ups und Unterneh-
                            einen strukturellen Beitrag zur Innovationsfähigkeit           men unter anderem vergünstigtes Bauland, schnelles
                            der KMU leisten.                                               Internet und regionale Bildungsstätten mit kreati-
                                                                                           ven Lernräumen und modernem Equipment bereit-
                            Angebote koordinieren                                          stehen. Zudem profitieren sie von steuerlicher Inno-
                            Die IHK Nord Westfalen hat bereits eine Reihe von              vationsförderung. Darüber hinaus werden rechtliche
                            Angeboten entwickelt, um die digitale Innovations-             Vorschriften vereinfacht oder zeitlich begrenzt. Die
                            kraft der Region zu stärken. So wurden von IHK und             Hochschulen sind Teil des Konzeptes.
                            Handwerkskammer (HWK), mithilfe des IT-Forums
                            Nord-Westfalen, der Initiative In|du|strie und den       DATI inspiriert
                              Hochschulen der Region Experten-Cluster und Un-        Die Ampel-Koalition hat im verabschiedeten Koali-
                                   ternehmenssprechstunden in den Bereichen In-      tionsvertrag festgeschrieben, dass auch in Deutsch-
                                      formationssicherheit, Künstliche Intelligenz   land das regionale und überregionale Innovations-
                                        und Smart Factory aufgebaut. Darüber hi-     ökosystem gestärkt werden soll. Als Ziel wurde
                                         naus wurden Förderangebote geschaffen       deklariert, eine „Deutsche Agentur für Transfer und
                                         und nationale und internationale Veran-     Innovation“ (DATI) zu gründen. Die DATI soll un-
                                         staltungsformate mit den Niederlanden       ter anderem an ausgewählten Standorten Leucht-
                                         und der EUREGIO etabliert, wie beispiels-   turmprojekte unter die Spitzengruppe internationa-
                                        weise der Digital Summit Euregio, der am     ler Forschungs- und Transferregionen bringen. Nach
                                       18. Mai stattfindet. Außerdem wurden um-      britischem Vorbild sollen hierfür digitale Sonderwirt-
                                     fassende Sensibilisierungs- sowie Aus- und      schaftszonen mit jeweils einem inhaltlichen Schwer-
                                 Weiterbildungsprogramme für KMU entwickelt.         punkt geschaffen werden.
                              Neben den Aktivitäten der IHK gibt es in Nord-           Für eine entsprechende Transferagentur wäre in
                            Westfalen zahlreiche Transferinitiativen, Innovati-      Nord-Westfalen bereits der Boden bereitet. Mit vier
                            onsplattformen und Raum zum Austausch, zum Bei-          Hochschulen, einem innovativen und vielfältigen
                            spiel im DigitalHub, im Digital Circular Economy Lab     Mittelstand, digitalen Pionieren wie beispielsweise
                            oder in Denkfabriken und Fokusgruppen.
                              Das alles sind wichtige Schritte. Es man-
                            gelt jedoch noch an einem gemeinsamen
                            Plan und einer gemeinsamen Innovati-               Welche neuen Technologien kommen in
                            onsallianz aus Wirtschaft, Hochschulen             Ihrem Unternehmen zum Einsatz bzw.
                            und betroffenen Institutionen, um digi-
                            tale Innovationskraft nachhaltig in Nord-
                                                                               sind geplant?
                                                                             50
                            Westfalen zu etablieren.
                                                                            45

                            Internationale Vorbilder                        40

                            Der internationale Vergleich innerhalb          35
                            der Studie zeigt in Nordeuropa eine Viel-       30
                            zahl an praktischen Beispielen zur nach-        25
                            haltigen Etablierung digitaler Innova-          20
                            tionskraft, die als Vorbild für die Region      15
                            Nord-Westfalen dienen können. Neben
                                                                            10
                                                                                                                                                                                                  In Prozent

                            den Smart Industry Fieldlabs der Nieder-
                                                                             5
                            lande, dem Nachhaltigkeitsfokus der nor-                   7          12           22               24         27                   29           39             46
                                                                             0
                            dischen Länder und den regierungsgetrie-
                                                                                    ain           en          ruc
                                                                                                                  k            y
                                                                                                                                         tic
                                                                                                                                             s                lity           gs              nz
                            benen Ansätzen der baltischen Staaten,               kch         oh
                                                                                               n                             om        bo                   a           hin              ige
                                                                                c          Dr            -D              co
                                                                                                                            n
                                                                                                                                     Ro              l   Re          fT              ell
                                                                            Blo                        3D             rE                         tua              to            I nt
                                                                                                                 la                                              e
                            erweist sich eine übergreifende Koordina-                                          cu                          Vir               ern             he
                                                                                                            Cir                                          Int            tlic
                                                                                                                                                                     ns
                            tion zur Vernetzung von Unternehmen als                                                                                               Kü
                            Erfolgsfaktor für die Entwicklung digita-                                                                     Quelle: Innovationsstudie IHK/PwC

16   Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT

Shopware und Flaschenpost sowie Leuchtturmpro-           che etablierte Organisationen genutzt und weiterent-
jekten im Bereich Batterieforschung (Fraunhofer-         wickelt werden. Die Studie zeigt: Grundsätzlich
Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB        sind die Unternehmen in Nord-Westfalen da-
in Münster), Wasserstoff (Initiative Get H2), Circular   von überzeugt, dass die Innovationsrah-
Economy (Forschungsprojekt im Prosperkolleg e.V.)        menbedingungen in der Region gut sind.
und Start-up-Förderung (DigitalHub, REACH) könnte        Zugleich besteht strukturelles Verbesse-
das bestehende System als Beschleuniger des Erfolgs      rungspotenzial.
wirken.
                                                         Ganzheitliche Förderung
Transfer ist mehr                                        Vor diesem Hintergrund wurden Hand-
Das DATI-Modell zeigt neue Innovationsansätze für        lungsempfehlungen formuliert. Hierzu
Deutschland auf. Doch verwenden viele Mittelständ-       gehören die Förderung der Fachkräftege-
ler die bereits existierenden Innovationsangebote        winnung mit Fokus auf dem internationalen
nicht. So nutzen zwar die befragten Unternehmen öf-      Arbeitsmarkt, der Aufbau eines barrierearmen
fentliche Beratungsangebote (29 Prozent), die Ange-      Schulungsangebotes im Bereich der digitalen Prozes-
bote des Digital Hubs (28 Prozent), die Expert Groups    se und Innovationen für Unternehmen, das Manage-
der IHK (23 Prozent), die Mittelstandskompetenzzen-      ment von Expertenclustern über eine gemeinsame
tren (19 Prozent), die Denkfabriken des Münsterland      Innovations-Allianz und -Plattform, die Einführung
e.V. und die Angebote der Wirtschaftsförderer und        eines zentralen Innovationsreportings und Trend-
Hochschulen (insbesondere der FH Münster), die Nut-      scoutings sowie die optimalere Vernetzung von Wirt-
zungsquote könnte aber noch weitaus höher liegen.        schaft, Wissenschaft und Start-ups.
  Häufig ist nicht bekannt, welche Kooperations- und       Es sei dabei von großer Bedeutung, dass die Einzel-
Fördermöglichkeiten in der Region bestehen, welche       maßnahmen nicht isoliert, sondern in einem ganz-
besonderen Kompetenzen vorhanden sind, und wer           heitlichen Ansatz realisiert werden. Ein gemeinsamer
die Ansprechpartner für bestimmte Innovations- und       One-Stop-Shop, der Bedarfe und Anfragen der Un-
Digitalisierungsthemen sind. Für Recherchen fehlt        ternehmen aufnimmt, mit dem Unterstützungs-Port-
den Unternehmen oftmals die Zeit oder das Personal.      folio der Region abgleicht und Angebot und Nach-
Bahnt sich eine Zusammenarbeit an, bestehen nicht        frage gezielt zusammenbringt.
selten unterschiedliche Erwartungen und Vorstellun-        Willkommen im „Digital Innovation Center“ der Re-
gen. Unklarheiten über die Zielsetzung, die Praxis-      gion Nord-Westfalen? Dieser Idee stehen in der IHK
tauglichkeit des Produkts, die Finanzierung oder da-     alle Türen offen. «
rüber, wem am Ende die Innovation gehört, können
die Folge sein.
  Dabei werden auch in Nord-Westfalen Kooperatio-
                                                         »D
                                                           ownload der PwC-Studie „Innovation in Nord-West-
nen zwischen der gewerblichen Wirtschaft und Wis-         falen - Potenzialanalyse zur nachhaltigen Etablierung
senschaftseinrichtungen immer wichtiger: Laut Be-         digitaler Innovationskraft“: www.ihk-nw.de/innovation
fragung nennen die Unternehmen Netzwerke (63
Prozent) und Hochschulen (53 Prozent) als zentrale
Faktoren, die ihre Innovationsfähigkeit positiv beein-   » Die Autoren
                                                           Sebastian van Deel (links) ist Leiter des IHK-Geschäfts-
flussen. Auch an dieser Stelle könnte ein „DATI-Mo-
                                                           bereichs Digitalisierung, Industrie und International.
dell“ greifen.                                             Kilian Leufker (rechts) ist Referent in der Abteilung
  Eine wirtschaftlich geprägte Transferagentur in und      Industrie.
für Nord-Westfalen kann bei der Überführung von
Ideen aus der Wissenschaft oder Wirtschaft in den
Markt gezielt unterstützen, die Etablierung von Inno-
vationsprozessen und -clustern fördern und gemein-
sam mit Unternehmen Fördermittel für digitale Inno-
vation nach Nord-Westfalen holen.
  Ein vernetzter One-Stop-Shop von Kammern,
Hochschulen und Wirtschaftsförderern für Unter-
nehmen sollte das Ziel sein. Dafür könnten erfolgrei-

                                                                                                          Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022   17
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT

                              Knackpunkt
                              Koordination
                              Wie gut ist Nord-Westfalen auf Zukunft programmiert? Wichtige Ergebnisse
                              der neuen Innovations-Studie von IHK, PwC, der Initiative In|du|strie und dem
                              IT-Forum Nord Westfalen in der Zusammenfassung. » Von Dominik Dopheide

                              D  ie „Potenzialanalyse zur nachhaltigen Etablie-
                                 rung digitaler Innovationskraft in Nord-West-
                           falen“ ist eine Standortbestimmung auf dem Kurs in
                                                                                      le Transformation investieren. „Die Nachfrage nach
                                                                                      Förderprogrammen in Nord-Westfalen spiegelt die-
                                                                                      sen Trend wider, sie ist 2021 deutlich angestiegen“,
                           die Zukunft. Inwieweit werden hier in Unternehmen          berichtet Sebastian van Deel, IHK-Geschäftsbereichs-
                           die Chancen der Digitalisierung branchenübergrei-          leiter Digitalisierung.
                           fend systematisch genutzt? Welche Barrieren müs-
                           sen abgebaut, welche Angebote aufgebaut werden?            KI steht ganz vorne
                           Die IHK hat nachgefragt, 165 Mitgliedsunternehmen          Die neue Studie gibt einen Einblick in die aktuelle Si-
                           haben geantwortet. Die Auswertung der Ergebnisse           tuation. Demnach stecken 24 der befragten Unter-
                           machte das Beratungshaus PwC. Die Autoren der              nehmen der Region mindestens sechs Prozent ihres
                           Studie geben Handlungsempfehlungen zur Stärkung            Gesamtumsatzes in Forschung und Entwicklung, 31
                           des digitalen Innovationsgeschehens und nehmen             investieren sechs oder mehr Prozent in Digitalisie-
                           unter die Lupe, wie Digitalisierung und Innovations-       rung. „Angesichts der Wirtschaftsstruktur mit über-
                           kraft zusammenhängen.                                      wiegend kleineren und mittleren Unternehmen ist
                             Das Ergebnis ist eindeutig: Wo Daten erhoben und         das kein schlechter Wert, aber es gibt Spielraum nach
                           analysiert werden, wo digitale Technologien zum            oben“, ordnet van Deel die Ergebnisse ein.
                           Einsatz kommen, sprudeln marktfähige Ideen. Unter-           Digitale Technologien werden am Standort vielfach
                           nehmen, die als weniger digital eingestuft werden,         genutzt. Aus dem Kreis der „Essential Eight“ haben
                           können nur schwer mithalten. Doch muss in digitale         sich die „Top 3“ etabliert: 46 Prozent der befragten
                           Technologien investiert werden, um aus der Masse           Unternehmen melden den Einsatz Künstlicher Intelli-
                           der Informationen einen Mehrwert zu gewinnen.              genz, 39 Prozent nutzen das Internet of Things, und
                             PwC hat aus rund 250 Instrumenten das große Be-          29 Prozent haben ihre Perspektiven per Datenbrille
                           steck der Zukunftsgestaltung identifiziert: Künstliche     erweitert – sie ar-
                           Intelligenz (KI), 3D-Druck, Blockchain-Technologie,        beiten mit Virtual
                            Internet of Things (IoT), Augmented Reality (AR),         Reality oder Aug-
                                Virtual Reality (VR), Roboter und Drohnen. Jede       mented      Reality.
                                   dieser Technologien – PwC nennt sie „Essen-        Die „Top 3“ las-
     Nur                            tial Eight“ – hat das Zeug zur Disruption. Das
                                     heißt, dass sie Produkte oder Dienstleistun-
                                                                                      sen sich auch für
                                                                                      jene Faktoren er-
 56 Prozent                           gen ersetzen und ganze Branchen erschüt-        kennen, die Inno-
       der Unternehmen                tern können – insbesondere, wenn sie kom-       vationskraft min-
     haben ein Innovations-          biniert werden. In Deutschland, so stellen die   dern: Zeitmangel,
         management.                Autoren fest, haben sich diese Technologien       Fachkräftemangel
                                  nur langsam etabliert. Dann aber der Weck-          und der adminis-
                               ruf: Im Zuge der Covid-19-Pandemie habe sich           trative Aufwand,
                           gezeigt, dass der Standort dringend digitaler wer-         etwa bei Förderan-
                                                                                                             „Bürokratieverfahren müssen
                           den muss. Die Unternehmen ziehen Konsequenzen:             trägen. „Wir müs-      entschlackt werden“: Peter Ma-
                           91 Prozent wollen substanziell mehr in die digita-         sen Bürokratiever-     ckenrodt.     Foto: m+f KEG-Technik

18     Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT

fahren entschlacken, damit Innovationen schneller         Bei der Koordination könne sich der Standort Nord-
umgesetzt werden können“, fordert Peter Macken-           Westfalen noch verbessern, denn es fehle ein ganz-
rodt, Geschäftsführer m+f KEG-Technik GmbH &              heitlicher struktureller Ansatz, um das „solide Innova-            Foto: Ba
                                                                                                                                      um
Co.KG.                                                    tionspotenzial“ der Region auszubauen. Die Autoren
                                                          schlagen vor, eine Innovationsallianz formal zu
Netzwerke gut genutzt                                     gründen. Zudem sollte das Innovationsgesche-
„Der Fachkräftemangel in der Informationstechnolo-        hen besser beobachtet werden, um es mess-
gie bremst quer durch alle Branchen Innovationsvor-       bar und anpassungsfähiger zu machen. Fest
haben aus, es fehlt auch externen Dienstleistern an       stehe, dass mit 56 Prozent der Anteil der
Personal“, berichtet Detlef Isermann, Geschäftsführer     Unternehmen mit Innovationsmanagement
P&M Cosmetics GmbH & Co. KG. Angeschoben wird             noch zu gering ist. Gleiches gelte für den
das Innovationsgeschehen von den eigenen Mitar-           Umfang der Investitionen in Innovation
beitenden. Dazu passt, dass 59 Prozent der befragten      und Digitalisierung insgesamt. Den Unter-
Firmen Weiterbildung zum Thema Innovation anbie-          nehmen sei offensichtlich nicht ausreichend
ten. Auch Kunden (56 Prozent) und Hochschulen (53         bewusst, wie relevant der Einsatz neuer Tech-
Prozent) zählen zu den zentralen positiven Faktoren.      nologien für die Wettbewerbsfähigkeit ist. Die
Die Mehrzahl der Unternehmen will die Zukunft im          Autoren bringen als Denkmodell – in An-
Zusammenspiel meistern: 63 Prozent der Firmen be-         lehnung an das 3,5-Prozent-Ziel der
stätigen, dass Netzwerkarbeit sie weiterbringt. Rund      regionalen Innovationsstrategie in
53 Prozent kooperieren mit Hochschulen und/oder           NRW – die Selbstverpflichtung                 „Fehlendes Know-how
Forschungseinrichtungen, circa 56 Prozent mit an-         ins Spiel, 3,5 Prozent des Ge-               für Digitalisierungs- und
deren Unternehmen. Und mehr als die Hälfte der be-        samtumsatzes in Forschung                Innovationszusammenhänge
fragten Unternehmen betreibt Innovationsmanage-           und Entwicklung zu inves-
ment, um aus guten Ideen das Beste zu machen.             tieren. So könne sich Nord-
                                                                                                    bremst die Innovationskraft
  Die Autoren betonen, dass es im globalen Wettbe-        Westfalen als Innovations-            eines Unternehmens enorm aus
werb immer wichtiger wird, auf europäischer Ebene         region mit überregionaler                  und Innovationspotenzial
Technologie-Wissen zu teilen. Sie verweisen unter         Anziehungskraft etablieren.
                                                                                                         geht verloren.“
anderem auf das EU-Forschungsrahmenprogramm
„Horizon“, das auch KMU offensteht, sowie auf TAF-        Neue Ansätze                           Melanie Baum, Geschäftsführerin
TIE – ein Netzwerk, das dem Austausch über nationa-       Eine fortschreitende internatio-             Baum Zerspanungstechnik,
le Technologieförderprogramme dient.                      nale Ausrichtung würde auch die                       Marl
  Einige Ideen zur Stärkung digitaler Innovationen, die   Chancen im Wettbewerb um Fach-
in anderen Ländern geschmiedet worden sind, könn-         kräfte verbessern. Hier sollte in besonders
ten auch in Nord-Westfalen funktionieren. In Groß-        innovationslastigen Bereichen in englischer
britannien beispielsweise werden innovative Start-ups     Sprache gearbeitet werden, um auch für Studieren-
                                    und Unternehmen       de aus dem Ausland attraktiver zu werden. Zugleich
                                    in „Enterprise Zo-    halten es die Experten für erforderlich, Firmen beim
                                    nes“ intensiv un-     Aufbau eines Innovationsmanagements und bei der
                                    terstützt. Und in     Personalgewinnung mit Weiterbildung, Workshops
                                    „Catapult-Zentren“    und Beratung zu unterstützen. Auch sollten Förder-
                                    können Wirtschaft     quellen sichtbarer gemacht und von bürokratischen
                                    und Wissenschaft      Barrieren befreit werden. Knapp die Hälfte der Un-
                                    gemeinsam Ideen       ternehmen bringt Digitalisierungs- und Innovations-
                                    zügig zur Markt-      projekte ohne öffentliche Unterstützung auf den Weg,
                                    reife bringen. Zwei   somit bleibt viel Geld und Wissen liegen. Offen zeigt
                                    Agenturen, beide in   sich der Standort für Netzwerkarbeit, das wird in der
                                    öffentlicher Hand,    Studie als großer Pluspunkt gewertet. Doch könnten
                                    haben den Auftrag,    für die Kooperationskultur noch bessere Rahmenbe-
                                    landesweit die In-    dingungen geschaffen werden: mit dem Auf- und
Beklagt den Fachkräftemangel
in Informationstechnologien:        novationsprozes-      Ausbau von leicht zugänglichen Transferinitiativen
Detlef Isermann.        Foto: P&M   se zu koordinieren.   und Innovationsplattformen. «

                                                                                                    Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022   19
Projektentwicklung bei AGRAVIS: Sebastian Henrichmann (r.) von AGRAVIS und Stefan Hagedorn mit dem vollauto-
                            matisch arbeitenden Feldroboter für die Aussaat und das Unkrauthacken, präzise geführt durch Satelliten-Steuerung.
                                                                                                                            Foto: Grundmann/IHK

                            Willkommen auf dem
                            Kooperationsfeld
                            KI steht beim Einsatz in Unternehmen ganz vorn. In Nordwestdeutschland
                            wächst ein Netzwerk, das diese Technologie auch in die Landwirtschaft trägt.
                            Zwei Unternehmen aus dem Münsterland machen mit. » Von Dominik Dopheide

                            N     icht Getreide, Obst oder Gemüse wird im „Agro-
                                  tech Valley“ zur Reife gebracht. In diesem Fo-
                             rum sollen gute Ideen gedeihen, die zur Entwicklung
                                                                                      genz. Sie erschließe neue Einsparpotenziale, weil sie
                                                                                      helfe, effizienter mit Arbeitskraft und Betriebsmit-
                                                                                      teln umzugehen. „KI kommt beispielsweise ins Spiel,
                                 digitaler Technogien in Nordwestdeutschland          wenn Entscheidungsfindungen auf Basis von Bild-
                                    beitragen. „Es geht um die zentralen Frage-       verarbeitung benötigt werden, um Prozesse weiter
                                      stellungen der Landwirtschaft, um den           oder stabiler zu automatisieren“, erklärt Hagedorn.
                                       Spagat zwischen Ökologie und Ökonomie,         „Sie tritt also nicht alleine auf, sondern eingekapselt
                                        denn die Branche muss sowohl der Zah-         in konventionelle Automatisierungslösungen.“
                                        lungsbereitschaft als auch dem Anspruch         Dass sich im „Agrotech Valley“, neben Wissenschaft
                                        der Kunden gerecht werden“, erklärt Ste-      und Verwaltung, auch Landtechnik-Hersteller aus-
                                       fan Hagedorn. Der Geschäftsführer der in       tauschen, die Wettbewerber sind, kann er erklären:
                                     Warendorf ansässigen Hagedorn Software           Sie wollen die Entwicklung dieser grundlegenden
                                    Engineering GmbH sieht noch eine weitere          Technologie gemeinsam stemmen, um mit den ganz
                                Herausforderung heraufziehen: „Mit den drama-         großen Playern auf Augenhöhe zu agieren. Diese Ko-
                            tischen Ereignissen in Osteuropa ist das Thema Ver-       operationskultur eröffnet auch kleineren innovativen
                            sorgungssicherheit in den Bereichen Lebensmittel          Unternehmen wie Hagedorn Software Chancen: Sie
                            und Energie in den Vordergrund gerückt“. Hagedorn         werden als Technologielieferant und Problemlöser
                            rechnet mit einer langen Phase hoher Rohstoffpreise.      hinzugerufen. „In Zusammenarbeit können alle das
                            Umso wichtiger sei der Einsatz Künstlicher Intelli-       Optimum an Innovationskraft erreichen“, sagt Hage-

20   Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT

dorn. Genauso sieht es Sebastian Henrichmann von        gemeinsam mit Forschungseinrichtungen KI-Lö-
der AGRAVIS Technik Holding GmbH. „Hagedorn             sungsansätze zu finden.
Software ist schon lange bei uns bekannt, wir haben
bereits gemeinsam Ideen für ein Projekt entwickelt      Fachkräftemangel setzt Grenzen
und geplant und prüfen zurzeit die Machbarkeit“, be-    Dabei zeichnet sich klar ein Trend zu kleineren Ma-
richtet der Leiter „Smart Farming & Digitalisierung“.   schinen ab, berichtet Hagedorn. Riesig indes sei das
Das Thema KI, erklärt er, ist in der Branche brand-     Wachstumspotenzial, dass die Technologie hat, be-
neu. „Wir fangen gerade damit an“, sagt Henrich-        tont er und verweist auf Zukunftsprojekte, an denen
mann. Anlass für Innovationen sieht er genug: lange     sein Unternehmen beteiligt ist. Es geht beispielswei-
Trockenheiten, extreme Nässe, höhere Standards in       se um selbstfahrende Arbeitsmaschinen, um Wasser-
der Tierhaltung, Abkehr vom flächendeckenden Ein-       stofferzeugung auf dem Hof aus Photovoltaik und
satz von Pflanzenschutzmitteln.                         Biogas und um Technik, die helfe, höhere Tierwohl-
                                                        standards zu erfüllen. Doch gibt es zugleich einen
Sprühende Intelligenz                                   Faktor, der die Wachstumsperspektiven begrenzt:
An diesem Punkt setzt ein Parade-Produkt von der        der dramatische Fachkräftemangel. Stefan Hagedorn
AGRAVIS Technik Holding an, das Henrichmann             sucht händeringend, kann Vakanzen nicht besetzen,
und sein Team gerade der Branche vorstellen: ein        obwohl sein Unternehmen in der Hochschulland-
Feldroboter, ausgestattet mit sprühender Intelligenz.   schaft gut vernetzt und in der Region sehr renom-
Der ARA ist von ecoRobotix in der Schweiz entwi-        miert ist. Deutlich wird schon jetzt, dass Agrar-KI
ckelt worden und wird von AGRAVIS vermarktet.           auch Arbeitsplätze sprießen lassen kann. Denn noch
Das Einzelpflanzen-Sprühgerät wird am Traktor ar-       muss der Mensch selbst seine Landwirtschaft auf
retiert und entscheidet selbst, wo Pflanzenschutz-      Nachhaltigkeit programmieren. «
und Düngemittel aufgebracht werden müssen. Das
Einsparpotenzial bei Pflanzenschutzmitteln, insbe-
sondere bei Herbiziden, liegt, laut Henrichmann, bei
                                                        IHK-Netzwerk KI XChange
bis zu 90 Prozent. Das führe dazu, dass auch deut-      Künstliche Intelligenz (KI) ist eine der wesentlichen Technologien für zu-
lich weniger Rückstände in den behandelten Kul-         kunftsfähige Entwicklungen in vielen Lebensbereichen. Das gilt auch für die
turen nachzuweisen seien. Getestet werden solche        Unternehmen in Nord-Westfalen. Jedoch ist KI in kleineren Unternehmen,
                                                        im Handel oder in Handwerksbetrieben noch immer schwer vorstellbar. Die
Entwicklungen grundsätzlich auf der „AGRAVIS
                                                        IHK Nord Westfalen hat darum gemeinsam mit dem IT-Forum Nord West-
Future Farm“ in der Lüneburger Heide. Sie ist der       falen das Netzwerk „KI XChange“ gegründet, um dem digitalen Fortschritt in
Inkubator für das Innovationsgeschehen im Unter-        Unternehmen auf die Sprünge zu helfen.
nehmen, hier werden Versuche geplant und umge-           Dazu gehört es, die Potenziale kennenzulernen, sich mit Anbietern, Uni-
                                                        versitäten und Anwenderunternehmen auszutauschen, fortzubilden und
setzt. „Wir verknüpfen neue, oft noch wenig be-
                                                        beraten zu lassen. In den vergangenen XChanges wurde der Fokus auf die
kannte Technik mit dem Pflanzenbau und sehen uns        Themen Robotik, Logistik, Versicherung und Agrartechnik gelegt. So refe-
an, was sie bringt“, sagt Henrichmann. Denn an KI       rierte zum Beispiel Sebastian Henrichmann von der AGRAVIS Technik Hol-
interessiere die Betriebe vor allem eines: der Mehr-    ding GmbH über Feldrobotik im Praxiseinsatz.
                                                         Getragen wird das Netzwerk durch die Expert-Group KI. Interessierte Unter-
wert. Ist er gesichert, werden die Maschinen der Öf-
                                                        nehmen können Teil des Netzwerks werden. Der nächste XChange findet am
fentlichkeit vorgestellt, etwa auf Feldtagen, Messen    14. September statt. Weitere Informationen folgen.
oder direkt auf den Höfen vor Ort.
                                                        » www.ihk-nw.de
  Ohnehin erfordere KI einen intensiven Kunden-            Nr. 4676802
kontakt: Die Qualität von Beratung und Service sei
jetzt wichtiger denn je, sie werde darüber entschei-
den, wie schnell die Technologie in die Landwirt-
schaft einziehen werde, ist der Manager sicher. Noch
jedenfalls werde sie nur in ersten Ansätzen ange-
wendet. Auch für Stefan Hagedorn ist Kommuni-
kation die Basis des Erfolgs: „Einfach mal raus aufs    » IHK-Kontakt
                                                        	Kilian Leufker
Feld gehen und mit richtigen Landwirten reden, wo
                                                          Tel. 0251 707-230
der Schuh drückt“, empfiehlt der IT-Ingenieur. Ge-        kilian.leufker@
nau diese Perspektive aus der Praxis bringen er und       ihk-nw.de
Henrichmann ins „Agrotech Valley Forum“ ein, um

                                                                                                    Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022   21
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT

                            Ackern mit Algorithmen
                            Wie kann nachhaltiger Anbau wirtschaftlicher werden? Mit Künstlicher Intelli-
                            genz natürlich. Roboter aus Havixbeck machen es vor. » Von Dominik Dopheide

                            N     icht immer packt der rollende Roboter das
                                  „Übel“ an der Wurzel. Manches Beikraut bietet
                            unter der Erde ein so wirres Geflecht, dass sich der
                                                                                                                                 würden zerstört, Ertragsaussichten verringert. Zau-
                                                                                                                                 berzeug verfolgt mit seiner Entwicklungsarbeit des-
                                                                                                                                 halb einen anderen Ansatz. Das Szenario: Ein Trupp
                            Bohrer verfangen kann. Für die Maschine aus dem                                                      kleiner mobiler Roboter schwärmt aus, um zu säen,
                            Hause Zauberzeug ist das aber kein Grund, sich vom                                                   jäten oder ernten – „mit der Präzision und dem Wis-
                            Acker zu machen. Sie hat mehrere Instrumente pa-                                                     sen eines guten Gärtners“, wie Trappe betont. Das
                               rat, um eine unerwünschte Pflanze zu beseitigen.                                                  könne sich schnell rechnen: „Bleibt eine große Ernte-
                                  Kann die Wurzel nicht gezogen werden, trifft                                                   maschine liegen, stehen alle Räder still, fällt dagegen
                                    das Gewächs der Schlag: Ein Elektroschock                                                    ein Roboter aus, laufen die anderen ja weiter“, erklärt
                                     lässt das Unkraut vergehen. Den Pestiziden                                                  der Unternehmer. Sie machen sich buchstäblich ihr
                                      jedenfalls will Rodja Trappe, Geschäftsführer                                              eigenes Bild von der Lage, brauchen auf dem Feld
                                      der Zauberzeug GmbH, das Feld nicht über-                                                  weder Mensch noch Mobilfunknetz, um Entscheidun-
                                      lassen. Schließlich hat er gegründet, um Al-                                               gen zu fällen. Sie „wissen“ selbst, auf welche Pflanze
                                     ternativen zu entwickeln – damit agrarwirt-                                                 sie gerade zusteuern und welches Werkzeug sie zü-
                                   schaftliche Betriebe Ressourcen schonender                                                    cken müssen. Denn sie haben alle eine kleine Kiste an
                                 nutzen können.                                                                                  Bord, ein Steuermodul, prall gefüllt mit Künstlicher
                                Dafür sei es höchste Zeit, betont er. Viel zu schwer                                             Intelligenz – das „Robot Brain“, made by Zauberzeug,
                            hätten die Äcker inzwischen zu tragen, und zwar                                                      das seit Januar marktreif ist.
                            nicht nur an Chemie. „Weil in immer kürzerer Zeit
                            immer mehr geleistet werden soll, sind die Maschi-                                                   Schrittweise investieren
                            nen und somit der punktuelle Druck so groß gewor-                                                    Die theoretischen Grundlagen der KI, erläutert Trap-
                            den, dass sich die Böden extrem verdichtet haben“,                                                   pe, sind bereits seit den 70er-Jahren bekannt. Lange
                            erklärt Trappe. Das richte Schaden an: Organismen                                                    jedoch fehlte es an der erforderlichen „krassen Re-
                                                                                                                                 chenpower“, um die Ideen in Innovationen zu wan-
                                                                                                                                 deln. Vor ein paar Jahren aber ist der Durchbruch
                                                                                                                                 spielend gelungen: Die Gaming-Branche habe die
                                 Welche Faktoren aus der Region                                                                  Entwicklung der Grafikkarte so weit getrieben, dass
                                 beeinflussen die Innovations-                                                                   die Hardware-Welt jetzt reif ist für KI, erzählt der In-
                                 fähigkeit Ihres Unternehmens                                                                    formatiker, der auf einem Pferdehof aufgewachsen
                                 besonders positiv?                                                                              ist und sich seit seinem Informatikstudium mit der
                                 60
                                                                                                                                 Digitalisierung im Agrarsektor beschäftigt. Pferdeäp-
                                                                                                                                 fel aufsammeln? Das muss im Prinzip kein Mensch
                                 50
                                                                                                                                 mehr machen. Trappe hat einen Roboter entwickelt,
                                 40
                                                                                                                                 der rund um die Uhr abräumt.
                                 30
                                                                                                                                   „KI ist immer dann unschlagbar, wenn es um kons-
                                 20                                                                                              tant lange Aufmerksamkeit geht“, sagt der Unterneh-
                                                                                                                    In Prozent

                                 10                                                                                              mer und bringt noch ein Beispiel: Den ganzen Tag
                                          63          56            56              53         24            23
                                  0                                                                                              auf Fruchtdruckstellen zu starren, mache Menschen
                                          e            n              te             n          er             en
                                       erk        nde             räf             ule        fer            ng                   müde, nicht aber die Maschinen. Weil Gleiches auch
                                    tzw        Ku              hk             sch         lie            tu
                                 N e                       Fa
                                                              c            ch            Zu         ir ch                        fürs Jäten gilt, zieht ein Zauberzeug-Roboter, im
                                                                     Ho                         ein
                                                                                             gs
                                                                                        h un                                     Zuge einer Zusammenarbeit mit der „Hochschule für
                                                                                    rsc
                                                                                 Fo                                              nachhaltige Entwicklung Eberswalde“ und weiteren
                                                                            Quelle: Innovationsstudie IHK/PwC
                                                                                                                                 Partnern, über ein Bio-Zuckerrübenfeld in der Ucker-

22   Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
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