VIELFALT. GRENZEN. MÖGLICHKEITEN - DAS PRINZIP BERGWACHT

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VIELFALT. GRENZEN. MÖGLICHKEITEN - DAS PRINZIP BERGWACHT
DAS PRINZIP
          BERGWACHT

MAGAZIN

                              VIELFALT.
                             GRENZEN.
                        MÖGLICHKEITEN.
VIELFALT. GRENZEN. MÖGLICHKEITEN - DAS PRINZIP BERGWACHT
VIELFALT. GRENZEN. MÖGLICHKEITEN.

                                            iebe Mitglieder und Freunde der Bergwacht Bayern,

                                            unsere Gesellschaft sieht sich mit einer Krise nach der anderen konfrontiert.
                                            Die Covid-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die steigenden Energiekosten
                                            und übergeordnet der Klimawandel – all diese Probleme beschäftigen und
                                            belasten die Menschen. Da ist es nur zu gut nachvollziehbar, dass die Berge

zeitlos      rein
                                            und die Bewegung im Freien eine hohe Anziehungskraft ausstrahlen und
                                            viele Bergsportlerinnen und Bergsportler ihre Akkus in der Natur wieder
                                            aufladen möchten.
                                            Der hohe Freizeitwert unserer bayerischen Bergwelt, gepaart mit einem           Thomas Lobensteiner, Landesvorsitzender
                                            unvergleichlich hohen Nutzungsdruck, stellen uns als Bergwacht vor neue
          Adelholzener Mineralwasser.       Herausforderungen.
           Die reine Kraft der Alpen.       Das ehrenamtliche Engagement unserer 3.761 Bergwachtfrauen und
                                            -männer wird mehr denn je gefordert.
                                            Auf den kommenden 60 Seiten zeigen wir Ihnen diese Herausforderungen
                                            im Hinblick auf unsere drei Schwerpunkte: Vielfalt, Grenzen, Möglichkeiten.

                                            Mit dem Begriff Vielfalt beleuchten wir die Vielfalt der Menschen, die sich
                                            dem Ehrenamt verschrieben haben, sowie die Vielfalt der Einsätze in der
                                            Bergwacht Bayern. Wir freuen uns, dass uns unterschiedliche Akteurinnen
                                            und Akteure in der Bergrettung in Interviews an ihren Rollen und Aufgaben
                                            teilhaben lassen. In unserer Porträtserie stellen wir speziell Bergwachtfrau-
                                            en in das Rampenlicht – denn was mittlerweile in der Gesellschaft alltäglich
                                            erscheint, ist bei der Bergwacht noch lange nicht selbstverständlich.
                                            Ebenso vielfältig wie unsere Rettungskräfte sind auch die Einsatzlagen sowie    Jürgen Bummer, stellv. Vorsitzender
                                            die zukünftigen Aufgaben, denen sich die Bergwacht im Katastrophenschutz
                                            stellen muss.

                                            Mit Grenzen müssen wir uns in unserer täglichen Rettungsarbeit immer wie-
                                            der auseinandersetzen. Wir können mit unserer Leistung Grenzen verschie-
                                            ben und alles Menschenmögliche tun, doch auch wir haben nicht alles in der
                                            Hand und müssen manchmal der bitteren Wahrheit ins Auge sehen. Dies hat
                                            uns im vergangenen Oktober die dramatische Vermisstensuche am Hochkal-
                                            ter in den Berchtesgadener Alpen verdeutlicht.
                                            Immer wieder eine Grenzerfahrung ist der Unfalltod am Berg, der nicht
                                            immer durch einen Absturz hervorgerufen sein muss, wie ihn die Medien
                                            gerne zeigen, sondern auch beispielsweise die Folge einer internistischen
                                            Erkrankung sein kann, was selbstverständlich für Begleiter, Angehörige und
                                            letzten Endes für unsere RetterInnen nicht weniger tragisch ist.
                                                                                                                            Jan Ulbrich, stellv. Vorsitzender
                                            Nahezu täglich entwickeln wir Technik und Material im Kontext Bergrettung
                                            weiter. Hier im Bergwacht Magazin nehmen wir Sie mit zu den neuesten Ent-
                                            wicklungen in der Luftrettung, in der Seiltechnik und im Ausbildungsstan-
                                            dard und zeigen unsere Möglichkeiten auf.

                                            Auch Sie haben die Möglichkeit, ein Teil der Bergwacht Bayern zu werden
                                            und uns dadurch in unserer täglichen Rettungsarbeit zu unterstützen.
                                            Mit Ihrer Spende helfen Sie uns, weiterhin Verantwortung zu übernehmen
                                            und mit unseren Mitteln und Fähigkeiten in Not Geratene zu retten.

                                            Herzlichen Dank an alle Aktiven und Förderer für Ihren Einsatz für die
                                            Bergwacht Bayern.

                                            Ihr Thomas Lobensteiner
                                            im Namen der gesamten Landesleitung der Bergwacht Bayern                        Klaus Schädler, Geschäftsführer

                                                                                                                                                 EDITORIAL            5
VIELFALT. GRENZEN. MÖGLICHKEITEN - DAS PRINZIP BERGWACHT
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                                                                                                    Wenn der Berg der Stärkere ist –
                                                                                                                                               31      Einsätze in den Regionen Von Dezem-
                                                                                                                                                       ber 2021 bis November 2022 leisteten
                                                                                                                                                       die Ehrenamtlichen fast 10.000 Notfall-
                                                                                                           Unglück am Hochkalter                       einsätze in ganz Bayern und über die
                                                                                                                                                       Grenzen hinaus: ein Querschnitt.

                                                                                                                                               42      Jugendarbeit in der Bergwacht Die
                                                                                                                                                       Bergwacht ist formal kein Verband
                                                                                                                                                       der Jugendarbeit, und dennoch gibt
                                                                                                                                                       es zahlreiche Jugendgruppen in den

                                                                          45
                                                                                                                                                       Bereitschaften: ein Überblick.

                                                                                                                                               45      „Schult ihr noch oder trainiert ihr

                                        19
                                                                                                                                                       schon?“ Neue Formate in der Aus- und
               Interviewreihe: Frauen                                 „Schult ihr noch                                                                 Weiterbildung der Bergwacht Bayern
             in der Bergwacht Bayern                                    oder trainiert
                                                                          ihr schon?“
                                                                                                                                               52      Nicht alles, was geht, ergibt Sinn!

                      31
                                                                                                                                                       Materialentwicklung in der Bergwacht
                                                                                                                                                       Bayern

                   Einsätze in den       6   Wenn der Berg der Stärkere ist –                                                                  55      „Habt den Mut, auch mal umzukeh-
                                                                                                                                                       ren.“ Der Alpinrechtsexperte Dr. Klaus
                                             Unglück am Hochkalter: Die mehrtägige                                                                     Burger über das Recht auf Rettung, wie
               Bergwachtregionen
                                             Vermisstensuche in den Berchtes-                                                                          er zu Risiko am Berg steht und was er
                                             gadener Alpen nahm ein tragisches                                                                         von der Digitalisierung hält
                                             Ende. Welche Maßnahmen ergriffen
                                             wurden, erzählt Einsatzleiter Michael
                                             Renner im Interview

                                        12   Wenn die Katastrophe kommt
                                             Katastrophenschutz und die Bergwacht
                                             Bayern. Der Klimaforscher Dr. Joachim
                                             Schug über den Klimawandel und seine
                                             Auswirkungen auf den Katastrophen-
                                             schutz
                                                                                              Titelfoto
                                                                                         Einsatztraining der Bergwacht                                                                 28
                                        16
                                                                                            Garmisch-Partenkirchen im
                                             Der G-7-Gipfel 2022 in Schloss Elmau
                                                                                                    Wettersteingebirge             Rubriken
                                             Das Treffen der G-7-Staatsoberhäupter                    Foto: Julian Bückers
                                             glich einem Kraftakt für die Bergwacht                                                28   Bergwacht Technik:
                                                                                                                                        Der neue Flugsimulator im BW-ZSA
                                             in ganz Bayern
                                                                                                                                   41   Statistik

                                        19   Interviewreihe: Frauen in der                                                         48   Leistungsauszeichnungen
                                             Bergwacht Bayern                                                                      49   Ehrungen
                                             Drei Bergwachtfrauen über ihre Rollen                                                 50   Jubiläen
                                             und ihr Selbstverständnis                                                             51   Bergwacht International
                                                                                                                                   59   Bergwacht im Fokus: Weil Idealismus

                                        24   Tod im Gebirge Perspektiven zur Ein-
                                             ordnung und Einsatzleiter Johannes
                                                                                                                                        alleine nicht ausreicht – unterstützen
                                                                                                                                        Sie die Bergwacht Bayern
                                             Mikenda im Interview über die Rolle                                                   62   Impressum
                                             des KID Berg

6   INHALT                                                                                                                                                                         INHALT        7
VIELFALT. GRENZEN. MÖGLICHKEITEN - DAS PRINZIP BERGWACHT
Wenn der Berg
derUnglück
    Stärkere        ist
           am Hochkalter
                         –
    Ein 24-Jähriger aus Niedersachsen rutscht am Hochkalter ab und stirbt, obwohl
    er nur leichte Verletzungen erlitt und mehrmals mit den Einsatzleitern telefoniert.

                                                                                          Text: Sabrina Höflinger; Fotos: BW Ramsau, M. Emik Polizei

                                                                                                                     as ist geschehen?                                        hubschrauber der Bundespolizei konnten mehrere
                                                                                                                     Als die Alarmierung der Leitstelle Tirol die Bergwacht   Bergretterinnen und Bergretter in das Ofental an die
                                                                                                                     Ramsau am Samstagnachmittag, 17. September 2022,         Wolkenuntergrenze fliegen, während weitere Einsatz-
                                                                                                                     gegen 15 Uhr erreichte, herrschten bereits seit vielen   kräfte im Klausbachtal ein Digitalfunk-Gateway für
                                                                                                                     Stunden widrige Witterungsverhältnisse mit Schnee,       das ansonsten abgeschattete und nicht erreichbare
                                                                                                                     Starkregen, Wind und Temperaturen von minus sechs        Ofental aufbauten.
                                                                                                                     Grad auf 2.600 Meter Höhe – der Beginn eines tage-       Gegen 19.30 Uhr erreichte der Trupp aus dem Ofental
                                                                                                                     langen und kräftezehrenden Krimis für die Bergret-       rund 2.600 Metern Höhe, wobei die RetterInnen im
                                                                                                                     terinnen und Bergretter aus Ramsau, Berchtesgaden,       Aufstieg trotz der schlechten Sicht und des vereisten
                                                                                                                     Bad Reichenhall und Marktschellenberg, für drei          und teilweise mit einem halben Meter Schnee be-
                                                                                                                     Bergwachtnotärzte, für das LKLD Team Region              deckten Untergrunds die eingeschneiten und einge-
                                                                                                                     Chiemgau, für den Kriseninterventionsdienst und für      wehten Rinnen und Querungen so gut wie möglich
                                                                                                                     die Polizei.                                             abgesucht hatten, aber sich wegen des starken Winds
                                                                                                                     Insgesamt 133 Rettungskräfte suchten über mehrere        kaum untereinander verständigen konnten. Unter
                                                                                                                     Tage unter extremen Bedingungen nach dem Mann,           diesen Umständen hatten sie ebenfalls nur geringe
                                                                                                                     der trotz mehrmaligen Telefonkontaktes und Ortungs-      Chancen, den Vermissten auch nur in wenigen Me-
                                                                                                                     versuchen über mehrere Ortungsdienste nicht gefun-       tern Entfernung zu sehen oder zu hören.
                                                                                                                     den werden konnte.                                       Gegen 20 Uhr ließen die Einsatzleiter alle Kräfte auf
                                                                                                                     Laut Einsatzmeldung war eine männliche Person am         der Westseite des Berges aufgrund der widrigen Ver-
                                                                                                                     Ofentalhörndl abgestürzt und hatte sich dabei beide      hältnisse im Schneesturm abbrechen und absteigen,
                                                                                                                     Arme gebrochen sowie eine Kopfverletzung zugezogen.      da das Risiko für die Retterinnen und Retter mit keiner
                                                                                                                     Gegen 15:45 Uhr konnte der Abgestürzte im Rückruf        weiteren Maßnahme mehr reduzierbar war.
                                                                                                                     durch die Ramsauer Einsatzleiter dann angeben, dass      Ausschlaggebend dafür war die Lageeinschätzung des
                                                                                                                     er zwischen Klein- und Hochkalter abgerutscht war        Trupps auf 2.600 Meter Höhe: eine Querung in die
                                                                                                                     und nicht ernsthaft verletzt sei. Danach sei er weiter   Wand war unter diesen Bedingungen nicht möglich,
                                                                                                                     durchs Gelände abgestiegen, habe aber im Schnee          und der eigene sichere Abstieg musste kritisch be-
                                                                                                                     keine Wegmarkierungen mehr gefunden und sei              trachtet werden. Der Gipfeltrupp musste sich noch
                                                                                                                     schließlich weder vorwärts- noch zurückgekommen.         vor dem Abstieg in einem Notzelt vor dem eiskalten
                                                                                                                     Der Rettungshubschrauber „Christoph 14“, der             Wind in Sicherheit bringen und für den Abstieg auf-
                                                                                                                     Polizeihubschrauber „Edelweiß 2“ und der Transport-      wärmen, wobei weitere Retterinnen und Retter den

8                                                                                                                                                                                                                   GRENZEN        9
VIELFALT. GRENZEN. MÖGLICHKEITEN - DAS PRINZIP BERGWACHT
zu gefährlichen Abstieg an der Ofentalschneid unter-
     brachen, da alles vereist und eingeweht war und
     aufwendig mit Seilen versichert werden musste.
     Trotzdem kamenalle Beteiligten sicher talwärts und
     verließen gegen 22 Uhr das Ofental.
     Ein weiterer Vorstoß mit Fahrzeugen und zu Fuß über
     die Blaueishütte und die Ostseite, der um 20 Uhr
     startete, musste gegen Mitternacht nach Erreichen
     des Rotpalfen abgebrochen werden, da der weitere
     Anstieg über den vereisten und eingeschneiten Grat,
     als nicht kalkulierbar bewertet werden musste.
     Gegen 21.30 Uhr hatte der Einsatzleiter letztmalig
     telefonischen Kontakt mit dem Vermissten, wobei er
     ihm Mut zusprach, auf keinen Fall aufzugeben und
     trotz der widrigen Verhältnisse durchzuhalten.
     Am Sonntagmorgen, 18. September 2022, um 6 Uhr
     startete die Suche erneut, doch bei Neuschnee mit ei-
     ner Schneehöhe über einem Meter, einer unklaren
     Lawinengefährdung und schlechter Sicht mussten die
     Bergwachtkräfte wiederholt kapitulieren.
     In den nächsten Tagen war die weitere Suche mit
     Lawinenausrüstung und Überflügen mit modernster
     Technik ergebnislos.
     Am Donnerstag, 22. September 2022, nach sechs lan-
     gen Einsatztagen, beschloss der Einsatzleiter in Ab-
     sprache mit der Polizei, dass weitere Suchmaß-
     nahmen ohne konkrete Anhaltspunkte nicht mehr
     zielführend sind.

     Rien ne va plus.
     Mehr geht nicht. Der Berg hat gewonnen.

                                                               Interview mit Michael Renner
     Es war alles Bergwacht- und Menschenmögliche ge-
     tan worden, sogar die Bundeswehr hat zwischenzeit-
     lich einen Eurofighter über das Suchgebiet geschickt,
     um hochauflösende Bilder zu erhalten, doch irgend-
     wann war die Grenze erreicht. Die Grenze, die zwar        Wir haben mit Michael Renner von der Bergwacht Ramsau gesprochen. Der 37-jährige Familienvater
     schwer zu akzeptieren ist, doch sehr deutlich aufzeigt,   leitete die Vermisstensuche am Hochkalter und erzählt uns, wie er den Einsatz erlebt hat.
     dass der Berg manchmal der Stärkere ist. Was bleibt,
                                                               Text: Sabrina Höflinger; Fotos: BW Ramsau, M. Emik Polizei
     ist, einen Einsatz aufzuarbeiten, der an Komplexität
     und Medieninteresse nur schwer zu überbieten ist
     und der dennoch eine ehrenamtliche und gemein-
     schaftliche Meisterleistung darstellt. Mit tragischem                            ie hast du den Tag der Alarmierung erlebt?                Ofental eingrenzen konnte. Zunächst habe ich Michael
     Ende für den Vermissten.                                                         Renner: Ich war den ganzen Tag bei Freunden auf der       Partholl unterstützt und mich darauf vorbereitet, mit
     Bei einem Überflug eines österreichischen Polizeihub-                            Baustelle, habe Fliesen von Wänden und Böden ent-         dem Bergwachtnotarzt aus Marktschellenberg bis zur
     schraubers wurde knapp vier Wochen später in den                                 fernt und die Alarmierung selbst, wegen des Lärms des     Wolkenuntergrenze geflogen zu werden, um dann wei-
     Südwestabstürzen des Hochkalters auf einem Schnee-                               Bohrhammers, überhaupt nicht mitbekommen. Nicht           ter durch das Ofental zum Hochkalter aufzusteigen. Da-
     feld der leblose Körper des Vermissten entdeckt. Da-                             ganz eine Stunde nach Alarmierung, in einer Pause, ha-    zu kam es nicht mehr, da sich die Wolkengrenze so weit
     raufhin wurde die Polizeiinspektion Berchtesgaden                                be ich den Alarm auf meinem Handy gelesen. Zum Zeit-      nach unten verschob, dass kein sinnvoller Lufttransport
     informiert, die in etwa 2.250 Metern Höhe, in der be-                            punkt der Alarmierung hatte es schon 24 Stunden an-       mehr möglich war. So landete ich wieder in der Einsatz-
     reits vermuteten Absturzrinne, den Leichnam schließ-                             haltend und teilweise sehr stark geregnet. Ich habe in    zentrale und habe dann die Einsatzleitung übernom-
     lich bergen konnte.                                                              der Wache angerufen und Michael Partholl, der Lawi-       men beziehungsweise übergeben bekommen. Danach
                                                                                      nenhundeführer, hat mir gesagt, dass ich bitte vorbei-    gings Schlag auf Schlag weiter und der Einsatz spitzte
                                                                                      kommen möchte. Ich bin nach Hause gefahren, habe          sich zu.
                                                                                      mich auf eine nasse Nacht eingerichtet und bin an-
                                                                                      schließend weiter zur Rettungswache. Der Einsatz lief
                                                                                      bereits knapp zwei Stunden, als ich dort ankam.                       Einen solchen Einsatz wie diesen hatte
                                                                                                                                                            ich noch nie. Noch nie musste ich solche
                                                                                      Was waren deine ersten Gedanken und Schritte, die du                  Telefonate führen.
                                                                                      als Einsatzleiter nach der ersten Alarmierung eingelei-
                                                                                      tet hast?
                                                                                      Renner: Die Rettung hatte sich ins Ofental entwickelt,    Wann hast du gemerkt, dass der Einsatz tragisch wird?
                                                                                      da der zu Beginn diensthabende Einsatzleiter den          Renner: Es zeichnete sich leider sehr schnell ab, dass
                                                                                      Einsatzort telefonisch zwischen Hochkaltergrat und        die Wetterbedingungen im Einsatzraum für eine

10    GRENZEN                                                                                                                                                                       INTERVIEW      11
VIELFALT. GRENZEN. MÖGLICHKEITEN - DAS PRINZIP BERGWACHT
Rettung, auch ohne Suche, denkbar schlecht waren.         Wann hast du eine Grenze gezogen, dass nun alles
                          Der Schneesturm war so intensiv und laut, dass sich die   Bergwachtmögliche getan war, und wie bist du damit
                          Rettungskräfte untereinander nur schwer verständigen      umgegangen?
                          konnten. Auch die Funkverbindung ins Tal und unterei-     Renner: Wetterbedingt konnten wir erst am 21. Sep-
                          nander war schlecht. Die Netzabdeckung dort ist sehr      tember 2022, also vier ganze Tage nach Einsatzbeginn,
                          lückenhaft, und auch mit unserem Gateway konnten          zum ersten Mal in das eigentliche Suchgebiet. Wir fan-
                          wir dort nicht alles versorgen.                           den mit dem Suchverfahren Recco den Rucksack des
                          Tragisch wurde es, als der Rettungstrupp den Gipfel auf   Vermissten, in dem sich etwas Proviant, aber sonst we-
                          2.608 Meter Höhe erreichte, was aufgrund der Wetter-      nig befand, was man in solch einer Lage hätte brauchen
                          bedingungen eine Meisterleistung an sich war. Obwohl
                          unsere Retter immer wieder in die Wand geleuchtet
                                                                                    können. Das war der Punkt, an dem wir uns absolut
                                                                                    keine Hoffnungen mehr machten. Der Gesuchte war
                                                                                                                                                                             SMARTE ENTSCHEIDUNGEN
                                                                                                                                                           BERUHEN AUF WISSEN.
                          und gerufen haben, konnten sie keinen Kontakt her-        definitiv unterhalb der Schneedecke, optisch nicht zu
                          stellen. Ortungsversuche des Handys des Vermissten        lokalisieren. Am Folgetag konzentrierte sich unsere Su-
                          durch die Leitstelle schlugen den ganzen Abend über       che erfolglos auf die Falllinien ober- und unterhalb der
                          fehl. Die Telefonate mit dem Verletzten waren drama-      Fundstelle des Rucksacks, wieder mit Recco und mit La-
                          tisch und wurden mit jedem Mal dramatischer – auch,       winensonden. Am Ende dieses Tages unterbrachen wir
                          weil für uns eine Rettung nicht absehbar war.             den Einsatz nicht ohne intensive Diskussion. Alle Mittel
                          Michael Partholl wollte den WhatsApp-Standort des         waren ausgeschöpft – technisch war keine Steigerung
                          Vermissten herausfinden, aber die Daten zeigten eine      unseres Einsatzwertes mehr zu erzielen.
                          Ungenauigkeit von 180 Metern im Durchmesser an.
                          Das ist in dieser Wand ein wahnsinnig großes und un-      Wie hast du das mediale Interesse bewerkstelligt?
                          übersichtliches Gebiet – auch ohne Schneesturm.           Renner: Am 19. September 2022 war das erste Kame-
                          Die Rettungskräfte am Gipfel bewerteten die eigene        rateam in der Ramsau. So weit war das nichts Unge-
                          Situation für sich dann so, dass eine Querung in die      wöhnliches. Die mediale Welle brach am 20. Septem-
                          Wand unter diesen Bedingungen nicht möglich sei und       ber 2022 mit voller Wucht über uns herein. An diesem
                          sie sich aufgrund der Kälte und Nässe in das Notzelt      Tag war aufgrund des Wetters keine Suche möglich. Re-
                          setzen mussten, um sich für den Abstieg aufzuwärmen.      porter und Kamerateams waren vor Ort und klingelten
                          Da war mir klar, dass eine erfolgreiche Rettung in die-   an der Rettungswache für ein Interview.                              HÄTTEST DU ES GEWUSST?
                          ser Nacht einem Wunder gleichkommen würde. Wir            Unser Telefon hörte nicht auf zu klingeln. Wir hatten                Triebschneeansammlung in
                          hatten am Wandfuß (2.250 Meter Höhe) zu diesem            bis zu drei Anrufer gleichzeitig in der Leitung. Markus              kammnahen Bereichen.
                          Zeitpunkt nur wenige Kräfte, die bei einem Eigenunfall    Leitner vom BRK wurde in der Pressemeldung der DPA
                          hätten eingreifen können. Dies war unsere nächste         als Ansprechpartner für unseren Einsatz angegeben.
                          große Sorge: den Trupp vom Gipfel für den Abstieg         Auch sein Telefon stand nicht mehr still. Für die Folge-
                          solide abzusichern.                                       tage rechneten wir mit einem noch größeren Pressean-
                          So blieb uns für die Suche nur noch der zweite Trupp,     sturm, da das Wetter eine Fortsetzung der Suche zulas-
                          der inzwischen den Weg über die Blaueishütte auf sich     sen würde.
                          nahm, einen viel längeren Weg über den Grat hätte ab-     Markus Leitner bearbeitete vier Tage lang nur Presse-
                          solvieren müssen und letztlich gegen Mitternacht ab-      anfragen zu unserem Einsatz.
                          brechen musste.                                           Rudi Fendt (ehemaliger Bereitschaftsleiter), Thomas
                                                                                    Meeß (Bereitschaftsleiter), Martin Emig vom Polizei-
                                                                                    präsidium Oberbayern Süd und einige weitere küm-
Michael Renner, Einsatzleiter BW Ramsau
                                                                                    merten sich um die Presse vor Ort (zum Beispiel Radio
                                                                                    Bayern 3, Süddeutsche Zeitung …).
                                                                                    Ich übernahm abends die Betreuung unserer Social-Ka-
                                                                                    näle. Unterm Strich muss man sagen, dass wir als Berg-
                                                                                    wacht im Bereich Presse und Kommunikation nur sehr
                                                                                    begrenzt eskalationsfähig sind.                                                               LERNE LEBENSRETTENDES WISSEN
                                                                                    Kannst du dich persönlich von solchen belastenden                                          IM DIGITALEN SAFETY ACADEMY LAB SNOW
                                                                                    Situationen distanzieren?
                                                                                    Renner: Meistens klappt es ganz gut, durch eine pro-
                                                                                    fessionelle Distanz die Belastung nicht an sich heranzu-
                                                                                    lassen. Falls es dann doch außergewöhnlich war, dann
                                                                                    hat ja jede(r) seine eigene Art, damit umzugehen. Ich
                                                                                    denke, es ist dann auch ganz normal, dass einen das
                                                                                    ein paar Tage beschäftigt und man das erst für sich ver-
                                                                                    arbeitet. In der Situation selbst funktioniert man ein-
                                                                                    fach – das ist vielleicht noch so ein Überbleibsel von
                                                                                    der Bundeswehr. Einen solchen Einsatz wie diesen hat-
                                                                                    te ich jedoch noch nie. Noch nie musste ich solche Te-
                                                                                    lefonate führen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
                                                                                    man sich emotional so distanzieren kann, dass einem
                                                                                    das nicht in irgendeiner Art nahegeht. Wir (vor allem
                                                                                    Michael Partholl und ich) haben danach viel miteinan-      Wer in den Bergen unterwegs ist,
                                                                                    der gesprochen. Das war gut und hat geholfen.              trägt Verantwortung. Dich bestmöglich
                                                                                                                                               vorzubereiten ist unsere Aufgabe
                                                                                                                                               seit 1980.
     12       INTERVIEW                                                                                                                                                                                               13
VIELFALT. GRENZEN. MÖGLICHKEITEN - DAS PRINZIP BERGWACHT
denke an den Waldbrand in Sachsen oder die Flut im                       leisten. Zumal die Bergwachtbereitschaften bei sich
                                                                                                                                                                           Ahrtal beziehungsweise im Berchtesgadener Land nach                      entwickelnden Großschadenslagen meist von Anfang
                                                                                                                                                                           dem Starkregen. Für uns mögen Sonnensturm, bei                           an eingebunden sind. Eine Tatsache, die die Politik
                                                                                                                                                                           dem das Magnetfeld zusammenbricht, Erdbeben oder                         mittlerweile auch erkannt hat.
                                                                                                                                                                           Vulkanausbrüche weit weg erscheinen, doch können                         Doch es gibt noch einen weiteren Grund, warum die
                                                                                                                                                                           Ruß, Asche oder riesige Flüchtlingsströme ebenfalls für                  Bergwacht sich beim Katastrophenschutz engagiert:
                                                                                                                                                                           große Herausforderungen sorgen.                                          Sie hat eine Verpflichtung zur Hilfe gegenüber ihren
                                                                                                                                                                           Pandemie, atomare Bedrohung und wirtschaftliche                          Mitgliedern, deren Familien sowie Gönnern und Unter-
                                                                                                                                                                           Probleme wie diverse Mangellagen von Materialien,                        stützern. Das heißt, sie erfüllt damit eine gesellschaftli-
                                                                                                                                                                           Treib- und Sonderstoffen wie Sauerstoff oder AdBlue                      che Aufgabe. Eine, die an sich eine gesamtgesellschaft-
                                                                                                                                                                           sind längst nicht mehr wegzudiskutieren. All das kann                    liche Aufgabe sein sollte.
                                                                                                                                                                           dazu führen, dass die gewohnten Infrastrukturen zu-                      Denn es liegt zuallererst einmal bei jedem Einzelnen,
                                                                                                                                                                           sammenbrechen: Tankstellen, Telefone, Ampeln, auto-                      dafür Vorsorge zu betreiben, dass eine Katastrophe
                                                                                                                                                                           matische Türen, Kassensysteme, Mobilfunkverbindun-                       nicht zu massiv wird. Stichwort Eigenverantwortung.
                                                                                                                                                                           gen oder medizinische Gerätschaften funktionieren                        Diese trifft natürlich auch und im besonderen Maße
                                                                                                                                                                           plötzlich nicht mehr. Naturkatastrophen können                           den Bergretter: Nur wenn er entsprechend vorbereitet
                                                                                                                                                                           Straßen und Gleise zerstören.                                            ist, kann er auch anderen helfen und verfällt nicht
                                                                                                                                                                           Genau dann ist die Bergwacht gefragt: Sie ist im un-                     ebenso in Panik, wie die Menschen um ihn herum. Da-
                                                                                                                                                                           wegsamen Gelände heimisch. Sie verfügt unter ande-                       mit er dann auch wirklich im Einsatzfall tätig werden
                                                                                                                                                                           rem über Fahrzeuge mit einer hohen Watttauglichkeit,                     kann, braucht es vorbereitete Bereitschaften.
                                                                                                                                                                           Führungsunterstützungsfahrzeuge, Stromerzeuger und                       Daher hat die Bergwacht Bayern eine Abfrage gestar-
                                                                                                                                                                           Satellitentelefonie sowie Menschen, die mit diesen Ge-                   tet, um den aktuellen Istzustand der einzelnen Bereit-
                                                                                                                                                                           rätschaften professionell umgehen können. Außerdem                       schaften zu ermitteln. Aufgrund dieser Datenbasis
                                                                                                                                                                           sind die Einsatzkräfte der Bergwacht trainiert darin,                    kann die Dachorganisation nicht nur Tipps und Hilfe-
                                                                                                                                                                           Lagen zu überblicken, darzustellen und Lösungen zu                       stellungen geben, sondern hat auch die Möglichkeit,
                                                                         Die Bergwacht unterstützt die Löscharbeiten eines Bergwaldbrandes in den Ammergauer Alpen 2022.
                                                                                                                                                                           finden. Das können sie ohne großen Aufwand, sehr fle-                    über den Katastrophenschutzfonds Mittel zu erhalten,
                                                                                                                                                                           xibel und autark bewerkstelligen. Eine gewisse Lei-                      um mit weiterer Ausrüstung und Ausstattung die Resi-
                                                                                                                                                                           densfähigkeit und große Eigenverantwortung zeichnen                      lienz, also die Widerstandskraft, der Bergwacht Bayern
                                                                                                                                                                           diesen besonderen Menschenschlag aus. Durch ihre                         zu steigern.

Wenn die Katastrophe kommt …
                                                                                                                                                                           Ausbildung, Intuition und ihr Können wird die Lebens-                    Die Resilienz in personeller Sicht ist bei der Bergwacht
                                                                                                                                                                           gefahr im Absturzgelände der Berge nicht nur bei                         Bayern aufgrund der Regionalstruktur der Organisation
                                                                                                                                                                           Rettungsaktionen, sondern auch beim privaten Berg-                       schon sehr gut ausgeprägt. Damit ist ein flächende-
                                                                                                                                                                           steigen minimiert.                                                       ckendes Handeln jederzeit möglich. Ein Beispiel aus
                                                                                                                                                                                                                                                    der Praxis: Als 2019 die große Schneekatastrophe in
Dass die Bergwacht perfekt für Rettungen im unwegsamen Gelände ist, ist wohl jedem klar.                                                                                                                                                            Südbayern herrschte, unterstützten nordbayerische
Selbst der Einsatz bei Waldbrand oder Hochwasser leuchtet ein. Doch was hat die Bergwacht                                                                                                                                                           Bergwachteinheiten die Kollegen vor Ort.
Bayern mit dem Katastrophenschutz zu tun? Eine ganze Menge.                                                                                                                                                                                         Letztlich kann die Bergwacht Bayern mit dieser Erhe-
Text: Andrea Pitsch, Jörg Häusler; Fotos: BW Bayern                                                                                                                                                                                                 bung auch aufzeigen, wo es Defizite in der Vorsorge
                                                                                                                                                                                                                                                    gibt, und dies gegenüber der Staatsregierung vertre-
                                                                                                                                                                                                                                                    ten. Dabei ist eines klar: Im Katastrophenfall geht es
                                                                                                                                                                                                                                                    dann nur gemeinsam.
              n einem kalten Februartag brechen in Europa alle                      Katastrophenschutz Bayern 2025
              Stromnetze zusammen. Supermärkte werden geplün-                       Auch wenn wir nicht wissen, wie wahrscheinlich ein
              dert, keiner kommt mehr an Kraftstoffe, Anarchie                      solches Szenario ist, gilt es, darüber nachzudenken und                                                                                                         Andrea Pitsch ist Redakteurin bei der Hersbrucker Zeitung und hat sich für die
                                                                                                                                                                                                                                                    Bergwacht Bayern mit dem Thema Katastrophenschutz befasst.
              bricht aus. Europa liegt im Dunkeln und die Menschen                  sich bestmöglich vorzubereiten. Die bayerische Staats-
              stehen vor ihrer bislang größten Herausforderung:                     regierung hat dazu das Projekt „Katastrophenschutz
              Überleben. Was sich anhört wie in einem Krimi, ist                    Bayern 2025“ ins Leben gerufen, bei dem alle
              tatsächlich einer.                                                    Rettungs- und Hilfsorganisationen sowie die Feuer-                                     Temperaturveränderungen aufgrund des Klimawandels Juni bis August 2022
              Doch sind wir vom „Blackout“ und seinen Auswirkun-                    wehren aufgefordert sind, gemeinsam den Katastro-
              gen, wie ihn Autor Marc Elsberg beschreibt, wirklich so               phenschutz in Bayern weiterzuentwickeln. Hier kommt                                    Die Rolle des BW-ZSA
              weit weg? Ist unser Fortschritt der totalen Vernetzung,               auch die Bergwacht Bayern ins Spiel – und das aus                                      Hier birgt das Bergwachtzentrum für Sicherheit und
              Digitalisierung, Globalisierung und der immer stärker                 verschiedenen Gründen.                                                                 Ausbildung in Bad Tölz, kurz BW-ZSA, das zudem zu ei-
              werdenden Abhängigkeiten – Stichwort Produkte aus                     Zum einen ist sie aufgrund dieses Gesetzes als Bestand-                                nem bayerischen Zentrum für alpine Sicherheit erwei-
              China – vielleicht sogar ein Rückschritt? Und besteht                 teil der Gemeinschaft der freiwilligen Hilfsorganisatio-                               tert werden soll, großes Potenzial: Es schult nicht nur
              wirklich eine reelle Gefahr eines totalen Stromausfalls,              nen im Rettungsdienst der Katastrophenhilfe verpflich-                                 eigenes Personal, sondern bietet mit seinen diversen
              oder machen uns die Politiker gerade mit einem                        tet. Zum anderen kennt sich die Bergwacht beispiels-                                   Einbauten – wie unter anderem Sessellift, Kabinen-
              solchen Szenario nur Angst?                                           weise bei einem Stromausfall mit Evakuierungen aus                                     bahn, Kletterwand, Hausdach, Hubschrauber, Wasser-
              Fakt ist: Der Blackout ist in aller Munde. Und: Wir sind              Seilbahnen oder von Hütten sowie Häusern im unweg-                                     becken, Höhle – unterschiedlichste Rettungsszenarien,
              heute nicht mehr gewohnt, dass mal der Strom weg ist                  samen Gelände aus. Und nicht zuletzt hat sich die Berg-                                die auch von Polizei, Feuerwehren, Rettungsorganisa-
              oder Dienste wie WhatsApp und Co. plötzlich nicht ver-                wacht über die Jahrzehnte Fertigkeiten, Ausrüstung                                     tionen, Bundeswehr oder ähnlichen Organisationen
              fügbar sind. Dabei kann ein Stromausfall nicht nur von                und Kenntnisse angeeignet, die der Vielfalt der Bedro-                                 zur Übung und Ausbildung seit Jahren genutzt werden.
              einem technischen Defekt herrühren, sondern be-                       hungslagen, die kommen können, gerecht werden.                                         Mit dieser Nischenbegabung kann die Bergwacht Bay-
              wusst herbeigeführt werden – aufgrund unserer digital                 Denn auch wenn aktuell den meisten Menschen der                                        ern nicht den großen Katastrophenschutz bewerkstelli-
              vernetzten Ausrichtung: durch Hacker, einen Staat, der                Blackout im Kopf herumspukt: Naturkatastrophen                                         gen, aber einen wichtigen Beitrag im Zusammenspiel
              einen Blackout als Waffe benutzt, Kriegswirren.                       werden immer häufiger und wahrscheinlicher – man                                       der Behörden, Verwaltungen und der Blaulichtfamilie

14    VIELFALT                                                                                                                                                                                                                                                                                                  VIELFALT             15
VIELFALT. GRENZEN. MÖGLICHKEITEN - DAS PRINZIP BERGWACHT
Die Bergwacht und das bayerische Katastrophenschutzgesetz                                                                  Andrea Pitsch im Interview mit Metereologe Joachim Schug
      Seit dem Jahr 1996 ist im BayKSG verankert, dass die                                                                       Woher kommt Ihr Interesse am Wetter?                        Waldbrände, Hochwasser oder Murenabgänge, Glet-
      Bergwacht Bayern zur Katastrophenhilfe verpflichtet ist.                                                                   Schug: Ich bin in Sonthofen aufgewachsen. Nach der          scherschmelze und Bergabbrüche.
      Denn sie ist eine freiwillige Hilfsorganisation im Sinn des                                                                Mondlandung 1969 habe ich mich – wie viele andere           Schug: Der seit Jahrzehnten immer wieder angekündig-
      Art. 2 Abs. 13 des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes                                                                      auch – für Naturwissenschaften und Astronomie inter-        te Klimawandel kommt jetzt genau so und wird auch
      (BayRDG).                                                                                                                  ressiert. Als kleiner Bub war es mir aber nachts drau-      für immer mehr Menschen immer mehr spürbar! Durch
      Damit fällt der Bergwacht die Aufgabe zu, Katastrophen                                                                     ßen doch etwas unheimlich ... Mit dem „Blick nach           den Temperaturanstieg steckt viel mehr Energie in der
      abzuwehren und die dafür notwendigen Vorbereitungs-                                                                        oben“ wendete ich mich dem Wetter zu. Per Zufall war        Atmosphäre, die sich bei entsprechender Wetterlage in
      maßnahmen zu treffen. Doch was definiert das Gesetz ei-                                                                    der damalige Leiter der Wetterstation Oberstdorf un-        Hitzewellen, schweren Unwettern oder Starkregener-
      gentlich als Katastrophe? Es ist „ein Geschehen, bei dem                                                                   ser Nachbar, und nach dem ersten Besuch auf der             eignissen manifestiert. Seit zwei Jahren beobachten
      Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen                                                                          Station – ich habe Abitur in Oberstdorf gemacht – war       wir auch global „record shattering“: Bisherige Wetter-
      oder die natürlichen Lebensgrundlagen oder bedeuten-                                                                       der Fall klar: grenzenlose Begeisterung fürs Wetter, die    extreme werden nicht nur ein bisschen überboten,
      de Sachwerte in ungewöhnlichem Ausmaß gefährdet                                                                            bis heute geblieben ist.                                    sondern massiv. Hitzerekorde in Kanada vor zwei Jah-
      oder geschädigt werden und die Gefahr nur abgewehrt                                                                                                                                    ren (5–10 Grad über dem bisherigen Rekord), Hitze die-
      oder die Störung nur unterbunden und beseitigt werden                                                                      Sie haben neben Meteorologie, Synoptik – also die           sen Sommer in London mit ungeahnten 42 Grad, Stark-
      kann, wenn unter Leitung der Katastrophenschutzbehör-                                                                      Kunst des Vorhersagens – und Geophysik auch Glazio-         regen letzten Sommer in NRW (doppelter Wert der bis-
      de die im Katastrophenschutz mitwirkenden Behörden,                                                                        logie studiert.                                             herigen Rekorde), schwere Tornados (wie in den USA)
      Dienststellen, Organisationen und die eingesetzten Kräfte                                                                  Schug: Nach dem Abitur entschied ich mich für Inns-         in Tschechien … Früher oder später gibt es auch in
      zusammenwirken“.                                              Expertenwissen werde zu wenig abgefragt, reale Einsatz-      bruck als Studienort. Das meteorologische Institut der      München Hitze mit deutlich über 40 Grad, Gewitter
      An diesem Zusammenwirken soll nun gefeilt werden.             erfahrung zu wenig berücksichtigt.                           Uni Innsbruck ist ein Mekka für alpine Meteorologie.        ziehen mit bisher unbekannter Stärke (Sturm, Starkre-
      Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will den Katas-        Die Lösung: ein Verbund aus dezentralen Kompetenz-           Zum Studiengang gehörte auch Geophysik, und das In-         gen, Hagel) übers Land, Dürreperioden können auch im
      trophenschutz weiterentwickeln, da die Einsatzlagen bei       und Einsatzzentren, die verschiedene Risiken für die         stitut machte Gletscherforschung im Ötztal. Während         Alpenraum immer öfters zu Waldbränden führen.
      Katastrophen laut seiner Aussage im August 2022 immer         jeweiligen Schutzziele abdecken. Das Motto müsse             des Studiums habe ich alles gemacht, was sich geboten
      komplexer werden. Diese Reform erfolgt derzeit durch ei-      „regional führen, zentral koordinieren“ lauten: Denn die     hat: Glaziologie auf dem Hintereisferner, studentischer     Wer kann da Aufklärung betreiben im Vorfeld bezie-
      nen Prozess mit allen am Hilfeleistungssystem Beteiligten     Fachkenntnis und der Erfahrungsschatz aus Lagen in der       Mitarbeiter beim WMO Alpex Forschungsprogramm,              hungsweise wie können wir da noch gegensteuern?
      und soll bis zum Jahresende im gemeinsamen Papier „Ka-        Region ist mit das wertvollste Gut und obliegt den Kräften   Wetterbeobachter auf der Rudolfshütte, Überwinte-           Schug: Den Klimawandel will die Menschheit anschei-
      tastrophenschutz Bayern 2025“ münden, das dem baye-           vor Ort. Sie wissen, welches Gebiet tückische Gefahren       rung 1984 auf der Georg-von-Neumayr-Station in der          nend nicht stoppen: Weder die Bevölkerung noch die
      rischen Innenministerium vorgelegt werden soll.               birgt oder wo welches Rettungsmittel am besten einge-        Antarktis, glaziologische Forschung auf Colle Gnifetti/     Politik machen irgendwelche Schritte. Die Propaganda
      Im Zuge dessen erarbeiten Feuerwehren, Rettungs- und          setzt werden soll.                                           Monte Rosa, Meteorologe auf der „Polarstern“ … Mei-         der Erdölindustrie von „russia today“ beispielsweise
      Hilfsorganisationen, also auch die Bergwacht, ihre Forde-     Unterstützt werden könnte dieser Ansatz dann von Maß-        ne Diplomarbeit habe ich dann über den einzigen Glet-       hat offenbar gewirkt. Auch wenn heute Abend ein
      rungen und Anpassungsvorschläge. Die Bergwacht plä-           nahmen, die Innenminister Joachim Herrmann angekün-          scher der Allgäuer Alpen, den Schwarzmilzferner süd-        Jungforscher unser Energieproblem sauber lösen könn-
      diert hier vor allem für eine bessere Vernetzung und          digt hat: Er plant, Notstromaggregate und Satellitentele-    lich der Mädelegabel, geschrieben: In ein paar Jahren       te: Die globale Erwärmung würde trotzdem noch ein
      Kommunikation der Akteure, wenn es an überregionale           fone zu beschaffen, die Logistik der bayerischen Hilfe-      wird er leider ganz verschwunden sein … Trotz des Aus-      bis zwei Jahrzehnte anhalten – wegen der Trägheit des
      Schadenslagen geht. Die Strukturen, die für Einsätze vor      leistungskontingente aufzurüsten und einen Fokus auf         flugs in die Forschung und Glaziologie, meine große         Systems Atmosphäre. Somit geht es jetzt nur um
      Ort passen, seien nach Ansicht von Thomas Lobensteiner,       die Aus- und Fortbildung zu legen. Sein Ziel ist eine ge-    Liebe ist die Wettervorhersage, also die Synoptik.          Klimaanpassung, also wenigstens vorbereitet zu sein
      Landesvorsitzender der Bergwacht Bayern, dann zu starr.       samtgesellschaftliche Vorsorgeplanung auf allen Ebenen.                                                                  auf die wildesten Szenarien. Alte Regeln und Gewiss-
                                                                                                                                 Worauf muss man bei der Wettervorhersage in den Ber-        heiten sollte man vergessen und immer mehr mit dem
                                                                                                                                 gen achten, etwa im Gegensatz zu anderen Regionen?          Schlimmsten rechnen. Wir müssen vorbereitet sein auf
                                                                                                                                 Schug: Prognosen haben überall ihre Schwierigkeiten:        Hitzewellen, unglaubliche Regenfluten, Gewitterstür-
                                                                                                                                 in den Alpen die komplexe Topografie, an der Nordsee        me und Tornados. Die gibt's eben jetzt nicht nur mehr
                                                                                                                                 wiederum überraschender Nebel und Hochnebel, der            in den USA.
                                                                                                                                 hereinzieht.

     Der Klimawandel kommt –
                                                                                                                                                                                             Welche Bedeutung kommt Ihrer Meinung nach in
                                                                                                                                 Wettervorhersagen sind oft recht allgemein. Wie groß        Bezug auf Naturkatastrophen der Bergwacht zu – in
                                                                                                                                 sind die regionalen Unterschiede? Oder kommt es auf         Sachen Aufklärung, Warnung, Hilfe?

     und auch die Bergwacht
                                                                                                                                 die bei langfristigen Prognosen gar nicht an?               Schug: Die Bergwacht muss damit rechnen, dass das
                                                                                                                                 Schug: Die Basis für die Wettervorhersagen ist in den       Wetter extremer wird, neuartige Gefahren kommen
                                                                                                                                 letzten Jahren eigentlich immer besser geworden, lei-       wie Waldbrände und wegen zunehmender Hitzebelas-

     wird es spüren
                                                                                                                                 der kommt das beim „normalen“ Kunden oft nicht an.          tung im Flachland viel mehr Leute im Sommer ins (küh-
                                                                                                                                 Medien wollen mehr Show als Information – Stichwor-         lere) Gebirge strömen. Vermutlich sind das größte Pro-
                                                                                                                                 te: Klicks, Zuschauerzahlen. Hinzu kommt, dass sich         blem aber die Menschen: Sie verdrängen den Klima-
                                                                                                                                 Mediennutzer nicht mehr konzentrieren können und            wandel, verstehen einfache Texte und Warnungen
                                                                                                                                 nur noch kurzen Beiträgen im Radio folgen. In den Me-       nicht mehr und überschätzen sich. Ich kenne das selbst:
      Er arbeitet in einer Wetterfabrik in Appenzell in der                                                                      dien sind Vorhersagen wirklich sehr oft allgemein: ge-      Ich bin im Sommer oft im Alpstein (Säntisgebiet) hinter
      Schweiz. Doch Joachim Schug macht weder Regen                                                                              bietsweise da und dort Schauer möglich. Bei den mit-        unserem Büro unterwegs und jeweils geschockt, wie
      noch Schnee oder Experimente damit: Der gebürti-                                                                           tel- und längerfristigen Vorhersagen kann man sich die      leichtsinnig und schlecht ausgerüstet die Leute
      ge Oberallgäuer war – wie er sich selbst nennt –                                                                           Details sparen. Da geht es mehr darum: wärmer oder          unterwegs sind. Vermutlich ist das mehr ein soziologi-
      „Medien-Wetterfrosch“ und ist nun als Meteorolo-                                                                           kälter als jetzt, wann ist die größte Chance für zwei bis   sches, kommunikatives Problem: Wie erreiche ich
      ge bei DTN Schweiz für Wetterdienste im gesamten                                                                           drei trockene Tage …                                        Wanderer und Bergsteiger, dass sie auch entsprechend
      deutschsprachigen Raum zuständig. Er weiß, was in                                                                                                                                      handeln. Denn Facts zum Klimawandel, den zuneh-
      Sachen Klimawandel und Folgen auf uns zukom-                                                                               Wie sehen Sie die Wetterentwicklung in den nächsten         menden Wetterextremen und so weiter gibt es eigent-
      men wird.                                                                                                                  Jahren? Stichworte: Naturkatastrophen wie Dürren,           lich seit vielen Jahren zur Genüge.

16   VIELFALT                                                                                                                                                                                                                    INTERVIEW      17
VIELFALT. GRENZEN. MÖGLICHKEITEN - DAS PRINZIP BERGWACHT
Der                                   1.095             260              20                    18                     15               12               2
                                                                                                                                                                                                                                                                       Einsatz
                                                                                                                                                                                                                                                                       in Zahlen
                                                                                                                                                                                                                                                                       (18.06.–01.07.2022)                    Personaltage   Einsatzkräfte   Bergrettungs-        Einsatzleit-          Mannschafts-       ATV-Gelände-      E-Bikes

                                                                                                                                     Alle Icons von stock.adobe.com: krissikunterbunt, wektorygrafika, hobrath. martialred, far700, anatolir, Daniel Berkmann
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              fahrzeuge           fahrzeuge              fahrzeuge           fahrzeuge

                                                                                                                                                                                                                                                                                      Rettungskräfte und Ausrüstung                                              Partenkirchen. In der gesamten G-7-Zeit wurden durch
                                                                                                                                                                                                                                                                                      Erschwerend für die Planung waren die wenig bis kaum                       die beteiligten Rettungswachen insgesamt 17 Bergret-
                                                                                                                                                                                                                                                                                      verfügbaren Übernachtungsmöglichkeiten im Land-                            tungseinsätze bewältigt – allerdings alle ohne direkten

Der G-7Gipfel 2022
                                                                                                                                                                                                                                                                                      kreis Garmisch-Partenkirchen. Die meisten der Einsatz-                     Bezug zur Veranstaltung in Elmau. Darunter auch ein
                                                                                                                                                                                                                                                                                      kräfte stammten daher aus der Bergwacht Region                             sehr tragischer Einsatz in Mittenwald, bei dem ein jun-
                                                                                                                                                                                                                                                                                      Hochland, um lange Anfahrtswege zu vermeiden und                           ges Pärchen im Karwendel beim Klettern tödlich verun-

in Schloss Elmau –
                                                                                                                                                                                                                                                                                      möglichst viele Heimschläfer zu haben.                                     glückte. Einsatzmäßig verliefen die Gipfeltage im Gro-
                                                                                                                                                                                                                                                                                      Aus ganz Bayern wurden für die Mobilität der Kräfte                        ßen und Ganzen ruhig. Die eingesetzten Bergwacht-
                                                                                                                                                                                                                                                                                      Bergwachtfahrzeuge zur Verfügung gestellt. Herausfor-                      kräfte nutzten die Zeit für Ausbildungen und für kleine-

ein Kraftakt für die
                                                                                                                                                                                                                                                                                      derung war dabei, keine Absicherungslücken für das                         re und größere Umbauten an den Wachen. Vor allem
                                                                                                                                                                                                                                                                                      primäre Bergrettungsgeschehen entstehen zu lassen.                         waren die Dienste geprägt vom „kameradschaftlichen“
                                                                                                                                                                                                                                                                                      Mit Mitteln des Freistaats Bayern konnte die IT- und                       Miteinander. Besuche von Führungskräften anderer

Bergwacht
                                                                                                                                                                                                                                                                                      Kommunikationsstruktur in den beteiligten Bergret-                         ehrenamtlicher Hilfsorganisationen und aus der Politik
                                                                                                                                                                                                                                                                                      tungswachen ertüchtigt werden. Zur Vorbereitung ge-                        sorgten für interessante Gespräche und Kontakte. Am
                                                                                                                                                                                                                                                                                      hörte auch die Schulung der Einsatzkräfte auf mögliche                     Montag, den 27. Juni 2022, fand schließlich der Stern-
                                                                                                                                                                                                                                                                                      Szenarien im Einsatzfall. Spezielle Verletzungsmuster,                     marsch der G-7-Gegnerinnen und -Gegner zum Schloss
                                                                                                                                                                                                                                                                                      welche nach möglichen Terrorakten, Massenpaniken                           Elmau statt. Dieser führte durch das originäre Einsatz-
                                                                                                                                                                                                                                                                                      oder Gewalttaten entstehen könnten, galt es zu erör-                       gebiet der Bergwacht. Resultierend aus den Erfahrun-
Text: Johannes Zollner, Roland Ampenberger; Fotos: BW Bayern                                                                                                                                                                                                                          tern und deren Versorgung zu schulen. Mehrere Wo-                          gen aus 2015, baute die Bergwacht vier Versorgungs-
                                                                                                                                                                                                                                                                                      chen waren die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und                         stationen auf. Weiterhin begleiteten mehrere Bergret-

E
                                                                                                                                                                                                                                                                                      Mitarbeiter der Bergwacht damit beschäftigt, die viel-                     tungsfahrzeuge und zwei E-Bikes, gefahren von einem
             nde November 2021: Eine hohe Anzahl von Reservie-           Gemeinschaft des Bayerischen Roten Kreuzes ist uns                                                                                                                                                           fältigen logistischen Aufgaben im Vorfeld der Veran-                       Bergwacht-Notarzt und einem Notfallsanitäter der
             rungen von Unterkünften im Werdenfelser Land und            ein wichtiges Anliegen im Kontext der Veranstaltung“,                                                                                                                                                        staltung abzuarbeiten.                                                     Bergwacht Oberau, den Protestmarsch.
             Umgebung durch polizeiliche Behörden ließ vermuten,         so der Einsatzleiter im Stab der Bergwacht, Josef Lohr,                                                                                                                                                                                                                                 „Als Bergwacht sind wir unserer Rolle gerecht gewor-
             dass der G-7-Gipfel wieder an den Fuß des Wetter-           zur Rolle der Bergwacht im Vorfeld.                                                                                                                                                                          Die Einsätze                                                               den, für alle da zu sein. Unser Konzept und unsere Pla-
             steingebirges zurückkehren wird, in das Dienstgebiet        Zurückgreifen konnte man auf die Erfahrungen und                                                                                                                                                             Nach einem halben Jahr an Vorbereitungen ging es ab                        nungen sind aufgegangen. Die dauerhafte Präsenzbe-
             der Bergwacht Region Hochland. Anfang Januar 2022           Konzepte vom Gipfel 2015. Allerdings war die Vorberei-                                                                                                                                                       dem 18. Juni 2022 in den Einsatz.                                          setzung von Rettungswachen ist ein immenser Auf-
             dann die Gewissheit: Der G-7-Gipfel findet erneut im        tungszeit von einem guten halben Jahr extrem kurz.                                                                                                                                                           Bereits am 19. Juni 2022 ging ein Alarm für die Berg-                      wand. Mein Dank gilt unserer gesamten Mannschaft,
             Schloss Elmau statt, wie bereits 2015. Viele Einsatzkräf-   Relativ schnell mussten alle Organisationen mit Sicher-                                                                                                                                                      wacht Ohlstadt zur Unterstützung der Feuerwehr bei                         den ehrenamtlichen Kräften, die hier viel Freizeit inves-
             te konnten sich noch gut an das damalige Großereignis       heitsaufgaben erkennen, dass sich die Welt stark ver-                                                                                                                                                        einem Bergwaldbrand in Eschenlohe ein. Eine erste Be-                      tiert haben, und unseren hauptamtlichen Mitarbeite-
             erinnern. Die Sicherheitsvorkehrungen rund um den           ändert hatte und das Einsatzkonzept von damals sich                                                                                                                                                          währungsprobe für die aufgebaute Kommunikations-                           rinnen und Mitarbeitern, die insbesondere im Vorfeld
             G-7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs auf Schloss      nicht mehr eins zu eins kopieren lassen würde.                                                                                                                                                               struktur des Bergwachteinsatzstabes in den Räumen                          mit den Unabsehbarkeiten in der Organisation zurecht-
             Elmau Ende Juni waren immens: 18.000 Einsatzkräfte          Insgesamt waren rund 280 ehrenamtliche Bergret-                                                                                                                                                              der Regionalgeschäftsstelle Hochland in Garmisch-                          kommen mussten.“, resümiert Heinz Neiber.
             der Polizei aus Bayern, der Bundespolizei, anderer Bun-     terinnen und Bergretter für die Absicherung am
             desländer, aus Österreich sowie dem Bundeskriminal-         Einsatz beteiligt. „Der kurze Zeitraum für die Vorberei-
             amt bereiteten sich über Monate auf den größten Ein-        tung und die Corona-Pandemie waren eine zusätzliche
             satz in Bayern seit Jahren vor und waren im Werdenfel-      Herausforderung für uns“, so Heinz Neiber, Regional-
             ser Land stetig präsent.                                    leiter und Leiter des Stabes der Bergwacht Region
             Doch nicht nur die Politik machte sich auf den Weg in       Hochland. „Mit Beginn des Ukrainekonfliktes kam zu-
             die bayerischen Berge. Man rechnete auch mit einer          dem eine völlig neue geopolitische Sicherheitslage auf
             größeren Anzahl von Gipfelgegnerinnen und -gegnern,         uns zu.“
             die in München, Garmisch und im Gelände rund um             Im Vergleich zu 2015 war es das Ziel, die Anzahl der
             den Tagungsort gegen das Treffen demonstrieren soll-        permanent eingesetzten Kräfte zu reduzieren, den-
             ten. Weitgehend unter dem Radar der allgemeinen             noch aber das Schutzziel, einen Massenanfall von Ver-
             Aufmerksamkeit sorgten Tausende weitere Akteurin-           letzten nach den organisatorischen und rettungs-
             nen und Akteure für die Sicherheit rund um das Gipfel-      dienstlichen Vorgaben sicherzustellen. Die Bergret-                                                                                                                                    Vorbereitung des Materials im BW-ZSA                                                     Gemeinsam im Einsatz mit THW, Feuerwehr und BRK
             treffen: Schon Tage vor der Konferenz und im Nach-          tungswachen Garmisch-Partenkirchen, Krün und Mit-
             gang bis Anfang Juli waren Helferinnen und Helfer un-       tenwald dienten als Hauptrettungswachen. Weitere
             terschiedlicher Behörden und Hilfsorganisationen in         Einsatzkräfte waren in den „vorgelagerten“ Bergret-
             enger Zusammenarbeit aktiv. Auch die Rettungsdiens-         tungswachen Grainau, Oberau, Ohlstadt und Kochel im
             te hielten sich bereit, darunter täglich bis zu 160 Ein-    Bereitschaftsdienst. Ein Rettungsstützpunkt am Scha-
             satzkräfte der Bergwacht Bayern, die an zehn Wach-          chen wurde eingerichtet. Das ganze Gebiet um die
             posten vor allem für bergrettungsdienstliche Einsätze       Wettersteinalm und das Schachenhaus war während
             im unwegsamen Gelände rund um Schloss Elmau stati-          der Gipfeltage mit Fahrzeugen zwar nicht mehr er-
             oniert wurden.                                              reichbar, jedoch kein touristisches Sperrgebiet. Mit Ein-
             „Unser Ziel ist es, unter den besonderen Bedingungen        satzkräften der Bergwacht waren zudem die beiden
             allen bestmögliche Hilfe zu leisten, unabhängig davon,      Rettungszentren Nord und Süd im nahen Umfeld von
             weshalb diese benötigt wird. Die Neutralität als            Schloss Elmau besetzt.                                                                                                                                                                 Schulung der Einsatzkräfte für besondere Einsatzlagen                                    Versorgungszelt bei der G-7-Demonstration

18   VIELFALT                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     VIELFALT      19
VIELFALT. GRENZEN. MÖGLICHKEITEN - DAS PRINZIP BERGWACHT
Interviewreihe:
               1100 Lumen max. | 38 Lux             Frauen in der Bergwacht
                                                    Normal, aber nicht alltäglich.
                                                    Text: Sabrina Höflinger; Fotos: Julian Bückers, BW Bayern
                   86g Lampenkopf

                                                    G
                                                               erade einmal 30 Jahre ist es her, dass die damals            Auf den kommenden Seiten haben wir drei Bergwacht-
                                                               29-jährige Elke Conrad vor die Zivilkammer des Land-         lerinnen nach ihrer Perspektive gefragt und wie sie ihre
                                                               gerichts München zog und die Zulassung von Frauen            Rollen wahrnehmen.
                                                               bei der Bergwacht Bayern gerichtlich erwirkte. Die im
                   120m Reichweite
                                                               Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung von Mann           Marga Lehrberger leitete zwölf Jahre lang die Berg-
                                                               und Frau gelte auch für die von öffentlichen Mitteln         wacht Reit im Winkl und war damals nicht nur eine der
                                                               mitfinanzierte Bergwacht Bayern, begründete der              ersten Frauen bei der Bergwacht, sondern auch die ers-
                                                               Gerichtsvorsitzende Eberhard Heiss die Entscheidung.         te Bereitschaftsleiterin ab 2001. Die pensionierte Leh-

            PENTA
                                                               Heute sind von den insgesamt 4.945 Mitgliedern der           rerin wurde jüngst in der Allerheiligen-Hofkirche der
                                                               Bergwacht Bayern 862 weiblich, was nahezu 18 Pro-            Residenz München für ihr jahrelanges intensives Enga-
                                                               zent ausmacht.                                               gement mit der Leistungsauszeichnung in Silber von
                                                               Die Bergwachtfrauen durchlaufen die gleiche Ausbil-          der Bergwacht Bayern geehrt.
                                                               dung und Prüfung wie ihre männlichen Kameraden
                                                               und bringen die gleiche Leistung im Einsatzgeschehen.        Nach Hilde Haas bei der Bergwacht Forchheim und Iris
                                                               In Führungs- und Ausbildungsfunktionen sind die Frau-        Zelnhöfer bei der Bergwacht Nürnberg ist Franziska
        Kompakt, stark, vielseitig.                            en in der Bergwacht jedoch noch stark unterrepräsen-         Wolf die dritte Frau der Region Frankenjura, welche die
                                                               tiert, viele leisten wertvolle Dienste als Einsatzleiterin   Rolle und Verantwortung der Bereitschaftsleiterin bei
                                                               oder in der Luftrettung, aber auch in Spezialverwen-         der Bergwacht Erlangen übernahm. Von aktuell insge-
     Stirnlampe mit 1100 Lumen, integriertem Akku
                                                               dungen wie beispielsweise der psychosozialen Notfall-        samt vier Bereitschaftsleiterinnen bei der Bergwacht
            und zahlreichen Leuchtfunktionen.                  versorgung und als Lawinenhundeführerin.                     Bayern ist sie mit 23 Jahren die jüngste.
                                                               Derzeit werden vier der 109 Bereitschaften in Bayern
                                                               von Bereitschaftsleiterinnen geführt, und zehn Frauen        Angela Köck ist bei der Berufsfeuerwehr München, ak-
                                                               übernehmen eine verantwortungsvolle Funktion in der          tive Einsatzkraft der Bergwacht Bayern, Lawinenhun-
                                                               Ausbildung. Hier ist noch viel Potenzial ungenutzt. Un-      deführerin und bei der Skiwacht. Wie sie ihre zahlrei-
                                                               ser gemeinsames Ziel sollte es sein, Frauen in der Berg-     chen Aufgaben und das Ehrenamt mit dem Familienle-
                      lupine.de                                wacht verstärkt zu fördern. Unsere Frauen sollen er-         ben mit ihrem Mann, ihrer kleinen Tochter und ihren
                                                               mutigt werden, sich für verantwortungsvolle Tätigkei-        beiden Lawinenhunden vereinbaren kann, verrät uns
                                                               ten und Führungspositionen zur Verfügung zu stellen.         die 32-Jährige im Interview auf den folgenden Seiten.

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Interview                                                                                                                        Interview

Franziska Wolf                                                                                                                   Marga Lehrberger
Bereitschaftsleiterin                                                                                                            ehem. Bereitschaftsleiterin
Bergwacht Erlangen                                                                                                               Bergwacht Reit im Winkl

           ann und warum hast du dich für die Bergwacht ent-                                                                            ann und warum hast du dich für die Bergwacht ent-
           schieden?                                                  In einem Einsatz müssen alle gemein-                              schieden?                                                   Die Arbeit von Frauen und Männern bringt unter-
           Wolf: Grundsätzlich waren meine Faszination und Lei-       sam an einem Strang ziehen und die                                Lehrberger: Ich komme ursprünglich vom Skilauf. Mit         schiedliche Betrachtungswinkel in die Bergwacht
           denschaft für die Berge ausschlaggebend.                   individuellen Stärken einbringen.                                 17 Jahren bin ich in die Alpenvereinsjugend der Sektion     und diese Vielfalt ist entscheidend, unter ande-
           Über das Wettkampfklettern beim Deutschen Alpen-                                                                             Kössen/Reit im Winkl eingetreten und habe dort die          rem für die Professionalität unserer Rettungs-
           verein, sowie meinen Skilehrertätigkeiten in Österreich                                                                      ersten größeren Bergtouren mit Alpenvereinsmitglie-         organisation.
           bin ich zur Bergwacht Bayern gekommen. Außerdem                                                                              dern unternommen, die allesamt Mitglieder der Berg-
           hat mich die Kombination Medizin und Outdoorsport          kraft weiß: „Nicht immer ist meine Meinung oder mei-              wacht waren.
           begeistert. Im Oktober 2017 war ich beim ersten Aus-       ne Einstellung die Richtige.“ In der Diskussion kann ich          Im Alpenverein habe ich eine solide Grundlage im
           bildungsabend und bin noch heute mit Herzblut dabei.       meine Einstellung begründen oder eben auch feststel-              Bergsteigen erhalten, die schließlich auch zur Ausbil-      sehr gut ausgebildet und üben ihren Dienst ohne Ein-
                                                                      len, dass es noch Alternativen gibt.                              dung als Hochtouren- und Skihochtourenführerin führ-        schränkungen und völlig vergleichbar mit den männli-
           Was sind deine Hauptaufgaben als Bereitschaftsleite-       Das bedeutet sicher nicht, dass jede Entscheidung dis-            ten. Zudem war mein Bruder Mitglied der Bergwacht,          chen Bergwachtlern aus.
           rin, und wie lassen sich diese Aufgaben mit deinem         kutierbar wird, aber das ist unabhängig davon, ob du              weshalb ich schon etwas früher einen Einblick in deren
           Alltag vereinbaren?                                        Frau oder Mann bist.                                              Arbeit bekam.                                               Du warst die erste Frau in einer Führungsposition bei
           Wolf: Primär ist meine Aufgabe die Führung und Wei-                                                                          Ein Eintritt für Frauen war erst mit Beginn der 90er Jah-   der Bergwacht Bayern – wie selbstverständlich war das
           terentwicklung der Bereitschaft. Da meine Stellvertre-     Was sagst du zu Bereitschaften, die noch immer keine              re möglich, ich selbst bin 1993 eingetreten. Einer der      damals für dich? Gab es Gegenwind?
           terin und ich ein großartiges Team haben, können wir       Frauen in ihren Reihen haben?                                     Gründe für mein Engagement bei der Bergwacht war            Lehrberger: Für mich war die Übernahme einer Füh-
           uns voll auf unsere Ressortverantwortlichen verlassen.     Wolf: Frauen waren auch früher in der reinen „Män-                der Wunsch, Menschen in Notsituationen auf dem              rungsaufgabe selbstverständlich, da ich auch beruflich
           Nur gemeinsam mit den Stärken aller lässt sich eine Be-    ner- Bergwacht“ immer eine Stütze als Familienmitglie-            Berg helfen zu können, wissend, dass man selbst in ei-      bereits in Führungsfunktionen tätig war.
           reitschaft heute führen und voranbringen. Damit ich        der, Partnerinnen oder Helferinnen. Frauen als gleich-            ner solchen Notlage um jede Hilfe froh ist.                 In meiner Bereitschaft Reit im Winkl stellte dies auch
           neben der ganzen Bürokratie auch meine Hobbys ein-         berechtigte Mitglieder in der Bergwacht zu sehen, ist                                                                         überhaupt kein Problem dar, von Anfang an hatten wir
           bringen kann, beteilige ich mich aktiv in der Sommer-      für mich so normal, dass ich mich mit diesem Punkt                Woher kommt die Liebe zu den Bergen, und was bedeu-         eine sehr gute Zusammenarbeit und ich bekam jegli-
           und Winterausbildung und in der Notfallmedizin. Zu-        wenig beschäftige. Wenn wir unsere Bereitschaft als               tet das heute für dich?                                     che Unterstützung. Ein Problem „Frau“ war dort völlig
           dem leiten eine Kameradin und ich gemeinsam unsere         Beispiel aufführen: Wir haben einen Frauenanteil von              Lehrberger: Durch die Lage meines Wohnortes in den          unbekannt.
           Jugendgruppe, sodass ich auch meine Erkenntnisse aus       etwa 43%. Jede und jeder hat ihre/seine Stärken,                  Bergen entstand schon früh eine enge Beziehung zu
           dem Lehramtsstudium in der Bergwacht praxisnah ein-        welche die eigene Bereitschaft voranbringen. Die Mi-              den Bergen: die Natur genießen, mit all ihren Blumen         Wie wichtig ist generell eine gewisse Vielfalt in der
           fließen lassen kann.                                       schung macht es einfach aus.                                      und Tieren, und sich in einer einzigartigen Landschaft       Bergrettung?
                                                                                                                                        aufhalten zu können.                                         Lehrberger: Vielfalt in der Bergrettung ist enorm wich-
           Mit welchen Herausforderungen siehst du dich als jun-      Wie gut ergänzen sich Frauen und Männer in der Berg-              Über das Umfeld der zunächst heimatlichen Berge hi-          tig. Es kann nicht jede/r in allen alpinen Disziplinen und
           ge Bereitschaftsleiterin konfrontiert?                     rettung?                                                          naus konnte ich später auch hohe und anspruchsvolle          technischen Angelegenheiten Spitzenkraft sein. Ge-
           Wolf: Das sind zwei auf mich zutreffende Wörter:           Wolf: In einem Einsatz müssen alle gemeinsam an ei-               Berge weltweit besteigen. Das hat schon besondere            genseitige Unterstützung bringt hohes Expertenwis-
           „jung“ und „Bereitschaftsleiterin“.                        nem Strang ziehen und die individuellen Stärken ein-              Glücksgefühle und bleibende Erinnerungen gebracht.           sen. Das ist bei unseren höchst anspruchsvollen und
           Mein junges Alter stellt mich sehr häufig vor Herausfor-   bringen. Wenn eine Einsatzkraft – und hier ist es egal,           Das ist selbst heute noch so, auch wenn die Schwierig-       fordernden Einsätzen unabdingbar.
           derungen, aber ich habe die positive Erfahrung ge-         ob Mann oder Frau – sich etwas nicht zutraut, dann                keiten „altersgemäß“ etwas abgenommen haben.
           macht, dass ich in der Führungsposition akzeptiert         wird diese Einsatzkraft eben für andere Aufgaben ein-                                                                          Welche Entwicklung wünscht du dir künftig für die
           werde. Ich lerne täglich dazu, erweitere meinen Hori-      gesetzt. Ein Rettungseinsatz besteht aus so vielen                Frauen in der Bergwacht – wie war das früher im Ver-         Bergwacht Bayern?
           zont und erlange mehr Selbstbewusstsein. Dabei habe        Einzelaufgaben, und nicht jede Einsatzkraft ist in allem          gleich zu heute?                                             Lehrberger: Großes Ziel muss es weiterhin sein, junge
           ich eine Bereitschaft und eine Region hinter mir, die      spezialisiert. Es ist unabhängig vom Geschlecht, ob sich          Lehrberger: Zunächst gab es nur vereinzelt weibliche         Leute für das Ehrenamt in der Bergwacht zu begeistern
           mir von Beginn an gesagt haben: „Wo es menschelt,          jemand beispielsweise eher im Bereich der techni-                 „Exemplare“. Der Eintritt von Frauen war zu Beginn der       und ihnen eine solide Bergrettungsausbildung zukom-
           passieren Fehler!“                                         schen Rettung oder in der medizinischen Versorgung                Neunziger etwas ganz Neues und für manchen Berg-             men zu lassen. Man sollte aber auch Augenmaß im
           Klar wünsche ich mir ab und an, die (eher Männern          wohlfühlt, ob er eher Klettern und Fels oder Eis und              wachtler sozusagen „gewöhnungsbedürftig“. Gele-              Umgang mit den jungen Nachwuchskräften zeigen, sie
           zugeschriebenen) Gaben zu haben, beispielsweise bei        Schnee bevorzugt.                                                 gentlich entstand der Eindruck, dass doch ein bisschen       müssen in ihre Tätigkeit schließlich erst hineinwachsen.
           diskussionswürdigen Themen mal auf den Tisch zu            Und genau das finde ich in der Bergwacht so beeindru-             genauer hingeschaut werden muss, zum Beispiel bei            Wichtig ist, ihnen zu vermitteln, dass soziales Engage-
           hauen. Aber das bin nicht ich. Meine Vision ist, lö-       ckend: Es gibt unterschiedliche Geländearten, Schnee,             den ersten Prüfungen.                                        ment auch ein persönlicher Gewinn ist.
           sungsorientiert zu denken sowie Partizipation und das      Fels oder Höhle, und verschiedenste Aufgabenvertei-               Anlässlich von Filmaufnahmen des Bayerischen Rund-           Der Frauenanteil kann in jedem Fall noch gesteigert
           soziale Miteinander zu stärken.                            lungen bei der Rettung und in der Organisation der Be-            funks über Frauen in der Bergwacht Mitte der 90er Jah-       werden. Frauen müssen unbedingt auch zur Übernah-
                                                                      reitschaft. Dazu der Umgang mit Wetterbedingungen                 re durfte der Titel (nach Vorgabe der Bergwacht Bay-         me von Führungspositionen in der Bergwacht ermun-
           Gab es kritische Stimmen, gegen die du dich behaupten      oder der Outdooraspekt mit seinem Improvisations-                 ern) nicht „Frauen in der Bergwacht“ heißen, sondern         tert werden – sie können das! Die Arbeit von Frauen
           musstest?                                                  und Weiterentwicklungsdruck. Außerdem sind wir                    musste umbenannt werden in „Einsatz am Abgrund“.             und Männern bringt unterschiedliche Betrachtungs-
           Wolf: Kritische Stimmen gibt es überall, was in einem      doch alle aus dem gleichen Grund zur Bergwacht ge-                Ein damaliger Abschnittsgeschäftsführer meinte dazu:         winkel in die Bergwacht, und diese Vielfalt ist entschei-
           gesunden Maße auch gut ist. Ich plädiere für Offenheit     kommen: Menschen bei ihrem Engagement zu unter-                   „Die Mädels hätten wir nicht gebraucht.“                     dend, unter anderem für die Professionalität unserer
           und Ehrlichkeit, was meist zu einem offenen Austausch      stützen und anderen, mit den gleichen Hobbies, in un-             Heute sind Frauen in der Bergwacht selbstverständlich        Rettungsorganisation.
           führt. Viel wichtiger ist es, dass heute jede Führungs-    wegsamen Geländen zu helfen.                                      und aus ihr auch nicht mehr wegzudenken. Sie sind

22   INTERVIEW                                                                                                                                                                                                                             INTERVIEW       23
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