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03 german council 18. Jahrgang € 12 | ISSN 1614-7804 German Council of Shopping Centers e. V. MAgazin POWER Kraft des grünen Kräuterwunders | Berlin – die Powerstadt | Kommenlassen statt hinterherrennen
2015 2015 CIT Y PA R K Gra z PROJEKTE IN ÖSTERREICH WE ER B ZE IL E Rie d CONNECT WITH US. 2016 2016 s ee en HU od /B MA Wi z en g en B re S E ES TA D T Connect with the Spirit of Retailing Als erfahrener Entwickler von urbanen, qualitativ hochwertigen und erfolgreichen Handelsdestinationen zeigen wir Gespür für die besten Lagen. Starke Verbindungen sind die Basis für gemeinsamen Erfolg. Wir kreieren Marktplätze, die ganze Stadtteile zu neuem Leben erwecken. Expandieren mit SES: Durch die Erweiterung von bestehenden Shopping-Centern an pulsierenden Standorten und durch innovative Center-Entwicklungen mit Fokus auf die Innenstadt schaffen wir neue, attraktive Flächen und die perfekte Bühne für die besten Handels-, Gastronomie- und Dienstleistungskonzepte. Connect with us: SES Spar European Shopping Centers GmbH T: +43 662 44 71-71 71, leasing@ses-european.com www.ses-european.com
Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, »POWER« fasziniert uns in vielen Facetten: sie eine Goldene Schallplatte und sind Dauer- und Weitsicht engagieren werden. Es gilt, für Menschen mit Power finden wir attraktiver als gast in allen TV Musiksendungen: VOXXCLUB jedes Mitglied, für jede Innenstadt, für jedes energielose Mitbürger, ein Auto mit ordentlich ist eine explosive Mischung aus Power, Anar- Handelsunternehmen und für jeden Arbeits- Power finden die meisten sehr cool und Unter- chie, Lebenslust und A-cappella-Kunst! Auch platz in unserer Branche zu denken und zu han- nehmer mit Power zeichnen sich dadurch aus, Emil Underberg zählt zu den Fans von VOXX- deln. Die europaweite Vernetzung innerhalb dass sie mehr unternehmen als unterlassen. CLUB und empfing sie kürzlich in seiner Zentra- unserer Industrie, für die der GCSC zu Recht als le, wo sie ihm und seiner Frau Christiane den Vorbild gilt, ist mit Blick auf Brüssel dringend Das GC Magazin betrachtet diesmal Power aus berühmten Underberg-Song neu interpretier- notwendig. Die politische Arbeit unseres Ver- vielen Blickwinkeln und stimmt Sie auf unseren ten. bandes in Deutschland muss in jeder Legisla- Jahreskongress am 11. September 2014 in Ber- turperiode neu justiert werden, und so arbeite lin ein, der ebenfalls unter diesem Titel stehen Als ich vor vier Jahren den Vorsitz des Vorstan- ich mit einem Team von Politikexperten auch in wird. Einen Vorgeschmack auf einen Powerun- des übernahm, standen wichtige Erneuerun- den kommenden Wochen mit Hochdruck an ternehmer bekommen Sie im Exklusivinterview gen an, um den Verband weiter attraktiv und diesem Thema weiter. des German Council Magazin mit Emil Under- für die Mitglieder interessant zu halten. Die berg, den Sie ebenfalls live auf der Kongress- Motivation für das Leitbild des GCSC finden Sie Wir sehen uns hoffentlich am 11. und 12. Sep- bühne erleben werden. im Gespräch mit Frau Professor Diane Robers, tember in Berlin. Bis dahin wünsche ich Ihnen und einen Einblick in die Dynamik des Verban- einen traumhaften Sommer, Zeit zum Lesen im Am Kongressabend steht eine Band mit unend- des zeigt die Story rund um Geschäftsstelle und Magazin, und nehmen Sie all die POWER auf, lich viel Power live auf der Bühne. Ihr Flashmob Vorstand. die wir Ihnen Seite für Seite anbieten. in einem Münchner Einkaufszentrum wurde auf Youtube über 5,5 Millionen mal angeschaut Für mich persönlich ist der Moment gekom- Es grüßt Sie herzlich und machte sie berühmt. Vor Kurzem erhielten men, mich an dieser Stelle für Ihr Vertrauen zu bedanken, das Sie mir in den vergangenen zehn Jahren als Vorstandsmitglied entgegen- gebracht haben. Nach drei Amtsperioden er- laubt die Satzung eine Wiederwahl nicht mehr, und ich werde mich daher in der Mitgliederver- sammlung am 12. September 2014 in Berlin als Ihr Vorstandsvorsitzender verabschieden. © RP online Ich bin sicher, dass die Weichen für die Zukunft des GCSC richtig gestellt sind und sich meine Christiane und Emil Underberg mit VOXXCLUB Nachfolger weiterhin mit Power, Leidenschaft
GERMAN COUNCIL . inhalt POWER GerMan CounCil . Power GerMan CounCil . Power Berlin – die Powerstadt Berlin ist Kreativhauptstadt und Großbaustelle, Mythos und weltoffene Boomcity. Das Herz der Stadt schlägt schnell, nichts fürchtet sie mehr als den Stillstand. Berlin ist hip, urban, ein Schmelztiegel der Kul- "Berlin! Hör ich den Namen bloß, da muss ver- alles macht das Besondere der Stadt aus«, sagt turen. Arm aber sexy – mit diesen Worten be- gnügt ich lachen! Wie kann man da für wenig Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Pa- schreibt Berlins regierender Bürgermeister sei- Moos den Dicken Wilhelm machen!" Der deut- ribas Real Estate. Die Berliner lieben ihre Stadt, ne Stadt. Sie will nicht jedem gefallen, biedert sche Komponist Paul Lincke besang bereits vor engagieren sich, gestalten sie mit. Spätkäufe sich nicht an, man muss sie nehmen wie sie ist. über hundert Jahren die »Berliner Luft«, suhlte und Currywurstbuden gehören ebenso zum GERMAN COUNCIL . POwER GERMAN COUNCIL . POwER Eine Glitzermetropole mit Ecken und Kanten, sich in dem freien Lebensgefühls der Stadt und Gesicht dieser unfertigen, sich stets wandeln- mit Brachen und Riesenkränen. Eine pulsieren- der unbändigen Lebenslust seiner Bewohner. den Stadt wie die Prachtboulevards und No- de Großstadt, die ihr Gesicht im Sekundentakt Worte, die heute so aktuell sind wie gestern, belbars. Der Reiz der Stadt liegt aber auch in wandelt. Mal ist sie Fashionmetropole, mal die das Berliner Credo Leben und leben lassen seiner Historie, hier wurde Weltgeschichte ge- Filmhochburg, dann dient das Berliner Parkett Kraft des grünen Kräuterwunders Politikern aus aller Welt als Schaubühne. Was widerspiegeln. In keiner anderen deutschen Stadt werden kreative Freiräume so hoch ge- schrieben: Die goldenen Zwanziger Jahre, die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, der legen- Weil Underberg seit 168 Jahren darauf beharrt, von immer gleicher Qualität (semper heute angesagt ist, gilt morgen vielleicht schon schätzt und erbittert gefordert wie in der deut- däre Wiederaufbau. idem) zu sein, ist die Marke stark. Ein Markenerlebnis mit Geschäftsführer und Urenkel wieder als olle Kamelle. Pop-up-Stores und schen Hauptstadt. »In Berlin trauen sich die Emil Underberg über die Kraft von Tradition, Klarheit und kommunikativer Zurückhal- neue Shopping-Quartiere sprießen wie Pilze Menschen was, sind experimentierfreudig. Zwischen historischen Gebäuden und futuristi- tung. aus dem Boden, aber auch altes kann plötzlich Pop-up-Stores kommen immer mehr in Mode schen Fassaden pulsiert das Leben. »Berlin ist wieder an neuen Reiz gewinnen. You never © Thinkstock.com und es gibt eine starke Gründerszene. Hinzu ein bisschen schräg und nicht immer schön, know – Berlin entscheidet. kommt der große internationale Zuzug – das aber eben einzigartig«, sagt Fabian Bender, 01.07.2014 im Underberg Stammsitz in Rheinberg. Umgeben von Ei- der erfolgreichsten Werbeaktionen aller Zeiten. Ein Jahr später chenmöbeln und schwerer Kunst sitzt uns der 73-jährige Unternehmer stürmt der River Kwai March – Colonel Bogey den Gipfel der deut- im grünen Jackett gegenüber. Wie bei seiner Marke, scheint auch seine schen Charts, aber damals ahnt noch keiner im Unternehmen, dass Vitalität nicht unter der Zeit zu leiden. »Viele Ihrer Fragen werden sich diese Melodie gut achtzehn Jahre später mit »Komm doch mit auf mit dem Film erledigen«, schickt Emil Underberg unserem Gespräch den Underberg!« zum meist gepfiffenen Ohrwurm im Dienst der vorweg. Dann tauchen wir in die bildbegleitete Erzählung ein, wie Ur- Marke avanciert. großvater Hubert Underberg das alkoholische Kräuterwunder entwi- ckelte und die Marke zu dem wurde, was sie heute ist. Über all die Zeit blieb die Mixtur des Magenbitters streng gehütetes Head of Investment bei Immobilienscout, »die aus dem Ausland. Tendenz steigend. Nach Lon- Familiengeheimnis. Neben Emil II kennen nur seine Frau Christiane, vielen kleinen Kieze mit ihren Geschäften und don und Paris liegt die deutsche Hauptstadt Tochter Hubertine sowie drei Geistliche die mündlich überlieferte Alles beginnt am Hochzeitstag, dem 17. Juni 1846. Hubert ehelichte Rezeptur. Einmal im Monat treffen sich alle Geheimnisträger im Labels, von extrem schick bis szenig-stylisch – damit auf Platz drei im europäischen Ranking. an diesem Tag seine Katharina, und gemeinsam gründeten sie das Stammhaus Rheinberg, um den legendären Kräutersud anzusetzen. in Berlin gibt es für jeden Geschmack das Pas- nach ihren Nachnamen benannte Bis zu neun Monate reift er an- Unternehmen H. Underberg-Alb- schließend in 24.000-Liter-Eichen- sende.« Berlin hat ihren Finger am Puls der Doch die anhaltende Beliebtheit Berlins recht in Rheinberg. Mittlerweile ›Unser Ziel ist es, die Besten zu sein. holzfässern in Kellergewölben des Zeit, ohne ihren historischen Charme zu verlie- schlägt sich auch auf die Immobilienpreise wird das Familienerbe in 5. Genera- tion von Emils Tochter Dr. Huberti- Deshalb stellen wir das Produkt immer Stammhauses. Bis heute ist Under- berg eine ausschließlich in 20-ml- ren. Sie ist eine Keimzelle kreativer Trends. nieder, die seit 2008 um 35 Prozent angestie- ne Underberg-Ruder geführt. Damit wieder aufs Neue so gut her wie kein Zweiter.‹ Fläschchen vertriebene Monomar- »Die Pilotshops der ausländischen Filialisten gen sind. Spitzenpreise erzielen derzeit die ist sie die erste weibliche Thronfol- ke. Zwei Ausnahmen gibt es aller- gerin nach Hubert I, Hubert II, Emil Emil Underberg dings: Seit 2013 ist die Verdauungs- kombiniert mit den experimentierfreudigen, Bezirke Mitte und Charlottenburg-Wilmers- © Armin Fischer I und Emil II. hilfe auch in zuckerloser und alko- lokalen Anbietern und der vielfältigen Gastro- dorf, sowohl für Miet- und Eigentumswoh- holfreier Bonbonform in der Apotheke erhältlich. Und in Brasilien Schon zu Kaisers Zeiten war der Verdauungsschnaps ein Erfolg. Ge- gibt es den »Brasilberg« in 0,92-l-Flaschen. Den dort als Longdrink Szene machen die Straßen Berlins so interes- nungen als auch für Geschäftshäuser. In Ber- trieben von dem eisernen Willen zu »semper idem« – fortwährend gehandelten Kräuterbitter verdankt der südamerikanische Staat Dr. sant«, sagt Elke Lauster, Head of Letting der AC- lin sind die Mieten im Vergleich zum Vorjahr gleiche Qualität – zieht der Firmengründer eine hochprofessionelle Paul Underberg, dem1932 ausgewanderten Sohn von Hubert II. Mein Lieblingsplatz in Berlin ist Schnapsherstellung samt Vertrieb hoch. Geadelt durch die Ernen- REST Property Group, »das ganze Multikulti, um rund acht Prozent gestiegen und die nung zu kaiserlichem und königlichem Hoflieferanten, wird sein Die Schattenseiten des Kräuterwunders sind unzählige Nachahmer, ckercoleur. Wir folgen dem Underberg-Reinheitsgebot und nehmen das Liberale, das ewige Werdende, das alles er- Preissteigerungen werden 2014 weiter ge- das Regierungsviertel. Start Nähe Kräuterbitter bereits früh in Nachbarländer exportiert. Die internati- die von Anbeginn das in Packpapier gewickelte Fläschchen nebst In- Kräuter aus 43 Ländern, Wasser und hochwertigsten Alkohol – sonst innert mich an New York.« Burkhard Scheven, hen. »Trotz steigender Mieten ist Berlin inter- Außenministerium, vorbei an der Museumsin- onalen Kontakte knüpft der reisefreudige Unternehmer vor allem halt begleiten. Akten von über 1200 Markenrechts-Verfahren lagern nichts. auf den Weltausstellungen, die die Firma von Anbeginn 1851 be- mittlerweile im Familienarchiv. Die Historie reicht von plumpen Na- Geschäftsführer der Scheven Group, vergleicht national gesehen immer noch preiswert«, sel, hinter dem Reichstag längs und dann bei sucht. Einer Zufallsbegegnung mit Glasbläsern von Murano ist es zu mensvarianten über ungefragtes Markenstretching, z.B. Underberg- Unser Ziel ist es, die Besten zu sein. Deshalb stellen wir das Produkt verdanken, dass bei der Ausstellung 1867 in Paris das stilechte Un- Hemden, bis zu mit Grüntönung, Flaschenform oder Packpapier ge- immer wieder aufs Neue so gut her wie kein Zweiter. »Semper idem« Berlin lieber mit der britischen Hauptstadt, sagt Burkhard Scheven. Doch die Berliner der Kanzlerin links ab durch den Tiergarten derberg Glas entsteht. Es sticht im wahrsten Sinne hervor, lässt Hu- schaffenen Markenassoziationen. Unter den geschlichteten Streitig- – die immergleiche Qualität. Wie beim Tee brauen wir einen Kräuter- dem London der 80er Jahre, »als es beim inter- murren trotzdem, einige packen die Umzugs- zum Brandenburger Tor…und das in Laufsa- bert es doch bewusst so anfertigen, dass es alle anderen Gläser auf keiten finden sich auch solche mit grossen deutschen Handelsunter- sud, der, in Alkohol gelöst, über Monate in Eichenholzfässern reift. dem Tisch überragt. nehmen Dass die Versuche, Markenkraft zu kapern, in der Regel zu »Immergleiche Qualität« heißt übrigens nicht, dass das Rezept seit nationalen Publikum als hipp galt, die Stadt zu kisten und ziehen in weniger angesagte chen morgens um 6.30 Uhr. Gunsten des Originals ausgehen, verdankt Underberg letztlich der 168 Jahren unverändert ist. Im Gegenteil. Bereits mein Urgroßvater erkunden.« Und die Zahlen geben ihm recht: Stadtviertel, doch die können morgen schon © Thinkstock.com Frei nach dem Motto »lieber keinen Underberg als Qualitätskompro- Weitsicht des Gründers. Der ließ sein Markendesign 1851 – noch 26 tüftelte an Verbesserungen, und noch heute liegt uns am Herzen den misse« setzt Underberg die Herstellung während der Weltkriege Jahre vor Gründung des Kaiserlichen Patentamtes im Jahre 1877 – Kräuterbitter fortwährende weiterzuentwickeln. Alle wollen nach Berlin. Die Spreemetropole wieder im Trend liegen. Anna Kozina aus. Als 1949 Emil I die Produktion wieder aufnimmt, gibt es Under- beim Handelsgericht in Krefeld schützen. gehört zu den beliebtesten Städtereisezielen Key account Managerin berg nur noch in der von ihm entwickelten Portionsflasche. Das aber Der Underberg ist ein Klassiker, das macht ihn zeitlos. Er passt zu je- Europas, über elf Millionen Besucher kamen im Ein steter Wandel bestimmt die Stadt, einst wiSaG Facility Management Holding GmbH & Co. KG ist nicht das Einzige, womit dieser Mann Markengeschichte schreibt. RW: Herr Underberg, Sie haben uns gerade fast 170 Jahre faszinieren- dem Lebensstil, an jeden Ort der Welt und ist in über 100 Ländern Den handlichen Underberg lässt er per Luftschiff, Hubschrauber und de Markengeschichte präsentiert – wie ist es gelungen, die Kraft des vertreten. vergangenen Jahr, davon gut vierzig Prozent begehrte Kieze geraten in Vergessenheit, Straßenbahnen bewerben. Über zwanzig Jahre später findet sich der Underbergs über zwei Jahrhundertwenden zu erhalten? Underberg-Zeppelin in einer afrikanischen Briefmarken-Edition zu Unser Produkt ist einmalig, das ist meine wichtigste Botschaft! Trotz RP: Die Unverkennbarkeit der Marke rührt letztlich auch von Ihrem Meilensteinen der Luftfahrtgeschichte wieder. 1957 gelingt Emil I intensiver Suche habe ich nirgendwo auf der Welt etwas Vergleich- konsequentem Widerstand gegen Nachahme her. Wie kam die An- GCM 3 / 2014 GCM 3 / 2014 unter dem Slogan »Täglich Underberg und Du fühlst Dich wohl« eine bares gefunden. Alle anderen Digestiv beinhalten Zucker oder Zu- meldung zum Patent, noch bevor es überhaupt ein Patentamt gab? GCM 3 / 2014 GCM 3 / 2014 4 Kraft des grünen Kräuterwunders 22 Berlin – die Powerstadt german council titelthema power 01 Vorwort 04 Kraft des grünen Kräuterwunders 14 Per Mondscheintarif ins All 22 Berlin – die Powerstadt 29 Power – German Council Congress 2014 Programm und Referentenvorschau 36 Kommentar: Von der Seitenlinie 38 Wohl oder Wehe der Worte 42 »Gott sei Dank ist wieder Montag!« 46 Digitaler Darwinismus 52 Kommenlassen statt hinterherrennen impressum herausgeber chefredaktion auflage druck Namentlich gekennzeichnete erscheinungsdatum German Council of Thorsten Müller 13.000 Kunst- und Werbedruck, Beiträge müssen nicht die dieser ausgabe: Shopping Centers e. V. Bad Oeynhausen Meinung der Redaktion Juli 2014 Bahnhofstraße 29 redaktionsteam Covermotiv widerspiegeln. Die Redaktion D-71638 Ludwigsburg Rahel Willhardt, Digital Vision – Thinkstock.com Das German Council Magazin behält sich die Kürzung das nchste german Telefon 07141.38 80 83 Dr. Ruth Vierbuchen, basiert auf Informationen, eingesandter Manuskripte council magazin Telefax 07141.38 80 84 David Huth, verlag / anzeigen die wir als zuverlässig vor. Erfüllungsort und erscheint im november office@gcsc.de Tobias Appelt, GCM-Verlag c/o ansehen, eine Haftung kann Gerichtsstand ist Hamburg. 2014. www.gcsc.de Kirstin Oeing, Behrens und Behrens GmbH nicht übernommen werden. Nachdruck oder sonstige Christina Kröger Geschäftsführer und Reproduktion (auch verantwortlich i.s.d.p. Verleger: Ingmar Behrens auszugsweise) nur mit Stephan Jung bezug Dorfstraße 64 Genehmigung des Mitgliederzeitschrift für 24107 Kiel-Ottendorf Herausgebers. beauftragter des Mitglieder des GCSC e. V. Telefon 0431.66 111 88 11 herausgebers Telefax: 0431.66 111 88 88 Rüdiger Pleus www.behrensundbehrens.de GCM 3 / 2014
german council . inhalt GERMAN COUNCIL . POwER GERMAN COUNCIL . POwER Kommenlassen statt hinterherrennen Managen ist machtvoll. Doch ohne übertriebenen Machtanspruch kommt man ressourcenschonender zum Erfolg. © mediaphotos / iStock / thinkstockphotos.de Das ist die Devise von Managementcoach Paul Kohtes. Die Wandlung Haben Sie dieses kollektive Miteinander im Sinn, wenn Sie von »ohne des Gründers und langjährigen Geschäftsführers der Kommunikations- Macht zum Erfolg« reden? beratung Kohtes Klewes (heute Ketchum Pleon) begann, als der heute Ich betrachte hier zuerst einmal die persönliche Perspektive, weni- 69-Jährige vor mehr als 30 Jahren die Zen-Meditation entdeckte. ger die Organisationsebene. Das alte System ist beherrscht von dem inneren Gefühl: Ich muss das irgendwie durchsetzen. Wo ich Dinge GERMAN COUNCIL . vOR ORt GERMAN COUNCIL . vOR ORt gnadenlos erzwinge, wandle ich Kraft in Macht um. Wir sind aufge- Herr Kohtes, Sie plädieren für ein nachhaltiges Management, auch rufen, einen spielerischen Umgang mit Macht und Ohnmacht, mit »Management 3.0« genannt. Was hat es damit auf sich? Chaos und Krise zu finden. Das forcierte Tun ist nicht die einzige Traditionelles Management folgt gewöhnlich einem Top-Down-Prin- Form, etwas zu erreichen. Es gibt auch die Perspektive des Kommen- zip: Oben wird beschlossen, was gemacht wird, und »die unten« sol- lassens. Bei der Push-Strategie drücke ich etwas durch, bei dem, was Handel und Immobilienwirtschaft len es dann richten. Das begünstigt die Neigung, Entscheidungen ich Pull-Strategie nenne, kann ich das Schicksalhafte um mich herum durchzudrücken. Hakt es bei der Umsetzung, wird der Druck einfach sehen, den unbeeinflussbaren Teil, der uns umgibt und der die Fä- rücken näher zusammen erhöht. Bis zu einem gewissen Grad und manchmal auch über länge- higkeit erfordert zu erkennen, was auf mich zukommt. Erstes Deutsches Shopping Center Forum in Düsseldorf re Zeiträume kann das durchaus funktionieren, aber zu welchem tanz praktisch aus der Vogelperspektive zu betrachten, ist eine schö- Haben Sie Meditation im Betrieb eingeführt, oder wie hat sich Ihre Füh- Preis? Wir können zunehmend erkennen, dass die Kollateralschäden Allerdings ist es natürlich nicht damit getan, nur darauf zu warten, ne Erfahrung. rung verändert? sehr hoch sind, weil dabei unglaublich viele Menschen, gerade Füh- dass etwas »von selbst« geschieht. Es geht eher darum, eine Balance Als ich vor 30 Jahren mit dem Meditieren begonnen habe, waren die rungskräfte, verbrennen. von Push und Pull zu finden. Im Chinesischen nennt man dieses Prin- Ein Effekt der Selbstdistanz ist das gesteigerte Wahrnehmen, das Spü- Zeichen der Zeit noch gänzlich anders. Meditation wurde eher als eso- zip »Wu Wei«, was übersetzt soviel wie müheloses Tun heißt. Das ren, was jetzt richtig ist, damit ich nicht unnötig Energie verschwende terische Extravaganz betrachtet. Heute hingegen hat sich, nicht zuletzt Die Beziehung zwischen Centerbetreibern und Einzelhandel ist in etwa Ein Shopping-Center ist eben kein Selbstläufer mehr. Der Markt ist Glücklicherweise entwickelt sich im Management jedoch auch eine bedeutet: Wenn wir etwas wollen und die natürlichen Prozesse in und gegen etwas anrenne, das vielleicht unumgänglich ist. Das beinhal- durch die vielen neurowissenschaftlichen Belege über die Wirksamkeit so, wie in einer eingefahrenen Ehe. Man lebt unter einem Dach, aber für Marco Atzberger in eine Reifephase eingetreten. Architektur und Iris Hoffmann Klaus Rethmeier konstruktivere Mentalität. Immer mehr Führungskräfte gehen dazu dieses Wollen einbeziehen, kann eine bessere, ganzheitliche Lösung tet auch einen ökonomischen Aspekt – mein Leben verläuft nicht nur rei- von Meditation, fast schon ein Hype entwickelt. Es ist wie in der Medi- spricht zu wenig miteinander. Die Kooperation zum ersten Deutschen Design werden immer wichtiger, um angesagte Marken als Mieter Shopping Center Forum zwischen dem German Council of Shopping für eine Handelsimmobilie zu gewinnen. Gastronomie wird zum ba- über, die Dinge von unten nach oben in einem integrativen Prozess entstehen, als wenn wir die Dinge quasi gewaltsam durchsetzen. bungsloser, sondern es ist auch weniger Ressourceneinsatz nötig. zin: Wer heilt, hat Recht. Centers (GCSC) und dem EHI Retail Institut will daran etwas ändern. salen Bestandteil einer hohen Aufenthaltsqualität. Die Konkurrenz entstehen zu lassen. Dafür sind in meinen Augen das Internet und So haben die neuen Partner Mitte Mai zum »1. DSCF/ Deutsches Shop- durch den Online-Handel wächst. Die Standortsuche wird schwieri- ping Center Forum« nach Düsseldorf geladen. Dort brachten sie 250 ger, was unter anderem ein Grund ist, warum Revitalisierung beste- die Intelligenz der Crowd die besten Vorbilder. Auch wenn sich hier Ihr eigener Weg des »weniger wollen, mehr erreichen« führt über die Physikalisch heißt weniger Reibung bessere Kraftausnutzung – wie Bei uns im Unternehmen hat sich meine Meditationserfahrung eher Vertreter aus Handel und Immobilienwirtschaft zusammen. hender Center und der Umbau von Fachmärkten zu einem bestim- erst in Ansätzen eine neue Führungskultur zu etablieren beginnt, Meditation. Wieso hilft das Sitzen vor der weißen Wand Managern, zeigt sich das im Berufsleben? subtil gezeigt – und auf eine Weise ausgedrückt, die an die bestehen- menden Thema geworden ist. Der Weg müsse dahin gehen, dass die Center individueller werden, was während des »1. DSCF« gleich meh- vollzieht sich allmählich ein Paradigmenwechsel. Es reicht nicht ihre Kraft besser auszunutzen? Viele der üblichen Leiden von Führungskräften wie Termindruck, Er- de Unternehmenskultur angedockt hat. Wir haben damals beispiels- Der Vorstand des GCSC, Klaus Striebich, sprach bei seiner Begrüßung rere Male betont wurde. mehr, »oben« zu stehen und anzusagen, was »richtig« ist, sondern Der zentrale Schlüssel ist das Erleben einer größeren Selbstdistanz. folgsdruck, Stress mit Kollegen und Mitarbeitern treten in den Hinter- weise unter uns Partnern die Spielregel eingeführt: Du musst dich von der »eierlegenden Wollmilchsau« und meinte damit einen grund- legenden Wandel, der den Einzelhandel erfasst. »Der Kunde ändert Der Mietermix ist eine solche Positionierungschance, wie es das »Biki- es kommt darauf an, sich formal und informal zu vernetzen. Es geht Normalerweise bewegen wir uns gedanklich in einem kleinen Laby- grund. Und die existenzielle Frage, die immer mitschwingt – Führt das überflüssig machen. Das klingt erst einmal schräg, denn die meisten sich dramatisch«, betonte Striebich: »Seine Kommunikation, seine ni Berlin« vorgemacht hat. Das Einkaufszentrum verzichtet auf große darum, wechselseitige Beziehungen aufzubauen. rinth, ohne es zu bemerken. Dieses Labyrinth durch mehr Selbstdis- zum Erfolg? – verliert ihre absolute Dringlichkeit. Gewöhnlich belasten Menschen wollen im Job genau das Gegenteil, nämlich unverzichtbar Wünsche und sein Verhalten.« Eine Gemengelage, auf den die Shop- Filialisten. Stattdessen hat es sich außergewöhnliche Geschäfte, die ping-Center-Betreiber reagieren müssen. Daher sei es gut, wenn Immo- sich auf Mode und Design spezialisiert haben, ins Haus geholt. Das wir uns mit solchen Fragen, auch werden. Aber genau das führt zu bilienwirtschaft und Einzelhandel an einem Strang zögen, wie Marco »Siam Center« in Bangkok ist ein anderes Beispiel, wo neben dem Mie- wenn wir versuchen sie zu verdrän- Stress, weil ich dann immer eine Art Atzberger sagt. Dann sei der Erfolg sicher. Er ist Mitglied der Geschäfts- termix auf eine innovative Mieterkooperation gesetzt wurde. Entstan- gen. Ich selbst habe beispielsweise ›Es geht eher darum, eine Balance von Push Omnipräsenz zeigen muss. Das geht leitung des EHI Retail Institutes in Köln und seine Worte fanden später ihren Widerhall in den Foren und Podiumsdiskussionen. den ist so die center-eigene Marke »Absolut Siam«, wie Klaus Striebich und Frank Pöstges-Pragel, Geschäftsführer der CentrO Management oft erst im Nachhinein erkannt, dass viele dieser Phänomene zwar inter- und Pull zu finden.‹ an die eigene Substanz, aber auch an die des Unternehmens. denn unver- Marco Atzberger Alexander Schulte-Stemmerk essant sind und zum Leben dazuge- Paul Kohtes zichtbare Menschen sind ein Risiko GmbH, ausführten. Damit war laut den beiden Experten klar, dass es Gleiches gilt für das Wissen um den Markt, auf dem sich der Mieter die Produkte nur dort gibt. Ein Alleinstellungsmerkmal. »Sie haben die bewegt. Axel Schukies kann hier aus Erfahrung sprechen: »Oft bin hören – aber sie sind nicht so wich- für jede Firma. Wenn hingegen klar gesamte Shopping-Center-Branche in Asien in Bewegung gebracht«, ich verwundert, dass man uns nicht einmal kennt«, sagt der Deutsch- tig, wie wir sie oft machen. ist, dass der Laden auch wunderbar lobt Pöstges-Pragel den Ansatz. landchef der niederländischen Modemarke G-Star. Dass das Wissen über den potentiellen Mieter ein elementarer Faktor für den Erfolg ohne mich läuft, kommt eine spielerische Leichtigkeit in den Arbeits- So ein großer Wurf muss es aber gar nicht sein, um dem Einzelhandel ist, belegt Gernot Falk. Der Manager ist bei der Schuhkette Deich- Und wie war das damals bei Ihnen im Agenturgeschäft? Wie hat sich prozess – und aus dieser Freiheit kann sich eine sehr konstruktive Ei- eine attraktive Fläche zur Verfügung zu stellen. Das Konzept muss zu- mann für die internationale Expansion verantwortlich. Im engli- nächst zuverlässig sein, sagt beispielsweise Martin Kanngiesser, schen Einkaufszentrum Westfield brachte der Betreiber die Filiale Ihre Meditationspraxis bemerkbar gemacht? gendynamik entwickeln. Deutschlandchef des polnischen Modefilialisten Reserved. Er will wis- gegen den Willen von Deichmann im Untergeschoss unter. Woge- Ich habe vieles nicht mehr so verbissen gesehen. Das kann andere Men- sen, wofür ein Center steht. Das Unternehmen eröffnet 2014 die ersten gen sich das Unternehmen erst wehrte, erwies sich als Glücksgriff: Geschäfte in Deutschland und will weiter expandieren. »Das Westfield ist unser bester Store in England mit sagenhaften schen leicht irritieren. Auf Kollegen und Kunden hat meine Gelassenheit bis- Mit Blick auf über 30 Jahre Praxis als Managementtrainer – was fällt © rudiuk – Fotolia.com Frequenzen. Die Vermieter konnten unsere Marke besser einschät- weilen so gewirkt, als würde ich ihre Anliegen nicht mehr ernst nehmen. Führungskräften beim Meditieren besonders schwer? © Fyle – Fotolia.com Allerdings hätten es neue Player nicht leicht, erklärt Oliver Bernhar- zen als wir«, so Falk. Um gute Frequenzen zu erzielen und damit di, da sie schwer Fuß fassen können in den bestehenden Strukturen. Umsatz zu generieren, sei es wichtig, dass es im Center einen Grund Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Je entspannter ich bin, umso mehr Zu schweigen, ist die größte Herausforderung. Aber nur in den ers- »Die Branche verbaut sich gerade Chancen mit ihren Zehn-Jahres- gibt, warum die Kunden dort hingehen. Ein solcher Grund kann die Kraft steht mir für das, was gerade getan werden muss, zur Verfügung. Zu ten zwei Tagen. Dann entwickeln die meisten Menschen eine Wahr- Mietverträgen«, sagt der Leiter Internationale Standorte und Pro- Gastronomie sein. »Wir wollen vom Kunden nicht vorrangig sein jektentwicklung bei der Görtz Retail GmbH. Er wünscht sich ein Kun- Geld, sondern seine Zeit«, sagte Klaus Rethmeier von der ECE. Des- viel Anstrengung schafft eher einen inneren Engpass und hemmt uns. Dann nehmung dafür, wie schön es doch ist, mal nicht sprechen zu müs- den- und nicht Investoren-getriebenes Handeln – sei es bei Neben- wegen plant die ECE, mehr Gastronomie in ihren Centern anzusie- sind wir nicht mehr wirklich offen für das, was um uns herum geschieht. sen! Auch das Nichtstun ist für viele beunruhigend. Einfach nur da- kostenabrechnungen oder bei der Umsatzmiete, wie Oliver Bernhar- deln. Der einstige »Störenfried« wird von den Kunden angenommen di ergänzt. Bei Neubauten sei man nicht mehr bereit, die Anfangs- und zu einer Erfolgskomponente. Und auch hier geht der Trend zu verluste zu tragen, sagt Oliver Bernhardi. Die Center-Branche müsse individuellen Konzepten wie bei Food Courts zu beobachten sei. GCM 3 / 2014 GCM 3 / 2014 sich bewegen und mehr Gesprächsbereitschaft zeigen. Es gehe um Aber vor allem die »Königsdisziplin« der Streugastronomie gewinne GCSC Thinktank Podium die Interessen der Mieter. an Bedeutung. GCM 3 / 2014 GCM 3 / 2014 52 Kommenlassen statt hinterherrennen 66 Handel und Immobilienwirtschaft rücken näher zusammen insight marktplatz – advertorial 56 GCSC stellt sich vor 84 Agentur Randolph Hopp 58 Mit Werten und Innovationen die Zukunft gestalten 85 Fashion Time International 60 Kommunikation 2020 86 SES Spar European Shopping Centers 62 Termine 2014 87 MK Illumination Handels GmbH vor ort gcsc mitglieder 64 Neue Mitte Düsseldorf – Eine Stadt in Bewegung 88 Mitgliederverzeichnis 66 Handel und Immobilienwirtschaft rücken näher zusammen 92 Neue Mitglieder im GCSC 93 Aufnahmeantrag foren 74 51 Millionen Euro pro Center in die Digitalisierung investieren ...?! german council magazin intern 95 »Wachstum ist die Folge von Veränderung, nicht die Ursache dafür.« die shopping-center-welt in zahlen 78 Die Shopping-Center-Welt in Zahlen center 80 Centermanagement mit Nachhaltigkeitskonzept recht und gesetz 82 Online-Handel vs. stationärer Einzelhandel GCM 3 / 2014
GERMAN COUNCIL . Power Kraft des grünen Kräuterwunders Weil Underberg seit 168 Jahren darauf beharrt, von immer gleicher Qualität (semper idem) zu sein, ist die Marke stark. Ein Markenerlebnis mit Geschäftsführer und Urenkel Emil Underberg über die Kraft von Tradition, Klarheit und kommunikativer Zurückhaltung. 1.7.2014 im Underberg Stammsitz in Rheinberg. Umgeben von Eichen- der erfolgreichsten Werbeaktionen aller Zeiten. Ein Jahr später möbeln und schwerer Kunst sitzt uns der 73-jährige Unternehmer im stürmt der River Kwai March – Colonel Bogey den Gipfel der deut- grünen Jackett gegenüber. Wie bei seiner Marke scheint auch seine Vi- schen Charts, aber damals ahnt noch keiner im Unternehmen, dass talität nicht unter der Zeit zu leiden. »Viele Ihrer Fragen werden sich diese Melodie gut achtzehn Jahre später mit »Komm doch mit auf mit dem Film erledigen«, schickt Emil Underberg unserem Gespräch den Underberg!« zum meist gepfiffenen Ohrwurm im Dienst der vorweg. Dann tauchen wir in die bildbegleitete Erzählung ein, wie Ur- Marke avanciert. großvater Hubert Underberg das alkoholische Kräuterwunder entwi- ckelte und die Marke zu dem wurde, was sie heute ist. Über all die Zeit blieb die Mixtur des Magenbitters streng gehütetes Familiengeheimnis. Neben Emil II kennen nur seine Frau Christiane, Tochter Hubertine sowie drei Geistliche die mündlich überlieferte Alles beginnt am Hochzeitstag, dem 17. Juni 1846. Hubert ehelichte Rezeptur. Einmal im Monat treffen sich alle Geheimnisträger im an diesem Tag seine Katharina, und gemeinsam gründeten sie das Stammhaus Rheinberg, um den legendären Kräutersud anzusetzen. nach ihren Nachnamen benannte Bis zu neun Monate reift er an- Unternehmen H. Underberg-Albrecht schließend in 24.000-Liter-Eichen- in Rheinberg. Mittlerweile wird das ›Unser Ziel ist es, die Besten zu sein. holzfässern in Kellergewölben des Familienerbe in 5. Generation von Emils Tochter Dr. Hubertine Under- Deshalb stellen wir das Produkt immer Stammhauses. Bis heute ist Under- berg eine ausschließlich in 20-ml- berg-Ruder geführt. Damit ist sie wieder aufs Neue so gut her wie kein Zweiter.‹ Fläschchen vertriebene Monomar- die erste weibliche Thronfolgerin ke. Zwei Ausnahmen gibt es aller- nach Hubert I, Hubert II, Emil I und Emil Underberg dings: Seit 2013 ist die Verdauungs- Emil II. hilfe auch in zuckerloser und alko- holfreier Bonbonform in der Apotheke erhältlich. Und in Brasilien Schon zu Kaisers Zeiten war der Verdauungsschnaps ein Erfolg. Ge- gibt es den Brasilberg in 0,92-l-Flaschen. Den dort als Longdrink ge- trieben von dem eisernen Willen zu »semper idem« – fortwährend handelten Kräuterbitter verdankt der südamerikanische Staat Dr. gleiche Qualität – zieht der Firmengründer eine hochprofessionelle Paul Underberg, dem 1932 ausgewanderten Sohn von Hubert II. Schnapsherstellung samt Vertrieb hoch. Geadelt durch die Ernen- nung zu kaiserlichem und königlichem Hoflieferanten wird sein Kräuterbitter bereits früh in Nachbarländer exportiert. Die internati- onalen Kontakte knüpft der reisefreudige Unternehmer vor allem auf den Weltausstellungen, die die Firma von Anbeginn 1851 be- sucht. Einer Zufallsbegegnung mit Glasbläsern von Murano ist es zu verdanken, dass bei der Ausstellung 1867 in Paris das stilechte Un- derberg Glas entsteht. Es sticht im wahrsten Sinne hervor, lässt Hu- bert es doch bewusst so anfertigen, dass es alle anderen Gläser auf dem Tisch überragt. Frei nach dem Motto »lieber keinen Underberg als Qualitätskompro- misse« setzt Underberg die Herstellung während der Weltkriege aus. Als 1949 Emil I die Produktion wieder aufnimmt, gibt es Under- berg nur noch in der von ihm entwickelten Portionsflasche. Das aber ist nicht das Einzige, womit dieser Mann Markengeschichte schreibt. Den handlichen Underberg lässt er per Luftschiff, Hubschrauber und Straßenbahnen bewerben. Über zwanzig Jahre später findet sich der Underberg-Zeppelin in einer afrikanischen Briefmarken-Edition zu Meilensteinen der Luftfahrtgeschichte wieder. 1957 gelingt Emil I unter dem Slogan »Täglich Underberg und Du fühlst Dich wohl« eine GCM 3 / 2014
german council . Power © Armin Fischer Die Schattenseiten des Kräuterwunders sind unzählige Nachahmer, ckercoleur. Wir folgen dem Underberg-Reinheitsgebot und nehmen die von Anbeginn das in Packpapier gewickelte Fläschchen nebst In- Kräuter aus 43 Ländern, Wasser und hochwertigsten Alkohol – sonst halt begleiten. Akten von mehr als 1.200 Markenrechts-Verfahren la- nichts. gern mittlerweile im Familienarchiv. Die Historie reicht von plumpen Namensvarianten über ungefragtes Markenstretching, z.B. Under- Unser Ziel ist es, die Besten zu sein. Deshalb stellen wir das Produkt berg-Hemden, bis zu mit Grüntönung, Flaschenform oder Packpapier immer wieder aufs Neue so gut her wie kein Zweiter. »Semper idem« geschaffenen Markenassoziationen. Unter den geschlichteten Strei- – die immergleiche Qualität. Wie beim Tee brauen wir einen Kräuter- tigkeiten finden sich auch solche mit großen deutschen Handelsun- sud, der, in Alkohol gelöst, über Monate in Eichenholzfässern reift. ternehmen. Dass die Versuche, Markenkraft zu kapern, in der Regel »Immergleiche Qualität« heißt übrigens nicht, dass das Rezept seit zugunsten des Originals ausgehen, verdankt Underberg letztlich der 168 Jahren unverändert ist. Im Gegenteil. Bereits mein Urgroßvater Weitsicht des Gründers. Der ließ sein Markendesign 1851 – noch 26 tüftelte an Verbesserungen, und noch heute liegt uns am Herzen, Jahre vor Gründung des Kaiserlichen Patentamtes im Jahre 1877 – den Kräuterbitter fortwährend weiterzuentwickeln. beim Handelsgericht in Krefeld schützen. Der Underberg ist ein Klassiker, das macht ihn zeitlos. Er passt zu je- RW: Herr Underberg, Sie haben uns gerade fast 170 Jahre faszinieren- dem Lebensstil, an jeden Ort der Welt und ist in mehr als 100 Län- de Markengeschichte präsentiert – wie ist es gelungen, die Kraft des dern vertreten. Underbergs über zwei Jahrhundertwenden zu erhalten? Unser Produkt ist einmalig, das ist meine wichtigste Botschaft! Trotz RP: Die Unverkennbarkeit der Marke rührt letztlich auch von Ihrem intensiver Suche habe ich nirgendwo auf der Welt etwas Vergleich- konsequentem Widerstand gegen Nachahme her. Wie kam die An- bares gefunden. Alle anderen Digestive beinhalten Zucker oder Zu- meldung zum Patent, noch bevor es überhaupt ein Patentamt gab? GCM 3 / 2014
GERMAN COUNCIL . Power Mein Urgroßvater war Unternehmer und überzeugt davon, dass sein Nach dem Krieg waren die Menschen arm, aber die Portionsflasche Produkt ein Erfolg wird. konnte man sich leisten. Eigentlich war es die Einführung der ver- brauchsgerechten Verpackung, die mein Vater ersonnen hatte. Der RW: Heute ist die 20-ml-Portionsflasche in Packpapier unverkennba- Erfolg gab seiner Entscheidung recht. Zwar boykottierten die Gastro- res Markenkennzeichen. Doch man wird das Gefühl nicht los, dass nomen zunächst die Umstellung von Groß auf Klein. Doch eine Gut- Ihre Vorfahren mehr der Wunsch nach zuverlässiger Qualität als nach scheinaktion an 6 Millionen Haushalte kurbelte die Nachfrage an. Es Branding trieb – wir reden über Zeiten, in denen gebrauter Fusel und dauerte keine 1,5 Jahre, dann war die Sache ausgestanden. Panschen eher Regel als Ausnahme war. Ja, das ist richtig. Alles, was irgendwie zur Sicherheit beitragen konn- RW: Sie selbst schrieben unter anderem mit dem »Komm doch mit te, wurde genutzt. Die Konsumenten sollten das Gefühl haben: Ich auf den Underberg« Markengeschichte. Wie kam es dazu? Und hat bekomme etwas ganz Sauberes, auf das ich mich verlassen kann. der werbliche Tabu-Bruch, mit dem bitteren Geschmack Negativseiten Nehmen Sie das Strohpapier als Beispiel. Alle Händler früher wickel- anzusprechen, der Marke geschadet? ten Alkoholika darin ein. Die Entscheidung, ihnen diese Arbeit abzu- Diesen Aspekt kenne ich nicht! Ich habe mich nie davon leiten las- nehmen, hatte mehrere Gründe. Es war hygienisch, mit dem Aufbrin- sen, was die vielen Experten zu unserem Vorgehen sagen. Ich habe gen der Vignette war es ein weiterer Schutz vor Manipulation, und immer eine eigene Meinung und lasse meine Entscheidungen durch Gastronomen fanden die Flaschen schneller im Regal. Marktstudien überprüfen. RW: Ihr Vater gilt als ein Pionier deutschen Marketings, weil er vehe- Der Colonel Bogey March war ein Vorschlag der Agentur. Als er sich ment verteidigte, was heute Markenkern genannt wird. Wie lautet der? zum Ohrwurm entwickelte, wussten meine Frau und ich, dass wir Ich persönlich glaube nicht an einen einzigen Markenkern. Mein Va- richtig lagen, und haben die Liedrechte erworben. ter hat erkannt, wie wichtig eine einmalige Verpackung ist, und sich darauf konzentriert, sie herzustellen. Ich habe ihn unvorstellbar ge- RP: Der auch beim German Council Congress auftretende voXXclub in- schätzt, er war ein Genie! Trotz seiner körperlichen Schwäche (er war terpretiert den Werbeklassiker erfrischend neu. Wie sind Sie auf die kleinwüchsig) war seine Ausstrahlung stark. Keine zehn Minuten mit unkonventionellen »Volksmusiker« mit ihrem anarchistischen A-cap- ihm in einem Raum, und Sie hätten es bemerkt. pella-Stil gekommen? Ich habe das Video der jungen Band im Internet gesehen und war so- RP: Der eigentliche Siegeszug begann, als Ihr Vater nach dem Krieg fort begeistert. Deshalb bat ich die Musiker, die Underberg-Melodie auf die 20-ml-Portionsflasche umstieg. Eine mutige Entscheidung. in ihrem Stil zu interpretieren. Im November traten sie mit dem Lied Woher kam die Kraft, sie durchzuhalten? im Hamburger Hard Rock Café auf, wo wir die Sieger unseres Musik- GCM 3 / 2014
GERMAN COUNCIL . Power © Armin Fischer © Armin Fischer contests gekürt haben. Das passte insofern gut, weil dort die origi- dingt die Lieferungen der Kräuter aus Rheinberg ausblieben, entwi- nellste Interpretation des Colonel Bogey March prämiert wurde. Al- ckelte er in seiner Produktion eine Kräuterspirituose nach eigener lerdings verlangten unsere Wettbewerbsbedingungen, dass es sich Rezeptur, in die auch Amazonaskräuter einflossen. Diese Geschichte um Laienmusiker handeln muss, deshalb trat voXXclub außer Kon- kann man auf dem rückwärtigen Etikett jeder Flasche nachlesen. kurrenz auf. In Brasilien sind die Konsumgewohnheiten andere. Dort wird unser RP: Sie halten weitgehend an der Monomarkenstrategie fest. Aber in Produkt wie ein Longdrink mit Tonic verlängert. Ob er wie der Un- Brasilien heißt Underberg Brasilberg und wird in 920-ml-Flasche ver- derberg auch eine medizinische Wirkung hat, darüber wissen wir kauft. Wollen Sie uns hierzu Hintergründe erläutern? noch zu wenig. Im Zuge der Fußballweltmeisterschaft haben wir die Der Brasilberg ist ein eigenes Produkt. Mein Onkel Dr. Paul Under- Marke Brasilberg nach Deutschland, Dänemark und Österreich ge- berg gründete zunächst eine Produktionsfirma in Rio. Als kriegsbe- holt, weitere Länder sollen folgen. Im Gegenzug gibt es unter dem Namen »Underberg Original da Alemanha« auch die kleine Flasche in Brasilien, die erstaunlich gut ankommt. RP: Haben Sie keine Angst, dass Ihnen der Longdrink die Marke ver- wässert? Doch – aber würden sich die Produkte kannibalisieren, hätten wir es nicht gemacht. RW: Der Underberg ist so etwas wie das Hustenbonbon unter den Spiri- tuosen. Er ist Alkohol, aber gesund. Gibt es Nachfrageschwankungen? Weihnachten oder die Winterzeit ist der höchste Peak, aber auch Os- tern oder die Grillzeit sind gute Verkaufszeiten. RP: Was sind Ihre stärksten Absatzkanäle? Das sind der Lebensmittelhandel und die Gastronomie im In- und Ausland. Deutschland ist mit 23,7 % Marktanteil bei Kräuterdigesti- ven unser wichtigster Markt. Sehr erfreulich entwickelt sich China – seit mehr als 30 Jahren sind wir am Markt, seit fünf Jahren mit eige- nem Büro vor Ort, und dieses Jahr werden wir schwarze Zahlen schreiben. RW: Jägermeister entwickelte sich zum Clubbing-Getränk. Ist es auch Zeit für Underberg, sich zu verjüngen? Wir möchten nicht mit der Marke verglichen werden. Unser Weg war immer ein eigener. Die jungen Menschen möchten wir gar nicht an- sprechen. Das ist ebenso eine Frage von Ethik wie die Entscheidung GCM 3 / 2014
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GERMAN COUNCIL . Power © Armin Fischer © Armin Fischer für die Fläschchen statt der Pulle, um nicht unmäßigen Alkoholkon- gen zu lassen. Um den passenden Wimpel herstellen zu können, las- sum zu schüren. Uns interessieren die Menschen ab 30 und beson- se ich mir von ihnen erzählen, wer sie sind, wie alt und das eine oder ders die zwischen 41 und 50 Jahren. andere mehr. RW: Welche Wege schlagen Sie dann ein, damit Underberg auch in RW: Ihr Marketing scheint im Kern zu verstärken, was Kunden ohne- diesem Jahrhundert attraktiv bleibt? hin schon mit der Marke tun. Mit unser wichtigstes Kapital ist die Kommunikation mit unseren Kun- Ja, genau! Eine weitere wichtige Personengruppe sind Gastronomen den. 2001 haben wir ein Kundenbindungsprogramm aufgelegt, um das oder auch Prominente, die sich auf besondere Art mit der Marke identi- sich allein 17 meiner Mitarbeiter kümmern. In jeder Packung liegt ein fizieren. Sieben von ihnen haben wir bereits zu Markenbotschaftern er- Einleger, der erklärt, welche Treueprämie man für wie viel Kapseln (= nannt. Für Österreich ist es die Schauspielerin Eva Maria Marold. In ei- Verschlüsse) bekommen kann. Für 96 nem Interview erzählte sie, kein Kapseln erhalten Sie z.B. ein Under- Lampenfieber zu haben, da sie vor berg Stilglas. Im Test waren es 24 ›Mit unser wichtigstes Kapital ist die Auftritten einen Underberg trinkt. Treuepunkte, die 24 Kapseln entspra- chen, doch die Aktion war so unglaub- Kommunikation mit unseren Kunden.‹ Als wir davon erfuhren, luden wir sie ein. Und die schwedische Heavy Me- lich erfolgreich, dass ich die Anzahl Emil Underberg tal Band Amon Amarth kam auf uns hochgesetzt und den Sammelzeit- zu. Alle Sechs sind bekennende Un- raum auf 2018 verlängert habe. Meine Marketingleute warnten, dass derberg-Fans und wollten vor ihrem Konzert in Oberhausen gern unsern ich die Aktion damit kaputt mache – aber das Gegenteil ist der Fall. Je- Stammsitz besuchen. Auch sie ernannten wir zu Botschaftern ihres Lan- den Monat bekommen wir etwa 1 Millionen Kapseln geschickt. des. Weitere Markenrepräsentanten sind Gregory Epp für den US-Bun- Der nächste wichtige Schritt: Jeder Prämienträger bekommt einen von mir persönlich unterzeichneten Brief, mit Danksagung und Neu- igkeiten. So schaffe ich persönliche Beziehung. Menschen sind stolz, wenn ihnen Herr Underberg schreibt und 50 % zeigen den Brief wei- ter – das ergab unsere große Marktforschung 2012, bei der wir 60 % Rücklauf verzeichnet haben. Obwohl die Aktion in nur 24 Ländern läuft, bekommen wir Einsen- dungen aus 66 Ländern. Mittlerweile kann man Kapseln über Ebay ersteigern, und wir wissen von mehr als 3.000 Sammelgemein- schaften. An alle habe ich einen Brief geschrieben und meine Be- reitschaft erklärt, Ihnen einen individuellen Tischwimpel anferti- GCM 3 / 2014
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GERMAN COUNCIL . Power Das Stammhaus der Familie Underberg Blick in den Ovalfasskeller desstaat Kansas, Dr. Günther Ermert für Kanada, der finnische St. Claus Timo Alarik Pakkanen für Finnland, der Gastronom Rolf Schönberger für das Bergische Land sowie die Indie Rock-Band Jupiter Jones für die Eifel. RP: Die digitale Revolution verändert die Kommunikation. Schlagen Sie auch diese Wege ein? Wir kommunizieren intensiv über interaktive Kanäle. Auch ohne gro- ßes Dazutun löst das Produkt enorme Kommunikation aus. Men- schen schicken uns einfach so Fotos, z. B. an welchen Orten sie Un- © Armin Fischer derberg konsumieren oder was sie aus Flaschen gebastelt haben. Da- für bedanken wir uns und fragen, ob wir sie auf Facebook veröffent- lichen dürfen. Und viele unserer echten Fans finden wir überhaupt erst dank Internet und Social Media. Ich habe all meinen Kindern immer gesagt: Nachfolger wird derjeni- RW: Als Ihre Nachfolgerin wählten Sie Ihre älteste Tochter Hubertine ge, den ich für den Fähigsten halte. Ist keiner von euch geeignet, be- Underberg-Ruder, nicht Ihren stammesältesten Sohn – sind Frauen stimme ich einen Externen. Denn ich werde es nicht zulassen, dass wegen ihrer Kommunikationsstärke im mutlimedialen Zeitalter die jemand die Geschäftsführung übernimmt, der das Unternehmen geeigneteren Führungskräfte, oder wieso diese Entscheidung? nicht erfolgreich führt. Dazu braucht es einen erstklassigen Charak- ter, Zuverlässigkeit, Loyalität und unternehmerischen Instinkt. Dass eine Nachfolge schwierig ist, konnten wir in der letzten Generation Schon gehört? sehen: Mein Vater war das elfte von zwölf Kindern! Im März wurden im Schweinfurter Wild- park drei Beos gestohlen, die die Under- berg-Melodie pfeifen konnten. Als das Un- Ein Gespräch mit ternehmen Underberg das las, wurde eine Emil Underberg 2.000-Euro-Schnabelprämie ausgesetzt. Leider erfolglos. Dank der Spende kön- Das Interview führten nen neue Vögel angeschafft und das Ge- Rahel Willhardt, hege diebstahlgesichert werden. Der Tier- freie Journalistin wärter versprach, den Vögeln wieder den & River Kwai March beizubringen. Rüdiger Pleus, -Beauftragter des Vorstands GCM 3 / 2014
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GERMAN COUNCIL . Power Per Mondscheintarif ins All Mit kraftvollen Ideen kann man sehr weit kommen. Bis zum Mond, um genau zu sein. Ein Interview mit den visionären Hobbywissenschaftlern Robert Böhme und Teamkollege Mario R. Kulczynski. Der kleine Häwelmann flog mit Kinderbett und Windkraft zum Mond. Kulczynski: Ich habe 2009 in der Financial Times Deutschland von dem Ganz so schlicht ist die Idee der Part-Time-Scienctists nicht. Aber ein- Projekt gelesen. Ursprünglich war es als Open Source Entwickung ge- fach genug, um bei den von Google ausgerufenen Mondfahrtwettbewerb startet. Da ich mit einem eigenen Projekt nicht weiter kam, habe ich für Nicht-Wissenschaftler zu den Top-Favoriten zu zählen. Initiator Ro- angeboten, bei der Realisierung mitzuhelfen. Mich reizt prinzipiell bert Böhme und Teamkollege Mario R. Kulczynski über die Kraft Ihrer eine Herausforderung, die auf den ersten Blick eigentlich unmöglich visionären Idee erscheint, und das galt damals auch für den GLXP. Können Sie Ihre Projektideen skizzieren? Wie sind Sie auf die Idee gekommen an dem weltweiten Google Lunar Böhme: Wir wollen so kostengünstig und schnell wie möglich einen XPRIZE (GLXP) teilzunehmen? Rover auf den Mond schicken, um zu beweisen, dass Missionen ins All Böhme: Ich bin erst sehr spät, durch den Hinweis eines guten Schul- nicht immer aufwendig und teuer sein müssen. Ziel unserer Mission freundes, auf den Google Lunar XPRIZE aufmerksam geworden. Zu ist, mehr Informationen über die Ressourcen des Mondes zu sammeln, dieser Zeit lief gerade die »Registration Deadline« aus. So blieben mir neue Technologien im Weltall zu erproben sowie den Grundstein da- kaum drei Tage, zu entscheiden, ob ich mich mit einem Team für die- für zu legen, dass in Zukunft auch weniger kostspielige Raumfahrtmis- ses schier unmögliche Unterfangen bewerben möchte. Was mich zu sionen folgen können. diesem Schritt bewog, sind die vielen unbeantworteten Fragen der privaten Raumfahrt, auf die ich Antworten finden will. Allen voran die Kulczynski: In kurzen Worten zusammengefasst besteht unsere Mission Frage: »Warum ist so viel Technologie bereits zum Startpunkt einer darin, unseren Lander mit dem Rover in eine handelsübliche Rakete, Mission schon wieder so veraltet?« wie sie zum Beispiel für den Satellitentransport verwendet wird, zu pa- GCM 3 / 2014
GERMAN COUNCIL . Power cken und in den Low Earth Orbit (LEO) zu schießen. Von dort fliegt unser nen Jahren ging es hier leider immer langsamer voran, nicht zuletzt Lander dann mit seinen Triebwerken weiter in den Mondorbit und auch wegen Problemen wie gestrichenen Budgets für Mars- und bremst zur kontrollierten Landung soweit ab, das er in der Nähe der Mondmissionen. Deshalb treibt uns unsere Begeisterung umso mehr Apollo 17 aufsetzt. Nachdem unser Rover die vom GLXP geforderten 500 an, neue und günstigere Raumfahrtwege zu finden, um der Mensch- Meter gefahren ist, HD Videos und weitere Daten zur Erde gesendet und heit dauerhaft mehr als nur einen Schritt ins All zu sichern. sich damit für das Preisgeld von bis zu 20 Millionen US-Dollar qualifiziert hat, wird er weitere Erkundungen auf dem Mond vornehmen. Kulczynski: Das Unmögliche möglich zu machen, ist für mich die größ- te Herausforderung. Wenn ich vergleiche, wo wir vor fünf Jahren be- Das Equipment für ein mondtaugliches Fahrzeug findet man vermut- gannen und wo wir heute als eines der Top 5 Teams stehen, dann will lich nicht im handelsüblichen Baumarkt. man auch weitermachen und den Rover auf den Mond schicken. Kulczynski: Wir entwickeln unser Equipment weitestgehend selbst. Eini- ge sicherheitskritische Komponenten, wie zum Beispiel Triebwerke, Ven- Gab es Widerstände oder Menschen, die Ihnen abgeraten haben? tile oder Tanks kaufen wir aus der Raumfahrtindustrie hinzu. Dies sind Böhme: Natürlich gibt es immer Gegenstimmen. Die Meisten bemühen auch gleichzeitig die größten Kostentreiber. Alle weiteren Komponenten das alte Argument: »Sollten wir nicht erst einmal die Probleme hier auf beziehen wir aus der Fertigungsin- der Erde lösen, bevor wir uns dem All dustrie. Sie werden nach unseren ›Sollten wir nicht erst einmal die Probleme zu wenden?« Dabei vergessen genau Vorgaben hergestellt oder kommen von der Stange, sofern sie unseren hier auf der Erde lösen, bevor wir uns dem diese Leute, das Errungenschaften der Raumfahrt wie GPS-Kommunikation Anforderungen genügen. Besonders All zu wenden?‹ und Navigation viele der dringends- das wird von den beteiligten Firmen ten Probleme dieser Welt, etwa in Re- mit Interesse verfolgt und durch Robert Böhme gionen wie Afrika, gelöst haben. Sponsoring unterstützt. Der Zusam- menbau findet dann zum Beispiel an der Technischen Universität Ham- Kulczynski: Es gab sicherlich einige Personen, die mich nach dem Pro- burg-Harburg oder bei unserem Partner statt, dem Deutschen Zentrum jekteinstieg für verrückt erklärt haben. Es gab aber bestimmt genauso für Luft- und Raumfahrt (DLR). Langfristig ist unser Ziel, eine eigene viele, die meinten, das sei genau die richtige Herausforderung für Infrastruktur aufzubauen. mich. Als ich bei PTS anfing, lagen die Chancen, dass wir es schaffen bei ca 0,7 %. Heute bin ich mir sicher, dass wir es schaffen. Unser Pro- Welche Kraft treibt Sie bei der Umsetzung an? jekt ist nichts für Menschen, die Karriere machen oder einen geregel- Böhme: Alle Mitglieder unseres Teams teilen eine große Begeisterung ten Arbeitstag haben wollen. Es gehört viel Enthusiasmus und Leiden- für die Raumfahrt und die Erforschung des Weltalls. In den vergange- schaft dazu, dieses abwegige Vorhaben zu realisieren. GCM 3 / 2014
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