Magazin 1 - Allianz für die Bodenfruchtbarkeit - BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS - Bodenfruchtbarkeitsfonds
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Magazin 1 | 2019 BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS Kann BIO die Welt ernähren? Interview mit Hans Rudolf Herren Seite 3 Bodenentwicklung ist möglich! Seite 7 Neue EU-Bio-Verordnung und der Umgang mit Pestiziden Seite 11 Allianz für die Bodenfruchtbarkeit
Liebe Freunde und Interessierte des Bodenfruchtbarkeitsfonds Wir leben in turbulenten Zeiten. So weiter wie bisher geht es in vielerlei Hinsicht nicht mehr. Vielen ist das inzwischen klar. Der Klimawandel, die Folgeschäden an der Natur durch einen übermässigen Gebrauch von synthetischen Pestiziden in der Landwirtschaft, die entgegen jahrelanger Behauptungen der Agrarchemie nun doch als Rückstän- de nahezu überall feststellbar sind; wir verstehen solche Mathias Forster, Geschäftsleiter Bio-Stiftung Schweiz und Tatsachen, die unübersehbar sind, als Weckrufe um aufzu- Vorsitzender Projektleitung Bodenfruchtbarkeitsfonds wachen und andere Wege einzuschlagen, ohne noch viel Zeit zu verlieren, denn die haben wir nicht mehr, wenn wir die Verantwortung gegenüber unseren Kindern und En- kelkindern wirklich ernst nehmen. Diese Einsicht scheint möglichst vielen Bauern zur Verfügung zu stellen, damit sich auch in den sogenannten Mainstream-Medien lang- aus einer ursprünglichen Nischenbewegung, der nachhal- sam zu verbreiten. „Gekaufte Agrarpolitik – wie Industrie tigen Landwirtschaft, Mainstream werden kann. und Agrarlobby durchregieren“, so lautete der Titel einer Aber wie soll das gehen? Geht das überhaupt? Kann Bio Sendung in der deutschen ARD, die am 29. April ausge- die Welt ernähren? In diesem Magazin sprechen wir darü- strahlt wurde. Der Film legt offen, wie Agrarpolitiker jeden ber mit Hans Rudolf Herren, dem Träger des alternativen Fortschritt hin zu einer regenerativen Landwirtschaft seit Nobelpreises und Präsidenten der Stiftung Biovision, der Jahren erfolgreich blockieren, trotz der zahlreichen war- neben vielem Anderen auch Botschafter des Bodenfrucht- nenden Rufe aus der Wissenschaft. Viel anders erlebe ich barkeitsfonds ist. Eine weitere Frage, die uns umtreibt, ist: das auch in der Schweiz nicht. Ich bin sehr froh und dank- Was bringt die neue EU-Bio-Verordnung, die ab 2021 in bar, dass wir im nächsten Jahr über eine Schweiz ohne Kraft treten soll? In der letzten Ausgabe hat sich Hanspe- synthetische Pestizide werden abstimmen können. Die ter Schmidt zu diesem Thema bereits geäussert. In der Zeit könnte reif sein … Interpretation gibt es aber verschiedene Sichtweisen. Das Kürzlich ist öffentlich geworden, dass der Agrarriese wurde uns schnell deutlich. In der vorliegenden Ausgabe Monsanto jahrelang Listen angelegt hat, um die eigenen verfolgen wir das Thema weiter, diesmal im Gespräch mit Kritiker aus Politik, Wissenschaft und Medien in verschie- Alexander Gerber, dem Vorstandssprecher von Demeter dene Kategorien einzuteilen. Je nach Einflussmöglichkei- Deutschland und Vorstandsmitglied des BÖLW. Wir woll- ten sollten sie mehr oder weniger dringend „erzogen“ ten in diesem Zusammenhang natürlich auch wissen, wel- oder „überwacht“ werden. Vermutlich wurden solche Lis- che Auswirkungen die neue EU-Bio-Verordnung für die ten europaweit angelegt. Erste Gerichtsverfahren wurden Betriebe in der Schweiz hat. in Frankreich bereits eröffnet. Wir dürfen gespannt sein, Wie auch in den letzten Ausgaben schon, stellen wir im wie sich der Skandal weiter entwickelt. vorliegenden Magazin einen der 30 Partnerhöfe des BFF Das Magazin des Bodenfruchtbarkeitsfonds möchte dem- vor. Uns ist wichtig, dass nachhaltig wirtschaftende Bäue- gegenüber niemanden „erziehen“, sondern seinen be- rinnen und Bauern, mit denen wir relativ eng zusammenar- scheidenen Beitrag zu dem leisten, was der bedeutende beiten, sich über ihre Ideen und ihre Wirtschaftsweise öf- Denker der Nachhaltigkeit, Ernst Ulrich von Weizsäcker in fentlich äussern können. Denn letztlich stehen hinter guter der letzten Ausgabe die „Neue Aufklärung“ nannte. Sie Landwirtschaftspraxis immer Menschen, die sich Mühe ge- knüpft an die „Alte Aufklärung“ und damit an jene Höhe ben, die sich Gedanken gemacht haben, die andere Wege der europäischen Kultur an, die im Rückblick betrachtet eingeschlagen haben, die oft auch Risiken eingegangen in weiter Ferne zu liegen scheint. Es war eine Aufklärung, sind, um ihrer Verantwortung als Bäuerinnen und Bauern die sich an den selbständig denkenden, mündig werden- besser gerecht werden zu können. Das verdient unseren den und vernunftbegabten Bürger wendet. Aber wie kann Respekt und unsere Wertschätzung und sollte wahrge- diese „Neue Aufklärung“ im Hinblick auf unser Kernthe- nommen werden. ma, die Landwirtschaft, aussehen? Sicherlich gehört dazu, Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen und den Bäu- schonungslos offenzulegen, wohin uns die Landwirt- erinnen und Bauern gutes Gelingen bei ihrer für uns alle schaftsentwicklung der letzten Jahrzehnte geführt hat. so existenziell wichtigen Arbeit. Ebenso wichtig scheint uns aber zu sein, funktionierende Alternativen bäuerlicher Praxis aufzuzeigen, das heisst, die Mit herzlichem Gruss von nachhaltig wirtschaftenden Bäuerinnen und Bauern über Jahrzehnte gesammelten Erfahrungen und Ideen BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 2
Kann Bio die Welt ernähren? ein Interview mit Hans Rudolf Herren Herr Herren, sie sind seit längerer Zeit Botschafter des Zu gegensätzlichen Einschätzungen kommen aber vor al- Bodenfruchtbarkeitsfonds, worüber wir uns sehr freuen! lem Studien, die von der Agrarchemie in Auftrag gegeben Wir wollen mit Ihnen über eine Frage reden, die derzeit, wurden. Der Gegensatz zeigt sich schon, wenn die Erträ- seit langem und immer wieder viele Gemüter beschäftigt: ge aus dem Ökolandbau mit denen der konventionellen Kann Bio die Welt ernähren? Landwirtschaft verglichen werden. In einer vom Industrieverband Agrar (IVA) initiierten Stu- Eine sehr zeitgemässe Frage, die in Diskussionen über die aus dem Jahr 2016 zum Beispiel findet man die Aus- den dringend notwendigen Kurswechsel in der Landwirt- sage, dass im ökologischen Landbau in Deutschland 51 schaft immer wieder auftaucht. Im Weltagrarbericht 2009 Prozent geringere Erträge erzielt werden als in der kon- („Agriculture at a Crossroads”), der von der Weltbank und ventionellen Bewirtschaftung. der UNO in Auftrag gegeben wurde, wird eine Transfor- Die deutlich geringeren Erträge im Ökolandbau werden mation der Landwirtschaft gefordert („Business as usual is von der Agrarchemie immer wieder als Argument gegen not an option”). In dem Bericht tragen über 400 Experten eine Agrarwende angeführt, insbesondere vor dem Hin- aus verschiedenen wissenschaftlichen Richtungen, zivil- tergrund der wachsenden Weltbevölkerung. gesellschaftlichen Organisationen, dem Privatsektor und verschiedenen Entwicklungspartnern ihr Wissen zusam- Das wird immer wieder wiederholt, bis es die Leute glau- men und machen konkrete Vorschläge, wie eine solche ben … Tatsache ist, dass man immer aufpassen muss, was Transformation möglich ist. Man wusste schon damals, man vergleicht. Die industrielle Landwirtschaft produziert dass wir genügend gesunde Nahrung produzieren kön- Güter (commodities), nicht Nahrung. Von den Biobauern/ nen, ohne Chemie, ohne Landraub, ohne Landzerstörung innen bekommen die Konsumenten qualitativ hochwer- und ohne Biodiversitätsverluste! tige Produkte, die nur wenig oder keine Umweltschäden und Gesundheitsprobleme hervorrufen. Neuere Studien Es gibt inzwischen verschiedene Studien zu dem Thema. (IPES-Food 2016) zeigen, dass im Durchschnitt die Er- Sie kommen allerdings oftmals zu gegensätzlichen Ergeb- tragseinbusse nur 8% beträgt. Berücksichtigt man, dass nissen. Das ist erstmal verwirrend. derzeit ca. 40% der Nahrungsmittel im Müll landen, was grösstenteils vermeidbar wäre, wird schnell deutlich, dass Es gibt neue Studien zum Beispiel für Europa (IDDRI, 2019). man selbst bei 100% Bio noch mehr als genug hätte. Für Die Studie macht deutlich, dass Europa sehr gut mit ag- die Bauern/innen wäre ein solch radikaler Kurswechsel rarökologischen Prinzipien ernährt werden kann, allerdings vollkommen unproblematisch, weil für Bioprodukte höhe- mit der Voraussetzung, dass auch weniger Fleisch konsu- re Preise gezahlt werden. miert wird. Das ist ja auch gesünder und trotzdem muss Für die Konsumenten liegen die Vorteile auch klar auf niemand ganz auf Fleisch verzichten. der Hand, weil sie schlussendlich weniger für ihre Ge- 3
sundheit ausgeben müssen, weniger Steuern zahlen, da Kosten, von denen sich ein grosser Teil nicht in den Preisen es dann weniger Umweltschäden gibt usw. Natürlich sind niederschlägt, weil diese Kosten externalisiert sind. Diese diese Vorteile teilweise nicht sofort spürbar. Es gilt aber Landwirtschaft und das dazu passende Nahrungssystem heute als erwiesen, dass etliche Gesundheitsschäden auf zerstört sich selbst, zum Beispiel über den Klimawandel, Nahrung mit Pestizidrückständen zurückzuführen sind. In- an dessen Beschleunigung sie mit etwa 50% der totalen nerhalb der zulässigen Grenzwerte für Pestizidrückstände Emissionen beteiligt ist. Im Gegensatz dazu hat der Bio- werden übrigens die Akkumulationsef- fekte oft nicht berücksichtigt, was wenig bekannt ist. Bei Kleinkindern und Babies wäre wegen dem kleineren Körpergewicht ganz besonders wichtig, dass man ihnen Dr. Hans Rudolf Herren ist einer der weltweit keine mit Pestiziden kontaminierten Le- führenden Experten in der biologischen Schädlingsbekämpfung. bensmittel gibt. Der wachsende Drang Als Pionier bekämpfte er ohne Chemie in den 1980er Jahren junger Mütter für Bio-Babyfood ist ein erfolgreich die Schmierläuse, die in Afrika das wichtige Grund- erfreuliches Zeichen dafür, dass die Leute nahrungsmittel Maniok bedrohten. Er entdeckte eine in Para- aufwachen und sich ein gesundes Miss- guay vorkommende Wespenart, die ein natürlicher Feind der trauen gegenüber den Produkten aus der Schmierlaus ist. In der grössten Freisetzungskampagne aller konventionellen und industriellen Land- Zeiten wurden daraufhin in 24 Staaten Afrikas 1,6 Mio. Wespen wirtschaft bildet. erfolgreich auf die Schmierläuse losgelassen. Als erster Schweizer wurde Herren dafür 1995 mit dem Welt- Sie sagten in einem Interview für die WOZ ernährungspreis geehrt. Die Jury wählte ihn aus, weil der Wis- im Jahr 2015: „Biobauern produzieren senschaftler durch sein Engagement 20 Mio. Menschen vor dem pro Hektar mehr Kilogramm Nahrungs- Hungertod gerettet hat. Später wurde Herren zum Co-Präsiden- mittel als industrielle Bauern: in Brasilien, ten des IAASTD (Weltagrarbericht), der von 59 Ländern ange- in den USA, in der Schweiz – überall auf nommen wurde. der Welt.“ 2013 wurde Herren mit dem Right Livelihood Award ausgezeich- Wenn das stimmt, wäre das eine spekta- net. Diese Auszeichnung erhielt Herren zusammen mit Biovision, kuläre Neuigkeit. einer Stiftung für ökologische Entwicklung, die er 1998 gegrün- det hat und deren Präsident er bis heute ist. 2017 wurde Herren Dies stimmt auch, wenn man eingese- in den Vorstand des Internationalen Verbands der ökologischen hen hat, dass man nicht nur die Mas- Landwirtschaftsbewegungen (IFOAM) gewählt. se in Kg berücksichtigen darf, sondern Afrika ist für den Unterwalliser nach wie vor eine wichtige Region sich zusätzlich die Nährwerte anschau- für seine Aktivitäten. Aber inzwischen setzt er sich hauptsächlich en muss, z.B. die Mineralien, Vitamine für einen Kurswechsel in der globalen Landwirtschaft ein – hin und andere essentielle Nährstoffe. Das zu einem agrar-ökologischen Ansatz, der nicht nur die Menschen sind qualitative Aspekte, die unbedingt besser ernähren wird, sondern auch nachhaltig die Biodiversität berücksichtigt werden müssen. Dazu und die Umwelt als Ganzes schützt. Auch der Klimawandel kann gibt es überzeugende wissenschaftli- mit diesem Ansatz stark gebremst werden. Als Präsident des Mill- che Literatur (https://www.npr.org/sec- ennium Instituts (MI) in Washington unterstützt Hans Herren auch tions/thesalt/2016/02/18/467136329/ Regierungen bei der Planung eines Kurswechsels ihrer Landwirt- is-organic-more-nutritious-new-stu- schaftspolitik mit vom MI entwickelten systemischen Modellen. dy-adds-to-the-evidence), die zeigt, dass die hochgezüchteten Sorten im Verhält- nis mehr Stärke und oft auch mehr Was- ser aufweisen. Wozu brauchen wir Ton- nen von solchen Gütern, wenn wir heute schon doppelt soviel produzieren wie wir brauchen? Das ergibt absolut keinen Sinn. Wir müssen uns landbau das Potenzial, einen positiven Effekt auf den Kli- schnellstens überlegen, wie lange so ein korruptes und mawandel zu entfalten, da er bedeutende Mengen Koh- bankrottes System hinsichtlich der planetaren Grenzen lenstoff im Boden binden kann. überhaupt tragbar ist. Wenn man den Output verschiedener Agrarsysteme ver- Hinzu kommt, dass diese Güter nur „scheinbar“ billig sind, gleichen will, sollte man das im erweiterten Sinne der Ag- weil für die Produktion dieser kalorienreichen und nähr- rarokölogie tun, die das Nahrungssystem ganzheitlich be- stoffarmen, die Umwelt und Gesundheit schädigenden trachtet und sehr viele wichtige Faktoren berücksichtigt. Produkte sehr viel fossile Energie benötigt wird, in Form Dann fällt der Vergleich eindeutig zugunsten des Öko- von Dünger, synthetischen Pestiziden und Diesel. Das sind landbaus aus! BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 4
„Mir fällt, abgesehen von gegenläufigen finanziellen Inte- klärung dafür, dass sich die industrielle Landwirtschaft mit ressen, kein einziger Grund ein, warum wir nicht so schnell ihren Interessen bisher durchsetzen konnte, obgleich zahl- wie möglich zu 100% auf regenerative Landwirtschaft reiche Studien belegen, dass diese Landwirtschaft nicht im umstellen sollten.“ Diese prägnante Aussage stammt von Interesse des Gemeinwohls ist. Jan-Gisbert Schultze, dem Begründer von Soil Alliance, Wo soll man ansetzen, um doch noch rechtzeitig eine einem Verein zur Förderung von regenerativer Landwirt- Trendwende hinzubekommen? Es scheint wie beim Kampf schaft. Dem würden Sie wahrscheinlich zustimmen, oder? David gegen Goliath zu sein. Ja, absolut. Und dies aus verschiedenen Gründen, von un- Wir brauchen eine viel bessere Aufklärung der Konsu- serer Gesundheit bis zur Lösung des Klimawandel-Prob- menten und Mitgestalter. Dies muss schon im Kindergar- lems und dem Erhalt des Planeten Erde für die nächsten ten anfangen, bis zur Universität bzw. Lehre. Alle diese Generationen. Institutionen sollten nur Bio-Produkte, oder Produkte aus der nachhaltigen Landwirtschaft (nicht unbedingt zertifi- Mit Produkten aus der Agrochemie werden Milliarden ziert/das ist ein Kostenpunkt und man muss hier auch ein verdient. Zuweilen scheinen die Methoden zur Durchset- bisschen besser überlegen, wie man das Gute und Nach- zung dieser Interessen ruppig, vielleicht sogar kriminell haltige in Zukunft mehr fördert, statt es auszubremsen) zu sein. Gerade ist öffentlich geworden, dass Monsanto servieren. Vor allem in der Schweiz ist eine vollständige wahrscheinlich seit Mitte des Jahrzehnts in ganz Europa Umstellung auf nachhaltige Landwirtschaft möglich, da Listen mit Kritikern des Unternehmens und seiner Pro- der Durchschnittsbürger nur ca. 6% vom Einkommen für dukte erstellt hat. Auf diesen Listen stehen einflussreiche Ernährung ausgibt. Persönlichkeiten aus Politik, Medien und Wissenschaft. Sie Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Die Bauern und Wissen- werden darauf mit Noten von 0 bis 5 geführt, je nach Ein- schaftler, die im Bereich der alternativen Landwirtschaft fluss und Unterstützung für Monsanto. Besonders kritische arbeiten, müssen in Zukunft viel besser zusammenarbei- Personen sollten gemäss den Listen „erzogen“ oder sogar ten. Ich beobachte verschiedene Spaltungen innerhalb „überwacht“ werden. der Szene, zum Beispiel zwischen Bio und Permakultur, Interessant wird sein, in Zukunft mehr über die „Erzie- zwischen Agrarökologie und Bio, oder Bio und Biodyna- hungs- und Überwachungsmethoden“ von Monsanto zu misch. Wir wollen ja eigentlich alle dasselbe: eine Land- erfahren. In Frankreich hat sich bereits die Justiz einge- wirtschaft, die in Harmonie mit der Umwelt arbeitet und schaltet. Wundert es Sie, dass Firmen wie Monsanto mit dem Wohl der Menschen dient. Warum einigen wir uns solchen Methoden arbeiten? nicht auf das Gemeinsame und gehen zusammen vor- wärts und legen die paar Uneinigkeiten mal für einen Mo- Eigentlich nicht, ich bin ja sicher auch auf einer solchen ment auf die Seite? Unsere Kraft liegt im Zusammenarbei- Liste, da ich ein Mitbegründer des Monsanto Tribunal ten, das macht die Industrie schon lange so, zum Beispiel (https://de.monsantotribunal.org) war. Es ist mir auch klar mit CropLife International, ihrer Dachorganisation. geworden, dass mit dem Vormarsch der Agrarökologie, Biolandbau und regenerativer Landwirtschaft weltweit Die vom NABU in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem dies eine Gefahr für die Agrochemie darstellt, und jetzt Ergebnis, dass zumindest in Deutschland der Deutsche ein starker „push-back“ zu spüren ist. Wir haben das zum Bauernverband massgeblich daran beteiligt ist, eine Agrar- Beispiel gespürt durch das Absagen von finanzieller Un- wende zu verhindern. Das kann man aber offenbar nicht terstützung einer Entwicklungsbank für eine Agraröko- den einzelnen Landwirtschaftsbetrieben anlasten. Von de- logie-Konferenz in Nairobi diesen Juni, nachdem bereits nen fühlen sich 50% laut der Studie schlecht vom DBV ver- Versprechungen gemacht wurden. treten, 68% sind mit der aktuellen EU-Förderung unzufrie- den, 91% wünschen sich eine tierfreundliche Viehhaltung, Eine weitere, kürzlich veröffentlichte Studie zeigt die 83% sind für eine umweltfreundliche Produktion, aber sie Verflechtungen von Agrarpolitik, Agrarwirtschaft und wollen natürlich auch, dass man ihnen den Mehraufwand Bauernverbänden in Deutschland auf. Die Studie wurde bezahlt. vom NABU in Auftrag gegeben und vom Institut Arbeit Andererseits gibt es auch viel Angst unter den Bauern, und Wirtschaft (iaw) der Universität Bremen durchge- dass sie grosse Probleme bekommen werden, wenn sie führt (Quelle: https://www.nabu.de/imperia/md/content/ auf synthetische Pestizide verzichten müssen. Was schla- nabude/landwirtschaft/agrarreform/190429-studie-ag- gen Sie vor, um den konventionell wirtschaftenden Bauern rarlobby-iaw.pdf). Im Ergebnis haben die Verflechtungen die Angst zu nehmen? seit der Jahrtausendwende noch zugenommen. Dadurch konnten die Handlungsmöglichkeiten der industriellen Uns fehlen noch klare Transformationsstrategien. Die Landwirtschaft insgesamt gestärkt werden. Bäuerinnen und Bauern müssen mehr Zugang zu For- Die Autoren sehen in der Verflechtung von Agrarpolitik, schungsresultaten haben, die Ihnen helfen sowohl bes- Agrarwirtschaft und Bauernverbänden eine mögliche Er- ser und oft auch mehr zu produzieren, und gleichzeitig 5
nachhaltiger, das heisst in Harmonie mit der Umwelt. Und Insgesamt kann man den Eindruck gewinnen, dass wir auf wir brauchen diese Strategien schnell. Dies bedeutet, systemische Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft zu- dass die Agrarforschung auf 100% Bio/Agrarökologie rückblicken, die über Jahrzehnte nicht korrigiert wurden. umstellen müsste, und dies möglichst sofort. Ausserdem Gleichzeitig geht ein Aufwachen durch die Gesellschaft für sollten Subventionen nur noch für Systemtransformation, die Folgen dieser Fehlentwicklungen. Sehen sie das auch nachhaltige Praktiken und Versicherungen während der so? Umstellung ausbezahlt werden. Die Bäuerinnen und Bau- ern würden schlussendlich dasselbe Geld erhalten, nur Es gibt zum Glück ein Aufwachen in der Gesellschaft, diesmal für positive, dem Gemeinwohl dienende Leis- dass etwas mit unserem Ernährungssystem nicht stimmt. tungen. Langfristig, wenn ganzheitliche Preise eingeführt Die Menschen erkennen langsam den Zusammenhang sind, können die Subventionen insgesamt abgeschafft von Klimawandel, Verlust unserer Biodiversität, Was- werden, da die Konsumenten dann gerechte Preise für serverschmutzung, steigenden Gesundheitskosten und ihre Produkte zahlen werden. Die Konsumenten entschei- abnehmender Lebensqualität. Die NGOs haben die im den dann selber, wofür sie die eingesparten Gelder (Sub- Agrarbericht gemachten Vorschläge zur Transformati- ventionen, kleinere Krankenkassenbeiträge, weniger on der Landwirtschaft gefördert, nicht die Regierungen. Umweltschäden usw.) brauchen wollen. Auch nicht die UNO-Organisationen, obwohl sie den Agrarbericht in Auftrag gegeben hatten. Das klingt gut. Bisher fliesst allerdings noch sehr viel Geld Die internationalen sowie die meisten regionalen und in die Erforschung und Entwicklung der konventionellen nationalen landwirtschaftlichen Forschungsanstalten Landwirtschaft. sind im Grünenrevolutionsparadigma stecken geblie- ben … bis heute. Das muss und wird sich ändern. Der Die Staaten, auch die Schweiz, überlassen die For- Klimawandel ist im Vormarsch und ohne eine total öko- schungsfinanzierung für Landwirtschaft und Ernährung logische Landwirtschaft ist er nicht zu bremsen. Falls das zum grösseren Teil dem Privatsektor, obwohl es hier um den „Alten“ noch nicht klar genug geworden ist, dass von der UNO anerkannte Menschenrechte geht: Das wir einen radikal neuen Kurs ansteuern müssen, ist es Recht auf genügend und gute Nahrung. Die Forschung zum Glück unserer Jugend klar. gehört in den „öffentlichen Sektor“ und muss öffentliche Güter „produzieren”, die allen helfen und die ohne Pa- Lieber Herr Herren, wir bedanken uns für das Gespräch tente auf Leben und Saatgut allen zugänglich sind. und wünschen weiterhin viel Erfolg bei Ihren Aktivitäten! Warum ich Pate beim Bodenfruchtbarkeitsfonds geworden bin Gerald Häfner ist ein deutscher Politiker (Bünd- nis 90/Die Grünen). Er Gerald Häfner war zwischen 1987 und 2002 dreimal Mitglied des Deutschen Bundes- Generation muss das Umsteuern be- tages und war von 2009 ginnen. Die Erde heilen, das Wasser bis 2014 Mitglied des beleben, die Luft erfrischen, das Klima Europäischen Parlaments. schützen … – Wir alle haben Anteil da- Häfner ist Publizist, ran. Aber am meisten: Die Landwirt- Waldorflehrer, und (Mit-) „Wir müssen lernen, ganz grundsätz- schaft. Der Bodenfruchtbarkeitsfonds Gründer zahlreicher lich umzusteuern. Wie wir die Erde, hilft Bauern, die Fruchtbarkeit unserer Initiativen und Stiftungen. die Luft, das Wasser und das Klima Erde zu pflegen und zu erhalten. Das Seit 2015 ist er Leiter der zerstören, beweisen wir täglich. Un- ist mir wichtig. Deshalb helfe ich mit. Sozialwissenschaftlichen sere Kinder – und nicht nur sie – pro- Deshalb bin ich Pate des Bodenfrucht- Sektion am Goetheanum testieren zu Recht dagegen. Unsere barkeitsfonds." in Dornach/Schweiz. Sie wollen auch Pate werden? Das können Sie unter: www.bodenfruchtbarkeit.bio/ihr-beitrag BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 6
Bodenentwicklung ist möglich! – Ökologische Grundbodenbearbeitung als Konzept Ulrich Hampl Seit Sommer 2017 bin ich mit den Partnerhöfen im Projekt Bodenfruchtbarkeits- fonds in Kontakt. 2018 war das erste von drei geplanten Jahren der Pilotphase, in denen die Partnerhöfe für ihre Arbeit am Boden gefördert wurden. Welche Veränderungen im Boden und auf den Betrieben bereits im ersten Jahr zu erkennen waren, berichteten die Verantwortlichen auf den Höfen in ihren ers- ten Rechenschaftsberichten zum Jahresende. Aus diesen Berichten ist deutlich herauszulesen, dass die zentrale Projektidee, nämlich das Schaffen von Freiräu- men für die Bodenpflege, bereits erkennbare Wirkungen auf den Höfen zeigt. Die auf jedem Betrieb vereinbarten individuellen Massnahmen zur Verbesse- rung der Bodenfruchtbarkeit beruhen vor allem auf der Erfahrung und den Wünschen der Bäuerinnen und Bauern – und so sind die umgesetzten Mass- nahmen durchaus vielfältig: Einige Betriebe schafften zum Beispiel Technik für verschiedene Bereiche wie Bodenbearbeitung, Kompostierung, Verringerung von Achslasten oder für die Ausbringung und Herstellung biologisch-dynami- scher Präparate an. Auf manchen Partnerhöfen wurde in Fachberatung zur Bodenbewirtschaftung investiert oder auch Versuche mit unterschiedlichen Bodenuntersuchungen angelegt. Massnahmenschwerpunkt: Anpassung von Bodenbearbeitung und Fruchtfolgen Dr. Ulrich Hampl, Di- plomagraringenieur Auf vielen Höfen sind schon Bodenverbesserungen erkennbar geworden. Als TU München-Freising, Schwerpunkt der praktischen Massnahmen im Ackerbau hat sich die Verbesse- Promotion zur Beratung in rung der Fruchtfolgen mit Gründüngung, also mit Zwischenfrüchten und Unter- der Landwirtschaft an der saaten, herausgestellt. Universität Hohenheim, Vor allem die Kombination von angepasster Bodenlockerung mit der Einsaat zertifizierter Bauerhof- von vielfältigen Gründüngungsgemengen hat bereits sichtbar für Boden- pädagoge, Prozessbeglei- entwicklung gesorgt. ter, Systemischer Coach Deshalb möchte ich hier gerne diese für die Entwicklung der Bodenaktivität so in der Landwirtschaft. Er wirksame Massnahmenkombination beschreiben: ist Mitglied der Projektlei- Die eigentliche Arbeit im Boden verrichtet nicht der Mensch, sondern die Pflan- tung des zen und die Bodentiere. Milliarden von Bodenorganismen leben in einer Hand- Bodenfruchtbarkeitsfonds voll Boden, stellen Nährstoffe für die Pflanzen bereit, bauen Pflanzenreste ab, der Bio-Stiftung Schweiz bauen die stabile Krümelstruktur für Wasser- und Luftspeicherung auf, puffern und zuständig für die Schadstoffe ab, reinigen das Bodenwasser und vieles mehr. Begleitung und Beratung Damit diese zahlreichen Aufgaben erledigt werden können, muss das Boden- der Partnerhöfe bei deren leben dauernd ernährt werden. Nahrung besteht aus organischer Substanz, die Bodenentwicklung. grösstenteils von den Pflanzenwurzeln zur Verfügung gestellt wird. Die laufende Ausscheidung von organischen Stoffen aus den Wurzeln und das Abstossen von Wurzelteilchen ist der „Motor", der das Leben im Boden am Laufen hält. Damit dieser Motor nicht stehenbleibt, müssen möglichst immer viele verschie- dene, fein verteilte Pflanzenwurzeln im Boden vorhanden sein. 7
Um den Boden möglichst tief locker, krümelig und leben- dig zu erhalten und so das riesige Energie- und Nähr- stoffreservoir des Bodens in sichere Pflanzenerträge um- zusetzen, ist im ökologischen Landbau die sorgfältige Bodenbearbeitung wesentlich entscheidender als im kon- ventionellen Landbau – Fehler bei der Bodenbearbeitung können nicht durch Dünger oder Pflanzenschutzmittel ausgeglichen werden. Entwicklungspotenzial Unterkrume Hier ist auch auf Biohöfen meiner Erfahrung nach noch in Die Spatendiagnose zeigt Belebung und Krümelung von Ober- und vielen Fällen eine deutliche Bodenentwicklung möglich: Unterkrume nach Lockerung und Gemenge-Einsaat Meist sind zwar die Oberkrumen der Böden wunderbar krümelig und aktiv durchwurzelt, aber spätestens ab 15 cm Tiefe sind die Unterkrumen der Böden oft kompakt, Lockerung der Unterkrume: kaum mit Feinwurzeln durchzogen und wenig krümelig: Vorbereitung für Durchwurzelung Bei ökologischer Bodenbewirtschaftung verändert sich also das, was man üblicherweise unter Grundbodenbear- beitung versteht: Das in vielen Fällen noch übliche Pflügen im Herbst wird durch eine nichtwendende Lockerung der Unterkrume (15 bis 30 cm Tiefe) abgelöst, das vor allem in den Sommermonaten nach der Getreide- oder Futter- ernte stattfindet: Bei warmem und trockenem Boden wird der optimale Bearbeitungszustand des Bodens für eine wirksame Lockerung als Vorbereitung für Gemen- ge-Ansaat ausgenutzt. Gleichzeitig oder sofort nach der Lockerung werden Pflanzengemenge (Zwischenfrüchte, Futterbau, Rotationsbrache) angesät, die den Boden in- tensiv durchwurzeln. Die Erfahrung zeigt, dass durch eine mechanische Lockerung der Unterkrume so eine deutlich Die Spatendiagnose zeigt eine kompakte, wenig belebte Unterkrume schnellere tiefe und dichte Durchwurzelung mit inten- sivem Aufbau von Bodenleben zu erreichen ist als ohne vorherige Lockerung. Hier ein Bild, das den Vergleich der Hier schlummert noch ein grosses Potenzial, das durch Wurzeltiefen von Erbsen nach unterschiedlich tiefer Lo- Vertiefung der Krümelstruktur sowohl für ertragswirksame ckerung deutlich zeigt (Seite 9). Nährstoffnachlieferung als auch für Wasserspeicherung Geeignete Geräte für die nichtwendende Lockerung der wesentlich wirksamer genutzt werden kann. Unterkrume sind zum Beispiel Grubber mit in Fahrtrich- Der erste Schritt der Bodenentwicklung ist immer die tung schräg angestellten Flügelscharen, über die der Bodenbeurteilung: Mithilfe der Spatendiagnose ist zu Boden fliesst, dabei aufbricht und gelockert in seiner ur- überprüfen, bis zu welcher Tiefe der Boden überwiegend sprünglichen Schichtung erhalten bleibt: krümelig ist („Krümeltiefe“) und ab welcher Tiefe die Bo- denaggregate scharfkantig und glattflächig werden. Denn ab dieser Tiefe geht die Bodenbelebung deutlich zurück und die Wasser- und Luftspeicherung sowie der Nähr- stoffumsatz werden deutlich gehemmt. Eine geeignete, möglichst nicht wendende Unterkrumen- lockerung kann dann dafür sorgen, dass diese dichten Bodenbereiche aufgebrochen und für eine schnelle tiefe Durchwurzelung vorbereitet werden. Mit der anschliessenden Einsaat von Pflanzengemengen muss diese Lockerung sofort lebendig verbaut und Bo- denleben aktiviert werden, was dann auch diese Boden- bereiche sehr schnell krümelig macht. Das kann ebenfalls sehr gut mit der Spatendiagnose überprüft werden: Flügelschar Schichtengrubber BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 8
??? Diese Lockerung ist dabei nicht jedes Jahr auf jedem Acker notwendig. Sie ist in der Fruchtfolge jeweils vor dem Anbau von gut wurzelnden Gründüngungs- oder Futter- gemengen wirkungsvoll, also etwa alle 2 bis 4 Jahre. Nach gelungenem Aufbau des Bodenlebens durch Ge- mengebau nach Lockerung ist dann im Herbst oder Früh- jahr zur Ansaat der Hauptfrüchte meist nur noch eine fla- che Bodenbearbeitung erforderlich. Merkmale ökologischer Bodenbearbeitung im Ackerbau Grundbodenbearbeitung: • Nicht wendende Lockerung der Unterkrume Erst der konsequente Einbau von bodenaufbauenden (15 bis 30 cm) zum Aufbrechen von Verdichtungen, Massnahmen in die Fruchtfolge sichert die Gesamtstabi- ohne die Bodenschichten zu vermischen. lität des Systems und seine Erträge aus aktivem Boden. • Keine Bodenlockerung ohne sofortige Ansaat von Ein Schlüssel zur erfolgreichen Bodenentwicklung ist dicht wurzelnden Gemengen! die fest in die Fruchtfolge eingebaute nichtwendende Die Bodenlockerung bereitet den Boden vor – die Bodenlockerung, immer kombiniert mit der Stabilisie- eigentliche Arbeit zum Aufbau der Bodenstruktur rung durch Wurzeln von Zwischenfrüchten, Futterbau, und Pflanzenernährung übernehmen Wurzeln und Untersaaten. Bodenleben Bereits im ersten Projektjahr konnte die bodenfördern- • Bodenstruktur erhalten durch flache Oberbodenbear- de Wirkung dieses Massnahmenpaketes auf einigen beitung vor den Hauptfrüchten Partnerhöfen deutlich erlebt werden. • Die Faustregel ökologischer Bodenbearbeitung lautet nach wie vor: „Tief lockern, flach wenden“! 9
Frühlingsimpressionen aus den Nuglargärten Im Frühling, wenn wir unsere Parzellen wieder für die Be- pflanzung vorbereiten, haben wir immer einen guten Ver- gleich, wie es ihnen nach der Winterruhe geht. Wir kennen auch die Eigenarten der einzelnen Felder, sie sind sehr verschieden und auch darin, wie sie die Feuchtigkeit über den Winter aufnehmen, unterscheiden sie sich sehr. Wir bearbeiten den Boden mit einer Fräse an unserem Ein- achser, welche zwischen fünf und zehn Zentimetern tief fräst. Dabei haben wir festgestellt, dass die Böden immer noch sehr trocken sind. Dies ist sehr angenehm, um zu fräsen, da man dann weder eine verstopfte Fräse noch ki- loschwere Erdklötze unter den Füssen hat, doch fühlte es sich für den Boden nicht gut an. Dies beobachteten wir vor allem an den Stellen, wo entweder im Laufe des letzten Jahres zu wenig Mulch lag, oder im Herbst die Gründün- gung nicht mehr genug wachsen konnte und der Boden so nicht genügend bedeckt war. Bei den genügend ge- mulchten Flächen oder mit Gründüngung gut durchwach- senen Feldern war erstens die Feuchtigkeit höher und das Leben im Boden war eindeutig sichtbarer. Dass die Erde unter dem Mulch noch länger kühl blieb, schien den Le- bewesen nichts auszumachen. Dies zeigte uns wieder ein- mal, wie wichtig für uns Mulch und Gründüngung sind. Unterschiede zwischen den eher trockenen und den Nicht nur haben wir erfahren, dass die Trockenheit im letz- feuchteren Böden. Der Schnee der letzten Woche gab uns ten Sommer den Pflanzen weniger ausmachte, sondern nochmals die Möglichkeit, uns im Warmen darüber Ge- auch, dass sich die Böden besser regenerierten im Winter. danken zu machen und dem Boden und den bereits ge- Immer wieder machen wir auch Versuche auf der Wahr- pflanzten Setzlingen nochmals ein bisschen Feuchtigkeit! nehmungsebene, sei es auf feinstoffliche Weise oder über Körperwahrnehmung. Auch dabei merkten wir grosse Adrian Seitz BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 10
neue EU-Bio-Verordnung und der Umgang mit Pestiziden Ein Interview mit Alexander Gerber Lieber Alexander, Du bist nahezu seit ben zum Anbau und zur Tierhaltung Wirtschaftsweise diskutieren müssen der Gründung des Bodenfruchtbar- einhalte und selbst z.B. keine Pesti- und sie über eine besonders abdrift- keitsfonds Botschafter des Projekts. zide anwende und Vorsorge gegen arme Bewirtschaftung aufklären und Darüber freuen wir uns sehr. Kontaminationen treffe, sind meine sich das von ihnen schriftlich bestä- Heute möchten wir mit Dir Themen be- Erzeugung und meine Produkte Bio. tigen lassen müssen. Teilst Du diese sprechen, von denen wir wissen, dass Andersherum wäre das angestrebte Auffassung? sie derzeit viele Gemüter bewegen. Es Ziel, mehr Sicherheit vor Betrug zu geht um die neue EU-Bio-Verordnung, erlangen, auch nicht erreicht worden. Aus unserer Sicht ist das eine abwe- die ab 2020/21 in Kraft tritt, aber auch Denn auch Betrugsware kann frei von gige Interpretation der neuen Verord- um den Umgang mit Pestiziden in der Stoffen sein, die laut Bio-Recht verbo- nung. Richtig ist, dass künftig nicht Landwirtschaft. ten sind. Nach heftigen Auseinander- nur Verarbeiter, sondern auch Land- Welches sind aus Deiner Sicht die we- setzungen ist es gelungen, dass es im wirte systematische Vorsorgemass- sentlichen Veränderungen gegenüber Fall von Kontaminationen bei der bis- nahmen nachweisen müssen, um ihre der bisher geltenden EU-Bio-Verord- herigen Prüfung des Einzelfalls bleibt, Produktion vor Einträgen von nicht zu- nung? auch wenn manch hitzige Debatte gelassenen Stoffen und Erzeugnissen hierzulande im Moment einen ande- zu schützen. Das hat zum Beispiel eine Das Wichtigste ist: Das Grundprinzip ren Eindruck vermittelt. Dazu kom- besondere Bedeutung für Betriebe, des europäischen Bio-Rechts ändert men wir aber sicherlich noch. die nur teilumgestellt sind. sich nicht. Dies ist wichtig zu betonen, Wirklich neu ist aber, dass mit dem Aber: Die Vorsorgemassnahmen weil die EU-Kommission zeitweise tat- neuen Bio-Recht der bodengebun- müssen angemessen und verhältnis- sächlich einen sehr fundamentalen dene Anbau im Gewächshaus festge- mässig sein und im eigenen Verant- Kurswechsel erwogen hatte. Und zwar schrieben wurde. Es gibt auch erst- wortungsbereich liegen. Die Fläche von einem Prozess- zu einem Produkt- mals Regeln für die Bio-Züchtung und des Nachbarn liegt nicht im eigenen standard. Dann wären Bio-Produkte für Bio-Aromen. Gruppen von beson- Einflussbereich des Bio-Bauern. Das nur aufgrund der Anwesenheit von ders kleinen Bio-Betrieben können Bio-Recht setzt den Vorsorgepflichten laut Bio-Recht verbotenen Stoffen sich künftig nicht nur in Drittländern, also auch klare Grenzen. Nicht alles, aberkannt worden. Angesichts einer sondern auch in der EU gemeinsam was theoretisch denkbar ist, um Risi- Welt, in der Pestizide ubiquitär – also zertifizieren lassen, was den einzelnen ken abzuwehren, kann vom Bio-Bau- überall, in Bäumen, Pflanzen, Wasser Hof entlastet. Was sich bei der Kon- ern verlangt werden. Auch jetzt schon und Luft – vorhanden sind, die von trolle sonst noch ändert, wird erst in gibt es in der Öko-Verordnung die Bio-Bauern gar nicht angewendet den nächsten Monaten verhandelt. Auflage zur Minimierung von Kon- werden, wäre das eine völlig unsach- taminationen und dies sogar ohne gemässe Bio-Definition gewesen. Kritiker sehen in der neuen Verord- eine Einschränkung auf angemesse- Die Ökologische Landwirtschaft ist nung grossen zusätzlichen Aufwand ne und verhältnismässige Massnah- ein prozessual beschriebenes An- auf die Bio-Landwirte zukommen. So men. Trotzdem werden keine Hecken- bau- und Tierhaltungssystem, von wird z.B. die Vorsorgepflicht, um Kon- pflanzungen oder Abstandsflächen der Züchtung bis zum Verkaufstresen. taminationen zu vermeiden, so inter- von den Bio-Bauern verlangt, um mal Und das bleibt auch so. Das bedeu- pretiert, dass die Bio-Bauern mit ih- zwei Beispiele zu nennen. Eine Aufklä- tet: Wenn ich als Bio-Bauer die Vorga- ren konventionellen Nachbarn deren rungspflicht von Bio-Bauern gegen- 11
über ihren konventionell wirtschaften- termittelzusatzstoffe oder Reinigungs- Ausstiegsstrategie. Ich würde aber den Nachbarn wäre ebenfalls nicht und Desinfektionsmittel. Damit sind gerne noch einmal klarstellen: An verhältnismässig: Selbst Bio-Betriebe beispielsweise Umweltkontaminan- dieser Stelle bringt die Revision der in Gegenden mit grossen Äckern ha- ten wie Schwermetalle oder Dioxin Öko-Verordnung wenig Neues. Be- ben sehr viele Nachbarn. Die Ermitt- ausgeschlossen. Hier gelten die ge- probung von Öko-Produkten entlang lung all dieser Nachbarn, die Kontakt- setzlichen Grenzwerte. der Wertschöpfungsketten ist bereits aufnahme und das Einfordern einer Standard. Das ist ein Instrument inner- schriftlichen Bestätigung einer vorge- Du hattest eingangs schon darauf hin- halb der Prozesskontrolle. Ein positi- nommenen Aufklärung ist mit Sicher- gewiesen, dass heute Pestizide über- ver Befund verlangt vom Bio-Unter- heit nicht verhältnismässig. Und sie all, in Bäumen, Pflanzen, im Wasser nehmer, dem dieser vorliegt, dass er ist auch nicht angemessen, denn sie und in der Luft enthalten sind. Das ihn prüft und einordnet. Die Prüfung würde das Verursacherprinzip auf den bestätigt unter anderem eine Studie richtet sich auf die Frage: Deutet der Kopf stellen. des Umweltinstituts München. Das Befund auf eine Verletzung der Pro- Die Öko-Verordnung hat an der Stel- bedeutet, dass entgegen früherer Be- zessvorschriften der Verordnung hin? le, an der sie von Vorsorgemassnah- hauptungen der Agrarindustrie Pes- Wenn ja, dann muss der Befund an men gegen Kontaminationen spricht, tizide kilometerweit ins Land und ins eine zuständige Behörde gemeldet hauptsächlich Betrie- werden. Wenn es aber kei- be im Blick, auf denen nen Verdacht auf Verstoß parallel konventionell gibt, weil bspw. ubiquitär und ökologisch pro- „Die Vorsorgemassnahmen vorhandene Stoffe gefun- duziert wird. Wir in den wurden, dann muss Deutschland kennen müssen angemessen und auch nichts gemeldet solche Betriebe kaum noch, aber europa- verhältnismässig sein und werden. Neu ist nur, dass die Bauern ein System weit ist diese Bewirt- im eigenen Verantwortungs- von Vorsorgemaßnahmen schaftungsform noch etablieren müssen, das häufig. Auf diesen Be- bereich liegen“ Einträge verhindern soll. trieben bestehen spe- Sie müssen also kritische zielle Risiken für Kon- Punkte in ihrer Produkti- taminationen bei der on identifizieren, an de- Lagerung, dem Transport oder der Wasser getragen wurden und werden. nen Eintrag passieren könnte, und gemeinsamen Nutzung von Maschi- Darunter wurden Substanzen gefun- hier Vorsorgemaßnahmen ergreifen. nen. Je enger die Verknüpfung mit den, die schon seit 40 Jahren nicht Diese kritischen Punkte und die Vor- konventionellen Betriebsmitteln oder mehr im Handel erhältlich sind. Es sorgemaßnahmen beziehen sich aber Geräten, desto grösser die Risiken liegt also nahe, dass kleinste Mengen nur auf ihren eigenen Einflussbereich. für Verunreinigungen. Deshalb will von Pestiziden in Zukunft in vielen Bio- Dass sie in diesem Bereich angemes- die Kommission für diesen speziellen Produkten gefunden werden können. sene Maßnahmen ergriffen haben, Fall sicherstellen, dass entsprechende Was erwartet denn aus Eurer Sicht die bestätigt ihnen die Öko-Kontrolle. Vorsorge ein Teil der Pflicht der Be- Bauern konkret, wenn durch Einzelfall- triebsleiter solcher zweigleisigen Be- prüfungen Pestizidrückstände in ihren In Artikel 28, Abs. 2 der neuen Verord- triebe ist. Produkten gefunden werden? Worauf nung wird geregelt, was der Landwirt Zudem sind auch die möglichen Kon- müssen sich die Bauern einstellen? zu tun hat, wenn er den Verdacht hat, taminationen, gegen die Bio-Bauern Welches sind die Prozesse, die auf ei- dass sich unerlaubte Substanzen in Vorsorge ergreifen sollen, beschränkt nen solchen Befund folgen? seinen Produkten befinden. Er muss auf nicht zugelassene Stoffe, also al- dann prüfen, ob sich der Verdacht be- les, was nach der Öko-Verordnung Die Situation mit den ubiquitär vor- stätigt und darf solange seine Produk- einer Zulassungspflicht unterliegt wie handenen Pestiziden ist tatsäch- te nicht als Bio-Produkte in den Handel z.B. Dünger, Pflanzenschutzmittel, Fut- lich dramatisch und erfordert eine geben. Was heisst das zum Beispiel für BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 12
den Fall, dass der Bauer sieht, wie die nahegelegenen Weinberge gerade vom Helikopter aus besprüht werden. Da drängt sich doch der Verdacht auf, dass sich ein Teil der Substanzen auf seinen Kulturen niederschlagen wird. Muss er seine Produkte dann im La- die jetzigen Bio-Vorgaben geklärt ihrer konventionellen Nachbarn zu bor analysieren lassen, bevor er sie in worden und es wurde festgestellt, bestrafen, wäre – gerade wenn man den Handel bringt? Schliesslich ist er dass den Bio-Weinbauern in einem sich pestizidfreie Ware auf dem Markt ja dann per Gesetz dazu verpflichtet, solchen Fall keine Schuld trifft. Es ist wünscht – der falsche Weg. Denn da- zu untersuchen, ob sich sein Verdacht allerdings für den betroffenen Win- mit würde es noch weniger Bauern bestätigt. zer sinnvoll, diese Spritzung zu doku- geben, die den Weg „Bio“ auf sich mentieren, falls so hohe Belastungen nehmen wollen und können. Meine Antwort mag sich jetzt merk- in der Bio-Ernte auftreten, dass der Trotzdem müssen diese Aussagen würdig anhören, aber: Aus Sicht des Bio-Winzer seine Ware nicht mehr die Verbraucher nicht verschrecken, Öko-Rechts ist der beschriebene Fall vermarkten kann und geklärt werden denn Pestizidrückstände sind in den tatsächlich ein relativ klarer – und ein- muss, wer für diesen Schaden auf- Bio-Kontrollen der letzten Jahre ein facher: Der Öko-Bauer ist verpflichtet kommt. Das ist dann aber eine Frage seltenes Problem gewesen und auch einen Verdacht zu prüfen, ja. Aber der Haftung und nicht eine Frage des jeweils nur in sehr geringem Umfang einen Verdacht worauf? Es geht an Verstosses gegen das Bio-Recht. aufgetreten. Der Trend ist hier sogar dieser Stelle der Verordnung nicht Aus Verbrauchersicht mag sich das seit Jahren abnehmend. Niemand um einen Verdacht „auf Kontaminati- Gesagte etwas verstörend anhören. muss sich daher fürchten, als Bio-Esser onen“. Sondern es geht um Kontami- Weil Bio-Verbraucher natürlich be- Pestiziden ausgesetzt zu sein. nationen, die den Bio-Status des Pro- rechtigterweise pestizidfreie Ware Um die allgemeine Pestizidbelastung dukts in Frage stellen, weil sie einen erwarten, wenn sie Bio kaufen. Lei- zu verringern, ist es aber sehr wichtig, Verstoss gegen die Prozessvorschrif- der ist dieses Restrisiko jedoch der dass künftig bei der Zulassung von ten der Verordnung darstellen. Die- Preis, den unsere Gesellschaft für die PSM (Pflanzenschutzmittel) die Fra- sen Verdacht hätte der beschriebene Ausbringung von Pestiziden in der gen der Abdrift und des Ferntrans- Öko-Bauer aber nicht, und das völlig konventionellen Landwirtschaft in ei- ports von PSM berücksichtigt werden. zu Recht. Durch den Helikopter even- ner Weise, gegen die der Bio-Bauer Die unzureichenden Regelungen der tuell verursachte Kontaminationen nichts machen kann und die eigent- GfP Pflanzenschutz müssen dringend gehen eindeutig nicht auf einen Ver- lich die Koexistenz von konventionel- überarbeitet werden und die beson- stoss gegen die Verordnung zurück. ler und Bio-Landwirtschaft gefährdet, deren Anforderungen der Bio-Pro- Sie sind kein Fall von unerlaubter zahlen muss. Eine Hubschraubersprit- duktion oder bspw. von Babynah- Anwendung – was ein Verstoss wäre. zung in einem Gebiet, wo kleinräu- rung oder Kräutern berücksichtigen. Und sie sind auch kein Fall eines Man- mig Bio-Bauern und konventionelle Grundsätzlich gilt: wer weniger Pes- gels an angemessenen und verhält- Bauern wirtschaften, wäre eigentlich tizide in der Umwelt will, muss dafür nismässigen Vorsorgemassnahmen, nach der guten fachlichen Praxis sorgen, dass diese gar nicht erst ein- die in seinem Einflussbereich lägen. nicht zulässig. Hier muss sich in der gesetzt werden. Eine etwaige Kontamination durch konventionellen Landwirtschaft etwas eine Hubschrauberspritzung kann ändern. Aber wie ist es mit der Aufklärungs- der Bio-Bauer leider nicht vermei- Die Kunden, die sich pestizidfreie pflicht gegenüber den konventionel- den. Es gibt somit keinen Verdacht Ware wünschen, verdanken die Exis- len Nachbarn? Die wird es also aus auf Verstoss. Und daher auch keine tenz dieser Ware allein den Bio-Bau- Eurer Sicht so definitiv nicht geben? Pflichten des Öko-Bauern, diesen zu ern, die viel Mühe auf sich nehmen, untersuchen. Ein vergleichbarer Fall um solche Produkte zu liefern. Die Wo steht, dass Bio-Bauern das müs- ist vor kurzem auch gerichtlich für Bio-Bauern dann für das Verhalten sen? An keiner Stelle spricht die Ver- 13
ordnung von einer Aufklärungspflicht Es ist tatsächlich möglich, dass die Hier müssen zwei Dinge ganz klar der Bio-Bauern gegenüber ihren EU-Kommission die zu treffenden unterschieden werden: das eine sind Nachbarn. Vorsorgemassnahmen noch näher Folgekosten, die entstehen, obwohl Der konventionelle Landwirt ist grund- definieren wird, denn die entspre- die Landwirtschaft im Rahmen der Ge- sätzlich selbst dafür verantwortlich, chenden Artikel der Verordnung er- setze arbeitet. Die geltenden Gesetze dass es beim Spritzen nicht zur Abdrift mächtigen sie dazu. Falls die Kom- vergemeinschaften diese Kosten qua- von Pflanzenschutzmitteln kommt. mission von diesem Recht nicht si, bzw. die Zeche wird an anderer Stel- Man verlangt ja auch nicht vom Spa- Gebrauch machen sollte, werden die le, z.B. beim Wasserpreis, bezahlt. Eine ziergänger, dass er den Hundehalter zuständigen Behörden in den Mit- unserer Kernforderungen ist es daher darüber aufklärt, dass sein bissiger gliedsstaaten definieren, was zu den auch, diese Kosten zu internalisieren, Hund einen Maulkorb zu tragen habe angemessenen und verhältnismässi- also dem Verursacher zuzuordnen. und sich das am besten noch schrift- gen Vorsorgemassnahmen zählt. Un- Das andere sind aber direkte Aus- lich bestätigen lässt. abhängig davon, wer nun am Ende wirkungen unsachgemässer Hand- Selbstverständlich müssen konventio- diese Vorschriften auslegen wird, ist lungen, für die es aber klare gesetzli- nelle Landwirte sich an die Regeln der in jedem Falle klar: es müssen ge- che Regelungen gibt. Dies zeigt sich sogenannten guten fachlichen Praxis meinsam mit den Behörden machba- glücklicherweise auch längst in der Pflanzenschutz halten, um Abdrift zu re und zielführende Wege gefunden Rechtsprechung: Konventionelle Bau- vermeiden. Dies einzufordern kann werden, wie die Vorsorgepflichten ern sind immer wieder für den öko- jedoch nicht Aufgabe ihrer Bio-Nach- entlang der Wertschöpfungskette nomischen Schaden, den ihr Abdrift barn sein. Die eigentliche Frage ist, ob praktikabel umgesetzt und kontrol- Bio-Bauern zugefügt hat, zur Verant- die Behörden eigentlich das Einhalten liert werden können. Und es darf kei- wortung gezogen worden. In diesem der guten fachlichen Praxis konsequent nesfalls die gesamte Last am Anfang Bereich greift das Verursacherprinzip durchsetzen und ob solche leichtflüch- der Kette, beim Bio-Bauern, abgela- also. Vor allem aber kommt hier ja tigen Pestizide, die weiträumig verteilt den werden. noch ein weiteres hinzu: der Bio-Bau- werden, zugelassen werden sollten. er kann nicht für den unverschuldeten Das mag sein. Aber ist nicht gerade Eintrag seines Nachbarn haftbar ge- Es wird allerdings in der Verordnung die Landwirtschaft ein Bereich, wo das macht werden. nicht klar formuliert, was verhältnis- Verursacherprinzip gerade nicht gilt, mässig ist und was nicht. Rechnest Du weil z.B. erhöhte Aufbereitungskos- Ob die Behörden das Einhalten der damit, dass diese Details vor Inkraft- ten für durch Landwirtschaftsbetriebe guten fachlichen Praxis tatsächlich treten noch präzisiert werden, damit kontaminiertes Wasser nicht den ver- konsequent überprüfen und durchset- eine grössere Rechtssicherheit für die ursachenden Betrieben in Rechnung zen ist in der Tat eine wichtige Frage. Bauern entsteht? gestellt werden? Was ist Dein Eindruck? BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 14
„Grundsätzlich gilt: wer weniger Pestizide in der Umwelt will, muss dafür sorgen, dass diese Nein, den Eindruck dass die Einhal- tung der guten fachlichen Praxis für gar nicht erst eingesetzt werden“ Pflanzenschutz sichergestellt wird, habe ich in der Tat nicht ganz. In Deutschland ist die gute fachliche Praxis auch viel zu vage formuliert und macht viel zu wenig klare Vor- Mit schärferen, strengeren Regeln wä- Hanspeter Schmidt, der sich in der gaben. Auf Basis der bestehenden ren eine grosse Zahl von Fällen direk- letzten Ausgabe des Magazins zu Vorschriften ist es annähernd un- ter Kontamination durch Spraydrift si- diesem Thema geäussert hat, be- möglich, festzustellen, ob sie im cherlich zu verhindern. Diese Regeln fürchtet, dass die neue Verordnung konkreten Falle eingehalten oder würden den konventionellen Bauern in den 16 deutschen Bundesländern dagegen verstossen wurde – weil aber durchaus unangenehme Pflich- und auch in den 28 EU-Mitglieds- die Vorschriften einfach viel zu un- ten und Kosten auferlegen, zum Bei- staaten unterschiedlich ausgelegt konkret sind. Hier wäre dringend spiel sehr deutliche Abstandsflächen werden wird, was zu einer radikalen ein Nachschärfen erforderlich und zu Nachbarn. Im Bereich der Gen- Ungleichbehandlung der Bio-Land- im gleichen Zuge müsste die Ein- technik bzw. gentechnisch veränder- wirte in Europa führen könnte. Wie haltung der guten fachlichen Praxis ter Pflanzen gibt es bereits Regeln, siehst Du das? dann auch mit Sanktionen hinterlegt die deutlich weiter in diese Richtung werden. Nur so kann der Rahmen gehen. Beim Pflanzenschutz sind wir Ja, unterschiedliche Auslegung der geschaffen werden, innerhalb des- allerdings noch weit davon entfernt. Verordnung sowohl zwischen Bun- sen die neue Öko-Verordnung über- Vielleicht weil der Willen des Ver- desländern als auch EU-Mitglieds- haupt funktionieren kann. brauchers – und Wählers – hier auch staaten ist ein Fakt. Das gilt aber für bislang weniger deutlich spürbar war EU-Recht eigentlich immer und auch Für uns stellt sich auch die Frage, was als im Gentechnik-Bereich. Vielleicht schon für die bestehende Verord- denn eine gute fachliche Praxis im deuten aber die jüngsten Volksbe- nung. Das führt einerseits zu Wett- Hinblick auf Spraydrift eigentlich ist gehren hier bereits eine Wende an? bewerbsverzerrungen, sorgt teilwei- und sein kann? Nachdem sich Pesti- Denn eines ist unstrittig: Trotz aller se aber auch für eine angemessene zide praktisch überall befinden, ist Vorsorgemassnahmen führt das Sprit- Anpassung des gemeinsamen Rechts es da nicht eher unwahrscheinlich, zen von Pflanzenschutzmitteln immer an die regional unterschiedlichen dass sie sich so versprühen lassen, auch zu einer ubiquitären Belastung Verhältnisse von Finnland bis Malta. dass angrenzende Ökoflächen oder der gesamten Umwelt. Einer der Wir hätten uns an einigen Stellen im Gemeinbesitz befindliche Natur wichtigen Gründe, weshalb wir für mehr Harmonisierung gewünscht. So nicht kontaminiert werden? 100% Bio kämpfen. ist es z.B. so, dass Länder wie Italien 15
und Belgien, die nationale Grenzwer- Aktuell steht noch die Arbeit an den ter die Öko-Verordnung fällt. Diese te schon seit einigen Jahren einge- Rechtsakten, die die neue Basisver- Aspekte sind bereits in der Basisver- führt haben, diese auch beibehalten ordnung ergänzen, und deren kon- ordnung geregelt. Viele weitere Ent- dürfen und damit die unterschiedli- struktiv-kritische Begleitung im Vor- wicklungsaspekte – wie die Grössen chen Ansätze im Umgang mit Konta- dergrund. D.h. wie die Details der für Ställe und Ausläufe, zugelassene minationen in Europa fortgesetzt wer- Umsetzung aussehen, wissen wir an Betriebsmittel und Zusatz- und Hilfs- den dürfen. Der Spielraum wird vom vielen Stellen noch gar nicht. Entschei- stoffe für die Lebensmittelherstellung neuen Bio-Recht aber an manchen dend ist daher zunächst, dass diese – werden erst mit den Rechtsakten Stellen auch beschränkt. So soll bis Bestimmungen sinnvoll gestaltet wer- festgelegt werden. Im Bereich Tier- 2035 überall biovermehrtes Saatgut den und hier steckt der Teufel noch im haltung hätten wir uns mehr erhofft. eingesetzt werden. Bislang sind die Detail. Dabei sind die Regeln für Land- Es ist absehbar, dass die Vorgaben für Bemühungen dafür in den Mitglieds- wirtschaft und Verarbeitung schon Ställe und Ausläufe für Wiederkäuer staaten sehr unterschiedlich, manche relativ weit gediehen, die Diskussi- und Schweine weitgehend unverän- Länder haben nicht einmal eine gut onen um die Kontroll- und Import- dert übernommen werden. Für Geflü- gepflegte Saatgut-Datenbank, ob- regeln beginnen gerade erst. Sobald gelbetriebe gibt es künftig zwar ein- wohl diese Auflage schon seit vielen klar ist, welche konkreten Änderun- heitlichere Bestimmungen, allerdings Jahren in der Öko-Verordnung veran- gen auf die Betriebe im Vergleich zur ist absehbar, dass auf viele Geflügel- kert ist. Länder wie Deutschland und aktuellen Praxis zukommen, werden betriebe in Deutschland Änderungen die Niederlande gehen sogar noch wir ihnen das in einer aufbereiteten zukommen werden. EU-weite Regeln weiter und haben nationale Listen Übersicht zukommen lassen. Dort, für Kaninchen und Wild sind neu in für Sorten, die nur noch aus Öko-Ver- wo es notwendig ist, ist unser über die Öko-Verordnung aufgenommen mehrung stammen dürfen und für die 40-köpfiges Beraterteam zur Stelle worden. deshalb keine Ausnahmegenehmi- und unterstützt bei der Umsetzung. gungen mehr möglich sind. Wir hof- Diese Verordnung betrifft ja alle Bio- fen, dass die neuen Vorgaben einen Kritiker betonen insbesondere die Bauern und somit auch alle Bio-Ver- stärkeren Anreiz innerhalb der EU Risiken, die mit der Einführung der bände. Findet diesbezüglich ein Aus- setzen, dass jedes Land sich um mehr neuen EU-Verordnung nicht nur auf tausch und eine Abstimmung statt? ökovermehrtes oder ökogezüchtetes die Bauern, sondern auf die gesamte Gibt es Interpretationsunterschiede Saatgut bemühen muss. Bio-Branche zukommen. zwischen den einzelnen Verbänden In Deutschland drängen wir von Siehst Du in der neuen Verordnung und wenn ja, welche? Seiten des BÖLW gegenüber den auch Chancen, und wenn ja, welche Bundesländern auf gemeinsame sind das? Nein, es gibt keine Interpretationsun- Interpretationen und sind dazu im terschiede zwischen den Verbänden. ständigen Austausch mit den zustän- Insgesamt ist das Ergebnis, gemessen So divers die Bio-Verbandssituation digen Ministerien und Behörden. Du an dem enorm hohen Aufwand der in Deutschland ist, so eng stehen wir siehst also, wir setzen uns konkret da- von Kommission, Parlament, Ministe- in der politischen Lobbyarbeit und für ein, dass unsere Bäuerinnen und rien und Wirtschaftsvertretern über insbesondere, wenn es um das Bio- Bauern aber auch Unternehmen der fünf Jahre hinweg geleistet wurde, Recht geht, zusammen. Dafür sind Verarbeitung und des Handels unter ernüchternd. Auf der Haben-Seite wir im BÖLW organisiert und stim- möglichst gleichen Rahmenbedin- stehen das Prinzip des bodengebun- men uns hier zu allen Fragen ab. Aber gungen arbeiten können, egal wo ihr denen Anbaus auch im Gewächshaus, selbst auf EU-Ebene, wo durch unter- Betrieb ist. der stärkere Impuls in Richtung öko- schiedliches Klima, Landbauhistorie vermehrtem und ökogezüchtetem und Ernährungskultur Unterschiede Du bist auch Vorstandssprecher von Saatgut einschliesslich heterogenem bestehen, zum Beispiel bei Tierhal- Demeter Deutschland. Wie begleitet Material – das ist sehr wichtig für die tungs- oder Gemüsebausystemen, und unterstützt der Verband seine Mit- Erhaltung der Artenvielfalt. Der Gel- stimmen wir uns in der IFOAM-EU- glieder im Hinblick auf die Einführung tungsbereich wurde nachgeschärft, Gruppe eng ab und positionieren uns der neuen EU-Verordnung? sodass z.B. Bienenwachs jetzt klar un- gemeinsam. BODEN FRUCHTBARKEIT FONDS 16
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