Wirtschafts spiegel Innovationskraft - IHK Nord Westfalen
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wirtschafts 5-6|2022 spiegel Potenzialanalyse für Nord-Westfalen Innovationskraft 18. Mai sie he Se ite 56 Rohstoffe sichern Kräfte bündeln Südostasien erschließen IHK zur Regionalplanung 34 Gelsenkirchen setzt auf H2 54 Länderschwerpunkt Singapur 60
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AUSRUFEZEICHEN Mehr Schein als Sein Immer mehr Flächen für Industrie und Gewerbe gehen verloren. „100 000 Hektar Bauland für zwei Millio- Gewerbegebiete geplant werden. Da sind nen Wohnungen“ – so lautet die Über- Konflikte vorprogrammiert und werden schrift einer jüngst vom Bundesinstitut vielfach durch Nutzungsbeschränkungen für Bau-, Stadt- und Raumforschung ver- zulasten der bestehenden Gewerbebetrie- öffentlichten Studie über Baulandreser- be - etwa durch eine Absenkung der zu- ven in Deutschland. Also: Fläche satt – lässigen Lärmemissionen - „gelöst“. zumindest für den Wohnungsbau? Wo Die Meldung über zumindest theoretisch liegt da aus Sicht von Industrie und Ge- verfügbare Baulandreserven in den be- werbe das Problem? stehenden Siedlungsbereichen birgt aber Zunächst in der Kernbotschaft, die un- auch Chancen. Die gezielte Inwertsetzung terschlägt, dass nahezu die Hälfte (44 von Baulücken und Brachflächen kann Prozent) der von den Städten und Ge- dazu beitragen, Flächen für gewerbliche meinden gemeldeten Flächen Entwicklungen zu schaffen, ohne dafür als nur langfristig oder auch Freiraum – in der Regel landwirtschaftlich gar nicht mobilisierbar be- genutzte Flächen – in Anspruch nehmen wertet wurden. Ein Blick in zu müssen. Hierzu braucht es aber die die Details der Studie zeigt passenden Rahmenbedingungen: Wenn zudem: Von den gemeldeten die staatlichen Ebenen wirtschaftliche Baulücken und Brachflächen Entwicklung ermöglichen und gleichzei- wurden 43 Prozent ehemals tig den Freiraum schützen wollen, dann durch Industrie oder Gewerbe muss die oft sehr aufwändige und teure genutzt. Zukünftig soll jedoch Reaktivierung von Brachflächen deutlich auf zwei Drittel dieser Flächen stärker als bisher mit öffentlichen Mitteln Wohnungsbau stattfinden. unterstützt werden. Gewerbe und Industrie geben also Flächen zugunsten ande- rer Nutzungen ab. Isabel Habla Bitte nicht falsch verstehen: Foto: Krüdewagen/IHK Bezahlbarer Wohnraum ist angesichts der andauernden Fachkräfteproblematik elementar wich- Isabel Habla tig für die Attraktivität eines Wirtschafts- IHK-Vizepräsidentin standortes. Die berechtigten Ansprüche Vorsitzende im IHK-Regionalausschuss von Wohnen und Wirtschaft dürfen aber für die Stadt Münster nicht gegeneinander ausgespielt wer- den. Leider erlebt man dies immer wie- der, wenn zum Beispiel Wohngebiete unmittelbar angrenzend an bestehende Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022 3
INHALT 34 40 Regionale Rohstoffe Bürgschaft für das sichern Brandschutz-Unternehmen Titelthema Themen 14 Innovationskraft stärken 20 Willkommen auf dem 34 Ohne Kalk kein Kalksandstein PwC hat untersucht, wie Unternehmen Kooperationsfeld Die IHK setzt sich für die Planungs- in Nord-Westfalen ihr Innovations- Zwei Unternehmen aus dem sicherheit der rohstoffabbauenden potenzial besser ausschöpfen können Münsterland bringen über ein Industrie ein – denn die Rohstoffe Netzwerk KI in die Landwirtschaft werden hier gebraucht 18 Knackpunkt Koordination Wie Unternehmerinnen und Unterneh- 22 Ackern mit Algorithmen 38 Meilenstein für die Souveränität mer ihre Innovations- und Digitalisie- Mit Robotern aus Havixbeck kann Spatenstich in Münster für die rungsprozesse aufstellen nachhaltiger Anbau wirtschaftlicher Forschungsfertigung Batteriezelle und ressourcenschonender werden 40 Nachfolge im Brandschutz 24 „Ein Habitat für Serie Förderprogramme, Teil 6: innovative Ideen“ Bürgschaft für das Interview mit Dr. Benjamin Risse, Brandschutzcenter Brinck Institut für Geoinformatik der WWU 42 Jeans für Europa Levi Strauss & Co. baut in Dorsten ein Distributionszentrum 54 Gelsenkirchen setzt auf grünen Wasserstoff Stadt, Hochschule und Wirtschaft haben die Initiative H2GE gestartet 4 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
INHALT 58 Nachhaltigkeit ist 42 Jeans-Distribution bei Azubis angesagt für Europa aus Dorsten Rubriken VerlagsSpezial 56 „Am Ende ist es der Mut“ 3 AusrufeZeichen 66 Bauen, Erhalten, Interview mit Glenn González, Energieversorgung SAP-CTO und Top-Speaker beim 6 TerminBörse Digital Summit Euregio am 18. Mai 74 Maschinenbau und Technik 8 BlickFang 58 Nachhaltigkeit ist angesagt 10 Nord-Westfalen 77 Ahauser Wirtschaftsschau Nachwuchskräfte suchen und halten mit „Green Recruiting“ 25 KonsumGut Den Wirtschaftsspiegel gibt es 60 Ein Hub für Südostasien 26 IHK-Service auch als E-Paper Serie IHK-Länderschwerpunkte: Potenziale in Singapur 30 Aus- und Weiterbildung www.ihk-nw.de/wirtschaftsspiegel 32 Recht 62 Tiefpunkt bei Gründungen Corona hat dem Gründungsgeschehen 44 BetriebsWirtschaft IHK-Telefonnummern in Nord-Westfalen einen Dämpfer verpasst 64 Menschen 0251 707-0 (Münster) 0209 388-0 (Gelsenkirchen) 80 „Ein Spiegel des 81 Spezialisten 02871 9903-0 (Bocholt) Unternehmens“ Interview mit Dr. Udo Westermann, 82 SchlussPunkt Experte für Nachhaltigkeitsberichte Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022 5
TERMINBÖRSE IHK-Sprechtage Steuern Grundwissen und Tipps vom Steuerberater für Existenzgründer 16. Mai und 14. Juni online www.ihk-nw.de, Nr. 156144623 Erfinder Grundwissen und Tipps vom Patentanwalt über gewerbliche Schutzrechte Finanzielle Unterstützung für Geschäftsausbau 9. Juni, 16 bis 19 Uhr In einem Seminar der IHK Nord Westfalen erhalten Unternehmerinnen und Unternehmer, IHK in Münster und online die finanzielle Unterstützung für eine Unternehmensgründung oder für die Expansion in www.ihk-nw.de, Nr. 156132381 alte und neue Märkte benötigen, Informationen über Beteiligungen durch öffentliche und private Anbieter. Das Seminar konzentriert sich auf Volumina von über einer Million Euro Nachfolge für Betriebe mit 100 und mehr Beschäftigten. Vertreter der shopware AG in Schöppingen Beratung zu Rechtsfragen erläutern, wie es ihnen gelungen ist, finanzielle Unterstützung für den weiteren Ausbau ihres Geschäfts zu erhalten. Außerdem stellt die NRW.BANK ihr Angebot an Eigenkapital- 11. Mai finanzierung vor. IHK in Bocholt » 22. Juni, 16 bis 18 Uhr, IHK in Münster, www.ihk-nw.de, Nr. 156162197 www.ihk-nw.de, Nr. 156120521 Nachfolge Beratung zu Konflikten während der Umsetzung von Nachfolge- Online-Sprechstunden regelungen Neues Beratungsangebot mit KI-Experten 21. Juni Kleinen und mittleren Unternehmen, die - 10. Mai: Data Science IHK in Münster sich über den Einsatz von Künstlicher - 11. Mai: Logisitk und Forecasting www.ihk-nw.de, Nr. 156120518 Intelligenz (KI) für ihre Produkte, Pro- - 13. Mai: Predictive Maintenance zesse und Dienstleistungen informieren - 18. Mai: Maschinelles Lernen und Finanzierung möchten, bietet die IHK Nord Westfalen Bildverarbeitung Expertenrat zur Unternehmens- kostenfreie digitale Sprechstunden mit » www.ihk-nw.de, Nr. 5452104 finanzierung und Informationen über Förderprogramme KI-Experten an. Die 30-minütigen On- linetermine sind kostenfrei. Durchgeführt Falls der gewünschte Termin bereits aus- 18. Mai und 15. Juni wird das neue IHK-Angebot von der Ex- gebucht ist, können Unternehmerinnen IHK in Bocholt pert-Group KI. Das Netzwerk wurde von und Unternehmer auch Beratungen außer- www.ihk-nw.de, Nr. 156127179 der IHK und dem IT-Forum Nord Westfa- halb der Sprechtage vereinbaren. len ins Leben gerufen. Kontakt: Kilian Leufker, Tel. 0251 707-230, CE-Sprechtag Die nächsten Termine und Themen: kilian.leufker@ihk-nw.de nwendung von Richtlinien A bei der CE-Kennzeichnung 17. Mai, 10 bis 14 Uhr IHK-Großhandelsforum Ruhr online www.ihk-nw.de, Nr. 156159915 Chancen der Digitalisierung für den Handel Beim Großhandelsforum Ruhr der IHKs im Ruhrgebiet referiert Keynote-Speaker Dr. Kai Hu- @ Alle Veranstaltungen der IHK Nord Westfalen: detz vom IFH Köln über die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung im Groß- handel. Außerdem berichten Großhändler aus dem Ruhrgebiet über ihre Praxiserfahrungen mit digitalisierten B2B-Geschäftsprozessen sowie über den Einsatz Künstlicher Intelligenz. www.ihk-nw.de/termine » 3 1. Mai, 10 bis 13 Uhr, Signal-Iduna-Park Dortmund, www.ihk-nw.de, Nr. 156162472 6 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
RUBRIK • DIREKT ENTSPERREN! IHK vor Ort in Wadersloh Kunden mit digitalen Medien erreichen Online-Marketingexperte Holger Rohde informiert Händler, Gastronomen und Dienst- leister in Wadersloh darüber, wie sie mit Social-Media-Marketing den Kontakt zu Kun- den pflegen können. Veranstalter sind die IHK, der Gewerbeverein Wadersloh und die Pian nohaus Micke verlleiht Wirtschaftsförderung Wadersloh. »2 3. Mai, 19.30 Uhr, Ristorante Pizzeria Da Giovanni, www.ihk-nw.de, Nr. 156162033 FLÜGEL Impulse für Innovationen und & KLAVIERE ... digitale Geschäftsmodelle ... und auch Pianisten z. B. für Ihre FEIERLICHKEITEN n ... Mit Vorträgen, Talkrunden und einem Start-up-Wettbewerb geht der Digital Summit Euregio am 18. Mai in die nächste ... auch zum TESTEN Runde – online und vor Ort in Münster. mit voller ANRECHNUNG Auf zwei Bühnen teilen renommierte dern auch um Themen wie Fachkräfte- deer gezahlten Miete e* deutsche und niederländische Experten mangel in der IT-Branche. Mit dabei sind ihr Wissen zu digitalen Trendthemen in unter anderem Dr. Julia Freudenberg von Vorträgen und Talkrunden. Darin geht es der Hacker School, Glenn González (sie- nicht nur um Innovationen und digita- he Interview Seite 56) vom Softwareun- le Geschäftsmodelle in der Euregio, son- ternehmen SAP, Daniel Mes, Mitglied im Kabinett von Frans Timmermans bei der Europäischen Kommission, und Dr. Markus Richter, Beauftrag- ter für die Informationstechnik der Bundesregierung. Bei einem Start- up-Wettbewerb stellen außerdem junge Unternehmen ihre innovati- ven Geschäftsmodelle vor. Der IT- Kongress wird hybrid durchgeführt – mit einem Vor-Ort-Programm und einem Online-Angebot. SEIT ÜBER 80 JAHREN Erfahrung mit 88 Tasten Der Digital Summit Euregio bietet Unternehmen » 1 8. Mai, 9 bis 18.30 Uhr, eine Plattform für Wissensaustausch über IT-Stra- IHK in Münster und online, tegien und digitale Wertschöpfung. Foto: Kretzer/IHK www.digital-summit.eu IHK vor Ort in Warendorf-Freckenhorst Wie der Handel Krisen bewältigt Wiebke Böhmer von „punkt 100 - Trainung und Beratung“ gibt Tipps, wie der Handel in schwierigen Zeiten kühlen Kopf bewahrt. Sie zeigt auf, welche Rolle Werbegemein- Klaviere · Flügel · Digitalpianos schaften in der Corona-Situation spielen und wie Gewerbetreibende gestärkt aus der Krise kommen. Veranstalter sind die IHK und die Freckenhorster Werbegemeinschaft. » 3 1. Mai, 19 Uhr, Landvolkshochschule Freckenhorst, www.ihk-nw.de, Nr. 156161112 * weitere Infos siehe WWW.PIANOMICKE.DE Wolbecker Str. 62 · 48155 Münster Wirtschaftsspiegel Mai | Juni· Tel. 2022025176743743 Wiesenstr. 12 · 59269 Beckum · Tel. 02525 2493
BLICKFANG Spargelland Münsterland ist Spargelland. Die größten Anbauflächen in NRW lagen 2021 mit knapp 1470 Hektar im IHK-Bezirk Nord Westfalen, weit vor den Regie- rungsbezirken Detmold mit 940 Hektar und Düsseldorf mit 930 Hektar. Einen Teil der Anbaufläche beackert das Team um Stephan Bäcker und sei- ne Frau Judith Münster am Rande der Rieselfelder in Münster-Gittrup. Auf 35 Hektar ernten rund 50 Helfer auf Bäckers Spargelhof circa 200 Tonnen des edlen Gemüses. Die Saison geht von Mitte April bis Ende Juni. Etwa 70 Prozent der knackig frischen, weißen oder grünen Stangen wird direkt vermarktet, auf dem Hof und an über 30 Verkaufsstän- den im gesamten Stadtgebiet. Die übrige Ernte geht in den Einzelhandel. Foto: Stephan/IHK 8 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
NORD-WESTFALEN Gelsenkirchen Eine Million Euro Zur Bewältigung der Aufgaben aus dem Strukturwandel erhält Gelsen- kirchen nun personelle Verstärkung. NRW-Wirtschaftsstaatssekretär Chris- toph Dammermann überreichte einen entsprechenden Förderbescheid aus dem „5-Standorte-Programm“. Gel- senkirchen erhält für vier Jahre insge- samt rund eine Million Euro von Bund und Land. Oberbürgermeisterin Karin Welge: „Gelsenkirchen war immer eine Energiestadt. Und unsere Koh- le der Zukunft – das ist Wasserstoff. Auch zum Erhalt und Ausbau unse- rer Industriearbeitsplätze treiben wir in Gelsenkirchen den Wandel gemein- NRW-Staatssekretär Christoph Dammermann begrüßte den NRW-Klimanetzwerker Chris- sam voran. Gerade erst haben wir drei tian Böckenholt (r.) in der IHK in Münster. Foto: MünsterView/Witte innovative Wasserstoff-Projekte in Gelsenkirchen vorgestellt.“ Regionalbüro für Versicherungswirtschaft Stark in NRW Klimanetzwerker Nach einer Prognos-Studie von Feb- Die Landesinitiative NRW.Energy4Climate hat ihr ruar 2022 ist Nordhrein-Westfalen ein Regionalbüro Münsterland in der IHK eröffnet. bedeutender Versicherungsstandort – sowohl im bundesweiten als auch im europäischen Vergleich. Der volks- Christoph Dammermann, Staatssekretär IHK-Vizepräsident Carsten Sühling und wirtschaftliche Nutzen beschränke im NRW-Wirtschafts- und Energiemi- IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jae- sich nicht auf den direkten Beitrag nisterium, und Ulf C. Reichardt, Vorsit- ckel freuen sich auf die Zusammenarbeit der Versicherungswirtschaft von mehr zender der Geschäftsführung von NRW. mit NRW.Energy4Climate, „um uns aus- als zehn Milliarden Euro Wertschöp- Energy4Climate, begrüßten den NRW.Kli- zutauschen, mit guten Beispielen zu mo- fung und rund 115 000 Beschäftig- manetzwerker für das Münsterland, Chris- tivieren und voneinander zu lernen“, wie ten im Jahr 2019. In keinem anderen tian Böckenholt, am 11. April in der IHK. Sühling betonte. Bundesland arbeiten mehr Menschen „Nordrhein-Westfalen hat sich ambitio- Immer mehr Unternehmen arbeiteten in der Versicherungswirtschaft als in nierte Ziele beim Klimaschutz gesetzt und mit Hochdruck an einem Wandel hin zu Nordrhein-Westfalen, insbesondere in will bis 2045 klimaneutral sein“, beton- mehr Nachhaltigkeit und damit Zukunfts- den Städten Düsseldorf (10 880), Köln te Dammermann. NRW.Energy4Climate fähigkeit, betonte der Unternehmer aus (24 550), Münster (7830) und Dort- arbeite seit Anfang des Jahres daran, die Bocholt, der auch den IHK-Ausschuss für mund (6650). Die Sparte Krankenver- dafür notwendigen privaten Investitionen unternehmensverantwortliche Nachhal- sicherungen ist besonders stark ver- nach Nordrhein-Westfalen zu holen und tigkeit leitet. treten: 44 Prozent der in Deutschland konkrete Maßnahmen mit der Wirtschaft Dabei merkte er kritisch an: „In unserem verdienten Bruttobeiträge in diesem und den Kommunen umzusetzen. Um die Ausschuss wird immer wieder deutlich, Segment entfallen auf Nordrhein- klimafreundliche Transformation vor Ort dass schnelle Fortschritte teilweise an den Westfalen. bestmöglich zu unterstützen, sei die Lan- notwendigen Rahmenbedingungen, an »w ww.prognos.com/de/ desinitiative mithilfe von insgesamt neun fehlenden Innovationen und auch an zu VersicherungswirtschaftNRW Regionalbüros flächendeckend präsent. viel Bürokratie scheitern.“ 10 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
NORD-WESTFALEN Citylogistik für Münster Der Lieferverkehr in der Stadt Münster, die damit ein- hergehenden Probleme und mögliche Lösungsansätze waren Thema einer Expertendiskussion in Münster. Mit dem Diskussionspapier für eine die die Verteilung und Zu- „Nachhaltige Mobilität in der Stadtre- stellung von Paketen auf der gion Münster“ hatte die IHK Nord West- sogenannten „letzten Meile“ falen gemeinsam mit weiteren Akteuren über Lastenräder oder andere der Wirtschaft in Münster bereits zentra- umweltfreundliche Transpor- Beim Expertengespräch zur Citylogistik (v. l.): Moderator le Handlungsfelder für eine nachhaltigere ter ermöglichen sollen. Dafür Oliver Pauli, Karin Eksen, Handelsverband NRW West- falen-Münsterland, Marcus Geßler, Wirtschaftsinitiative Mobilität aufgezeigt. Nun ging es bei dem brauche es geeignete Flächen Münster, Joachim Brendel, IHK Nord Westfalen, Dr. André Diskussionsabend der Wirtschaftsinitiati- beziehungsweise Immobilien Wolf, Stabsstelle Smart City bei der Stadt Münster. ve Münster (WIN) in Kooperation mit der für die Ablage, genauso wie Foto: Wirtschaftsinitiative Münster IHK Nord Westfalen und dem Handelsver- das Zusammenspiel verschie- band NRW Westfalen Münsterland spe- dener Logistikunternehmen. ziell um den Lieferverkehr, der auch in Eine Container-Lösung, wie sie zuletzt in NRW Westfalen Münsterland, profitie- Münster stetig zunimmt. In 2020 wurden Dortmund zum Einsatz kam, sei dabei für ren nicht nur die Unternehmen, sondern laut Bundesverband Paket und Express- Münster aber nicht denkbar, machte Joa- auch die Umwelt durch insgesamt kürzere logistik deutschlandweit 4,05 Milliarden chim Brendel, Geschäftsbereichsleiter bei Transportwege. Kurier-, Express- und Paketsendungen der IHK Nord Westfalen, deutlich. Statt- IHK-Geschäftsbereichsleiter Joachim verschickt, 10,9 Prozent mehr als in 2019, dessen sei eine Umnutzung leerstehender Brendel ergänzte: „Wer das Einkaufen Tendenz weiter steigend. Gewerbeimmobilien die stadtverträgli- und Genießen in der Innenstadt nicht Dr. Sebastian Stiehm von der agiplan chere Lösung. missen möchte, der muss letztlich akzep- GmbH, die bereits verschiedene kom- Wenn Kundinnen und Kunden beim lo- tieren, dass Handel, Dienstleistungen und munale Konzepte in NRW begleitet hat, kalen Einzelhandel kaufen oder bestel- Gastronomie auch ver- und entsorgt wer- stellte das Konzept „Mikro Depots“ vor, len, so Karin Eksen vom Handelsverband den müssen.“ WIR BAUEN AUF DIE ZUKUNFT T. 02501.27 900 www.nabbe.de Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022 11
NORD-WESTFALEN Regionalplan Ruhr Deutsch-niederländisches Stellungnahme abgegeben Studienangebot Zum zweiten Mal waren Bürger und Im April feierte das von der IHK Nord Westfalen unterstützte Träger öffentlicher Belange und da- grenzüberschreitende Modul „Cross-Border Business Negotia- mit auch die IHKs aufgefordert, ihre Stellungnahmen zum Regionalplan ting“ der Westfälischen Hochschule und der Saxion Hochschule Ruhr abzugeben. Zahlreiche Verbesse- Enschede Premiere. rungsvorschläge der IHKs und Hand- werkskammern aus der ersten Of- fenlage wurden bereits in den Plan Niederländische und deutsche Studierende Borken, Christopher Papendorf. Er passt aufgenommen, etwa die vorzeitige Si- erhalten dort unter anderem Kenntnis- hervorragend ins Konzept der Hochschu- cherung mehrerer großflächiger Wirt- se über kulturelle Unterschiede zwischen len, denn der Regionalwissenschaftler hat schaftsstandorte (Kooperationsstand- den beiden Ländern, die zu einer profes- selbst in den Niederlanden studiert und orte). In ihrer erneuten Stellungnahme sionellen und erfolgreichen Kommunika- kümmert sich vom IHK-Standort West- betonten die Wirtschaftskammern die tion über die Grenze hinweg befähigen münsterland in Bocholt aus um die grenz- Bedeutung von Gewerbeflächen und sollen. Ein Schwerpunkt des Kurses ist die nahe deutsch-niederländische Zusammen- einer zeitnahen Rechtskraft des Re- Vermittlung von Verhandlungstheorie und arbeit. Auf Deutsch und Niederländisch gionalplans und unterbreiteten detail- -praxis, um die Zusammenarbeit der Un- vermittelte Papendorf, worauf es auch liertere Verbesserungsvorschläge. Der ternehmen auf beiden Seiten der Grenze bei Verhandlungen in der Wirtschaft an- Regionalplan Ruhr gibt vor, wo und noch weiter zu stärken. Dies ist auch er- kommt. „Kommunikation ist nicht gleich wie viele Gewerbe- oder Industriege- klärtes Ziel der Aktivitäten der Sprache, sondern biete in den Kommunen des Ruhrge- IHK, die hier noch Wachstums- vielmehr das Ver- biets ausgewiesen werden dürfen. potenziale sieht – gerade für ständnis der je- Unternehmen in der Grenz- weils anderen Kul- region. „Wer um sich herum tur.“ Professor Dr. S-Bahn Münsterland nur in einem Halbkreis bis zur Gerd Wassenberg Grenze denkt, verpasst 50 Pro- entwickelte für die Absichtserklärung zent der Chancen“, so IHK- Westfälische Hoch- begrüßt Standortleiter Sven Wolf, „sei- schule das Modul en es nun neue Arbeitnehmer, gemeinsam mit Die IHK Nord Westfalen begrüßt die Geschäftspartner oder Absatz- Professor Dr. Mar- Vereinbarung zur S-Bahn Münster- märkte jenseits der Grenze“. tin Maß und sei- land, die am 28. März von der NRW- Erster Referent bei dem neu- nem niederlän- Christopher Papendorf, IHK-Re- Landesregierung, der Stadt Münster en Modul war der IHK-Regio- gionalbeauftragter für den Kreis dischen Kollegen und den Münsterlandkreisen sowie nalbeauftragte für den Kreis Borken. Foto: IHK Jacques Bazen. von weiteren Projektbeteiligten unter- zeichnet wurde. „Der heutige Schul- terschluss ist ein Meilenstein auf Gelsenkirchen dem Weg zur konkreten Planung und schrittweisen Umsetzung der S-Bahn Notfallhilfe bei Hackerangriffen Münsterland“, erklärt IHK-Hauptge- Das in Bochum ansässige Europäische chen und ist werktags von 8 bis 18 Uhr schäftsführer Dr. Fritz Jaeckel. Die Kompetenzzentrum für IT-Sicherheit star- unter der Notrufnummer 0800-1191112 Vereinbarung entspreche genau den tete die erste Cyberwehr in der Region, kostenlos erreichbar. Die Hemmschwelle, Forderungen, die IHK und Hand- damit die oft unzureichend geschützten die Cyberwehr zu Hilfe zu rufen, soll da- werkskammer in ihrem Beitrag für Mittelständler nach einem erfolgten Ha- durch bei KMU sinken. eine „Nachhaltige Mobilität in der ckerangriff so schnell wie möglich Hilfe Stadtregion Münster“ vorgestellt hät- bekommen. Der digitale Rettungsdienst »w ww.eurobits.de/ ten, freut sich Jaeckel. startet in Bochum, Essen und Gelsenkir- cyberwehr-start-ruhrgebiet/ 12 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
NORD-WESTFALEN Regionale Entwicklung Branchenabhängige Entwicklung Münsterland Reisebüros, -veranstalter Post-, Kurier- und Expressdienste +3,5 Prozent -25,4 Prozent +17,6 Prozent Emscher-Lippe-Region Beherbergung Großhandel +1,6 Prozent -15,0 Prozent +9,4 Prozent IHK-Bezirk Gastronomie DL der Informationstechnologie +3,0 Prozent -8,9 Prozent +9,0 Prozent NRW Maschinenbau Grundstücks- und Wohnungswesen +1,7 Prozent -4,3 Prozent +7,8 Prozent Gesundheitswesen +6,0 Prozent Prozentuale Entwicklung der Anzahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter von Jahresmitte 2019 bis zur Jahresmitte 2021 Quelle: IT NRW, eigene Berechnungen Drei Prozent mehr Beschäftigung In Nord-Westfalen hat der Arbeitsmarkt sowohl in der Finanzkrise 2008/2009 als auch in der Corona-Pandemie der Jahre 2020 und 2021 vergleichsweise robust reagiert. Die Auswirkungen lassen sich besonders Rand. Zur Jahresmitte 2021 beläuft sich weise 3,5 Prozent, darunter die Stadt gut bei den sozialversicherungspflichti- die Zahl der sozialversicherungspflich- Münster mit plus 4,2 Prozent. Emscher- gen Arbeitsplätzen nachvollziehen. Schon tigen Arbeitsplätze auf insgesamt gut Lippe liegt mit plus 1,6 Prozent ungefähr in der Finanzkrise wurde der Trend stei- 960 000. Gegenüber 2019, dem Stand vor im Landesdurchschnitt (1,7 Prozent). Ein- gender Beschäftigung zwar deutlich ge- Beginn der Corona-Pandemie, sind die zige Teilregion mit rückläufiger Tendenz bremst, aber nicht gestoppt. Beschäftigtenzahlen um drei Prozent be- ist die Stadt Bottrop (minus 3,3 Prozent). In Nord-Westfalen war die Zahl der Ar- ziehungsweise knapp 28 000 gestiegen. Die Hälfte des Zuwachses von 28 000 Be- beitsplätze sogar gestiegen. Diese Ent- Den größeren Zuwachs verzeichnet das schäftigten entfiel auf Menschen mit aus- wicklung wiederholt sich am aktuellen Münsterland mit plus 23 000 beziehungs- ländischer Staatsangehörigkeit. Generalunternehmer Bauunternehmen in den Bereichen: Telefon (0 25 64) 93 66-0 Schlüsselfertigbau in den Bereichen: Telefon (0 25 64) 9 89 89-00 Industrie- und Gewerbehallen Gewerbe-, Industrie- u. Büroobjekte Ammeloe 35 · 48691 Vreden Ammeloe 35 · 48691 Vreden l l l Wohn- und Geschäftshäuser l Wohn-/Geschäftshäuser u. Märkte l Landwirtschaftliche Gebäude info@temmink-bau.de l Kindertagesstätten l Ein- u. Mehrfamilienwohnhäuser info@ht-konzeptbau.de l Kommunale Gebäude www.temmink-bau.de l Bauträgermaßnahmen www.ht-konzeptbau.de Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022 13
Potenzialanalyse für Nord-Westfalen Innovationskraft PwC- Studie 14 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT Wie gehen die Unternehmen der Region digitale Innovationen an, was hemmt sie auf ihrem Zukunftskurs? Das Beratungshaus PwC hat gemeinsam mit der IHK eine Potenzialanalyse vorgelegt, die auf diese Fragen Antworten und Handlungsempfehlungen gibt. » Von Sebastian van Deel und Kilian Leufker D igitale Innovationskraft steigert die Flexibilität und Produktivität von Unternehmen und er- höht den Wettbewerb der Regionen weltweit. Diesem lische Hochschule Gelsenkirchen Bocholt Reckling- hausen, Hochschule-Ruhr-West - und eine Vielzahl an Instituten und ein DigitalHub. Wettbewerb muss sich auch Nord-Westfalen stellen! Im IHK-Bezirk Nord Westfalen, der das Münsterland Denn: Im internationalen Vergleich bleibt die digitale und die Emscher-Lippe-Region umfasst, leben zu- Innovationskraft Deutschlands zurück. Die aktuelle sammen knapp 2,6 Millionen Einwohner. Eine Stärke Studie zur Innovation in Nord-Westfalen analysiert des Standortes ist die Basis aus kleinen und mittleren die aktuellen Rahmenbedingungen in Nord-Westfa- Unternehmen (KMU), ergänzt um eine Vielzahl gro- len, Deutschland und Nordeuropa und gibt Hand- ßer Energie- und Chemiekonzerne, wie Evonik, BP, lungsempfehlungen, wie digitale Innovationen nach- Uniper oder BASF. Die Industrie erbringt hierbei haltig in Nord-Westfalen etabliert werden können. einen maßgeblichen Anteil der Wertschöpfung, doch auch der IT- und Dienstleistungssektor Situation in Nord-Westfalen sowie die Land- und Forstwirtschaft wachsen Grundsätzlich hat die Region ein hohes Innovations- stetig. potenzial. Mit knapp 1,3 Millionen Erwerbstätigen, rund 150 000 Unternehmen, einem Bruttoinlandspro- Herausforderungen für KMU dukt (BIP) von 91 Milliarden Euro und einer Export- Trotz dieser guten Ausgangsposition sehen sich die quote von 42,5 Prozent zählt sie zu den wachstums- Unternehmen in Nord-Westfalen mit großen Heraus- stärksten Regionen in Nordrhein-Westfalen. Hinzu forderungen konfrontiert, denn die sich beschleu- kommen vier Hochschulen: Westfälische Wilhelms- nigende Digitalisierung bedeutet Chancen wie auch Universität und Fachhochschule in Münster, Westfä- Risiken. Besonders KMU, zum Beispiel industrielle Manufakturen, stehen häufig vor Digi- talisierungs- und Innovationsbarrieren, die ohne einen robusten Plan und exter- Welche Innovationsangebote in der ne Unterstützung nicht oder nur schwer Region nutzt Ihr Unternehmen bereits? überwunden werden können. So exis- 35 tieren nicht immer umfassende Finanz- 30 polster für Innovations- oder Digitali- sierungsprojekte. Zugleich müssen aber 25 neue Produkte und Geschäftsmodelle ent- 20 wickelt werden, um im nationalen und 15 internationalen Wettbewerb mitzuhalten 10 und den Fortbestand des Unternehmens In Prozent 5 zu sichern. Zum Kostendruck kommen 8 11 12 19 23 28 29 0 weitere Hemmnisse, etwa der Fachkräfte- en pe n bs n ps ub s ng b rik u p La ntre rou l H ratu mangel, lange und komplizierte Förder- fa r zze -G ta Be nk sg en ert igi he De o ku et x p D l i c antragsverfahren, Digitalisierungsrück- F E t mp en Ko öff stand, Zeitknappheit, Abhängigkeit von Quelle: Innovationsstudie IHK/PwC Dritten und auch eine geringe Risiko- Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022 15
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT bereitschaft. Hier gilt es, den Unternehmen schnell ler Innovationen aus dem Vereinigten Königreich als zugängliche und bürokratiearme Förderangebote zu sehr vielversprechend. Seit 2011 gibt es dort „Enter- offerieren, die das Investitionsrisiko verringern und prise Zones“, in denen für Start-ups und Unterneh- einen strukturellen Beitrag zur Innovationsfähigkeit men unter anderem vergünstigtes Bauland, schnelles der KMU leisten. Internet und regionale Bildungsstätten mit kreati- ven Lernräumen und modernem Equipment bereit- Angebote koordinieren stehen. Zudem profitieren sie von steuerlicher Inno- Die IHK Nord Westfalen hat bereits eine Reihe von vationsförderung. Darüber hinaus werden rechtliche Angeboten entwickelt, um die digitale Innovations- Vorschriften vereinfacht oder zeitlich begrenzt. Die kraft der Region zu stärken. So wurden von IHK und Hochschulen sind Teil des Konzeptes. Handwerkskammer (HWK), mithilfe des IT-Forums Nord-Westfalen, der Initiative In|du|strie und den DATI inspiriert Hochschulen der Region Experten-Cluster und Un- Die Ampel-Koalition hat im verabschiedeten Koali- ternehmenssprechstunden in den Bereichen In- tionsvertrag festgeschrieben, dass auch in Deutsch- formationssicherheit, Künstliche Intelligenz land das regionale und überregionale Innovations- und Smart Factory aufgebaut. Darüber hi- ökosystem gestärkt werden soll. Als Ziel wurde naus wurden Förderangebote geschaffen deklariert, eine „Deutsche Agentur für Transfer und und nationale und internationale Veran- Innovation“ (DATI) zu gründen. Die DATI soll un- staltungsformate mit den Niederlanden ter anderem an ausgewählten Standorten Leucht- und der EUREGIO etabliert, wie beispiels- turmprojekte unter die Spitzengruppe internationa- weise der Digital Summit Euregio, der am ler Forschungs- und Transferregionen bringen. Nach 18. Mai stattfindet. Außerdem wurden um- britischem Vorbild sollen hierfür digitale Sonderwirt- fassende Sensibilisierungs- sowie Aus- und schaftszonen mit jeweils einem inhaltlichen Schwer- Weiterbildungsprogramme für KMU entwickelt. punkt geschaffen werden. Neben den Aktivitäten der IHK gibt es in Nord- Für eine entsprechende Transferagentur wäre in Westfalen zahlreiche Transferinitiativen, Innovati- Nord-Westfalen bereits der Boden bereitet. Mit vier onsplattformen und Raum zum Austausch, zum Bei- Hochschulen, einem innovativen und vielfältigen spiel im DigitalHub, im Digital Circular Economy Lab Mittelstand, digitalen Pionieren wie beispielsweise oder in Denkfabriken und Fokusgruppen. Das alles sind wichtige Schritte. Es man- gelt jedoch noch an einem gemeinsamen Plan und einer gemeinsamen Innovati- Welche neuen Technologien kommen in onsallianz aus Wirtschaft, Hochschulen Ihrem Unternehmen zum Einsatz bzw. und betroffenen Institutionen, um digi- tale Innovationskraft nachhaltig in Nord- sind geplant? 50 Westfalen zu etablieren. 45 Internationale Vorbilder 40 Der internationale Vergleich innerhalb 35 der Studie zeigt in Nordeuropa eine Viel- 30 zahl an praktischen Beispielen zur nach- 25 haltigen Etablierung digitaler Innova- 20 tionskraft, die als Vorbild für die Region 15 Nord-Westfalen dienen können. Neben 10 In Prozent den Smart Industry Fieldlabs der Nieder- 5 lande, dem Nachhaltigkeitsfokus der nor- 7 12 22 24 27 29 39 46 0 dischen Länder und den regierungsgetrie- ain en ruc k y tic s lity gs nz benen Ansätzen der baltischen Staaten, kch oh n om bo a hin ige c Dr -D co n Ro l Re fT ell Blo 3D rE tua to I nt la e erweist sich eine übergreifende Koordina- cu Vir ern he Cir Int tlic ns tion zur Vernetzung von Unternehmen als Kü Erfolgsfaktor für die Entwicklung digita- Quelle: Innovationsstudie IHK/PwC 16 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT Shopware und Flaschenpost sowie Leuchtturmpro- che etablierte Organisationen genutzt und weiterent- jekten im Bereich Batterieforschung (Fraunhofer- wickelt werden. Die Studie zeigt: Grundsätzlich Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB sind die Unternehmen in Nord-Westfalen da- in Münster), Wasserstoff (Initiative Get H2), Circular von überzeugt, dass die Innovationsrah- Economy (Forschungsprojekt im Prosperkolleg e.V.) menbedingungen in der Region gut sind. und Start-up-Förderung (DigitalHub, REACH) könnte Zugleich besteht strukturelles Verbesse- das bestehende System als Beschleuniger des Erfolgs rungspotenzial. wirken. Ganzheitliche Förderung Transfer ist mehr Vor diesem Hintergrund wurden Hand- Das DATI-Modell zeigt neue Innovationsansätze für lungsempfehlungen formuliert. Hierzu Deutschland auf. Doch verwenden viele Mittelständ- gehören die Förderung der Fachkräftege- ler die bereits existierenden Innovationsangebote winnung mit Fokus auf dem internationalen nicht. So nutzen zwar die befragten Unternehmen öf- Arbeitsmarkt, der Aufbau eines barrierearmen fentliche Beratungsangebote (29 Prozent), die Ange- Schulungsangebotes im Bereich der digitalen Prozes- bote des Digital Hubs (28 Prozent), die Expert Groups se und Innovationen für Unternehmen, das Manage- der IHK (23 Prozent), die Mittelstandskompetenzzen- ment von Expertenclustern über eine gemeinsame tren (19 Prozent), die Denkfabriken des Münsterland Innovations-Allianz und -Plattform, die Einführung e.V. und die Angebote der Wirtschaftsförderer und eines zentralen Innovationsreportings und Trend- Hochschulen (insbesondere der FH Münster), die Nut- scoutings sowie die optimalere Vernetzung von Wirt- zungsquote könnte aber noch weitaus höher liegen. schaft, Wissenschaft und Start-ups. Häufig ist nicht bekannt, welche Kooperations- und Es sei dabei von großer Bedeutung, dass die Einzel- Fördermöglichkeiten in der Region bestehen, welche maßnahmen nicht isoliert, sondern in einem ganz- besonderen Kompetenzen vorhanden sind, und wer heitlichen Ansatz realisiert werden. Ein gemeinsamer die Ansprechpartner für bestimmte Innovations- und One-Stop-Shop, der Bedarfe und Anfragen der Un- Digitalisierungsthemen sind. Für Recherchen fehlt ternehmen aufnimmt, mit dem Unterstützungs-Port- den Unternehmen oftmals die Zeit oder das Personal. folio der Region abgleicht und Angebot und Nach- Bahnt sich eine Zusammenarbeit an, bestehen nicht frage gezielt zusammenbringt. selten unterschiedliche Erwartungen und Vorstellun- Willkommen im „Digital Innovation Center“ der Re- gen. Unklarheiten über die Zielsetzung, die Praxis- gion Nord-Westfalen? Dieser Idee stehen in der IHK tauglichkeit des Produkts, die Finanzierung oder da- alle Türen offen. « rüber, wem am Ende die Innovation gehört, können die Folge sein. Dabei werden auch in Nord-Westfalen Kooperatio- »D ownload der PwC-Studie „Innovation in Nord-West- nen zwischen der gewerblichen Wirtschaft und Wis- falen - Potenzialanalyse zur nachhaltigen Etablierung senschaftseinrichtungen immer wichtiger: Laut Be- digitaler Innovationskraft“: www.ihk-nw.de/innovation fragung nennen die Unternehmen Netzwerke (63 Prozent) und Hochschulen (53 Prozent) als zentrale Faktoren, die ihre Innovationsfähigkeit positiv beein- » Die Autoren Sebastian van Deel (links) ist Leiter des IHK-Geschäfts- flussen. Auch an dieser Stelle könnte ein „DATI-Mo- bereichs Digitalisierung, Industrie und International. dell“ greifen. Kilian Leufker (rechts) ist Referent in der Abteilung Eine wirtschaftlich geprägte Transferagentur in und Industrie. für Nord-Westfalen kann bei der Überführung von Ideen aus der Wissenschaft oder Wirtschaft in den Markt gezielt unterstützen, die Etablierung von Inno- vationsprozessen und -clustern fördern und gemein- sam mit Unternehmen Fördermittel für digitale Inno- vation nach Nord-Westfalen holen. Ein vernetzter One-Stop-Shop von Kammern, Hochschulen und Wirtschaftsförderern für Unter- nehmen sollte das Ziel sein. Dafür könnten erfolgrei- Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022 17
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT Knackpunkt Koordination Wie gut ist Nord-Westfalen auf Zukunft programmiert? Wichtige Ergebnisse der neuen Innovations-Studie von IHK, PwC, der Initiative In|du|strie und dem IT-Forum Nord Westfalen in der Zusammenfassung. » Von Dominik Dopheide D ie „Potenzialanalyse zur nachhaltigen Etablie- rung digitaler Innovationskraft in Nord-West- falen“ ist eine Standortbestimmung auf dem Kurs in le Transformation investieren. „Die Nachfrage nach Förderprogrammen in Nord-Westfalen spiegelt die- sen Trend wider, sie ist 2021 deutlich angestiegen“, die Zukunft. Inwieweit werden hier in Unternehmen berichtet Sebastian van Deel, IHK-Geschäftsbereichs- die Chancen der Digitalisierung branchenübergrei- leiter Digitalisierung. fend systematisch genutzt? Welche Barrieren müs- sen abgebaut, welche Angebote aufgebaut werden? KI steht ganz vorne Die IHK hat nachgefragt, 165 Mitgliedsunternehmen Die neue Studie gibt einen Einblick in die aktuelle Si- haben geantwortet. Die Auswertung der Ergebnisse tuation. Demnach stecken 24 der befragten Unter- machte das Beratungshaus PwC. Die Autoren der nehmen der Region mindestens sechs Prozent ihres Studie geben Handlungsempfehlungen zur Stärkung Gesamtumsatzes in Forschung und Entwicklung, 31 des digitalen Innovationsgeschehens und nehmen investieren sechs oder mehr Prozent in Digitalisie- unter die Lupe, wie Digitalisierung und Innovations- rung. „Angesichts der Wirtschaftsstruktur mit über- kraft zusammenhängen. wiegend kleineren und mittleren Unternehmen ist Das Ergebnis ist eindeutig: Wo Daten erhoben und das kein schlechter Wert, aber es gibt Spielraum nach analysiert werden, wo digitale Technologien zum oben“, ordnet van Deel die Ergebnisse ein. Einsatz kommen, sprudeln marktfähige Ideen. Unter- Digitale Technologien werden am Standort vielfach nehmen, die als weniger digital eingestuft werden, genutzt. Aus dem Kreis der „Essential Eight“ haben können nur schwer mithalten. Doch muss in digitale sich die „Top 3“ etabliert: 46 Prozent der befragten Technologien investiert werden, um aus der Masse Unternehmen melden den Einsatz Künstlicher Intelli- der Informationen einen Mehrwert zu gewinnen. genz, 39 Prozent nutzen das Internet of Things, und PwC hat aus rund 250 Instrumenten das große Be- 29 Prozent haben ihre Perspektiven per Datenbrille steck der Zukunftsgestaltung identifiziert: Künstliche erweitert – sie ar- Intelligenz (KI), 3D-Druck, Blockchain-Technologie, beiten mit Virtual Internet of Things (IoT), Augmented Reality (AR), Reality oder Aug- Virtual Reality (VR), Roboter und Drohnen. Jede mented Reality. dieser Technologien – PwC nennt sie „Essen- Die „Top 3“ las- Nur tial Eight“ – hat das Zeug zur Disruption. Das heißt, dass sie Produkte oder Dienstleistun- sen sich auch für jene Faktoren er- 56 Prozent gen ersetzen und ganze Branchen erschüt- kennen, die Inno- der Unternehmen tern können – insbesondere, wenn sie kom- vationskraft min- haben ein Innovations- biniert werden. In Deutschland, so stellen die dern: Zeitmangel, management. Autoren fest, haben sich diese Technologien Fachkräftemangel nur langsam etabliert. Dann aber der Weck- und der adminis- ruf: Im Zuge der Covid-19-Pandemie habe sich trative Aufwand, gezeigt, dass der Standort dringend digitaler wer- etwa bei Förderan- „Bürokratieverfahren müssen den muss. Die Unternehmen ziehen Konsequenzen: trägen. „Wir müs- entschlackt werden“: Peter Ma- 91 Prozent wollen substanziell mehr in die digita- sen Bürokratiever- ckenrodt. Foto: m+f KEG-Technik 18 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT fahren entschlacken, damit Innovationen schneller Bei der Koordination könne sich der Standort Nord- umgesetzt werden können“, fordert Peter Macken- Westfalen noch verbessern, denn es fehle ein ganz- rodt, Geschäftsführer m+f KEG-Technik GmbH & heitlicher struktureller Ansatz, um das „solide Innova- Foto: Ba um Co.KG. tionspotenzial“ der Region auszubauen. Die Autoren schlagen vor, eine Innovationsallianz formal zu Netzwerke gut genutzt gründen. Zudem sollte das Innovationsgesche- „Der Fachkräftemangel in der Informationstechnolo- hen besser beobachtet werden, um es mess- gie bremst quer durch alle Branchen Innovationsvor- bar und anpassungsfähiger zu machen. Fest haben aus, es fehlt auch externen Dienstleistern an stehe, dass mit 56 Prozent der Anteil der Personal“, berichtet Detlef Isermann, Geschäftsführer Unternehmen mit Innovationsmanagement P&M Cosmetics GmbH & Co. KG. Angeschoben wird noch zu gering ist. Gleiches gelte für den das Innovationsgeschehen von den eigenen Mitar- Umfang der Investitionen in Innovation beitenden. Dazu passt, dass 59 Prozent der befragten und Digitalisierung insgesamt. Den Unter- Firmen Weiterbildung zum Thema Innovation anbie- nehmen sei offensichtlich nicht ausreichend ten. Auch Kunden (56 Prozent) und Hochschulen (53 bewusst, wie relevant der Einsatz neuer Tech- Prozent) zählen zu den zentralen positiven Faktoren. nologien für die Wettbewerbsfähigkeit ist. Die Die Mehrzahl der Unternehmen will die Zukunft im Autoren bringen als Denkmodell – in An- Zusammenspiel meistern: 63 Prozent der Firmen be- lehnung an das 3,5-Prozent-Ziel der stätigen, dass Netzwerkarbeit sie weiterbringt. Rund regionalen Innovationsstrategie in 53 Prozent kooperieren mit Hochschulen und/oder NRW – die Selbstverpflichtung „Fehlendes Know-how Forschungseinrichtungen, circa 56 Prozent mit an- ins Spiel, 3,5 Prozent des Ge- für Digitalisierungs- und deren Unternehmen. Und mehr als die Hälfte der be- samtumsatzes in Forschung Innovationszusammenhänge fragten Unternehmen betreibt Innovationsmanage- und Entwicklung zu inves- ment, um aus guten Ideen das Beste zu machen. tieren. So könne sich Nord- bremst die Innovationskraft Die Autoren betonen, dass es im globalen Wettbe- Westfalen als Innovations- eines Unternehmens enorm aus werb immer wichtiger wird, auf europäischer Ebene region mit überregionaler und Innovationspotenzial Technologie-Wissen zu teilen. Sie verweisen unter Anziehungskraft etablieren. geht verloren.“ anderem auf das EU-Forschungsrahmenprogramm „Horizon“, das auch KMU offensteht, sowie auf TAF- Neue Ansätze Melanie Baum, Geschäftsführerin TIE – ein Netzwerk, das dem Austausch über nationa- Eine fortschreitende internatio- Baum Zerspanungstechnik, le Technologieförderprogramme dient. nale Ausrichtung würde auch die Marl Einige Ideen zur Stärkung digitaler Innovationen, die Chancen im Wettbewerb um Fach- in anderen Ländern geschmiedet worden sind, könn- kräfte verbessern. Hier sollte in besonders ten auch in Nord-Westfalen funktionieren. In Groß- innovationslastigen Bereichen in englischer britannien beispielsweise werden innovative Start-ups Sprache gearbeitet werden, um auch für Studieren- und Unternehmen de aus dem Ausland attraktiver zu werden. Zugleich in „Enterprise Zo- halten es die Experten für erforderlich, Firmen beim nes“ intensiv un- Aufbau eines Innovationsmanagements und bei der terstützt. Und in Personalgewinnung mit Weiterbildung, Workshops „Catapult-Zentren“ und Beratung zu unterstützen. Auch sollten Förder- können Wirtschaft quellen sichtbarer gemacht und von bürokratischen und Wissenschaft Barrieren befreit werden. Knapp die Hälfte der Un- gemeinsam Ideen ternehmen bringt Digitalisierungs- und Innovations- zügig zur Markt- projekte ohne öffentliche Unterstützung auf den Weg, reife bringen. Zwei somit bleibt viel Geld und Wissen liegen. Offen zeigt Agenturen, beide in sich der Standort für Netzwerkarbeit, das wird in der öffentlicher Hand, Studie als großer Pluspunkt gewertet. Doch könnten haben den Auftrag, für die Kooperationskultur noch bessere Rahmenbe- landesweit die In- dingungen geschaffen werden: mit dem Auf- und Beklagt den Fachkräftemangel in Informationstechnologien: novationsprozes- Ausbau von leicht zugänglichen Transferinitiativen Detlef Isermann. Foto: P&M se zu koordinieren. und Innovationsplattformen. « Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022 19
Projektentwicklung bei AGRAVIS: Sebastian Henrichmann (r.) von AGRAVIS und Stefan Hagedorn mit dem vollauto- matisch arbeitenden Feldroboter für die Aussaat und das Unkrauthacken, präzise geführt durch Satelliten-Steuerung. Foto: Grundmann/IHK Willkommen auf dem Kooperationsfeld KI steht beim Einsatz in Unternehmen ganz vorn. In Nordwestdeutschland wächst ein Netzwerk, das diese Technologie auch in die Landwirtschaft trägt. Zwei Unternehmen aus dem Münsterland machen mit. » Von Dominik Dopheide N icht Getreide, Obst oder Gemüse wird im „Agro- tech Valley“ zur Reife gebracht. In diesem Fo- rum sollen gute Ideen gedeihen, die zur Entwicklung genz. Sie erschließe neue Einsparpotenziale, weil sie helfe, effizienter mit Arbeitskraft und Betriebsmit- teln umzugehen. „KI kommt beispielsweise ins Spiel, digitaler Technogien in Nordwestdeutschland wenn Entscheidungsfindungen auf Basis von Bild- beitragen. „Es geht um die zentralen Frage- verarbeitung benötigt werden, um Prozesse weiter stellungen der Landwirtschaft, um den oder stabiler zu automatisieren“, erklärt Hagedorn. Spagat zwischen Ökologie und Ökonomie, „Sie tritt also nicht alleine auf, sondern eingekapselt denn die Branche muss sowohl der Zah- in konventionelle Automatisierungslösungen.“ lungsbereitschaft als auch dem Anspruch Dass sich im „Agrotech Valley“, neben Wissenschaft der Kunden gerecht werden“, erklärt Ste- und Verwaltung, auch Landtechnik-Hersteller aus- fan Hagedorn. Der Geschäftsführer der in tauschen, die Wettbewerber sind, kann er erklären: Warendorf ansässigen Hagedorn Software Sie wollen die Entwicklung dieser grundlegenden Engineering GmbH sieht noch eine weitere Technologie gemeinsam stemmen, um mit den ganz Herausforderung heraufziehen: „Mit den drama- großen Playern auf Augenhöhe zu agieren. Diese Ko- tischen Ereignissen in Osteuropa ist das Thema Ver- operationskultur eröffnet auch kleineren innovativen sorgungssicherheit in den Bereichen Lebensmittel Unternehmen wie Hagedorn Software Chancen: Sie und Energie in den Vordergrund gerückt“. Hagedorn werden als Technologielieferant und Problemlöser rechnet mit einer langen Phase hoher Rohstoffpreise. hinzugerufen. „In Zusammenarbeit können alle das Umso wichtiger sei der Einsatz Künstlicher Intelli- Optimum an Innovationskraft erreichen“, sagt Hage- 20 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT dorn. Genauso sieht es Sebastian Henrichmann von gemeinsam mit Forschungseinrichtungen KI-Lö- der AGRAVIS Technik Holding GmbH. „Hagedorn sungsansätze zu finden. Software ist schon lange bei uns bekannt, wir haben bereits gemeinsam Ideen für ein Projekt entwickelt Fachkräftemangel setzt Grenzen und geplant und prüfen zurzeit die Machbarkeit“, be- Dabei zeichnet sich klar ein Trend zu kleineren Ma- richtet der Leiter „Smart Farming & Digitalisierung“. schinen ab, berichtet Hagedorn. Riesig indes sei das Das Thema KI, erklärt er, ist in der Branche brand- Wachstumspotenzial, dass die Technologie hat, be- neu. „Wir fangen gerade damit an“, sagt Henrich- tont er und verweist auf Zukunftsprojekte, an denen mann. Anlass für Innovationen sieht er genug: lange sein Unternehmen beteiligt ist. Es geht beispielswei- Trockenheiten, extreme Nässe, höhere Standards in se um selbstfahrende Arbeitsmaschinen, um Wasser- der Tierhaltung, Abkehr vom flächendeckenden Ein- stofferzeugung auf dem Hof aus Photovoltaik und satz von Pflanzenschutzmitteln. Biogas und um Technik, die helfe, höhere Tierwohl- standards zu erfüllen. Doch gibt es zugleich einen Sprühende Intelligenz Faktor, der die Wachstumsperspektiven begrenzt: An diesem Punkt setzt ein Parade-Produkt von der der dramatische Fachkräftemangel. Stefan Hagedorn AGRAVIS Technik Holding an, das Henrichmann sucht händeringend, kann Vakanzen nicht besetzen, und sein Team gerade der Branche vorstellen: ein obwohl sein Unternehmen in der Hochschulland- Feldroboter, ausgestattet mit sprühender Intelligenz. schaft gut vernetzt und in der Region sehr renom- Der ARA ist von ecoRobotix in der Schweiz entwi- miert ist. Deutlich wird schon jetzt, dass Agrar-KI ckelt worden und wird von AGRAVIS vermarktet. auch Arbeitsplätze sprießen lassen kann. Denn noch Das Einzelpflanzen-Sprühgerät wird am Traktor ar- muss der Mensch selbst seine Landwirtschaft auf retiert und entscheidet selbst, wo Pflanzenschutz- Nachhaltigkeit programmieren. « und Düngemittel aufgebracht werden müssen. Das Einsparpotenzial bei Pflanzenschutzmitteln, insbe- sondere bei Herbiziden, liegt, laut Henrichmann, bei IHK-Netzwerk KI XChange bis zu 90 Prozent. Das führe dazu, dass auch deut- Künstliche Intelligenz (KI) ist eine der wesentlichen Technologien für zu- lich weniger Rückstände in den behandelten Kul- kunftsfähige Entwicklungen in vielen Lebensbereichen. Das gilt auch für die turen nachzuweisen seien. Getestet werden solche Unternehmen in Nord-Westfalen. Jedoch ist KI in kleineren Unternehmen, im Handel oder in Handwerksbetrieben noch immer schwer vorstellbar. Die Entwicklungen grundsätzlich auf der „AGRAVIS IHK Nord Westfalen hat darum gemeinsam mit dem IT-Forum Nord West- Future Farm“ in der Lüneburger Heide. Sie ist der falen das Netzwerk „KI XChange“ gegründet, um dem digitalen Fortschritt in Inkubator für das Innovationsgeschehen im Unter- Unternehmen auf die Sprünge zu helfen. nehmen, hier werden Versuche geplant und umge- Dazu gehört es, die Potenziale kennenzulernen, sich mit Anbietern, Uni- versitäten und Anwenderunternehmen auszutauschen, fortzubilden und setzt. „Wir verknüpfen neue, oft noch wenig be- beraten zu lassen. In den vergangenen XChanges wurde der Fokus auf die kannte Technik mit dem Pflanzenbau und sehen uns Themen Robotik, Logistik, Versicherung und Agrartechnik gelegt. So refe- an, was sie bringt“, sagt Henrichmann. Denn an KI rierte zum Beispiel Sebastian Henrichmann von der AGRAVIS Technik Hol- interessiere die Betriebe vor allem eines: der Mehr- ding GmbH über Feldrobotik im Praxiseinsatz. Getragen wird das Netzwerk durch die Expert-Group KI. Interessierte Unter- wert. Ist er gesichert, werden die Maschinen der Öf- nehmen können Teil des Netzwerks werden. Der nächste XChange findet am fentlichkeit vorgestellt, etwa auf Feldtagen, Messen 14. September statt. Weitere Informationen folgen. oder direkt auf den Höfen vor Ort. » www.ihk-nw.de Ohnehin erfordere KI einen intensiven Kunden- Nr. 4676802 kontakt: Die Qualität von Beratung und Service sei jetzt wichtiger denn je, sie werde darüber entschei- den, wie schnell die Technologie in die Landwirt- schaft einziehen werde, ist der Manager sicher. Noch jedenfalls werde sie nur in ersten Ansätzen ange- wendet. Auch für Stefan Hagedorn ist Kommuni- kation die Basis des Erfolgs: „Einfach mal raus aufs » IHK-Kontakt Kilian Leufker Feld gehen und mit richtigen Landwirten reden, wo Tel. 0251 707-230 der Schuh drückt“, empfiehlt der IT-Ingenieur. Ge- kilian.leufker@ nau diese Perspektive aus der Praxis bringen er und ihk-nw.de Henrichmann ins „Agrotech Valley Forum“ ein, um Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022 21
DIGITALE INNOVATIONSKRAFT Ackern mit Algorithmen Wie kann nachhaltiger Anbau wirtschaftlicher werden? Mit Künstlicher Intelli- genz natürlich. Roboter aus Havixbeck machen es vor. » Von Dominik Dopheide N icht immer packt der rollende Roboter das „Übel“ an der Wurzel. Manches Beikraut bietet unter der Erde ein so wirres Geflecht, dass sich der würden zerstört, Ertragsaussichten verringert. Zau- berzeug verfolgt mit seiner Entwicklungsarbeit des- halb einen anderen Ansatz. Das Szenario: Ein Trupp Bohrer verfangen kann. Für die Maschine aus dem kleiner mobiler Roboter schwärmt aus, um zu säen, Hause Zauberzeug ist das aber kein Grund, sich vom jäten oder ernten – „mit der Präzision und dem Wis- Acker zu machen. Sie hat mehrere Instrumente pa- sen eines guten Gärtners“, wie Trappe betont. Das rat, um eine unerwünschte Pflanze zu beseitigen. könne sich schnell rechnen: „Bleibt eine große Ernte- Kann die Wurzel nicht gezogen werden, trifft maschine liegen, stehen alle Räder still, fällt dagegen das Gewächs der Schlag: Ein Elektroschock ein Roboter aus, laufen die anderen ja weiter“, erklärt lässt das Unkraut vergehen. Den Pestiziden der Unternehmer. Sie machen sich buchstäblich ihr jedenfalls will Rodja Trappe, Geschäftsführer eigenes Bild von der Lage, brauchen auf dem Feld der Zauberzeug GmbH, das Feld nicht über- weder Mensch noch Mobilfunknetz, um Entscheidun- lassen. Schließlich hat er gegründet, um Al- gen zu fällen. Sie „wissen“ selbst, auf welche Pflanze ternativen zu entwickeln – damit agrarwirt- sie gerade zusteuern und welches Werkzeug sie zü- schaftliche Betriebe Ressourcen schonender cken müssen. Denn sie haben alle eine kleine Kiste an nutzen können. Bord, ein Steuermodul, prall gefüllt mit Künstlicher Dafür sei es höchste Zeit, betont er. Viel zu schwer Intelligenz – das „Robot Brain“, made by Zauberzeug, hätten die Äcker inzwischen zu tragen, und zwar das seit Januar marktreif ist. nicht nur an Chemie. „Weil in immer kürzerer Zeit immer mehr geleistet werden soll, sind die Maschi- Schrittweise investieren nen und somit der punktuelle Druck so groß gewor- Die theoretischen Grundlagen der KI, erläutert Trap- den, dass sich die Böden extrem verdichtet haben“, pe, sind bereits seit den 70er-Jahren bekannt. Lange erklärt Trappe. Das richte Schaden an: Organismen jedoch fehlte es an der erforderlichen „krassen Re- chenpower“, um die Ideen in Innovationen zu wan- deln. Vor ein paar Jahren aber ist der Durchbruch spielend gelungen: Die Gaming-Branche habe die Welche Faktoren aus der Region Entwicklung der Grafikkarte so weit getrieben, dass beeinflussen die Innovations- die Hardware-Welt jetzt reif ist für KI, erzählt der In- fähigkeit Ihres Unternehmens formatiker, der auf einem Pferdehof aufgewachsen besonders positiv? ist und sich seit seinem Informatikstudium mit der 60 Digitalisierung im Agrarsektor beschäftigt. Pferdeäp- fel aufsammeln? Das muss im Prinzip kein Mensch 50 mehr machen. Trappe hat einen Roboter entwickelt, 40 der rund um die Uhr abräumt. 30 „KI ist immer dann unschlagbar, wenn es um kons- 20 tant lange Aufmerksamkeit geht“, sagt der Unterneh- In Prozent 10 mer und bringt noch ein Beispiel: Den ganzen Tag 63 56 56 53 24 23 0 auf Fruchtdruckstellen zu starren, mache Menschen e n te n er en erk nde räf ule fer ng müde, nicht aber die Maschinen. Weil Gleiches auch tzw Ku hk sch lie tu N e Fa c ch Zu ir ch fürs Jäten gilt, zieht ein Zauberzeug-Roboter, im Ho ein gs h un Zuge einer Zusammenarbeit mit der „Hochschule für rsc Fo nachhaltige Entwicklung Eberswalde“ und weiteren Quelle: Innovationsstudie IHK/PwC Partnern, über ein Bio-Zuckerrübenfeld in der Ucker- 22 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2022
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